1909 / 275 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 22 Nov 1909 18:00:01 GMT) scan diff

Königreich Preußen. Finanzministerium.

Der Regierungshauptkassenoberbuchhalter Roß aus Trier ist zum Landrentmeister und Rendanten der Regierungshaupt- kasse in Münster ernannt worden.

Das Katasteramt Ohlau im Regierungsbezirk Breslau ist zu besetzen.

Ministerium für Landwirtshaft, Domänen und Forsten.

Domänenpächtern Blohm zu Hildebrandshagen- Hacker zu Müggenhall, Engel zu Neumühl, Berninghaus zu Kakernehl im Regierungsbezirk Stralsund, Breust zu Seehausen im Regierungsbezirk Marienwerder und Meyer zu Oldenstadt im Regierungsbezirk Lüneburg ist der Charakter als Königlicher Oberamtmann verliehen worden. -

Die Oberförsterstelle Marjoß im Regierungsbezirk Cassel ist zum 1. Februar und die Oberförsterstelle Nossitten im Regierungsbezirk Königsberg zum 1. März 1910 zu besegen. Bewerbungen müssen bis zum 5. Dezember d. J. eingehen.

Die Forstkassenrendanten stelle für die Oberförstereien Grünheide, Eckstelle, Obornik und Hartigsheide in Murowana-Goslin im Negierungsbezirk Posen ift voraus- sichtlih zum 1. Februar 1910 zu besegen. Bewerbungen müssen bis zum 20. Dezember eingehen.

ch Den Süderhof,

Ministerium für Handel und Gewerbe.

Der Regierungsassessor Dr. Ku hn in Wiesbaden ist zum stellvertretenden Vorsißenden des Schiedsgerichts für Arbeiter- versicherung Regierungsbezirk Wiesbaden ernannt und der Regierungsrat Dr. Siller dafelbst von diesem Amt ent- bunden worden.

Ministerium der geistlichen, Unterrihts- und Medizinalangelegenheiten.

Dem S onten in der philosophischen Fakultät der

Friedrih Wilhelms-Universität zu Berlin Dr. Friedri

Bidlingmaier ist das Prädikat Professor beigelegt worden.

Velanntm.achunag.

Gemäß 8 46 des Kommunalabgabengeseßzes vom 14. Juli 1893 (G.-S. S. 152) wird hiermitzur öffentlichen Kenntnis gebracht, daß der im laufenden Steuerjahre zu den Kommunalabgaben e Reinertrag der Neustadt-Gogoliner Privat- eisen bahn für 1908 auf ;

135 000 M4

estgeseßt ist. E Kattowiß, den 16. November 1909. : Der E S Ia bitominiifäs, is

H olz b e h er.

Nichtamtliches. Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 22. November.

Die vereinigten Ausschüsse des Bundesrats für Rech- nungswesen und für Handel und Verkehr und der Ausschuß für Medbitrict (btvesen ielten heute Sißzungen.

Das Königliche Staatsministerium trat heute zu einer Sißung zusammen.

Nach den genaueren Feststellungen sind die Störungen des Telegraphen- und Fernsprechverkehrs infolge des leßten Schneefalls sowohl ihrer Ausdehnung, als auch ihrer Zahl nah ganz ungewöhnlih. Der feuchte Schnee hat fich auf den Leitungen zu dien Schichten zujammengeballt und beim Frieren \{chließlich eine so große Belastung herbeigeführt, daß die Gestänge auf den Dächern und längs der Eisenbahnen und Landstraßen troß der Verankerungen und Verstrebungen niht durchweg s\tandhalten konnten. Vielfah find auch von der Schneelast niedergebrochene Bäume und Aeste auf die Leitungen gestürzt. Betroffen sind hauptsächhlih die Oberpostdirektionsbezirke Ber in, Potsdam, Magdeburg, Braun- weig, Hannover, Stettin und Frankfurt (Oder), teilweise auch Danzig und Dresden. Am empfindlihsten haben sih die Störungen für die Reichshauptstadt fühlbar gemacht, da alle von Berlin ausgehenden Hauptlinien durch den Umbruch zahl- reicher Gestänge auf freier Strecke beschädigt sind. Der Telegraphenbetrieb ist mit Hilfe der unterirdischen Linien, die fich auh bei diesem Anlaß wieder ausgezeichnet be- währt haben, die ganze pelt über aufreht erhalten worden. Allerdings haben sich bei den schwierigen Verhältnissen erheblihe Verzögerungen niht vermeiden lassen, zumal ia der Unterbrehung des Fernsprechverkehrs mit anderen Städten die Zahl der Telegramme bedeutend gestiegen ist. Seit Sonnabend steht ein großer Teil der Leitungen dem aupttelegraphenamte wieder zur Verfügung. Die Orts- ernsprechneße haben, soweit die Anschlußleitungen unter- irdish geführt sind, unter dem Unwetter nicht zu leiden ge- habt. Jn den anderen Ortsfernsprechnezen sind dagegen durch Umstürzen und Verbiegen der Gestänge, durch Reißen der Leitungen usw. viele Störungen eingetreten. Am härtesten mit- enommen sind. die zum Verkehr nach außerhalb dienenden Fern- Predteihinaen. da Ne tim Interesse einer guten Sprech- verständigung burchweg oberirdish verlaufen. Seit Sonnabend- morgen find die Verbindungen mit Halle, Erfurt, Dessau,

rankfurt (Main), Cassel, Mainz, Mannheim, Wiesbaden, tuttgart, Würzburg, Straßburg, Koblenz, Dresden und Leipzig wieder betriebskähig, An der Jnstandseßzung der übrigen An- lagen wird mit allen Kräften gearbeitet. Wenn die Witterung

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ünsti bleibt steht zu hoffen, daß der gesamte Telegraphen- nd Ferusprecer ehr in 08 Tagen wteder ordnungsgemäß durchgeführt werden kann.

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Laut Meldung des „W. T. B.“ ist S. M. S. „Hansa“ am 18. November in Jaffa eingetroffen Und geht heute von dort nach Ladikije an der syrischen Küste in See. , / S. M. S. „Scharnhorst“ ist vorgestern in Schanghai eingetroffen. \

Jn der Ersten und Zweiten Beilage zur heutigen Nummer des „Reichs- und Staatsanzeigers“ wird die vom Reichs- eisenbahnamt aufgestellte tabellarische Uebersicht der Be- triebsergebnisse deutscher Eisenbahnen für den Monat Oktober 1909 veröffentlicht, auf die am Freitag v. W. an dieser Stelle auszüglich hingewiesen worden ist.

