1932 / 278 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 26 Nov 1932 18:00:01 GMT) scan diff

S

Neich8- und Staatsanzeiger Nr. 278 vom 26. November 1932. S. 2.

Uebersicht über die Einnahmen!) des Neichs au Steuern, Zöllen und Abgaben für die Zeit vom 1. April 1932 bis 31. Oftober 1932,

Bezeichnung der Einnahmen

Im Neichéhaus- balteplan it die S ——} Einnabme tür das | im Monat pom 1. April 1932] Rechnungsjahr Oftober 1932 Vitober 1931 lb 31. Oft. 1932 1932 Zltoner 1992 | Peinionmn [L U, 12071 veranschlagt aut RM RM j NRNM RM

3 4 i 5 6

Aufgekommen find

im Monat

A. Besit- und Verkehrsteuern,

Eintommenlsteuer :

a) Lohnsteuer *) d D ck- ck q Op ckO

b) Steuerabzug vom Kavitalerirage. « - ch o.

c) andere Einkommensteuer . 4 E

zusammen , Nr.

C Krisensteuer:

a) Krisenlohnsteuer G 0.0.0 E So b) Krijenfteuer der Veranlagten « « -

zusammen

Vermögensteuer . . .. ¿ Aufbringungéumlage aus Nesten. . . » Aufbringungsuwmkage für R}. 1931 und 1932 BVermögenzuwachssteuer « e E IGTTTIEHEE o «o o Umsaßsteuer è d Grunderwerbfteuer?) . « « Kapitalverkehrfteuer : a) Gefsellschaftfteuer . b) Wertpapiersteuer . c) Börfenumsaßzfteuer . Kraftfahrzeugsteuer. . « « s Verficherungsteuer . . . « « Nennwett- und Lotteriesteuer: a) Totalijatorsileuer. . «o o o o ooo 00/06 b) andere Nennweitfleu«er „o a ooooo

zusammen lfde. Nr. 13a und b

c) Lotteriesteuer e S S T « G P EGS E Beförderungsteuer:

a) Personenbeförderung « - o a ooo e1

b) Güterbeförderung G Steuer zum Geldentwertungsausgletche

eo 00

Summe A,

8. Zölle und Verbrauchsteuern, A Ra

Tabakfsteuer: i a) Tabaksteuer (eius{chl. Aufschlag) . .. « Wi E zusammen lfde. Nr. 19

Zuckerfteuer . s : i; „Salzfteuer (eins{l. Nachsteuer) Bierfstener E E L Aus dem Spjxitusmonopol_ SMaummweinfleuer . . . . « MAIENUIDATCHTICIET - - . e e « Aus dem Zündwarenmonopol Leuchtmititelsteuer . . « Spielkartensteuer . « Statiftishe Abgabe ,

9e Oa

Süßftoffffeuer. . « Mineralwassersteuer « Brauntweinersagsteuer . . S A E Ausgleichsteuer auf Mineralöle (Mineralölsleuer)

Summe B

Im ganzen

t D S

ck00 A -.

a 0 J A E E ck D 0 0.0 E D ch0 A O E E E e. E S E E R E R e. 49-.9:.0 0 0.0 D 00 D

. - . G“ D) - . - . o

‘O 0... A E E E E E

@ 000 (0e Dos

__ bei Sculdyerschreibungen ( bligationensteuer) « « « E nad o i 6E

- e‘. b) Materialsteuer (eins{chl. Tabakausgleichsleuer) « «

e eo) 0

.

900 000 000 30 000 000 700 000 000

444 860 681,60 27 513 327,92 284 (1348 (0127 04

61 394 255,10 1 480 909,36 23 034 62,21

1 630 O00 000 120 000 000

T96 412 036,02 55 098 516,95

85 9U9 786,67 wn LTATTOO

en Ho

623 670,40 28 098 131,31

28 721 801,71 8 153 076,43 1 504 522,90 9 953 996, 67

5 402 563,32 129 700 514,31 1 552 434,05

52 922 388,77 48 134 860,32 101 057 249 09 179 183 703,43 7 607 627,36 59 658 278,10 35 736 265,71 778 687 302,50 11 426 309,54

_—_— N 00 mo

140 000 000 280 000 000

40 000 000

70 000 000 1 820 000 000 24 000 000

90 000 000 6 000 000 922 000 000 180 000 000 65 000 000

N

-

+

4 Hurt a

] (- 2 s 0

00 00 J ms C2 Mo Go C G3 Cr

—— D 5

_

1 229 056,15 25 218 61 1011 138,08 14 548 659,07 4 222 364,81

8 616 807,69 197 922.99

4 981 242,38 113 389 865,18 33 232 942,30

NODR

6 457 503,15 10714 613,57

17172 116,72 25 398 463,00 21 055 337,66

62 139 271,89 112 000 000 49 610 409,97 96 000 000

74 815,96 873 029,39 _—

890 453,53 1 509 936,96

2 399 990,49 1205 521,39 2 945 523,22 7 735 597,87 7 802 950,05

7 962,50 68 454,25 -—

-_

2 | m ps

30 000 000

60 000 000 42 000 000

_—_—_ O d If dd

_

N s O b 10 00

314 083 934,69 603,8 12321 609 513,43 4 757 000 000

147 311 386,66 137,9 732 477 701,67 1 140 000 000

366 514 221,91 90 493 327,82 83 954,90

457 091 504,63

166 261 304,66 8 765 374,01 167 178 615,68

1 886 671,22 2 309 379,22 6 901 912,35 3 800 958 21 8170 744 64 1 301 663,05 8 151 209,80 142 406,70 271 946,57 22 913,29

