1909 / 276 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 23 Nov 1909 18:00:01 GMT) scan diff

E E La LE E I E:

des Ritterkreuzes des Königlich Jtalienischen St. Mauritius- und Lazarusordens:

dem Oberleutnant Freiherrn von Nordeck zur Rabenau in der Schußtruppe für Deutsch-Ostafrika ; sowie der Chilenischen Verdienstmedaille in Silber:

dem Major Stud im 1, Lothringischen Jnfanterie- regiment Nr. 130.

Deutsches Reich.

v Altona wird am 6. Dezember 1909 mit einer Prüfung zum Schiffer auf großer Fahrt und am 15. Dezember 1909 mit einer Seesteuermannsprüfung begonnen werden.

Königreich Preufszen.

Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht : den Großherzoglich oldenburgishen Geheimen Kirchenrat, Ba tor Valentiner in Eutin zum Propst der Propstei usum-Bredstedt, Regierungsbezirk Schleswig, zu ernennen.

Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten.

Die Oberförsterstelle Liebenwalde im Negierungs- bezirk Potsdam ist voraussichtlih zum 1. Januar 1910 zu be- seßen. Bewerbungen müssen bis zum 5. Dezember d. J. ein-

gehen.

Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten.

Dem Observator am Königlichen Asipaphonats chen Observatorium bei Potsdam Dr. Hans Luden A und dem Oberlehrer an der städtischen Studienanstalt in Berlin Lans Priewe ist der Charakter als Professor verliehen worden.

Evangelischer Oberkirchenrat.

Zum Pfarrer der Lee evangelishen Gemeinde in Turnu-Severin (Rumänien) ist der Hilfsprediger Hans Petri aus Luckenwalde und

zum Pfarrer der deutschen evangelishen Gemeinde in Pommerode im Staate Santa Catharina (Brasilien) der Stei prediger Johannes Bürger in Wolgast (Pommern) berufen worden.

“Nichtamtliches.

Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 23. November.|

Der Bundesrat versammelte sih heute zu einet Plenar- sigung ; vorher hielten die vereinigten Ausschüsse für Rehnungs- wesen, für das Landheer und die Festungen, für das Seewesen und für T Bec Post und Telegraphen, die vereinigten Ausschüsse für Rechnungswesen, für das Landheer und die Festungen und für das Seewesen sowie die vereinigten Aus- chüsse für Rehnungswesen und für das Landheer und die Festungen Sißungen.

Der Regierungsrat Dr. Adolf Meyer in Hildesheim ist der Königlichen Regierung in Marienwerder zur weiteren dienstlihen Verwendung überwiesen worden.

Laut Meldung des „W. T. B.“ ist S. M. S. Arcona“ am 20. November in San Diego (California) eingetroffen und geht morgen von dort wieder in See.

Jn der Ersten Beilage zur heutigen Nummer des „Reichs- und Staatsanzeigers“ werden im Kaiserlichen Statistischen Amt S Nachrichten über den Stand der Herbstsaaten im Deutschen Tes um die Mitte des Monats November 1909 veröffentlicht.

Sigmaringen, 23. November. Seine Majestät der Kaiser und König ist, „W. T. B.“ zufolge, gestern mittag von Donaueschingen hier eingetroffen und von Seiner Hoheit dem Fürsten von Hohenzollern und Seiner König- lihen Hoheit dem Kronprinzen von Rumänien sowie den Hofstaaten empfangen worden. Abends um 9 Uhr reiste Seine Majestät über Tuttlingen nah Radzionkau in Ober- \clesien zum Besuche des Fürsten Henkel von Donnersmark ab.

Baden.

Der Landtag ist heute mittag 12 Uhr von Seiner Königlichen Hoheit dem Großherzog mit einer Thron- rede eröffnet worden.

Fn der Thronrede wird, „W. T. B.“ zufolge, zunä st die s\o- fortige Einbringung des Staatshaushalts angekündigt ; dieser {ließt mit einem namhaften Fehlbetrage ab, der eine Vermehrung der Staatseinnahmen durch Steuererhöhungen bedingt. Die Verwaltung der Eisenbahnen verlangt zur Verzinsung und Tilgung der Eisen- bahnshuld einen Zushuß aus der allgemeinen Staatsverwaltung. Die Einnahmen aus dem Personenverkehr sind gegenüber dem Vor- jahre zwar gesegew, au die Einnahmen aus dem Güterverkehr aben in den leßten Monaten ein langsames Steigen gezeigt in weit höherem Maße aber haben die Ausgaben, namentli durch Erhöhung der Gehälter und Löhne zugenommen. (Es werden daher Maßnahmen vorgeschlagen, um die Eisenbahn- finanzen so zu gestalten, daß nicht dauernd zu ihren Sunsten allgemeine Staatsmittel in höherem Maße auf Kosten anderer staatlicher Ausgaben verwendet werden müssen. Weiter kündigt die Thronrede einen Gesetzentwurf zur Erhöhung der Bier- steuer an und einen solhen wegen Aenderung der Ein- fommen- und Vermögenssteuer. Ferner wird angekündigt die Einbringung eines Wohnunggelbdgeie es, eine ovelle zum Wassergeset, ein Irrengeseß, eine Aenderung der Gemeinde- und

Städteordnung, ein Gesetz, betreffend das Hinterlegungswesen, und {ließlich eine Vorlage wegen Aenderung des Geseges über den Elementarunterricht. Sn leßterem ist eine Erhöhung der Bezüge der Volks\chullehrer und -lehrerinnen und die Neugestaltung der Vor- riften über die Schulaufsicht vorgesehen.

Oesterreich-Ungarn.

Der ungarische Handelsminister Kossuth hat gestern in Budapest eine Deputation seiner Czegleder Wähler empfangen, vor denen er seine Haltung in der Bankfrage eingehend be- era Nach einer Meldung des „W. T. B.“ sagte Kossuth:

e habe stets für eine selbständige Bank gekämpft, er werde diesen Kampf auch künftighin fortsegen. Ein Hindernts für die Er- rihtung einer selbständigen Bank bilde der Wille des Königs, der fich egen eine selbständige Bank (aer habe. Das Vetorecht der She bilde einen Bestandteil der Verfassung. Seine Anerkennung E Nechts, welches einen zeitweiligen Aufschub der Errichtung einer selbständigen Bank bedeute, könne nicht derart gedeutet werden, daß er den Absolutiómus anerkenne.

