1889 / 238 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 07 Oct 1889 18:00:01 GMT) scan diff

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Dem zum Konsular-Agenten der Vereinigten Staaten von Amerika in Danzig ernannten Herrn Philipp Albrecht ist das Exequatur Namens des Reichs ertheilt worden.

Bekanntmachung.

Jn neuerer Zeit sind wiederum offene, mit Marken der Neuen Berliner Omnibus- und Packetfahrt - Aktiengesellschaft beklebte Karten und Drucksachen in den Postbriefkasten in größerer Zahl vorgefunden worden.

Beispielsweise beläuft sich während des Zeitraums vom 15, bis 30. September die Zahl derartiger Karten und Drul- sahen auf 1934 Stü.

Dieselben sind gemäß der Bestimmung im §. 121V der D O vom 8, März 1879 von der Beförderung mit der

ost ausgeschlossen und werden bis zum 20. d. M. bei der Lagerstelle des hiesigen Hof-Postamts aufbewahrt, demnächst aber vernichtet werden.

Den Absendern bleibt anheimgestellt, sich wegen Rück- empfangs der Karten bez. Drucksachen bei der bezeichneten s Königstr. 60 zu ebener Erde, rechts vom Eingange zu melden.

Berlin C., den 5. Oktober 1889.

Der Kaiserliche Ober-Postdirektor, Geheime Ober-Postrath. Schiffmann.

Bekanntmachung.

Am 7. Oktober d. J. wird im Bezirk der Königlichen Eisenbahn-Direktion (linksrheinishen) zu Köln die 37,7 km lange Bahnstrecke Langenlonsheim—Simmern mit den Stationen Heddesheim, Windesheim, Schweppenhausen, Stromberg, Stromberger Neuhütte, Rheinböller Hütte, Rhein- böllen, Ellern, Argenthal und Simmern und dem nur für den Personenverkehr (ohne Gepäcabfertigung) einge- rihteten Haltepunkte Kloningers Mühle dem öffentlihen Ver- kehr übergeben werden.

Berlin, den 5. Oktober 1889.

Jn Vertretung des N e Reichs-Eisenbahnamts : raefft.

Königreich Preußen.

Se, Majestät der König haben Allergnädigst geruht :

dem praktishen Arzt Sanitäts-Rath Dr. Ribbeck zu Berlin den Charakter als Geheimer Sanitäts-Rath und

den praktishen Aerzten Dr. Bessel, Dr, Mofes und Ober-Stabsarzt a. D. Dr:“ Doering, ebenfalls daselbst, den Charakter als Sanitäts-Rath zu verleihen.

Auf ZJhren Bericht vom 13. September d. J. will Jh dem Kreise Krossen, Regierungsbezirks Frankfurt, welcher den Bau einer Chaussee von ne a. O., abzweigend von der Krossen-Gubener Kreis-Chau))ee bei Ben)shbude über Bobersberg, Seedorf, Göhren nah Sommerfeld beschlossen hat, das Enteignungsrecht für die zu dieser Chaussee erforderlichen Grundstüde, sowie gegen Uebernahme der künftigen chaussee- mäßigen Unterhaltung der Straße das Reht zur Erhebung des Chausseegeldes nah den Bestimmungen des Chausseegeld- eue n 29, Februar 1840 (Gesez-Samml. S. 94 ff.) ein- shließlih der in demselben enthaltenen Bestimmungen über die Befreiungen sowie der sonstigen, die Erhebung betreffenden O U vorbehaltlih der Abänderung der ämmtlichen voraufgeführten Bestimmungen verleihen. Auch sollen die dem Chausseegeld-Tarife vom 29. Februar 1840 angehängten Bestimmungen wegen der Chaussee-Polizei- vergehen auf die gedahte Straße zur Anwendung kommen. Die eingereichte Karte erfolgt anbei zurüdck.

Neues Palais, den 25. September 1889.

WilhelmRKR. von Maybach. An den Minister der öffentlihen Arbeiten.

Ministerium der öffentlichen Arbeiten.

__ Die Königliche Eisenbahn-Direktion zu Elberfeld ist mit der Anfertigung allgemeiner Vorarbeiten für eine Eisen- bahn untergeordneter Bedeutung von Brilon (Bahnhof) über

Büren einerseits nah Paderborn, andererseits nah Geseke beauftragt worden.

Ministerium der geistlihen, Unterrihts- und Medizinal-Angelegenheiten.

Der ordentliche Lehrer B auer vom Schullehrer-Seminar ju Cornelimünster ist in gleicher Eigenschaft N das Schul- ehrer-Seminar zu Fulda verseßt worden.

Nichtamtliches. Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 7. Oktober. Se. Majestät der Kaiser und König maten mit Jhrer Majestät der Kaiserin und Königin und den Prinzlihen Söhnen am Sonnabend auf der Yacht „Alexandria“ nah der Pfauen- Insel eine Spazierfahrt, an der auch Se. Königliche oheit der R Friedrich Leopold und Gemahlin theilnahmen. Abends Jjahen die Majestäten den Gesandten im aag, Freiherrn von Saurma-Jeltsch, bei der Tafel.

Am Sonntag wohnten Wre Majestäten dem Gottesdienst in der Friedenskirhe bei. Darauf empfingen Se. Majestät der Kaiser um 111/4 Uhr den Staats-Minister a. D. Hobreht, nahmen dann den Vortrag des Ober-Hof- und Haus- marschalls von Liebenau und um 121/24 Uhr militärishe Mel- dungen entgegen. Mittags 11/, Uhr war amlilientafel, zu welcher au der Herzog von Édinburg mit P Sohne can war. Nachmittags unternahmen Jhre Majestäten, begleitet von ZJhren ‘Königlichen Hoheiten dem Hiriiaen und der Prinzessin Friedrih Leopold sowie Sr. Hoheit dem Erbprinzen und Jhrer Königlichen Hoheit der Erbprinzessin von Sachsen-Meiningen, eine Spazierfahrt auf der Yacht

Königlich bayerische Oberst-Lieutenant Freiherr Fuchs von Bimbach und Dornheim befohlen. i 9

Heute Vormittag machten Se. Majestät zunächst einen Spazierritt, empfingen sodann den Ober-Hof: und Haus- marschall von Liebenau sowie den Minister des Königlichen Hauses von Wedell und arbeiteten hierauf mit dem Chef des Civilkabinets und dem Staats-Minister Grafen von Bismarck.