Frankreich.

Der Ministerrat hat, „W. T. B.“ zufolge, vorgestern einen Antrag genehmigt, der die öffentliche Bes ch g ng der Nationalflagge unter Strafe stellt, sei es, daß sie durh Schriftwerke, Zeichnungen, Gesten oder Worte geschehe.

Rußland.

Das Handelsministerium wird, „W. T. V.“ zufolge, in der Reichsduma einen Geseßentwurf, betreffend die zollfreie Einfuhr von eisernen Seeschiffen für die Dauer von zehn Jahren, einbringen. j i

Der Finanzminister Kokowßow ist vorgestern aus dem fernen Osten in St. Petersburg wieder eingetroffen. Ftalien.

Der Minister des Aeußern Tittoni und der nieder- ländische Gesandte haben, B T. B zufolge, vorgestern in Nom den Schiedsgerichtsvertrag zwischen Jtalien und den Niederlanden unterzeichnet.

Griecheulaud.

In der Deputiertenkam mer hat nach einer Meldung der „Agence d’Athènes“ vorgestern der Fina nzminister der Ueberzeugung Ausdruck gegeben, daß die Ergebnisse - der be- schlossenen und weiterhin noch zu beschließenden wirtschaft- lihen Maßnahmen günstig sein und den Bedürfnissen Des Landes entsprechen würden. Der Minister werde ein Budget vorlegen mit dem Vorschlag einer Zuschlagsteuer auf Alkohol und einer Herabseßung des Petroleumverkaufspreises. Alkohol und Petroleum sind Staatsmonopole.

Amerika.

Die Regierung der Vereinigten M wird, wie amtlih bekannt gegeben wird, unverzüglich von Nicaragua Genugtuung wegen der Hinrichtung der beiden Amerikaner Groce und Cannon verlangen, falls sich gewisse über die Hinrichtung verbreitete Darstellungen be- wahrheiten sollten. Der Kreuzer „Tacoma“ hat, „W. As D zufolge, den Befehl T m, von Cuba nach St. Christobal auf dex Landzungê “von a zu gehen und mit dem Kreuzer Des )Moines“/ der in Vorfi Limon erivartet wird, zusammen zu operieren. - Das Kandnenhboot „Marietta“ wird binnen kurzem Befehl erhalten, nah Port Limon zu gehen. S

Zwischen den Vereinigten Staaten und Chile ift es nah einer Meldung des „W. T. B“ zu einer Meinungs - verschiedenheit gekommen, und zwar aus folgender Ursache:

Die amerikanishe Firma Alsoy hatte von einem andern Hause, dem von Bolivien gewisse Konzessionen gewährt waren, eine Anzah] von Minengerechtigkeiten erworben. Die in Frage fommenden Berg- werksgebiete liegen aber auf einem Terrain, „an dem Chile zur Zeit Eigentumsrechte geltend macht. Chile verweig: rte der Firma infolge- dessen die Ausübung der von thr gekauften Konzessionen. Alsop unter- breitete seine Angelegenheit zunächst dem Schiedsgerichtshof in Washington, wurde aber von dort an die chilenishen Gerichte ver- wiesen.

Die zurzeit zwischen den Vereinigten Staaten und Chile \{webenden Verhandlungen betreffen die Höhe der von Chile zu zahlenden Entschädigungssumme bezw. die Frage, in welcher Form die Angelegenheit dem Schiedsgerichtshof im Yaag unter- breitet werden könnte. Chile hat bereits als Bürgschaft eine Million Dollars bei der Vank von England hinterlegt. Eine endgültige Lösung ist jedoch noch nicht erfolgt, da die Vereinigten Staaten den Wunsch ausgesprochen haben, Chile solle darauf verzichten, die Sache vor das

Haager Tribunal zu bringen. Andernfalls drohen fie, ihren Vertreter aus Valparaiso ab- zuberufen.

Staaten von Amerika

Asien.

Der Passus der persischen Thronrede, der die An wesenheit rusfisher Truppen in Persien betrifft und der von den Korrespondenten in Teheran ungenau gemeldet worden ist, lautet nach einer Meldung der „Skt. Petersburger Telegraphen- agentur“, wie folgt : Wir hoffen fest, die Erregung und die Trauer der Bevölkerung Persiens über die Anwesenheit ausländischer Truppen auf persischem Territorium werden baldigst {winden infolge begonnener freundschaft- liher Verhandlungen sowie dank deu uns gegebenen bestimmten Versprechungen und den bereits erfennbaren guten Nesultaten.

Nach einer Londoner Blättermeldung aus Teheran wurden auf dem Marsch nah Ardebil befindliche Negierungs truppen in Zinjan von der dortigen, versa}sungsfeindlichen Bevölkerung, die sih in den B rgen verschanzt hatte, auf- gehalten. Nach elfstündigein heftigen Kampf, bei dem im ganzen fünf Mann getötet und vier verwundet wurden, ge- wannen die Regierungstruppen die Oberhand und nahmen

vierhundert Gegner gefangen.

Statiftik uud Volkswirtschaft. Deutscher auswärtiger Handel im Oktober und in den ersten 10 Monaten 1909.

Nach den vom Kaiserlichen Statistischen Amt herausgegebenen „»Monatlichen Nachweisen über den auswärtigen Handel Deutschlands“ betrug die Einfuhr im Oktober 1909 9 809 625 Tonnen ver- schiedene Waren, ferner 176 442 Stück, darunter 166 402 Uhren, 9958 Pferde, Esel, Maultiere. Gegen den Vormonat und den gleichen Monat des Vorjahres hat sie zugenommen. Die Au sf uhr im Oktober betrug 4 600 944 Tonnen ver!ciedene Waren, ferner 31 595 Stück, darunter 30 879 Uhren, 669 Pferde usw. Gegen den Vormonat und

den Oktober vorigen Jahres hat au die Ausfuhr sich gehoben.