5 204 455,91

b3 775 247,32 57,4

13 381 667,76 17,2 % 414,95 fi

67 182 330,03 74,6

96 164 771,43 21,2 9 445 316,89 A 27 670 914,71 10 250964,69 306 311,21 934 936,40 301 156,90 556 696,37 157 012,74 485 168,05 24 154,30 13 842,73 0,8

l 154,45 vi 48 298,35 0,8

77ò 000 000

270 000 000 40 000 000 300 000 000

U U A

2 300 000 4 500 000 11 000 000 3 500 000 9 000 000 2 300 000 6 000 000 240 000 400 000 100 000

13 000 000

a ©5 OEOROSDS I my G D C D

ooo

2 707 340 000 7 464 340 000

284 142 730.81 289,6 . | 598 226 665,50 | 893,4

1 629 491-820,00 3951 101 333,43

1) Einschließlich der aus den Einnahmen den Ländern usw. überwiesenen Anteile usw. , ?) An Lohnsteuer sind erstattet: im Oktober 1932 = 57304,39 NM; in der Zeit vom 1. April 1932 bis 31, Oktober 1932

= 472 897,598 RM.

D Hierin iff die von den Landesbehörden erhobene Grunderwerbsteuer nit enthalten. ) Diefer Betrag ift für das Nechnungsjahr 1931 und Vorjahre aufgekommen.

__ Die Reichseinnahmen im Okt oher 1932 betrugen bei den Besig- und Verkehrssteuern 314,1 Millionen RM, bei den Zöllen und Verbrauchssteuer]w 284,1 Millionen RM, zusammen 998,2 Millionen RM. Außer den laufenden und den monatlichen Zahlungsterminen fielen in den Monat Oktober vierteljährliche Hahlungstermine für die Umsaßsteuervorauszahlungen der Be- triebe mit einem steuerpflihtigen Fahresumsaß von nicht mehr als 20000 RM und für die Zollagerabrechnungen. Außerdem wirkte sih im Oktober erstmalig die Aufhebung der Freigrenze von 5000 RM bei der Umsaßsteuer aus. : S

Die Gesamteinnahme iu Oktober 1932 ist um 295,2 Millionen

Berlin, den 14. November 1932.

Reichsmark niedriger als die im Oktober 1931 mt 893,4 Mil- lionen RM; hiervon entfallen auf die Besiß- und Verkehrsteuern 289,7 und auf die Zölle und Verbrauchsteuern 5,5 Millionen RM. Diese erhebliche Mindereinnahme bei den Besi - und Verkehr- steuern beruht hauptsächlich darauf, daß im Oktobex 1931 noch Vorauszahlungen auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer zu entrihten waren, die im Jahre 1932 infolge Aenderung der Zahlungstermine bereits im September geleistet worden sind. Ein Vergleich der Einnahmen in den beiden Monaten läßt mit- hin uicht ohne weiteres einen Rückschluß auf die Entwicklung des Ertrages dex Steuern zu.

Reichsfinanzministerium.

Dex bisherige österreichische Gesandte, Herx Dr. Felix F rank, hat Berlin verlassen. Die provisorische Gereuz führt Herx Legationsrcat Dr. Mein dl als Geschäftsträger a. t. i Der mit der Wahrnehmung der Geschäfte der Kaiserlich japanischen Botschaft betraute Botschastsrat Shigenori Togo hat Berlin verlassen. Während seiner Abwesenheit führt Herr Botschastsrat Keinosuke Fujii die Geschäfte der Botschaft als Geschäftstxäger a. i.

Prenßisher Staatsrat. Sibßung vom 24. November.

Wie das Nachrichtenbüro des Vereins deutscher Zeitungs- verleger meldet, ixai am Dounerstag, dem 24. November, der Preußische Staatsrat wieder zu einem Tagungsabschnitt ujammen. Mit dem stellvertreteuden Ministerpräsidenten Vr. Hirtsiefer nahmen auch die Minister Dr. Schrei - ber, Dr. Schmidt uud Dr. Grimme sowie die Mini- P Dr. Brecht und Dr. Ba dt an der Sivung eil.

_ Prâfident Dr. Ade nauer eröffnete die Sitzung mit einem Nachruf auf das verstorbene Mitglied des Staatsrats Heitmüller (Arbeitsgem.), au desseu Stelle Landwirt

Rabe aus Dieck bei Bassum, Kreis Syke, tritt; Stellver- treter wird Landwirt Voigt aus Großholm (Ostfriesland).

2 Dor Staatsrat trat dann in die Beratung über die Ent- scheidung des Staatsgerichtshofs im Verfassungskonflikt Preußen—Reich und die damit verbundenen Gegenstände, namentlich die Verordnung des Reichspräsidenten vom 18. No- vember, ein. Dazu hatte der Verfassungsausschuß des Staats- rats am Mittwochabend eine Entschließung gefaßt, in der u. a. eine neue Klage beim Staatsgerichtshof zur Klärung der Ver- fassungsstreitfragen zwischen dem Reich und Preußen gefor- dert wird.

