1869 / 7 p. 10 (Königlich Preußischer Staats-Anzeiger) scan diff

Den bedeutendsten Zuwachs an Eisenbahnen in Norddeutschland erhielten Schlesien und Ostpreußen, in welcher ersteren Provinz Bres- lau-Vossowsfa {16,92 M.) von der Reccten Oderuferbahn und Dittersbach-Altwasser (0,9 M.) von der Sclesischen Gebirgsbahn er- öffnet wurden, während hier von der Ostpreußischen Südbahn Rastenburg-Lyck (10,2 M.) in Betrieb kam. Jn Schleswig ist nur die kurze Strecke Rothenkrug-Apenrade (0,92 M.) dem Verkehr Übergeben worden.

In Süddeutschland wurden die meisten Bahnstrecken von den Badischen Staatsbahnen (11,03 M.) eröffnet, nämli Eugen- Donaueschingen 4,71 M., Meckedheim-Rappenau 3,77 M. und Hoch- hausen-Werthheim 2,55 M., dann folgen die Württembergischen Staatsbahnen mit 7,2 M, nämlich mit Pforzheim - Wildbad 3/1 M., Thalhausen-Rottweil 0,9 M, Ulm-Blaubeuren 2,2 M. und Zuffenhausen-Dißingen 1,0 M,., sowie die Stultgart-Berger Pferde- bahn, während in Bayern nur die Pfälzische Nordbahnstrecke Land- stuhl-Cusel (3,88 M.) dem Verkehr übergeben wurde.

Einen bei Weitem größeren Zuwachs als das Nerddeutsche und Süddeutsche hat das Oesterreichische Eiscnbahnneß im verflossenen Jahre erhalten, wovon der größere Theil auf Cisleithanien fällt, wo die Kronprinz-Rudolfsbahn mit den neueröffneten Strecken St. Valentin - Steyer, St. Michael-Villah, und St. Michael-Leoben (zusammen 27,33 Ml.) und die Kaiser Franz Josefsbahn mit der Strecke Budweis-Pilsen (17,94 Ml.) die ersten Pläße einnehmen, woran sich dann die Strecken Schwadowiß- Preuß. Grenze bei Königshain von der Süd-Norddeutschen Verbindungsbahn (3,5 M.)/ die Prager Verbindungsbahn der Buschtêhrader Eisenbahn (0/465 M.) und die Südbahnstree Bru - Leoben (2,18 M.), mee die Kronprinz - Rudolfsbahn mit der Südbahn verbindet, an-

ießen.

In Ungarn und Siebenbürgen wurden die drei wichtigen Bahnen Kereßtur-Barcs (9,3 M.) von der Oesterreichischen Südbahn, &Fünffirhen-Barcs (8,97 M.), welche in Verbindung mit der Mohacs- Fünffirchner Bahn eine neue wichtige Linie herstellten, sowie Arad- Carlsburg von der I. Sicbenbürger Eisenbahn in Betrieb geseht. Die leßtgenannte Bahn, 27,76 M. umfassend, is somit die längste Bahn, welche überhaupt im Jahre 1868 im Gebiete des Vereins Deutscher Eisenbahn-Verwaltungen eröffnet worden ist.

Außerdem wurden noch in der österreichischen Gesammt-Monarchic (abgeschen von Jndustriebahnen) Theile der Wiener, Pesther und Ofener Strafen-Pferdebahnen eröffnet, ohne daß über deren Längen uns bis jeßt etwas Genaueres bekannt geworden wäre.

Als Sclußresultat des Jahres 1868 ergiebt \sich, daß im Ganzen 212,178 M. (gegen 172,42 M. in 1867, 155,04 M. in 1866, 151,72 Meilen in 1865 und 585 M. in 1864) im Gebiete des Vereins er- öffnet wurden, wovon 97,455 M. auf Oesterreich, 64,103 M. auf Norddeutschland, 22,11 M. auf Süddeutschland und 28/51 M. ein- \{ließlich Ans-Flemalle auf die niederländischen Eisenbahnen fallen.