Die Gesamteinfuhr erreichte in den ersten zehn Monatey dieses Jahres 51 553 404 t, ferner -1 210 148 Stü, darunter 1100334 Uhren, 109196 Pferde, gegen 50348457 t, ferner 1291533 Stück im Vorjahre. An dieser unahnme sind 11 von den 19 I beteiligt, hauptsächlich Srzeugnisse der Landwirt, haft usw., chemische Erzeugnisse, Erze, Spinnstoffe und Waren dar, aus, während unedle Metalle und Waren daraus, namentlich Eise Waren aus Steinen, Tonwaren, Maschinen, elektrotechnische Erzeug: nisse, Fahrzeuge und von mineralischen und fossilen Rohstoffen Brennstoffe, Mineralöle, Steinkohlenteer, Oele und Steinkohlenteer. stoffe eine geringere Einfuhr aufweisen.

Die Gesamtaus fuhr betrug in den zehn Monaten Januar bis Oftober dieses Jahres 39 461 428 t verschiedene Waren, ferner 294 845 Stück, darunter 288 904 Uhren, 5455 Pferde usw., gegen 37 983 194 t und 327 695 Stück, darunter 322 138 Ühren, 5058 Pferde usw., im Vorjahre. An dieser Belebung der Ausfuhr ind 12 Tarifabschnitte beteiligt. Ueber 1,33 Million Tonnen entfas!t von der Ausfuhrsteigerung auf mineralische und fossile Nobstoffe Mineralöle auf Brennstoffe allein fast 15 Million Tonnen Besonders stark haben außerdem chemische Erzeugnisse und unedle | Metalle und Waren daraus, namentlih Eisen zugenommen. Erheh, lihe Einbußen erfuhren Deine der Landwirtschaft, von den mineralishen und fossilen Rohstoffen die Erze usw., ferner Mg

schinen usw. E

Zur Arbeiterbewegung.

In Magdeburg ist, wie die „Voss. Ztg.“ erfährt, der Ausstand der Tischler und Holzarbeiter nach einundzwanzigwöchiger Dauer unter Bewilligung einer kleinen Lohnzulage und einer geringen Ver. kürzung der Arbeitszeit am Sonnabend beigelegt worden. i

In Paris beschlossen, wie 2D L Mmelbet über 2000 Kohlenverlader, am morgigen Dienstag in den Ausstand zu treten, falls die Kohlenhändler ihnen nicht bis dahin eine Lohnerhöhung bewilligen. O

Die ausständigen Straßenbahna ngestellten von Bordeaux haben, „W. T. B.“ zufolge, ohne ein Zugeständnis zu erlangen, be. \{lossen, die Arbeit wieder aufzunehmen.

Kunft und Wissenschaft.

Im Lichthof des Kunstgewerbemuseums ist eine umfang- reihe Sammlung nstlerisher Photog raphien aus Ham- burg ausgestellt. Fm Auftrage des Senats haben die dortigen Be- rufs- und Liebhaberphotographen unter Führung des Herrn Ernst Juhl für die Internationale Photographische Ausístellu 1g in Dresden Aufnahmen aus Hamburg und seiner Umgebung gemacht, - ie den her- borragenden Nuf der dortigen Kräfte bewahren. Es sind Stadtbilder, Landschaften, Innenräume, Volkstypen u. a. m., in verschiedenen Techniken und Maßstäben ausgeführt. Die Ausstellung wird bis Neu- jahr geöffnet sein.

