1889 / 229 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 26 Sep 1889 18:00:01 GMT) scan diff

aus E ereignete sich bei Trockenborn ein Unfall, indem die Pferde vor einem hart am Wege von Zigeunern unterhaltenen Lagerfeuer s{euten, wobei die Wagendeichsel brach. Die Höchsten Herrschaften mußten den Wagen verlassen und traten den Heimweg zu Fuß an, konnten jedo später, nachdem die Deichsel schnell eri worden war, den Wagen wieder benutzen.

Sachsen - Coburg - Gotha. Coburg, 24. September. (Cob. Ztg.) Jhre Königlichen Hoheiten der Herzog und die Herzogin von Edinburg sind heute hier wieder ein- getroffen.

Schwarzburg - Sondershausen. Sondershausen, 24. September. Der Landtag des Fürstenthums nahm in seiner heutigen Sißung den Geseßentwurf, betreffend die Kraftloserklärung der Aktien und chuld- vershreibungen auf Jnhaber, einstimmig an und ge- nehmigte ebenso die von der Regierung Behufs Hebung der Obstbaumzuht für jedes der leßten drei A der laufenden Finanzperiode geforderten 2400 #, ei der Berathung des Forstdiebstahlgesezes entspann sih über die Frage der S trafmündigkeit der Kinder eine längere Debatte. Schließlih wurde der §. 11 der Re- gierungsvorlage, nah welchem wegen einer nah diesem Geseße strafbaren Handlung Kinder unter 14 Jahren, entgegen der vom Reichsgeseße gezogenen Altersgrenze von 12 Jahren, nicht strafrehtlih verfolgt werden sollen, mit einer Stimme Ma- jorität angenommen.

Schaumburg-Lippe. Bückeburg, 23, September. (Hann. Cour.) Jhre Durclauhhten der Fürst und die Fürstin sowie der Prinz Hermann sind heute Vormittag 101/, Uhr von hier nah der Fürstlichen Besißbung Steyrling (bei Wels) in Oesterreih abgereist und gedenken bis Ende November daselbst zu bleiben. wi der Begleitung der Fürst- lichen S befinden i die Hofdame Gräfin Bernstorff, Kammerherr von Alten und Oberst von Strauß und Tornéy.

Elsaß - Lothringen. Straßburg, 23. September. (Karlsr. Ztg.) Se. Königliche Hoheit der Großherzog von Baden e gestern früh hierselbst den Gottesdienst in der Jung-St. Peterkirhe und besichtigte nachher, geführt von dem Staatssekretär von Puttkamer, der Geistlichkeit 2c., die Erneuerungsbauten dieser Kirche. Danah nahm Se. König- lihe Hoheit die Vieldung des Gouverneurs von Straßburg, General-Lieutenants von Lewinski, und des Commandeurs des Badischen Pionier: Bataillons Nr. 14, Majors Keißner, entgegen, ertheilte einige Audienzen und stattete später in dem Hause des kommandirenden Generals und des Gouverneurs Besuche ab. Nachmittags folgte der Groß- herzog einer Einladung dés Präsidiums des Pferdezuchtvereins für Elsaß-Lothringen zu dem auf der Sporeninsel veranstalteten Pferderennen. Gegen 6 Uhr Abends erfolgte über Saar- burg die Abreise nah Bolchen, woselbst Se. Könialiche Hoheit Abends nah 9 Uhr eintraf und bei dem Kaiserlichen Kreisdirektox Grafen Villers Quartier nahm. Für die folgenden Tage beabsichtigt Se. Königliche Hoheit, den Manövern der 30. Division (General-Lieutenant von Berg- mann) anzuwohnen.

Wien, 24. September. (Presse.)

Oesfterreich - Ungarn. Se. Majestät der Kaiser hat ih heute mit Sr. Königlichen Hoheit dem Prinzen Leopold von Bayern von Gödöllö zu mehrtägigem Aufenthalt nah Visegrad begeben.

9%6. September. (W. T. B.) Se. Majestät der König von Griechenland empfing gestern den Grafen Kälnoky in einer einstündigen Audienz. Abends fand bei Sr. Majestät ein Diner statt, an welhem außer dem Herzog von Sparta, dem Großfürsten Paul und dessen

emahlin und deren Hofstaaten der griehishe Gesandte Dragumis, der dänische Gesandte Graf von Knuth und der russishe Geschäftsträger Fürst Kantakuzenos theilnahmen. Heute Vormittag machte der König von Griechenland in Begleitung des griechishen Gesandten Dragumis dem Grafen Kálnoky einen längeren Besuch.

Die Deputation des russisch-lithauishen Dra- goner-Regiments Nr. 14 tritt morgen Mittag die ck- reise an. /

Triest, 26. September. (W. T. B.) Von der Poliz2. wurden nunmehr diejenigen Personen, welche in jüngster Zeit wiederholt Petarden geworfen haben, sowie die Verfer- tiger derselben ermittelt. Nachdemin dec Wohnung des Schrift- segers Dominico Sacco aus Neapel eine aussuchung gehalten, wurden dieser, sowie der hiesige Handelsakademiker Clementini, der Handlungsgehülfe Jappi und der Gym- nasialshüler Ras kowich verhaftet. Sämmtliche Verhastete stehen im Alter von 19 bis 20 Jahren.

Lemberg, 26. September. (W. T. B.) Für die Ver- muthung, daß den Attentaten gegen Offiziere in JFaroslau politische Motive zu Grunde liegen könnten, hat die bisherige Untersuchung nicht den geringsten Anhaltspunkt ergeben ; durch dieselbe sind vielmehr Umstände festgestellt worden, aus denen auf gemeinverbrecherishe Motive zu schließen ist.

Pest, 26, September. (W. T. B.) Ein Hand- \chreiben des Kaisers an den Erzherzog Joseph kon- statirt die in der Ausbildung der ungarischen Land- wehr - Jnfanterie gemachten Fortschrilte, sowie die neuer- dings glänzend bewährte Geschicklichkeit der Landwehr- Kavallerie. Der Kaiser dankt dem Erzherzog und spricht den Kommandanten sowie den Truppen der ungarischen Landwehr - seine vollste Zufriedenheit aus.