Dr. Langemak (Arbeitsgem.) berichtete über dèe Verhand- lungen des Ausschusses. Fn seinen 114 stündigen Ausführungen erwähnte derx Berichterstatter u. a., daß der vom Verfassungs- ausschuß vorgelegte Antrag im wesentlichen einem Urantrage der Zentrumsmitglieder des Staatsrats entsprehe und daß die Är- beitsgemeïnshast der Rechtsparteien wesentlichen Teilen dieses Antrags nicht zustimmen könne, weil sie die Staatsgerichtshofs- entscheidung anders beucteile. Es sei noch eine Ergänzung des vom Verfassungéausschuß vorgelegten Antrags dahin zur Annahme empfohlen, daß der Präsident des Staatsrats ermächtigt werde, im Benehmen mit dem Verfassungëausshuß das weitere hin-

jihtlih der Klage vor dem Staatsgerichtshof zu veranlassen. __ Nach dem Berichterstatter nahm der stellvertretende Mi- nisterpräsident Dr. Hirtsiefer das Wort, um u. a. aus-

anführen:

Der Ministerpcäsident Dr. Braun hatte den Wunsch in der ersten Sißung des Siatsrats nah dem Spruch des Staatsgerichts- hofs per¡önlich vor Jhnen zu erscheinen und zu der Sachlage Stellung zu nehmen. Leider ist der Ministerpräsident durch eiue Erkranfung schon seit mehreren Tagen ans Bett gefesselt, so daß ih die Aufgabe übecnommen habe, Jhuen die Ausfassung der gierung miizuteilen. Der Staatsrat hatie schon aur

1932 durch Beschluß seiner Auffassung dahin Aus- gegeben, daß die Verordnuna des Herrn Reichspräjüdenten über die Einseßung des Reichskommissars vom 20. Fuli und die Anwendung dieser Verordnung, insbesondere die Enthebung dec preußischen Staatsminister von thren Aemtern, mit der Reichs- verfassung und der preußischen Verfassung nicht im Einklang stehe. Der Staatëgerichtshof hat die Auffassung des Staa:srats in ihren wesentlihen Vunkten als rihtig erkannt und besondecs festgestellt, daß durch die Verordnung dem Reichskommissar die Ermächtigung erteilt werden sollte, die preußiscen Staatsminister endgültig ihrex Aemter zu entheben. Der Staatsgerichtshof hc sowohl eine dauernde wie eine au uur vocübergehende i enthebung der Staatsminister für verfassungswidrig erklärt. (Seyr wahr! links und in der Mitte.) Auch stellt das Urteil fest, daß die Befugnis der Staatsregierung gegenüber dem Staatsrat aus den Reichskommissar nicht überträgen werden können. Vie preußishe Staatsregierung erhebt auf das bestimmteste die Forde» rung, daß die Verordnung vom 20. Fuli, deren wesentlichste Teile als verfassungswidrig erklärt wurden, nunmehc endgültig auf- gehoben werde. Zum mindesten muß durch eine Abänderung dem Urteil des Staatsgerihtshofs Rechnung getragen werden. (ZU- stimmung links und in der Mitte.) Leider ist das bis heute m@t geschehen, obgleih die Reichsregierung doch inzwischen exkauut habew muß, wie falsch der Ausgangspunkt der Verordnung ist, wie sehr sie dadur einem tatsjählihen und rechtlichen «Fretum zum Opfer gefallen ist. Auch die Verordnung des Herrn Reichs» präsidenten vom 18. November trägt ‘nah Meinung der Staats- regierung weder dem Sinn noch dem Woctlaut des Staatsgerichts- hofsurteils Rechnung. (Erneute Zustimmung links und in der Mitte.) Jch beabsichtige hierüber in der heutigen Siyung des Land- tags weitere Ausführungen zu machen und will daher an dieser Stelle nicht weiter auf die Fragen eingehen. Dem Staatsrat gegen- über ist jedenfalls die Rechtslage dur das Leipziger Urteil eindeus tig geflärt. Nur die Landesregierung, das Preußische Staats- ministeriunr, hat das Recht und die Pflicht, Jhnen gegenüber das Land Preußen zu vertreten. Wie ih mit Befriedigung aus Zem mix vorliegenden Antrag Jhres Verfassungsausschusses _ersche, haben Sie sich auf den gleihen Standpunkt wie die Staats» regierung gestellt. Die Staatsregierung wird wie bisher alles, was in Jhcen Kräften steht, tun, um möglichst bald wieder zu einer reibungslosen Arbeit zum Wohle des Landes Preußens zu gelangen.

Darauf wird in die Aussprache eiagetreten.