Der Weinbau an der Mosel und Saar.

Der im Auftrage der Königlichen Regierung zu Trier vom Re- gierungs-Rathe Otto Beck unter Benußung amtlicher Quellen heraus- gegebenen Schrift »Der Weinbau an der Mosel und Saar« cntnehmen wir die nachfolgenden gescichtlihen und statistischen Notizen :

Die Einführung des Weinbaues an der Mosel wird gewöhnlich dem Kaiser Probus zugeschrieben, der von 276 bis 282 regierte ; ohne Zweifel bestand derselbe jedoch \chon zur Römerzeit, denn Eutrop und Vopiscus erzählen ausdrücklich, der Kaiser Probus habe in ganz Gallien und Pannonien den Weinbau fortzuseßen erlaubt, aber in Syrmien und Ober-Mösien durch seine Soldaten Wein- berge neu angelegt und sie dann den Bewohnern der Provinz zum Bauen überlassen. Diese unbedingte Erlaubniß, den Weinbau fort- zuführen , bezog sih auf das Edikt des Kaisers Domitian vom Jahre 92 n. Chr., daß in Jtalien Niemand neue Weinberge anlegen dürfe und daß in den Provinzen die Weinstöke mindestens zur Hälfte aus- gerottet werden sollten. Er war nämlich der Ansicht, daß wegen des umfangreichen Weinbaues der Ackerbau vernachlässigt würde; doch soll er, wie Sueton erzählt , auf die Ausführung dieses Ediktes nicht be- jtanden haben. ;

Gegenwärtig sind es 1500 Jahre, daß Decimus Magnus Ausonius aus Bordeau, der Erzieher des Kaiser Gratian unter Valentinian L, in einer Mosella eine naturgetreue, heute noch zutreffende Beschreibung dieses Flusses lieferte und die {on damals rebenbepflanzten Hügel E E s{hönsten Ströme unseres vaterländischen Bodens besang. n seinem:

A »Strom, deß Rebenhügel bepflanzt mit duftendem Bacchus«

(amnis odorifero juga vilea consite Baccho) bezeichnet er wohl nicht bloß den Blütheduft der Rebe, welcher mit seinem, der Reseda ähnlichen Geruch das ganze Flußthal erfüllt, son- dern auch die an der Mosel von jeher vorzug8weise gebaute Rebsorte, den Träger der edelsten Rhein- und Moselweine, den bouquetreichen Riesling, welcher von hier aus (aus dem Trierischen und Cöôlnischen) in das Rheingau, und namentlich im Jahre 1074 in den Rüdesheimer Berg verpflanzt worden ift.

Man sieht hieraus, daß der Weinbau ein uralter Kulturzweig der Moselgegend is}. Er hat 18 Jahrhunderte hindurch alle Verände- rungen des Klimas, jeden Wechsel der Witterung ertragen , alle Um- gestaltungen des Lebens, alle Störungen der Handelsbeziehungen glück- lich überstanden.

Das eigentliche Weinland beginnt an der Mosel erst unterhalb Trier bei Trittenheim, Piesport und Neumagen auf den der Morgen-

und Mittagssonne ausgeseßten, vor den rauhen Winden ges{hüßten | | 1865er Weine von ganz vorzüglicher Qualität.

Bergabhängen des Schiefergebietes, wo (wie der Moselaner sagt) die Rebe den ganzen Tag lang von der Morgensonne beschienen wird.