Frankreich. Paris, 24. September. (Köln. Ztg.) Das endgültige ahlergebniß is folgendes: Am legten Sonntag wählten von 576 Wahlkreijsen 573, da die Fn}eln Bourbon und Guyana erst am 6. Oktober stimmen werden. 393 O waren N 180 gaben zu Stichwahlen Anlaß. Die 393 gewählten Abgeordneten sind 232 Republi- kaner, 86 Royalisten, 53 Bonapartisten und 22 Boulangisten. Von den 180 Stihwahlen sind die Aussichten in 137 den Republikanern günstig, in 43 ungünstia. Von den 393 bei der ersten Abstimmung Gewählten sind 166 neue Mitglieder. Von diesen sind 97 Republikaner und 69 gehören der Opposition an. 30 varen früher schon einmal Abgeordnete, 136 sind parlamentarische Neulinge. Fn Paris wurden 259 615 republikfanishe, 23524 monarqistische und bonapartistische und 201 962 boulangistishe Stimmen abgegeben.

26. September. (W. T. B) Zwei Deutsche, welche vor mehreren Wochen unter der Anschuldigung der Spionage in Tarascon verhaftet und zu Anfang d. M.

gegen Kaution aus der Hast entlassen wurden, sind jev! durch den Untersuhungsrichter vollständig außer Verfolgung gesetzt worden.

Rußland und Polen. St. Petersburg, 26. September. (W. T. B.) Das „Journal de St. Pétersbourg“ be- zeihnet die Meldungen der „Correspondance de l'Est“ über zahlreihe Verhaftungen und Haussuchungen in Kijew, Charkow und Odessa sowie über eine angeblihe Ent- deckung einer großen Vershwörung gegen das russische Reih als durchaus unbegründet. Nichts derartiges habe stattgefunden. :

_— Zur Frage von dem Fortbestehen der friedens- rihterlihen Jnstitutionen auch in den Provinzial- städten, wo sie bekanntliÞh nah dem Geseße über die Land- hauptleute aufgehoben werden, wofern niht das Zustizressort ihre Erhaltung in größeren Städten für wünschenswerth halten sollte, erfahren die „Nowosti“, daß auf diesbezügliche Anfragen Seitens der örtlichen Gerichtshof-Präsidien die Stadt-Vertre- tungen von Kasan, Ssaratow, überhaupt fast aller Städte des Wolgagebiets und auch der Städte Süd-Rußlands sich für die Beibehaltung der Friedensrichter ausgesprochen haben.

Ftalien. Maddalena, 25. September. (W. T. B.) Der Vize-Admiral RNacchia übergab heute dem hiesigen Plaß- Kommandanten den Bro nzekranz zur Niederlegung am Grabe Garibaldi's, den der König beim Passiren von Caprera am 17. August zu widmen versprochen hatte. Die Garnison und die Matrosen der vor Anker liegenden Schiffe woh nten sodann der feierlichen Niederlegung des Kranzes bei; die Geshüge des Geshwaders und diejenigen des Forts „Camicia“ gaben dabei Salutschüsse ab.

Portugal. Lissabon, 20. September. (Pol. Corr.) Der König wird durch Krankheit noch immer in Cintra zurücfgehalten. Seit drei Wochen ist der Monarch außer Stande, die laufenden Geschäftsstücke zu erledigen. Troßdem hat er vorgestern mit mehreren Ministern konferiren und eine Anzahl dringender Dekrete unterzeihnen können. Die Krankheit des Königs ist keineswegs gefährlih, aber sie hindert ihn am Gehen und hält ihn ans Bett gefesselt. Der Hof dürfte Cintra demnächst ver- lassen, um sich nah Cascaës, ciner Hafenstadt am Ausfluß des Tajo zu begeben. Der Kronprinz Don Carlos ist am 17. d. von seiner Reise nah Frankreich und Jtalien in Cintra eingetroffen. Die Deputirtenwahlen sind auf den 20. Oktober festgesezt. Es ist zweifellos, daß die Mehrheit derselben zu Gunsten der Regierung ausfallen wird, hon deshalb, weil die Parteien der Opposition ihre Kräfte zersplittern, statt sich zur Bekämpfung des Kabinets zu vereinigen. Die Wahlen in die administrativen Vertretungs- körper sind auf den 3. November angeseßt. Eine neue Dampferlinie (Mala Real Portuguesa) ist kürzlich zwischen der Hauptstadt und den portugiesischen Kolonien in Ost: und Westafrika eröffnet worden.

Schweden und Norwegen. Stocckholm, 24. Sep- tember. (F.) Der König und der Kronprinz sind heute früh in Christiania eingetroffen. Behufs Abhaltung von Staatsrath-Sitzungen sind der Minister des Aeußern, Freihecr Akerhielm, sowie die Staatëräthe Freiherr Palmstierna, Freibert Akerhielm und Oestergren nah Christiania berufen worden und werden heute Abend dorthin abreisen.

Dänemark. Kopenhagen, 25. September. (F) Zum General-Direktor des Post- und Beförderungswesens ist der bisherige Kontorchef Justiz-Rath Lund ernannt worden. Die Zolleinnahmen betrugen in den ersten fünf Monaten dieses Finanzjahres 13 810 185 Kronen oder 575993 Kronen mehr und die Kricgssteuer 1348 470 Kronen oder 157 723 Kronen mehr als in der gleichen Zeit des vorigen Finanzjahres.

Asien. China. Wie dem „Standard“ aus Shanghai gemeldet wird, ist die chinesische Regierung im Begriff, Repressalien gegen das amerikanische Verbot der Chinesen - Einwanderung in die Vereinigten Staaten zu ergreifen. Nach Telegrammen aus Peking prüfen der Kaiser und sein geheimer Rath einen Vorschlag des Censors Su, der dahin geht, alle in chinesischen Diensten stehen- den Amerikaner aus China auszuw eisen. Nicht nur sei dieses entschiedene Vorgehen in Aussicht genommen gegen Amerikaner, welche untergeordnete Stellungen bekleiden, sondern es herrsche auch eine starke Agitation zu Gunsten größerer Einschränkung der Privilegien der in den Vertragshäfen ansässigen amerika- nischen Kaufleute und Missionäre.

__ Afrika. Aus Zanzibar, 25. September, meldet „W. T. B“: Der Reichs-Kommissar Hauptmann Wißmann hat bei einer zur Sicherung der Karawanenstraßen unternommenen Rekognoszirung, vier Tagereisen von Bagamoyo entfernt, zwei Lager de: aufständischen Araber zerstört und dann den Marsch nah Mpwapwa fortgeseßt.

Zeitungsstimmen.

