1889 / 260 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 31 Oct 1889 18:00:01 GMT) scan diff

dienstlihen Raumes zu verwenden, Die Bilder, deren würdige Einrahmung ebenfalls auf Kosten der Kaiserin erfolgt ist, haben nunmehr, der „N Pr. Ztg zufolge, auf Anordnung des Feldpropstes ihren Play in dem biéher eines derartigen Shmuckes gänzli ent- behrenden Betsaal des Artillerie - Schießplayzes bei Kummersdorf ge-

knüpfte seine Festbetrachtung an das Wort aus 2. Chron. 7. 16 „So habe ih nun dies Haus erwöhlet und geheiligt, daß mein Name daselbst sein soll ewiglih, und meine Augen und mein Herz soll da sein allerwege“. Von der Kanzel herab wurde sodann noch verkündet, daß die Gemeindekirhenbchörde beschlossen babe, eine neue Kirche

erbaut, ist, wie die „Vos. Ztg.“ berihtet, von böswilliger Hand ar beshädigt worden. Am 29. d. M. früh fand man sämmtliche Fenstersheiben der Grotte durchlöchert vor. Augenscheinlih ist zu dem Zerstörungswerk eine sogenannte Katapulte verwendet worden und Rehposten, die man in der Grotte vorfand, waren die

Erste Beilage

funden und sind am leßten Sonntag der dortigen Militärgemeinde durch den Divisiontpfarrer Lic. Dr. Gröbler bei Gelegenheit des

Gottesdienstes feierlich übergeben worden.

Seit dem Jahre 1882 werden in den Reihs-Telegraphen-

anstalten umfassende Beobachtungen über den Verlauf der Gewitter angestellt, welche sowohl im allgemeinen wissenschaftlichen Interesse wie au in dem speziellen «der Telcgrapbie die Kenntniß der elektrishen Erscheinungen beim Gewitter, ihrer Einwirkung auf die Telegraphenleitungen und der durch die atmosphärishe Elcktrizität bewirtten Beschädigungen der Telegraphenanlagen zu fördern be- stimmt sind. Wie wir der „Statistik der Deutschen Reichs - Post- und Telegraphenverwaltung für 1888“ eninchmen, ist die Zahl der Beobahhtungsstationen von 740 im Jahre 1882 auf 900 im vorigen Jahre 1888 gestiegen, sodaß gegenwärtig auf je 493 gkm eine Beobachhtungsstelle kommt und der Radius dec jeder Stelle zur Beobachtung überwiesenen Kreisflähe rund 12,5 km beträgt. Nah den in der obigen Statistik mitgetheilten Ermittelungen aus den Jahren 1882—1887 hatten im Jahre 1887 die häufigsten Gewitter (im Verkbältniß zur Beobachtungsfläche) zu verzeihnen : die Ober-Post- direktionsbezicke Frankfurt a. O., Dresden, Köln, Bremen und Oppeln, die wenigsten: Hannover, Kassel, Arnsberg, Kiel, Düsseldo:f Potsdam und VLerlin stehen unter den 39 Bezirken an 22. Stelle. Die meisten Gewitter kamen 1887 aus südwestlidber und westliher Richtung, der Tageszeit nah fiel die Mehrzahl in die Stunden von 4 bis 5 Uhr Nachmittags und die Zeit unmittelbar vor- und nahher. An Ge- wittern mit besonders hftigen Blißshlägen war das Jahr 1887 nit so rei wie die früheren; es rourden solhe Gewitter gezählt 495, gegen 1175 im Jahre 1884, 1035 im Jahre 1882, 742 im Jahre 1885, 710 im Jahre 1883 und 649 im Jahre 1886. Auch die Beschädigungen an den Telegraphen- Anlagen und Apparaten waren im Jahre 1887 nicht so groß _wie in den vorhergehenden ; Lelegraphenstangen wurden z. B. 832 Stück beschädigt, gegen 1243 im Jahre 1886 und 1507 im Jahre 1885, Fernspreher 16, gegen 17 bezw. 22, Morse- Apparate 19, gegen 22 bezw. 30. Die Beobach- tungen über den Einfluß der Gewitter auf den Betrieb der unter- irdischen Leitungen haben ergeben, daß diese zwar nicht ganz den Einwirkungen der atmosphärishen Elektrizität entzozen bleiben, daß O jedoch wesentlich geringer ift als bei den ober- irdischen.

_ Was die Stadt-Fernsprech-Einrichtungen betrifft, so ist die Thatsache bemerkenswerth, daß, troß mehrerer außergewöhnlich heftiger Gewitter der Vliß in den mit solchen Anlagen versehenen Städten im Vergleih zu früheren Jahren auffalleud wenig einge- {lagen hat. Die Annalmc erscheint sonach nit unberehtigt, daß das über den Däwern ausgebreitete Leitungsnet bei Ausgleichung der atmosphärischea Eleftrizität einen sehr wirksamen S ut auëgeübt hat. In allen Fällen, in denen eine Ausgleichung der atmosphärishcn Elektrizität durch die Leitungen ftattgefunden hat, haben die an den Gestängen und in den Fernsprechstellen an- gebrachten Vligableiter- Vorrichtungen die Elektrizität ohne Gefahr füc die Häuser und ihre Bewohner zur Erde abgeführt. Die vorgekornmenen Beschädigungen beschränten sich im Aligemeinen auf die Schmelzung des umwsponnenen Drahtes an den Spindel - Blit;- ableitern. Diese sind aber wohl als S?örungen, jedoch nicht als cigentlihe Beschädigungen zu bezeichnen, da in den vorliegenden Fällen die Bligableiter eben lediglih ihren Zweck erfüll: haben. Von den insgesammt 3364 Beschädigungen dur Blißschlag an den Fernsprech- anlagen, welche in den Jahren 1882—87 verzeibnet wurden, betrafen 3154 die Spindel-Bligableiter.