Dr. Breitenstein (Zentr.) beschäftigt si eingangs mit ciner Stellungnahme dex „Deutschen Allgemeinen Zeitung“ zu der Entschließung des Verfassumgsauëschusses. Es ist in diesem Artikel davon die Rede, daß der Staatsrat bei Annahme der Entschließung seines Verfassungsausschusses Gefahr laufen könnte, die Pflichten Preußens gegenüber dem Reich zu verleßen und da- mit „ein neues Einschreiten des Reiches auf Grund _des Art, 43 Abs. 1 der Reichöverjaung heraufzubeschwören“. Dr Breiten stein erklärt, ex halte sih als Mitglied der Zentrumsfraïtion des Staatsrats ganz besonders für befugt, in aller Schärfe diesen Eingriff der „DAZ.“ in die Rechte und Pflichten des Staatsvrats zurückzuweisen. Der Redner stellt dann mit Genugtuung fest, daß der Staatëgerichtshof in vollem Umfange die Auffassung des Staatsrats bestätigt habe, daß die Amtsenthebung der preuzichen Minister der Verfassung widersprehe. Das Urteil des Staats gerichtshofes habe auch die Ehre der preußishen Staatsminister, die durch die Rundfunkrede des Reichskommissjars vom 20. Julk 1099 e209 oma a2 aamlatt mardon ot. in vollem Umfange wieder hergestellt. (Bravo! im Zentrum und bei den Soztaldenotraten.) Der Redner geht auf die einzelnen Punkte des Antrags des Vers fassungsausschusses ein und hebt hervor: Man müsje sich klar- machen, was als Tätigkeit der preußishcen Lendesregierung nah den Erlassen vom 20. Juli und 18. November noch übrigbleibe. Fn Wirklichkeit seien die preußishen Minister so gut wie aus- geschaltei. Monatelang habe man die duxch Verfassung berufenen Vertreter Preußens zum Reichsrat mcht zugelassen. Auch in der Zeit mah dem Urteil des Staatsgerictshofs sei alles im Wege der Verordnungen erledigt wordem. Mit allen Kräften müsse die Beendigung dieses Zustands herbeigeführt werden. Man- könne heute nicht mehr von einem Rechtsstaat in Pveußen sprechen. Die Vereinigung des preußischem Laudwirtschaftsministeriums mit dem entsprechenden Reichsministerium entsprehe niht dem Artikel 17 dex Reichsverfassung, Das Urteil habe klar zum Aus druck gebracht, daß das Staatsministerium voll und ganz bestehen bleiben solle und daß neben ihm für bestimmte Zuständigkeiten in der Person des Reichskommissars und seinex Beauftragten ein besonderes Organ geschaffen sei. Man müsse sich fragen, ob der Roichskommissar Reichsgeschäfte oder LandeSsgeschäfte ausübe. Ganz unmöglich sei es, daß der Reichskommissar die Firma preuBi des Staaisministerium für seine Handlungsweise in An- spruch nehme. Es könne keinem Zweifel unterliegen, daß die Ausübung des Begnadigungsrechts, das namens des Volkes aus» eübt werde, ein Hoheitsreht sei, das eben nach dem Leipziger

rteil der Landesregrerumg vorbehalten bleibe. Man werde es dem Stactsvat gewißlich niht zum Vorwurf machen können, wenw ex, der er shon immer ‘peinlich auf die Einhaltung der Verfassungsbestimmungen, selbst in weniger wichtigen Punkten, geachtet habe, in diesem bedeutumgsvollen Streitfall erst recht um die Einhaltung der Verfassung besorgt sei und die Absicht habe, den canzen Streit durch die Anrufung des Staatëgerichlshofs zu kflärer. * Für die Zentrumsfvraktion, auf die dex Antrag auf Klage- erhebung zurückgehe, seien dabei parteipolitishe Gründe selbst verständlih keinesfalls maßgebend gewesen (Widerspru bei dex Arbeitägemeinschaft), sondern einzig und allein Gründe sachlicher und grundsäßlihex Natur. Wenn der Staatsrat ehrlih darlege, welche Gründe thn zu diesem Schritt vevanlassen, jo sollten auch die Gegner dieses Schrittes ehrlich genug seim, die Gründe uicht in ihr Gegenteil zu verfehrem und daran grundloje Vorwürfe zu rnüpfen. Bs welhem Wege die Klageerhebung erfolgen werde, siehe noch nicht fesi; jedenfalls sei der Präsident beauftragt, im Benehmen mit dem Verfassungsausshuß das weitere zu ver- anlassen. Der Redner gibt zum Schluß der Erwartung Aus- dru, daß recht bald die Verordnung des Reichspräsidenten vom 20. Juli und auch der Erlaß vom 18. November aufgehoben werden, damit für Preußen wieder normale Zustände eintreten.

Dr, FFÜUl X48 rbeitügans) legt die Gründe dar, weshalb seine Fraktion dem Mehrheitsbeschluß des Verfassungsausschusses niht zustimmen könne. Diesem Standpunkt der Arbeitsgemein- schaft hätten si auch die drei wirtshaftsparteilihen Mitglieder es Staatsrats angeschlossen. Gegen das Urteil des Staatsgerichts- hoses, fährt: der Redner fort, lasse fi prets und rechtlich fehr viel einwenden, es enthalte auch mane Unklarheiten. Vom Standpunkt der praktischen Verwaltung und einer starken Staats- führung bringe es ungeheure Schwierigkeiten. Die Versuche, zu einer verständnisvollen Zufammenarbeit zu gelangen, seten leider gescheitert, so daß der Reichspräftdent durch die Verordnung vom 18. November den Notftand aus dem Wege räumen mußte. Fn diefe Dinge greif2 der Antrag des Verfassungsausschusses über- flüssigerweise ein, er gieße nnnüß Oel in das Fener. Der Antrag oche sogar über das hinaus, was die Stæatsrcgierung selbst ver, langt habe Das Verhältnis zwischen Staatsrat und Staats- regierune sei durch den Erlaß des Reichsprästdenten vom 18. N9- vember gcklärt. Auf die einzelnen Punîite des Antrags eingehend, stellt d'x Redner fest, daß in dem Urteil des Staatsgerichtshofs niht dex Beschluß der Mehrheitsparteien des Staatsrats vom

Neichs- und Staatsanzeiger Nr. 278 vom 26. November 1932. S. 3.