Im 6. Gumbinner Landtag s- Wahlbezirk (Olebko, Lyck, Johannisburg) is an Stelle des bisherigen Abgeordneten von Kannewurff, welcher sein Mandat niedergelegt hat, der Gutsbesißer Koch-Pistken, konservativ, mit 330 gegen 53 Stimmen, welche der Gutsbesißer Seydel-Chelchen, deutsh- freisinnig, erhielt, zum Mitglied des Hauses der Abgeordneten gewählt worden.

_— Im 7. Kasseler Landtags- Wahlbezirk (Melsungen- G ist an Stelle des verstorbenen Gutsbesizers Nöll, Per Cu Gleim zu Melsungen, nationalliberal, mit 90 gegen 4 Stimmen, welche der Konsistorial-Präsident von Weyrauch AA, konservativ, erhielt, zum Mitglied des Hauses der bgeordneten gewählt worden.

Heute trat das Reichs-Versicherungsamt in dem öffentlihen Sißungssaale des Amtsgebäudes, Wilhelms- plaß 2, zum ersten Male zur Rechtsprehung in land- und forstwirthschaftlihen Rekurssahen zusammen, nachdem jünest die auf Grund des §. 95 Absay 3 und 4 des land- wirthschaftlichen Unfallversicherungsgeseßzes vom 5. Mai 1886 erfolgte Wahl der zu nihtständigen Mitgliedern des Reichs- Versicherungsamts gewählten Vertreter der Betriebsunter- nehmer und der Arbeiter amtlich bekannt gemacht worden war. Der Präsident des Reihhs-Versicherungsamts, Dr. Bödiker, eröffnete die Sißung mit folgender Ansprache:

„Meine Herren ! Vor wenigen Tagen ist im „Reichs-Anzeiger“ das Ergebniß der von den landwirthschaftlichen Berufsgenossenschasten unt staatliben Ausführungsbehörden vollzogenen Wahlen zum Reichs- Versicherungsamt veröffentliht worden, und heute stehen wir im Begriff, unter Betheiligung der also Gewählten zum ersten Male in land- und forstwirthshaftlihen Rekurs\sahen Recht zu sprechen. Am nächsten Montag beginnt die gleihe Rechtsprehung in See- Unfallversicherungs\sachen.

Auf dem Wege der sozialpolitishen Geseßgebung des Reichs ist damit ein weiterer Schritt vorwärts gethan. Wie die gewerbliche und die See-Unfallversicherung für mehr als 4 Millionen Arbeiter, so steht nunmehr au die land- und forstwirth{chaftlihe Unfall- versiherung im ganzen Gebiete des Reichs für die doppelte Anzahl bon Personen in Krast; ihre Segnungen werden fich als um so größere erweisen, je häufiger, wie die Erfahrung bereits lehrt, die land- und forstwirth\chaftlihen Betriebsunfälle sind.

__ Wenn das Reichs-Versicherurgs8amt bei den auf Grund der älteren Unfallversiherungsgeseße bither entshiedenen 35C0 Rekursen gegenüber etwa 70000 bis jegt ertshädigten Unfällen bemüht gewesen ist, zur Erreichung des Endziels dieser Geseße nah Kräften beizutragen, so wird es in dem gleihen Geiste au die neueren Geseße handhaben. Es ist dabei der freudigen Mitwirkung seiner neugewählten nichtständigcn Mitglieder, die ih in ihren hier anwesenden Vertretern Namens des Amts begrüße und willkommen heiße, um so mehr sier, als au die früher gewählten, mit dem 1. Oftober d. I. zum Theil aus dem Amt geschiedenen Vertreter der Arbeitgeber und Arbeitnehmer \sich durchaus auf die Höbe ihrer Aufgabe zu stellen gewußt und den Eïtwartungen, | welhe Seitens des Geseßgebers in deren Betheiligung an dieser lettinstanzlihen

A EDEeO geseßt worden sind, nach allen Richtungen entsprochen

So tritt denn * das Reihs-Versichérungsamt, auf den ferneren Beistand Gottes vertrauend, guten*Muthes und voll Zuversicht an die weitere Ausführung auch der neuesten Unfallversierungsgesete heran : zur Förderung des inneren Friedens und der allgemeinen Wohlfahrt, zur Vermehrung der Ehre von Kaiser und Reich.“

fat Sodann begann die Berathung der vorliegenden Rekurs- aen.

Der Königliche Gesandte in Hamburg, von Kus- serow, ist auf seinen Posten zurückgekehrt und hat die Ge- schäfte der dortigen Gesandtschaît wieder übernommen.

Der Gouverneur von Met, General der Jnfanterie von Oppeln-Bronikowski, und der Kommandant von Hannover, General-Lieutenant Graf von Waldersee, haben sich nach Mey bezw. Hannover zurückbegeben.

Der kommandirende Admiral, Vize-Admiral Freiherr von der Golß, ist von Dienstreisen hierher zurückgekehrt.

