1869 / 33 p. 6 (Königlich Preußischer Staats-Anzeiger) scan diff

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Autonomie erfreuen, noch jeßt besteht. Die Jepige hannoversche Städte- Ordnung von 1858 steht ebenfalls niht in dem Rufe, sehr reakt'onär U sein, und geht doch bedeutend weiter in der Bestimmung derjenigen Fälle, in welchen die Regierung in Dissensusfällen einschreiten darf. Die Regierung glaubt, an demjenigen Maß, auf das sie sich \elb| reduzirt hat, um so mehr festhalten zu müssen, als sie sich bewußt ist , dies durhaus nicht vorgeschlagen zu haben aus irgend welcher Lust an Vielregiererei. Es i} dies ein Gebiet, wo die Regierung selbs gar kein Vergnügen empfindet, einzuschreiten und aus ihrem Oberaufsichtsrecht irgend etwas zu dekretiren. Sie will ledig- lih insoweit künftig noch einschreiten können, als sie von dem einen oder dem anderen städtischen Kollegium ausdrücklich angerufen wird, und nur insofern, als der status quo durchaus ohne dringende Gefahr für die Kommunalinteressen nicht aufrecht erhalten werden kann. Daß dergleichen Fälle vorkommen können, meine Herren, hat die Er- fahrung reichlich gezeigt. Seit dem Jahre 1862, wo in den Motiven eines einheitlihen Städteordnungs-Entwourfs der damaligen Staats- regierung ausgesprochen war, daß wohl selten Fälle von solcher Dringlichkeit vorkommen möchten, daß es bei solchen Dissensus- fällen in der Kömmunalverwaltung nicht bei dem status quo bis zur erfolgenden Einigung der Kommunalbehörden verbleiben könne, hat die Staatsregierung ein sehr scharfes Auge darauf gehabt, und man hat gesehen , daß dergleihen Fälle wirklich häufiger in der Kommunalverwaltung hervorgetreten sind, wo es ohne Beschädigung der Kommunalinteressen nicht möglich gewesen wäre, es bei dem status quo zu lassen. Es is in dieser Beziehung schon angeführt wor- den , daß das namentlich dann öfter eintritt, wenn die beiden städti- schen Kollegien darüber einig sind, daß der alte Zustand \chlechterdings nicht aufrecht erhalten werden kann, daß irgend etwas Anderes, Neues geschehen muß, wenn die beiden städtischen Kollegien sich aber über das Wie dieser neuen Einrichtung durchaus nicht einigen können und wenn sie sich, wie das leider öfter vorkommt, so verbissen haben in unserem altländishen Duali8mus der beiden städtischen Behörden, daß es ihnen un- möglich wird, sich mit einander zu vereinbaren chne das Dazwischentreten der höheren Behörde. Es sind Fälle vorgekommen, wo es sich darum handelte, ob dem einen oder dem anderen Bieter auf die Pacht eines städtischen Vorwerkes der Zuschlag zu ertheilen sei , der Zuschlag aber innerhalb einer bestimmten kurzen Frist ertheilt werden mußte unter dem Präjudiz , daß sonst die Kommune eine erhebliche Konvehñtional- strafe zu bezahlen hatte; die städtishen Behörden konnten sich in der Jogeenen Orist nicht einigen Über die Person desjenigen, dem der Zu- chlag ertheilt werden sollte; war da die Staatsregierung nicht da, die kraft des bestehenden Geseßes entscheiden konnte, so wäre die. Stadt in die Lage gekommen, Konventionalstrafe zu bezahlen. Es ift ferner der Fall mehrfach vorgekommen ,; daß ein \tädtisches Defizit durchaus ge- deckt werden mußte; darüber waren die städtischen Kollegien, darüber waren alle Bürger , die irgend Einsicht von den Dingen hatten , çin- verstanden ; es erschien aber unmöglich, bis zu dem Zeitpunkt, wo der nöthige Rath dafür geschafft werden mußte , eine Einigung der städti- hen Kollegien darüber herbeizuführen , wie und durch welche Mittel denn dieses Defizit gedeckt werden sollte; da war es eine wahre Wohlthat, und ist als solche von den Kommunen selbst anerkannt worden, daß eine Behörde geseßlich da war, die hier das entscheidende Wort sprechen konnte. Der Fall hat ferner vorgelegen, daß die städtischen Kollegien darüber einig waren, daß die städtische Kassenverwaltung durchaus einer Arbeitshülfe bedürfe, wo ohne dieselbe die Kassenverwaltung in die größte Unordnung, in vollständige Lähmung zu gerathen drohte, wo aber, weil die städtischen Behörden sich nicht darüber einigen konnten, in welcher Weise diese Hülfe zu beschaffen und wie sie zu be- solden sei, die Abhülfe ein halbes, ein ganzes Jahr lang unterblieben ist und noch länger unterblieben wäre, wenn schließlich nicht eben die Regierung diejenige Behörde gewesen wäre, die geseßlich berechtigt war, Entscheidung zu treffen.