Kossuth erklärte zum Schluß, er werde stets für die Un- abhängigkeit des Landes kämpfen. Falls er. in dieser Beziehung feine Konzessionen von der Krone erlangen könne, werde er zur Opposition übergehen.

Grofßbritaunien und Frland.

Jm Oberhause stand gestern die Finanzreformvor- lage zur Beratung. Nach Verlesung der Tagesordnung unter- breitete der Großsiegelbewahrer Earl of Crewe dem Hause die zweite Lesung der Finanzreformvorlage, ohne zu De Erklärung oder Verteidigung zu sprechen. Sodann erhob sich Lord Lans - downe unter dem Beifall der Opposition, um seine bereits an- gekündigte Resolution zu begründen.

Wie das „W. T. B." berichtet, erklärte Lansdowne, das Schweigen des Garl of Crewe zeige, daß die Negierung der Meinung sei, daß die Peers mit der wichtigen Frage der Finanzreform nichts zu tun hätten. Für die Opposition liege die Sache einfach. Es sei eine \hwerwiegende Gese esvorlage ohne Präzedenzfall, wie sie niemals dem englischen Volke vorgelegt worden sei. Sie erfordere die Zu- stimmung des Oberhauses, und dieses dane die Verantworlichkeit seiner Zustimmung nicht auf sich nehmen, ohne daß es sich vergewissert hätte, daß das Volk wünsche, die Vorlage solle Geseß werden. Im weiteren Verlaufe seiner Rede sagte der Redner, die Peers hätten das Recht, Finanzvorlagen abzulehnen. Wenn die Schankkonzessions- vorlage und die Vorlage über die Besteuerung des Grundeigentums der Finanzvorlage hätten einverleibt werden können, so sei kein Ende für die daraus entspringenden e abzusehen. Es sei unwahr, daß die Peers bezüglih der Besteuerung des Grundeigentums von felbstsüchtigen Motiven geleitet würden. Diese Steuern seien leiht zu rechtfertigen, wenn angenommen würde, daß der Grund und Boden Staatseigentum sei, und daß es die Bestimmung des Par- laments sein müsse, den Grund und Boden zu verstaatlichen. Die Opposition widerseze sih diesen Steuern, weil fie eine einzelne Klasse für eine besondere, drückende und auf sozialistishem Trugshluß beruhende SFnanspruchnahme herausgriffen. Wenn die Vorlage Geseßzeskraft erlange, würde die Nation gezwungen sein, ihre jährlichen Verbindlichkeiten aus ihrem Kapital zu bezahlen. Der Wert der englischen Staatspapiere sei im Sinken, und die Eng- länder wendeten, um ihr Kapital anzulegen, ihre Aufmerksamkeit L und mehr dem Auslande zu. Jronisch fragte Lord Lansdowne, was aus des „armen Mannes Budget" werden würde, wenn es das Kapital aus dem Lande vertreibe. Der Redner ging sodann auf die Tarifreform- bewegung ein und sagte, man frage d, ob die Zeit niht gekommen sei für eine erneute Prüfung der Grundlage des englishen Finanz- \ystems, und ob man noch länger über ein Finanzsystem lachen fönne, unter dem andere Länder mächtig emporblühten. Die Opposition habe nicht das Gefühl, daß sie das Recht habe, dem Volke die neuen und ungeheuerlichen Lasten, die die Bill bringe, aufzuhalsen, bis sie wisse, daß dies die Richtung sei, die das Volk einzuschlagen wünsche. Die Opposition habe die Folgen einer Ablehnung der Bill ins Auge gefaßt und sei bereit, ihnen zu begegnen. Die politishe Stockung brauche nicht lange zu dauern. Vie Negierung habe ja beständig erklärt, daß sie wünsche, diese Fragen einer Probe auszuseßen. Das Budget sei so hinfällig, daß es niht sech8 Wochen durhhalten würde. Wenn die Regierung es nicht wünschte, gäbe es keine Gelegenheit für ein finanzielles Chaos. Lansdowne bot die Unterstüßung der Opposition bei der Bekämpfung aller Schwierig- keiten an, die sich möglicherweise ergeben könnten, und erklärte, er ziehe eine zeitweilige Verwirrung dem dauernden Chaos vor, das sich aus der Annahme der Bill ergeben würde. Durch die Drohungen gegen die konstitutionellen Nechte der Peers sei er niht sonderlich berührt. Diese Drohungen seien |chon ausgestoßen worden, bevor man von diesem Budget noch etwas geträumt habe. Dieser Kampf habe kommen müssen, und er mahne die Peers, ihrer Verantwortung nicht auszuweichhen. Das Schädlichste, was die Peers tun könnten, würde sein, die zu ent- täuschen, die auf sie als die e A ihres größten Verfassungs- rechts blickten, nämlih des Rechts, befragt zu werden, wenn von der Negierung eine fundamentale politische Aenderung in Vorschlag ge- bracht werde.

Der Lordkanz ler sagte in seiner Antwort, der vorgeschlagene Schritt stürze alle parlamentarishe Tradition um und wenn er auch vielleicht zulässig und geseßlich sei, so sei er doch vom konstitutionellen Standpunkt aus vertebrt. Die Ablehnung des Budgets bedeute die Ablehnung des Jahresbedarfs, aber Lord Lansdowne f eine zu meinen, auf ein kleines Chaos komme es nicht an. Die Ablehnung würde ein direkter Eingriff in die Prärogative der Krone und die Privilegien des Unterhauses sein. Man verlange, daf eine Derfaluna umgestürzt werde, die der Gegenstand des Neides für alle Nationen der Welt sei, und daß dem Oberhause solche Machtbefugnisse verlichen würden, daß das Unterhaus und die Ne-