Vayern. München, 5. Oktober. (W. T. B.) Jn der heutigen Sigung der Abgeordnetenkammer wurde außer den {hon erwähnten Vorlagen auch das Ausfüh- rungsgeseß zu dem Reichsgeseß, betreffend die Erwerb s- und Wirthschaftsgenossenschaften, in erster Lesung angenommen. Der Abg. Gunzenhäuser kündigte einen An- trag, betreffend Nachlassung der Hypothekengebühr bei Cessionen in Folge, Umwandlung der Genossenschaften an. Der Finanz-Minister Dr, von Riedel äußerte Bedenken gegen diesen Antrag, versprah aber va Prüfung. Der Minister des Jnnern Dr, Freiherr von Lug sprach \ih ent- schieden dagegen aus. |

Die der Kammer der Abgeordneten gemachte Ei senbahn- vorlage \{lägt die Anlage von Doppelgeleisen für folgende Bahnlinien vor: München—Landshut, München— Jngolstadt—Treuchtlingen, Fürth—Rottendorf, t A berg—Lichtenfels—Hochstadt—Untersteinah. Außerdem sind ausgeworfen 2278000 # für Signalvorrihhtungen, Dienstwohnungen und die Passauer Donaulände; 10 188000 #Æ& für Vermehrung des Fahrmaterials und Einführung der Westinghouse-Bremse bei den Waggons der Personenzüge; 2 100000 4 für Erweiterung der Bahn- Central-Werkstätten in München, Nürnberg, Regensburg und Q: 12 440 000 6 für Erweiterung des Münchener Central-Bahnhofes; 2070000 #4 für Umbau des Aschaffen- burger Bahnhofes.

Sachsen. Dresden, 7. Oktober. (W. T. B.) Die GesandiiGaft des Sultans A gan ndar ist in Be- Cie S des Majors Liebert und des Generalkonsuls Micha- elles am Sonnabend Nachmittag von Weimar hier einge- troffen, von dem preußischen Gesandten Grafen von Dönhoff und dem sähsishen Legationssekretär Dr. von Stiegliß empfangen worden und im Victoria-Hotel abgestiegen. Heute Vormittag besihtigte die Gesandtschaft unter Führung des Kriegs-Ministers die hiesigen Kasernen. Am Donnerstag wird die Gesandtschaft vom Könige empfangen werden.

effsen. Darmstadt, 6. Oktober. (Darmst. Zta. Se. Königliche Hoheit der Großherzog, Jhre König

„Alexandria“ nach Wannsee. Zur Abendtafel war der

Großherzogliche Hoheit die Prinzessin Victoria, Prinze Ludwig von Battenberg, sowie Jhre Großherzogli hen Hein die Prinzen Heinrich und ilhelm wohnten gestern der Eröffnung der Kunsthalle am Rheinthor bei.

Se. Königliche Hoheit der Erbgroßherzog und Jhre Großherzoglihe Hoheit die Prinzessin Alix trafen aug England heute wieder hier ein.

Mecklenburg-Schwerin. Ludwigslust, 5. Oktob (Meckl. U Zhre Kaiserlichen Hoheiten der Großfürsi und die Großfürstin Wladimir trafen heute hier ein und wurden von Sr. Königlichen Joh dem Großherzog und Jhrer Kaiserlichen Hoheit der Großherzogin auf dem Bahnhofe empfangen.

Sachsen-Weimar-Eisenah. Weimar, 6. Oktober. Auf dem Thüringischen Städtetage, welcher am 4. und 5. d. M. in Apolda. versammelt war, ist, der „Th. C.“ zu- folge, auch über indirekte Besteuerung verhandelt wor- den. Die große Mehrzahl der aus zahlreichen thüringischen Städten anwesenden Bürgermeister und städtishen Beamten

sprah sih sehr lebhaft zu Gunsten der indireften Besteue- rung aus.

Mecklenburg - Streliß. Neustreliz, 5. Oktober. Jhre See Hoheit die Groß herzogin wird am Montag vom Keppschloß hierher zurückkehren, während Se. Königliche Hoheit der Großherzog, welcher z. Z. in Paris verweilt, ebenfalls in den nächsten Tagen hier wieder einzutreffen beabsichtigt.

Schwarzburg - Sondershausen. Sondershausen 6. Oktober. (Reg.- U. Nachr.-Bl.) Se. Durchlaucht e Fürst kehrte heute von Gehren hierher zurück. Jhre Hoheit die Herzogin von Anhalt hat sich am 3. d. M. wieder nah Ballenstedt begeben.

Oefterreich-Ungarn. Budapest, 5. Oktober. (Wien. Hg.) Die Seitens des Handels- Ministers von Baross aus ertretern sämmtliher Handels- und Gewerbekammern sowie der Landes- und Fndustrievereine einberufene Enquête- Kommission hielt heute ihre erste Sizung. Der Minister von Baross verwies in der Eröffnungsrede auf die Nothwendigkeit der Entwickelung von Handel und Gewerbe, welche im nteresse der materiellen Erstarkung der Nation unerläßlih ist. Der Minister wünschte von den Anwesenden die auf- rihtige Aeußerung in Betreff der vorliegenden Fragen. Zu- nächst wurde die Frage der Reform der Handels- und Ge- werbekammern erörtert, in welher Richtung die Enquéête

nah sehr eingehender Diskussion sich dahin aussprach, daß es bedingungelos nothwendig sei, die E der Kammern denn die Kammern

N t e L (bf fónnten nur in diejer Weise die selbständige freie Meinun äußern. Der Minister erklärte auch seinerseits dieses für nothwendig. Die Enquête-Kommission bezeichnete sodann die speziellen Bestimmungen, welche im Jnteresse der Verbesserung des Geseges über die Kammern nothwendig scien.

Nach einer Meldung der „Presse“ beschäftigt sich die ungarische Regierung ernstlih mit der Frage der Valuta- regelung, eine darauf bezüglihe Enquête-Kommission soll in nicht ferner Zeit einberufen werden.

Großbritannien und Jrland. London, 5. Oktober. (A. C.) Der in der britischen Marine dienende Prinz Ludwig von Battenberg wurde zum Befehlshaber des dem englischen Mittelmeer:Geshwader beigegebenen Kreuzers E Oktober. (W. T. B.) D

__— 6. Oktober. (W. T. B.) Der Deputirte für Brighton Sir William Robertson, der shon längere Zeit leidend war, hat sih heute früh entleibt. 10 H

Frankreich. Paris, 7. Oktober. (W. T. B.) Die Betheiligung an den O Stichwahlen war überall eine sehr zahlreiche, vollzog sich aber meistens in vollständiger Ordnung und Ruhe. Fn Paris bewegte sich auf den Boulevards eine zahlreiche, lebhaft erregte Menschenmenge, welche verschiedene Rufe laut werden ließ. Die berittene republikanishe Garde hielt jedoch die Cirkulation ohne be- sondere Mühe offen. Auf dem Boulevard des Jtaliens wurde eine Boulangisten-Lieder singende Bande von der Polizei aus- einander „getrieben. Vor den Redaktions - Büreaux des „Gaulois“ wurden Verhaftungen einiger Personen vor- genommen, welche zum Widerstande aufforderten und si weigerten, weiter zu gehen.

