1889 / 254 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 24 Oct 1889 18:00:01 GMT) scan diff

h: E E S E 3 ae eis E 2 4 L 2rraR x E S P B E E s E

geführt von den bürgerlichen Kollegien, ein Musikcorps an der Spipe, zogen vom Marktplaß aus zur Marienwahl, die son von vielen Ludwigsburgern und avs den benachbarten Órten dicht umlagert war. Der Zug vert“ eilte fich in den Wegen der Marienwabl, die äußerste glänzende Linie bildete die Feuerwehr. Auf der Terrafse vor der Via empfing Se. Königliche obeit der Prinz, neben ibm Prinzessin Pauline, die bürger ichen Kollegien, in deren und der Stadt Namen Ober-Bürgermeifter von Abel die Ge- fühle des Dankes für die göttlite Bewahrung in Todesgefabr und die Gelübde der Treue zu warmem Auêsdruck brachte und mit einem Ho \{loß, das innerhalb und außerhalb des Gartens begeisterten Widerhall fand. Mit der ihm eigenen Leutseligkeit und Liebenswürdig- keit dankte der Prinz und unterhielt si mit den Herren, die er in die unteren Zimmer zu einer Erfrishung einlud. Die vereinigten drei Gesangvereine der Stadt gaben der allgemeinen Stimmung erbebenden Ausdruck durch den i nigen Vortrag dreier Lieder : „Kommt, kommt, den Herrn zu preisen*, „Der Herr ist meine Stärke", und des Württemberger Liedes. Im Hauptweg und in seiner Nähe sammelten si darauf die Anwesenden, und als der Prinz mit- seiner Tochter turch die Reiben bis vor das Thor ritt, intonicte das Musikcorps „Nun danket alle Gott“, und es war ergreifend, wie unwillkürlich Alles mit einstimmte, dem Hötsten von Herzen Dank zu fagen. Inmitten der Menge spra dann Se. Königlihe Hoheit warme, bewegte Worte des Dankes an alle Anwesenden, deren Anhänglichkeit und Treue ihm woblgethan, versihernd, daß das \{chmerzlihe Erlebniß vom Sonntag und die vielen Beweise von herzliher Theilnahme bis auf diese Stunde tas Band nur festigen werden, das ihn und seine Familie mit Lutwigsburg verbinde. Von Herzen kamen die Hochrufe, mit denen der Huldigungszug an Sr. Königlichen Hoheit vorüber wieder beim- wärts ging, und das Bild der Eberhardsgruppe und ihr Sinn, S{wabens Treue gegen sein Fürstenhaus, war von dem Schatten, der darauf gefallen, wieder frei geworden. : :

Der „Schwäb. Merkur“ berichtet über die Huldigung:

Prinz Wilbelm gab, indem er die Prinzessin. Pauline an nh beranzog, mit tief bewegter und vor Rührung fast unterbrocener Stimme dem Danke gegen Oben für seine und eines Kindes glüdliche Bewahrung Auédruck, Dies und nicht minder die weiteren Worte Sr. Königliden Hoheit, daß _er dem Uebelthäter gern verzeibe und ibm dies schon am Sonntag persönlich mitgetheilt babe, daß er denselben der Gnade Gottes empfehle, sowie daß feine Liebe und sein Vertrauen zu dem württembergischen Volk dur dieses Erlebniß in feiner Weise ersbüttert sei, machten auf die Umstehenden den tiefsten Eindruck. In den Räumen der Viklia dankte sodann der Prinz den dort eingetretenen Herren nohmals; zurücckommend auf das Attentat, äußerte sih Se. Königliche Hoheit dahin, wie es ihm wie cin Alp vom Herzen gefallen sei, als er die Nachricht empfing, daß der Verhaftete ein offenbar geisteëgestörter Mensch sei.

Ueber die Person des Verbrechers entnimmt der „St.-A. f. W.“ einer Correspondenz aus Ludwigsburg Folgendes: ;

Der 32 Jahre alte Gotthold Martin Müller aus Dethlinaen. O.-A. Kir(hbeim, ist evangelischer Konfession und leidet }eit längerer in an Geisteékrankheit. Zweifeléohne steht binter demselben feine

erbrecherbande. Er war im elterlihen Hause seit längerer Zeit internirt, aus welhem er-deßten Samstag früh durch das Küwen- fenster entsprungen ist. Der Vater desselben war der frühere Land- tags-Abgecrdnete Eugen Müller, Fabrikant in Oethlingen, Abgeord- neter für Marka 1870/76, gestorben 1878, ein turchaus braver, bo ealteter, religiöser Mann von konservativer Gesinnung. Ein rief, welchen Prinzessin Charlotte vor einiger Zeit erhielt und in welhem sie vor einem bevorstehenden Unglück gewarnt wurde, ift, wiezufolge, dem „Schwäb. Merk.* si aus Handschrift und Siegel ergiebt, von Müller selbft- geschrieben. Die Handschrift wurde von dem Bruder Müller's erkannt. Zwei Brüder Müller's leiten in Gemeinschaft mit einem Vetter das von den verstorbenen Vätern ice Geschäft, eiue Wollspinnerei und Färberei, in Oeth- ingen.

Wie der „St.-A. f. W.* vernimmt, bat der Staats-Minister der auéwärtigen Angelegenheiten, Abtheilung für die Verkehrsanstalten, die Königlide General-Direktion der Staatseisenbahnen an-

ewiesen, alsbald mit den Vorarbeiten zu beginnen: a. für die Erbauung einer von der Hauptbahn, etwa bei Untertürkheim, abzweigenden, an einem noch zu bestimmenden Punkt, etwa bei Zuffenhausen, in die Hauptbahn wieder einmündenden Ve r- dindungsbahnfürGüterzüge, mit direkter Geleiseverbindung mit der Remsbahn, ohne Berührung der Stationen Stuttgart, Kannstatt und Feuerba, b. für eine zunäbst dem Güterverkehr dienende Verbin- dungsbahn, von der Hauptbahn abzweigend bei Zuffenhausen nach der Station Hasenberg, sowie für die Einrichtung diefer Station für Stückgüter- und Wagenladungsverkehr in einem der Bedeutung eines zweiten Güter- und Rangirbahnhofs für Stuttgart entsprebenden Umfang. Diese Bahnlinien sind dazu bestimmt, den Stuttgarter Bahnhof zu entlasten.