ierung auf die Gnade der Lords angewiesen wären. Kein kluger Mensch könne das wünschen, und kein Mann von Geist würde ich dem unterwerfen. Was Lansdowne vorschlage, sei ein Schritt zur konstitutionellen Revolution. Der tele wies auf die sechs- jährige Dauer des Parlaments hin und meinte, es blieben \omit noch zwei Jahre, um die Steuern ohne Verleßung der Verfassung rück- hingig zu machen oder zu ändern, wenn das Volk sie verurteile. lber die offenbare its des Landes sei, daß das Budget anzu- nehmen sei, und bei den allgemeinen Wahlen werde das Volk weit wichtigere Fragen erwägen, als nur die eine Frage, ob das Budget angenommen werde oder nicht. Der Lordkanzler nahm zum Schluß Bezug auf die Ablehnung wichtiger Negierungsvorlagen durch das Oberhaus innerhalb der leßten vier Jahre und erklärte, es sei keiner liberalen Negierung wieder möglich zu amtieren, wenn sie nicht gegen die Wiederholung einer derartigen Behandlung ihrer Maß- nahmen geschügt sei. Er betonte weiter das Mett des Unter- hauses auf die Kontrolle der Finanzen und er lärte es für lächerlih, daß ein Haus, das aus nicht vom Volke gewählten Mit- liedern bestehe, sih dieses Neht anmaßen und die Macht haben jollte, eine Regierung zu stürzen, die zu Mgen einer Zeit in politi-

e die Prinzipien der Vor-

chem Gegensaß zu ihm stehe. Er vertetdig lage und erklärte, daß, wenn er sich die außerordentliche Bedeutun der vorgeschlagenen Maßnahmen vergegenwärtige, er erstaunt sei, daß das Haus wegen einer so geringen Ursache bereit sein solle, eine so bedeutungsvolle neue Nichtung einzuschlagen.

Nachdem noch andere Redner gesprochen hatten, wurde die Debatte auf heute vertagt.

Fraukreich.

Jn der Deputiertenkammer standen gestern die Jnterpellationen der Sozialisten Merle und Jaurès, betreffend die Lage in Marokko und den für die Operations- truppen in Marokko geforderten Nachtragsetat, auf der Tagesordnung.

Wie das „W. T. B." berichtet, fragte der Abg. Merle, ob Spanien dur den gegenwärtigen Feldzug im Rif nicht die Algeciras- akte verlegt habe, und elde Haltung die Regierung gegenüber Spanien einzunehmen gedenke, das diesen Feldzug unternommen habe infolge eines Vertrages mit dem Nogi, der ß Machtvollkommen- heiten angemaßt habe, indem er Minenkonzessionen en hâtte. Der Redner warf Spanien vor, daß es in Marokko dag Christentum einführen wolle, und fuhr dann fort, er fürchte, daß Frankreih infolge des spanischen Feldzuges auf eine Verbindung Algiers mit dem Atlantischen Ozean über Taza verzichten müsse. Frankreich dürfe das Schaujagebiet nicht räumen, bevor es nit Garantien erhalten habe, daß die Ordnung und Sicherheit, die es dort geschaffen habe, auch in Zukunft aufrechterhalten würden. rankreich solle von Marokko nicht die \ofortige Zahlung der ge- huldeten Entschädigungssumme verlangen und sih in Zukunft tele

Fbemühen, mit Marokko und dem Sultan direkte Beziehungen anzu-

knüpfen. Der Abg. Jauròds wandte A geßen die Politik der- jenigen, die offen davon sprächen, man müsse Marokko in finanzielle Abhängigkeit von Frankreich bringen und dann sein Gebiet beseßen, und die Frankreich dadur, daß sie ihm die Konkurrenz Spaniens vor Augen hielten, auf diesem Wege vorwärts zu treiben hofften. Jaurès erflärte, Frankreih habe kein Recht, dur eine gewaltsame oder ver- \teckte Intervention der Selbstverwaltung Marokkos Abbruch zu tun. Die Aufsaugung Marokkos würde hundert- bis zweimalhundert- tausend Mann erfordern. Das Beispiel Spaniens zeige die Schwierigkeiten eines solhen Unternehmens. Fm übrigen würde Frankreich riskieren, die guten Beziehungen zu Spanien zu trüben, denn die Empfindlichkeit Spaniens sei seit langem erwacht. Jaurès bezeichnete es als eine törichte Legende, daß die französische Regierung das spanische Bergwerkssyndikat im Nif ermutige, und forderte die

Veröffentlihung der spanisch-französischen Geheimverträge. Der

Minister des Aeußern Pichon erklärte in seiner Antwort, daß es zwischen Frankreih und Spanien keinen anderen Vertrag gebe, der ih auf die gegenwärtige Situation in Marokko beziehe, als den all- gemein bekannten, der durch das Gelbbuch und die Kammerdebatten in die Oeffentlichkeit gelangt sei, und dieser Vertrag beruhe auf dem Prinzip der Aufrechterhaltung der Integrität Marokkos und der Souveränität des Sultans. as sei die Grundlage der Politik Frankreihs und Spaniens sowohl wie diejenige der Vertrags- mächte von Algeciras. Aber in dem Augenblick, wo die Diplomaten der beiden Länder übereinkommen würden, Dispositionen zu treffen, die sie durch einen Vertrag bekräftigen wollten, sei es ihnen nicht untersagt, ja, es sei ihre Pflicht, diejenigen Möglichkeiten zu berück sichtigen, die von ihrer Politik abwichen. In dem Fall, daß diese Gyventualitäten \ich gegen thren Willen entwickeln würden, sei es erlaubt, die Haltung dieser lebbek Länder im voraus festzulegen. Das Parlament würdeimmerNichter undHerr bleiben und seine Verantwortlichkeit sei dur feinerlei Geheimvertrag mit Spanien oder einer anderen Nation ver- mindert. Gegenwärtig stehe man nur dem Vertrag von 1904 und der Algecirasakte gegenüber. Nah dem Minister ergriff Ja ur ès nochmals das Wort und sagte, der französish-spanishe Geheim- vertrag solle die Teilung Marokkos in die beiden Einflußsphären Frankreihs und Spaniens enthalten und darauf abzielen, der Achtung der Integrität ein Ende zu machen. Jauròs fragte, ob der Geheimvertrag niht durch die in der Algecirasakte enthaltene Versicherung, daß die Integrität Marokkos obligatorisch sei, aufgehoben wäre. Man lege Marokko für feine Anleihe Bedingungen auf, die gecignet seien, die Entwicklung Marokkos zu hintertreiben. Jronish fügte er hinzu, das gehe aus der Tatsache hervor, daß das Syndikat Mannesmann sih mit dem Syndikat Krupp-Schneider in Konkurrenz befinde. Der Redner {loß mit einem Lob des Sozialismus, der Frankreih gegen die Gefahren eînes Versuchs, Deutschland einzukreisen, \{hüte. Der Abg. Den ys-Cochin erklärte, das französish-deutshe Marokkoabkommen habe die Lage wesentlich verbessert; er forderte \{ließlich die Aufrechterhaltung dessen, was Frankreich in Marokko in Uebereinstimmung mit der Algecirasakte erreicht habe. Nukßland.

