1909 / 252 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 25 Oct 1909 18:00:01 GMT) scan diff

c. auf Berehnun der Fran nach dem Ladegewicht der bestellten Wagen, falls für Kohle Wagen mit höherem WLdegewicht gestellt werden ;

d. auf Einstellung von Durchgangswagen für die Stationen Zabrze, Ruda, Morgenroth und Schwientohlowiß in die Mittag- ichnellzüge von Kattowiß nah Breslau/Berlin und Um geTegrt:

e. auf Schaffung einer Frühzugverbindung von Neumarkt nach Breslau; A

f. auf Einlegung eines Nachmittagszuges von Hirschberg nah Dittersbah und Weiterführung des Abends 1128 Uhr von Breslau nach Nieder-Salzbrunn gehenden Zuges bis Hirschberg.

Breslau, den 22. Oktober 1909.

Königliche Eisenbahndirektion. Stölting.

Bekanntmachung.

Gemäß § 46 des Kommunalabgabengeseßes vom 14. Juli 1893 (Geseßsammlung Seite 152) wird zur öffentlichen Kenntnis gebracht, daß aus dem Betriebe der Meppen- Haselünner Eisenbahn im Betriebsjahre 1908/09 ein tommunalsteuerpflihtiger Reinertrag nicht erzielt worden ist.

Münster i. W., den 21. Oktober 1909.

Der O S onumsar.

Ditmar.

Die von heute ab zur Ausgabe gelangende Nummer 34 der Preußischen Geseßsammlung enthält unter

Nr. 10998 das Gese über die Ausführung des Staats- vertrags zwischen Preußen und Hamburg vom 14. November 1908, betreffend die Verbesserung des Fahrwassers der Elbe und andere Maßnahmen zur Förderung der Seeschiffahrt ‘nah Hamburg, Altona und Harburg sowie über die Aenderung der Landesgrenze gegen Hamburg, vom 2. August 1909, unter

Nr. 10999 den Staatsvertrag zwischen Preußen und Hamburg, betreffend die Verbesserung des Fahrwassers der Elbe und andere Maßnahmen zur Förderung der Seeschiffahrt nah Hamburg, Altona und Harburg, vom 14. November 1908, und unter

Nr. 11 000 die Bekanntmachung über die Auswechselung der Ratifikationsurkunden zu dem Staatsvertrage Fwvischen Preußen und Hamburg, betreffend die Verbesserung des Fahr- wajssers der Elbe und andere Maßnahmen zur Förderung der Seeschiffahrt nah Hamburg, Altona und Harburg, vom 14. No- vember 1908 in Verbindung mit dem dazu aufgenommenen Schlußprotokolle vom 14. November 1908 und dem unter dem 8. Juni 1909 abgeschlossenen Nachtrage zum Schlußprotokolle, vom 14. Oktober 1909.

Berlin W., den 25. Oktober 1909.

Königliches Geseßsammlungsamt. Krüer.

Die von heute ab zur Ausgabe gelangende Nummer 35 der Preußischen Geseßsammlung enthält unter

Nr. 11 001 den ¿Allerhöchsten Erlaß, betreffend die An- stellung der Direïtore# und Lehrpersonen an den Seminaren, vom 14. August 1 und unter f :

Nr. 11 002 dent Allerhöchsten Ersaß, betreffend die Ab- änderung von Bestimmungen der Kabinettsorder vom 13. Juli 1839 wegen der Nebenämter und Nebenbeschäftigungen der Staatsbeamten, vom 25. August 1909.

Berlin W., den 25. Oktober 1909.

Königliches Geseßsammlungsamt. Krüer.

Angekommen: Seine Exzellenz der Präsident des Reichsbankdirektoriums, Wirkliche Geheime Rat Havenstein, von der Dienstreise : der Direkior im Justizministerium, Wirkliche Geheime Oberjustizrat Dr. Bourwieg, vom Urlaub.

Jn der Dritten Beilage zur heutigen Ausgabe des „Reichs- und Staatsanzeigers“ is eine Genehmigungsurfkfunde, betreffend eine Anleihe der Stadtgemeinde Deutsch- Wilmersdorf, veröffentlicht.

Nichtamtliches.

Deutsches Reich.

Prenßen. Berlin, 25. OkTtober. Seine Majestät der Kaiser und König ‘nahmen vorgestern vormittag im Neuen Palais bei Potsdam die Vor- ä taatsjetretärs des Neichsmarineamts, Admirals von

Tirpiß und des Chefs des Marinefabinetts, Vizeadmirals von Müller entgegen Heute vormittag hörten Seine Majestät im Neuen Palais die Vorträge des Ministers des Jnnern von Moltke und des Chefs des Zivilfabinetts, Wirklihen Geheimen

*äpstlihen Stuhl, Wirkliche von seinem Urlaub zurück- Gesandtschaft wieder über-

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C, 5 O r

er Königliche Gesandte c Geheime Rat von Mühlberg ist gekehrt und hat die Geschäfte der nommen.

Dem Regierungsafsessor Kunze in Allenstein ist die kom- ische Verwaltung des Landratsamts im Kreise Heydekrug, gierungsbezirk Gumbinnen, übertragen, der neuernannte Regierungsaßessor Freiherr von Gablenz aus Stettin dem Landrat des Landkreises Oppeln und der neuernannte Re- gierungsassessor Fresenius aus Breslau dem Landrat des Kreises Deutsch-Krone zur Hilfeleistung in den landrätlichen Geschäften zugeteilt worden.

Laut Meldung des „W. T. B.“ ist S. M. S. „Hertha“ am 22. Oktober in Portsmouth auf Dominica eingetroffen und geht am 29. Oktober von dort nah der Jnsel Trinidad in See.

Baden.

Seine Königliche Hoheit der Großherzog von Sachsen-Weimar ist, „W. T. B.“ zufolge, vorgestern nach- mittag von Badenweiler in Baden-Baden zum Besuche Jhrer Königlichen Hoheit der Großherzogin von Baden eingetroffen.

Rußland.

Die Reichsduma ist nah einer Meldung des „W. T. B.“ vorgestern nahmittag wieder zusammengetreten.

Ftalien.