Also, meine Herren, nur im dringenden, eigenen Jnteresse der Kommunen bitte ih Sie, die Bestimmung der-Geseßesvorlage im leßb- ten Passus des §. 53 nicht nah dem Vorschlage J hrer Kommis- sion zu streichen, sondern sie anzunehmen.

Nach dem Abg. Grafen Schwerin erklärte der Regie- rung8kommissar in derselben Debatte:

Meine Herren! Wenn darauf verwiesen wird, daß der Regierung andere Mittel zu Gebote ständen, um in verschiedenen Fällen eines derartigen Discensus die Sache auf den richtigen Weg zu bringen, nämlich die Befugniß der Negierung, polizeilich nothwendige Einrichtungen zu erzwingen, so glaubt die Staatsregierung das nicht für eine Verbesse- rung des gegenwärtigen Zustandes halten zu können. Es ist wahrhaftig der bei weitem angenehmere und für die Regierung erwünschtere Weg wenn sie lediglich auf Grund des geseßlichen Entscheidungsrechts für Dissensusfälle irgend eine Einrichtung, die nothwendig ist, feststellen und ordnen kann, als wenn Sie dazu im Wege des polizeilichen Zwangs nöthigen soll, der wahrlich genug Anfechtungen erfährt, um der Regierung nicht erfreulich sein zu können. Diese Verweisung also, meine Herren, hilft uns aus der Kalamität nicht heraus. Was aber A Bemerkung betrifft, daß die Entscheidungen in solchen Fällen, wie ch sie die Ehre gehabt habe zu bezeichnen, desto mehr Miß- stimmung in den Kommunen hervorgerufen hätten; ja, meine

erren, so ist das doch wahrhaftig nicht bei demjenigen der städtischen

ollegien der Fall gewesen, dem die Regierung Recht gegeben hat, sondern nur bei denjenigen , „dem Unrecht gegeben worden is. Das beweist also zuviel, dann müßten Sie auch alle richterlichen Urtheile aus der Welt schaffen, die Mißstimmung stets bei denen erregen, welche unterliegen, Aber es bleibt eine ewige Wahrheit, ein Richter muß sein auf Erden, der auch in solchen Streitigkeiten entscheidet. __— Meine Herren, erlauben Sie mir das zu sagen, was meine Pflicht ist! So lange die preußischen Städte nicht Jnseln im preußifchen Staate -sind, so lange sie unter der preußischen Staatshoheit noch

stehen, sih davon nicht emanzipiren können, so lange hat, glaube ih, der Staat nicht aus Lust am Vielregieren sondern kraft seiner Ver- pflihtung als Staat die Verbindlichkeit, ein staatlihes Forum dafür zu erhalten, vor welchem dergleichen Fälle ihre Entscheidung finden können. Wenn cine- der Parteien, und das is hier nur vorgesehen, ausdrücklich auf diese Entscheidung rekurrirt, so ist _der Staat es dieser Partei, er ist es der gesammten Bürgerschaft und der betr. Kommune \chuldig, se nicht unter einer hartnäckigen Verbissenheit der städtischen Kollegien, wie diese leider häufig genug vorkommt, leiden zu lassen.