Baden. Karlsruhe, 23. Oktober. (W. T. B.) Bei den heute begonnenen Landtagswahlen haben die Liberalen 5 Sitze an die Ultramontanen und einen an die Demokraten verloren. Jn Durlach wurde der konservative Kandidat ohne liberalen Gegenkandidaten gewählt; somit ist der konservative Besißstand der Kammer gewahrt. Jn Lörrach unterlag der deutschfreisinnige Kandidat dem bis- herigen Vertreter. Die Ultramontanen haben 5, die De- mokraten einen Sig gewonnen.

effsen. Darmstadt, 23. Oktober. (Darmst. Ztg.) Se. Königliche Hoheit der Erbgroßherzog hat sih heute zur Fortsezung seiner Studien nah Leipzig begeben. Gestern traf Se. Königlihe Hoheit der Prinz Christian zu Schleswig-Holstein zum Besuch der Großherzoglichen Familie hier ein.

Sachsen - Weimar - Eisenach. Weimar, 23. Oktober. (Th. C.) Se. Königliche Hoheit der Großherzog hat seit voriger Woche Aufenthalt in Neapel genommen.

Sachsen - Coburg - Gotha. Coburg, 283. Oktober (W. T. B.) Der Prinz erdinand von Coburg ist heute zum Besuch des Herzogs hier eingetroffen und wird Nachts nah Sofia zurückrei)en.

Oesterreih-Ungarn. Wien, 24. Oktober. (W. T. B.)

eute fand in Frohsdorf die Trauung des Erzherzogs eopold Salvator mit der Prinzessin Blanca von Castilien und Bourbon, ältesten Tochter des Herzogs von Madrid, statt. Außer den et wohnten der Trauung der Erzherzog Karl Ludwig, als Vertreter des Kaisers, piele Erzherzöge und Erzherzoginnen, aus Paris und Madrid eingetroffene Mitglieder der hohen Aristokratie und je 30 spanische und französische Kavaliere bei. Der „Polit. Corr.“ zufolge wird der mit der Vertretung Sr. Majestät des Kaisers bei den Hochzeitsfeierlich- keiten in Athen Letraute diesseitige Gesandte in Athen, aj rp von Kos jek, dem Könige von Griechenland eigenhändiges Glückwunshshreib en des Kaisers überreichen. , In der gestrigen zweiten Plenarsitzung der Evangelischen General-Synode erhielt das Präsidium die Ermächtigung, dem württembergishen Königshause anläßlih des

Attentates auf den Prinzen Wilhelm die freudigen Gefühle der General-Synode über die Abwendung der Gefahr zu übermitteln. Eine Deputation der Evan- gelishen General-Synode begab sich gestern zu dem Minister - Präsidenten Grafen Taaffe, um den- selben um Schug und Wohlwollen für die evangelische Kirche zu bitten. Graf Taaffe erwiderte, die evangelische N bedürfe seines Schußes nit, da die Staatsgeseßgebung hierfür ausreichend sei; fie könne jedoch seines Wohlwollens, wie bisher, sicher sein; die General-Synode möge auf ein fried- liches Wirken der Seelsorger Einfluß nehmen.

Prag, 22. Oktober. (Presse.) Der Oberst-Landmarschall Fürst Lobkowiy sandte heute an sämmtlihe deutsche

andtags- Abgeordneten im Sinne der Geschäftsordnung

die Aufforderung, binnen 14 Tagen im Landtage zu er- scheinen, widrigenfalls der Mandatsverlust über dieselben aus- gesprochen werden würde. y

Fnnsbruck, 23. Oktober. (W. T. B.) Die Abgeord- neten von Süd-Tirol haben beim Landtage einen An- trag auf Gewährung autonomer Verwaltung und eines eigenen Landtages für Wälsch- Tirol eingebracht, die Vorlage eines solchen Gesegentwurfs solle spätestens in der nächsten Session gemaht werden. Der Antrag steht auf der Tagesordnung der nächsten qung.

Laibach, 23. Oktober. (W. T. B.) Wegen Verdachtes einer gese Ee religiösen Agitation in Podraga ist eine Gerichts ommission dorthin ab- gegangen, welche den Agitator Jvan Bozic verhaftete und dem Bezirksgerichte einlieferte.

Großbritannien und JFrlaud. London, 23. Oftober. (A. C.) Der Präsident des Handelsamts Sir Michael Hicks-Beach hielt gestern in Bristol eine An- sprache an seine Wähler über die politishe Lage. Wie der Minister des Jnnern Matthews und Chamberlain bestritt er, daß der Ausfall der jüngsten Ersazwahlen als Barometer der politishen Stimmung des ganzen Landes betrachtet werden könne. Vorläufig mangele jeder Beweis dafür, daß die Stimmung zu Gunsten der Aufrechthaltung der Union zwischen Groß- britannien und Jrland geshwäht worden jet. Homerule bedeute die Gewährung von Sonderparlamenten an Wales, Irland und Schottland, und “über diese könne das Reihs- parlament unmöglih ein Uebergewiht ausüben. Ein solches Uebergewicht würde ebenso bloßer Schein sein wie Gladstone's unglücklihe Suzeränität über Transvaal. Homerule be- deute einfah die Vernichtung der bestehenden Landes- verfassung und deren Ersezung dur ein Föderalsystem, welches unzählige Zerwürfnisse verursahen und verhängnißvoll für die Stärke Englands als Reich sein würde. Der Miniiter drüdcte \cließlich die Ueberzeugung aus, daß die gesunde Ver- nunft des englishen Volks die Politik der gegenwärtigen

Regierung rechtfertigen würde.

In einer heute in Southport veranstalteten liberalen Versammlung hielt Gladstone eine Rede. Bezüglich der inneren Angelegenheiten erklärte er,dem „W. T. B. “zufolge : es ei ihm unmöglich, den Plan der zukünftigen liberalen Politik darzulegen. Das Programm der liberalen Partei sei aber in den Hauptsacher. hon bekannt... Die irische Frage überwiege immetLrech alle andern. “Die jüngsten Wahl[l- resultate seien für die liberale Partei -. schr ermuthigend und enthielten zugleih eine Warnung für diè Konservativen, so os England zuleßt doch die irishen Forderungen zugeben werde.

Frankreih. Paris, 22. Oktober. Der Minister- rath begann, wie wir dem „Journal des Débats“ entnehmen, in seiner heutigen Sißung mit der Berathung des Budgets pro 1891, welhes den Kammern bei Beginn der ordentlichen Sigzung im Januar k. J. sofort vorgelegt werden soll.