Der Kaiser Nikolaus von Rußland ist, „W. T. B.“ n vorgestern nahmittag in Racconigi eingetroffen und auf dem Bahnhof von dem König Viktor Emanuel, der von dem Ministerpräsidenten Giolitti und dem Minister des Aeußern Tittoni begleitet war, empfangen worden. Nach der Begrüßung und dem Abschreiten der Front der Ehrenkompagnie wurde der Kaiser von dem Bürgermeister im Namen der Stadt bewillklommet, worauf die beiden Monarchen, von Kürassieren geleitet, unter lebhaften Kundgebungen der Bevölkerung nah dem Schloß fuhren, wo die Königin Helene den hohen Gast begrüßte. Gestern abend fand zu Ehren des Kaisers Nikolaus ein Galadiner statt, bei dem der König Viktor Emanuel folgenden Trin ch ausbrachte :

Mit Freude begrüße ich Eure Majestät als Gast Italiens und als den meinigen, denn der Besuch Eurer Majestät ist die Bekräftigung der aufrichtigen Freundschaft und der Uebereinstimmung der Ziele, die unsere Häuser, unsere Regierungen und unsere Länder verbinden. Die Gemeinjfamkeit der Interessen und die Gefühle der Sympathie, die durch die von den braven russishen Matrosen bei unserem leßten großen Unglück bewiesene Aufopferung und Selbst- verleugnung eine neue Belebung erfuhren, haben dazu beigetragen, Rußland Italien immer näher zu bringen, das russishe und das italienische Volk baben si fennen und shäßen gelernt, und unsere Regierungen haben dies zum Ausdruck gebracht bei der Tätigkeit, die sie mit den anderen Mächten zur Erhaltung des Friedens ent-

faltet haben. Jh habe das feste Vertrauen, mit Eurer Majestät zusammenwirken zu fkönnen, um unseren Vslkern

diese Wobltat zu sichern. Eurer Majestät danke ich aufrichtig für Ihren Besuch, indem ih gleichzeitig meinem Bedauern Aus- druck gebe, die hohe Frau, für deren Woblergeben ih meine heißesten Wünsche ausf\preche, nicht hier an Ihrer Seite zu schen. Ich erbebe nein Glas auf das Wohl Eurer Majestät, auf den Ruhm Ihrer Regierung, auf das Wohl der Kaiserinnen Maria Feodorowna und Alexandra Feodorowna sowie der ganzen Kaiserlichen Familie, auf die Größe und das iben Rußlands.

Der Kaiser Nikolaus erwiderte darauf mit folgenden Worten :

Die Herzlichkeit, mit der Eure Majestät mir den Willkommens- gas soeben entboten haben, hat mich tief gerührt. Wenn ih in Ihr

ônes Land j verwirkliche ih damit einen Wunsch, der meinem Herz F den- ih seit langer Zeit gebegt habe. Mein einziges das Befinden der Kaiserin iht nicht

l gestattet hat, sich mix «nzus{Gließen, um diese Reise auszuführen und um mit nie Gle Majestät für den Besuch zu danken, den Sie uns in Peterhof zu machen die Gewogenheit hatten, für den E an den wis die angenehmfte Erinnerung bewahren. Der fo \sympathische Empfang, den ih in Italien finde, entspricht der aufrihtigen Freund- chast und der Gemeinsamkeit der Ansihten und Interessen, die unsere Häuser, unsere Regierunger und unsere Länder verbinden.

Die fo lebhafte Teilnahme, die ganz Rußland an dem

L A E y S L Unglück genommen hat, das Italien im leßten Jahre traf, und der Widerhall, den dieses Empfinden in Italien ge-

funden bat, sind beredte Zeugen für die immer wasenden Symyatbien zwischen unseren beiden Völkern. Ih habe das feste Vertrauen, daß unsere Regierungen zielbewußt vorgehen werden, um diese Sbmpathien zu pflegen, und daß sie durch behbarrlihes und ver-

trauensvolles Zusammenarbeiten nicht nur an der Annäherung zwischen Italien und Rußland, die so ganz den beiderseitigen Interessen der beiden Länder entspriht, sondern auch an dem Werk des allgemeinen Friedens mitwirken werden. Es

ist mir besonders angenehm, hier beute am Jahrestage der Ver- mählung Eurer Majestäten zu weilen, und mit dem herzlichsten Empfinden erhebe ich mein Glas auf das Wohl Eurer Majestät und Ihrer Majestäten der Königin Helene und der Königin Margherita und des ganzen Königlichen Hauses und trinke auf die Größe und das Gedeihen des schönen Landes der Gastfreundschaft, die auch ich in diesem Augenblick genieße.

Nach der Tafel hielten die Majestäten Cercle und begaben sih sodann mit der Hofgesellschaft in den Konzertsaal, wo ein Konzert stattfand, bei dem u. a. auch Mascagni mitwirfkte.

Jm Auftrage des Kaisers legte der russishe Botschaftsrat Baron von Korff-Schmising am Sarge König Humberts einen Kranz nieder.

Spanien. Die Mitteilungen, die der Ministerpräsident über den Ferrerprozeß in Aussicht gestellt hatie, sind, „W. T. B.“

zufolge, gestern in Form einer Broschüre veröffentlicht worden. Die Broschüre gibt außer dem Jnhalt der Prozeßakten auch die Paragraphen des Militärstrafgeseßbbuhs wieder, die für den Ferrerprozeß in Beiracht gekommen sind, und stellt diesen Rara- graphen die Bürgschaften gegenüber, die einem Angeklagten im ordentlichen Gerichtsverfahren zugute fommen.

Gestern hat in Bilbao eine gegen die fkirchliche Partei gerichtete Kundgebung stattgefunden, an der etwa 10 000 Personen teilnahmen. Vor dem Hause des Zivil- gouverneurs . stießen die Manifestanten Protestrufe gegen das frühere Ministerium aus. Ein ernsterer Zwischenfall ist nicht vorgekommen.

Portugal.

Jn dem Befinden des Königs ist nah einer Meldung des „W. T. B.“ eine Besserung eingetreten.

- Der Ministerrat hat es, obiger Quelle zufolge, ab- gelehnt, eine Verordnung des Justizministers gegen den Bischof Beja zu genehmigen, die veranlaßt war, weil der Bischof Beja zwei Lehrer eines Seminars abgeseßt hatte. Der Justiz - minister hat infolgedessen seine Entlassung gegeben.