Dem Abg. Dr. Waldeck erwiderte der genannte Regie-

rungsfkommissar:

Meine Herren! Dezisionsrecht ist das Recht der Aufsichtsbehörde, in Fällen des Dissensus eine Entscheidung zu treffen, auf Anrufen

einer der städtischen Behörden. Es ist dies ein bekannter, im Geschäfts- -

gange üblicher Ausdru, wie er seit langen Jahren besteht. Jch glaube daher nicht, den Gebrauch dieses Ausdrucks weiter rechtfertigen zu müssen. Von der Parömie: »Willkür bricht Stadtrecht« kann in dem angeführten Sinne hier nicht die Rede sein. Nehmen wir an, das Kollegium A macht einen Vorschlug so und Kollegium B macht einen Vorschlag so. Dann soll die Aufsichtsbehörde entscheiden, ob Kollegium A oder B Recht hat, oder ob der eine oder der andere Vorschlag der bessere ist. Von ciner willkürlihen Entscheidung der Aufsichtsbehörden ist nicht im Entferntesten die Rede. Die Aufsichtsbehörde soll überhaupt nur entscheiden, wenn fie angerufen wird, und sie soll nur dann entscheiden, wenn im allgemeinen Jutecresse der Kommunen diese Entscheidung überhaupt nöthig und ganz unentbehrlich ist. Daß es cin kleineres Uebel sei, ob die Kommune wer weiß wie viel Schaden erleide, bei dessen Tragung die bei dem Zwiespalt der städtischen Behörden nicht betheiligte Bürgerschaft den Hauptnachtheil hat, daß dies cin kleinres Uebel scin soll, als wenn in die Autonomie der städtischen Behörden, die vielleicht nah ciner langen Zeit in ihrem Streite erst cinig werden, cingegriffen wird, dieser Ansicht glaube ih nicht beitreten zu können.

Qu §Ÿ. 77 erklärte der Regierungskommissar:

Meine Herren! Jh kann mich nur dafür aussprechen, die Vor- schläge JThrer Kommission anzunehmen und das so eben empfohlene Amendement Warburg und Genossen abzulehnen. Es is} bei den früheren Berathungen der Gemeindeordnung von 1850, demnächst der Städteordnung von 1853 und dann auch der Novelle zur Städte- ordnung vom Jahre 1861 überall von der Staatsregierung geltend gemacht worden 5 daß sie niht davon Abstand nehmen könne, auch in Bezug auf die Festseßung der Gehälter der städtischen Unterbeamten und namentlich der höheren Klassen derselben eine gewisse Mitwirkung auszuüben in dem Sinne, daß auch für diese Unterbeamtenstellen die ausfömmlichen, angemessenenen örtlich nothwendigen Besoldungen ange- wiesen werden. Eine solche Einwirkung ist für nothwendig erachtet worden und zwar namentlich in den Jahren 1850 und 1853 unter Zustim- mung innerhalb der damaligen geseßgebenden Faktoren, einerseits des- halb: weil das öffentliche Dienstinteresse doch auch dabei versirt, daß die städtischen Unterbeamten, namentlich die Subaltern-Beamten, in ihren Befoldungen nicht gar zu dürftig gestellt sind, 1was namentlich, soweit es die Polizei-Unterbeamten betrifft, von entschiedenem Nach- theil für den öffentlichen Dienst sein würde, und zweitens deshalb, weil die Pflicht der Humanität auch gegen die Unterbeamten und die sehr nothwendige Rücksicht auf deren möglichst zu erhaltende Integrität es dem Staate dringend ans Herz legt, sih die Möglichkeit offen zu halten, in Fällen, wo von Seiten derKommuneneine gewisse Engherzigkeit in Bezug auf die Bewilligung der Gehälter gezeigt wird, hier von oberaufsihtswegen eine Eimvirkung zu üben. Darum glaubt die Re- gierung als Minimum dieser Einwirkung wenigstens die Bestimmung festhalten zu sollen, die von Jhrer Kommission adoptirt ist, daß die Gehälter dieser städtischen Unterbeamten ein- für allemal im Orts- statut bestimmt werden und daß spätere Aenderungen nur auf dem- jenigen Wege zu beschließen sind, der für Statutsänderungen Über- haupt vorgeschrieben ist. Wird diese Bestimmung acceptirt, so hat die Negierung geglaubt, dafür auf die Bestimmung im leßten Passus des §Y.- 77, den Jhre Kommission verwor- fen hat, auch ihrerseits verzichten zu können, aber nur un- ter der eben bezeichneten Vorausseßung ;“ die Regierung würde sonst eine Handhabe in Bezug auf die Festseßung der Besoldungen aller städtischen Unterbeamten überhaupt niht haben. Jh bemerke, meine Herren, daß sich dieselbe Bestimmung, wonach die Besoldungen, nicht bloß der Magistratsmitglieder, sondern auch der städtischen Unter- beamten im Statut festzuseßen sind, d. h. also jedesmal mit Geneh- migung der Regierung, und wonach Abänderungen dieser Statuts- festsebungen auch wiederum der Genehmigung der Regierung bedürfen, nicht bloß in der Städteordnung vom Jahre 1831 befand, sondern auch in der hannoverschen Städteordnung von 1858, §. 47, enthalten und noch jeßt Nechtens ist. Es kommen häufig Anträge vor, wo Kommunen in Hannover beschlossen haben, die statutenmäßigen Be- soldungen der Unterbeamten abzuändern und wo die staatlihe Auf- sihtsbehörde um Genehmigung angegangen wird. Dies spricht also auch für den Standpunkt, der in der Geseßvorlage fesigehalten ist.