Die 200jährige Jubelfeier ter St. Georgen: Kirche wurde heute durch einen großen Festgottesdienst begangen. An- wesend waren der Staats-Minister Dr. von Goßler, der Ministerial- Direktor Barkhausen, der Präsident des evangelishen Ober-Kirchen- raths, Dr. Hermes, der Polizei-Präsident Frhr. von Richthofen. Die Stadt Berlin war durch eine Deputation vertreten, Besonders zahlreich war die Geistlichkeit ershienen. Superintendent Wegener

zu bauen, sowie 50000 (G der Tochtergemeinde St. Bartholomäus 0A ras einer 2. Kirche zu bewilli.en. Mit Gesang endete die ubelfeier.

B der Hedwigskirce wurde heute um 10 Uhr Vormittags ein feierlihes Requiem für den verstorbenen König von

ortugal abgehalten Die hiesige allerdings nur kleine portugie- ide Kolonie war mit dem Gesandten Marquis Penafiel, den Räthen Graf Penafiel und Vicomte Torbella, sowie dem Eeneral Konsul Eisenmann vollzählig erschienen, ferner der Vize-Ober-Schloßhaupt- mann Graf Perponwer, der General-Oberst von Pave, der General der Kavallerie vcn Rauch, der Kriegs-Minister von Verdy du Vernois, sowie eine Deputation des 20. Infanterie Regiments, das in dem König seinen Chef verloren hat. Das diplomatishe Corps war zahl- reich vertreten.

Wie wir hören, is es in neuerer Zeit mehrfach vorgekommen, daß nah Argentinien gesandte Postpackete am Bestimmungsort in Folge mangelhafter Adressirung unbestellbar geblieben sind. Es ist den Versendern in Deutschland daher arzurathen, wenn sie Kosten, sowie Umständlichkeiten und erheblihe Verzögerungen vermeiden wollen, dafür Sorge zu tragen, daß die Adressen der Empfänger sowohl auf den Sendungen felbst, als auf den Begleit-Adressen stets genau und vollständig angegeben werden.

Der amtliche stenographishe Unterriht im Ab- geordnetenhause beginnt Montag, den 4. November. Neben den Anfängerkursen, die besonders für Schüler der oberen Klassen höherer Lehranstalten bestimmt sind, finden au praktische Uebungen für Diejenigen statt, die sih zu Fachstenographen ausbilden wollen. Anmeldungen werden von Freitag, den 1. November ab, Vormittags von 11—1 Uhr, im ftenographischen Bureau des Hauses der Ab- geordneten angenommen.

Die „Pos. Ztg.“ bezeichnet die aus Posen durch den Drabt nah auswärts gesandten Mittheilungen über das Steigen der Warthe als übertrieben. Der gegenwärtige Wasserstand der Warthe sci nihts Ungewöhnliches und die durch denselben veranlaßten Zleinen Verkehrsstörungen könnten niht aïis Kalamität gelten. Nur an einer Stelle käme ein Kahn zur Vermittelung des Verkehrs in Anwendung.

Die Menu- Karten für die Galatafe! am Vermäh- lungstage in Athen waren in Berlin angefertigt worden. Die „Staatsb. Ztg.“ beschreibt fie folgendermaßen: Der obere Theil ist durch eine Gruppe von Palmen und Oliven in zwei Hälften getheilt. Auf dem linken Feld ragt in herrlicher Beleuchtung die Akropolis auf hohem Fels empor, während man zur rechten den mächtigen Bau des Kronprinzlihen Palastes in Athen erblickt. Dem neuen Heim der Kronprinzesiin Sophie centsprehend, prä- sentirt sh auf dem “unteren Theil der Menu - Karte ihr elterlihes Haus in Berlin, das Palais der Kaiserin Friedrich, Unter den Linden, resp. dem Zeughaus gegenüber. An der linken Seite des für das Speisenverzeihniß bestimmten Mittelfeldes prangt das farbige Alliancewappen Preußens und Griechenlands, von der Königskrone überragt und umschlossen von grünem Eichenlaub und rofafarbigen Rosen, Darunter breitet \sich auf ciner Dekoration von Palmenwedeln der in Gold vershlungene Namenszug des König- lichen Paares aus.

Potsdam. Die Muschelgrotte im Neuen Garten, eine Nachbildung der blauen Grotte auf Capri, von Friedrich Wilÿelm T. in der Nähe der Meierei hart am Ufer der Havel

Geschosse. Die Frevelthat, deren Urheber bisher unentdeckt geblieben, muß in der Naht geschehen scin. Da der Neue Garten Abends ab- geschlofsen wird, nimmt man an, daß die Thäter auf dem Wasser- wege zur Grotte gelangt sind.

_ Weißenfels. Am 15. d. M. wurde ein Meteor beobachtet. Wie die „Magdeb Zta.“ mittheilt, scllea Bruchstücke I in der Nähe von Weißenfels in Schwere von 1, 5 und 12 Pfund auf- gefunden worden sein.

Hünfeld, 29 Oktober. Ueber die Fortschrit'e der Wieder- erbauung der Stadt {reibt die „Goth. Ztg.“ : Ans den Schutt- und Trümmerhaufen, welche von dem im vorigen Jahre ausgebrochenen großen Brande zurückgeblieben waren, hat ih inzwishen eine große Anzahl stattliher massiver Gebäude erhoben, doch erst ganz wenige haben nothdürftig in bewohnbaren Stand geseßt werden können. Schlimm sieht es noch in den neuen Straßen aus, wo altes und neues Baumaterial, vermischt mit dem Auswurf aus den Fundament- gruben, dureinanderliegt. Hoffentlich wird der Winter niht zu streng, so daß die Arbeiten am innern Ausbau der Häuser und die Räumung der Straßen keine Unterbrehung erfahren.