In der den irishen Dominikanern gehörigen Kirche Corpo Santo in Lissabon ist gestern eine Bombe gefunden worden, die aber nicht explodierte, da der Küster vorher die brennende Zündschnur hatte abschneiden fönnen. Jm Zusammen- hang hiermit wurden zwei Personen verhaftet.

Niederlande. Das zur Festsezung der Meeresgrenze zwischen S und Norwegen eingeseßte SGledoterict hat vorgestern das „W. T. B.“ meldet, Grisbadarna, das von bean)prucht wurde, Schweden und

gesprochen. d Serbien.

Nach einer Meldung des „W. T. B.“ ist gestern das neue Kabinett gebildet worden, und zwar in folgender Zusammenseßung: Altradikale: Pasitsh Präsidium, Milo- wanowitsch Aeußeres, Ljuba Jowanowits\ch Inneres,

rotitsch Finanzen. Jungradikale: Zujowitsh Kultus Timotj ewit\ch Austiz, _Prodanowit Handel, Wulo- witsch Bauten und Oberst Marinowits ch Krieg.

Der König Ferdinand von Bulgarien ij B D P EaE heute früh in Krusevac igelomtten wo er auf dem Bahnhofe von dem Kronprinzen Alexander und dem Minister des Jnnern empfangen wurde. Sofort nah der Ankunft wurde in Begleitung dreier Universitätsprofessoren ein Ausflug nah dem Kopaonikgebirge an der Westgrenze Serbiens unternommen.

l Norwe Skjoettegrund Norwegen E

Statistik und Volkswirtschaft,

Zur Arbetterbewegung.

Die Rube im Mansfelder Ausstandsgebiet ist wie

„W. T. B.“ meldet, seit dem Eintreffen des Militärs nit wieder estôrt worden, troßdem find am Sonnabend aus Halberstadt zwei Schwadronen des dortigen Kürassierregiments in Hettstedt ein- getroffen.

Durch Einigungsverhandlungen zwishen Vertretern der Arbeit- geber und der Arbeitnehmer sind, wie die „Köln. Ztg.“ erfährt, die Unstimmigkeiten in der Offenbach - Frankfurter S huh- industrie“ (vgl. Nr. 251 d. BL) nunmehr beigelegt worden. Die Zuscneider erhalten einen angemessenen Zuschlag.

In Crefeld kündigten, der „Köln. Ztg.“ zufolge, die Buh- binder und Kartonnagearbeiter beider Verbände sämtlich wegen eines Lohnístreites.

Seit einiger Zeit sind, wie die „Rh.-Westf. Ztg.“ berichtet, die Former der Remscheider Eisenbütte und Werkzeugfabrik

ausständig. Nach einer Darstellung des Arbeitgeberverbandes handelt es sich dabei um eine von der Arbeiterorganisation ver-

anstaltete Kraftprobe. Die Former arbeiteten früher in be- stimmten Kolonnen mit Lehrlingen. Eines Tages behagte ibnen das nicht mehr; sie ersuhten die Firma, die Lehrlinge unter Auf- siht eines Formers für sich allein zu beschäftigen. Das lehnte die Firma ab. Sie erklärte, zu einer Aenderung der bisherigen Be- tricbsmethode um so weniger Veranlassung zu baben, da auch die Former aus dieser Einrichtung Vorteile zögen. Der Betrieb wird durch Ersaßkräfte aufrecht erhalten.

Die Verhandlungen zur Beilegung des Ausstands in der Zucker- raffinerie Tangermünde (vgl. Nr. 251 d. Bl.) baben nch, wie die „Köln. Ztg.“ meldet, zershlagen. Der Betrieb ruht jeßt völlig, da die Zahl der Ausständigen von 900 auf 1600 gestiegen ift.

(Weitere „Statistishe Nachrichten“ \. i. d. Ersten Beilage.)

Wohlfahrtsþpflege. Die „Konferenz für Trinkerfürsorgestellen®", die auf Dienêtag, den 26. Oftober, Vormittags 94 Uhr, in das. Landes- haus der Provinz Brandenburg zu Berlin einberufen war, muß in-

folge der großen Zabl der Anmeldungen aus allen Teilen Deuts&- lands in das Abgeordnetenhaus (Eingang Prinz Albrecht- Straße 5 und Leipziger Straße 4) verlegt werden. Älle sich für das bedeutsame Sozialwerk Fe M Trinkerfürsorge intere} sierenden E und Frauen sind berzlich eingeladen, den Verhandlungen eizuwohnen.

Kunft und Wissenschaft.

A. F. In der ersten ordentlihen Sißung der Berliner Ge- sellschaft für Anthropologie nah der Sommerpause, am leßten Sonnabend, teilte der Vorsizende, Professor von den Steinen mit, daß am bevorstehenden 20. November die Gesellschaft ihr 40 jähriges Bestehen zu feiern gedenke. Aus diesem Anlaß babe Herr Alfred Maaß eine Schenkung von 4000 4 gemacht, deren Zinsen im Durchschnitt alle 3 Jahre zur Verleibung einer goldenen Medaille an einen verdienten deutschen Forscher auf den Gebieten der Ant ’ropologie, Ethnologie und Urgeschißte Verwendung finden sollen. Lebhafter Beifall folgte dieser Mitteilung. Die landesherrliche Bestätigung der Schenkung ist bereits erfolgt. Es wurde sodann dreier die Gesell-

schaft berührender Todesfälle der leßten Monate gedadt: Frau Professor Johanna Mestorff in Kiel, die man noh am 17. April - zum 80. Geburtstag beglückwünscht hatlte und deren Tod eine Lüde läßt für die mit