Ueber Schugzoll und Freihandel äußert sih die A EUNO für Elsaß-Lothringen“ in folgendem

rtifel:

„Die Berichte der Handelskammern haben fast übereinsiimmend konstatirt, daß das Jahr 1888 einen namhaften wirthschaftlihen Auf- s{wung zu verzeicbnen batte; selbst solhe Handelskammern, welche der gegenwärtigen Wirthschastspolitik abhold jind, haben nicht umhin gefonnt, anzuerkennen, daß ein frisher Zug dur das wirthscaftliche Leben gehe und daß der wirthscaftlihe Aufshwung an Umfang und Lebhaftigkeit gewonnen babe.

Der freisinnig-freihändlerishen Versuche, die Bedeutung dieser Thatsache zu verkleinern bezw. die Verdienste der Wirthschaftspolitik hieran in Abrede zu stellen, ist \chon mehrfach gedacht worden. Ganz besonders sind nun tie Gegner der Wirthschaftspolinik durch den Bericht der Handelskammer von Boum in Crregung verseßt worden, weil er es unternimmt, die günstige Entwickelung des Jahres 1888 auf jene Politik zurückzuführen und zugleih einen (n Nr. 224 des „R.- u. St.-Anz,* mitgetheilten) Rükblick auf das, was in den leßten 10 Jahren auf diesem Gebiete zu Wege gebraht und geleistet worden, zu werfen.

Aber Thatsachen beweisen, urxd die von der Bochumer Handels- kammer angeführten Thatsachen, welche den Beweis liefern, daß die durch das Schreiben des Fürsten Bismark vom 15. Dezember 1878 an den Bundesrath eingeleitete Umkehr auf wirthschaftlichhem Gebiete von den segensreihsten Folgen begleitet war, sind unwiderleglich.

Unsere Industrie hat sich mächtig entwickelt und ist in wichtigen Zweigen auf dem Weltmarkt wettbewerbéfähiger denn je geworden.“ Gegen diese Thatsache ist noch von keiner Seite eine Einwendung versucht worden: die Zeiten des „Billig und s{lecht“ sind vorüber und Deutschlands Induitrie hat in Bezug auf ihre Leistungen, wie in Bezug auf ihren Absay Fortschritte gemacht, welche von Nieman-

dem bestritien werden. Die Ausfuhr hat in vielen Artikeln bedeutend zugenommen und das Ausland sieht zum Theil mit Furt und Neid auf die Fortschritte, die unsere Industrie und unser Handel von Jahr zu Jahr aufweisen. Die Ausfuhr hat \ich von 1880—1888 vermehrt von 2946 auf 3352 Millionen Mark.

Dabei sind die Preise der Fabrikate fast durchweg billiger ge- worden; selbst die Lebensmittelpreise, welhe in der leßten Zeit etwas angezogen haben, stehen noch hinter den Preisen von der Zeit vor Einführung der Schugzollpolitik zurüd.

Ferner hat si die Arbeitsgelegenheit wesentlich gebessert. Zahl- reie neue Fabriken und Werke sind entstanden, seitdem Mitte der siebziger Jahre viele ihre Thätigkeit hatten einstellen müssen. Die Zahl der Arbeiter bat si beispielsweise im Steinkohlenbergbau seit dem Jahre 1878 bis 1887 vermehrt von 173 713 auf 217 357, die Zahl der Arbeiter auf sämmtlihen Bergwerken von 278 962 auf 337 634, die Zahl der Arbeiter auf sämmtlihen Hütten von 33 099 auf 42 744. Ebenso hat sich die Kaufkraft der Bevölkerung ge- boben und die Löhne sind gestiegen.

Und was prophezeiten die Freihändler im Jahre 1879 von den Wirkungen der Schußzollpolitik? Es werde die Produktionsfähigkeit vermindert werden, das Kapital auëwandern, die Fabriken würden gleihfails ins Ausland verlegt werden, die Seestädte würden ruirirt, das Rhedereigewerbe und der Schiffbau ihrem Untergange entgegen- gehen. Der Export werde nachlassen, ebenso der Import. Besonders traurig würden die Verhältnisse der Arbeiter sh gestalten. Es werde ibnen an Arbeitsgelegenbecit fehlen und ebenso würden Fabrikate und Nahrungsmittel sehr vertheuert werden. Karz, die Gewerbetbätigkeit, der Handel und der Verkehr würden stetige Rüdkschritte machen und das ganze Land mehr und mehr verarmen.

Alle diese Prophezeiungen sind nicht in Erfüllung gegangen. Statt dessen ist die günstige wirthschaftlihe En1wicktelung eine unbe- \treitbare Thatsahe Wenn die Freihändler sie niht auf die Wirth- \chaftépolitik ¿urückfübren wollen, so müssen sie wenigstens zugeben, daß diese nihts geschadet hat, während von der Freihandelspolitik feststeht, daß sie Deutschland zu ruiniren drohte.“

Zur Geschihte des Sozialistengeseßes giebt die „Nationalliberale Correspondenz“ folgende Uebersicht :

„Am 20. Mai 1878, nah dem Hödel’schen Attentat, wurde dem Rei&stage der erste Gesetentwurf zur Abwe\,r sozialdemokratis{her Ausschreitun. en vorgelegt, welcher mit großer Mehrheit abgelehnt wurde, weil man noch der Meinung war, auf dem Boden des gemeinen Rechts sei mit ven bestehenden oder mit zu vershärfenden Bestim- mungen des Preß-, Vereins- und Strafgeseßes auëzukommen. Es folgte na dem Nobiling’schen Attentat die Auflösung des Reichstages und die Vereinbarung des noch heute bestehenden Geseßes vom 21. Oktober 1878 dur eine fonservativ-nationalliberale Mehrheit. Die Gültigkeits- dauer des Gesetzes war in dem ersten, abgelehnten Entwurf auf drei Jahre festgeseßt gewesen, in dem zweiten Entwurf war eine Gültiz- keitsfrist überhaupt nit vorgesehen ; doch fügte der Reichstag eine solhe bis zum 31. März 1881 hin u. Im Frühjahr 1880 {lug dann die Regierung eine Erneuerung des S mit Gültigkeit bis zum 31, März 1886 vor; die Mehrzahl des Reichstages seßte aber diese Frist bis zum 30, September 1884 herab. In dieser Gestalt fand das Gesetz cine verhältnißmäßig noch zahlreitere Majorität als das ursprüngliche; dieselbe verstärkte sich now dur etwa 15 Centrums- mitglieder. Im März 1884 wurde dem Reichstage ein Gesetzentwurf vorgelegt, welher die Geltungsdauer des Geseges auf zwei weitere Jahre, bis zum 830. September 1886, zu verlängern vorschlug. Dieser Geseßentwurf wurde in der Abstimmung vom 10, Mai 1854 mit 189 gegen 157 Stimmen angenommen. Dafür stimmten die beiden konservativen Fraktionen und die Nationalliberalen geschlofssen, 39 Ccentrumêmitglieder und 27 Mitgliedec der teutschfreisinnigen Partei (25 ehemaiige Sezessionisten und 2 ehemalige Fortschrittler ; von den leßteren waren aber noch einige „abkommandirt“), Im Fe- bruar 1886 wurde dann eine Erneuerung des Geseßes auf fünf Sabre beantragt. Der Reichstag nahm den Gesegentwurf mit 169 gegen 137 Stimmen, jedo mit der Beschränkung auf zwei Jahre, an. Da- ¡ür stimmten die beiden konservativen Fraktionen und die National- liberalen ges{lofsen und 27 Mitglieder des Centrums; die Deutsc- freisinnigen stimmten dicsmal geschlossen dagegen, es fehlten aber 14 Mitglieder. Im Winter 1887—88 kam dann die Regierung mit dem Vorschlag, das bestehende Gese nit nur auf weitere fünf Jahre für gültig zu erklären, sondern (zum ersten Mal) aub noch eine Reihe neuer vershärfter Bestimmungen hinzuzufügen. Die leßteren wurden indessen vom Reichstage abgelehnt und das unveränderte Gese abermals auf zwei Jahre verlängert. Die Majorität rwoar 164 gegen 80. Dafür stimmten wieder die Konservativen und National- liberalen geschlossen sowie 8 Centrumsmitglieder; fast die Hälfte des Centrums fehlte. Dics war die leßte Verhandlung über das Sozialistengesez, und es wurde dadur eine Gültigkeitêdauer bis 30. September 1890 festgeseßt. Die entscheidende Beihülfe des Centrums und der Deutschfreisinnigen bei einem so langen Bestand des Gesetzes ergiebt si daraus aufs Klarste.“