Hamburg, 29. Oktober. (Hannov. Cour.) Der von dem Ausstellungscomité und den Ausstellern angeregte solenne Facelzug zu Ehren des ersten Vorsitzenden, Freiherrn Albertus von Dhlendorff, fand heute Abend s Uhr in bester Weise und unter Betheiligung von Tausenden aus den Innungen und Gewerken die Lehrlinge in historischen Trachten statt. Der lange Zug wurde von 1200 Schülern der Gewerbeschule als Fadelträgern begleitet und machte einen pomphaften Eindruck. Das Publikum war überal in großen Schaaren herbeigeströmt, und soweit bis jeßt bekannt geworden, vollzog si die Ovation ohne jeden Unfall. Freiherr von Ohlendorff- dankte in herzlichst er Weise für die großartige Feterlihkeit. Das Comité überreihte ihm eine kostbare und kunstvoll gearbeitete Adres se.

Dublin, 30, Oktober. (W. T. B.) Gestern wurde in Mary- borough in d:m Prozesse wegen Ermordung des Polizei- Inspektors Martin in Gweedore das Urtheil gefällt: Ein Angeklagter wurde zu zehnjähriger, zwei Angeklagte zu siebenjähriger, einer zu fünfjähriger Zuchthausstrafe wegen Tobtschlazs verurtheilt; zebn Angeklagten sind Gefängniß- strafen von 2 bis 6 Monaten zuerkannt worden. Der katholische Priester Macfadden, bei dessen Verhaftung wegen Vergehens gegen das irishe Zwangsgeseß die Ermordung des Inspektors Martin {ih zutrug, wurde freigelassen gegen Bürgschast, daß er si, falls dies verlangt werde, zur Verkündigung des über ihn zu fällenden Urtheils dem Gerichte stelle.

Ferrara, 30. Oktober. (W. T. B.) Der Po is neuerdings o seit gestern regnet es unaufhörlih, ebenso herrscht ununter- brohen Sirocco. Die Bevölkerung ist beunruhigt, da die Dämme in Folge der leyten Uebers{wen mungen unterwaschen sind.

Erixen, 29, Oktober, Abents. (M. Allg, Ztg.) Der heuie Vormittag 10 Uhr 40 Minuten von München abgelassene Schnell- zug nah Verona konnte in Folge eingetretenen Bergrutshes nur bis Station Brixea geführt - werben, von wo ab die Weiterfahrt unterbrechen ist.

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Wetterbericht vom 31, Oktober, Morgens 8 Uhr.

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Stationen. Wind. Wetter.

Temperatur in 9 Celus

C5 O0

Bar. auf 0 Gr. u. d. Meeressp red. in Millim

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Mullaghmore halb bed. Aberdeen hetter Christiansund halb bed. Kopenhagen . S Nebel Stockholm . till bededt St. Petersbrg.| 76 Regen Moskau. 1/bedeckt

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München . . | 762 [W Nebel Chemniy . . | 763 {till wolkig?) Berlin. .…. | 763 |SSO wolkenl.4) Wien .…. . | 762 |NW Regen Breslau. . . | 764 |SO Dunst Ile d'Aix. . | 765 |NW bedeckt Nizza .….. | 761 |SSW 4wolkig Triest... . | 764 |SO bededt

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und A. d'’Artois.

1) Gestern Abend und NaŸts di&ter Nebel. 2) Nachts Aen Nebel. 3) Reif, Nebel, 4) Früh starker e

Nebel, Wallner=-Theater. Freitag: Zum 20. Male: Der Dompfaff. von R. Kneisel und H. Hicschel. Krause. Anfang 7# Uhr. Sonnabend u. folg. Tage: Dieselbe Vorstel:ung.

1 Victoria-Theater. ist etwas Regen gefallen. In Triest fielen 62 mm Afrika. Zeit emälde in 11 Bildern von Alex. | 7 Uhr: Große Komiker - Vorstellung mit einem Moszlowski und Rich. Nathanson. Mußk von C. speziell ausgewählten Programm. Mr. Metgeh | Druck der Norddeutshen Buchdrudckerei und Verlags- ‘Anfang | mit seinem höchst komischen dressirten Esel. Auf- treten der sämmtlihen Clorons in ihren höchst komischen Intermezzo's und Entrécs, -— Im dunklen Erdtheil / (Einnahme von Bagamoyo). Geseylich

Uebersicht der Witterung.

Das Minimum im Nordwesten entsendet einen Ausläufer nah dem südlichen Nordseegebiet, welcher ostwärts fortzushreiten sheint. Bei leichter. meist südlicher Luftströmung ist das Wetter über Deuts - land mild, vorwiegend trübe und neblig; stellenweise

Regen, Klagenfurt hatte gestern Gewitter. Deutsche Seewarte. A. Raida. 74 Uhr.

Theater - Nuzeigen. : | Bönigliche Schauspiele.

Deutsches Theater.

i Zum 1. Mal:: Lustspiel in 3 Aufzügen von Julius Rosen. Sonntag: Nächftenliebe. Die nächste Aufführung von Faust, L. Theil, findet am Montag, den 4. November, statt.

Berliner Theater. Freitag: 9. Abonnemeats- Vorstellung. Demetrius.

chauspiel in ® Akten von A. Dumas Sonnabend: Zum 1, Male: Der Zaungast.

Lustspiel in 4 Akten von Oêcar Blumenthal. Sonntag: Der Zaungasft.

Ballet von C. Seyerint. Sonnabend: Dieselbe Vorstel(ung.

reítag: Freitag: U

232 Vorstellung. Zum 1. Male | Julius Frische. Sonnabend : Der Polengraf.

burg. Freitag: Zum 7. Male: mama. (Belle- maman.) 233. Vorstellung.

stattung an Dekorationen, Möbeln Anfang 7# Uhr.