8. Septemdver Rech: erhalten habe, sondern die Auffassung der Fraktion Arbeitëgemeirshaft. Der Erlaß des Reichsprösidenten vom 18. November zeige den Willen zu einer gütlihen Verständt- gung. Die gewählte Form sei sahlich richtig und gerade im Juteresse der „Firmenklarheii“ erwünscht. Das Notverordnungs- reht der preußishen Regierung gehöre unbedingt zur ausshließ- tihen Zuständigkeit der kommissarishen Regierung. Richtig set daß die Zustimmung des Landtagsausschusses notwendig fe! und daß die kommissarishe Regierung dieses Einvernehmen nicht selbjt herbeifühven könne, sondern sich der Vermittlung des Staats- ministerizus bedienen müsse. Die kommissarische Regierung hade auŸH das Recht der geseßgeberishen Juitiative, sie könne Gesey- entwürfe aufstellen und durch Vermittlung der Staatsregierung an de1 Staatsrat und Landtag bringen. Die Staatsregierung stelle sozusagen den verlängerten Mund der kommisfarishen Regie- rung dar. Das Begnradigungsreht sei eine Angelegenheit der Exe*tutive, dic dem Reichskommissar zustehe. Die geshäftssührende Staatsregierung habe die Pflicht, alle ihr vom Reichskommissar zugewiesenen Vorlagen dem Staatsrat zuzuleiten, sie habe aller- dings das Recht, gegenüber dem Staatsrat ihre Meinung zu vec- treten. Der Antrag auf Erhebung einer Klage des Staatsrats im Staatsgerichtshof sei im Jnteresse dex friedlihen und sach- lihen Ertwicklung der Dinge zu bedauern. Der Staatsgerichts- hof könne eine derartige Klage überhaupt nicht erheben, da in einem Streit zwishen Land und Reich. nux das Land, vertreten durh seine Staatsregierung, Klage führen könne. Die tiefere Nrsache zu dem Konflikt liege in der Beschlußfassung des alten Landtags, die Geschäftsordnung zu ändern, um die Bildung einer aftionsfähigen Regierung zu verhindern.

Caspary-Scchneidemühl (Soz.) verteidigt die Re- gierung Braun-Severing gegen den Vorwurf der Pflichtver- lebuñg. Die Ruhe und Ordnung in Preußen sei gestört worden, als die Regierung Papen die Sicherungsverordnungen der Re- gierung Brüning aufhob. Der Redner bedauert die Unwahr- haftigkeit des politfchen Kampfes. Es sei cine objektive Unwahr- haftigkeit, wenn Leute, die etner bestimmten Partei angehörten, dem Volke als Kabinett neutraler Persönlichkeiten vorgestellt würden. Man könne niht mehr von einer objektiven Beamten- politik in Preußen sprehen. Der Verfassungsausshuß des Staatsrats werde die Zweifelsfragen über das Klagebegehren des Staatsrats beseitigen. Man müsse es aber ablehnen, si durch Drohungen von Zeitungen einshüchtern zu lassen. Zu déx Forderung der Verfassungsreform müsse an die Warnung Dr. Luthers vor einer Rechtskrise exinnert werden. Das deutsche Volk habe genug von Verfassungsexpercimenten, es brauche Friede, Arbeit und Brot und das Bewußtsein, sih selbst zu regieren. Deutschland werde niht zur Ruhe kommen, solange sogenannte autoritäre Regierungen bestünden. Wenn jeßt Hitler von dem Reichspräsidenten die Bedingung gestellt wird: „Keine Rückkehr zum Dualismus Preußen-Reich“, so beweise dics, daß der Kampf gegen Preußen ganz anderen Ursprung habe.

Gutjahr (Komm.) fordert vershärften Kampf gegen die Reichskommisjare. Verfassungsfragen seien stets Machtfragen.

Dr. Caspari-Berlin (Arbeitsgem.) begrüßt, daß bei der Vereinfachung der Verwaltung der Abbau in den Ministerien begonnen habe und nicht“ in den unteren Stellen. Die Ministerien seien mit Beamten überbeseßt gewesen.

Damit {ließt die Aussprache. Es folgen die A bst im - mungen.

Der Antrag des Verfassungsausschusses wird gegen die Stimmen der Fraktion Arbeitsgemeinschaft und der Wirt- schaftspartei angenommen.

Die nächste Sitzung findet voraussihtlich am 13. Dezem- ber statt.

Preußischer Landtag. Nachtrag. 21. Sißung vom 24. November 1932.

Die Rede, die dex Minister für Volkswohlfahrt Dr. Hirt- siejer in Vertretung des Ministerpräsidenten in der Sißung vom 24. November gehalten hat, lautet nah dem amtlichen Stenogramm wie folgt:

Meine Damezt und Herren, Herr Ministerpräsident Dr. Braun hatte beabsichtigt, in der ersten Sizung des Landtags nah dem Spruch des Staatëgerihhtshofs persönlich zu der Sachlage Stellung zu nehmen. Leider is er durch eine Erkrankung schon seit mehreren Tagen ans Bett gefesselt. Jn seiner Vertretung möchte ih Jhnen die Auffassung der Staatsregierung kurz darlegen.