__ Ueber das Ergebniß der französischen Wahlen bringt die „Schlesishe Zeitung“ folgende orientirende Be- trahtung:

„Das Ergebniß der am Sonntage vollzogenen Wahlen zur fran- zösischen Deputirtenkammer \ch int die von den Republikanern während des ganzen Wahlkampfes in immer steigendem Maße zur Schau ge- tragene Zuversicht rechtfertigen zu wollen. Der große, von Mo- narW{isten, Bonapartisten und Boulangisten gegen die bestehende Staats- form unternommene Ansturm kann als gescheitert gelten. Jedenfalls ist au jeyt schon, vor den Stichwahlen, das Verhältniß der Gewählten für die Republikaner günstig zu nennen. Im ersten Wahlgange sind 224 Anhänger der bestehenden Staatsform und 159 Gegner derselben genählt worden, während im Jahre 1885 bei der ersten Wahl 187 Mitglieder der Rechten und nur 140 Republikaner aus der Urne hervorgingen und erst die Stichwahlen den Republikanern eine Mehrheit von 350 gegen 204 Stimmen_ vershafften. Wenn aber auh die Anhänger des herrschenden Systems im Ganzen ihre Position behauptet baben dürften, so feblt es doch bei ibnen im Einzelnen nicht an peinlichen Verluften. Während alle irgend bedeutenderen Parteiführer der Rechten, Paul de Cassagnac, Baron Madcktay, Graf de Mun voran, gewählt sind, ist die bedeutendste politishe Kapazität der Oppocrtunisten, Jules Ferry, in dem von ihm seit der Begründung der dritten Republik behaupteten Wablkreise St. Dié cinem Bonapartisten unterlegen; der frühere radikale M:nister-Präsident Goblet ift in Amiens geîhlagen, und Clémenceau steht in einer sehr zweifelhaften Stihwahl. Auch der Thierarzt Antoine, der im Anfang dieses Jahres von den Oppor- tunisten als Retter der parlamentarishen Republik gegen Boulanger aus Metz verschrieben worden war, wird vorauesi{tlich unterliegen, und zwar gegen den Boulangisten Laur. Die radikalen Parteigrößen Floquet, Lockroy und Pelletan stehen in Paris zur Stichwahl. Auch von den sechs Ministern, die zugleich Abgeordnete sind, haben nur vier im ersten Wahlgange durhdringen können; indessen dürste der Minister der öffentlihen Arbeiten, Yoes Guyot, in Paris und der Minister des Innern Constans, über dessen Nieder- lage die Boulangisten zu früh gejubelt haben in Toulouse \chließlid doch noch gewählt werden. Was die Republikaner aber über diese kleinen Verluste trösten kann, ist der verhältnißmäßig sehr bescheidene Erfolg der Boulangisten. Allerdings zählt die groëe „republikanische Nationalpartei“ der Boulangisten in der Provinz 16 Gemwähltie, unter diesen den Revancheapostel Déroulède und den allerdings unwählbaren Freund und Mitverurtheilten Boulanger's, den „Grafen“ Dillon; aber die boulangistishen Kandidaten in der Provinz sind meistentheils Anhänger der Rechten, welhe man als „wiedergewonnene Republifaner“ bei den Wählern eingeshmuggelt hat. Wo also die Boulangifsten in der Provinz gesiegt haben, is dies nicht aus eigener Kraft geshehen. In Paris aber, der Hochburg des Boulangismus, wo Boulanger am 27. Jaruar d. J. mit 245000 gegen 162 000 Stimmen in die Kammer gewäblt worden war und jegt die be- kanntesten Namen seiner Partei auf der Kandidatenliste standen, sind

936 000 republifanishe und nur 198 000 boulangistishe Stimmen ab- gegeben worden. Boulanger selbs hat allerdings in seinem Bezirk Montmartre, troß seiner Unwählbarkeit, die Mehrheit der abgegebenen Stimmen erhalten, dafür sind aber in ?en übrigen Bezirken nur vier seiner Parteigrößen durhgedrungen, während ein großer Theil der übrigen boulangistishen Kandidaten, u. a. auch Rochefort, im zweiten Wabhlgange unterliegen dürfte. Der, wenn au nur relative Erfolg der Republikaner in Paris dürfte diese selbst um #o mehr _über- rast haben, als Paris bisher meist gegen das bestehende System gestimmt hat. Noch bei den Wahlen von 1885 fand im Seine- Departement die Opposition aegen die bestehende gemäßigt republi- fanishe Regierung durch die Wahl extrem republikanisher Kandidaten ihren Ausdruck. Es war also sehr wahrscheinli, daß die Haupt- stadt troy aller moralishen und ma: eriellen Niederlagen. welche der Boulangitmus in leßter Zeit erliiten hat, diesmal ihre oppositionelle Gesinnung durch starke Mehrheiten boulangistisher Stimmen be- thätigen würde.“

Statistik und Volkswirthschaft.