Freitaz : Faust’s Tod. —— Nächftenliebe. | Kroll's Theater. Freitag:

Central-Theater. Direktion:

Freitag: Der Fall

Freitag:

Roth. Aafang 7# Uhr.

Urania, Anstalt für volksth.

Friedrich - Wilhelmstädtisches Mit neuer, glänzender Ausfattung: _Operu- | Zum 9. Male: Der Polengraf. haus, 218 Vorstellung. Flickf und Flock. Komisches | in 3 Akten, nach einem G, Zauber-Ballet in 3 Akten und 6 Bildern von Paul Taglioni. Musik von P. Hertel. Anfang 7 Uhr.

Schauspiel haus. wiederholt: Der Name. Schauspiel in 4 Akten | mann. Anfang 7 Vhr. von Hugo Lubliner. Jn Scene geseßt vom Direktor Dr. Otio Devrient. Anfang 7 Uhr.

Sonnabend: Opernhaus. 219. Vocstell. Fidelio. Oper in 2 Akten von L. van Beethoven. Text nah dem Französishen von F. Treitschke. (Leonore: Fr. Moran-Olden, vom Stadt-Theater in Leipzig, als Gast.) Anfang 7 Uhr.

Schauspielhaus.

von Victorien Sardou und Rattnid Délandes, Hrn. Maurermeister E

on Bictorten Sardou und Raimund Deslandes. | mit Hrn. Maurermeister Emil Holland (Berlin). Wilhelm Deuts von Ernst Schubert. In Scene geseßt von Á | j Tell. Schauspiel in 5 Akten von Stiller. An- Sigmund Lautenburg. Mit vollständig neuer Aus-

Sonnabend u. folgde. Tage: Shwiegermama.

Zum 1. Male: Hohenftaufen uad Hohenzollern. Nationales | Geboren: Kaiserfestspiel in 2 Abtheilungen und 10 Bildern mit Gesängen von Dr. W. Falckenheiner.

Freitag: Mit neuen Bildern: Zum 25, Male:

Y C: Sonnabend : Montcjoye, der Mann von Eisen. S A tine Me Ube 2 S

Sonntag: Demetrius.

Lessing - Theater.

Clémenceau. S

Adolph Ernst-Theater. Dresdenerstraße 72.

/ Zum 72, Male: Flotte Weiber. Gesangsposse in 4 Akten von Leon Treptow. Couvlets von Gustav Görß. Musik von Franz

Sonnabend: Dieselbe Vorstellung.

Tteater. | aeschüßt! Große equestrishe Original-Pantomime. j E A iat A A U

in Freiheit dressirt und vorgeführt von Hrn. Franz de Geb Es Renz. Auftreten der Schulreiterin Frl. Guerra,

Entwurfe von Richard Gen6se und I. Frische. sowie der vorzügl. Reitkünstlerinnen und Reitkünstler.

Musik von Louis Roth. In Scene zeseßt von Dirigent : Kapellmeister Feher-

Sonnabend: Extra-Vorstellung. Sonntag : 2 Vorstellungen.

VOOUNEE D E E I AEE T E E Familien-Nachrichten.

Residenz-Theater. Direktion: Sigmund Lauten- | Verlobt: Frl. Helene von Kalckstein mit Hrn.

Schwieger- | Rittergutsbesißer Richard Rogalla von Bieber-

stein (Breslau). Frl. Margareth MRohmer

Frl. Margarethe Schaefer mit Hin. Kaufmann

/ Paul Stroemer (Memel—Kösönigsberg).

und Requisiten. | Verehelicht: Hr. Otto Möbius mit Frl. Alma

Kellberg (Leipzig). Hr. Amtsrichter H. Horn

mit Frl. Helene Croll (Kreuzburg O.-S ). Hr.

Amtsrichter Zippel mit Frl. Else Haeusler

(Landsberg, Ösipr.). Hr. Apotheker Georg

Calov mit Frl. Klara Weber (Koschentin).

in Sohn: Hrn, Marx v. Wimmer (Godullahütte). Hrn. Kgl. Ober: Kontroll- Assistenten Robert Zirkler (Rosenberg O.S.). Eine Tochter: Hrn. Premier-Lieut. Schmundt (Königsberg i. Pr.). Hrn. Karl Werther (Halle a. S.). Hrn. Inspektor Lamla (Winzen- berg). Hrn. Major Frhrn. von Seckendorff (Berlin). Hrn Hermann Tysae (Dom. Buch- holz, Kr. Arnswalde).

Gestorben: Hr. Regierungspräsident a. D. Frhr. Konstantin von Zedliß und Neukirch (Birgwiß). Frau Bertha Holy, geb. Poll (Jezewo). -— Frau Pauline Wachsmann, geb. Kadish (Berlin). Hr. Hermann Schlapsky (Berlin). Hr. Karl Katsch (Berlin). Frau Therese Warlit, geb. Grave (Berlin). Hr. Kaufmann Albert Haube (Berlin). Hrx. Maurermeister Grund Tochter Elshen (Berlin). Hr. Johannes Jürgensen (Kiel). Hr. Eisenb.-Assistent a. D. Adolph Scink (Schönbush). Frau verw. Assessor Laura Huth (Oelzshau). Frau Lehrer

Emil Thomas.

Naturkunde.

Poffe mit N A 4 Akten | Juvalidenstr. 57/62 und Ausstellun s-Park, geöffnet | Helene Iaeshky, geb, Floegel (Leuthen). Frau

sik von F. | Zon 12—11 Uhr. Freitag, Von der Erde bis zum Monde.