Bei der Beisezung des Königs Dom Luis von Por- tugal wird, nah der „Köln. Ztg.“, die französische Regierung durch den bevollmächtigten Minister in Lissabon, Billot, als besonderen Gesandten, den General Vois1n und zwei andere Offiziere vertreten sein.

Der Oberst Vincent, unter Boulanger Vorsteher des Auskunftsbureaus im Kriegs-Wiinisterium, ist zur Disposition gestellt worden.

Türkei. Konstantinopel, 24. Oktober. (W. T. B.) Zwei Panzerschiffe sind nah den Dardanellen ab- egangen, um die Ankunft Sr. Majestät des Kaisers ilhelm zu erwarien. Auf Befehl des Sultans wird außer den Kaiserlihen Yachten „Sultanieh“, „Jzzedin“ und „Stambul“ ein aus 6 Panzerschiffen und 2 Fregatten tei eig Geshwader demnächst zu demselben Zwecke abgehen.

Griechenland. Athen, 23. Oktober. (W. T. B.) Heute Abend fand ein Galadiner zu Ehren der dänischen Majestäten statt. Der Staats-Minister Graf Bismarck ist in Korfu angekommen.

Rumänien. Bukarest, 24. Oktober. (W. T. B.) Der König und der Kronprinz sind während ihres mehrtägigen Aufenthalts in Jassy, sowie auf der Reise von Jassy nah Berlad, überall enthusiastisch empfangen worden. Man is allseitig einig in der Anerkennung der großen Be- deutung, welche die Anwesenheit des Kronprinzen für die Zu- cut 2 Landes hat. Der König wird morgen in Sinaia erwartet.

Serbien. Belgrad, 23. Oktober. (W. T. B.) Jn der heutigen Sigung der Skupsctina richtete bei der heute fortgeseßten Verifikationsdebatte die Opposition heftige Angriffe gegen die Regierung, wegen ihres Verhaltens bei den Wahlen. Morgen dürfte die Adreßdebatte beginnen.

Amerika. Washington, 23. Oktober. (W. T. B.) Der internationale Kongreß der Seeuferstaaten beendete die Vorberathung des Reglements, betreffend den Kurs von Schiffen, und vertagte si sodann bis Montag. Der Delegirte für Costa-Rica ist hier eingetroffen.

_ Asien. Japan. Yokohama, 23. Oktober. (W. T. B.) Die Verleßungen, welche dem Minister des Aeußern Grafen Okuma Sigenobu bei dem legthin auf ihn aus- geübten Attentat beigebraht worden, sind ernstlicherer Natur, als man anfänglih angenommen hatte. Das eine Bein mupyte amputirt werden. Der Krankheitsprozeß nimmt indeß einen günstigen Verlauf.

Persien. Teheran, 23. Oktober. (W. T. B.) Die Kaiserlich persishe Bank ist heute eröffnet worden ; der Geschäftsbetrieb hat begonnen.

Parlamentarische Nachrichten.

Jn der heutigen (3.) Sißung des Reichstages, welcher der Staats)ekretär des Jnnern, Staats-Minister Dr. von Boetticher sowie andere Bevollmächtigte zum Bundes- rath nebst Kommissarien beiwohnten, theilte der Präsident zunächst mit, daß eine Uebersicht der vom Bundesrath gefaßten Entschließungen auf Beschlüsse des Reichstages aus der vorigen Session eingegangen ist.

Auf der Tagesordnung stand die Wahl der Präsi- denten und der Schriftführer. i

Bei der Wahl des ersten Präsidenten wurden 216 Stimmen abgegeben, von denen 6 unbeschrieben waren; von den 210 gültigen Stimmen fielen 209 auf den bisherigen Präsidenten von Leveßow, eine auf den Abg. Friedrichs. Der Präsident von Levezow nahm die Wahl mit folgenden Worten des Dankes an:

„Meine geehrten Herren! Aufrichbtig dankbar für die mir er- wiesene große Ehre nehme i die Wabl zum räsidenten des Reichs» tag2s für die begonnene Session hiermit an. ch schâte diese Wahl um so höher, als ich daraus glaube ein Anzeichen herleiten zu dürfen dafür, daß Sie Ihr mir lange und oft bewiesenes Wohlwollen, Ihre Na&siht mit meinen s{chwaen Kräften und meizem guten Willen erbalten haben und erhalten werden. Dem durch meine Amtsführung nah allen Seiten zu entsprechen, wird mein erstes und ernstes Streben sein. Quod habemus, damus. Das versichere ih ehrlich.“

Bei Schluß des Blattes wurde die Wahl des ersten Vize-Präsidenten vorgenommen.

Zeitungsftimmen.

Von den Erörterungen über die Eröffnungsrede zum Reichstage heben wir zunähst hervor, was der „Ham- burger Correspondent“ über ihre friedlihe Be- deutung jagt: :

„Die friedlich gestimmte und Frieden verheißende Eröffnungëérede zum Deutschen Reihstag wird im In- und Auslande einen tiefen Ein- druck machen. Zwar sind in früheren Tbronreden die friedliben Be- strebungen der deutschen Politik und der ledigli defen]tve Charafter des Dreibundes wiederboit sckarf und vor zwei Jahren sogar mit der Abwehr unthristliher Neigungen zu Ueberfällen benawbarter Völker betont worden, aber der „Glaube“ an den Fortbestand des europäischen Friedens ward seit 1886 ridt mehr auëgesprochen. Im vorigen Jahre durfte der Kaiser in Hinblick auf den Empfang, den er bei bcfreunde- ten und verbündeten Döfen gefunden hatte, die Hoffnung hegen, daß die Wohlthaten des Friedens erhalten würden ; die Hoffnung hat fh inzwischen nit nur erfüllt, sondern auch in Folge der weiteren Pflege der versönliben Beziehungen und der Stärkung des Vertrauens in die deutshe Friedensliebe in Zuversicht verwandelt. Und wenn dieser gute Glaube au nur für das nädbite Jahr ausgesproden wird, so ist damit doch in Anbetrat§t der bisher obwaltenden Unsiberbeit und weiter der Nothwendigkeit, nur mit absehbaren Zeiten und stets au mit unabsehbaren Zwischenfällen zu rechnen, {on viel gesagt“.

