1869 / 48 p. 6 (Königlich Preußischer Staats-Anzeiger) scan diff

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Wer nun bald ein Decennium die frische Entwickelung eines besseren Qustandes mitgemacht , an derselben Theil genommen und freudig mitgewirkt hat , glaubt sih plößlich in eine längst verflossene Jeitperiode zurückverseßt , wenn er jeßt in die Lage kommt, in Konsistorialprozessen zu arbeiten. Während dort ein unermeßlicher Fortschritt zum Besseren sich überall dem Auge darbiete, ist hier nur Stillstand und Rückschreiten wahrnehm- bar. Vorzüge, welche in keinen Rechtssachen sich mehr bemerk- bar machen würden , als gerade in Ehe- und Verlöbnißsachen, sind dem Verfahren in diesen verschlossen.

Es gelangt kaum eine Konsistorialsahe an das höchste Gericht, in welchem dieses nicht einen neuen Beleg dafür er- bält, wie tief die Behandlung der Ehe und Verlöbnisse der Be- handlung anderer Prozeßsachen zurücksteht. j |

Ein solcher Zustand besteht in unserem Lande, während in einem großen Theile von Deutschland der Ruf erschallt, unsere bürgerlihe Prozeßordnung zur Grundlage ciner allgemeinen deutschen Prozeßordnung zu machen« _ /

So äußert sich dieser der Verhältnisse so kundige Mann über das Verfahren in Ehescheidung8sachen. Jb glaube, meine Herren, man kann sagen die Ebe, d. h. die christliche Ehe, ist in der Provinz Hannover ohne Schuß, ohne defensio matrimonii, sie befindet sich gleichsam im Nothstande, und diesem Nothstande wird abgeholfen werden müssen.

Aus dem Kommissionsberichte muß ich mir exlauben, einige Punkte bervorzuheben. Es is} zuvörderst bemerkt, daß dic Geistlichkeit beider Konfessionen 1857 entschieden gegen cine derartige Aenderung fi ausgesprochen hat, nämlich gegen die Aufhebung der Konsistorial-Gerichtsbarkeit, Diese aus der Werlboffshen Schrift entnommene Aeußerung ist, wie auch in der Brühlschen Schrift Seite 3 klar dargelegt ift, unrichtig. Die Sache verhält fih kurz in folgender Weise. Die hannoversche Konferenz von 1851 war eine Privatzusam- menkunft einzelner Geistlichen: sie war nur von Vertretern ciner bestimmten kirchlichen Richtung besucht. Nur diese führ- ten auf der Konferenz fast allein das Wort. Die Konferenz bat sich über jene Frage gar nicht ausgesprochen, der Vorsißende lehnte vielmehr, nachdem einige der Anwesenden Und zwar wesentli von einander abweichend Über die Frage geredet hatten, ab, die Konferenz zu einer Aeußerung über die Frage aufzufordern. Von einem Ausspruche der luthe- rishen Geistlichen kann hiernach feine Rede sein. Ein zweiter Punkt, den ih berühren möchte, ist folgender. Der Bericht sagt: von dem Herrn Justiz-Minister sei selbst an-

geführt, wie bedenklich die jeßigen Zustände seien, die sich in

Ostfriesland geltend gemacht hätten. Hier seien aber weltliche Gerichte und es könnte daher unmöglich aus der mangelhaften Organisation derselben die Aufhebung der geistlichen Gerichte gefolgert roerden.