Freitag: Stanley in | Circus Renz, Kar!straße.

bends Vhr:

Freitag, Abends | Berlin;

Elise Truelsen (Kiel).

Redacteur: Dr. H. Klee. Verlag der Expedition (S ch olz).

Anstalt, Berlin §W., Wilhelmstraße Nr. 32. Sechs Beilagen (einshließlich Börsen - Beilage).

zum Deulscheu Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

Berlin, Donnerstag, den 31. Oktober

¿ 260.

189,

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Parlamentarische Nathrichten.

Im weiteren Verlauf der gestrigen (5.) Sißung des Reichstages nahm bei der ersten Berathung des Etats der Abg. Bebel das Wort:

Als im September in der oppositionellen Presse ver- kündet wurde, daß dem bevorstehenden Reichstage abermals eine Anleihe von weit über 200 Millionen vorgelegt werden würde, wurde in der offiziósen Presse diese Nachricht a!s eine Verleumdung bezeichnet, darauf berechnet, die Regicrung in der öffentlichen Meinung herabzuseßen. Später mußte sich diese Presse dazu bequemen, die Thatsache an si zuzugeben, bis sie \hließlich die ganze Wahrheit cingestehen mußte. Dieses Versteckenspiel der offiziöfen Presse ist ein deutlicher Fingerzeig, daß es der Regierung nicht gerade leiht geworden ist, mit derartigen Forderungen wiederum vor den Reichstag zu treten, daß sie sich fagte, daß nach der Bewilligung so fkolossaler Summen für Rüstungs- zweckde diese Forderungen auf weite Schihten des Volkes den allerungünstigsten Eindruck machen müßten. Man muß sich in der That fragen, wo soll das hinaus und wie soll das enden? Muß das nicht den ungünftigsten Einfluß üben auf die soziale Lage des Volkes, auf die Vertheuerung der Lebensmittel? Streiten Sie, soviel Sie wollen, in den Massen der Bevölkerung denkt man anders als Sie, das werden Jhnen die nächsten Wahlen in sehr drastisher Weise zeigen. Seit drei Jahren ist die Stimmung bedeutend um- geshlagen, unter der man aus Furcht vor einem auswärtigen Kriege diesen Reichstag gewählt hat. Die militärishen Rüstun- gen bilden heute nicht ein politisches, sondern ein soziales Mo- ment für die herrschenden Klassen, die einem fehr guten Theil ihrer Söhne in Offizierstellen ein Unterkommen verschaffen und die durch die beständigen Kriegsheßzercien es dahin bringen, daß die Völker von den inneren Angelegenheiten abgezogen werden und nicht übersehen können, wie sie im Jnnern unter- drückt werden. Diese Politik wird seit Jahren fortgeseßt. Das muß einmal hier ausgesproGen werden. Die Völker haben keinen Gefallen an diesen Rüstungen und Lasten und im Großen und Ganzen ist es der Bevölkerung sehr egal, wer sie regiert, vorausgescht, daß sie gut regiert wird. Die Mehrausgaben für das Reichshceer, die Marine, die Neichs\chuld belaufen sich seit 1888/89 auf 42 Millionen, dazu kommen die einmaligen Ausgaben des ordentlichen Etats mitrund 100 Millionen, die Ausgaben des außerordentlichen Etats mit 679 Millionen. Rehnen wir noch dazu die 182 Millionen des Jahres 1887, so finden wir, daß von 1887 bis zum Ablauf des nächsten Etatsjahres niht weniger als 961 Millionen neben den laufenden Ausgaven für militärishe Rüstungen ausgegeben sind. Jn der gleichen Proporction ist selbstver- ständlich auh die Reichs\huld gestiegen. Nun sagt man, die beständige Umwandlung auf dem Gebiet der Waffentechnik, der Besfestigungstechnik erfordere immer neue Ausgaben. Voll: kommen richtig. Tagtäglih hören wir von der Erfindung neuer Mordwerkzeuge, und in den leßten Tagen haben wir gelesen, wie ein Schuß genüge, ein Pauzerschiff zu vernichten, und daß man mittelst . einer Bombe eine mittelgroße Stadt vollständig vernichten könne. Auf der Konferenz in Brüssel in den 70er Jahren, an der auch der gegenwärtige Kriegs- Minister Theil nahm, wurde darüber berathen, welhez Art von Geschossen man künftig für die Kriegsführung als zu mörderish und gesährlich ausschließen solle. Wo sind diese Beschlüsse heute geblieben? Von deutscher Seite wurde ihnen freilich schon damals auf das Lebhafteste wider- sprohen; je wirksamer die Waffe, um so schneller tónne der Krieg beendigt werden. Wer denkt heute varan, den Krieg zu humanisiren? Werden im nächsten Kriege die Heere gegen einander geführt, so werden alle Samariter und Johanniter niht ausreichen, um die Verwundeten unter- zubringen. Als die Schlachten bei Mey geschlagen wurden, schrieb der König von Preußen nah Hause, er wage nicht nach den Verlusten zu fragen. Der nächste Krieg wird noch gans anders wirken. Der Graf Waldersee sagte auf dem

ankett am Schluß der Unfallversicherungs-Ausstellung, der Krieg sei das größte Unglück, das die modernen Völker treffen könne. Dennoch rüsten wir beständig. Daß diese Rüstungen \chließlih zu einer Katastrophe drängen, hat Graf Moltke 1886 bei den Septennatswahlen zugegeben. Vor 10 Jahren würde es jeder hier im Neichstag für unmögli gehalten haben, daß jezt folie Forderungen an den Reichstag kommen würden. Fn dem „Militär - Wochenblatt“ und in den Zeitungen, welche ihm nachbeten, heißt es, diese Forde- rungen sind nothwendig, weil nunmehr die französische Armee auf Grund des neuen Militärgeseßzes bedeutend verstärkt wurde. Die Neuorganisation der französischen Armee stand . bereits 1886 auf der Tagesordnung, und hat bei den Wahlen zum Kartell-Reichstag eine sehr be- deutende Rolle gespielt. Militärishe Autoritäten wissen ganz genau, daß das französische Heer troy der Verstärkung um eine Million Soldaten hinter dem deutschen zurüdsteht und