_Die „Hallische Zeitung“ ‘schreibt über den gleihen Gesichtspunkt : A

„Was der Tbronrede, mit welcher der Reichétag eröffnet worden, weit über Deutshlands Grenzen hinaus eine hervorragende: Bedeutung verleiht, ist itr ungemein friedlicher Charafter. Sit langen Jahren find wir daran gewöhnt, daß die Kaiserlichen Kund- gebungen zu Beginn der Reicstazsfessionen in die feierlihe Versihe- rung der friedliebenden Politik des Reichs und in die Hoffnung a:f die Erhaltung des Weltsriedens den Schwerpunkt legen ; so betimmt aber bat die Aeußerung kaum jemals gelautet, wie beute. i:

So erfreulich dies ist, so bringt aber die Thronrede zugläch fehr ein- dringlih zum Bewußtsein, um welchen Preis allein das bohe Gut des riedens behauptet werden kann, um den Preis nämli aber- maliger bedeutender Opfer für die Verstärkung unserer Wehrkrcaft.“

Ferner schreibt in dieser Beziehung der „Schwäbische Merkur:

„Man wird ungewöhnlich lebhaften und erregten Verhandlungen entgegensehen dürfen. Da terührt um so wobltbuender die rußbige, von aller Erregung freie Sprate der Thronrede, die, was sie zu be- rühren bat, maßvoll, {chlidt und vor allem aufrihtig zum Vortrag bringt. Keineswegs versteckt und vorsichtig in die ‘itte genommer, treten die militäriscen Neuforderungen auf. Man meint, troß- dem ja Thronreden keine persönlichen Meinungéäußerungen sind, die offene, foldatis6e Natur unferes jungen Kaisers zu veripüren, indem die Thronrede gleich an den Anfang ftellt, was von den Abgeordneten und der Bevölkerun, wenn au als Nothwendigkeit, so doch als harte Rothwendigkeit empfunden werden wird: die neue Veritärkung der Wehrkraft zu Lande und zu Wasser und die daraus erwahsende Folge, daß die Umlagen auf die Einzelstaaten nicht unbeträchtlih in die Höbe gehen. Der alte General von Bovea hat es freilih in seinen Denkwürdigkeiten treffend ausgedrüdt, was hier zu beberzigen ift: „das Maß unserer Rüstungen wird niht von uns, sondern von unsern Nachbarn und dereinstigen Feinden bestimmt.“ Und wenn die Lage so ist, daß der Schlußz der Thronrede recht vorsichtig die Hoffnung auf Erhaltung des

Friedens zunächst nur wieder auf ein Jahr bestärkt, dann werden freili

die Stimmen im Reicbstag zu zählen sein, welche die neuen Forderungen ablehnen werden.“

Die „Magdeburgische Zeitung“ bemerkt:

„Wenn dem Glauben, daß der Friede der europäishen Welt auf Grundlagen der bestebenden Verträge mit Goties Hülfe au im nächsten Jahre erhalten bleiben werde, wie man sicht, eine gewihe Beschränkung gegeben ist, so darf das niht als ein ungünstiges Symptom ausgelegt werden. So haben sich leider die Dinge noÿ nicht gestaltet, daß niht immer mit kriegerisden Möglichkeitea rechnet werden müßte, und die neuen Mehrforderungen [Ur militärishe Zwecke erinnern ja glei#falls an diese wenig erfreuli (e Thatsache. Indeß wir sind bescheidener geworden, wir haben gelern!, auH die Gewißheit, für die nächste Zeit von kriegerischen Verwid- lungen niwts zu besorgen zu baben, als etwas Tröftliches hinzunebmen. Au jcht läßt sich wieder beobachten, daß die friedlichen Erflärungen der deutschen Thronrede auf die geschäftstreibende Welt den günstigsten

Eindruck gemacht haben.“ i Die „Danziger Allgemeine diene M endli nungsrede folgende

knüpft an die friedlihen Worte der Erö Bemerkung:

„Auf Beifall bei allen Parteien des Reichs und bei allen Frieden freundea im Auslande hat der Schlußpafsus der Rede zu renen und man darf bei unseren Verbündeten und in der civilisirten Welt des freudigsten Widerballs der Worte gewärtig sein, welche dle Befestigung des Vertrauens auf die ehrliche Friedenê- liebe der deutshen Politik Hervorheben und demnächst dit Zuversicht auf Erhaltung des europäischen Friedens im nähsten Jahre bekunden. Die Thronrede vom 22. November 1888 sprach im A an das vertrauensvolle Entgegenkomme#- welches unjer Kaiser bei seinen Besuchen im Auslande gefunden hatte, die Hoffnung auf den Fortbestand des europäishen Friedens aus. Das Ergebniß dec Kaiserlichen Politik während dieses Jahres ift, daß \ih mittlerweile die Hoffnung in Glauben verwandelt Ha! Möchte der Reichstag mit aller Kraft dazu mithelfen, daß die besten Früchte für die innere Politik aus der in Folge der weisen Leituns der auêwärtigen Beziehungen eingetretenen Gunst der allgemeinen Lage gezogen werden.“

Sozialistengeset handelt, schreibt die

üglih des Passus der Merinos, welcher von dem 3 | ölnishe Zeitung“: „Je auégiebiger Staat und GesellsGaft in der Fürsorge für die wicihschaftlich s{wächeren Klassen ihre sozialpolitiswe Pflicht thun, mit umso rubigerem Gewissen können sie mit allen geseßlicen Macht- mitteln gegen die Umfturzbewegungen einschreiten. Ueber die Noth- wendigkeit eines Schußgeseßes für die Gesellschaft bestebt in den denkenden bürgerlihen Wäblerkreisen wobl faum eine Meinungs- pvershiedenheit. Das allgemeine und gleie Reichstag2wablrecht hat auf dem Gebiete der fozialdemokratishen Bewegung seine Wir- fungen noch keineswegs auch nur annäkernd vollständig geäußert. Um so nothwendiger sind Vorkehrungen, welche diese mächtige Bewegung in ten Schrarken der Ordnung und Geseglihkeit erhalten. Hoffentlich werden die maßgebenden Parteien Mittei und Wege finden, sich über eine dauernde Regelung dieser Frage zu einigen.“ Ueber die Ausfichten der Reichstags-Session lesen wir in der „Nationalliberalen Correspondenz“ Folgendes : „Die Session wird allerdings neben ibren sachliwen Arbeiten stark von der Aussi@t auf die bevorstehende Wahlbewegung beeinflußt werden und ihr Gepräge empfangen. Es wird die parlamentarische Agitation beginnen, welhe den Boden für die alsdann folgende un- mittelbare Bearbeitung der Wäbler bestellen soll. Man wird unter diesen Umständen ungewöbnli@ lebhaften und erregten Verhandlungen entgegensehen dürfen. _ Es fehlt den Oppo- fitionéparteien bießer noch an wirksamen und zugkräftigen Agitations\@lagwörtern. Was sie zu solchen zu maten su@ten, alé Lebensmittelvertheuerung, Branntweinfteuer, Arbeiterinvalidenver- siherung, Sozialistengeseß, Verlängerung der Legislaturperioden 2c, hat sich bereits ftark abgenußt und wirkt bôdftens no in denjertgen Kreisen, die nit erst mehr gewonnen ju werden trauen. Man wird gelassen atwarten können, ob die Reickstagssession diesem abgerußten Stoff neue wirksame Verei&erung zuführen wird. Die „Kartellparteien“ werden die Kritik ihrer Leistungen ebenfo wenig im Reichstag als demnächst vor den Wählern zu sheuen brauchen. Wenn nit Alles aus der Gesetzgebung der legten drei Jahre populär ist, fo wird daraus fein verständiger und bejonnener Mann der Reichstag#®- mehrbeit einen Vorwurf machen. Die gewaltigen Anforderungen, die ein großes Reich und Staattwesen an seine Angebörigen stellt, legen den legteren unrermeidlid manwe Lasten auf, die der Einzelne biéweilen fchwer empfindet. Nur frivole Agitatoren aber vermögen die Opfer, die der Einzelne zum Wohl des Vaterlandes und der Allgemeinheit zu bringen gezwungen iît, als willfürlihe Auëbeutungen und Bedrückungen Seitens einer volkéfeindlihen Regierung und einer ibr unbedingt ergebenen Reicstagsmebrbeit darzustellen und die boten Eüter idealer sowobl als materieller Art, die mit jenen Lasten erkauft werden, zu übersehen oder gering zu s{äßen.“