großem Fleiß von ihr vermittelte Bekanntschaft mit der skandinavischen ¿eacliteratur, ferner Falfkenson, der genaue Kenner und Schilderer Samoas und der Südsee, und Lombroso, den die Gesellschaft troß aller Meinungsverschiedenheiten in vielen Punkten als einen hot- gemuten Bahnbrecher für neue Gedanken |{chäßt. Noch wurde der erfreulihe Verlauf des im August in Posen stattgehabten 40. Deutschen Anthropologenkongresses erwähnt und mitgeteilt, daß aué Argentinien eine Einladung eingetroffen sei zu dem vom 16. bis 21. Mai k. J. in Buenos Aires stattfindenden 17. Internationalen Amerikanisten-Kongreß, der zu Ehren der 100 jährigen Wiederkehr der Unabhängigkeitserflärung als „Centenarkfongreß“ besonders feierli eröffnet und als ein Doppelkongreß aufgefaßt werden soll, nämlid mit einer zweiten, im September in Merico abzuhaltenden Sitzung Den ersten Vortrag des Abends hielt bierauf Dr. W. Müller aus Yokohama über das Thema: „Japanishes Mädchen- und Knabenfest.*“ Nicht mit Unrecht, so begann der Nedner, gilt Japan als ein „Kinderparadies". Die Art, wie Kindern dort von den Erwachsenen begegnet wird, wie z. B. der geringste Lastträger den auf der Straße spielenden Kleinen \{chonend auêweidt, wie Eltern, Verwandte und Hausfreunde Kinder mit Zärtlich- keit behandeln, ist faum irgendwo anders in der Welt zu finden. Er freuen sich unsere Kinder eines ihnen an erster Stelle gewidmeten Festes, des Weihnachtsfestes, so haben die japanischen Kinder deren zwei, aber merkwürdigerweise nah Geschlechtern getrennt : ein Müädchenfest, das auf den dritten Tag des dritten Monats, und ein Knabenfest, das auf den fünften Tag des fünften Monats fällt. Beide Feste find sehr charakteristisch voneinander unterschieden. Wie? Das erläuterten zwei von dem Redner nah japanishem Muster aufgebaute Gabentishe: der erste" Originalgeshenke der Art, wie Mädchen sie empfangen, zeigend, der andere ebenso Geschenke enthaltend, wie fie Knaben gemacht werden. Auf dem Gabentish der Mädchen spielt die Puppe eine ebensolhe Nolle wie bei uns; aber die Hauptfreude der Kinder und ihre gespannte Erwartung haftet an Puppen, die ihnen nur an diesem Tage, von der Mutter vorsichtig aufgebaut, gezeigt werden, um son am nächsten Tage wieder sorgfältig bis übers Jahr einges{lossen zu werden. Diese Puppen stellen den Mikado und seine Gemahlin, Prinzen und Prinzessinnen, die höchsten Würdenträger und Damen des Hofes, sämtlih in genau der Hoftraht nahgeahmten Gewändern, vor. Sie werden den Kindexn vor einer Art Kulisse, einem Hinter- grund, der Schlösser und Parks darstellt, gezeigt und sind umgeben mit Miniaturnachbildungen der bei Hofe gebrauhten Geräte, insonder- heit der Cßgeräte. (Ein Analogon hat dieser Brauch etwa in unsern

Krippen, die den Kindern auch nur ezeigt, niht zum Spielen über- lassen werden und dann bis aufs nächste Jahr für sie nicht erreichbar find.) Ein geheimnisvoller Reiz geht von diesen Puppen und diesem Aufbau aus, aber noch viel mehr als das, eine nit unerhebliche erzieherische Wirkung. Den Mädchen vor allem wird in Japan, bis herab in die niederen Volksschichten, ein äußerer Schliff, eine Etikette anerzogen, die sh u. a. auf die Haltung des Kopfes, die Bewegungen des Körpers beim Niedersizen und Aufstehen, beim Geben und Nehmen 2c. erstre. In den Kreisen der besseren Gesellshaft gibt .es feststehende Zeremonialvor- schriften, deren gelinden Zwang man erst bei längerem Aufenthalt im Lande kennen lernt, fo z. B. daß einem bevorzugten Gaste Speisen dur die Frau oder Tochter des Hauses, nicht durch die Dienstboten, ereiht werden. ae das Studium der Etikette, für diese äußerliche Erziehung der äden wirken jene als wunderlich erscheinenden Vorführungen am Mädchenfeste in Wahrheit erleihternd. Der ihnen zugrunde liegende Sinn will aber noch tiefer gesucht werden. Sie sind ursprünglih gedacht als Schung _ZUrT Loyalität gegen den Mikado und seine Familie. Der Brauch besteht seit dem Anfang des 14. Jahrhunderts, und mehrfache Negierungs- verordnungen im Laufe der 5 Jahrhunderte lassen keinen Zweifel, daß man ihn so einshäßie, wie ihn die Eltern auch verstehen, die besonderen Wert auf Erziehung der Mädchen zum Ge- orsam gegen den Vater, den Gatten, den Landesherrn legen. Jedenfalls ist es ein durch Alter geheiligter Gebrauch, der noch an Wert gewinnt durch die Sorgfalt, mit der diese dem Kinde nur gezeigten Puppen aufbewahrt und von Geschlecht zu

Geschlecht sogar vererbt werden. Man hat mit Bezug hierauf gesagt : in Japan sind die Menschen sterblich, aber die Puppen unsterblih. Dies hat Bezug darauf, daß man in mandchen

Familien folhe Puppen zeigt, die in der 5. oder 6. Generation ereits fortgeerbt - sind. Ziemlich verschieden hiervon wird das Knabenfest besonders in den Familien begangen, in denen im leßten Jahre der erste Stammhalter geboren worden ist. Wo immer Knaben in der Familie vorhanden sind, sieht man am gedahten Tage am oder über dem Hause die aus Papier hohl hergestellte und mit Luft aufgeblasene Gestalt eines annähernd ín den natürlihen Farben bemalten Riesenkarpfens {weben. Der Karpfen mit seiner Fähigkeit, gegen den Strom zu \{chwimmen, ja selbst Steine im Flußbeit zu überspringen, gilt dem Japaner als das Symbol der Energie. Die Knaben sollen ihn im Punkte der Beharrlichkeit als Vorbild nehmen. Geschenkt zur Benußung erhalten die Knaben Fahnen und ähnliches, gezeigt werden ihnen mit den entsprehenden Tendenzen wie bei den Madchen kunstreih ausgeführte Figuren von Kriegern und Nittern. Eine seltsame Sitte knüpft sich an Bündel von Kal- musblättern, die von den Kindern an ihrem Ehrentage ins Haar ge- steckt, von den Größeren als Kopfbänder getragen werden. Es wird dieser Zierde nahgesagt, daß sie Schuß gegen Dämonen gewähre. Auch bei den Knaben ist der tiefere Sinn der Feier ihres Festes dessen Zweckl, die Liebe- für das Kaiserhaus ihnen frühzeitig einzuprägen, bei ibnen Interesse an der Geschichte ihres Landes und an den rubhmvollen Taten der Vorfahren zu erwecken. Allem Anschein nach ist die Sitte ein Erbe aus dem Schintoismus. Der Vollständig- feit halber muß noch gesagt werden, daß Mädchen- wie Knabenfeste gewöhnlich durch einen Fests{hmaus unter Teilnahme der Kinder gefeiert werden, zu dem man Verwandte und Freunde einladet. Durch den Vorfißenden nach Rückkehr von einer mehr als