Der Kaiser Nikolaus hat, „W. T. B.“ zufolge, einem Beschlusse des Ministerrats seine Zustimmung erteilt, wonach in Zukunft auf ausländischen Kongressen, Konferenzen, Aus- stellungen und internationalen Feiern, sobald sie politischen Charakter tragen, Vertreter der finnländischen RNegie- rungsressorts nicht mehr selbständig auftreten dürfen. Wenn derartige Kongresse und dergleichen nicht politisch sind, dürfen Finnländer nur als Privatpersonen oder als Vertreter privater Vereinigungen fungieren. Sofern es nötig erscheint, daß offizielle Vertreter zu irgend welchen internationalen Versamm lungen abzuordnen sind, können solche Vertreter als Mitglieder russischer Abordnungen auftreten. Wenn diese jedoch fehlen, haben finnländische Vertreter an den Verhandlungen nicht teil- zunehmen.

Niederlande.

Die. Deputiertenkammer seßte in der gestrigen Sißung die Beratung des Budgets fort.

Nach dem Bericht des „W. T. B." gab der antirevolutionäâre Abg. Vandevelde im Namen seiner Partei seiner Freude über die Erklärung Kuypers, betreffend die Ordensverleihung an Lehmann, Ausdruck und erklärt, das Geständnis, eine Unklugheit begangen zl haben, mache Kuyper alle Chre. Der Abg. Vanidsinga wal] der Regierung vor, Informationen über die Dekoration Lehmanns verweigert zu haben. Geldopfer ohne persönliche Verdienste könnten niemals eine Auszeichnung rechtfertigen. Der Redner erklärte, er 1€l für die Abschaffung aller Ordensauszeihnungen mit Ausnahme der- jenigen für ausländishe Diplomaten.

Türkei.

Der Ministerrat beschäftigte sih, „W. T. B.“ zufolge, in seiner leßten Sißzung mit den Berichten der türkischen Bol schafter bei den Shußmächten, die, wie gemeldet, die Pforie von der ablehnenden Haltung der Schußmächte gegenüber del türkischen Note über Kreta verständigt haben.

Die Deputiertenkammer hat gestern eine Jnter- pellation an den Minister des Aeußern angenommen, die die Beantwortung folgender Fragen verlangt :

Welche Haltung wird die Pforte gegenüber der von der Presse emeldeten Balkankonföderation einnehmen? Ist die Konföderation 1! Interesse der Türkei gelegen oder richtet sie sih gegen deren Jntere}t* Was hat die Pforte 2s die dem Völkerreht widersprechenden Er- flärungen hin getan, die die Minister Malinow und Paprikow Uber Bulgarien und die Türkei abgegeben haben?

Die Beantwortung der Jnterpellation ist auf den nächsten Sonnabend festgeseßt.

Parlamentarische Nachrichten.

Bei der gestrigen Stichwahl für den Reichstag wahlkreis Landsberg-Soldin sind, „W. T. B,“ gufo d für den Ege Holtschke oe 12 370, für de Expedienten Pätel-Berlin (Soz.) 11 226 Stimmen abgegebe!- Ersterer ist somit gewählt.

Statistik und Volkswirtschaft.

Hie Bewegungder BevölkerunginPreußenim Jahre 1908.

Nach den neuesten Feststellungen . des Königlich preußischen Statisti hen Landesamts kamen während des Jahres 1908 im preußischen Staate vor: 1308283 Geburten (in den Jahren 1907

d 1906 1298 291 und 1308 912), darunter 38 884 Totgeburten egen deren 38 655 und 39 301 in den beiden Vorjahren). Die chl der Eheschließungen belie d auf 911131 (313 039" und 09 922). Sterbefälle einschließli der Totgeburten gab es 732 608 (719 604 und 712 970). Der Geburtenüberschuß stellte sich somit f 576 675 Köpfe gegenüber 578 687 und 595 982 in den beiden Norjahren. Die Einwohnerzahl Preußens läßt sich auf zusammen 38 468 663 Köpfe für den 1. Januar 1908, auf deren 38 751 705 r den 1. Juli und auf 39 034 746 für den 1. Januar 1909 erechnen. Vis zum Jahres\{chlusse 1909 dürfte Preußen sicher eine Bevölkerung von 39,6 Millionen Köpfen erreiht, wenn nicht über- shritten haben.

Auf Je 1000 zu Anfang des Jahres 1908 Lebende entfielen 34,01

(in den Vorjahren 34,2 und 35,1) Geburten, darunter 1,0 (1,0 und 1,1) Totgeburten, 16,2 (16,5 und 16,6) S O sowie 19,04 (19,0 und 19,1) Gestorbene. Die Ver vältniszahl der Ge- hurten sowohl wie die der eheshließenden Personen hat ich also egenüber den Vorjahren etwas verringert, während die der Lodes- ile fast genau die gleiche geblieben ist. Unter 1000 Geborenen waren im Jahre 1908 durdscnittlich 76,1 unchelich Geborene in den Vorjahren 74,9 und 72,4), 29,7 Totgeborene (29,8 und 30,0) und 25,9 Mehrlingskinder (25,6 und 29,8). Die Verhältniszahl der unehelichen Kinder hat also seit 1906 um über 5 v. H. zugenommen. Von 1000 ehelih Geborenen wurden in rein evangelishen Ehen ge- haren 530 (533 und 537), in rein fatholishen 398 (gegen 396 und 391), in rein jüdischen 5,5 (gegen 5,5 und 58) und in gemischten Ehen 66,5 (gegen 65,9 und 0s Die Geburtenzahl hat aas in rein 0aGel den Eben weiter ab-, in rein katholishen und gemischten weiter zugenommen. Die fatholishe Bevölkerung erscheint als die fruhtbarere, da es 1905 auf 1000 in der Gesamtbevölkerung nur 358 Katholiken gab.