Entscheidungen des Reichsgerichts.

Die durch die mangelhafte Behandlung eines Me- diziner s bervorgerufene vorübergehende Verschlimmerung der Krankheit des Patienten ist nach einem Urtbeil des Reick8gerits, I. Strafienats, vom 20. Mai 1889, als fahrlässige Körper- verleßung zu bestrafen. „Der ‘§. 223 Str. G. B. fett feincéwegs die Beschädigung einer noch intakten Gesundbeit zu seiner Anwendung voraus, sondern er bâlt den Menschen insoweit für gesund, ais er nicht erfrankt ift, und es ift darum die Vershlimmerung seiner Gesundheit als eine Beschädigung der Gesundheit anzusehen. Nur für das Strafmaß fann es unter Umständen von Bedeutung sein, daß der an seiner Gesundheit be- sch¿digte Mens bereits crkrankt war, weil die PVerursahung nit weiter zur Strafe gezogen werden kann, als sie reiht“.

Der Fuchs is nah einem Urtbeil des Reicsgerichts, I, Strafsenats, vom 24. Juni 1889, in Bayern sowobl im Gebiete des bayerischen Landrechts als auch im Gebiete des gemeinen Rehts als jaadbares Thier anzusehen; jagt Iemand in Bayern auf einen Fus an Orten, an denen er zu jagen nit be- re6tigt ift, so ist er demna wegen Jagdvergebens aus §8. 292—294 Strafgeseßtu{s zu bestrafen.

Statiftik und Volkswirthschaft.

_Roheisenproduktion.

Nach ten statistischen Ermittelungen des Vereins deutswer Eisen- und Stablindustrieller belief sch die Robeisen- produktion des Deutschen Reis (eins{l. Luremburgs) im Monat September 1889 auf 373185 t; darunter Puddelrokeisen und Spiegeleisen 173 367 t, Bessemerrobeisen 30 162 t, Thomaëroheisen 190552 t und Gießereiroheisen 49 104 t. Die Produktion im Sep- tember 1888 betrug 353 812 t, im August 1589 378509 t. Vom 1. Januar bis 30. September 1889 wurden produzirt 3215528 t gegen 3 168 641 t im gleihen Zeitraum des Vorjahres.

/ Häringsfischerei.

Die Lage der Emdener Häringsfischerei-Aktier-Gesellscaft scheint sich erfreuliher Weise zu bessern. Sie hat in diesem Iahre das günstige Ergebniß zu verzeichnen, daß ihre 17 Logger bis jeßt 51 Fahrten zurüdgelegt und 15367 t in Seepackung eingebracht baben, nährend im vorigen Jahre im Eanzen nur 14 430 t zugeführt wurden. Leider sind die Häringépreise in Folge der großen Konkurrenz auf dem Weltmarkte niedriger als îm vorigen Jahre; die neuerdings eingetretene Erböhung der Flcishpreise hat jedoch insofern günstig auf die Preisbildung eingewirkt, als wenigstens ein weiteres Sinken der Preise nit zu befütchten steht.

i Zur Arbeiterbewegung.

Wie aus Chemniß, 23. Oktober, gemeldet wird, ist dur Vermittelung des Amtéhauptmanns Dr. Fischer der Strike der trumpfwaarenarbeiter in Thalheim beendet; es sind 10 bis 15 9% Lohnerhöhung gewährt worden. Dagegen machen fic in anderen Orten der Umgegend Lohnbewegungen in derielben Branche bemerkbar.

Aus Bristol, 23. Oktober, meldet „W_ T. B.*: Unter den Dogarbeitern ift beute ein Strike ausgebrochen; 1000 Ardeiter baben bereits die Arbeit eingestellt.

Aus Paris erfährt die „Köln. Ztg.“, daß die Ausstands- bewegung im Pas de Calais wieder an Au8debnung gewinnt; geftern feierten 13 000 Arbeiter. Im Nord ist alles rubig. Die [rbeiter der Gesellshait von Anzin scheinen sid mit ter obne Arbeits- einstellung erreichten Lohnerhöhung von 10 9/6 zufrieden zu geben.

Kunst und Wissenschaft.

Der Königlichen -National-Galerie in Berlin sind von der verstorberen Schriftstellerin Fr. Fanny Lewald-Stahr tei Delgemälde hinterlafsen worden. Das eine, von Steinbäuser gemalt, ift das Bildniß ibres verstorbenen Gemahls, des Kunst- gelehrten Dr. Adolf Stahr; das - zweite ihr ciocnes Porträt, von ider gemalt, und tas dritte endli cin weiblices Bildniß von

. Magnus, welches aus defsen mittlerer Schaffenépeciode datirt. Dex rerslorbene König Dom Luiz ron Portugal war, i die „Ves Ss, \chreiot, ein begabter auëübender Künstler, wo- A die Aquarelle Zeugniß giebt, welche derselbe dem Verein Berliner ünstler gelegentlih seines Besuches der Jubiläums8-Ausfstellung 1886 ete. Der Verein errannte den König darauf am 1. Januar 1887 ju seinem Ebrenmitgliede, und das betreffende, von A. von Werner uêgeführte Diplom, welches im Verein Berliner Künstler diesen Uer, ausgestellt war, hat derselbe noch einige Wochen vor inem Hinsceiden erhalten. Wie üblich, hat der Verein Berliner a ler seiner Trauer um das Hinscheiden seines hohen Ehren- gliedes Ausdruck gegeben durh Absendung eines Kranzes nebft In-

schrift an den deutshen Gesandten in Liffabon, mit der Bitte, den- selben Namens des Vereins am Sarge des dabingeschiedenen Herrsbers niederzulegen.