Außerdem produzirt man noch Wein von geringer Qualität und Quantität bei der Stadt Wittlich, sowie in den Kreisen Merzig, Saarlouis, Saarbrücken und St. Wendel. Von diesen Weinen ist der’ rothe von Blittersdorf (Kreis Saarbrüen) und der bei Langweiler und am Glane, bei Offenbach und Niederalben (im Kreise St. Wendel) wachsende am meisten geschäßt und gesucht. Er gedeiht aber nur selten und immernur in geringer Quantität, Zu den besten Lagen an der Mosel und den Nebenthälern derselben rechnet man: 1) im Stadtkreise Trier: den Thiergärtner, Avelsbacher, Olewig-Neuberger; 2) im Land- kreise Trier: den Oberemmler (besonders den Rauler, Agritiusberger), Krettnacher, Niedermanniger (Euchariusberger), Könener rother); im Ruwerth«le: den Grünhäuser, Kaseler, Eitelsbacher; im Pfalzel: den Augenscheiner ; 3) im Kreise Wittlich: den Piesporter, Uerziger, Kien- heimer und Kröver; 4) im Kreise Bernkastel: den Oligsberger und Neuberger, Braunenberger, den Doktor bei Bernkastel, den Josephs. Zelék bei Graach, den Wehlener, Erdencr , T hronerhofberger und eltinger.

An der Saar und den Nebenthälern derselben im Kreise Saar- burg gehören: der Wiltinger (besonders der Scharzhofberger) , der Offener (besonders der Bocksteiner), der Schodener (besonders der Geisberger), der Ayler, Kanzemer, Wawwerner (besonders der Gevren- berger) zu den besseren Lagen. i

Die an der Mosel und Saar üblichen Rebsorten sind Ries. ling und Kleinberg; andere fommen nur ausnahmsweise vor. Erstere geben in guten Jahren den fkräftigsten und bouquetreichsten Wein. Die Traube des Rieslings erlangt aber nur in günstigen Jahren ihre volle Reife und bleibt deren Wein bei weniger gutem Verlaufe der Jahreszeit hart. Die Rieslingsrebe is jedoch viel weniger dem Erfrieren ausgeseßt, als der Kleinberger; außerdem ist sie in der Blüthe bei ungünstigem Wetter ausdauernder, wodurch ih in einem Durchschnitt von zehn Jahren das anscheinend erzielte ge- ringere Quantum auszugleichen pflegt. Die schon vielfa angestellten Versuche mit weichen Traubensorten, als: Rouland, Traminer; Oest- reicher und Burgunder wurden größtentheils wieder aufgegeben, weil der Wein dieser Traubensorten von dem Charakter der Saar- und Moselweine zu sehr abweicht und deshalb zu wenig Beifall findet, Auch is das Holz dieser Rebsorten so weich, daß es bei eini ermafßen strengem Winter dem Erfrieren zu sehr ausgeseßt ist. An der Saar war der Riesling von jeher vorherrschend, während an der Mosel in früherer Zeit der Kleinberger am häufigsten vorkam. Seitdem man aber dem Weinbau größere Sorgfalt widmet, hat man auch an der Mosel dem Rieslingsbau cin weiteres Feld eingeräumt, so daß der Kleinbergbau mehr und mehr auf die s{lechten Lagen beschränkt wird.

Die Eigenthümlichkeiten des Moscl- und Saarweines sind im Wesentlichen dieselben, wie die des Rheinweines; während sich aber die leßteren vorzüglih durch Schwere und Süße auszeichnen, stehen dem Moselweine die feine Blume, dem Saarnweine der dUf- tende Wohlgeschmack des Rieslings zur Seite. Die Mosel- und Saar- weine bilden Spezialitäten unter den Weinen, die sich ciner von Jahr zu Jahr wachsenden Zahl von Konsumenten erfreuen. Zur Aufrecht- haltung des guten Rufes dieser Weine haben die Weingüter-Besißenden, die öffentlihen Anstalten, Korporationen und die größeren Gutsbe- sißer vornehmlich beigetragen. Durch sorgfältige Behandlung der Weinberge und der erzielten Weine haben sie fih das allgemeine Zu- trauen der Käufer erworben und in &olge dessen Preise erzielt, die man früher nicht gekannt. Auch die kleineren Winzer haben ange: fangen, ihre Weingärten besser zu bauen und zu unterhalten ; sie sind u a der größeren Weinproduzenten und haben von diesen gelernt.