A. F. Am Sonnabend, den 20. November, feierte die Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Ur- geschichte die Erinnerung an ihr 40 jähriges Bestehen durch eine &Sestsipung mit Damen. Ju Hinblick auf den Vortrag des Abends, den Professor Dr. Albert Grün edel übér die archäologischen Ergebnisse der Dritten Turfan-Erpedition zuge}agt, hatte der Festsaal einen eigenartigen Schmuck empfangen, nämli zahlreiche, an den Wänden verteilte, {warz - weiße _und bunte Kopien von Freskobildern aus den Höhlentempeln von Chinesisch- Turkestan, deren Erforschung Aufgabe der Tursan-Erxpedition gewesen war. Sie erregten {on vor ihrer späteren Erläuterung durch den Bortragenden das größte Interesse durch den überraschenden Kunstwert, den sie, das Auge fesselnd, gegen alle Erwartung zu besißen scheinen. Pêit einem kurzen Nücblick auf die Entwickelung der Gesellschaft in dem vergangenen langen Zeitraum eröffnete der Vorsitzende, Professor Karl von den Steinen die äußerst a besuhte Sizung. Er erinnerte daran, wie vor 50 Jahren bereits Karl Ritter zur Be- gründung einer völferkundlichen Gesellschaft angeregt und wie dann in den 60er Jahren Adolf Bastian, damals iWlicdter Direktorialassistent, den Gedanken gleichzeitig mit der Herausgabe einer „HDeitschrift für Ethnologie und ihre Hilfswissenschaften“ aufgenommen und ihm im Prospekt dieser Zeitschrift Gestalt gegeben habe. Als dann im Herbst 1869 die anthropologishe Sektion der in Innsbruck ta enden Naturforschergesellshaft die Gründung einer Deutschen Gesell schaft für Anthropologie beshlossen hatte, traten am 28. Oktober 12 der bedeutendsten Berliner Vertreter der drei damals hon im Pro gramm des Unternehmens vereinigten Wissenschaften zusammen und erließen einen Aufruf zur Gründung eines Berliner Lokalvereins. Schon am 3. November fand eine Versammlung der Interessenten, am 17. November 1869 die endgültige Bildung der zunächst 74 Mitglieder zählenden Gesellschaft statt. Fn dieser ersten Ver- sammlung hielten Adolf Bastian und Nudolf Virchow Vorträge, dieser über die damals vielbesprochenen Pfahl- bauten. - Von dem ersten Vorstand, dem beide jier genannte Gelehrte angehörten, is heute niemand mehr am Weben; dagegen leben von den ersten Mitgliedern u. a. noch dic Herren Ascherson, Münch, Dönit, Gustav Frit, August pen, Wilh. Schüß. Sie sind der Gesellschaft als Mitglieder treu geblieben. Der erste Jahresberiht wurde, durch die friegerishen Cr eignisse verzögert, erst im Derbit 1871 für die ersten beiden Jahre eraltet; t. t n der Folge bis 1901 stets von Nudolf Virchow geliefert worden, selbs in den Jahren, in denen er das Amt des Ersten Borsigenden nicht bekleidete. Jn ihrer Gesamtheit stellen diese Jahresberichte eine Niesenarbeit dar und bekunden eine stetige Entwicklung der Gesellschaft. Ihre jeßt 645 betragende Mitgliederzabl ist fast stetig angewachsen, wie eine vorgelegte graphische Darstellung erwies, nur von 1887— 1902 machte sih ein Nückgang von 604 auf 494 beznerfklih, von da ab ging die Mitgliederzahl wieder stetig aufwärts. Die Zahl der Ehren mitglieder wech\elte zwischen 4 und 7, die Zahl der korrespon- dierenden Mitglieder, jeßt 115 betragend, bat si stets annähernd in dieser Höhe gehalten. Bei dem Anwachsen der Bedeutung aller drei bon der Gesellschaft gepflegten Wissenschaften war in den legten Jahren die Frage entstanden, ob die Vereinigung aufrecht zu erbalten sei. Die Entscheidung ist ohne Bedenken im bejahenden Sinne er- folgt. Weitergehende Wünsche der Gesellschaft haben zunächst durch die Begründung einer Professur für Anthropologie an der Universität Be- rückichtigung gefunden. Neue Nechte zu gewinnen, bleibt das Bestreben der Gesellschaft, die auf ein weiteres Blühen hoffen darf, wenn ibr wie bisher der gute Geist erbalten bleibt, der jene Männer von 1869 beseelte, als sie im Zusammenwirken der drei verwandten Wissen- schaften das gemeinsame Heil sahen. Professor von den Steinen be- grüßte hierauf die von auswärts erschienenen Gäste und verlas cine Unzahl von Schreiben und Telegrammen befreundeter auswärtiger Gesellschaften, u. a. aus Leipzig und Wien. Von dem Sohn des verewigten Vorgängers im Amt des Ersten Vorsitzenden fam ein Schreiben zur Verlesung, wonach Herr Lissauer der Gesellschaft zu Ehren des Andenkens seines Vaters 1000 Æ zur Anschaffung wertvoller Bücher überweist. Es wurde bei diesem Anlaß. Mit- teilung davon gemacht, daß die Gedächtnisrede, die Professor Conwentz-Danzig auf seinen westpreußischen Landsmann Lissauer ge- halten, demnächst in der „Zeitschrift der naturwissenschaftlihen Ge- sellschaft“ veröffentlihi werden soll. Zum Schluß durfte Professor von den Steinen im Namen und Auftrage des Gesamtvorstands mit- teilen, daß neu zu Ehrenmitgliedern der Gesellschaft ernannt worden seien: der Anthropologe Wilhelm Waldeyer-Berlin, der Ethnologe Nichard André-München und der Prähistoriker Oscar Muntelios- Stockholm. Der anwesende Erstgenannte spra seinen Dank für die ihm erwiesene Ehre aus.

Zur Einführung des einzigen für den Abend bestimmten Bortrags gab Professor von den Steinen noch eine kurze Vorgeschichte der deutschen urfan-Erpeditionen, drei an der Zahl. Die erste wurde durch Professor Dr. Grünwedel in den Jahren 1902/3 mit so

großem Erfolge unternommen, daß sih in sicherer Voraussicht weiterer Erfolge daran 1904/6 eine von Dr. Lecoq geleitete zweite Ex- pedition in dieselben Gebiete von Chinesish-Turkestan anshloß. Ueber die kostbare Ausbeute auh dieses Unternehmens hat Dr. Leco m Mat 1907 auéführlich Bericht erstattet. Noch wvädrend Dr. Lecog in Mittelasien tätig war, ents{chloß sih Professor Grünwedel 1906 zu einer zweiten Reise, somit der dritten Erpedition, dic eide Zeitlang gemeinsam mit Dr. Lecoq arbeitete. Professor Grünwedel ist Yon dieser Reise erst 1907, leider in s{chwer, ershüttertem Gesundheitszustande, zurückgekehrt. Dieser Umstand bh die große, mit Ordnung der mitgebrahten Samtm- lungen verbundene, erst nah gewonnener Erholung in Angriff zu nehmende Arbeit haben Professor Grünwedel bisher verhindert, den ihm sehr am Herzen liegenden Bericht der Gesellschaft zu erstatten. Es sind kostbare arhäologische Funde und Ae wissenschaftlich hochwichtige Dinge, die aus Hutnen und Höhlentempeln durch den Forscher unter dem unschäßbaren Beistand feines tehnischen Begleiters, Herrn Bart us, Hilfsarbeiters am Museum für Völker- kunde, glücklich geborgen werden konnten, ehe sie der sonst drohenden Vernichtung anheimfielen.