Bei der leßten Tagung des Landtags habe ih namens der Herren Staatsminister die Vorgänge vom 20. Juli dem Hohen Hause hier geschildert und Jhnen die Gründe dargelegt, warum die Staatsregierung obwohl die Verordnung des Reichspräsi- deuten nach ihrer Ansicht unzweifelhaft die Grenzen der Reichs- verfassung erheblih übershritt sich im Jnteresse des Reichs und Preußens darauf beschränkt hat, die Entscheidung des Staats- gerichtshofs anzurufen. Da -der Staatsgerichtshof auf cine voll- ständige schriftliche Vorbereitung dex Verhandlung von beiden Seiten entscheidendes Gewicht legte und mehrfaher Schriftwechsel sich als notwendig erwies, konnte die mündlihe Verhandlung erst am 10. Oktober 1932 beginnen. Sie dauerte bis zum 17. Oktober. Die Entscheidung wurde am 25. Oktober verkündet.

Es hat also mehr als drei Monate gedauert, bis eine Ent- sheidung über diesen tief în das deutshe Verfafssungsleben -ein- shneidenden Schritt der Reichsregierung erzielt werden konnte. Das is eine lange Zeit. Um so wichtiger ist es, daß nunmehr dieser Entscheidung mit größter Beschleunigung Rechnung ge- tragen wivd,

In dem für Preußen wichtigsten Punkte hat die Entschei- dung des Staatsgerichtshofs Preußen Recht gegeben, - Denn sie hat ausgesprochen, daß die von der Reichsregierung unter Führung des Reichskanzlers von Papen unternommene R e i ch §- exckution gegen Preußen mit dex Reichsverfassung

- nîich t vereinbar wax. (Hört, hört! und Sehr wahr! links.) Eine

solche Reichsexekution ist nach Artikel 48 Abjsay 1 der Reichsver- faffung nux dann zulässig, wenn ein Land die ihm nah der Reichsverfassung und den Reichsgeseven obliegenden Pflichten nicht erfüllt hat. Die Reichsregierung hatte ihre Verordnung auch auf diese Vorschrift gestüyt und zur Begründung nah und nah sieben Vorwürfe gegen Preußeu erhoben. Der Staats- gerihtshof hat festgestellt, daß diese Vorwürfe einex Pflichtver- legung des Landes Preußen in sämtlichen Fällen niht begründet sind (Abg. Diel [Burg Layen]: Hört, hört!) und daß daher eine Reichsexekution gegen Preußen unzulässig war und unzulässig ist.

Damit ist das Land Preußen von einer Diffamierung befreit worden, die jeder Preuße und jedec Deutsche als eine Shmach

empfinden mußte. (Sehr gut!) Die Reichsregierung hat es für rihtig gehalten, die von ihr unternommenen Schritte zu einer Reichsreform mit einer solhen Diffamierung Preußens zu ver- binden. Sie hat damit der Reichsreform einen s{lechten Dienst erwiesen. (Sehr wahr!)

Wenn man jeßt nahhträglih versucht, die Tatsache, daß die Verordnungen des Reichspräfidenten als eine Reichsexekution gegen Preußen ausgestaltet waren, als nebensählich hinzustellen, so legen wir gegen eine solhe Auffassung Verwahrung ein. Mir fehlt jedes Verftändnis für eine solche Anshauung in deutschen Staatsangelegenheiten, die es für nebensählich hält, ob eine Reichsexekution gegen Preußen zulässigerweise stattfand oder nicht. Nach der Entscheidung des Staatsgerichtshofs waren und sind keinerlei Maßnahmen gegen Preußen zulässig. Zulässig sind nur Maßnahmen i n Preußen, ebenso wie in anderen deut- shen Gebieten, zur Wiederherstellung der öffentlihen Sicherheit und Ordnung. Dabei hat der Staatsgerichtshof die Frage offen- gelassen, ob und inwleweit die Reichsregierung selbs an der Störung der öffentlihen Ordnung dur verfehlte Maßnahme [huld hatte. (Sehr richtig! und Hört, hört!)

Auch in dem zweiten wesentlihsten Punkte hat der Staats- gerihtshof die Verordnungen des Herrn Reichspräsidenten für verfassungswidrig erklärt, Der zweite Say des § 1 der Ver- ordnung lautet:

Er (der Reichskommissar) ist in dieser Eigenschaft er- mächtigt, die Mitglieder des Preußishen Staatsministe- riums ihres Amtes zu entheben,

Der Staatsgerichtshof stellt zunächst fest, daß die Verordnung niht nux eine vorübergehende, sondern eine end- gültige Enthebung dex Minister von ihren Aemtern zulassen wollte, und daß der Reichskanzler die Absicht gehabt hat, auch wenn es später bestritten wurde, eine solche endgültige Ent- hebung vorzunehmen. Der Staatsgerichtshof stellt ferner fest, daß weder eine dauernde noch auch nur eine vorübergehende Ent- hebung der Minister von ihren Aemtern zulässig war. (Hört, hört!) Der zitierte zweite Say der Verordnung ist also mit der Reichsverfassung niht vereinbar.

Drittens hat der preußishe Standpunkt über die recht- lihe Stellung der Reihskommissare die volle Zu- stimmung des Staatsgerihtshoss gefunden. Die Reichs- fommissare hatten sich der preußishen Amtsgeschäste so be- mächtigt, als ob sie die Landesregierung wären oder an die Stelle der Landesregierung getreten seien. Sie haben sih selbst als Landesregierung bezeihnet und namens der Landes- regierung Verordnungen und Verfügungen, Schreiben und Er- klärungen erlassen. Der Staaitsgerichtshof stellt fest, daß dies unzulässig war und sagt:

Hiernach geht es nicht an, einen Reichskommissar auch nux vorübergehend als Landesregiecung einzuseßen und die verfassungsmäßig bestellten Minister ihrer Aemter zu enthelben.

und an einer anderen Stelle:

An die Stelle dieser Landesregierung kann, auch vorübergehend, fein andares Organ geseßt werden. Wenn die Mitglieder dieser Regiecung dauernv oder vorübergehend ihres Amtes enthoben oder auch nux an der Amtsausübung tatsächlich völlig verhindert werden, so wird dem Lande entzogen, was ihm durch Art. 17 gewährleistet ist. Dabei begründet es keinen Unterschied, ob es sich um eine im politishen Sinn noh vollkräftige oder um eine Geschäfts- regierung handelt.