Nach den neuesten Grundsteuerfestseßungen enthielt der Regierungs- bezirk Trier 158 Weinbau treibende Gemeinden; der Gesammt-Flächen- inhalt aller Weingärten belief sih auf 14,941,11 Morgen mit einem Reinertrage von 64/,997,18 Thalern oder durschnittlich 131 Silher- groschen pro Morgen. Das meiste Weinland, 5481,01 Morgen, hatte der Kreis Bernkastel, es folgen dann die Kreise Trier (Land) mit 4167,42, Wittlich mit 2169,56, Saarburg mit 1928,19, Trier (Stadt) mit 4166,55, Saarlouis mit 310,41, St. Wendel mit 165,92, Merzig mit 128,84, Saarbrücken mit 108,19 und Bitburg mit 15,02 Morgen. Die durchschnittlichen Reinerträge der Weingärten in den cinzelnen Kreisen sind pro Morgen folgendermaßen eshäßt : Trier (Stadt) 182 Sqgr., Bernkastel 153, Saarbrücken 132, Trier (Land) 130, Saar- burg 119, Saarlouis 91, Wittlich 89, Merzig 77, St. Wendel 55, Bit- burg 24 Sgr. Der durchschnittlihe Weingewinn pro Morgen ist an der Saar zu sieben, im Stadt - und Landkreise Trier zu neun und in den Kreisen Bernkastel und Wittlich zu zehn und einem halben Eimer angenommen. Jm Durchschnitt beträgt der quantitative Er- trag eines guten Mittelherbstes von einem Morgen Weinberg, dessen sämmtliche Rebstöcke in voller Tragbarkeit sind, etwas über 9% Eimer. Aber abgesehen von den häusig nöthigen neuen Anlagen, welche erst nach Verlauf von vier Jahren tragfähig werden, müssen durchschnitt- lich jährlih mindestens 5 Prozent der vorhandenen Rebstöcke erneuert werden und lassen erst wieder nach 4 Jahren Früchte erwarten. So liegt beständig Über "%, der Weinbergsfläche ertraglos.

Was die Eruteerträge der beiden leßten Dezennien betrifft, so hat der Weinbau während der Jahre 1847 bis 1856 inkl. ungünstige Re- sultate ergeben, so daß die Moselaner übermäßig verschuldet waren und damals in manchen Ortschaften der größte Theil der Eigenthümer wechselte. Die Subhastationen waren zahlreich und viele Winzer wanderten aus. Allgemeine Muthlosigkeit und Niedergeschlagenheit herrschte, bis mit dem Jahre 1857 der Wendepünké zum Besseren cin- trat und seitdem mit Ausnahme des Jahres 1860 lauter gute, wenn auch außer 1865 in quantitativer Hinsicht kaum Mittelherbste erreichende Wein- jahre aufeinander gefolgt sind. Dabei waren die 1857er, 1862er und : Ein Theil der 1857er Weine wurde bald nach dem Abstiche zu sehr hohen Preisen (das Fuder

ofberger zu 12—1300 Thlr., Oligsberger zu 14—1500 Thyr., S tee wt. Piesporter zu 900—1200 hlr.) verfaufi. Diese Preise sind aber nur als ausnahmsweise zu betrahten. Nach einer Durchschnittsberechnung sind von den besten Weinen der verschie- denen Flußgebiete nah dem ersten Abstiche in den Jahren 1857—1860 pro Fuder von 871 Quart oder 145 Eimer erzielt worden: in den Kreisen Bernkastel und Wittlich 141 Thlr. 20Sgr., im Stadt- und Landkreise Trier 130 Thlr. 25 Sgr. und im Kreise Saarburg 185 Thlr. ; danach stellt \sich der Gesammt-Rohertrag der Weinberge erster Klasse pro Morgen für die Kreise: Bernkastel und Wittlich auf 97 Thlr. 23 Sgr. ; Trier (Stadt und Land) auf 77 Thlr. 9 Sgr. und Saarburg auf 82 Thlr. 5 Sgr. 9 Pf. Bringt man hiervon die Kulturkosten/ die im Einzelnen, besonders dur die Verschiedenheit der Zahl der Weinstöke, welche auf einen Morgen gepflanzt worden ; sehr von einander ab- weichen, in Abzug, so berechnet sich der E S L Morgen in den Kreisen : Bernkastel und Wittlich auf 27 Thlr. 22 Sgr. 2 Pf., Trier (Stadt und Land) auf 19 Thlr. 29 Sgr. 6 Pf. und Saarburg