_ Das Bau- Bureau für die Erhaltung des Heidelberger Sólosses wird bis 1. NoremL5er d. I. na nunmehr 6éjähriger Thätigkeit und nahdem es die ihm gestellte Aufgabe gelöft hat, auf- gehoben werden.

Das in Heilbronn bestehende Comité für Errichtung eines Denkmals für Robert Mayer, ten berühmten Entdecker des mechanischen Wärmeäquivalents, hat nunmehr, wie die M. „Alg. Ztg.“ mittbeilt, das Modell des Professors Rümann in München ange- nommen und den Künstler mit der Ausführung des Denkmals be: auftraat. Das Denkmal, bestehend aus GranitïoÆel und Bronze- figur, soll bis 1893 vollendet und aufgestellt sein.

Behufs deuts{ge\chichtlicherForshungen ift der „Hall. Ztg.“ wiederum zufolge ein jüngerer Archivbeamter. Hr. Dr. Ehren- bera, nah Rom in die vatikanische Bibliothek entsendet worden. Die Mission des Dr. Ehrenberg, der bis vor Kurzem Staats-Arcivar in Königsberg war, ist auf den Zeitraum eines Jahres bemessen.

Die in Sciersiein aufgefundenen Frankengräber er- regen, wie die „Wiesbadener Presse“ schreibt, in ten weitesten Kreisen das bôchste Interesse. Die breite Bruft der Bestatteten deckt ein ftarker Stild. n Seite liegt ein langer, mit Wider- haken versehener Speer. In drei Gräbern fand man auch die charafteristishe, nebenbei bemerkt äußerst zierlide Streitart, die glei% gut zum Hauen wie zum Werfen geschmiedet ift. Viele größere und fleinere Werkzeuge und Gerätbe geben Kunde über fränfishe Verribtungen; mande lafsen uns allerdings über ihre ehe- inalige Verwendung nur Vermuthungen anstellen. Recht interessant sind au die Grâber, welche weiblihe Gerippe enthalten. Sind aué die beigegebenen Shmucksachen niht von besonderem materiellen Werth (sie bestehen fast ausschließlich aus Kupfer), fo sind do§ alle mit bewundernswerther Kunst gearbeitet. Unter den zablreicen Brohen finden sch wiederholt die Figuren des Frnmmgeschnäbelten Falken, des Liebling8vogels der Franken, und der gewundenen Schlange. Die Augen sind stets durch funkelnde Almandine dargestellt. Ein befonders kunstvolles Armband stellte ¿wei miteinander vers{lungene Scblangen dar. Daß die fränfishen Frauen au bäusliwen Arbeiten obiagen, beweisen mebrere Näbnadeln sowie die :ablreihen dur{bro@enen Halbkugeln, welcze bei der Herstellung der fränkishen Leinwand Verwendung fan- den. Unter den aufgefundenen Saten befindet Kch vieles Verwardt- scwaftlihe mit altrômisben Gegenständen, einzelne müfsen fogar als rômisde bez:cibnet werden. So fand man zwei Münzen mit den Bildxifsen römischer Kaiser sowie au einen Ring, der na Art der bistoriséen rômishen Giftringe einen kleinen Behälter trägt. Selbst die zierlihen römischen Thränenkrüglein fehlen niht. Mehrere Ge- rätbe sird Na&bildungen römisher Muster.

Ueber bloßgeleate Mosfaiken schreibt die „Istria*“: Dieser Tage wurden nach langer Arbeit die berrliben Mosaiken, welche unter dem Altar der St. Maurus-Kapelle in der Euphra- sianischen Basilika in Parenzo entdeckt worden waren, bloß- gelegt. Die Zeichnungen sind von außerordentlicher Feinkeit, unter anderem finden sid die iymbolishen Fische und das Kreuzeszeichen verborgen unter kunstvollen Zierrathen, was ein sicherer Beweis für den éristliben Charakter und das bobe Alter der ch‘iofaifen ift. Morsignore Deperis gebührt das Verdienst diefer neuen Funde, die, abge’seben von ihrem funstbistorischen Werthe, überaus wichtig find für die Lösung vieler bisher unerforschter, ja theilweise neu auf- taubender Fragen, betreffend die Geschichte dieser Basilika. Bekannt- li gebört der Dom von Parenzo zu den s{önsten christlichen Baus denkmälern aus spätrêömischer Zeit.

Ueber die Ausgrabungen in Troja theilt „Lauser's Allg. Kunst&r.* mit: Heinri S{ch{liemann in Athen gedenke im Monat November, spätestens aber kommenden März, die Ausgrabungen in Troja wieder aufzunehmen. Durch die Be- mübungen des deutshen Botschafters in Konstantinopel, von Radowiß, ist derselbe bereits in den Besig des Kaiserlidzen Ferman gelangst. Diese neuen Ausgrabungen werden ohne Zweifel mehrere Jahre dauern, und zwar will Stliemann diesmal besonders der Unterstadt Troja, deren Eriftenz Bötticher bekanntlih geleugnet bat, seine Thätigkeit zuwenden. Séliemann hat die Akademien von Wien, Berlin und Paris ein- geladen, mit aräologischen Forshungen vertraute Tecniker oder Fachgelehrte zu entsenden, um auf seine Kosten einige Wochen hin- durch an den Ausgrabungen theilzunehmen.