Dex Staatsgerichtshof hält es, entsprechend der preußischen Auffassung, nur für zulässig, daß ein Reichskommissar ermächtigt wird, preußishen Ministern vorübergehend Amtsbefugnisse zu entziehen und diese Befugnisse selbst zu übernehmen oder anderen Personen als Kommissaren des Reichs zu übertragen. Er be- zeichnet dabei sechs Befugnisse, die einem Reichskommissar nicht übertragen werden können, die vielmehr dem Preußishen Staats- ministerium und seinen Mitgliedern unbedingt verbleiben müssen, nämlich erstens die Vertretung des Landes Preußen im Reichstag, zweitens die Vertretung des Landes Preußen im Reichsrat, drittens die sonstige Vertretung des Landes Preußen gegenüber dem Reich, viertens die Vertretung des Landes Preußen gegen- über dem Landtag, fünftens die Vertretung des Landes Preußen gegenüber dem Staatsrat und sechstens die Vertretung des Landes Preußen gegenüber den anderen Ländern. Der Staatsgerichtshof sagt aber keineswegs, daß alle übrigen Befugnisse von dem Lande Preußen abgetrennt werden können oder gar müssen; vielmehr stellt er ausdrücklich fest, daß dies nux zur Wiederherstellung der öffentlihen Sicherheit und Ordnung in dem danah dem Reichs- präsidenten erforderlih erscheinenden Maße und nur vorüber- gehend erfolgen darf. (Sehr richtig! im Zentrum, Zurufe links.) Das steht in dem Urteil, (Abg. Kasper: Da steht manches!) Jch kann nicht alles vortragen, was darin steht, Herr Kollege Kasper. Der Staatsgerichtshof sagt allerdings von der Lage am 20. Juli, daß „in jenem Zeitpunkt“ große politishe Parteien einander kampfbereit in evbitterter Feindschaft gegenüberstanden und daß der Reichspräsident „i n dieser Lage“ zu der Auffassung gelangen „könnte“, daß es geboten sei, zum Zwecke der Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung die gesamten staatlichen Machtmittel des Reichs und Preußens in einer Hand zusammenzufassen und die Politik des Reichs und Preußens in einheitlihe Bahnen zu lenken. Aber wie die shriftliche Begründung durch Einfügung der Worte „u diesem Zwette“ noch besonders klarstellt, darf der Reichs- präsident solhe Mittel nur fo lange und nur in dem Um- fang aufrechterhalten, als es zu dem Zwecke der Wieder- herstellung der öffentlihen Sicherheit und Ordnung erforderlich ist. (Sehx wahr! im Zentrum.)

Der Staatsgerichtshof spricht ferner klar aus, daß der Reichs- fommissar Zuständigkeiten immer nur in der Weise in die Hand nehmen kann, daß er sie vorübergehend vom Lande Preußen abtrewnt und auf das Reih überführt. Darin sehen wix eine klare Warnung an das Reih und den Reichs- konmmissar, nicht meh x Zuständigkeiten in die Hand zu nehmen,

als unbedingt geboten ist. Denn der Reichskommissar kann das nicht auf dem bequemen Wege tun, daß er sich an die Stelle derx Landesregierung seßt, so daß alle nahgeordneten Stellen und die Außenwelt annehmen können, es mit einer Landesregierung zu tun zu haven. Er darf dem Lande Preußen nur bestimmte Zuständigkeiten fortnehmen und sie vorübergehend auf das Reih übersühren. Dieser auffällige Vor- gang erfordert in jedem einzelnen Falle und für jede im einzelnen in Anspruch genommene Zuständigkeit eine innere Rechtfertigung. Wir können nicht einsehen, welhe Gründe noch bestehen jollen, gang unpolitishe Zuständigkeiten der Fachministerien, z. B, Justiz, Handel und Gewerbe, die Wohlfahrtspflege, Katasterämter, Gestütverwaliung oder dergl., dem Lande Preußen zu entziehen und in die Reichshand zu überführen, und zwar in allen Teilen Preußens, auch in Hohenzollern, aber niht in den dazwischen liegenden Gebieten kleiner Länder.

Obwohl die Verordnung in überaus wichtigen Punkten mit der Verfassung nicht in Einklang steht, hat die Reichsregierung es noch nicht für norwendig gehalten, dem Herrn Reichspräsidenten die Abänderung der Verordnung vorzushlagen. Noch 1mmer muß der Name des Herrn Reichspräsidenten im Reichsgeseßblatt eine verfassungéwidrige Verordnung von dieser Bedeutung deen. (Sehr wahr! bei der Sozialdemokratischen Partei.) Die Preußische Staatsregierung verlangt in erster Linie klipp und klar die völlige Aufhebung derx Verordnungvom 20. Juli 1932. (Sehr gut! bei der Sozialdemokratishen Partei.)