Das Durchschnittsalter der eheschließenden Männer stellte sich in allen 3 Jahren von 1906 bis 1908 unverändert auf je 28,9, das der Frauen auf je 25,6 Jahre. Kaum verändert hat sih auch die Zahl der Eheschließungen zwischen SJunggesellen und Jungfrauen: von 1000 aller eheshließenden Paare entfielen auf Jungge|ellen und Jungfrauen 867 (in den Vorjahren je 868). Unter 1000 eheschließenden Paaren befanden sih 593 rein evangelishe (595 und 600), 299 rein katholische (298 und 295); rein üdische Paare gab es 8,4 (bzw. 8,8 und 3,8). Die Anzahl der gemischten Paare ist in der Zunahme begriffen; fie stieg von 96 im Jahre 1906 auf 98 im Jahre 1907 und 99 im Jahre 1908.

Die Sterblichkeit war im Jahre 1908 fast genau die gleiche wie in den Vorjahren ; sie ist von 1906 auf 1907 von 19,1 auf 19,0 ge- sunken, um 1908 auf 19,04 zu steigen, ein Beweis dafür, wie heute selbst ungünstige wirtschaftliche Verhältnisse feinen erheblichen Einfluß ausüben; es dürfte sich in dieser Tatsache der Fortschritt der Lebens- haltung einerseits, der gesundheitlichen Berbesserungen anderseits deut- lih ausprägen. Die Sterbeziffer im preußischen Staate ist gegen die der 70er und 80er Jahre um ein volles Drittel gesunken, wie die folgende Uebersicht dartut. Auf je 1000 zu Jahresanfang Lebende entfielen :

l Sterbefälle im Jahresdurchschnitt einschließli bezw. Jahre der ç Totgeburten Be E 29 1 I 4 es 6e 28,3 f gi, e 230,9 I L s A6 29,3 1D L-L E a ab i 1861—1870 . . 1871—1880 . . 1881—1890 . . 1891—1900 . . 1901—1905 . . 1906 . 1907 . 1908 . e

Unter 1000 Gestorbenen ohne die Totgeborenen befanden sich 456 (in den Vorjahren 449 und 482) Kinder unter 15 Jahren, 559 (593 und 581) Ledige einscließlich der Kinder, 264 (268 und 254) Ver- heiratete, 175 (176 und 163) Verwitwete Le 26 (2,6 und 2,4) Geschiedene. Ferner kamen auf 1000 Gestorbene ohne die Totgeborenen 602 (in den Vorjahren 605 und 604) Evangelische, 386 (384 und 385) Katholiken, 3,1 (3,0 und 2,8) sonstige Christen fowie 82 (8,4 und 8,5) Juden. Die Kindersterblichkeit hat ih gegen das Vorjahr vermehrt, war aber erheblich niedriger als 1906. Es starben von 1000 Lebendgeborenen m ersten Ie:

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Wir beobachten also seit den 70er Jahren ein ganz aus- gesprohenes Zurückgehen der Säuglingssterblichkeit; doch ist dieses Zurüdckgehen in der Stadt ganz erheblich stärker gewesen als auf dem Unde; denn während bis 1901/05 und auch 1906 die städtische eheliche und unehelihe Säuglingssterblichkeit höher war, ist sie 1907 und 1908 geringer gewesen als auf dem Lande. Cs dürfte dies wohl ju einem erheblichen Teile auf das starke Zurückgehen der Fruchtbarkeit in den Städten zurückzuführen fein. Man könnte annehmen, daß die erheblich größere Fruchtbarkeit der Landfrauen in ihnen das Bewußtsein weniger \harf zum Ausdruck kommen läßt, daß mit Menschenleben auch im zartesten Alter sparsam verfahren werden muß. Indessen wirkt aber noh das Abschieben eines Teils der Säuglinge kurz nah der Geburt von der Stadt auf das Land belastend für die Sterbeziffer des Landes, entlastend für die der Stadt ; die genaue Sterblichkeitsbilanz ist bei dieser Sachlage nur auf Grund besonderer, eingehender Berehnungen bezw. Erhebungen festzustellen.

(Stat. Korr.)

Wohlfahrtspflege. Arbeiterwohnungen der Hamburg-Amerika - Linie.

Es is] eine erfreulihe Tatsache, daß neben Staat, Gemeinde, CaiBigen Baugenossenschaften und Bauvereinen auch unsere großen ndustriellen Unternehmungen sih mehr und mehr entschließen, der Arbeiterwohnungsfrage ihre Aufmerksamkeit zuzuwenden und durch haffung gesunder, billiger Heimstätten für ihre Arbeiter an der Be- seitigun mannigfacher bedenkliher Mißstände mitzuarbeiten, die die Entwi lung unseres Wohnungswesens namentli in den ees für die unteren Bevölkerungsschichten herbeigeführt hat. Montan- industrie und chemische Industrie (Krupp, Höchster Farbwerke usr.) nd auf diesem Wege vorangegangen, und manche hervorragenden Groß- etriebe anderer Industrien sind gefolgt. In jüngster Zeit hat fich R auh die Reederei angef Me en. Wie die „Hamburger Bei- räge“ berichten, hat die Hamburg- Amérika-Linie, die erst kürzlih mit val Schaffung einer Spareinrichtung für ihre Arbeiter und er Gewährung eines Zins 1G usses für die Sparenden enen neuen beachtenswerten Sritt auf dem Wege praktischer