f 28 Thlr. 3 Sgr. 1 Pf. : E T {ließli noch den Antheil, welchen der Weinbau an der

Mosel und Saar an der gesammten Weinproduftion des preußischen Staats hat, näher zu bezeichnen, bleibt anzuführen, daß nach den An- gaben der Mitglieder der pariser Jndustrieausstellung von 1867 die durchschnittliche jährliche Weinproduktion Preußens einschließlich der neu erworbenen Landestheile 462,922 Eimer betragen hat. Davon treffen auf Moselwein (Laurentiusberger, Braunenberger, Grünhäuser, Trarbacher, Zeltinger 2c.) 178,462 Eimer oder 40,35 pCt., auf Saar- wein (Scharzhofberger, Wiltinger 2c.) 20,000 Eimer oder 4,50 pCt. Der Weinbau beider Flüsse hat also 44/85 pCt. oder fast die Hälfte des gesammten Weingewinnes Preußens E Die übrigen Weingegenden hatten dagegen folgende Antheile an der Gesammtproduktion: Weine des engen Rheinthalers (Aßmannshäuser, St. Goarshäuser, Kreuzberger, Linzer, Ober- weseler , Griesberger 2c.) 77,000 Eimer oder 15,25 pCt. Nahe- wein 60,000 Eim. oder 12,75 pCt., Rheingauwein (Rüdesheimer, Geisenheimer, Johannisberger, Hochheimer, Markobrunner, Erbacher; Rauhenthaler, Hattenheimer 2c.) 55,500 Cim. oder 12,00 pCt., Nieder- {lesisher (Grüneberger, Gubener, Bomster, Posenscher) 28,000 Eim. oder 6,25 pCt., Ahrwein 20,000 Eim. oder 4,50pCt., Naumburger (Freiburger, Landwein von der Saale und Unstrut) 10,735 Eim. oder 2/33 pCt., Lahnwein 6000 Eim. oder 1,25 pCt., Frankenwein 3224 Eim. oder 0,70 pCt. und Havelwein (von Potsdam und Branden-

burg) 509 Eim. oder 0,12 pCt.

Adolf Menzel als Darsteller preußischen Fürsten- und Kriegerlebens. (S. die Bes. Beilage zu Nr. 304 d. Bl. v. J. 1868.) IV.