ProfessorDr.Grünwedel begann, an die vorstehenden Mitteilungen anknüpfend, mit Darlegung der Gründe, die ihn zu einem zweiten Be- such der Stätte seiner Tätigkeit in d. F. 1902/3 Anlaß gegeben hatten. Da- mals und später bei Sichktung der Ergebnisse der ersten Crpedition hatte er den Eindruck gewonnen, daß ihm nur eben die Schätze zu. streifen gelungen sei, daß unendlih viel Wertvolleres in dem Gebiet von Tursan noch zu finden sei, und daß eine Menge Fragen der Beant- wortung harren, die nur an Ort und Stelle gelöst werden könnten. Der Entschluß, troß der zu jener Zeit ziemlich wirren Verhältnisse in Nußland die Neise nohmals zu wagen, sei durch die von Dr. tecoq 1904 untd 1905 einlaufenden Nachrichten verstärkt worden. Die Jahreszeit war leider so ungünstig ‘als möglih, es gab auch viele Aufenthalte in Rußland. So kam der Dezember heran, ehe man am Fuße des Gebirg8walles, der das russishe Gebiet gegen Osten ab- {ließt, angelangt, den 12 750 Fuß hohen Terekpaß, der von Schnee und Eis starrte, in der Nichtung nach Kaschgar, der Hauptstadt von Chinesish-Turkestan, überschreiten fonnte. on dort eilte die Ex- pedition zunächst nach Kukscha, an den Ort, den der Bortragende 1902/3 auf dem Nückwege von Turfan nicht \o eingehend zu studieren imstande gewesen ivar, als er gewünscht hätte. Kutscha ist qus- weislih seiner Ruinen gleich Turfan, das beträhtlichß weiter östlich liegt, einst Mittelpunkt einer blühenden Landschaft gewesen. Ningsherum liegen Nuinen alter, durch Brand zerstörter Städte und Tempel, noch viel zahlreicher als in Turfan. Nordwestlih von Kutscha liegt Kumtura mit den Nuinen zweier buddhistischer Klöster am Flusse Muzart. Mehr als 80 mit Fresken ges{chmüdckte Höhlen- tempel reizten hier zu eingehendster Forschung, die allerdings erschwert war durch die überaus engen Gebirgs\{luchten. Spâter wurde no Kurla, Kurungla und das am meisten östlich gelegene Turfan besuht und überall fleißig dem Studium dieser merkwürdigen Neste einer Kultur obgelegen, die etwa im s. oder 9. Jahrhundert unserer Zeitrechnung bei dem dem Buddhismus ergebenen Volke der Utguren blühte, bald darauf aber dem Tultur- feindlichen Jslam und feinen Bekennern, den Türken, zum Opfer fiel, so gründlich zwar, daß auch die Bewässerungseinrihtungen, deren \pärliche Reste heute noh vorhanden sind, der Berstörung anheimfielen. So ist ein offenbar blühend gewesenes Land beinahe zur Wüste geworden, und man fann nur in der Phantasie noch si ausmalen, welchen Eindruck die damals bewaldeten, heute fablen Gebirgshänge mit den zahlreichen, heute überall zerstörten Vorbauten und Balkonen, zu ausgedehnten Höhlentempeln gehörig, die sie bedeckten, gewährt haben müssen. Heute sieht man im festen Tertiärton oder Wß, der diese legten südlichen Ausläufer des Tien Schan formt, und dessen plasti- he Eigenschaften der Höhlenbildung so sehr förderlich sind, an den fkahlen Bergabhängen nur die \{mucklosen, teil-

weise nur durch Luftziegel ausgemauerten gähnenden Eingänge zu den zahlreichen Höhlentempeln. Nur im Innern sind diefe Tempel zu einem großen Teil gut erhalten und ges{chmüdckt mit Skulpturen und Fresken, die mit Leimfarben (meist blau, grün, gelb und grau) auf Estrichuntergrund gemalt sind, der aus Ton und Weizenstroh hergestellt ist und \sich in großen Stücken vorsichtig von der Wand los- lösen läßt. Diese Operation darf ohne Gewissens\krupel seitens der Sammler ausgeführt werden, teils des uners{chöpflichen Neihtums des Landes an diesen Fresken halber, teils weil die gegenwärtigen Bewohner der Gegend Verständnis von dem Dungwert des Estrihs für ihre Felder haben und ihn für landwirtschaftliche Zwecke zu verwerten angefangen haben. Professor Grünwedel hat mit Eifer diese Leistungen einer Kunst studiert, die deutliche Anknüpfungen an gräco- romanishe Vorbilder verräât, und deren ausübende Künstler vielleicht Beziehungen zu Byzanz hatten. Aus der Besichtigung einer sehr großen Zahl dieser Höhlentempel il er dazu gelangt, etwa 5 Gruppen verschiedenen Gepräges zu unterscheiden. Wenn sie auch ohne Ausnahme dem Buddhadienst geweiht waren und man den flassish-edlen Züge n des meist auf einer Lotosblume thronenden Gautama-Buddha fast überall in Form einer den Mittelpunkt des Naumes einnehmenden Skulptur begegnet, zu- weilen in einer Cella oder Nische eingeschlossen, so sind die begleitenden gresfen an den Wänden doch wahrscheinlich nach der Zeit ihrer Entstehung harakteristisch verschieden. Die einfachsten Begleitbilder \cheinen die ältesten zu sein ; sie zeigen einzelne oder Gruppen von Buddha- verehrern, anbetend oder Blumen spendend, Mönche, Prediger. Jn éiner zweiten Gruppe sieht man mit Vorliebe gepanzerte Männer mt langen Schwertern gemalt. Eine dritte entspriht wohl dem höchsten Gipfel dieser Kunst: denn sie schildert Legenden, die \h an Bodisatwas buddhistishe Heilige oder andere tugendhafte Personen knüpfen, L O an die Wundererzählung, daß cin bärtiger Nann, außerstande, ein vershmachtendes Kind zu laben, plößlich n) mit weiblichen Brüsten begabt sieht und nun das Kind vom Tode des Verdurstens errettet. JIüngere Darstellungen erinnern

an das Vorhandensein türkisher Bevölkerung, wie überhaupt diese

Larstellungen eine Fülle verschiedener Volkstypen ergeben. Als später

der Buddhismus nahezu ausgerottet war, hat die Bevölkerung an-

\heinend auch die Scheu vor den Tempeln verloren; denn wo Gold

h in der Malerei Anwendung gefunden hatte, findet es si häufig ab- fetraßt. Besonderer Fleiß ist überall “auf die. Dees der

Æmpel verwendet; sie sind in verschiedener Art gewölbt

und fast immer mehr oder weniger ges{chmackvoll gemalt.

Jum Schluß brachte der Vortragende noch eine Reibe von Lichtbildern,

Ge meist trostlose Landschaft und die Umgebung dieser merk-

Vrdigen öhlentempel in ihrer heutigen Gestalt vor Augen zu

sühren. Auch wurden mebrere der sorgfältig in ihren Ornamenten

bfonterfeiten Höhlendecken als Beweis ges{chmackvoller Dekorations-

gnt gezeigt Eine Merkwürdigkeit besteht noch darin, daß die Kunst,

feplen in dem Löß anzulegen, noch Jahrhunderte später geblüht zu

selle scheint, als man Mugit aufgehört, sie mit buddhistischen Dar-

Höhen zu [{chmüdcken. So wurde * rofessor Grünwedel n eme

me aus dem 14./15. Jahrhundert geführt, die ein akustisches

Leid er im Stile der Whisperney Gallery barg. Der Vortragende wehîne seine Mitteilun; en, die überall auf die an den Wänden auf- Bait en, erläuternden Bilder Bezug enommen hatten, untex groben Turkef der Versammlung. „(Die riginalbilder aus Chine isch- slellur, an versprehen in der Folge, wenn B erst eine „würdige Auf- gehöre gefunden, ¿u den Schäßen des Museums für Völkerkunde zu das W zahm dann noch der Vorsißende, Professor von denSteine n dah for: um die hohen Verdienste des Forschers, dessen Bericht Iw e vernommen, in das ihnen gebührende Licht zu stellen. wurde dabei au der wichtigen \prachwissenschaftlihen Ent-