Arbeiterfürsorge getan hat, ein in der Nähe ihrer Hafenanlagen auf dem linken Elbufer gelegenes ausgedehntes Se fäuflih erworben und ist gegenwärtig im Begriff, ihren Arbeitern hier Heimstätten zu errichten. Das Terrain ist groß genug, um einer Anlage von fünf mächtigen Wohnhäuserblocks mit etwa 700 Wohnungen Play zu gewähren. Vorläufig ist indessen nur die Errichtung eines Bloes geplant. Für den Bau hat sich die Gesellschaft der Mitarbeit des Bauvereins zu Hamburg versichert, dessen reiche Erfahrungen also der neuen Anlage zugute kommen werden. Mit den Vorarbeiten ist bereits begonnen worden, und man hofft, daß der Bau bis zum Oktober nächsten Jahres vollendet sein wird. Nah Fertigstellung dieses ersten Teils des Projekts werden 128 Wohnungen mit hellen, luftigen Zimmern, mit Balkons, Keller und Bodenräumen geschaffen sein. Ein zweig der Hafenstraßenbahn soll den Hâuserblock mit den Betriebsanlagen der Hamburg - Amerika- Linie, die übrigens zu Fuß in 25 Minuten zu erreichen find, verbinden. So wird die neue Anlage den Arbeitern nicht allein den Vorzug ge- sunder und bequemer Wohnungen bieten, sondern auch vielen, die bisher in den vom Hafen weit entfernten Vorstädten wohnten, den Weg zwischen Heim- und Arbeitsstätte wesentlih verkürzen und ihnen damit eine erfreulihe Ersparnis an Zeit und Geld gewähren. Außer- dem ist bei der örtlichen Konzentration der Arbeiter die Möglichkeit e gemeinsame Bildungsgelegenheiten, wie Bibliotheken, Lese- allen, für sie zu \chaffen, Einkäufe gewisser Bedarfsartikel gemeinsam zu bewerkstelligen u. a. m.

Kunst und Wissenschaft. Wie „W. T. B.“ aus München meldet, ist dort der norwegische Kunstmaler Professor Otto Sinding gestorben.

Literatur.

Erzieher des Preußischen Heeres. Herausgegeben von Generalleutnant z. D. von Pelet-Narbonne. Verlag des Deutschen Offizierblattes, Gerhard Stalling, Oldenburg. (Preis jedes der 12 Bände: geh. 1,50, geb. 2,25 4.) Einer unserer be- rufensten Militärschrift\teller hat ein umfangreihes Werk heraus- egeben, das uns die Männer vor Augen und zu Herzen führt, die Preußen militärisch und damit auch zugleich politisch an den hervor- ragenden Play gestellt haben, den es jeßt innerhalb der Kulturstaaten einnimmt. Wenn in der Einfübrüng zu dem Buche die Worte Moltkes in seiner Reichstagsrede vom 16. Februar 1874 angeführt werden, in denen er auf den Faktor hinweist, dem wir das Gewinnen unserer Schlahten in erster Linie zu danken haben, so foll hierdurch dargetan werden, daß die vorliegende biographishe Zusammenstellung jener preußischen Helden der Auffassung des großen Mannes entspricht, der an dem denk- würdigen Tage sagte: „Man hat gesagt, der Shulmeister habe unsere Schlachten gewonnen meine Herren, das bloße Wissen erhebt den Menschen noch nicht auf den Standbunkt, wo er bereit ist, das Leben einzuseßen für eine Idee, für Pflichterfüllung, für Ehre und Naterland: dazu gehört die ganze Erziehung des Menschen. Nicht der Schulmeister, sondern der Erzieher, der Militär- stand, hat unsere S{hlachten gewonnen.“ Der Geist aber, aus dem dieser „Erzieher“ erstand, ist im Laufe der Jahrhunderte von den Männern ausgegangen und verbreitet, deren Andenken die vorliegenden 12 Bände gewidmet sind. An der Hand der Schilderung des verdienstvollen Wirkens und der ganzen Cigenart der hervorragendsten Gestalten, die von dem Großen Kurfürsten an bis auf Wilbelm den Großen und seine Paladine, an der Spitze des Heeres gestanden haben, wird erwiesen, welch gewaltigen Einfluß die Macht der Persönlichkeit besißt und wie sie threr Zeit den unver- gänglihen Stempel aufdrückt. Wenn sich inzwischen auch bezüglich der Organisation und Verwendung der Truppen vieles geändert hat, das von jenen Erziehern einst geschaffene und ausgebaute moralishe Fundament ist das gleiche geblieben, und dieser Hinterlassen- schaft der dahingegangenen Baumeister kann ih das ganze Volk noch beute freuen und ihre tausendfältigen Früchte in dem in der Armee herrschenden Geiste wiederfinden. Dies in anschaulihen, nach dieser Nichtung hin scharf gezeichneten Lebensf\kizzen der heutigen Generation in mahnende Erinnerung gebracht zu haben, is die ver- dienstvolle Aufgabe, die der Herausgeber des Buches in glücklihster Meise gelöst hat. Mit klarem Blick hat er einen Stab vortreff- liher Mitarbeiter für die einzelnen Bände herangezogen , deren Namen meist {on einen guten Klang in der Militärliteratur haben. Band 1: „Der Große Kurfürst“ hat zum Verfasser den Heraus- geber selbst. Band 2: „König Friedrih Wilhelm I.“ und „Fürst Leopold von Anhalt-Dessau“ (ron Linnebach, ObÆleutnant im Badischen Pionierbataillon Nr. 14). Band 3: „König Friedrich der Große“ (von Oberstleutnant von Bremen, zugeteilt dem Großen Generalstabe). Band 4: „York“ (von Generalmajor z. D. von Voß). Band 5: „Scharnhorst“ (von General der Infanterie z. D. von Lignitz). Band 6: „Gneisenau“ (von Friedrih, Oberst und Abteilungshef im Großen General- \tabe, Lehrer an der Krieg8akademie) Band 7: „Boyen“ (von Generalleutnant z. D. von der Boe) Band 8: „Clausewiß" (von Generalleutnant z. D. von Caemmerer) Band 9: „Prinz Friedri Karl von Preußen“ (von Balk, Oberstleutnant beim Stabe des Infanterieregiments Graf Kirhbach Nr. 46) Band 10 und 11: „Kaiser Wilhelm der Große und Noon“, sowie Band 12: „Moltke“ (von General der Infanterie z. D. von Blume, Chef des In fanterieregiments Herwarth von Bittenfeld [1. Westfälischen] Nr. 13). Obwohl über all diese großen Mäuner, denen Preußen seine Wehrhaftigkeit, seinen Ruhm als ein Volk in Waffen zu ver- danken hat, Einzelbiographien bereits vorhanden sind, so sind deren Verdienste als Erzieher des preußischen Heeres bisher noch nicht in einem derartig einheitlichen Gesamtrahmen so überzeugend, eindrucks- voll und in anregend interessanter Form der Nachwelt zum Ansporn beleuchtet worden. Das von Pelet-Narbonnesche Sammelwerk besitzt daher auler seinen anderen Vorzügen einen großen erzieherifchen, ethishen Wert und verdient infolgedessen die weiteste Verbreitung.