zweijährigen Forschungsreise begrüßt, nahm hierauf Herr Leo Frobentus zum zweiten Vortrage des Abends das Wort. Er \prach über ethnographishe Ergebnisse seiner Niger-

Sudan-Ervedition. Das wesentlich Neue von den Mitteilungen des Redners, verglichen mit seinem am 9. Oktober in der Gesellschaft für Erdkunde gegebenen Bericht, bezog sih auf die mit großem Scharfsinn ausgeführten linguistischben Ermittelungen, die von hohem Interesse sind. Die äußerlihe Aehnlichkeit sämtliher Negerstämme im Westteile Afrikas vom Nordosten des Erdteils bis hinab zum Oranje-Fluß läßt seit lange auf eine gemeinsame Abstammung schließen, nur die be- trähtlihen Sprachverschiedenheiten standen einer folhen Annahme hinderlih entgegen. Jeßt hat die vom Vortragenden vor Jahren am

Congo begonnene und nun am Niger fortgeseßte Sprachver- gleihung überzeugend dargetan, daß die Sprachverschiedenbeit

nur scheinbar ist, die wichtigsten Worte für Erde, Haus, Herrscher, gut, Mann, Weib 2c. gleih oder annähernd gleich sind und vor allem die Namen für „Fluß“ und die den verschiedenen Flüssen gegebenen Eigennamen sich auf dem ganzen Gebiet immer wiederholen. Das Ge}amtergebnis dieser Untersuchungen ist somit, daß keine Teilung des westafrikanishen Kulturkreises durch die Sprache vorhanden ist, vielmehr die Sprache, troy beträchtlißer grammatikalischer

Differenzierungen gleichen Ursprunges und damit die Stammes- einheitlihfeit der Bevölkerung erwiesen ist. Eine zweite

ethnologishe Ermittlung bezieht \sich auf die Verhältnisse der Land- haft um Timbuktu vor der im 11. Jahrhundert stattgebabten islamishen Eroberung. Hier ist es dem Forscher gelungen, die Existenz von Manuskripten zu ermitteln, die ganz neues Licht auf diese ferne Vergangenheit zu werfen geeignet sind... Herr Leo Frobenius gedenkt seine reihen Sammlungen durch Veranstaltung einer Aus- {tellung der Gesfell)chaft zugänglih zu machen.

Im Verein für Deutsches Kunstgewerbe \vrach am ver- flossenen Mittwoh der Reichstagsabgeordnete D. Friedrich Nau- mann über Wirtschaft und Kunft. Seine Ausführungen waren kurz folgende: Nur die Kunst kommt wirtschaftlichß in Betracht, die irgendwie bezahlt wird und dem Lebensunterhalt des Künstlers dient. Abnehmer, Auftraggeber, Besteller sind in der wirklihen Kunst aber immer nur die Reichen, denn die Kunst kann nit billig sein. Kunst- geschichte ist deshalb niht nur Künstlergeschihte, sondern au Neich- tumsgeschihte. Zwei Arten von Reichtum folgen zeitlih in der Ent- wicklung der Menschheit aufeinander : der Herrschaftsreihtum und der Kaufmannsreichtum. Der Herrschaftêreihtum beginnt im frühen Altertume \{on, der Kaufmannsreihtum gelangt zur alleinigen Macht erst mii der französishen Nevolution. Zu allen Zeiten wird derjenige rei, der andere für si arbeiten läßt. So entstehen die beiden Arten des alten Herrschaftéreihtums, nämlich der der Priester und der der Fürsten. Beide haben das Bedürfnis, si aus der Menge herauszubeben, sich mit Glanz zu umgeben, und dazu dient ihnen die Kunst. Durchaus nicht immer beseelt die HerrsFenden irgend welches Kunstverständnis, aber sie haben s{ließlich kaum ein besseres Mittel, ihre Macht zu zeigen, ihren Neichtum anzulegen, als eben in den Werken der Kunît, die sie für sih entstehen lassen. So kommt es zu einer großen einheitlichen Kunst, die hon um deswillen zu ges{lossenen Leistungen aufsteigt, weil ihre Aufgaben fest umschriebene sind. Denn sowohl die Künstler, die für die priesterlihe Herrschaft tätig sind, haben ihr streng begrenztes Feld der religiösen Stoffe, wie die Künstler, die für die Fürsten arbeiten, in deren Persönlichkeiten und in der Geschichte der fürstlihen Vorfahren ihren streng begrenzten Stoff finden. Der Herrschaftsreihtum bringt es auch zu gewaltigen Leistungen dank den Mitteln, die ibm zur Verfügung stehen. Was in alter Zeit die Sklaverei und die Steuerpacht gewährt, nämlich viele Kräfte und hohe Summen in eine Hand und an einen Ort zu lenken, das gewährleisten später in Mitteleuropa die Frondienste, die Leibeigen- shaftusw. Als än Stelle des Herrschaftsreichtums der Kaufmannsreichtum tritt, wird das Kunstschaffen stark verändert. Die Großkapitalisten brauchen zur Erhaltung ihres Gewinnes feinen äußerlihen Glanz, sie können alfo für diefen Zweck der Kunst durchaus entraten. Dafür abeë ziehen sie sie für ihr Privatleben heran, „und damit werden die Auf- gaben der Kunst andere; behaglih, aber kleiner und wesentlih ohne Monumentalitàät. An Stelle des Fürsten oder Priesters tritt als Auftraggeber der Staat, der im Sinne der kapitalistishen Zeit sorg- sâltig rechnet und prüft. Das ganze Geschlecht ist ein rechnendes ge- worden, es wägt die Leistungen nah dem Geldwerte ab. Man be- stellt nicht méhr wie früber ein einzelnes Kunstwerk, sondern man fauft es. Damit verliert die Kunst alles Persönliche; der Kunst- händler tritt zwishen Abnehmer und Künstler und diktiert beiden die

Nichtung. Dazu drängt der Kunsthandel auf raschen Wechsel, auf flotten Umsaß. Daher beobachtet man in der Kunst von heute ein leb- haftes Durcheinander ohne einheitliche innere Sicherheit. Eine Stabilität aber muß wiedergewonnen werden, und da man die Käufer nit organi- sieren kann, so ftann nur eine Organisation der Künstler unter \ich dazu helfen.