Zur wirthschaftlichen Lage.

Die günstigen Folgen des Zollkriegs zwischen Frankrei und Stalien maten si, wie aus Hannover berihtet wird, andauernd demerkbar. Die Ausfuhr \cheint nah Italien und Rumänien ent- schieden im Zunehmen begriffen zu fein; dagegen soll die Ausfuhr nach Rußland und zum Theil auch nah Oesterreich abnehmen. Die Lage der Arbeiter ist bei vernünftigen Ansprüchen befriedigend. Die Löhne haben in einer ganzen Reihe von Betrieben cine zum Theil nicht unansehnliche Steigerung erfahren. Die Verhältnisse der Bergarbeiter waren von den westfälishen Arbeiterbewegungen nicht unberührt ge- blieben. Die hervorgetretenen Erregungen rourden jedoh dur recht- zeitiges Eingreifen der Berawerksverwaltungen überall im Keime er- stickt. Die Lage der Ziegeleien war in den leßten Monaten eine günstige. Der Absatz von Steinen war recht gut, die Preise hoben h, und die Zahl der beschäftigten Arbeiter stieg um 10%.

Wasserbauten in Westpreußen. ,

Der Schwerpunkt der Bautkbätigkeit im Regierungé bezirk Danzig sieat zur Zeit in den großen Wafserbauten, welche oberhalb der Weichselmündung an beiden Ufern im Gange sind, um der sehr ver- wilderten untersten Stromstrecke wieder einen geregelten, die beider- seitigen Ufer nicht mehr gefährdenden Lauf zu geben. Nach dem raschen Fortschreiten ter Uferscußbauten daselbst darf mit Sicherheit darauf gerechnet werden, daß sie noch bis zum Winter völlig wnehr- fähig hergestellt sein werden, In den Niederungêgebieten find überall bedeutende Deichverstärkungsarbeiten im Gange. Die Vorbereitungen zur TJnangriffnabme des durch GSeseß vom 20. Juni v. I. in Aussiht genommenen Durchstichs für den Weitselstrom zur Herstellung ciner neuen Ausmündung in die Ostsee sind in ten leßten Monaten erbeblich gefördert worden, Nachdem dur Kaiserlicen Erlaß vom 20, Juri d. I. das Statut für den nah dem erwähnten Geseße zu bildenden Gesammt-Weichfel- Nogat- Deichverband genehmigt worden, ist unverzüglih mit Auflösung der alten und mit Bildung der neu zu errihtenden Deichverbände vorgegangen worden. Die Verbantlungen werden alsbald ihren Ab- {luß finden und wird dann von Sciten des neuen Gesammt-Ver- bandes die geseßlich für Beginn der Arbeiten am Weichseldurcstich vorgeschriebene Bewilligung cines Zuschusses zu den Baukosten von 7 230 000 M erfolgen.

Die rasche Entwickelung der Ferien kolonien

ift aus folgenden Angaben, welche der verdiente Förderer jerer gemein- nüßigen Unternehmungen, Stadtrath a. D. Röstel, im „Nordwest“ mat, zu ersehen. Man verlegt den Anfang der sy\tema1ischen Sommervflegen gewöhnli in das Jahr 1876, in welchem der wohl- thätige Schulverein zu Hamburg die ersten 7 Kinder zur Kräftigung ibrer Gesundheit aufs Land schickdte. Im folgenden Jahre gab der- selbe Verein die doppelte Anzahl Kinder in Pflege und im Jahre 1878 trat Frankfurt a. M. mit den ersten wirklihen Ferientolonten nach Züricher Muster hinzu, sodaß die Zahl der Pfleglinge in jenem Fabre auf 151 stieg, Alljährlich nahm die Zahl der betheiligten Städte zu, sodaß für das Iahr 1884 s{on_ über 11803 verpflegte arme Kinder berihtet werden konnte. Wie fh die weitere Entwidcke- lung gestaltete, ergiebt folgende Uebersicht. Es betrug die Zahl der

eglinge E E 18 in den Ferienkolonien . 4 302 4 416 4 810 5 457 anl E832 2 626 9 200 2 688 inderbeilstätten der Sool- C 4 863 5 291 5 396 Kinderheilstätten der See- M ei 600 S7 1154 1371 4 804 5 162 182599 2074

l - » Mil(stationen. 2 500 3 722 zusammen 13809 15 884

Seit 1876 ist die Zahl der Pfleglinge also von sieben auf mehr als 20 000 gestiegen ! Man bleibt hinter der Wahrheit niht zurück, wenn man annimmt, daß aus 600 bis 700 deutschen Orten arme Kinder in irgend einer Form zur Kräftigung ihrer Gesundheit in öffentlide Sommerpflege gegeben werden. Das ist in erster Reibe der Begrün- dung so vieler Heilstätten für Kinder in Sce- und Soolbädern zu danken. Auch die finanzielle Entwickelung ift cine günstige gewesen, Im Jahre 1886 betrug das Vermögen bei den Kinderheilstätten der Seebäder rund 710 000 A, 1888 schon mehr als das Dovpelte, nämli über 1 428 000 M; bei den Heilstätten in Soolbâädern ftellten fh die entsprehenden Summen auf 825 000 und 1 132 000, bei den Vereinen und Comités für Ferenkolonien 2c. endlich. auf 452 000 und 596 000 M, soweit Angaben tarüber vorlagen, was bei Weitem nit bei allen Kinderhcilstätten und Vereinen der Fall war.

Land- uud Forstwirthschaft.