—- Kommentar zum preußischen Stempelsteuergese ß vom 31. Juli 1895 und zur Novelle vom 26./30. Juni 1909, mit den Anhängen: „Die den Notaren als Amtsstellen der Steuerverwaltung zustehenden Befugnisse und obliegenden Ver- pflihtungen“ und „Die Reichsstempelabgabe für Grundstücksüber- tragungen“, von Justizrat Ernst Heiniß, Rehtsanwalt und Notar in Berlin. Dritte, veränderte und vermehrte Auflage. XI1 und 1172 Seiten. Verlag von Otto Liebmann, Berlin. C eh 31,50 4. Die neue Auflage dieses in der Praxis längst bewährten Kommentars {ließt ih im wesentlihen an die im Jahre 1901 erschienene Neu- bearbeitung an, der bereits der im Bürgerlihen Geseßbuch, in feinen Nebengeegen und in den L Ba Ausführungsgeseßen enthaltene Rechts\toff bei Erörterung der begrifflichen Voraussetzungen und Merkmale der in den einzelnen Tarifstellen als Gegenstände der Besteuerung bezeichneten Geschäfte zu Grunde gelegt worden ist. Doch hat der Kommentar wieder in allen Teilen eine Vertiefung, vielfach Veränderungen und eine nicht unerheblihe Vermehrung durch die sorgfältige Berücksichtigung der inzwischen erschienenen Literatur und ergangenen Rechtsprehung erfahren. Bei der Verwertung der Necht- [ureana und Verwaltungspraris, auf die der Verfasser besonderes Gewicht gelegt hat, ist ihm auch die Penitung der von dem Justizminister und vom 1. Zivilsenat des Kammergerichts erlassenen Entscheidungen in Stempelsteuersachen ermögliht worden. Neben den Bestimmungen des preußischen Stempelsteuergeseßes find die Vorschriften des preußishen Gerichtskostengesees, des preußi- hen sowie des Neichserb\ Aale nene und des Reichs\stempel- gesetzes, soweit sie in das landesgeseßliche tempelsteuerrecht eingreifen, eingehend erläutert; ebenso sind die gesamten Ausführungsanweisungen und -verfügungen des A A und des Justizministers in die Erläuterungen des Geseßes und des Tarifs eingeflohten und zum Gegenstande selbständiger Erörterungen gemaht. Bei Erläuterung der Tarifstelle (70) für Versicherungsverträge ist dem Umstande Nedch- nung getragen, daß am 1. Januar 1910 das Neichsgesey über den

Persicherungsvertrag vom 30. Mai 1908 in Kraft tritt. Die ersten vier Lieferungen der neuen Me sind vor Erlaß der Novelle zum preußischen Stempelsteuerge F vom 26. Juni 1909 erschienen; infolgedessen hat in ihnen diese noch nicht berücksichtigt werden können. Aber in der umfangreichen fünften Lieferung, die im November aus- gegeben worden ist, sind das Stempelsteuergeseß und der Tarif in der gegenwärtig geltenden Fassung der Bekanntmachung des Finanz- miniskers vom 30. Juni 1909 vollständig und unter Hervorhebung der eingetretenen Aenderungen abgedruckt; bei jedem Paragraphen und jeder Tarifstelle in der neuen Fassung ist in Anmerkungen. auf die dazu gehörigen, in den ersten vier Lieferungen gegebenen Grläuterungen hingewiesen und im Falle einer Aenderung dargelegt, inwieweit jene früheren Erläuterungen durch neue Bors@riften eeinflußt werden, und hieran e si dann ein eingehender Kommentar zu jeder der neuen Vorschriften. Hierdurch wie auch durch das auf beide Teile des Werkes sich erstreckende ausführliche Ca ister wird die Benußung des FKommentars sehr erleichtert. Außer den Erläuterungen der Novelle zum preußishen Stempelsteuer- esey, enthält die das Werk abschließende fünfte Lieferung den neuen Ministerialerlaß über das gerihtliche Stempelwesen vom 6. Juli 1909, das Neichsstempelgeseß in der Fassung vom 15. Juli 1909 und eine Abhandlung über die Neichs\tempelabgabe für Grundstücks- übertragungen, die bei dem E Zusammenhange, der zwischen dem preußi{hen Auflassungsstempel und der Neichs\tempelabgabe für Grundstücksüberkragungen besteht, einem Bedürfnis der Praxis ent- spricht und allen bei der Anwendung dieser Vorschriften Beteiligten willkommen fein dürfte. So bietet das Werk von Heiniy in seiner neuen Auflage eine von wissenshaftlihem Geiste getragene, klare, übersichtliche und erschöpfende Erörterung aller Fragen des gegenwärtig geltenden preu e Stempelsteuerrehts.

Durch die Berücksichtigung der neuen Stempelsteuergesezgebung hat der Kommentar von Heinig einen Vorsprung vor dem anderen großen Werke über das preußische Stempelreht, dem von H. Hummel, Wirk- lihem Geheimen Oberfinanzrat, und F. Specht, Reichsgerichtsrat, herausgegebenen, im Verlage von J. Guttentag, Berlin, unter dem Titel ¿Das tempelsteuergeseß vom 31. Juli 1895 nebst Aus- führungsbestimmungen, dem Erbschafts\teuer-, Wechselstempelsteuer- und Neichs\tempelgeseß“ erschienenen Kommentar für den praktischen Gebrauch (1392 Seiten, geh. 30 4) gewonnen, der aber im übrigen seinem inneren Werte nah dem Werke von Heinit vollkommen ebenbürtig ist. Die völlige Beherrshung des Stempelrehts und des gesamten der Darstellung zu Grunde liegenden Rechts\toffes des B.-G.-B. und der Nebengesetze, die große Sorgfalt und Vollständigkeit, mit der das umfangreiche Auslegungsmaterial an Verfügungen und Entscheidungen verarbeitet ist, zeigen das Werk auf der Höhe und Ho es als erwünscht er- scheinen, daß der Kommentar durch einen ebenso gründlich die Stempel- \steuerge*eßgebung des Jahres 1909 behandelnden und die Belege aus der Praxis und der Literatur bis zur Gegenwartnähe fortführenden Nachtrag ergänzt wird.