„erst in zwanzig Jahren eine Truppenzahl ins Feld stellen kann

wie wir. Da die französishe Bevölkerung im Ganzen konstant bleibt, die unserige aber zunimmt, so wird voraussihtlih die Differenz dieselbe bleiben. Giebt es denn wirklich gar kein Mittel, einen dauernden Friedenszustand zu erlangen? Die jeßige Generation isst an Krieg und Kriegsgeschrei {hon allzu gewöhnt seit dem leßten sranzösishen Kriege. Beim Ausbruch des französischen Krieges sagte der König von Preußen in seiner Thronrede, das deutsche und das französische Volk, beide die Segnungen der christlichen Gesittung genießend, sind zu einem heilsamern Wettkampf berufen wie zu dem blutigen der Waffen. Und in seiner Proklamation jagie er, wir sühcen Krieg mit den französishen Soldaten und nicht mil den Bürgern Frankreihs. Jn gleichem Sinne lautete die Proklamation des e Friedrih Carl an das zweite Armee-Corps. Auf Grund dieser Proklamation duxfte man die Annexion nicht machen. Jndem man erklärte, mit dem Kaiser Napoleon und seiner Armee Krieg zu führen, war der Krie

zu Ende, wo Napoleon abgeseßt war. as nach Sedan si

ereignete, ist die Grundlage für die gegenwärtige Situation Europas. (Bewiß waren Elsaß und Lothringen früher deutsch.

denn wir aber die Theorie verfolgen wollten, Alles zurü zu er- obern, was früher einmal zu Deutschland gehörte, dann müßten wir auch die russischen Ostseeprovinzen, die ganze Schweiz, die Nieder- lande, einen Theil von Belgien annektiren und kämen aus dem vermanenten Kriegszustand gar nicht heraus. Die ungeheuere Mehrheit von Elsaß-Lothringen steht nun einmal, gleichgültig warum und mit welchem Recht, dem Deutschen Reich feindselig gegenüber. Zugleich sind wir zwischen zwei Feinden, Rußland und Frankreich, eing keilt. Wenn wir überhaupt einen Erbfeind haben, so ist es Rußland, das, wie ein B!ick auf die Karte zeigt, neben dem Besiß des Schwaizen Meeres, der Herrschaft auf dem Mitte!ländishen Meer-, darnach streben muß, die Mün- dung der Memel und Weichsel in seine Gewalt zu bekommen. Wenn nun auch von einer bedingungslosen Hinoabe Elsaß- Lothringer s an Frankreich nicht die Rede sein kann, so müßte man doch versuchen, ob man nicht zwishen Deutschland unv Feankreih ein Verhältniß herstellen könnte, um zu cinem dauernden Frieden zu gelangen. Jch habe mich selbst persönlih in Paris überzeugt, daß man dort \ih vor einem Kriege mit uns fürchtet, während wir umgekehrt vor einem Ueberfall Frankreichs Furht haben. Wir wünschen Alle, daß ein Kri-g so lange wie möglih hinausgeschoben wird, oder nie stattfindet, aber die Natur der Dinge drängt zur Katastrophe. Dann haben wir doch Verbündete, auf welche die Thronrede hinweist. Schränken wir uns also 1nehr mit den Rüstungen ein und überlassen wir auch einen Theil unseren Verbündeten, vie ihre Verpflichtungen ja redlich tragen. Wenn die Rüstungen in allen Staaten Europas und die Lasten dafür sich so fortgeseßt steigern und es zum Kriege kommt, wird erx nicht geführt werden können, weil feine Mittel mehr da sind. Oesterreih und Ftalien, die finanziell {wach bestellt sind, können bei Ausbruch des Krieges leicht in Verzweiflung gerathen, womit sie ihre Heere mobilisiren sollen. Nach den Erfahrungen von 1870 können wix auf eine große Opferfreudigkeit unserer Bourgeoisie auch nicht rehnen. Wenn sich so neben den furhtbaren Opfern an Menschen, Gut und Blut, die dieser Krieg fordern wird, drei bis vier europäische Staaten finanziell ruiniren, was soll dann aus der sozialen Lage werden? Und wie werden die Mittel für diese Lasten aufgebracht ? Die Zölle sind unter dem Vorwand, der nothleidenden Landwirthschaft zu helfen, riesen: haft gesteigert, der Schagsekretär streicht die 70 bis 80 Millionen mit Wohlbehagen ein. Die Branutweinsteuer ist so gesteigert, daß s:lbjt zum Leidwesen der konservativen Großbrenner der Konsum zurückgegangen ist. Dies wurde als ethisches Mo- ment angeführt, weil der Branntwein demoralisirend wirke. Aber was durch den geringeren Konsum verbessert ist, ist dur die Mischung des Branntweins verschlehtert. Die gesammte Branntweinsteuer ergiebt jezt 129 Millionen, und durch die Steuerdifferenz von 50 und 70 4 isst den Groß- brennern auf Kosten der Menge ein Geschenk gemacht worden. Ein bedeutender Theil der kleinen Brenner ist durch diese Steuer ruinirt, namentlich in Süddeutschland, Baden, Württemberg, Elsaß. Fst es niht unerhört, daß den armen, Branniwein trinkenden Klassen die Lasten der mili- tärishen Rüstungen auferlegt werden und gleichzeitig den reichen Großbrennern ein Geschenk von 40 Millionen gemacht wird? Das sollte man in einem Kulturstaat niht für mög- lih halten. Mit der Zuckersteuer ist es nicht anders, Sie wollen jede Jndustrie durch Jhre Steuer- und Zollmaf, nahmen entschädigen. Hätten Sie das seit 10 Jahren immer gethan, so wären die Einnahmen jetzt viel geringer. Manche Jn- dustrien sind zu Grunde gegangen, durch die Branntweinsteuer haben verschiedene große Spritraffinerien ihren Betrieb ein- stellen müssen, andere halten ihn nur mit Opfern aufrecht. Wenn diese dieselbe Entschädigung verlangten, wie den Großbreanern des Ostens gewährt i, was würden Sie da für Gesihter machen? Machen Sie Ihre Geseßze so, daß Niemand geschädigt wird, oder machen Sie sie überhaupt niht! Die Korn- zölle belasteten 1880 die Bevölkerung mit 324 Z pro Kopf, 1885 mit 52 S, 1886 mit 54 Z§, 1888 mit 1,20 Aus der Brodsteuer des armen Mannes kommen also die höheren Einnahmen aus den Zöller. Und jeßt wird die Belastung sogar auf 1,60—1,70 M4 pro Kopf steigen. Dadurch wird auch dc:s inländische Getreide theurer. Sie wollen den deutschen Getreidebau für den Kriegsfall fördern, Sie haben aber seit den Getreidezöllen nicht einen Hektar mehr mit Getreide be- baut, Sie kultiviren nur Kartoffel- und Rübenbau für die Branntwein- und Zuckerproduktion, also Produkte, die nicht nothwendig zur Nahrung des Volkes gehören. Diese ganze Theorie ist total falsch. Durch die Zollbelastung in Verbin- dung mit einer geringen Ecnte steigen die Brodpreise unge- heuer, und zwar in anderem Verhältniß als bei anderen Waaren. Jst ein Angebot von 1/19 an Getreide mehr da, als der Lebensmittelmarkt erfordert, so fallen die Preise bedeutend mehr als um 1/6; ist umgekehrt ein Ge- treidemangel von 1/9 da, fo steigt der Getreidepreis um 2/19 und so auch der Brovpreis. Da erklärt sih die Un- zufriedenheit der ärmeren Klassen. Nach der Thronrede will man die zur Unzufriedenheit und Geseßwidrigkeit aufreizende Sozialdemokratie durch PVerewigung des Sozialistenge)eßes unterdrücken. Herr von Wedell irrt, wenn er meint, der Abg. Rickert habe uns die Gründe dagegen vorweg- enommen. Daß wir zur S A A aufgereizt haben, oll uns die Regierung bei Berathung des Sozialisten- geseßes erst beweisen. Die Geseßwidrigkeiten sind gerade durch das Gesetz hervorgerufen worden. enn ein Ausnahmegeseß gegen Sie auf der Rechten oder gegen das Centrum oder gegen die Nationalliberalen jeßt geschaffen werden sollte, so werden Sie viel mehr mit ungeseßlihen Mitteln dagegen arbeiten. Jch erinnere die Nationalliberalen nur an ihre Ver- gangenheit vor 30—40 Jahren, zu den Zeiten des alten Bundestages. Da wurde viel Schlimmeres geschrieben, als was jegt der „Sozialdemokrat“ gegen die jeßigen Zustände reibt. Wenn die Sozialdemokratie zur Geseßwidrigkeit geführt worden ist, so tragen die Nichtgentlemen daran die Schuld. Ein gewisser Neumann verbreitete mit Billigung der Polizei die Most'sche „Freiheit“ unter den Parteigenossen, um den Anarchhismus groß zu ziehen. So ist es von 1879 bis