Nach dieser Unterbrehung kehren wir zur Betrachtung der Oelgemälde zurück, in welchen der Künstler einzelne Thaten oder Scenen aus dem Leben preußischer Fürsten, und unter diesen wieder vorzug8weise König Friedrichs 11, zum Gegen- stande durhgeführter und abgeschlossener Darstellungen gemacht hat. Es war auf der berliner Kunstausstellung des Jahres 1850, als das erste dieser seiner Hauptwerke erschien: »Friedrich der Große bei Tafel im Kreise seiner Freunde und Tischgenossen auf Sanssouci 1750«, Dasselbe erregte großes Aufsehen. Das Lokal is der Speisesaal zu Sanssouci. Durch die geöffnete Glas8thür sicht man auf die Terrasse. An der gedeckten runden Tafel sißen die begünstigten Tischgenossen König Friedrichs um diesen, den geistigen Beherrscher und Mittelpunkt ihres Kreises, gruppirt. Der König, dem Beschauer gegenüber, wendet sich lächelnd zu Voltaire, der, sein Wort mit ciner Handbewegung begleitend, ersichtlich ein geistreiches Bonmot oder eine wißtige treffende Bemerkung zum Könige hinüberschickt, deren Wirkung sich in den Mienen und 'dem Verhalten der übrigen Tischgäste ausdrückt. Zwischen ihm und Friedrich 11, ft General von Stille; vor Voltaire, nach dei Vordergrund zu Keith Lord Marishal, gleihsam aus dem Bilde heraus zu einem nur vom Rücken sihtbaren Tafel- genossen gewendet. Ganz zunächst dem Beschauer, diesseits des Tafelrundes, Marquis d'Argens8, zu dem lachenden de la Met- trie sprechend; zunächst dem Leßteren - tiefer im Bilde Graf Rothenburg, dann, etwas vorgeneigt, um kein ¡Wort Vol- taire’s zu verlieren, Graf Algarotti , und hinter diesem, wieder dem König zu seiner rechten Seite, Feldmarschall Keith. Einige aufwartende Lakaien und Kammerhusaren sind im O des Saales sichtbar , der fast in seiner ganzen Höhe bis zum Anfang des kreis8runden Plafonds über den Säulen mit den von dort niederhängenden Kronleuchtern dargestellt ist. Das Bild is} bekanntlih für die ständische Galerie des Kunstvereins erworben. E :

Es folgte auf dasselbe, gleichsam als Ergänzung der darin versuchten Schilderung des Geisteslebens an König G&riedrichs Hofe, Jenes zweite, das den König in der anderen Richtung seines friedlichen Thuns zeigt, in welchem der Feldherr und Regent von den großen ernsten Arbeiten solchen Berufs auSszuruhen liebte: Friedrich 11. als Künstler, als ausübender Musiker, Dies Bild »Hofkonzert zu Sanssouci 1750« bezeichnet, erschien vollen-

det auf der Ausstellung von 1852. Das auf demselben dargestellte Konzert war während der Anwesenheit der Königlichen Schwester, der Markgräfin von Bayreuth, am Hofe veranstal- tet, Sie sißt auf dem Divan an der binteren Spiegelwand des glänzend von Kerzen und Kronleuchtern erhellten Musik- saals, ganz versunken in das Zuhören cines Konzertstücks, in wel- chem der König selbst, vor seinem Notenpult stehend, ein Solo auf der Flöte bläst. Während seines Spiels scheint das beglei- tende Streichquartett und Piano (an welchem Emanuel Bach, wie Benda als erster Geiger, fungirt) zu pausiren, den Schluß der Flötenkadenz abwartend, um dann wieder als Orchester einzufallen. Des Königs Lehrer Quanz lehnt im Vordergrund in der Nische , seinem Fürstlihen Schüler mit froher Genug- thuung zuhörend. Ein andrer fünstlerisher Hörer, Graun, neben dem Divan der Mark räfin stehend, drückt in scinen Zügen ebenfalls lebhafte Befriedigung an des Königs Spiel aus. Damen vom Hofe in den goldlehnigen Fauteuils sigzend ; und Hofchargen und Kavaliere vor und Pintèe ihnen stehend, bilden das Übrige Auditorium. Das Werk bildet den schönsten Shmuck der Galerie Jacobs in Potsdam.