E Die MUNnE 10 Bildern" nennt ih eine Reihe von Bänden, die die gesamte Entwicklung der Kunst illustrativ mit Be- gleittert vorführen will. Der dur seine idealen Bestrebungen rühm- lichst bekannte Verlag Eugen Diederichs in Jena hat sich diese schöne Aufgabe gestellt und beweist mit dem eben erschienenen ersten Band, der die „Ältdeutshe Malerei“ umfaßt, daß er sie würdig durchzu- führen gewillt ist. Zunächst muß die äußere Ausstattung des Bandes als durhaus vorbildlich anerkannt werden. Einband und Titelseiten sind mit geradezu auserlesenem Geschmack her- gestellt und können als Muster deutscher Buchdruckerkunst gelten. Der mit Antiqualettern hergestellte Textspiegel {ließt ih mit seiner Ruhe und Geschlossenheit, die dur keinerlei Anmerkungen und Ueberschriften gestört wird, den Prätentionen des Titels würdig an, und die folgenden zweihundert Vollbilder geben vortrefflihe Nachbildungen, deren Güte durch die hohe Auflage von 30 000 Gremplaren, die den billigen Preis (4,50 4) ermöglichte, faum gelitten hat. Troß der Fülle populärwissenschaftlicher Vers öffentlihungen auf dem Gebiet der Kunstgeschichte bietet dieses neue Werk etwas völlig Neues. Der „Klassische Bilderschaß", dessen Er- scheinen schon längst aufgehört hat, war durch die Art seiner Anlage niht dazu bestimmt, volkstümlich zu werden, und seine Bilder standen nit annähernd auf der Höhe, die heute infolge des großen Fortschritts des Reproduktionsverfahrens erreicht wird. Auch wird Die Kunst in Bildern“, wenn sie seinerzeit geschlossen vorliegen wird, ein weitaus reiheres Abbildungsmaterial bieten als die genannte Veröffentlichung. Daß den folgenden vierundzwanzig Bänden dieser mit der altdeutshen Malerei vorangestellt wurde, ist besondets zu begrüßen. Die heimische Kunst unserer Vorfahren ist den modernen Deutschen noch immer so gut wie unbekannt. Während jeder italienische Hirten- fnabe seinen Giotto kennt, gibt es bei uns wenige Prokuristen, die mit der Kunst Dürers und Holbeins eimgermanen vertraut sind. Sicherlih aber wissen sie nihts von den entzüdckenden Landschaften eines Albrecht Altdorfer, von dem tiefen Schmerz und der holden JInnigkeit, die Matthias Grünewald darzustellen vermochte. Vielleicht trägt dieser Band deutscher Malerei seinen Teil zur Ver- tiefung der allgemeinen Kenntnisse, zur Einfühlung in altdeutsche Formenanschauung und Gefühlsleben bei. Der einleitende Text wurde vom Berliner Privatdozenten Ernst Heidrich geschrieben. Es ist Geist von Wölfflins, seines Lehrers Geist, der ihn durh- dringt. Mit offenem Blick für die tiefen Zusammenhänge zwischen jener Kunst und dem Leben und Trachten, dem ie entsprang, ist es Heidrich gelungen, ein abgerundetes und klares Bild der ge\chichtlichen Entwicklung der altdeut)chen Malerei vor dem aufmerk\samen Leser aufzurollen. Daß der Verlag ih zur Nedigierung der geplanten Bände nicht an wortgewandte Pub izisten, fondern an junge Fachgelehrte gewendet hat, die dieser niht leihten und verant- wortungsvollen Aufgabe wirklich gewachsen sind, verdient besonders hervorgehoben zu werden. Und es wäre nun zu wünschen, daß dieser und die folgenden Bände die weite Verbreitung auch in den breiteren Schichten des Publikums fände, die sie vollauf verdienen.

Der Verlag von F. W. Grunow in Leipzig hat ein einst viel- gelesenes Buch: Rudolf Reichenau , Aus unsern vier Wänden als billige Volksausgabe (4 3,50) neu erscheinen Bn Es ist unter Mitwirkung der Freien Lehrervereinigung hn Kunstyflege von Carl Meyer-Frommhold herausgegeben. Das Buch besitzt foviel Vorzüge, daß es wohl verdient, wieder einen zahlreichen Leserkreis zu finden. MReichenaus gemütvolle Skizzen aus dem Leben glüdck- liher Menschen sind eine recht erfrishende, in ihrer Anf rubslosigkeit anheimelnde Lektüre, voll gesunden Humors und liebevoller Menschen- beobahtung; besonders reizvoll sind die kleinen Schilderungen aus dem Kinderleben. Das hübs{ch ausgestattete Buch dürfte vielen eine mit Dank begrüßte Weihnachtsgabe sein.

Land- und Forftwirtschaft.

Buenos Aires, 22. November. (W. T. B.) Nach den ein- degangenen Berichten eröffnet der allgemeine Saatenstand sehr gute Aussichten [r die Ernte. Der durch Heuschrecken verursachte Schaden ist unbedeutend, außer in der Gegend westlich von Buenos Aires, wo der Ausfall 30 9/6 beträgt. Der Rest läßt indes einen verhältnismäßig sehr reihlihen Ernteertrag erhoffen.

Theater und Musik.

Gastspieltheater.

Die Münchener Märchenspiele unter der Leitung des Direktors Maximilian Burg, die Märchen in künstlerisher Um- rahmung auf die Bühne bringen wollen, haben gestern abend hier mit ihren Vorstellungen begonnen. „Der Qu d ere e ein lustiges Spiel Be Alt und Jung von L. chne, ns von Dr. Edgar Istel, eröffnete mit freundlichem rfolge den Reigen. „Der O. entpuppte sch als eine ramatisierung des alten lieden Andersenschen Märchens „Der Schweine- birt“. Mit dieser herzigen, echten Dichtung, wie sie allen Märchenfreunden im Gemüte lebt, in Wettbewerb zu treten, mußte der Bühnenbearbeitung naturgemäß {wer fallen; vieles von