_ Der Direktor des österreihishen Archäologishen Instituts und Direktor der Antikensammlungen des Kunsthistorishen Hofmufeums, Professor Schneider ist, „W. T. B.“ znrfolge, in Wien gestorben.

Literatur.

Der Entwurf zu einem neuen deutschen Strafgesehtz-

buch ist nunmehr mit ausführlicher Begründung im Buchhandel er- schienen. Jn der „Deutschen Juristenzeitung“ (herausgegeben von

Professor Laband, Präsident Hamm und Justizrat Heinitz) berichtet das bayerische Mitglied dêr Strafrechtskommission Oberlandesgerichts- rat Karl Meyer in München über die Entstehung dieses wichtigsten aller geseßgeberishen Entwürfe der Gegenwart und gibt zugleich eine Uebersicht über die wesentlichsten Neuerungen desfelben. Am 1. Mai 1906 trat zufolge einer Verfügung des Staatssekretärs des Neichsjustizamts

unter Zustimmung des preußischen und des tayerishen Justizministers im Neichsjustizamt eine Kommission von praktischen Juristen mit dem Auftrage zusammen, einen formulierten Vorentwurf zu einem deutschen Strafgeseßbuh nebst Begründung 'auszuarbeiten. Die Kommission, der Mayor angehörte, bestand aus fünf Mitgliedern unter dem Vor- siße des Direktors im preußischen Justizministerium Dr. Lucas. Öhr gehörten außerdem an: vom NReichsjustizamt Wirklicher Geheimer Oberregierungsrat Dr. von Tischendorf als stellvertretender Vor- siender, im leßten Jahre in dessen Vertretung Geheimer Regierungsrat Dr. Joël, ferner Geheimer Justizrat Dr. Schulz vom preußischen Justizministeriuum, Kammergerichts-, nun Reichsgerichtsrat Diten und in den lezten Monaten in deren Vertretung die Kammergerichtsräte Dr. Kleine und Oelschläger. Die Kom- mission hat in nicht weniger als 117 Sitzungen, von denen 87 auf die erste Lesung fielen und die leßte am 22. April 1909 statt- fand, in dreijähriger Arbeit den Entwurf samt ausführlicher Be- gründung fertiggestellt. Sie trägt hierfür die aus\{ließlihe Ver- antwortung. Der Entwurf ist kein Regierungsentwurf und nit zur Vorlegung an die geseßgebenden Körperschaften, sondern zunächst zur öffentlihen Beurteilung bestimmt. Von den zahlreichen Neuerungen, die der Entwurf vorsieht, seien an der Hand der Meyers{hen Ab- handlung in der „Juristen-Zeitung“ folgende, für die Oeffentlichkeit besonders interessante hervorgehoben.

Der Entwurf umfaßt 310 Paragraphen, ist also um 60 Para- graphen fürzer als das geltende Strafgeseßbuch, obwohl der allgemeine Zeil nunmebr 99 Paragraphen zählt. - Dur die veränderte Oeko- nomie des Geseßes, die knappere Ausdrucksweise und die Beschränkung der Kasuistik sind im besonderen Teile 80 Paragraphen gespart worden. Dieser sowohl wie der allgemeine Teil hat eine voll- ständige Neueinteilung erhalten. Der Entwurf geht hierbei von der grundfägßlihen Ansicht aus, daß ein neues allgemeines Strafgesez nur den Kern aller bestehenden \trafgeseßlihen Vor- schriften enthalten und nicht umfangreiher werden soll als geltende Strafgeseßbuch. Sirafbestimmungen, die mit den im Strafgesezbuh geshütten allge- meinen Rechtsgütern in unmittelbarstem, engstem Zusammenhange stehen, einbezogen. In seiner sachlichen Ausgestaltung berüsichtigt

der Entwurf die Anregungen der Strafrechtswi|senshaft und die Errungenschaften der neueren ausländishen Strafgeseßz:

ebung, stellt jedoch aus den deutschen Verhältnissen heraus die Bedürfnisse der Strafrechtspflege mit in erste Unie. Er konnte hierbei die Ergebnisse des auf Anregung des Reichsjustizamts herausgegebenen, im Verlage von Otto Liebmann, Berlin, er- schienenen großen Sammelwerkes „Vergleichende Darstellung des deutshen und ausländishen Strafrechts“, die für die Kom- mission jedoch nicht bindend waren, als sehr wertvolles Material benußen. Der Entwurf- verpflichtet fich nicht auf éine bestimmte Strafrehtstheorie. Doh hat er die Postulate der Strafrehtswissenshaft entsprechend den Bedürfnissen der Zeit und den Anforderungen der Allgemeinheit in beträhtlihem Umfange verwirkliht. Der Entwurf vertieft den Unterschied zwischen Zucht- haus- und Gefängnisstrafe durch die Aufnahme von Bestimmungen über den Vollzug dieser Freiheits\trafen, reformiert die Geld- strafe, insbesondere durch Zulassung vvn Zablungsfristen, Naten- zablungen und des Abverdienens durch freie Arbeit, dehnt den Verweis auf Erwachsene aus und führt die sihernden Maßnahmen des Arbeitshauses, des Wirtshausverbots und der Unter- bringung in Trinkerheilanstalten sowie der Verwahrung gemeingefährliher Geisteskranker ein. Er s{lägt wekter die Einführung der richterlihen bedingten Strafausseßzung (bedingte Verurteilung) und der richterlichen Rebabilitation in der doppelten Form der Wiedereinsetzung in die bürgerlichen Ebrenrechte und der Löschung von Vorstrafen im Strafregister vor. Er enthält eigene Abschnitte über die subjektive Vershuldung. und über die Straf- bemessung, wo namentlich der Rückfall allgemein geregelt ist. Er schreibt ferner die besondere strafrechtliche Behandlung der vermindert Zurehnungsfähigen vor und ändert grund\ätlich Jugendstrafrecht, insbesondere durch Hinaufrückung der Strafunmündigkeit auf das vollendete 14. Lebensjahr und dur die Aufgabe des vielangefohtenen Einsichtserfordernisses. In der Formulierung der Tatbestände sagt \ich der Vorentwurf eines deutschen Strafgesezbuchs von der Starrbeit und der Kasuistik des geltenden Strafgeseßbuchs in erheblihem Maße los, schafft die befonders leihten und besonders {weren Fälle, gestaltet seine Be- stimmungen und die Strafrahmen durchgehends elastisher und ver- meidet hier die Härten des geltenden Rechts. In zahlreichen Fâllen droht er neben Gefängnis alternativ au Haft- oder Geldstrafe an und läßt namentlich bei politischen Delikten neben Gefängnis auch Haft zu. Der Entwurf bringt entsprechend dem Gange der Nechtsentwick- lung dem Nichter ein größeres Vertrauen entgegen, stellt ihn freier und ermöglicht eine größere Individualisierung des einzelnen Falles.