Der Herr Berichterstatter hat hier etwas für sich ver- werthet, was in anderer Bezichung gesagt worden is. Ich habe nie geäußert, daß die Einzelgerichte in Ostfriesland die Recbt8pflege s{lecht administrirt hätten, vielmehr habe ih ge- sagt, cs sei absurd, wenn in Ostfriesland über Alles, was niht Bagatellsache ist, Kollegialrichter, Einzelrichter dagegen über Ebesachen urtheilen. Der Nachdruck liegt hier auf dem Gegensaßke von Einzelrihter und Kollegialrichter, nit auf dem Gegensaße von weltlihen und geistlichen Richtern. Ein dritter Punkt, den ih noch berühre, ist folgen- der: der Bericht glaubt, für die hannoversche Rechtsprehung in Cbestreitigkeiten gelangten in der Provinz Hannover nur 25 Be- rufungen an den obersten Gerichtshof. Aber diese Lahl beweist nichts , weil fie zu viel beweist. Jh will in dieser Beziehung bervorhbeben, daß in der Provinz Posen 1867 nur 16 Appella- tionen in Frage kamen bei ciner Bevölkerung von 14 Millio- nen, und in Westfalen bei einer Bevölkerung von fast 2 Millio- nen Seelen im Jahre 1867 nur 19, im Jahre 1866 nur 17. Und dann, meine Herren, in der Rhbeinpropinz mit einer Be- völferung von faft 3Millionen Seelen kamen nur 4 oder 5 Appella- tionsfachen vor. Wenn man also argumentiren will, wie der Be- rit thut, so würde man sagen können, in der Rheinprovinz besicht das beste und vorzüglichste Verfahren in Ehesachen, dann kommt das Verfahren in Westfalen , in Posen und {ließli das in Hannover. Meine Herren, ih muß nun weiter eingehen auf die Reformangelegenheit der Provinz Hannover. Jch will nicht sagen, daß sie durchgeführt, sondern angeregt worden ist. Man is nun in Hannover nie und zu keiner Zeit darüber zweifelhaft gewesen und die Sache 1st mit durchsichtigster Klarheit von dem Herrn Brüel dargelegt worden daß die Regelung der Chegerichtsbarkeit und des Verfahrens erreicht werden könne auf dem Wege der gewöhnlichen Legislatur. In dem Staatsgrundgeseße vom Jahre 1833 war schon aus- gesprochen, daß die Ehegerichtsbarkeit auf weltliche Beamte übergehen soll, ÎIn dem Landesverfassungsgeseß von 1840 war bestimmt worden, es könne die Ehegerichtsbarkeit durch Geseh den

Konsistorien abgenommen und weltlichen Gerichten Übertragen werden, fassungs8geseß von 1848 nicht wiederholt wurde, so erklärt sig das einfach daraus, daß erlassen war, welches im Allgemeinen den Konsistorien die streitige und freiwillige Gerichtsbarkeit entzog, die Entziehung der Gerichtsbarkeit in Ehesachen aber vorbehielt, Auch im Geri Beratung gerne vom / | stimmt worden, daß die den Konsistorien einstweilen verbliebene Gericht8barkeit in Ehesachen denselben abgenommen werden soll,

Es ift freilich richtig, daß seit der Zeit des Erlasses des Gerichts.

Verfassung8geseßes eine recht geraume Zeit verflossen is. J meinerseits will die Gründe nicht näher erörtern, welche dazu

geführt haben. Jh meine aber, die Gründe sind rein Wes

liher Natur gewesen; soviel ist jedenfalls gewiß, daß das Kultus-Ministerium in Hannover die Schuld nicht trägt, daß

diese Reform nicht eingetreten ist, das Kultus-Ministerium |

war aber in Hannover für die Erledigung dieser Angelegenheit das Ressort-Ministerium. l General-Gouverneur der Provinz Hannover einen Bericht an den Herrn Kultus-Minister als Ressort-Minister , worin er cs als das Wünschen8wertheste darlegte, die : dringend nöthige Reform in dem Gerichtsverfahren und in dem Verfahren in Ehesachen baldthunlihst in Hannover eintreten zu

lassen. Der Bericht ist, glaube i, mit großer Einsicht verfaßt | und rührt, wie nicht zu bezweifeln ist, von dem mehrgedachten