Nach dem offiziellen Bericht des Ministeriums des Jnnern ist das Gesammtergebniß der Stic- wahlen bis jeyt: 124 Republikaner und 45 Oppo- sitionelle. Die neue Kammer wird demnach enthalten: 362 Republikaner, nämlich 236 gemäßigte und 126 radikale, und 205 Mitglieder der Opposition, nämlich 100 Roya- listen, 58 Bonapartisten und 47 Boulangisten.

Gewählt wurden in Paris: der Minister der öffentlichen Arbeiten, Yves Guyot (Republikaner) mit 6113 Stimmen gegen Turquet O, welher nur 5417 Stimmen erhielt. Berger (Republikaner) mit 6136 Stimmen gegen Andrieux (Nevisionist) mit 4867 Stimmen. Floquet (Republikaner) mit 5284 Stimmen gegen Nicot (Boulan-

gist) mit 3208 Stimmen. aisant (Boulangist mit 3600 Stimmen gegen Lafont (radikal). Mos e (Republikaner); Barodet ( Republikaner ); C assaing

(Republikaner); Naquet (Boulangist); Desprès (Republika- ner); Marius Martin Bou ist); Emil Ma "(Beau blikaner), ferner die Republikaner Dreyjus, Chau- temps, Jaques, Mathe, Richon, Lanessan, Lockroy, Maujan, ovelaque, Marmottan , die Boulangisten Laur, Lesenne, ery, Ernest Roche. Jm Faubourg St. Germain wurde der Dieser Co gd) E In Toulouse erhielt ns immen ini welchen 6883 Stimmen fielen. E S Der Deputirte Le Hérissé, der Reserve-Offizier ist und in einer Wahlversammlung ähnlih aufregende Reden geführt hat, wie sein Gesinnungsgenosse Laisant, wird der „Köln. Ztg.“ zufolge ebenfalls vor den Untersuhungsrath gestellt werden.

Rußland und Polen. St. Petersburg, 7. Oktober (W. T. B.) Der Minister des Kaiserlichen Saufes Graf Woronzow-Daschkow, der Kommandirende des Haupt- quartiers, General-Lieutenant Richter, der Chef der Kaiser- lihen Kanzlei, Flügel-Adjutant Oberst Graf Olssufjew und

Hoheit die Prinzessin Heinrih von Preußen, Jhre

dessen Gehülfe, Kammerjunker Baron Budberg, sind heute

nah Berlin abgereist.

Die kaukasishen Reserve-Bataillone und ein- eborenen Drushinen, auch Lokal-Bataillone genannt, erden in zwei Festungs: Bataillone, sechs Reserve-Regimenter

2 zwei Bataillonen, vier Reserve-Bataillone zu sechs Com- L anien, zwei Reserve-Bataillone zu fünf und ses Reserve- Bataillone zu vier Compagnien umgewandelt. Dem ommando der ersien fünf Shüßen-Brigaden wird ein

Lebeoffizier des Generalstabes zugetheilt.

Schweiz. Bern, 5. Oktober. (N. Zür. Ztg.) Die qus allen Kantonen mit Ausnahme von Unterwalden einge- sangten Gesuche um Veranstaltung einer Volksabstimmung über das Bundesgeses vom 28. Juni 1889, betreffend die Bundesanwaltschaft, weisen, abgesehen von den dur die Gemeindebehörden gestrihenen, im Ganzen 25 330 Unterschriften auf. Hiervon mußten als ungültig weitere 1402 gestricheri werden, sodaß die Ziffer der gül- tigen Unterschriften sih auf 23928 reduzirt. Zum Yundesanwalt wurde Ständerath Albert Scherb von Bischofszell ernannt; sein Amtsantritt erfolgt am 15. Oktober.

Griechenland. Athen, 5. Oktober. (W. T. B.) Die Königliche Familie ist heute Nahmittag hier eingetroffen und von den Ministern, den Spigen der Militär- und Civil- hehörden, sowie von den diplomatischen Vertretern der Mächte empfangen und von einer zahlreihen Menge auf das Kärmste begrüßt worden. Ungefähr 100 Studenten ver- juhten, dem König eine Petition, betreffend die kreten- sishen Angelegenheiten, zu überreihen. Es entstand cin unbedeutender Auflauf, und nachdem einige Verhaftungen vorgenommen warey wurde die Delegation der Studenten ohne weiteren Zwischenfall zum Auseinandergehen gezwungen.

Serbien. Belgrad, 6. Oktober. (W. T. B.) Die Angelegenheit der Begegnung der Königin Natalie und des Königs Alexander ist nah einer Mel- dung der „Agence der Beigrade“ noch nicht endgiltig ge- regelt und es gilt niht für unmögli, daß die Frage bei Eröffnung der Skupschtina noch s{hwebe. Jn diesem Falle dürste, wie allseitig für siher angenommen wird, in der Skupschtina ein Antrag behufs Regelung des Ver- hältnisses zwishen demKönig Alexander und seiner Mutter gestellt werden, und allem Anscheine nah wird si die Regierung einem solchen Antrage gegenüber nicht E A verhalten. Die Entscheidung des Königs Milan in dieser Angelegenheit beschränkt ih auf seine prinzipielle Ein- willigung und überläßt die Ordnung der Details bei der Zusammenkunft der Regentschaft.

Bulgarien. Sofia, 5. Oktober. (W. T. B.) Der Prinz Ferdinand von Sachsen-Coburg ist heute von einer Rundreise in der Provinz, auf welcher er in Varna, Rustshuk, Nikopolis, Plewna, Kasanlik und Philippopel die Truppen besichtigt hatte, hierher zurückgekehrt.