jeßt gegangen. Jch erinnere Sie an einen Wohlgemuth, der zu einem Parteigenossen sagte: Wühlen Sie nur lustig darauf los. Jch erinnere an Wolf, Weiß, Friedemann, Jhring- Mahlow, der eine eklatante Genugthuung erhielt, weil er Partei- genossen zu Majestätsbeleidigungen verleiten wollte. Wie ist es mit Schröder und Ehrenberg gegangen ? Ehrenberg hatte vllständige Pläne ausgearbeitet, nah welchen die Sozialdemokraten in der Schweiz Waffen ankaufen und über die Grenze in Baden einfallen sollten. Aber Hr. von Bronsart sagte: „Was geht mih Ehrenberg an?“ Aber dieser stand im Dienste der deutshen Polizei und lieferte Berichte an die Frankfurter Polizei. War die ganze antisemitische Agitation von Stöcker etwas Anderes, als Erregung von Unzufrieden- heit? Solche Aufreizungen sind {hon auf Grund des gemeinen Rechts zu treffen, ohne Sozialistengesez. Wenn Sie jolhe Steuergeseße, solche Reichs\hulden, so kolossale Mehr- belastungen und Gesetze, die das Volk mundtodt machen, wie die Verlängerung der Legislaturperiode, wie die Beschränkung der Koalitionsfreiheit u. a. beschließen, so sind Sie es, die Unzufriedenheit erregen, wir aver wehren uns nur unserer Haut gegenüber der Bedrückung. Die Zustände in Frankreich und England sind unvergleihlih besser, als die unserigen. Welches Entseßen hat bei uns die Kartellpresse beim Berg- arbeiterstrike erfaßt, obgleih voch von höchster Stelle anerkannt wurde, daß diese Arbeiter gerehten Grund zu Beschwerden hatten. Man wollte sofort die Koalitionsfreiheit beshränken, den Kontraktbruch bestrafen. Der Verein für die wirthschaft- lien Jnteressen von Rheinland und Westfalen hat den Dber- Präsidenten direkt aufgefordert, in der schärfsten Weise gegen dié Arbeiter vorzugehen. Jh wundere mich nur, daß er nicht sogleih den fleinen Belagerungszustand gefordert hat. Als in England der große Dockarbeiterstrike begann, dec uns doch eigentlich gar nichts anging, hat dieselbe Kartellpresse es Eng- land nahe gelegt, Ausnahmegeseße einzuführen, wenn es niht rettungslos dem Untergange preisgegeden werden wolle. Ohb- gleih der Dockarbeiterstrike die ganze Bevölkerung Londons in Mitleidenschaft gezogen hat, haben doch Anhänger aller Klassen, A katholishe Geistlihe, Beamte, Bourgeois sich für eine Beilegung redlich bemüht. Dieselben Männer, die Sie jeyt dauernd knebeln wollen, sind von dem Magistrat von Paris vor kurzer Zeit im Hôtel de Ville empfangen worden, wie es sonst nur den Großen der Erde geschieht, in derselben Stadt, wo vor 18 Jahren der Kommuneaufstand ausbrach und an derselben Stelle, wo damals das alte Hôtel de Ville niedergebrannt wurde. Kommt Aehnliches in Deutschland vor? Jn Frankreich genießen Alle ein Maß von Freiheit, das bei uns selbst das gemeine Recht nicht einmal zur Hälfte gewährt. Dennoch schreit die ganze deutshe Bourgeoisie, daß sie dem Untergange preisgegeben wird, und verlangt nach drakonischen Strafbestimmungen. Die englische und französische Bourgeoisie hat Selbstbewußtsein, Charakter, Freiheitsgefühl, die deutsche ist servil, politish ccharakterlos und feig, und nur dadur haben wir Ausnahmezustände bekommen. Man be- zeichnet uns jeßt als staatsfeindlich, während wir früher nur den Umsturz der bestehenden Ordnung bezwecken sollten. Jch weiß; nicht, wer die Thronrede verfaßt hat. Hätte der Verfasser uns nicht als staatsfeindlihe Elemente bezeichnet, sondern als solche, die dem bestehenden Staatssystem feindlich gegenüber- stehen, so hätte er einigermaßen Recht. Die Sozialdemokratie will ja gerade den Staat in ihre Hände haben, denn heute werden nur die Juteressen der Bourgeoisie, der agrarishen und industriellen, von den Herren am Bundesrathstish vertreten und vertheidigt. Der gegenwärtige Staat ist nur ein Klassen- staat, wir wollen ihn zu einem Rechtsstaat umwandeln. Das Kaiserthum, das Königthum bildet niht den Staat. Wir können uns ein Reich ohne Kaiser sehr wohl vorstellen, und das Volksthum könnte sh dabei sehr wohl befinden. Die- selben, die uns Staatsfeinde nennen und sih selbst als gute Christen ausgeben, sollten doch daran denken, daß die ersten Christen auch als Staatsfeinde bezeichnet wurden. Und wie lange hat es dann gedauert und diese Christen waren die Herren im Reih! Sie können diese Analogie noch weiter ziehen, die Sie in den nächsten Tagen wieder daran gehen wollen, den Ausnahmezustand in Deutschland zu begründen, der eine Shmach für Deutschland ist und uns dem Auslande gegenüber tief herabseßt, indem man den Glauben erweckt, daß das Reich nicht stark genug ist, auf dem Boden des ge- wöhnlichen Rechts mit einer Partei fertig zu werden. Beson- ders die Nationalliberaler: sollten doch jene Analogie noch weiter verfolgen.