Herrn Brüel her. Da nun die Ansicht des hannoverschen Kultusdepartements und des General-Gouverneurs als der damaligen obersten Ressortbehörde Bedeutung für diese Sache

hat, so erlaube ih mir aus dem Eingange dieses Berichtes

Einiges hervorzuheben. Der Bericht spricht also zuvörderst über |

den Zuftand, wie er besteht und sagt dann: A »Dieser Zustand hat, abgesehen ganz von dem provisorischen Charakter, den er nach dem cit, §. 10 des N Uan Geseßes an sich trägt, unverkennbar erhebliche Mängel und Un:- zuträglichkeiten. : E Mit Ausnahme des großen (Provinzial-) Konsistoriums zu Hannover, in welchem kit einigen Jahren für die gericht- lichen Sachen ein besonderer aus 3 weltlichen und 2 geistlichen Mitgliedern gebildeter Ehesenat besteht, sind die übrigen Konsi- storialbehörden sämmtlich nicht so. beseßt, daß sie ein geeignetes Gerichtsfollegium bilden könnten. | : Die QJahl der rechtskundigen Mitglieder i} zu gering (2 sogar 1) und die meisten derselben stehen noch dazu der richterlichen Thätigkeit sonst fern ; eine überwiegende Betheiligung des geistlichen Elements wird aber selbst in Ehesachen einer tüchtigen Rechtsprechung s{hwerlich als günstig sich erweisen. Während deshalb diese Rechtsprechung fast nothwendig man- gelhaft ist, belästigt sie außerdem die Konsistorien als ein der Hauptthätigkeit derselben fremdes Geschäft zum Nachtheil ihres Wirkungskreises. Ganz besonders tritt es daneben als ein mehr und mehr unhaltbar werdender Mißstand hervor, daß das alte auf gemeinrechtlier Basis beruhende, der Kenntniß und dem Verständniß der jüngeren Generation fast schon entshwundene Prozeßverfahren noch für die Ehesachen seine Geltung bewahrt, während sonst allgemein seit nunmehr über 14 Jahren das alte vortrefflich erkannte, öffentlich mündliche neue Ver- fahren zur Herrschaft gelangt is. Für Ehesachen würde si Überdies (mit geringen Modifikationen) dies neue freilich für die Konsistorien nach deren Personal und Einrichtungen s{werlich anwendbare Verfahren an- scheinend ganz vorzüglich eignen. Kommt diesem Allen gegen- wärtig noch hinzu, daß im ganzen Bereiche des bisherigen önig- reichs Preußen die Ehegericht8sbarkeit unbeschadet der Befug: nisse der katholischen kirchlichen Stellen, in foro interno zu erkennen vollständig den geistlihen Gerichten abgenommen is, so wird die Erwägung nahe gelegt, ob es sich nicht empfiehlt, für das Gebiet des vormaligen Königreichs Hannover nunmehr ohne Aufschub und namentli, bevor die Regelung durch ein Mik wirkungsrecht der Kammern ershwert wird, und dabei vielleicht Fragen des materiellen Eherechts hineingezogen werden, den vol- ggen §. 10 des Gerichts-Verfafsung8geseßes zur Ausführung zu bringen, « : Als im Jahre 1867, meine Herren , die Königliche Staatsregierung aus der Provinz Hannover, so wie aus al deren Provinzen Männer ihres Vertrauens berief, so haben diese Vertrauensmänner den dringenden Wunsch hier zu erken nen gegeben, daß die Ehegerichtsbarkeit in Hannover dur) Ueberlragung derselben auf die weltlichen Gerichte geregel!l werden möge, und damals hat der Kommissarius des Herrn Kultus-Ministers den Vertrauensmännern gegenüber geäußert E die Fon siorial-Gerichisbanelt in Hannover nicht haltbar cin würde,

Der erste Provinzial-Landtag hatte gelegentlich einer al deren Regierungsvorlage an die Regierung den dringenden