Der XI1I]I. deut\sche Obstbau-Kongreß ist am 25. d. M. in Stuttgart im tortigen Stadtgartensaal festlich eröffnet worden. Der Staats-Minister des Innern, von Schmid, welcher mit dem Präsidenten der Centralstelle für Landwirth\caft, von Werner, er- schienen war, hielt an die zablreih Versammelten folgende Ansprache :

„Im Auftrage Sr. Majestät des Königs, meines allergnädigsten Herrn, darf ih dieser hohansebnlihen Versammlung die freundlichste Begrüßung, den besten Willklomm in Württembergs Hauptstadt ent- bieten. Se. Majestät nehmen reges Interesse für ein fruchtbares Gr- an der Verhandlungen des deutschen Pomologenkongresses, Zu den Traditionen der Königlihen Regierung aber gehört es, allem, was zur Pflege und Förderung des volkswirthscast- li so bedeutungévollen Obst- und Gartenbaues dient, wirksame Unterstüßung zu gewähren. Dank einem seit Beginn dieses Jahrhunderts konsequent fortentwickelten System von Maßregeln und Einrichtungen im Zusammenwirken mit der Initiative und Einsicht weiter Kreise der Bevölkerung, zählen wir zur Zeit über 74 Millionen Obstbäume im Lande, ¿um Theil in Höhenlagen, wo man deren Fortkommen früher niht als mögli erahtete. Seit dem Jabre 1867, in welhem der deutsche E das eríte Mal in diesem Lande tagte, hat der Obstbau einen bédeutenden Aufshwung fowohl in extensiver, als intensiver Richtung bei uns genommen, Die in reihhaltiger Gliede- rung das ganze Arbeitsfeld der Obstkultur darstellende allgemeine Obstauétstellung aber ist ein beredtes und erfreuliches Zeugniß dafür, daß im ganzen Deutschen Reiche der Obstbau in der aufsteigenden Linie begriffen ist und jeßt {hon ciren Hochpunkt erreicht hat, welcher die Perspektive reiher volkswirthschaftliher Segnungen eröffnet. Mögen auch die diesmaligen Verhandlungen des Kongress:8 ein neuer Markstein, eine weitere Ctappe allseitiger glücklicher Fortentwickelung m zum Nuzen der betheiligten Kreise, zum Segen der deutschen

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Die Rede des Ministers wurde von der mehrere hundert Per- sonen zählenden Versammlung mit allseitigem Beifall aufgenommen. Hierauf begrüßte Ober-Bürgermeister Dr. von a ck den Kongreß Namens der Stadt Stuttgart. Der Redner gedahte wit Dank der kräftigen Unterstüßung der Königlichen Staatsregierung und drückte seine Freude über das \chöne Gelingen der Ausftellung aus, deren überrascender Reichthum den Glauben an ein geringes Obstjahr nit auf- kommen lasse. Redner \chloß mit dem Wunsch, daß die Kongreßbesucer bei ihrer Heimkehr freundliche Erinnerungen an Stuttgart mitnehmen möchten, was die Versammlung mit freudiger Zustimmung beant- wortete.

Hierauf wurde zur Wahl der Präsidenten des Kongresses geschritten. Zum ersten Präsidenten wurde Kommerzienrath Kobl- hammer, zum zweiten Garteninspektor Lämmerert- Dresden cin- stimmig gewählt. L i

Trier, 24. September. Der hier versammelte deutsche Weinbau-Kongreß verhandelte heute über den dermaligen Stand der Reblausfrage und nahm folgende Refolution an: „In Er: wägung, daß, wie dies Oesterreih-Ungarn beweise, die Reblaus, sobald sie fi eingenistet, unaufhaltsam ist, das Kulturalverfahren überall anwendbar is und bedeutende Kosten verursaht, 1) den Versandt unbewurzelter, niht rur aus infizirten Grenzen und Gemarkungen, sondern au aus größeren, der Gefahr entsprechenden Bezirken zu verbieten, und 2) den Verkehr mit Blindholz einer strengern Kontrole zu unterwerfen.“ Eine weitere Resolution, die Regierung zu bitten, die Veredelung8- und Züchtungsversuhe thun- list zu fördern, fand gleichfalls Annahme. Hierauf hielt Professor Dr. Müller-Tburgau einen Vortrag über „neue Forshungsergebnisse auf dem Gebiete der Weingärung und deren Bedeutung für die Praris*.

Sanitäts-, Veterinär- und Quarautänewesen.

Brasilien.

Die brasilianishe Regierung hat mittelst Erlasses vom 17. August 1889 die Häfen der Philippinen-Inseln als choleraverdächtig erklärt und für alle aus jenen Häfen eintreffenden Schiffe die Nbs- haltung der in der Reichs-Gesundheitsordnung von 1836 vor- geschriebenen Quarantäne im Hafen des Lazareths auf Ilha Grande cngeordnet.

Handel und Gewerbe.

Nach den \tatistishen Ermittelungen des Vereins deuts®er Eisen- und Stablindustrieller belief sich die Roheisen- produktion des Deutschen Reichs (eins{l. Luxemburgs) im Monat August 1889 auf 378500 t; darunter Puddelroheisen und Spiegeleisen 178 158 t, Bessemerroheisen 30 039 t, Thomasroheisen 126 272 t und Gießercirobeisen 44 031 t, Die Produktion im Auguïit 1888 betrug 35404 t, im Juli 1889 371467 t Vom 1. Januar bis 31. August 1889 wurden produzirt 2842 343 t gegen 28148293 t im gleihen Zeitraum des Vorjahres.

Der Aufsihtsrath der Schultheiß! Brauerei Aktien- Gesellschaft, welhem Seitens der Direktion der Rechnungë- abschluß für daë am 31. August beendete Geschäftsjahr 1838/89 vor- gelegt wurde, beschloß, aus dem vorhandenen Reingewinn nah den üblichen Abschreibungen die Vertheilung cinec Dividende von 15 °/o, wie für das Vorjahr, in Vorschlag zu bringen

Die nächste Börsenversammlung zu Essen finde! am 30, September 1889 im „Berliner Hof“ statt. _

Vom rheinisch- westfälishen Kohlenmarkt wird der „K. Volks.-Ztg.“ unterm 23. cr. Folgendes geschrieben: Die Förderung im rheinisch-westfälishen Kohlenbezirk bat in der abge- laufenen Woce erfreuliwer Weise einen wesentli höheren Arbeits- erfolg gezeigt, wie in der vorangegangenen vierzel:ntägigen Periode. Trotzdem bleibt dieselbe im Durchschnitt immer noch beträchtlich binter der im August erreichten Leistungéfäbigkeit zurück. Die Nachfrage ift in Folge dessen in weiter zunehmender Steigerung begriffen ; für den augenblickliben Bedarf ist sozusagen keine Deckung zu ermöglichen, da der Zwischenhandel auch auf Monate hinaus {on feine verfügbaren Mengen vergeben hat, und bei den Zechen be- fanntlih noch weit \{chwerer anzukommen ist. Die Haltung ist daher nach jeder Richtung kin fest, und die Käufer suhen si den Abschluß auf denkbar weitgehendste Sichten zu den jegigen hohen Preisen zu sichern Was diese betrifft, so ist von cinem Innehalten in der raschen Aufwärtsbewegung noch immer nicht, und zwar gegen- wärtig um so weniger die Rede, ais der immer fühlbarer werdende Koblenmangel die Verbraucher zwingt, jeden Preis für Kohle anzu- legen. Die leitende Börse sür das Kohlengewerbe, die Cífsener, hat, ebenso wie diejenize zu Düsseldorf, nach fünfmonailicher Unter- brehung wieder begonnen, Preise für Kohlen und Kokes feste zustellen. Ein Blick auf dieselben zeigt jedo, welche bedeutenden Schwankungen, die eine Zeit lang jede feste Preisangabe unmöôg- lid maten, noch immer in den Säßen der ein;elnen Werke vor- herrschen. Auf der andern Seite aber zeigt eine Vergleichun3 mit den lezten im April d. I. von der Börse gegebenen Preisen, welchen Aufschwung diese inzwischen für fast sämmtliche Marken genommen baben. Nach den jeßt gegebenen Festseßungen weisen die Preise für Kohlen Steigerungen bis zu 5 und für Kokes bis zu 9 X die Tonne aus.