der zahlreichen Manuskriptenfunde, die seitens des aus-

Müller Kenners der asiatischen Sprachen, Professor F. W. K. flüsse y ereits verwertet seien und weiterhin die wunderbarsten Auf- esagt wor rähen. Mit Necht sei von diesen turkestanischen Entdeckungen las u N en, daß sie für die bisher nebelhaften E zwischen liéder nd Nom einerseits, dem fernen O tasien andererseits Binde-

liéfern verheißen. In jedem Fall habe Professor Grün-

wedel sih unter Einseßung seines reichen Wissens und seines. Gesund- heit hohe Verdienste um die Wissenschaft erworben. Des zum Zeugnis habe ‘die Gesellschaft bes{lo}sen, Professor Grünwedel die erste zur Ausgabe gelangende goldene Medaille aus der eee Shfung zu ver- leihen. Die ÜVebergabe der Medaille erfolgte alsbald, egleitet von dem lauten Beifall der Zuhörerschaft.

„Die Berühmtheii des Paul Cé6zanne hat etwas Paradores“, schrieb Maurice Denis in seinem Essay. Und die Erklärung dieses Widerspruchs erklärt auch seine Persönlichkeit. Seine Kunst spaltet die Liebhaber der Malerei unbedingt in zwei Lager: Die einen, welche die Malerei als solche lieben, die anderen, die ihre literarischen und sentimentalischen Akzidenzien bevorzugen, und die seit jeher in der großen Mehrheit waren. Weil Cézanne nur Maler war, und seine Bilder keine andern als rein ästhetische Empfindungen agus- lösen, fällt es auch seinen Bewunderern schwer, flar und präzis zu sagen, warum sie ihn bewundern. Man hört Worte wie Qualität, Klassiziómus, Schönheit, Stil aber feine eindeutige Bestimmung der Wesenheit feiner Kunst. Es ift \{wer, auszudrücen, worin feine Klassizität besteht die man ihm zugestehen muß. Ein einfacher Versuch könnte diese am chesten erweisen: Man könnte seine Bilder niht in einen Saal mit neueren Anekdoten- erzählern und Schmeichlern hängen, denn sie würden zu sehr abstechen. JInmitten guter glter Maler befänden sie sich wohl. Selbst in fo guter Gesellschaft, wie sie ihm in der Berliner Nationalgalerie Manet mit feinem „Treibhaus“, RNenoir mit seinen „Kindern Bérard“, Monet und Sisley mit ihren bewundernswerten Landschaften leisten, thront Cézanne wie ein Einsamer mit seinen Bildern, die im Gegensqß | zu. den umgebenden modernen wie Werke einer anderen Zeit anmuten, raffiniert zwar, aber viel robuster als die stärksten Erzeugnisse der impressionistischen Schule. Vereinigte man etwa drei Stilleben von Manet, Ganguin und Cezanne, so würde man die Objektivität des ersteren erkennen, der die Natur, gesehen dur ein Temperament, nachahmt; die subjektivere Art Ganguins, der ‘die Natur ins Dekorative, ja Hieratische überseßt. Vor Cézanne aber denkt man nur an die Malerei, Weder das dargestellte Objekt, noch die Subjektivität des Malers erregen unsere Aufmerksamkeit. Wir entsheiden uns erst nicht darüber, ob einé Nachahmung oder eine Auslegung der Natur vorliegt. Wir fühlen nur, daß diese Kunst weit eher mit einem Chardin als mit Manet oder Beaauls verwandt ist. Die Cézanne-A usstellung im Salon Cassirer gipfelt in den prahtvollen Beispielen seiner Stillebenkunst. Das .Stilleben mit Uhr* mit seinem \{chwarz-rot- weißen Farbendreiflang ist ein Bild, das man ohne Bedenken als fklassish werten muß. Cs könnte zu jeder ges gemalt worden sein, und Vermcer würde es wahrscheinlich ganz ähnlih gemalt haben. Aehnliches gilt von seinen Fruchtstücken. Von einem Apfel eines gewöhnlichen Malers kann man den Wunsch fühlen, ihn zu essen. Von einem Apfel des Cézanne sagt man: Wie chôn! Man würde es nicht wagen, ihn zu schälen, man wünscht ihn zu fkopieren. Das ist der Unter- schied: Der ideal gemalte Apfel wirkt auf die Geschmasnerven, ein Apfel Cézannes wirkt durch die Augen auf unsern Geist. Fn seinen früheren Bildern spürt man noch das Sujet, nah seiner Weiter- entwicklung verschwand dies völlig, und er malt nur mehr Motive (Sérusier). Auch das ist eine wichtige Lehre. Hat man nit alle Kunstarten in einen Topf geschüttet, Musik, Literatur und Malerei A ERES Cézanne aber stieg wieder zu den Quellen \einer Kunst hinab, er achtete ihre ursprüngliche Bestimmung, ihre Not- wendigkeiten, er hält sich an ihre Grundelemente, an das, was die Kunst des Malers aus\{ließlich zusammensezt. Er will vom Rest nihts wissen, weder von verdächtigen Ver- feinerungen noch von irreleitenden Methoden. Vor seinem Motiv weist er alles zurück, was ihn von der Malerei abwenden könnte, was seine leine Sensation fompromittieren könnte, wie er mit Anwendung der ästhetishen Phraseoklogie seiner Jugendfreunde fih selbst ausdrückte. Er vermied in seinen Bildern den Humbug und die Literatur. Man könnte wenig bessere Beispiele dafür nennen, als die drei Bildnisse seiner Frau, diefe gemalten Monumente von Einfachheit, Sachlichkeit und Abstraktion von jedem nit rein künstlerischen Effekt! So häßlih haben fürwahr noch wenige ihre Frauen gemalt, die nihts weniger als häßlich waren. Aber auf die hergebrahte Form der Schönheit kam es ihm nicht an. Und wenn diese Bilder den meisten Betrahtern als Sudeleien erscheinen (sofern sie, die Hand am Herzen, die Wahrheit bekennen) müßte man ihnen das Axiom Ganguins entgegenhalten : Nichts gleicht einer Sudelei mehr als ein Meisterwerk. Peeisterwerk und Sudelei, wir können sie niht anders verstehen denn als Gegensatz zur Mittelmäßigkeit moderner Malerei. Wenn Cézanne heute als der Meister der modernen Malerei gilt, als der Prophet, dessen Größe allen zum Ziel leuchtet, wie einst Michelangelo, darf man, um es zu verstehen, nicht vergessen, daß er sich über den Impressionismus gestellt hat. Er selbst bekannte dieses Streben kurz vor seinein Tode seinem Freund Denis: „Ich wollte aus dem Impressionismus etwas Solides und Dauerhaftes machen, wie es die Kunst der Museen ift.“ Weil er dieses Ziel in vielen seiner Meisterwerke erreiht hat, ist er der Klassiker der modernen Malerei. De D:

Der Deutsche Verein für’ Kunstwissenschaft, der fih die wissen schaftliche Erforshung und Veröffentlihung der Denkmäler der deutschen Kunst zur Hauptaufgabe gestellt, hat die Untersuchung der Deutschen Kaiserpfalzen des Mittelalters in Angriff ge nommen. Die unter der Leitung des Professors Clemen stehende Arbeit wandte sih zunächst der Pfalz in Ingelheim zu, die von Ludwig dem Frommen errichtet und von Friedrich Barbarossa wieder- hergestellt ist. Die Arbeit ist jeßt abgeshlossen. Vou der Pfalz stand, wie man der „Srankfurter Zeitung“ mitteilt, nur noch die Apsis des Kaisersaales aufrecht. Im Laufe der leßten Monate ift der Grundriß der Hauptanlage festgestellt worden, der eine Negel mäßigkeit aufweist, die zunachst stark an römische Villenanlagen erinnert; es ist aber aus dem Mauerwerk und aus den Kleinfunden mit Bestimmtheit festgestellt, daß es si hier nicht um eine römische Anlage selbst handelt, diese Frage it besonders auch noch durch Sachverständige auf dem Gebiet der römischen Archäologie der Rheinlande geprüft worden vielmehr geht aus der ganzen Disposition hervor, daß die Karo- linger sich im wesentlihen an das Schema römischer Villen und Palastanlagen an eschlossen haben : ein erneuter wichtiger Beweis für das starke Nadileben der römischen Üeberlieferung am Nhein noch in karolingischer Zeit. Die bis jeßt aufgedeckte Anlage bildet ungefähr ein großes Quadrat. An der einen Seite nah dem Rhein zu liegt der Kaisersaal, an der einen Schmalseite mit einer Apsis für den Hochsiß des Kaisers abshließend ; gegenüber mit ciner HNethe von Vorräumen, in der Mitte der Langseiten ist je ein großes Ah hinter dem Kaisersaal wahrscheinli ein großer offener Säulenhof, ein quadratisches Atrium, und binter diesem wieder eine Neihe ganz regelmäßiger Näume, die sich um Nemigiuskirhe lagern. Ein zweiter Naum mit einer leinen Apsis {ließt sih hier noch an. Der Eingang zu der Kirche liegt wieder genau in der großen Mittelachse, die durch die beiden Hauptportale des Kaisersaales gelegt ist. So ist hier eine Anlage aufgedeckt, die noch viel regelmäßiger und symmetrischer ist als die des in der An ordnung verwandten Kaiserpalastes Karls des Großen in Aachen.

die jeßige romanische

Die Akademie der Wissenschaften in Mün chen wählte, „W. T. B.“ zufolge, zu torresponoierenden Mitgliedern die Universitäts professoren Pen ck-Berlin, Part \ch- Leipzig, Jacob - Bonn, Nie Göttingen, Voigt - Göttingen, Baeumfker - Straßburg, Freiburg und Kluge - Freiburg. |

Finke

Die Freie Üniversität in Brüssel hat, ,W. T. B ie fol, e, aus Anlaß ihres 75 jährigen Jubiläums Seine Köni liche Voheit den Herzog Karl. Theodor in Bayern und diè Professoren Fischer und Waldeyer- Berlin zu Ehrendoktoren ernannt. Bei der JIubiläumsfeier ist Deutschland durch die Universitäten Bonn und

traßburg vertreten gewesen.

Gesundheitswesen, Tierkrankheiten und Absperrungs- maßregeln.

Nußland. ¿

Die russische Kommission zur Dmpf der Pestgefahr hat das Gouvernement Taurien und die Stadt auptmannschaft Sebastopol für cholerabedroht erklärt.

Persien.

__ Die persische Negierung hat für die aus Nußland über Astara eintreffenden und für die sih in Astara oder Enzeli aus\chiffenden Neisenden eine ärztliche Untersuchung angeordnet. Verdächtige Kranke werden isoliert.

Niederländisch-Indien.

Nach einer Bekanntmachung des Direktors des Departements für Unterricht, Kultus und Gewerbe in Batavia ist die Cholera in dem Seeplatz Palembang und dem vVauptplaze gleichen Namens erloschen. (Vergl. „Reichsanzeiger“ vom 30. v. M. tr, 207) e (W. T. B.) (Auf deutsh-atlan-

Guyaquil, 20. November. sind 94 Personen an Beulenpest erkrankt,

tishem Kabel.) Hier

, von denen 28 gestorben sind.

Verkehr®anstalten.

_ Laut Telegramm aus Düren (Nh[.) ist die Post aus Frank- rei, die gestern nachmittag um 6 Uhr in Berlin fällig war, infolge von Zugyerspätung ausgeblieben.