Amerika. New-York, 4. Oktober. (R. B.) Die Delegirten des amerikanischen Kongresses besuchten gestern West Point. An Bord eines Kriegsschiffes fuhren sie darauf nah New-York und von dort nah Boston. Jn Boston werden die Herren die Waltham-Uhren- und die Para - Gummiwaarenfabrik besuhen. Auch der Harvard- Universität soll ein Besuch abgestattet werden.

Zeitungsftimmen.

Die „National-Zeitung“ schreibt : E „In der Presse derjenigen Parteien, wclche von der Kaiserlichen Kundgebung gegen die „Kreuzzeitung* unangenehm berührt sind, ob- gleich die Spitze derselben si nicht gegen fie rihtet, in den deutsch- freisinnigen und klercikalen Blättern wird mit besonderem Nachdruck das Recht gewahrt, auch der Krone gegenüber die eigene Meinung weiter vertreten zu dürfen. Wir haben, obgleih unsere Stellung zu der Kaiserlihen Kundgebung eine durchaus andere ift, als die der bezeihneten Parteien, bereits ausdrücklich ene Recht anerkannt ; an der Wahrung des- selben sind alle politischen Richtungen gleihmäßig interessirt, denn wer heute in der Lage ist, die Regierungspolitik zu unterstüßen, kann in iht ferner Zukunft si genöthigt sehen, ihr Widerstand zu leisten, auch wean sie die auédrücklihe Billigung des Herrschers erhält. Veber diese Frage bedarf es aber garnicht vieler Worte; wir bätten fein konstitutionelles Staatswesen, wenn es ih andes verhielte, wenn die Auffassung und der Wille des Monarchen die Probleme des Staatslebens entsciede. Daß dies auch nit im Entferntesten die Auffassung Kaiser Wilhelm's Il. ist, weiß man aus der Rede, mit welher er zum ersten Mal den preußishen Landtag eröffnete und in der er erklärte, er werde die Verfassung nicht nur darum beobachten, weil sie das Grundgeseß des Landes ist, weil sie _thatiätlich besteht, sondern er erkenne in ihr auch eine rihtige Ordnung des Staatslebens. Die Grundlage dieses verfassungsmäßigen Zustandes in Preußen und mit den aus dem Wesen des Bundesstaates \ih ernebenden Modifikationcn auch im Reiche ist, daß Krone und Volksvertretung bei allen bedeutsamen Entscheidungen in der einen ode“ andern Form zusammenwirken müssen, und daß die Meinung des Undes stch in der Wahl der Velksvertretuno, in der Presse und im Vereins- und Versammlungswesen frei bekunden kann. Wenn, wie es hier in Berlin soeben geschehen ist, Agitatoren von der Richtung der „Kreuzzeitung*“ in Folge der Kaiserlichen Kundgebung auf die fernere politishe Thätigkeit zu verzihten erklärten, so ist das ihre persönliche Angelegenheit; nah unserer Meinung ist der dadurch be- fundete demonstrative „Royalismus“ aber von ganz ähnlicer Art, wie derjenige, welcher der „Kreuzzeitung“ gegenüber von dem Monarchen zurückgewiesen werden mußte; er ist geeignet, einer falschen Auffaffung von dem Zweck und der Bedeutung der Kaiserlichen Kund- e ebung Vorschub zu leisten. Dieselbe hindert Niemanden an der sreien Bethätigung seiner Gesinnung; ein Hinderniß soll sie nar für den Mißbrauch des Kaiserlichen Namens im politishen Kampfe sein. Aber wern die im „Reihs-Anzeiger* reröffentlihte Erklärung weder die Wirkung haben kann, noch dessen sind wir vollkommen siher die Absicht verfolgte, der verfassungsmäßig verbürgten freien Meinungsäußerung den geringsten Zwang anzuthun, fo bleibt sie darum als Kundgebung des Kaisers über die allgemeine Richtung seiner inneren Politik im höchsten Maße bedeutungsvoll. Wenn die davon urliebsam betroffenen Parteien sich in ihren Drganen geberden, als ob durch diese Veröffentlihung etwas geschehen wäre, was außer- halb des Rahmens des Konstitutionalismus fiele, die Stellung der Krone ¡um Lande änderte, etwaigen cppositionellen Wahlen für die Zukunft eine ganz besonders bedenkliche, gegen die Krone gerichtete Bedeutung im Voraus aufpräge, so sind das Redensarten aus cinem zeit- und ort- losen, nur in der Phantasie bestehenden Staate; bor der preußis{- deutschen konstitutionellen Geshihte können sie niht Stand halten. ir haben schon, bei diesem Anlaß wie in früheren Zeiten, bemerkt, daß es ohne Zweifel \{chwere Bedenken hat, wenn der Herrscher in politischen ElzSsrieo zu einer persönlihen Stellungnahme si ent- \bließt; staatlihe Nothwendigkeiten können bald zur Aenderung der- selben zwingen. Allein völlig verschieden davon ist eine Kundgebung über die allgemeine Richtung der einzuhaltenden Politik. wie sie in der Erklärung des „Reichs-Anzeigers“ enthalten ist. Sie ist herkömmlich in unserem konstitutionellen Staate, und sie ist wiederholt von der Vevölkerung zum Theil auch von Parteien, deren Organe jetzt die Stirn in düstere Falten ziehen mit Jubel aufgenom men worden.