Ueber das Miquélsche Amendement zu §. 89 äußerte sih der Regierungskommissar wie folgt :

Die Regierung hat, wie die Geseßesvorlage wohl hinlänglich be- weist, den lebensfähigen Eigenthümlichkeiten Ver dEibbereoatbteer in freigebiger Weise Rechnung getragen. Sie hat aber dabei eine Grenze cinhalten“ zu sollen geglaubt. Die Regierung hat Vieles von den Mannichfaltigkeiten der provinziellen Städteverfassung Schleswig- Holsteins als zur Fortdauer berechtigt auf dem Gebiet der eigentlichen inneren Stadtverwaltung anerkannt. Dagegen hat sie geglaubt strer ger an der Einheit mit den fundamentalen Prinzipien unscres altpreußischen Städte- und Staatsrechts bei allen denjenigen Fragen festhalten zu

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müssen, wo es sih nicht sowohl um Gegeustände der internen städtischen Verwaltung, als vielmehr um Materien handelt, bei denen die Stadtverwaltung unmittelbar grenzt mit dem eigentlichen Grund und Boden des Staates , der Staatshoheit, und wo die Grenz- zeichen der städtischen Autonomie nicht hinausgeshoben werden können, ohne von dem eigentlihen Grund und Boden des Staates abzupflü- gen, oder nicht ohne Ungerechtigkeiten zu etabliren gegen die übrigen Provinzen der Monarchie, gegen die Gesammtbevölkerung des Staates, welche die Bedürfnisse des Staates durch Steuerzahlen zu deen hat. Zu diesen Materien, meine Herren, gehören namentlih die Fragen wegen Abgrenzung der Staatspolizeigewalt gegen die Kommunen wegen Tragung der Polizeikosten und dergleichen mehr, wie sie hier bei dem §. 89 des Geseßentwurfs vorliegen. Hier glaubt die Staatsregierung wesentliche Abweichungen von unserem alt- ländischen Gesevesreccht nicht nachgeben zu können, und sie ist dabei von dem Grundsaß ausgegangen, der auch für unser alt- preußisches. Recht auf diesem Gebiete leitend ist, daß die Ausübung der Polizei auch in den Städten dem Prinzip nach zu den Staats- hoheitsgerechtsamen gehört, und daß die Konzession der Verwaltung der Ortspolizei an die Städte nicht als Ausfluht des Rechtes auf städtische Autonomie angesehen werden kann, sondern daf, wo das Geseß sie concedirt, dies eben eine Konzession der Staatsgewalt an die Kom- mune ist, und daß umgekehrt, wo die Staatsregierung cs für nöthig erachtet, die Verwaltung der Ortspolizei sich vorzubehalten, das nicht eine Konzession is die sie als eine besondere Gunst von der städtischen Autonomie anzunehmen hat, sondern daß das ein Vorbehalt ist, der aus dem ursprünglichen Hoheitsrehte des Staates von selbs und nothwendig sich ergiebt. Dessen ungeachtet, meine Herren, erkennt die Staatsregierung die Wahrheit vollkommen an, daß in den meisten Fällen es viel zweck- mäßiger ist, sowohl für dic Kommunen als für die Handhabung der Ortspolizei, wenn den Kommunalbehörden, also den städtischen Magi- straten, oder nach den Prinzipien unserer Städteordnungen, dem Bürgermeister die Leitung der Ortspolizei anvertraut wird. Die Ge- seßesvorlage spricht es ausdrülih aus, daß das geschehen soll, und ich kann sagen, daß nah den bei der Königl. Staatsregierung be- stehenden Absichten besondere Staats - Polizeibehörden nur in außer- ordentlich wenigen Ortschaften Schleswig-Holsteins für nothwendig wer- den erachtet werden. Das steht im diametralen Gegensaß gegen den bisher in Schleswig-Holstein geseßlich bestandenen Zustand, der dahin ging , daß alle Polizei in den Städten {lechthin Königlich war, daß