Wenn der Herr Reichspräsident dem nicht entsprechen zu fönnen glaubt, fo verlangt die Preußishe Regierung und dies zu verlangen hat sie ein Recht —, daß die Ver- ordnung entsprechend dem klaren Wortlaut der Entscheidung des Staatsgerichtshofs abgeändert wird.

Bei der Ausführung der Entscheidung des Staatsgerichtshofs hat sich die Reichsregierung überaus engherzig bewiesen. Die Preußische Staatsregierung bedauert es im Fnteresse des deutschen Ansehens, daß die Reichsregierung sich nicht zu einer Haltung entschlossen hat, die mehr dem Geiste der Entscheidung des Staats- gerichtshofs entspriht. Sie hat grundsäßlih alle Befugnisse in Anspruch genommen, die überhaupt auf Grund des Artikels 48 Absatz 2 unter irgendwelhen Umständen jemals in Anspruch ge- nommen werden können. Sie ist dabei niht nur über den Sinn, sondern auch über den Wortlaut der Entscheidung in mehrfacher Beziehung hinweggegangen.

Die Preußische Staatsregierung ist um des Friedens willen der Reichsregierung auf das weiteste entgegengekommen. Die Reichsregierung hat dieses Entgegenkommen ignoriert. (Hörk, hört! bei der Sozialdemotratischen Partei und dem Zentrum.) Nachdem sie die Preußische Regierung längere Zeit hat warten lassen, hat der Reichskanzler dem Reichspräsidenten eine neue Verordnung auf Grund des Artikels 48 Absatz 2 unterbreitet, ohne auch nux dem Ministerpräsidenten Braun während der mit ihm geführten Verhandlung die Möglichkeit zu geben, den Entwurf vorher kennen zu lernen und sich dazu zu äußern. Wenige Stunden vor dem Erlaß der Verordnung hat der Reichskanzler mit dem Ministerpräsidenten verhandelt,- ohne ihm etwas von der geplanten Beroronaung zu sagen. (Höri, Höri! vei der Sozial- demokratishen Partei und im Zentrum.)

Anstatt also die alte verfassungswidrige Verordnung endlih aufzuheben oder abzuändern, hat die Reichsregierung eine neue Verordnung erlassen, die nah unserer Auffassung wiederum gegen die Reichsverfassung verstößt.

Zu den Punkten dieser Verordnung, die nach Ansicht der Staatsregierung mit der Reichsverfassung und der Entscheidung des Staatsgerichtshofs nicht im Einklang stechen, gehört ins- besondere die Regelung, wonach die Reihskommissare aoch weiter sich der Bezeichnung „Der Preußishe Ministerpräsident“, „Der Preußische Justizminister“, „Das Preußishe Staatsministerinm“ usw. bedienen dürfen, ja, bedienen sollen. Durch den Zusay bei der Unterschrift,, Dex Kommissar des Reichs“ wird diese nah unserex Ansicht unzulässige und irresührende Bezeihnung ncht in Ordvung gebracht.

Es gilt im öffentliher Leben ebenso wie im privaten Ge- häftsleben der Grundsay der Firmenwahrheit. Dieser Grundsay der Firmenwahrheit wird verleßt, wenn weiter ent- gegen den grundsäßlihen Ausführungen der Entscheidung des Staatsgerichtshofs vor den Kommissaren Verordnungen, Erlasse und Schreiben untex der persönlihen Bezeichnung „Preußischer Staatsminister“ Hhecausgehen. Dadurch wird die Oeffentlichkeit darüber irregeführt, in welhem Umfange tatsählich dem Lande Preußen als einzigem deutshen Lande fast sämitlihe Zuständig- keiten, auch ganz unpolitisher Art, entzogen und auf das Reih überführt worden sind.

Abex auch andere Punkte der Verordnung sind mit der Reicbs- verfassung niht vereinbar. Die Fernhaltung des Ministerpräsi- denten Braun und des Ministers Severing von ihren Amts gebäuden ist des Reihs und Preußens unwürdig. (Schr wahr! bei der Sozialdemokratishen Partei.) Daß die Reichsregierung das entgegenkommende Angebot des Ministerpräsidenten Brant, seine leerstehende Dienstwohnung als Amtsräunme zu benußten, ausgeschlagen hat unter dem Vorgeben, es könnten Ovationen auf der Straße stattfinden (Lahen links), ist rechtlich, politis und menshlich unverständlich.

Die Preußische Staatsregierung stehi im übrigen auf dem Standpunkt, daß der Staatsgerichtshos die Befugnisse, die dem Lande Preußen verbleiben müssen, nicht ershöpfend hat aufzählen wollen. Er ‘hat nur d i e Befugnisse ausdrücklich erwähnt, die in den Prozeßanträgen und in der Verhandlung eine Rolle gespielt haben. Auch andere Befugnisse kommen noch in Betracht.

Fnsbefondere wird man kaum annehmen können, daß das Begnadigungsrecht gegenüber Strafen, die von preuß schen Gerichten verhängt sind, auf den Reichskommissaxr über- tragen werden kann.

Ferner stehen den Staatsministern selbstverständlih mit den ihnen verbleibenden Befugnissen auch die damit untreunbar zü- jammenhängenden Befugnisse zu. Dazu gehört die Verfügung über den zur Ausübung ihrer Rechte und Pflichten erforderlichen persönkichen und tehnishen Apparat.

s E Es i I i R E Go bett: 4, T P