Wir haben bereits an das durchaus persênlide Programm erinnert, welhes Kaiser Wilhelm I. als Prinz-Regent am 8. November 1858 vor seinen neu ernannten, altliberalen Ministern entwickelte und auf das man liberalerseits sich später so oft berufen hat. Ein hiesiges fortschrittlihes Blatt besißt die Kühnheit, zu behaupten, dieses Programm sei, im Gegensaß zu der Erklärung des „Reichs- Anzeigers“, damals „unter der Verantwortlihkeit des Ministeriums veröffentliht“ worden. Daran ift kein wahres Wort; das Programm des Prinz - Regenten wurde zuerst Mitte November 1858 bruchftück- weise durch Provinzial-Zeitungen bekannt, und Ende November wurde bier in Berlin eine authentishe Fassung, aber ebenfalls nur als

Zeitungs - Mittheilung veröffentliht. Um aber an einen viel näher liegenden Fall zu erinnern: wie war es denn mit dem, in dem Erlaß an den Reichskanzler enthaltenen, sogar sehr ins Einzelne gehenden Regierungsprogramm Kaiser

riedrih’s TIl. vom 12. März 1888? Dasfelbe war von einem Minister gegengezeihnet, und es ist dennoch auch von den Parteien, welche jeßt sih geberden, als ob etwas Ungeheuerliches geshehen wäre, auf das Freudigste begrüßt worden. Man wird doch wobl nit die absurde Behauptung aufstellen wollen, der Herrscher dürfe eine solhe Kundgebung seiner allgemeinen politishen Auffassung nur beim Beainn seiner Regierung erlassen?! Nach der Verfassung bedürfen die Regierungsakte des Monarchen der Gegenzeichnung eines Ministers; aber für eine Bekundung der Ansichten, von denen er sh bei seinen Regierungsakten leiten lassen will, is er an diese Be- dingung nit geknüpft. Í S Die Bedeutung einer solhen Kundgebung hängt selbstverständlich nicht von ihrem Umfang oder voa dem äußeren Anlaß dazu ab. Troy der Verschiedenheiten, welche in dieser Hinsicht obwalten, besteht die von uns {on hervorgehobene wichtige Aehnlichkeit mit dem Programm des Prinz-Regenten vom 8. November 1858; hier wie dort wird der Anspruch der äußersten Rechten, unter der Maske eines besonders ge- arteten Royalismus ihren Willen der Krone und dem Lande auf- zuerlegen, zurückgewiesen. Damals geshah es, nahdem diese Partei fast ein Jahrzehnt hindur ihre verderbliche Herrschaft geübt hatte; jeßt weist der Kaiser einen erneuten Anspruch auf folhe Herrschaft zurück und da sollte niht jeder Liberale diese Kundgebung mit lebhaftester Befriedigung aufnehmen. nit Alles thun, um für die Zukunft den Gang unseres Staatélebens in dieser vom Kaiser vor- gezeihneten Richtung zu \sihern? Wenn die deuts-freisinnigen Führer verblendet und verbittert genug sind, eine thatsählihe Bestätigung ihrer Klagen über angebliche unerträglihe politishe Zustände leb- hafter zu wünschen, als Sicherheit gegen folche Zustände, so werden die Wähler sih hoffentlich noch vollständiger von ibnen ab- wenden, als es bereits geshehen ist Wie in der Abweisung der politischen und kirhlichen Reaktion, so äbnelt die jüngste Kaiser- lihe Kundgebung dem Programm des Prinz-Regenten von 1858 auch darin, daß Beide das Zusammenwirken der gemäßigten Elemente des Liberalismus und Konservatismus erstreben. Das „Kartell“ kann, wenn es eine dauernde Einrichtung sein soll, nur diese Bedeutung haben, und das nämlie Zusammenwirken damals fraktion8mäßig anders organisirter politisher Kreise war zu der „Reform ohne Bruch mit der Vergangenheit* erforderlich, tie das Wesen des Programms von 1858 ausmachte . . .*

Ueber die „Kohlentheuerung“ lesen wir in der „Deutschen volkswirthshafstlihenCorrespondenz“:

„Nicht nur über Vertheuerung der nothwendigsten Lebensmittel durch die deutshe Wirthschaftépolitik jammert die Manchesterprefse, fast mehr noch scheint sie sih über die eingetretene Preitsteigerung für Kohlen zu entseßen, vielleicht gerade deshalb, weil man einen niht vorhandenen Kohlenzoll toch niht gut dafür verantwortlich machen fann. S

Die Thatsache ift rihtig, dec Kohlenpreis ist gestiegen und zwar, soweit der Detailverkehr in Frage kommt, ziemlich erheblih, weniger der im Engroshandel und am wenigsten der von den sogenannten Strekenhändlern der Zechen gezahlte, Es ist aber wahrlich nit allzu \{chwer, dea wirthschaftlihen Gründen für das Steigen der Kohlenpreise auf die Spur zu kommen. i

Der Preis richtet sich nach Angebot und Nachfrage soweit werden ja wohl die Herren Freihändler mit uns einverstanden sein. Nun, wir haben für Kohlen ein vermindertes Angebot und eine ge- steigerte Nachfrage, ist es da ein Wunder, daß der Preis steigt, und hat man da nöthig, Wirthschafts- und Eisenbahntarifpolitik als Ur- sachen dieser Preissteigerung auszukundschaften? _

Daß das Angebot vermindert ist, hat scine sehr natürliea Gründe. Uer Strike in den Kohlenbergwerken hat es kommt nit allein die Strikezeit selbst in Betracht, sondern auch diejenige, welche dazu gebörte, um die gestörten Betriebëeinritungen der Zechen so weit zu adjustiren, daß die volle Tagesförderung wieder erzielt werden konnte —, also der Kohlenstrike hat unsere gesammten Zechen auf durhsnittlich einen Monat till gelegt. Es feblt also im An- gebot etwa ein Zwölftel einer Jahresförderung. Das ist eben nur der direkte Ausfall, den der Strike in der Förderung und mithin im Angebot verursacht hat; hinzu tritt aber eine niht unwesentliche Mindecproduktion als Folge der Verkürzung der Schichtdauer und des Fortfalls der Ueberschihten, welhe beiden Forderungen bekanntlich den Arbeitern bewilligt sind. Die Schichtdauer ist, wenigstens im Ruhrrevier, um durc(hschnittli eine halbe Stunde gekürzt, und war die Zahl der Ueberschihten wirkli so groß, daß die Bergleute Grund hatten, deéhalb Beschwerde zu führen, so wird man kaum zu hoh greifen, auch diesen Ausfall auf etwa ein Zwölftel der Zehenförderung zu sdâten, sodaß also der gesammte Ausfall im Angebot annähernd ein Sechstel der Zeherproduftion betragen würde. Daß der Ausfall wegen verkürzter Arbeitszeit und Fortfall der Ueberscbichten sehr er- hcblich ist, ergiebt sih u. A. auch daraus, daß die Bergleute bereits über Lohnausfälle zu klagen beginnen, die ihnen im Vergleich zu früber troy der günstigeren Bedingungen erwachsen. y