sie Überall durch Königliche Organe ausgeübt wurde und daß, wo die

Bürgermeister die Polizei handhabten ; sie nur als gleichzeitig König- liche Polizeimeister die Polizei zu verwalten hatten. Nun, meine Herren, fommt dazu, daß die wesentlichen Grundsäße über die Verwaltung der Polizei, nameutlich in den Städten, wie sle in den altpreußischen Provinzen geltendes Recht sind, so durch die Allerhöchste Verordnung vom 20. September 1867 in die neuen Provinzen und auch in Schleswig-Holstein bereits eingeführt sind. Sie sind dort bestehendes Recht, und die Staatsregierung hat um so weniger Veranlassung sich von den ihr hiernach geseßlich s{on zu- stehenden Befugnissen bei Erlaß dieser Städteordnung etwas nehmen zu lassen. Es steht aber mit den Grundsäßen dieser Verordnung vom September 1867 nicht im Einklang, die ganz besondere Bestimmung der bisherigen holsteinischen Städteordnung, die der Herx Abg. Hänel vertheidigt hat und die den Gegenstand scines Amendements vorzug§- weise bildet, daß gewisse Zweige der Lokalpolizei kraft des Geseßes fünftig wie bisher Sache der Kommunalverwaltung bleiben und nicht der Polizeibehörde zustehen sollen- Die Verordnung vom 20. September 1867 legt ausdrücklich für den Fall, daß der Skaat es für noth- wendig hält, in einer Stadt die Ortspolizei einem besonderen Staats- beamten zu übertragen, dem Minister des Jnnern die Befugniß bei, gewisse Zweige der Q der Kommune zur eigenen Verwaltung zu überlassen. Jn dieser Befugniß liegt die Möglichkeit für die Staats- regierung, jederzeit das nämliche Resultat herbeizuführen, was durch die bisherige Bestimmung der holsteinischen Städteordnung , die der Herr Abg. Dr. Hänel in das ñeue Geseß übertragen zu sehen wünscht, erreicht worden is und erhalten werden soll. "Es würde aber den Grundsäßen der bestehenden Polizei-Geseßgebung widerstreiten , cine derartige Theilung der Polizei kraft des Gesehes ein- für allemal als feststehendes Recht der Kommune hinzustellen , anstatt, wie das be- stehende Recht es will, dem Ermessen der Staatsregierung es zu über- lassen, ob und wie weit es für die betreffenden einzelnen Städte sich eigne, dergleichen Abzweigungen eintreten zu lassen. /

Das ist der Grund, weshalb die Staatsregierung si gegen diesen Theil des Amendements des Herrn Abg. Dr. Hänel erklären muß, während sie gern in Aussicht stellt , daß dasjenige Resultat , was damit erreicht werden soll, im Wesentlichen auf Grund der Verord- nung vom September 1867 ohnehin erreicht werden wird, resp. in dem Maße, wie es bisher bestanden hat, wird bestehen bleiben fönnen.