G A das

Die Regelung der besonders leihten Fälle dur- zieht den ganzen Entwurf und gibt dem Richter bei ihrem

Borliegen ein unbeschränktes Strafmilderungsrecht und in n im Geseße ausdrücklih bestimmten zahlreihen Fällen auch s Recht, von Strafe überhaupt abzusehen. Eine der- rtige Strafbefreiungsmöglichkeit in besonders leihten Fällen ift insbesondere eröffnet: beim Strafrechtsirrtum, bei den vermindert Zurechnungsfähigen, beim strafbaren Notwehrerzeß, bei den Jugend- lichen, bein Versuch, bei der Beihilfe, bei der falshen uneid- lichen Ausfage, bei der leihten Körperverlezung und der Be- leidigung, bei der Entwendung und \{ließlich bei allen Ueber- tretungen. Aus sozial- und fkriminalpolitishen Gründen ist zur Abschneidung von Zivilstreiten und in Aufgabe des Instituts der Buße eine allgemeine Bestimmung dahin vorgeschlagen, daß, wenn durch die strafbare Handlung dem Verleßten ein nach bürger- lichem Nechte zu erseßender Schaden erwachsen ist, das Gericht auf Verlangen des Geschädigten neben der Strafe auf Ersay des Schadens zu erkennen hat, fofern dieser den Betrag von 20 000 4 nicht übersteigt und soweit seine Feststellung ohne Verzögerung des Strafverfahrens möglich ist. Grundfäßlih ist die unverkürzte Anrechnung der erlittenen Untersuchungs haft vorgeschrieben. Der Tatbestand der Erpressung ist eingeengt. Zum Schuße der Arbeiter in lebensgefährlihen Betriében ist eine besondere Straf- bestimmung gegen die Beseitigung oder Nichtanbringung von Schußz- vorrichtungen vorgesehen. Eine stärkexe strafrechtlihe Re- pression gegen die Trunksucht ist vorgeschlagen (außer Wirts- hausverbot und Unterbringung in einer Trinkerheilanstalt auch befondere strafrechtlihe Verantwortlichkeit bei Bewußtlosigkeit infolge selbstvershuldeter Trunkenheit und Strafbestimmungen gegen die ge- fährlihe und grobe Trunkenheit und gegen die Uebertretung des Wirtshausverbots). Der Begriff des Notstands ist erweitert, Strafbefreiung bei Bettel in einer Notlage möglih. Die Nahrungs-

das | Deshalb find nur einzelne Nebengesetze oder |

mittelübertretung des § 370 Nr. 5 Str. -G. - B. ist zu einem Sondertatbestand (Entwendung oder Untershlagung von Sachen von geringem Werte aus Not usw.) ausgestaltet. Die am bâufigsten vorkommenden Fälle der “kleinen Kriminalität auf dem Gebiete des Betrugs, insbesondere die Fälle der Zecprellerei und des blinden Passagiers, sind ‘als minderstrafbare, auf zurücknebmbaren Antrag ver- folgbare Vergehbenstatbestände herausgehoben. Bei der vorläufigen Entlassung is das notwendige Zusammenwirken mit der Fürforge- tâätigkeit zum Ausdruck gebraht. Das Institut der Polizeiaufficht' ift aufgegeben. Unter bestimmten, engbegrenzten Vorausseßungen soll das Gericht auf Aufenthaltsbeshränkung erkennen dürfen.

Es fann natürlich niht näher auf die einzelnen Bestimmungen des besonderen Teils eingegangen werden. Von diesen Vorschriften ift fast jede entweder im Tatbestande oder in der Strafdrohung gegenüber dem geltenden Rechte verändert. Aber zwei Streichungen find noch besonders herauszuheben : der Kanzelparagraph (Str.-G.-B. § 130 a), der aus politish erregter Zeit stammt, ist niht übernommen. Der Begriff des groben Unfugs ist aufgegeben und in Einzel- handlungen aufgelöst. pur Sicherung der Presse ist in dem Tatbestande der Beunruhigung der Bevölkerung das Erfordernis „wider besseres Wissen“ aufgenommen, das den eventuellen Vorsa aus\{ließt. Diese Neuerungen zeigen, daß der Entwurf sich d von politishen Vershärfungen wesentli freibält, wie denn der ganze Su den neuzeitlihen Ansichten und Wünschen durchaus Rechnung rägt. j

Rechtsprarxis der Krankenversiher ung. Von Dr. jur. von Köbke, Negierungsafsessor. Band T: Entscheidungen 1905/07.