Wenn dies in dem ZJusaßgeseßze zum Landesvey. |

kurze Zeit vorher ein Geseh |

ahre 1850 i be

Im November 1866 erslattete der

eform, die so |

i 835

uns ausgesprochen, daß diese Verhältnisse geregelt werden ¡hten, und der zweite chit mw r ade: hat die Geseßes- lage, welche jeßt zur Berathung steht, in ganz überwiegen- , Majorität angenommen. Sodann hat sich für die Rege- ng der Gerichtsbarkeit in der Art, daß die Gerichtsbarkeit 1 Konsistorien entzogen und den weltlichen Gerichten Über- gen werde, auh das neue Verfahren auf fie Anwendnng n der oberste Gerichtshof in Hannover erklärt,

Meine Herren, dieser oberste Gerichtshof hat aufgehört her - Appellationsgericht zu sein, dennoch bewahrt er, wie ich ube mit Recht, .in der Provinz Hannover noch den Ruf er Behörde, welche sehr wohl in der Lage is , die Jnteressen Rechtspflege in der Provinz Hannover zu übersehen. Jch e auf die gutachtliche Aeußerung dieses obersten Gerichtshofes

rovinz ein um so l ten Gewicht, weil dieser oberste iht8hof stets - in Ehescheidungssachen die Berufungsinstanz bildet hat, demgemäß ganz E in der Lage ist, die rhältnisse zu übersehen, insonderheit zu übersehen, wie es mit der rihtsbarkeit in den unteren Jnstanzen steht, welche Vortheile „x Nachtheile das Verfahren hat, der auch zu würdigen weiß sh selbst, in seinen Mitgliedern, was es heißen will, in annover in Ehescheidungssachen zu erkennen. Meine Herren! h bin neun Monate Vorsißender eines Civilsenats des Ober- \pellation8gerichts in Celle gewesen, und es is mir vorge- men, daß. sämmtliche Mitglieder des Gerichts, mich ein- lossen, erklärten, sie wüßten niht, was für den Prozeß- ng Rechtens sei. Das is} Alles erklärlich nah Lage der stände. Es sind nun aber auch gehört worden die pnsistorien der Provinz Hannover, und die haben ) allerdings in ihrer Mehrheit mehr oder weniger entschieden für erklärt, daß den Konsistorien die Ehegerichtsbarkeit ver- ibe, Ein Konsistorium hat sich entschieden für das Gegen- il erklärt; die beiden katholischen Konsistorien sind nicht cir (schieden aufgetreten, eins erklärte sogar, es wäre ihm ganz erlei, es schiene ihm nicht von Erheblichkeit zu sein, ob die jegerihtsbarkeit von weltlichen Gerichten oder von den Kon- torien oder anderen Personen ausgeübt werde, indem dieses 1nsistoriunr davon ausgeht, daß geistliche Gerichtsbarkeit nicht boten sei. Jm Uebrigen is anzuerkennen, daß die Konsistorien, rvon abgesehen, sich für Beibehaltung der Konsistorial-Ge- htöbarkeit erklärt haben, ih möchte betonen, nicht etwa- für cibehaltung des ge! en Zustandes, Vielmehr erklärt das oje Provinzial - Konsistorium Hannover, es sei nothwendig, ß dem jeßigen Verfahren Wandel geschafft werde.

Uebrigens is es gar nicht uninteressant hervorzuheben, daß 1 Jahre 1832 dasselbe Provinzial-Konsistoruum zu Hannover für ganz unbedenklich erklärte, daß den Konsistorien die erihtsbarfeit in Ehesachen abgenommen würde, und daß man r darauf Gewicht legen müsse, daß dem Konsistorium die erihtsbarkeit in persönlichen Sachen der Geistlichen verbliebe. as Provinzial-Konsistorium erachtete also damals dafür, daß r leßtere Theil der Gerichtsverfassung, welcher den Konsistorien reits im Jahre 1848 ohne alles Bedenken entzogen worden wihtiger sei, als die Gericht8barkeit in Ehesachen,

Das ist nun Lage der Sache; was soll denn nun ge- hehen? Um mit dem Provinzial-Konsistorium zu Hannover i reden: es muß Wandel geschafft werden; es muß die Ehe chüßt werden , das Verfahren so geregelt werden , daß cinc éfensio matrimonii eintreten fann. Es darf nicht länger ge- tet werden, daß die jüdische Ehe höher gehalten wird wie die rislide. Die Gerichtsbarkeit in Ehesachen muß den großen naten übertragen werden und hier ein wohlgeordnetes Ver- hren eintreten, das ist ganz nothwendig.