Zentral verein für deutsche Binnenschiffahrt eröffnet seine diesjährigen Winterarbeiten mit einer außerordentlichen Vauptversammlung, die am 8. Dezember stattfindet. Als wichtigster Punkt der Tagesordnung darf wohl die Frage der künftigen Ge- staltung des Gerichtéverfahr@ns in Schiffahrtsprozessen bezeichnet werden, über die von Professor, Justizrat Dr. Alerxander-Katz berichtet werden wird. Weiterhin wird die von den Handelskammern zu Potsdam und Worms beantragte Vereinheitlichung bezw. Abänderung der Verfrachtungsbedingungen in der Binnenschiffahrt zum Gegen- stande eingehender Verhandlungen gemaht und dabet gleichzeitig geprüft werden, ob und inwieweit die vorgebrachten Beschwerden berechtigt sind und die gestellten Abänderungsanträge eine Berück- sichtigung erfahren können. Die Berichterstattung liegt in den Händen von Generalsekretär Nágóczy - Berlin und Syndikus Dr. Barts- Duisburg. i

Der

Theater und Musik.

Schillertheater Cha rlottenburg.

Als Nachklang zur Schillerfeier wurde im Charlottenburger Scillertheater am Sonnabend, neueinstudiert, „Wa llen steins Tod“ gegeben. Es war eine Aufführung, die volle Anerkennung verdient, die das Trauerspiel in seiner ganzen ergreifenden Größe vor den Augen der Zuschauer erstehen ließ und bis in alle Einzelheiten mit Ver- ständnis auszugestalten wußte. Die Darstellung reibte sich ebenbürtig derjenigen von „Wallensteins Lager“ und „Die Piccolomini“ an, die kürzlih . an dieser Stelle gewürdigt worden ist. Der Geist des Dichters hielt die Zuschauer in seinem Banne, und fast wie eine Entweihung unterbrahen die stürmischen Beifallskundgebungen die andächtige Stille des Hauses. War fo der Gesamteindruck des Trauerspiels üiberwältigend, so trugen die Einzel- leistungen der Mitwirkenden in vollem Maße dazu bei. Die Titel- rolle lag in bewährten Händen : Herr Pategg gab, wie {on früher, den Wallenstein. Seîine Verkörperung der Gestalt bekundete tiefes, fruchtbares Charakterstudium. Die Piccolomini, Vater und Sohn, wurden von den Herren Reimer (Octavio) und Paeschke (Mar) gleihfalls fesselnd gespielt ; namentlich entwickelte der leßtere dabei die ihm eigene lebendige, vornehme Gestaltungskunst und ließ das jugendliche Feuer des Charakters mächtig auflodern. Von den anderen männlichen Haupt- rollen fanden die des Grafen Terzky, des Isolani, Buttler und Illo in den Herren Haase, Legal, . Bernecker und Wirth ebenso tüchtige fünstlerishe Vertreter. Von den Damen verdient Else Wasa her- vorgehoben zu werden, die eine lebenswahre Thekla \chuf. Frau Pauly und Frau Gude-Brandt als Gräfin Terzky und Herzogin von &Sriedland waren gleichfalls durhaus an fhrem Plate. Auch die anderen zablreihen Mitwirkenden trugen das JIhrige zum Gelingen der Aufführung bei.

Theater des Westens.

Den Reigen der allwinterlihen Märchenaufführungen hat das Theater des Westens am Sonnabend eröffnet. Nachdem es seinem kleinen Publikum feit 1907 „Schneewittchen“, „Kindestreue und Weihnachts\egen“ sowie „Schlaraffenland“" beschert hat, ging jeßt das reizvolle Märchenspiel „Struwwelpeter“ von Aloys Pra\ch (Musik von Gustav Steffens) vor gutbeseßtem Hause in einer Nachmittagsvorstellung in Szene. In buntem Dur(þ- einander werden hierbei alle Figuren aus dem alts- bekannten Struwwelpeterbuche vorgeführt in lustigem Verein mit den Erscheinungen, die im Kinderglauben mit der fröhlichen Weihnachtszeit im engsten Zusammenhange stehen. Knecht Nuprecht und eine Schar von Engelein treten immer wieder dazwischen, wenn die Genossen des bösen Struwwelpeter und dieser selbst es zu arg treiben. Jedes der \echs Bühnenbilder bietet eine prächtige Illustration zu dem Kinderbuche, dessen Blättern nacheinander zunächst Peter, der Held des Märchens, und dann im Gefolge Nobert der Fliegende, Hans Guck- in - die - Luft, der Zappel- pegilipp, Konrad der Daumenlutscher, der Suppenkaspar, der bitter- »ôse Friedrich, Paulinchen, die mit der Feder spielt, und andere kleine Tunichtgute entsteigen, um s\ich als warnende Beispiele ibren Zuschauern vorzustellen. Die guten Gngelein, eine Schar lieblicher Kinder, und spaßhafte Tiergestalten wirken immer wieder ver- mittelnd und bieten in ihren zierlihen Neigen und Tänzen abwechslungsreiche , lieblihe Bilder, die im Berein mit der glänzenden Ausstattung der Inszenierungskunst des Oberregisseurs Julius Donat alle Shre machen. Die Titelrolle war mit Herrn Nekut vortrefflich beseßt, und auch die Vertreter der anderen bauvyt- \ächlihsten Nollen, die Herren Endtresser, Brückner, Beer, Zerres, Obal sowie Fräulein Nicklaß (Paulinchen) waren mit Lust und Liebe bei der Sache. Cbenso verdienen die Herren Mar Müller und Frißz Kleist (vom Walhallatheater), die als Hänsel und Gretel im leßten Vilde auftraten, für ibre akrobatishen Leistungen besondere Er- wähnung.

In der morgigen Aufführung von N. Wagners „Tannhäuser“ im Königlichen Opernhause sind die Damen Kurt, Boe Wichgraf und die Herren Grüning, Bronsgeest, Griswold, Kirchhoff und Krasa beschäftigt. Dirigent ist der Kapellmeister Blech.

Im Königlichen Schauspielhause wird morgen, Dienstag, „Der eingebildete Kranke“ von Meolidre, bearbeitet von Paul Lindau, wiederholt. Den Argan spielt Herr Vollmer, die Toinette Frau Schramm.

Die Ausgabe der Abon nementsbillette zu den Königlichen Theatern für den Monat Dezember d. J. zu 28 Opern und 28 Scauspielvorstellungen findet am 27. und 29. Novem d L, von 104 bis 1 Uhr Vormittags an der Königlichen Theaterbauptkase