Frankfurt a. M., Verlag von Schnapper. Preis 2 #4. Der Ver- fasser hat aus der Fülle der arbeiterverjiherungsrechtlihen . Ent- scheidungen die wichtigsten zur Information für Krankenkassen,

Juristen, Kassenärzte 2c. hberausgegriffen und lerifalisch geordnet zu]ammengestellt. Er begnügt sich nicht mit der Anführung von Rechtssäßen, sondern teilt ausführlih den Tatbestand mit. Auf diese Weise ist es dem Praktiker ermöglicht, über den ihm vorliegenden Rechtsfall an der Hand der hier gegebenen Entscheidungen si sofort ein Urteil zu bilden.

Jagd. BeranntmaGhuUng. Der Beginn der Schonzeit für Rebhühner, Wachteln und schottische Moorhühner wird auf den N 17. November 1909 festgeseßt. Potsdam, den 19. Oktober 1909. Der Bezirksaus\chuß. Joachimi.

Verkehr®anstalten.

Elektri \he Orts\chnellbahn zwishen Cöln und Düsseldorf.

In der Frage der Herstellung einer elektrishen Orts\{Gnellbabn für den Personenverkehr zwishen Cöln und Düsseldorf ist nunmebr eine grundsäßliche Entscheidung ergangen. Der Minister der öffentlichen Arbeiten hat gegenüber den Bewerbern um die Konzessionserteilung für eine solche Bahn sich bereit erlkärt, den Bau und Betrieb der geplanten Eisenbahn, die unter Mitbenußung der Straßenbahnnegße der beiden Städte in diese einmünden soll, der Privatunternehmung zu überlassen und die Allerhöchste Konzession für die dem Eisenbabn- geseße vom 3. November 1838 zu unterstellende, als Haupteisenbahn zu behandelnde Schienenverbindung zu erwirken. Nach Behebung der Schwierigkeit, die sih daraus eat, daß das Konzessionsbegehren von verschiedenen Seiten gestellt ist, soll dem Konzessionsverfahren möôg- lichst rasher Fortgang gegeben werden.

Nach einer Meldung des „W. T. B.“ ist Antivari vorgestern als Freihafen feierli eröffnet worden.

Theater und Musik. Schillertheater O0. (Wallnerthbeater).

Henrik Ibsens Familiendrama „Gespen ster ging auf der Stammbühne des Schillertheaters am Sonnabend zum ersten Male in Szene und reihte sich den Dramen des nordishen Dichters würdig an, die der Spielplan des Schillertheaters s\either gebracht hat. Die Darstellung war durchaus einheitlich und geeignet, der tieferen Bedeutung dieses ershütternden, düsteren Bühnenwerkes Ausdruck zu geben. Allen Mitwirkenden gebührt hieran ein gleihes Verdienst: Hedwig Pauly, die Vertreterin der Frau Alwing, wußte in dieser Nioberolle das duldende Weib ergreifend darzustellen. Ebenso verkörperte Herr Hans Gerhard den unglücklichen Oswald, an dem s\ich die Sünden der erbarmungslos

Väter fo

rächen, mit großer Lebenswahrheit. Der glaubensstrenge, ehrliche und dabei fo unendlich findlihe Pastor Manders wurde von Herrn Mar Reimer, und der ruchlose, beuchblerishe Tischler

Engstrand ron Herrn Ernst Legal gleich gut im Geiste der Bübnen- dihtung wiedergezeben. Ganz besonders aber verstand es au Fräulein Else Baumbach, die Rolle der \ceinheiligen, intriganten Negine zu gestalten und namentlich durch ibr beredtes Mienenfsviel zu beleben. Das ausverkaufte Haus zollte allen Darstellern leb- haftesten Beifall. Kleines Theater.

Sonnabend brate diese Bühne eine Wiederbelebung der Komödie „Hinterm Zaun“ von Carl Rößler, die {on vor einiger Zeit als einmalige Vorstellung im Lustspielhaus gegeben wurde. Die gestrige Erstaufführung fand einen günstig gestummten Zuhörerkreis, doch vermochte das Stück niht nachhaltig für sih einzunehmen, obgleich es mit satirishen, geistreiben und bumor- vollen Bemerkungen durchseßzt ist. Vielleiht is es das Zuviel von Niedrigkeiten, das beinahe an Karikatur grenzt, das diese erkältende Wirkung ausübt. Ein ctwas mattes Tempo der Darstellung machte dieses so unsymyathishe Bild aus dem Theaterleben nicht genießbarer und die angehäufte Menge von Unwahrscheinlichkeiten nicht erträgliher. Die an sich recht dankbaren Nollen wurden zum Teil gut verkörpert. Die Heldin des Stückes, die Hofschauspielerin Gerda Stürmer-Petrovsky wurde von Fräulein

Am

Bertha Nocco gegeben. Sie {ob die Gefallsuht und Frivolität dieses Charakters in den Vordergrund, den Geist, den doch hlie;lich eine Künstlerin, die sich aus dem Nichts zu folher Stellung heraufgearbeitet hat, besigen muß, blieb fie

schuldig. Ihr eitler Gatte fand durch Alexander Rottmann eine gute Wiedergabe. Die ältliche Hofschauspielerin Emmy Stuffberg wurde von Fräulein Jlka Grüning, dieser fo vorzüglichen Darstellerin humorvoller, älterer Rollen, gegeben. Auch Mar Adalbert verhalf dem geistig recht \ch{lecht Pbaéten Prinzen Mar durch ent- sprechenden Ton und Maske zu eindrucksvoller Wirkung. Die weiteren Personen des Stückes fanden angemessene Vertreter. Unter diesen fei Herrn Nowotnys einfache und natürliche Darstellung des so ungelegen erschienenen, mißliebigen Sohnes hervorgehoben. Ebenso berührte die gerade Ehrlichkeit Erich Ziegels als Maler Hartl in dieser Atmosphäre von Verlogenheit wohltuend. Fräulein Anny Schindler entfaltete bei der. Darstellung einer kleinen Schauspielerin ein frishes Talent.

Im Königlichen Opernhause wird morgen, Dienstag, „La Traviata“, mit Fräulein Hempel in der Titelrolle, wiederholt. Die Herren Kirchhoff (Alfred), Erhardt, vom Stadttheater in Ham- burg als Gast (Germont, Vater), sind ihre Partner. Dirigent ift der Kapellmeister Dr. Bes[. f:

Im Königlichen Schausvielhause geht morgen E. von Wildenbruhs Schauspiel „Die Rabensteinerin“, mit Frau Willig in