Im Jahre 1854 folgte das, gegenwärtig“ in der Galerie Ravené'’s befindliche Bild, welches »Friedrich den Großen auf NReisen« darstellt. Es sollte den König zeigen, wie er na ge- shlossenem &rieden, nah dem durhgekämpften siebenjährigen Kriege sich als der unmittelbar und persönli schende und eingreifende Wächter und Pfleger des Landes- und Volks- wohls beweist. Auf einer seiner Jnspektionsreisen durch das Land hat er in einem Dorfe Halt gemacht, wo manches Ge- bäude in Trümmern liegt, die Arbeit der Zimmerleute und Maurer aber bereits begonnen hat, sie nun wieder aufzurichten. Der König is ausgestiegen und eilt mit hastigem Schritt, zwischen den Fingern der cinen Hand eine Prise, in der andern ten Krückstock, auf den, zum Vortrag über die Neubauten hierher beorderten Brenkenhoff zu, welcher die Pläne in seinen Händen noch einmal überfliegt. Dabei umdrängen die herbeigeeilten Bewohner von Dorf und Rittergut den König, der es nicht wehren kann, daß die Bauern hier, die Edeldame dort, sich nach seinem Rockshooß bücken, und der sih eben so wenig aufzuhalten vermag bei dem ehrfurchtsvoll sih neigenden Gutsherrn, seinem jungen Sohn, dem Kadetten, der Tochter mit dem Teller voll Erdbeeren in der Hand, noch bei all den andrängenden Land- leuten, den Weibern mit Bittschriften in den erhobenen Händen, der Dorfjugend mit ihrem Schulmeister. Ueber diesen gestalten- reihen Gruppen werden zur Seite und im Mittel- und Hintergrund die Baugerüste, schon vorgerüctere Neubauten, vereinzelte Gehöfte und die alten Bäume des Dorfes sichtbar.

_&Tür den breslauer Kunstverein malte Menzel E gleichzeitig das Bild ciner historishen Episode aus des Königs Leben: die Huldigung der Stände des neugewonnenen Schlesiens an den jugendlichen Sieger im ersten \{lesischen Kriege am 7. November jenes Jahres. Bekanntlich war es bei dieser Ceremonie vom Marschall versäumt, für das Reichsschwert zu sorgen, auf welches der HuldigungsSeid geleistet werden mußte. Der König half diesem Mangel {nell entschlossen ab, indem er den eigenen Degen zog und statt jenes Schwertes hinhielt; durch den Kuß auf diesen Degenknopf und den Eid ist dann der Huldigungsakt vollzogen worden. Das Bild Menzels zeigt den König auf der für den Thron errich- teten Estrade stehend, den Hut auf dem Kopf, in einfacher Uni- form, den gezogenen Degen vorgestreckt in der Rechten, der Saal erfüllt mit den geistlihen und weltliben Ständen des P erzog- thums in ihrer Amtstracht, einzelne Herren sich dem hrone nähernd und scine Stufen hinansteigend.

Die Organisation der amtlichen Statistik in England. I

Eine statistische Centralbehörde giebt es in England nicht. Eine jede Behörde sammelt und bearbeitet selbstständig die statistischen Daten ihres Ressorts und publizirt sie in Gestalt regelmäßiger periodischer, meistens 1ährliber oder halbjährlicher Berichte Reports der \o- genannten Blaubücher, wobei zu bemerken, daß diese in ibrem wei- testen Sinne die sämmtlichen parlamentarischen Druckschriften um- fassen. Diese periodish erscheinenden Berichte sind äußerst zahlreich, und in der That giebt es jeßt wohl keinen Zweig des öffentlichen Dienstes mehr, der nit jährlih, in einzelnen Fällen halbjährli in dieser Weise Rechenschaft ablegte und über sich selbst Bericht erftattete. Einige dieser Berichte haben bereits ein ansehnlihes Alter erreicht; die meisten sind jedoch jüngeren Ursprungs. Jene bereits seit einer längeren Reihe von Jahren regelmäßig erscheinenden Berichte find hauptsächlich diejenigen über die Forsten (seit 45 Jahren), die öffent- lichen Werke und Gebäude (40 J.), den öffentlichen Unterricht in Irland (35 J.) die Ausivanderung (26 J.), die öffentlichen Archive 26 J.), JIrrenanstalten (21 J.) Armengeseße (20 J.) u. A. Diese Berichte waren wesentlich parlamentarischen Ursprungs, d. h sie wurden gelegentlich durch ausdrülihen Beschluß des Parlaments ins Leben gerufen, nicht durch die Jnitiative der Regierung; ihrem ursprünglichem