Aus diesen nämlichen Gründen, meiye Herren, fann ich nur bitten, die von dem Herrn Abg. Miquél gestellten Amendements eben- falls abzulehnen. Sie stehen gleichfalls im prinzipiellen Widerspruch mit demjenigen Rechte, was in der Übrigen Monarchie in Bezug auf die Befugniß der Staatsregierung, die Ortspolizei in irgend ciner Stadt selbst zu übernehmen und nach ihrem Ermessen bestimmte Zweige der Kommune zu überlassen, Geltung hat und kraft der Ver- ordnung vom September 1867 auch in Schleswig-Holstein geseßliches Recht geworden sind. Jh glaube nicht in Aussicht stellen zu können, daß die Staatsregierung in dieser Materie irgend welche erhebliche Oen von der Regierungsvorlage anzunehmen geneigt ein wird.

Ueber das Forhhammersche Amendement zu §. 90 bemerkte

der Regierungskommissar: i i / Meine Herren! Die Regierung hat bei den Bestimmungen dieses Paragraphen wiederum lediglich das in den alten Provinzen bestehende

Recht auch in Schleswig - Holstein einzuführen beabsichtigt, und zwar nicht als etwas Neues, sondern als etwas, was im Wesentlichen für die Elbherzogthümer ebenfalls bereits besteht. Wie die geehrten Her- ren sämmtlich wissen, soweit sie der altpreußishen Monarchie ange- hören, haben die altländischen Städteordnungeu fast dieselben Bestim- mungen, wie die in §. 90 der Geseßvorlage enthaltenen —- nur daß der §. 90 hier noch eine für die Städte günstige Bestimmung hinzu- fügt, nämli einen bestimmten Maßstab für Aufbringung der Ent- shädigung Seitens derjenigen Landkommunen des Polizeigerihtsbezirks, welche zur Entschädigung des Bürgermeisters am Sige des Gerichts für die Polizeianwaltsgeshäfte mit beizutragen haben.

__In Schleswig-Holstein, meine Herren, is die Verpflichtung der Bürgermeister, die Polizeianwaltsgeshäfte wahrzunehmen , bereits dur die Allerhöchste Verordnung vom 25. Juni 1867 geltendes Recht geworden. Dieselbe bestimmt im §. 32:

Vorsteher der Gemeindeverwaltung (Bürgermeister) am Siße des

Polizeigerihts sind verpflichtet, die Verrihtungen eines Polizeian-

walts gegen eine von den Gemeindeverbänden des Polizeigerichts-

Bezirks zu gewährende, von der Aufsichtsbehörde festzuseßende Ent-

\chädigung zu übernehmen.

Die bisherige Holsteinishe Städteordnung verpflichtete ebenfalls die Bürgermeister und Magisträte , Aufträge der Staatsbehörden in Landesangelegenheiten anzunehmen und auszuführen. Jm §. 79 sagt sie ausdrücklich: ; ,

»Der Magistrat hat als Obrigkeit und als Organ der Regierung

die Aufträge, welche ihm in Landesangelegenheiten von den vorgeseß-

ten Behörden ertheilt werden, zu Übernehmen und nach Anweisung auszuführen u. \. w.« i : | :

Also auch in dieser Beziehung enthält der F. 90, Ziffer 2, nichts Neues gegen das bestehende provinzielleRecht. Nun fommt hinzu; daß gerade in diesemFalle eineAbweichung von dem Prinzip des auch in derübrigen Monarchie bestehenden Rechts eine auffallende Ungerechtigkeit gegen die ganze übrige Bevölkerung des Staats în sich {ließen würde. Denn wenn die Magisträte, die Bürgermeister in Schleswig - Holstein sich der Versehung dieser staatlichen: Funktionen entzi hen wollten, deren sich in unsern alten Provinzeu- die städtischen Kommunalvor- stände überall unterziehen müssen, so würde die Folge die sein, daß mit ungleich höheren Kosten dafür besondere Staatsbeamte würden angestellt und besoldet werden müssen, oder daß die mit diesen Neben- geschäften zu beauftragenden Staatsbeamten dafür würden höher be- soldet werden müssen, als fie es jet sind, und dieser Mehrbedarf würde nur zu Gunsten der Schleswig - Holsteinishen Kommunen von allen Steuerzahlern der Monarchie aufgebracht werden müssen. Das wäre cine so \chreiende Ungerechtigkeit und eine solche Partikularität zu Gunsten’ der Elbherzogthümer allein, daß die Staatsregierung die- selbe nicht vertreten könnte. Darum bitte ih Sie, die zu diesem Paragraphen gestellten Amendements sämmtlich abzulehnen und den Paragraphen der Regierungsvorlage anzunehmen.