Ueber Bücerdruck auf bemishem Wege, worüber unter der Rubrik „Kunst und Wißenschaft“ in Nr. 253 des „R.- u. St -Anz.* eire dem „Centralbl. für Bibliothekwesen* entnommene Mittheilung gebradt wurde, gebt der „Franff. Ztg.“ aus dem Leser- kreis folgende berihtigende Ergänzung zu: Das Verfabren des „chemischen Neudrucks* besteht hon seit längerer Zeit, ist aber erst in den legten Jahren dur einige lithographische Arstalten, die sich demseiben spezieller zuwandten, auch in weiteren Kreisen bekannt ge- worden. Zu umfangreichen Vervielfältigungen wird si jedo dieses Verfabren, {on des Preises wegen, niemals eignen; es wird immer nur ein Notbbebelf bleiben Einzelne verdorbene Bogen oder Blätter älterer Werke, die durd den Buchdruck heute nit mebr erseßt werden können, weil die entsprehenden alten Buch- trucktyven ni&t mehr existiren, können dur diesen „chemisden Neu- druÈ“ ihre Auferftehung finden, weshalb das betreffende Verfabren au die Bezeichnung „anastatisher Druck“ erhalten bat. Deszleichen werden einzelne vergriffene Lieferungen, Hefte oder auch bie und da einzelne vergriffene Bände umfanareicerer periodis%er Werke, aber ste1s nur in beschrânfter Zabl, durch dieses anastatische Druäverfabren wieder bergestellt werden können, um dadurch die ganze Bände-Serie des betreffenden Werkes wieder zu kompletiren. Und nur darin bestebt der Nuyen des Verkäufers, daß er die kfomplete Serie wieder zum Kaufe anbieten kann, die unverkäuflid sein würde, wenn einzelne Theile gänzli feblten. Es wird aber Niemandem einfallen, einzelne selbständige Werke durch den anastatishen Druck zu verviel- fältigenz es würde dabei nur Geld zugelezgt werden; hier ist der Buödruck dur nichts zu verdrängen. Was endli die Haltbarkeit des anastatis6en Druckcs betrifft. 10 ist an derselben nit zu zweifeln. Nur die Uebertragung der Drucks{rift auf Stein geîcieht auf chemishem Wege. Ist dieselbe erfolgt, dann tritt der gewöhnliche Steindruck ein; und die Lithographie ist bekanntli ebenio baltbar, wird ebenso wenig unleserlich und zerfcißt das Papier ebensowenig wie der Buchdruck. Nach alledem ift es auf jeden Fall unberechtigt, das anastatische Druckverfahren in die Kategorie de: „Fälsungen“ zu rangiren. Es ist, wie gesagt, ein Notbbebelf, ein Surrogat; abec nit jedes Surrogat ist unbedingt eine Fälschung.

Land- und Forstwirthschaft.

l Steppenbühner. Auf der S chreibendorfer Feldmark ist, wie dem „Obers&[. M aus Brieg gemeldct wird, ein Volk Steppenhühné[r bemerkt worden.

Seidenzucht in Ungarn.

Na den Mittheilungen des Königlih ungarishen Handels- Miinisteriums hat Ungarn im lehten Iabre einen bedeutenden Fortschritt in der Seidenzuct gemacht. Die Provuktion der Seidengaletten stieg ron 451511 kg im Jahre 1887 auf 703 488 kg im Jahre 1888; im Jahre 1879 wurten nur 2507 kg gewonnen, 1884 122 133 kg.

Handel und Gewerbe.

Die „Zeitshr. für Spiritus-Ind.“ giebt folgenden Bericht über den Handel mit Stärke nah Mittheilungen ibrer Vertrauens- mänaer in der Zeit vom 16. bis 22. Oktober 1889: Während der verflossenen Berichtswoche sind nur nachstehende Abschlüfse in

Kartoffelfabrikaten bekannt gegeben: Es wurden verkauft an Kar - toffelmebl und trockener Kartoffel ärke: 100 Sat Prima zu 16 4 ab Station an der Babnstrecke Neuftadt a. D .—Prigmalk ; 1009 Sack Prima u 16 M netto Kasse frei Maadeburg, lieferbar Dezember und Januar ; 1000 Sadck fein Prima zu 16,58 netto ab Station des Eisenbahn-Direktionsbezirk Erfurt; 290 Sack Prima zu 16,25 A frei Station an der Babrstrecke Halle a. S.—Iüterbog, netto Kasse, prompte Lieferung; an feuhter Kartoffelstärke: 2000 Ctr. zu 7 M provisionsfrei, frei an der Bahnftrecke Labes— R 3 Waggons zu 7,30 Æ ab Station der Vorvommerschen ahn.

Der Aufsichtsrath der Berliner Adler-Bier-Brauerei- Aktien-Gesellschaft hat beschlofsen, der bevorstehenden General- versammlung die Vertheilung einer Dividende von 35 °/9 auf die Stammaktien vorzuschlagen. Auf die Prioritäts-Stammaktien würden darnah E 6 °/o entfallen. ;

Die nächste Börsenversammlung zu Essen findet 28. Oktober 1889 im „Berliner Hof“ ftatt. E E

Nah dem Abs({luß der Deutshen Solvavy-Werke,

Akt.-Ges. Bernburg, beträgt, wie wir der „Frkf. Ztg.“ ent- nebmen, der Fabrikationsgewinn in 1888/89 nach Abzug sâmmtli§ber Generalunkosten der verschiedenen Werke 1900200 #4 (1887/88 1830 522 Æ), wovon die Generalunkosten der Centrale 159 449 (1887/*8 107 330 4) und die Abschreibungen 424 151 Æ (1887/88 4098 123 4) abforbiren. Es resultirt mithin ein Reingewinn von 1316599 Æ gegen 1234357 Æ Die Generalversammlung tat be- \{lofen, zum ersten Mal seit Bestehen der Gesellscaft eine Divi- dende und zwar in Höhe von 5 °%/o zu vertbeilen. Dieselbe er- fordert 500090 , während von dem übrigen Gewinn 65829 Æ (1887/88 65755 #4) dem Reservefonds A und 735754 dem Reservefonds B zugewiesen werden sollen Leßterer erböbt f dadurch auf 3,37 Millionen Mark; derselbe ist statutengemäß zur Amortisation der Anleihe sowie zur Auëdebnung der Geichäfte und Erhöhung des Betriebsfonds bestimmt. Die Vorrätbe figuriren mit 1.04 Millionen Mark in der Bilanz, bei Kreditoren îtanden bei Sóluß des Geschäftsjahres 1,71 Millionen Mark aus, während Debvitoren 0,69 Millionen Mark zu fordern batten. Na dem Ausweise des Konsulats der Vereinigten Staaten von Nord-Amerika in Plauen i. V. betrug der Werth der aus dem Konsulatsberei® Plauen raw den Vereinigten Staaten während des am 30. September 1889 beendigten 3. Quartals auëgeführten Waaren 1 050 296,07 Dollars gegen 956 448,03 Dollars im zweiten Quartal des Jahres 1889.