Meine Herren! Ein neues wohlgeordnetes Verfahren wün- en au die Konsistorien. Die Differenz besteht lediglich darin, 1j die Konsistorien ihrer Mehrzahl nach die Beibehaltung der onsistorien verlangen.

, Heine Herren, ih möchte Sie fragen, ist es denn wohl ld, in der Provinz Hannover unter Beibehal- H der Konsistorial-Gerichtsbarkeit im Wege der Legis- it zu reformiren. Wenn Sie, meine Herren, das auch llten, fönnen Sie denn annehmen, daß das Abgeordneten- N 0azu seine Hand bietet? Wenn die Konsijtorial-Gerichts- elt, soweit sie bestand, in der Monarchie längst beseitigt orden ist, wenn im ganzen Gebiete der Monarchie zu ver- denen Zeiten die Gerichtsbarkeit auf die weltlichen Gerichte ertragen ist, wie sollte man denn wohl annehmen können,

man nun für eine einzelne Provinz Konsistorial-Gerichts- eit beibebielte? _Neine Herren, ih will gar nicht behaupten, daß sich Uber nicht streiten ließe, ob Konsistorial-Gericht8barkeit vor- then sei oder nicht. Ich bin weit entfernt davon, wenn Line wohblgeordnete Konsistorial-Gerichtsbarkeit in Hannover ände und daneben ein wohlgeordnetes Verfahren, zu sagen,

8 in den übrigen Theilen der Monarchie anders ist, sei

die Konsistorialgerichtsbarkeit zu beseitigen. Deshalb ist es auch wiederum nicht richtig, wenn in dem Berichte hervorgehoben worden ist, ih wünsche dieses Gésey, um Rechtseinheit herbeizu- führen. Dieser Gedanke hat mir ganz fern gelegen. Jh wünsche aber dringend, daß die trostlosen Zustände der Provinz Han- nover in ein anderes Stadium treten, und ih sehe keine andere Möglichkeit dies zu erreichen, als wenn ih Sie bitte, gewähren Sie doch das Recht, welches in der ganzen Monarchie gilt, au der Provinz Hannover. teine Herren! Es kommen auch noch politische Erwä- ungen bei der vorliegenden Frage in Betracht. Jch bitte Sie, doch nicht zu glauben, und Sie thuen es auch wohl nicht, daß es in Hannover nit Partikularisten und Pessimisten gäbe; an diesen fehlt es in der That nicht. Diese und daneben Andere argumentiren so: wir müssen Jn- stitutionen übernehmen, welche uns zur Beschwerde gereichen ; das geht nicht anders, weil diese Institutionen für die ganze Monarchie gemeinsam sein müssen. Dahin rechnet man die Militärverfassung und die Steuern. Man sagt aber weiter: wenn wir wünschen, daß uns etwas gewährt werde, was in der ganzen Monarchie gilt, was sich bewährt hat, und für uns durchaus nothwendig is weil man allerseits anerkennt, daß die betreffenden Zustände in Hannover bedenklich find —, so s{lägt man uns das ab.