Auf der anderen Seite steht die Steigerung der Nachfrage. Diese resultirt nicht nur daraus, daß die während des Strikes auf- gebrauhten Vorräthe der Händler und industriellen Werke ergänzt worden sind. Aber \ch{on dieser steigende Begehr nah Kohlen, der sich sogar mit einer gewissen Dringlichkeit geltend machte, mußte preis\teigernd wirken. Vielfach hat man sich auch, und gerade eine Anzahl der größeren Industriewerke ist dem Beispiel der Eisentahn-

verwaltung darin gefolgt, dazu entschlossen, Behufs Sicherstellung gegen-

eine etwaige Wiederkehr cines allgemeinen Kohlenstrikes eiserne Bestände anzusammeln resp. die bisher {hon gehaltenen zu vergrößern. Wie wir {hon früher hervorgehoben haben , liegt hierin die beste Verhütung eines künftigen Koblenstrikes, aber Niemand hat verhüten föônnen, daß dieje Vorsorge in der Nachfrage nah Kohlen sich geltend mate. Drittens aber ist die gesteigerte Produktiv- thätigkeit fast aller Branchen in Betracht zu ziehen, und man braucht ih nur davon zu überzeugen, wie z. B. die Großeisenindustrie für Bauzwecke beschäftigt ist, um einen Maßstab für den Mehrbedarf an Kohle aus diesem Grunde, d. h. für die hieraus folgende Vermehrung der Nachfrage zu finden. Sier- li ist es hôhsstt \{chwierig abzushäßen, ein wie Bruhtheil der früheren Jahresproduktion für diese drei Verwendungs- zwecke absorbirt worden ist; aber unter einem weiteren dritten U derselben dürfte es kaum gewesen sein, sodaß also das Ver- ältniß zwischen Angebot und Nachfrage sih um etwa ein Viertel zu Gunsten der leßteren vershoben haben möchte. Daß aus solher Ver- [Mievung eine Preissteigerung folgen mußte, ist so klar, daß recht ôser Wille dazu gehört, die Ursachen der eingetretenen Preissteigerung anderweitig suchen zu wollen. i : i Uebrigens sind es weniger die Zechen als die Kohlenhändler, die bisher von der Preissteigerung profitiren, und deshalb ist es jedenfalls verfrübt, wenn man die Steigerung der Kohlenpreise {on jeßt in den Coursen der Bergwerksaktien und Kuxe eskomptiren will. Da die Zechen meist auf lange Fristen ihre Gesammtförderung verkauft haben, ihre Kosten aber in Folge des Strikes gewachsen sind, so ist der Schluß jedenfalls nicht allgemein zutreffend, daß die wir1h- schaftliche Lage der Zechen eine gute, wesentlich bessere als im Vor- jahre sein müsse.“

großer

Statistik und Volkswirthschaft.

Zur landwirthschaftlihen Lage. i Die Lage der Landwirthschaft hat sih auch in dem Regierungs- bezirk Marienwerder, wie uns von dort berihtet wird, noh immer nit günstiger gestaltet. Zwar ift eine Wendung zum Bessern insofern eingetreten, als die Preise für Getreide, Vieh (namentli Schweine), Wolle, Molkereiprodukte und Lebensmittel verschiedener Art gegen früher gestiegen sind. Indessen werden die si hieraus ergebenden Vortheile durch ungünstige Umstände, mit welhen gerade die westpreußishe Landwirthshaft \{chwer zu kämpfen hat, mindestens aufgehoben. Die diesjährige Ernte wird dem Landwirth (man taxirt sie an Körnern auf F bis 4's, an Stroh auf wenig mehr als die Hälfte einer Mittelernte) niht viel Getreide zum Verkauf übrig lassen. Dazu kommt der Arbeiter- mangel, der sih gerade in dem leßten Quartal wiederum in sehr empfindliher Weise fühlbar gemaht hat, und welcher den Betrieb außerordentlich erschwert und vertheuert. Die starke Nachfrage nah Arbeitskräften, welche von den rübenbauenden Distrikten und von den Industriebezirken ausgeht, entzieht alljährli dem Re- gierungsbezirk viele Tausende Menschen, die für die Hälfte des Jahres und oft auch für immer- fortwandern, um in Pommern, Brandenbuca, Sachsen, Westfalen zu arbeiten. Diese Wanderungen, welche dur zahlreihe Agenten organisirt werden, sind für die hei- mischen Arbeitgeber um so nachtbeiliger, als gerade die besten und

kräftigsten Arbeiter es sind, die nah dem Westen an- geworben werden. Um den dringenden Bedarf an Arbeits- fräften einigermaßen zu decken, haben viele Landwirthe, theils

mit, theils ohne Erlaubniß und Vorwifsen der Behörden, polnis che Arbeiter aus den benachbarten russishen Grenzdistrikten angenommen. Es wird Mühe kosten, diese ausländishen Elemente wieder zu ent- fernen und ihre Rückehr in die Heimath wirksam zu kontrolliren, zumal es sih in der Regel um Leute handelt, die der ausreihenden Legitimation ermangeln. 5 L

Diese und ähnliche ungünstige Verbältnisse erklären zur Genüge die Thatsache, daß allein während der Monate Mai, Juni und Juli in dem Regierungsbezirk niht weniger als 58 landwirthschaftlich benußte Grundstücke mit 2303 ha Fläche durch Zwangsver- steigerung den Eigenthümer gewech'elt haben. Darunter waren 3 Besißungen von 500 bis 200 ha, 3 von 200—100 ha und 52 unter 100 ha Drei Grundstücke von 38 ha gingen aus polnischer Hand in deutsche, drei andere von 77 ha aus deutscher in polnifche über. In dem gleichen Zeitraum bat sh die Bevölkerung um 1019 Köpfe dur Auswanderung vermindert; davon waren 688 Per- sonen deutscher, 331 Personen polnischer Nationalität.