Die Generalversammlung des Eschweiler Bergwerks- Vereins stellte einstimmig die Dividende pro 1888/89 auf 19,90 4 = 64 9% fest, nahdem aus dem Spezial-Reservefonds für eventuelle Coursverluste, in welhem der Agio-Gewinn an den verkauften 738 690 M Wurm-Aktien zurückgelegt ist, 67 324 4 entnommen sind. Die Ab- schreibungen erhöhen sich um 111692 M auf 630529 F gegen 434 091 6 im Vorjahre. Die vorgeschlagenen Terrainverkäufe mit einer Einnahme von in Summa 39800 Æ wurden genehmigt.

Die „New-Yorker Hdls -Ztg.“ berichtet unter dem 13. d. M.: Am Waaren- und Produktenmarkt e spielt fort- während der Export die Hauptrolle. Derselbe weist wiederum eine kleine Zunahme auf und übertrifft den Import der Wodce um ein Bedeutendes; aber auch das Gescbäft für den heimischen Konsum fann als ret befriedigend bezeihnet werden. Bei Baumwolle bat der letzte Regicrungsberiht, der die Ernte weniger günstig darstelit, dem Zeitgeschäfte einen erneuten Impuls gegeben und die Preise der nächsten Termine ca. 25 Points höher getrieben. Lokowaare, in der die Umsäße bst unbedeutend waren, ist dagegen unverändert geblieben, In Brodstoffen ist das Geschäft im Ganzen sehr rubig verlaufen. Weizen bat zwar, in Folge des offiziellen Ernteberichtes, na einem anfänglihen Rüdckgange, besonders in den \pâteren Terminen, cine ploulihe Steigerung erfabren, die Umsäße find jedo dadur nicht größec geworden. Auch zeigt der Export hierin wie in Mais eine flcine Abnahme, wogegen in Weizenmehl eine Zunahme sta!tgefunden hat. Am Kaffeemarkte hat in Brasilsocten die Hausse weitére Fortschritte gemaht, was der guten Kauflust, knappen Borrathen und nicht sonderlich günstigen Ernteaussichten zuzuschreiben ift. Milde Sorten schr fest bei regelmäßiger Nachfrage. Die Tendenz jür Provisionen, d. i. für Shweineflei¡ch-Produfkte, ist fortwährend nah unten gerichtet, doch war das Geschäft im Allgemeinen recht lebhaft. Rindfleisch rubig und unverändert. MRaffinirtes Petroleum rubig, Pipe line Certificates feft mit 997 ec. zum Schluß. Harz bei mäßigen Umsägen ohne wesentlihe Veränderung. Für Wolle hat sich die Situation nit geändert. Fabrikanten halten im Kaufen zurüdck, weil ihnen die gegenwärtigen Preise zu hoh erscheinen, und die Umjäte waren dem- gemäß geringfügiag. Am Zucermarkte hat ih für Roh- zucker eine entschieden günstigere Stimmung eingestellt; die Preise sind bereits eine Kleinigkeit gestiegen und scheinen bei an- baltender Kauflust weiter höber gehen zu wollen. Auch raffinirte Waare ist sehr fest und zum Steigen geneigt. Das Geschäft in ein - beimishen Manufakturwaaren giebt nach wie vor große Befriedigung und das in fremden hat für diese Woche ebenfalls ein günstiges Resultat aufzuweisen. Der Import fremder Web- stoffe betrug für die am 12. September beendete Woche 9173 689 Doll. gegen 3055 250 Doll. in der Vorwoche und

9 859 497 Doll. in der Parallelwod)e des Vorjahres.

Wien, 25, September. (W. T. B.) Bei den 177 km langen Lokalbahnen der Oesterreihishen Lokal -Eisenbahn- Gesellschaft, welche sowohl in diesem wie im Vorjahre im Betriebe waren, betrugen die vrovisorish ermittelten Einnahmen im Monat August d. I. §2055 Fl, und in der Zeit vom 1. Januar bis Ende August d. J. 611831 Fl, wäßrend die definitiven Ein- nabmen in der gleihen Periode des Vorjahres 80 317 Fl. bezw. 562 274 Fl. betragen haben. Die provisorisch ermittelten, oben nicht einbegriffenen Einnahmen der 57 km langen Lokalbahn Hanns- dorf—Ziezgenhals betrugen bis Ende Auguit d. F. 112244 Fl, und jenè der am 16. Juli eröffneten 65 km langen Lokalbahnen Herzogenburg—Krems und Hadersdorf— Sigmunds-

herberg 20056 Fl. (W. T. B) Wollauktion.

London, 29. Siimmung setr fest.

96. September. (W. T. B.) Die Bank von England hat beute den Diskont auf 2/0 erhöht.

Rotterdam, 25. September. (W. T. B) Bei der heute von der Niederländishen Handelsgesellschaft abgehaltenen Zinnaultion wurden 22000 Blöôdte Bankazinn zu 55 bis 59#, durch'chnittlih 552, verkauft.

September.

Submisfionen im Nuslande.

I. Niederlande. 1) 15. Oktober, 2 Uhr. De Geneesheer-Directeur van 's Rijks Krankzinnigengesticht zu Medemblif. Li:ferung von + 50 000 kg Kartoffeln während des Zeitraums 1. November 1889 bis 30. Juni 1390, Bedingungen käuflih bei dem Buchhändler M, Nijboff im Haag, Nobelstraat 18. 2) 23, Oftober, 11 Ubr Vim. Ministerie van Waterstaat, Handel en Nijverheid im Haag im Ministerialgebäude : L008 Nr. 178 Lieferung 2c. des Oberbau:8 für die feften Brücken in den umgelegten Bahnstrecken der Rheinischen (Fisen- bahn: Gesellschaft Utreht—Amstervam und Utreht—MRotterdam, unterhalb der Gemeinden Zuilen und Utreht (gehörig zu den Arbeiten des Kanalbaucs Amsterdarn—Merwede). Sckäßgungswerth 306 600 Fl. Bedingungen käuflih bei den Gebrüdern ran Cleeff, Buchhänd- lern im Haag. ITI, Rumänien 1. November. Verwaltungskommission des 27. Dorobargen- Regiments zu Bacau, Lieferung von 1300 Leinwand-Fußfetzen, 803 Handtüchern und 813 Pätchen kleiner Auêsrüstuigsgegenstände. Näheres au Ort unv Stelle.