Wien, 23. Oktober. (W. T. B.) Bei den 177 km langen Lokalbahnen der Oesterreibishen Lokal -CEisenbabn- Gesellschaft, welche sowobl in diesem wie im Vorjabre im Betrieb gewesen sind, betrugen die provisoris ermittelten Einnabmen im Monat September d. I 91767 Fl, und in der Zeit vo 1. Januar bis Ende September 1889 703 598 Fl, wäßrend die definitiven Einnahmen in_ der gleichen Periode des Vorjahres 90 631 FL. bew. 652 905 F[. betragen haben. Die provisori ermittelten, oben nit inbegriffenen Einnahmen der 57 km langen Lokalbahn Hannsdorf—Zieaenhals betrugen in der Zeit vom 1. JIa- nuar bis Ende September 1889 133 273 FL[., und jene der am 16. Juli eröffneten 64 km iangen Lokalbabnen Herzogenburg— Krems und Haderédorf—Sigzmundéberberg bis Ende September d. I. 28 439 Fl

Wien, 23. Oktober. (W. T. B.) Ausweis der Karl- Ludwigsbahn (gesammtes Net) vom 11. bis 20. Oktober: 229 532 Fl., Mindereinnabme 38 469 Fl., die Einnabmen des alten Netes betrugen in derselben Zeit 180 626 Fl. , Mindereinnahme 28 047 F. ¡

London, 23. Oktober. (W. T. B.) An der Küste 2 Weizen- ladungen angeboten.

Verkehrs - Anstalten.

London, 23 Oktober. (W. T. B.) Der Caftle- Damvfer „Garth Caftle* ist heute auf der Ausreise von London ab- gegangen.

Theater und Musik.

: Königliches Opernbaus,

Gestern Abend wurde „Gioconda“, Oper îin vier Akten von A. Ponchielli, in Scene gefeßt von dem Ober-Regifseur Tetlaff, unter Direktion des Kapellmeisters Kabl ¡um ersten Male gegeben, und zwar, wie gleich vorweg bemerkt werden mag, mit vellem Erfolge. Die Over des vor wei Jahren verstorbenen italieni!den Komponisten gelangte zum ersten Male im Jahre1876 in Mailand zur Aufführung und ist seitdem au in St. Petersburg, Madrid, Liffabon, London, New-York, W: en, Brüssel, Prag und Hamburg aufgeführt worden. Wir sind überzeugt, daß sie au bei uns fch das Bürgerreht erwerben wird, obglei fe ch nicht streng an eins der bei uns fultivirten musikalischen Systeme anschließt. Man wird in ibr ebenso den Stil von Meyerbeer wie den von Richard Wagner wiederfinden, obwohl die Anlehnung an leßteren doch nur eine geringe ift. Die rafe dramatische Handlung, weêlde dur den Ton oft in re&t carafteristisGer Weise illustrirt wird, bält das Interesse auß da wat, wo die Musik zu erlabmen \{eint. Gioconda ift eine Venetianishe Straßensängerin aus dem 17. Jabrbundert, welche die Liebe eines Straßensängers verschmäkßt und aus Dankbarkeit für die Rettung ihrer blinden Mutter ihre Rivalin (Laura) in der Liebe zu einem genuesishen Fürsten ihrerseits vor dem Tode rettet und schlicßlih, um nicht in die Arme des ver- baßten Straßensängers zu fallen, der im Dienste der Inguisition steht und an den Verfolgungen der Rivalin die Schuld trägt, fi den Tod giebt. Sie ist eine Heldin, für welche der Zuschauer lebhaftes Mitgefühl empfindet. Ist diese Rolle in den Händen einer mit allen Gaben des Geistes und der Kunst ausgestatteten Sängerin, so wird sie un- febibar fesseln und wie etwa „Carmen“ Alles beberrsben. Neben ibr nebmen aber ein nit viel geringere® Interesse die Rivalin, der Straßensänger, die Mutter und der genuesishe Fürst in Anspru, lauter Bühnenfiguren, welde von dem Kompvonisten auch in musifalisher Beziehung reich ausgestattet sind. Die Musik kann als eine eigentli bervorragende wobl nit bezeichnet werden: sie ist nit von cinem Geist beberrsbt und ertebt si nur in_éin- zelnen Arien, fowie im Ballet und in den Chorgesängen zu größerer NPedeutung; diese Nummern werden siherlih alszald im beften Sinne des Worts gangbare Münze werden.

Die Darstellung war fast in jeder Beziehung woblgelungen. Freilich reite wobl Fr. Pierson in der Titelrolle in musikali- \cher Beziehung nicht an das Ideal beran, wie wir uns diese leiden- schaftliche, beißblütige und von edler Denkungsart und Opferbereitsaft

| erfüllte Venetianerin vorstellen. Jhr Ton ift zu unrubig und verfügt nit

über die nöthige Festigkeit; immerhin wußte sie au in schauspie- lerisher Beziehung den boben Anforderungen der Rolle gerecht zu werden. Frl. Hiedler als Laura entlediate fic ibrer Aufgabe in treffliher Weise, wozu au wesentlich ibre anmuthige Bübnen- er Gerau beitrug. Fr. Staudigl {lug für die Rolle der blinden Mutter die richtigen Tône an Die Herren Bulß (der Sriraßensänger) und Rothmübl (der genuesishe Fürst) bewährten fch musifalisch und dramatisch als vortreffliche Künstler, während Ör. Biberti in dem Schwanken seiner gesättigten Baßstimme nit ganz so glücklich war.

Ein Hauptnachdruck verdient auf die ebenso künstlerishe wie ges{madckvolle Auéftattung gelegt zu werten. Die Dekorationen waren sammtlich prachtvoll: im ersten Akt der Hof im Dogerpalast, im zweiten die Küste in den Lagunen mit einem Kauffahrtei\chif, welches {ließli in Flammen aufgeht, dahinter das grüne Meer, über defsfen von dem Sternenhimmel beleuhtete Flutéen in der Ferne ein Krieaëtshif dahinfährt; und im Stlukakt eine Halle in der Giudecca mit Elick auf den von Gondeln belebten Kanal und auf dic ferne Piazetta, auf welcher man Wagen, Reiter,

- Menschen si bewegen sieht, alle diese Dekorationen dürfen als

Meisterwerke bezeidnet werden. Einen Glanzpunkt bildete ferner das auch * in musikaliser Beziehung hübshe Ballet im