Submissionen im Auslande.

Rumänien. 1) 13. Oktober. Verwaltungs-Kommission tes 15, Dorobanzers Regiments zu Piatra. Lieferung von 2000 Leinwand-Fußfeßen, 233 Leinwand-Handtüchern. 9) 27, Oktober. Verwaltungs-Kommission des 16. Dorobanzen- Regiments zu Folticeny. Lieferung von 1617 Leinroand- Fußfetzen, 566 Handtüchercn, 201 Kravatten, : E 285 Päckchen fleiner Ausrüstungê-Gegenstände, Näheres an Ort und Stelle.

Verkehrs - Anstalten.

Wie aus Köln (Rhein) gemeldet wird, ist die 1. englische Post vom 5. Oktober ausgeblieben. Grund: Verfehlen des Anschlusses in Köln (Rhein) wegen verspäteter Landung des Schiffs in Ostende.

Erfurt, 6. Oktober. (W. T. B.) Das hiesige Eisenbahn- Betricbsamt giebt bekannt, daß der Verkebr zwishen Naumburg und Artern heute Vormittag 11 Uhr wieder aufgenommen

worden ist. Triest, 6. Oktober. (W. T. B.) Der Lloyddampfer „A cille* ist, von Konstart:nopel kommend, heute Nachmittag hier

eingetroffen.

Theater und Musik.

Berliner Theater.

Frau Hedwig Niemann scßte am Sonnabend ihr Gastspiel am Berliner Theater als Hertha iu Oskar Blumentk,al’'s S{au- spiel „Ein Tropfen Girt* mit shöônem Gelingen fort. Da die Künstlerin naturgemäß solche Rollen wählt, in welchen

sie ihre fast unvergleihlihe Darstellungskunst voll zu ent- falten Gelegenheit findet, fann es nicht überraschen, daß sie auch die weiblihe Hauptrolle des Biumenthal’shen Schau- spiels gewählt hat, deren bestridende Darstellung bei

der Erstaufiührung im Deutschen Theater dem Stücke zu seinem Erfolge verhalf; wie den1 überhaupt dies Schauspiel mit der Darstellung der „Hertha®“ steht und fällt. Fr. Niemann's naiver, herzbewegender Auêsdruck tiefer, sittenreiner Empfindung, ihr ganzes Wesen voll Vornehmheit und Sinnigkeit können hier voll zur Geltung kommen und pflegen in der großen Scene des dritten Aktes mit dem Freiherrn von Mettenborn auch die bis dahin Widerstrebenden zu ergreifen und zu überwinden; hier çipfelte der Erfolg auch am vorgestrigen Abend. Der {nelle und doch so naturwabr dargestellte Uebergang von tiefstem Leid zur bôhsten Freude, ihre Toränen und ihr Lacken, durch welches die vor- hergegangene \chmerz;lihe Bewegung noh hindurchtönte, übten auch vorgestern wieder eine hinreißende Wirkung auf die Zuschauer aus. Das frische, quellende Leben und die muthvolle Seele, welce dieser Gestalt innewohnen, theilten sich dann auch wohl den übrigen Darstellern mit, und hierin liegt der eigentlihe Erfolg des Schauspi-ls, welches im Uebrigen wohl unterhalten kann, aber tieferer Wirkungen ermangelt. Auch vor- gestern \chien das Publikum \sih bei den witigen Einfällen, welche theils dem jugendlih-heiteren Liebespaar, theils dem Allerweltêfreund, dem Baron Brendel, vom Verfasser in den Mund a werden, out zu unterhalten. Die ernst angelegten Charaktere des Schauspiels vermögen dagegen niht in gleihem Maße zu fesseln; ihr Gefühlsleben tritt uns niht greifbar und lebendig genug entgegen, um warmes Mitgefühl anzufahen; wir hören ihren Auseinandersezungen vielleiht mit Interesse zu, aber mit dem Wort entfliegt die Wirkung. Der \{arfe Verstand, der eiserne Fleiß, das ernste Streben des Verfassers, welcher seiner Zeit in dem Schauspiel ein Spiegelbild vorhalten will, sind der Anerkennung werth, und unser Verstand zollt ihm Beifall, wenn au unser Gemüth kühl bleibt. Neben Fr. Hedwig Niemann errang sih den meisten Beifall Hr. Stabl in der Rolle des Baron Brendel, des heruntergekommenen Aristokraten, dessen Ehre fast nur noh im tadellosen Anzug und in den unartastbaren Umgangéformen besteht; Hr. Stahl amüsirte höchli®, doch machte seine große \chauspielerisbe Kraft das plöylihe Hervorbrehen der Moral bei diesem Mann, welcher seit Jahren aus' der Tasche guter Bekannter lebt, nit völlig glaubhaft. Hr. Drach spielte den erfolg- losen Verführer mit vornehmen Maxnieren, aber blaß in der Auf- fassung. Eine sehr erheiternde Wirkung übten Frl. Odilon und Hr. Schindler als sorgloses munteres Liebespaar aus. Der Beifall war sehr lebhaft und galt in erster Linie der Fr. Niemann, welche nach dem dritten Aft einen förmlihen Triumph feierte.

Da die Vorbere tungen zu Wilbrandt's „Markgraf Waldemar“ noch einige Tage mebr, als vorausgeseßt, in Ansrruch nehmen, ist die Première dieses Werkes, die für Sonnabend angeseßt war, verschoben worden. Das Repertoire gestaltet sich nun für diese Woche folgender- O! Dienstag: „Die wilde Jagd", Mittwoch: „Demetrius“, Don- nerítag: „Die wilde Jagd“, Freitag: (6. Abonnements-Vorstellung)

„Ein Tropfen Gift*, Sonnabend: „Demetiius“.