Verkehrs - Anftalten.

Wie aus Danzig geschrieben wird, ist an der Seeküste und im Frishen Haff die neue, für alle deutshen Küsten und Häfen einheitlich gestaltete Betonnung durchgeführt worden.

London, %. September. (W. T. B.) Der Union-Dampfer „Merican®” ist heute auf der Ausreise von Madeira abgegangen.

Theater und Musik.

Königliches Opernhaus,

Gluck's „Orpheus und Eurydike“ ging gestern neu ein- studirt in Scene. Man darf es als einen großen Gewinn betraten, daß diese Oper, die nun {on 127 Jahre alt ist, die älteste, die überhaupt in der Gegenwart gegeben zu werden pfleat, wieder dem Repertoire der Königlichen Bühne einverleibt worden ist, und zwar, wie gleih hier bemerkt werden soll, in ciner Besetzurg und Autstattung, welche geeignet ist, das Interesse an diesem Werk auch für die verwöhnte Jetztzeit neu zu be- leben und zu steigern. „Lrpheus und Curydifke“, dieses Hobhelied verlorenen und wiedergewonnenen Liebesglücks und der selbst über den Tod hinautreichenden Macht der Liebe, darf als die Grund- lage bezeichnet werden, auf welber fich die deutsche Oper auf- gebaut hat. Die dramatische Handlung wird bier zu dem eigentlichen Wesen der Oper; die ‘enge Berbindurng und gcistige Durhdringung von Wort und Ton, die thätige Mitwirkung des Chors als handelnde Person, die dramatishe Wahrheit, welche in den Arien ibren Aus- dru findet, das Alles tritt in der Bluck's{en Oper so vollendet in die Erscheinung, daß neben dem idealen Inhalt gerade bierauf die mächtige Wirkung berubt, welte den Hörer au heute noch fesselt, ergreistr und bewegt. It auch die Harmonik und Instrumentation dur den Einfluß Richard Wagners beute eine wesentlich reihere und in Folge der Anwendung tärkerer Mittel cine überwältigendere, so wandelt die Glud'sche Mußk doc die Bahnen, welche in weiterer Entwicelung hierzu führen mußten, und es ist ein Beweis ihrer Klassizität, daß sie auch beute noch durch ihre einfaheren Formen im Stande ist, dieselben Wir- kungen zu erzielen.

Die Inscenirung war eine geschmackvolle und würdige. Besonders wirksam war der im zweiten Aft hervortretende Gegen}aß zwischen der Unterwelt und dem Elysiumz das Arrangement der Scattenreigen war malerisch und fstimmungsvoll, die Chöôre sangen diskret. Die Rolle des Orpheus war in den Händen der Fr. Staudigl, die sih ihrer Aufgabe mit wadsen- dem Erfolge entledigte. Vielleicht hâtte der Vortrag einzelner Arien noch etwas dramatischer autfallen fönnen, im Ganzen aber wurde ibr \refflicer Gesang von einem wahrhaft künstleriswen Spiel auf das Beste unterstützt, und es ist nicht zu bezweifeln, daß Fr. Staudigl dicfe Partie alébald zu ihren besten zählen wird. Frl Leistnger, die {hon früher einmal die Eurvdike sang, bewährte si als folcke auch diesmal wieder auegezeihnet. Frl. Weiß (Cros) hat leider zu viel Tremolo in der Stimme, als daß sie in den Rahmen und den Stil der alten deut\chen Oper genau hineinpaßte, Der Gesammtieindruck der gestrigen Aufführung war ein in jeder Richtung hervorra;eidec.

Lessing-Theater.

„Der Fal! Clémenceau“ erleb: am sreitag das I ubiläum der 100. Aufführung, eine Thatsache, dur wel@e jecenf4üs das Vorurtheil widerlegt wird, daß so langlebige &rtolge 11 Beru ni mebr möclich seien. Der große Anibeil, welchen die Darielluöäg und die Insceneschung des Lessirg-Theaters an diesem Ersolge haben, wird dadurch bewiesen, daß das eigenthümlihe Wert von ülcrander Dumas in Berlin eine größere Anzahl von Au!führunzen gefunden at, als sie dem Schauspiel in Paris selbt gegönnt war,

Wallner-Theater.

Gestern Abend gelangte Francis Stahl's Volksstück „Der rechte Schlüssel* zur ersten Aufführung und fand den Zuschauern eine sebr freundlihe Aufnahme. Die Novität lehnt fich eng an ältere erfolgreice Possen und Lustspiele sowohl in der Grund- stimmung wie in der Moral der Handlung an; abex ehrliche Arbeit, einfache und sparsame Lebenéweise in vorbildlichen Gestalten gegen- über der Unlauterkeit und Charcafkterlosigkeit auf die Bühne zu stéllen und das gute Element siegen zu lafsen, hat fortdauernd Berechtigung. und s ist erfreulich, zu beobachten, daß unjer Publikum an solchen harmlosen und doch scenis wirksamen Stück.n noch Gescmack findet, daß es also der starken Gewürze französischer oder im französischen Geshmack gehaltener Dramen zu einem Bübnenerfolge niht unbedingt bedarf. Ein alter Schlossermeister sieht zu scinem Kummer seinen ältesten Sohn dem Kreise des Handwerks entfremdet ; der Sohn wird Kaufmann, Banquier, heirathet eine vornehme adelige Dame und wird von seiner Frau verlassen, als das \chwankende Gebäude seines Glüccks zusammenbriht. Nur our tas thatkräftige Eingreifen des Vaters, jenes alten S{lossers, wird der ehrliche Name des Sohnes, der alle ihm anvertrauten Gelder veruntreut hat, ge- rettet. Nach jahrelanger mübsamer Arbeit in der Fremde kehrt dann der sittlich geläuterte Sohn zu seinem Vater zurück; die Arbeit und die Liebe sind „der rechte Sélüfsel“, mit

welchem“ sh der Sohn des Vaters Herz wieder öffnet.