Den Antrag, das Miquélsche Amendement zu Y. 92 abzu- lehnen, motivirte der Regierungskommissar wie folgt :

Meine Herren! Jh bedaure, wieder erklären zu müssen, daß das Amendement des Herrn Abg. Miquél von der Regierung nicht füg- lich angenommen werden kann. :

Was den ersten Theil desselben betrifft, wona das Beanstan- dungsreht des Staates eine Einschränkung gegen unsere altpreußische Städteordnung dahin crfahren soll: ; ] j

sofern die städtischen Kollegien auf eine mit Gründen versehene

Aufforderung den betreffenden Beschluß nicht selbs zurücknehmen, so bemerke ih; daß die wichtigsten Fälle, wo’ das Beanstandungsrecht für die Regierung besonderen Werth hat, gerade diejenigen sind, wo periculum in mora i die Königl. Staatsregierung also sofort ein- schreiten muß und nicht darauf warten kann, bis die städtischen Kolle- gien sih die Zeit, die ihnen das Amendement freiläßt, zur nochmali- gen Berathung genommen haben, um die Sache, wer weiß wie lange, zu vertagen. i

Der 2. Theil des Amendements geht dahin: | l

»Ueber die Nüßlichkeit oder Zweckmäßigkeit der innerhalb ihrer

Kompetenz in der städtishen Verwaltung getroffenen Maßregeln

steht im Uebrigen der Aufsichtsbehörde keine Kognition zu.«

Ja, meine Herren, dieser Zusaß is zum Theil überflüssig, und um Theil nimmt er der Regierung wieder das, was sie durch den übrigen

heil des Geseßes erhalten hat. So weit er nämli das Recht der Regierung beschränken soll, Beschlüsse der städtischen Behörden zu be- anstanden, \o sagt ja dieser F. 92 und derjenige Paragraph, der von dem Beanstandungsrechte des Bürgermeisters spricht (§. 61), express1s verbis, daß die Beanstandung nur solle erfolgen föônnen, wenn ein Beschluß gefaßt ist der die Befugniß der städtischen Kollegien überschreitet, oder sonst geseßwidrig i} oder das Staats- wohl verleßt. Also von einer bloßen Beanstandung aus Nügßlich- feits- oder Qweckmäßigkeitsgründen kann ohnehin nicht die Rede sein. Ferner is ja im Geseße ausdrücklich anerkannt, daß der Regierung überhaupt nur in ganz bestimmten Fällen das Recht der Zustimmung und Genehmigung, beziehentlih der Entscheidung in den städtischen Angelegenheiten zustehen solle. Aber für ene Fälle, für welche der Regierung ein solches Zustimmungs- und Entscheidungsrecbt im Ges- seßentwurfe vorbehalten ist, giebt das Geseß zum Theil der Regierung ausdrücklich die Befugniß und Verpflichtung, auch nach Nüglichkeits« und Zwecmäßigkeitsgründen zu entscheiden. Z. B. wenn die Regie- rung statutarische Bestimmungen zu genehmigen hat, \o fann fie dies nur thun, wenn sie diese Bestimmungen auch aus dem Gesichtspunkte der Qweckmäßigkeit und Nüßlichkeit prüft. Wenn die Regierung ferner gemäß §. 71 zu Veräußerungen, welche die Gemeinde vornehmen, oder zu Anlehen, welche die Gemeinde aufnehmen will, ihre Genehmigung soll zu geben haben, so fann sie \sich in diesen Fällen gar nicht dessen enthalten, auch nach Nüplichkeits- und Zweckmäßigkeitsgründen zu

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