Staats-Minisier von Verdy du Vernois:

Meine Herren! Jch will in diesem Augenblick noch niht über die neue Vorlage und über Details des Etats sprechen; ih hoffe, hierzu noch eiae bessere Gelegenheit zu finden, wenn mir noch andere Ansilhten aus dem hohen Hause auen getragen sind. Indeß diz Anführungen des Herrn Vorredners haben mich bewogen, jeßt um das Wort zu biiten. i; A

Ich bemerke hierbei zunähst: Was den Fall Ehrenberg betrifft, so habe ich mich soeben noch aus den Verhandlungen des vorigen Jahres überzeugt, was mein Herr Amtsvorgänger darauf erwidert hat, was Ihnen bekannt sein wird. Jch brauche also dem Ausspruhe gegenüber, daß das Militärgericht den Ehrenberg hat entwischen laffen, nicht weiter darauf zurückzukommen. i E

Im übrigen hat der Herr Vorredner die große Last, die drückende Last, welhe unser Militär-Etat uns auferlegt, in den Vordergrund gestellt. Jh knüpfe an seine Worte an: Das Volk will keinen Krieg! Nun, meine Herren, sie wurden in einen Zusammenhang ge- braht, der 28 fraglih erscheinen ließ, ob der Herr Vorredner nicht damit gemeint hat, daß andere Kreise den Krieg wollten. Er hat sie

egenüber gestellt denjenigen Versicherungen und Erörterungen, die von

llerhôchster Stelle dem Reiche gemacht worden sind. Meine Herren, wenn irgendwie meiner Ansicht nah ein erfreulihes Moment darin liegt, daß wir dicse hohe und s{chwere Last tragen und tragen müssen, so ist es meiner Ansicht nah das, daß die deutshen Fürsten und das dene Volk si eins wissen in den Bestrebungen, dem Kriege vor- zubeugen. |

Der Herr Vorredner hat darauf gesagt: Schaffen Sie die Ursaben des Krieges fort! Jn weitem Kreise ist er naher zurück-

ekommen darauf, in welcher Weise dieses geshehen soll. Dazwischen

baben vershiedene Bemerkungen Plaß gefunden: er hat auf das Gebiet der Erfindunge:: hingewiesen, wie die unseren Etat vertheuert hâtten, und wie wir derselben folgen. ;

Meine Herren, das wird bleiben, so lange wir überhaupt niht