Meine Herren, wenn ich vielleicht hin und wieder etwas lebhaft gewesen sein sollte, so glauben Sie doch ja nicht , daß es bel mir um eine Antipathie gegen die Verhältnisse sich handle. Der Gesegentwurf , welchen ih Jhnen vorzulegen die Ehre ge- habt habe, rührt in seinem wesentlihen Bestande gar nicht von mir her, sondern von meinem Herrn Amtsvorgänger ; ih habe nur in Betreff des Sühneversuchs, wie mir der Herr Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten bezeugen wird , einige weitere Konzessionen gemacht. Für mich, meine Herren, ist in der ganzen Angelegenheit wie für den General-Gouverneur im No- vember 1866 der Gedanke maßgebend, daß man einer Provinz, welche auf ihre Jnustitutionen stolz ist, oft, meiner Meinung nah, zu stolz, von Seiten der Staatsregierung zeigen muß, daß sic den Willen und die Kraft habe, die Jnterefsen der Pro- vinz zu fördern, wo es Noth thut. _

Hieran anfknüpfend erklärte der Minister der geistlichen

Angelegenheiten Dr, von Mühler: Ich ergreife das Wort, um zunächst zu konstatiren, daß in dieser Frage das Kultus-Ministeriuum auf durchaus gleichem Boden steht mit dem Justiz-Ministerium. Es is vom Herrn Justiz-Minister am Schluß E ics Rede gesagt und ausgeführt worden, daß, wenn die Konsistorialgerichtébarkeit in Hannover sich thatsächlich in cinem JQustande befänte, welher dem Be- dürfniß genügte, er von seiner Seite durhaus nicht prinzipiell darauf ausgegangen sein würde, diese Gerichtsbarkeit zu be- seitigen, daß dieselbe aber, wie sie sich gestaltet hat, mit so vielen Mängeln und Schäden behaftet ift , daß eine radikale Reform nothwendig ift , und daß diese Reform in keiner andern Weise vollzogen werden kann, als wie in der gegenwärtigen Vorlage. Darin stimmen im Wesentlichen auch die Übrigen Herren über- ein. Wenn ih das Votum des Herrn Grafen Borries recht verstanden habe, so hat er auch seinerseits zugestanden, daß die Gerichtsbarkeit der Könsistorien inr Verfall, und daß eine tief greifende Reform erforderlich sei. Von anderen Seiten ist Aehnliches zugestanden worden und die Beläge dafür find vor- geführt. Wir haben das Zeugniß des ehemaligen hannover- schen Kultus-Ministers, wir haben das Zeugniß der früheren Geseßgebung, das Zeugniß des Provinzial-Landtages, die Wahr- nehmungen der Gerichte, wir haben felbst von einzelnen Kon- sistorial-Kollegien Zeugnisse. Jedenfalls ist von allen Kon- fistorien der Mangel des jeßigen Zustandes offen anerkannt. Dies Alles in Summa überschauend, kann ich nicht anders sagen, als: es ist eine tiefgehende Reform nothwendig. Wenn aber diese Nothwendigkeit vor uns liegt, so stellt sich uns die zweite Frage gegenüber, nah welcher Richtung hun ist diese Reform zu vollziehen? Und da scheidet sih denn die Auffaffung, die vom Herrn Grafen Borries entwickekt ist und die des Herrn Justiz- Ministers. Herr von Kleist glaubt, daß der Zustand, wie er jeßt ist, noch mit Aenderungen und Besserungen erhalten wer- den könne. Aber ich halte das nicht für möglih. Jede Reform, wenn sie tief greift, muß nach der einen oder anderen Seite hin gravitiren ; ein Zustand, welcher fich einmal überlebt bat, fann nicht auf der alten Grundlage erhalten werden, die Re- form muß mit Nothwendigkeit eine veränderte Richtung nehmen. Das is} ein nothwendiges Geseß, dem fich die LegiSlative i keiner Weise entziehen kann.

Nun aber, meine Herren, fassen Sie den Jielpunkt ins Auge, der Jhnen in der Rede des Grafen von Borries vor Augen gestellt ist; er geht hinaus auf die Etablirung der geist: lichen GerichtSbarkeit im vollen Sinne des Worts, mit gefon- derten geistlichen Gerichten für die Lutherischen, für die Nefor«

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