1909 / 289 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 08 Dec 1909 18:00:01 GMT) scan diff

Glück für die Marineverwaltung ; denn natürlich ist das Inventar fo knapp als möglich, und ich habe deshalb angeordnet, daß wir jährlich die Inventarien durchgehen und alles herausstreicßen, was durch die Entwicklung der Materie unnötig geworden ist. Das wird alles herausgestrichen, und ich halte absihtlich die Inventarien so knapp als irgend möglih. Meine Herren, warum? Weil es das Sparsam- keitsprinzip ist! Jh seße die Etats noch weiter herab, und wenn die Schiffe nicht mehr in erster Linie stehen, dann wird eben noch mehr vom Inventar hberuntergestrihen. Der Luxus zu vieler In- ventar- und zu vieler Neservestücke ist es gerade, den ih zu be- schneiden bemüht bin. Ich hätte also geglaubt, ih würde nach dieser Richtung vom Herrn Abg. Struve auh einmal ein Lob empfangen haben.

Der Herr Abg. Struve hat dann von der sogenannten Bojenangst gesprochen, die Kommandanten hätten Angst, an der Boje zu liegen, weil dann die Vorgeseßten sagten, fie arbeiteten nicht. An sih liegt ja darin, daß die Vorgeseßten aufpassen, daß die Kommandanten ihre Schuldigkeit tun, und das is doch ganz rit. Nun gebe "1h dem Herrn Aba. Struve zu, daß die Versuchung naheliegt, mit den Kohlen etwas üppig umzugehen. Es ist ganz natürlihß, wenn die Schiffe, die draußen gewesen sind und ihre Uebungen gemacht haben, bei hereinbrehender Dunkelheit {nell heimkommen möchten und rascher hineingehen, als es sich mit einem sparsamen Kohlenverbrauh vereinbaren läßt. Das ist mensch lich, aber es ist nicht rihtig. Wie soll man dem nun entgegentreten ? Der Staatssekretär kann doch den Posten nicht einfach streichen; denn es würden dadurch die Uebungen, es würde die notwendige Ausbildung darunter leiden, gerade bei unseren allgemeinen Wehrpflichtsverhält nissen. Oder sollen zu wenig Kohlen gegeben werden, sodaß die Schiffe ißre Uebungen niht machen können? Und da habe ih —- das {eint Herr Dr. Struve niht zu wissen, sonst würde er den Vorwurf nicht erhoben haben den Kohlenverbrauch pro Jahr limitiert: mehr Kohlen dürfen niht gebrauht werden pro Schiff (Zuruf) seit Jahr und Tag! —, und nun müssen die Schiffe mit dem Material, das sie bekommen haben, auskommen.

Dann hat Herr Dr. Struve gesagt: „Was nüßt denn der ganze Etat? Es kann ja alles überetatsmäßig an Bord gegeben werden. Der Etat ist gewissermaßen nur eine \{chöne Form." Meine Herren, er wäre eine sck{chöne Form, wenn nicht jede einzelne über- etatsmäßige Anbordgabe eines Inventarienstüks durch den Staats sekretär selbs genehmigt werden müßte, und daß der Staatssekretär na der Nichtung hin nicht zu freigebig ist, das klang ja sogar aus den Worten des Herrn Dr. Struve heraus, der mir gewissermaßen die Klagen der Front brachte, wir hielten sie mit dem Inventar zu knapp.

Herr Dr. Struve hat mir vorgeworfen, ih sei doh mit meinen Zahlenangaben sehr unvorsichtig gewesen, es hätte doch wohl von mir verlangt werden können, daß ih dem hohen Hause hier richtige Zahlen gebe. Ich bezweifle ja gar niht, daß der Herr Abg. “Dr. Struve gewiß die beste Absicht gehabt hat, felbst zuverlässige Zahlen zu geben; aber es ist ihm nicht ganz geglückt, und das möchte ih doch an den Hauptpunkten, die er hier angeführt hat, nahweisen. Der Herr Abg. Dr. Struve hat ausgeführt: wir wollen nicht wünschen, daß unsere blauen Jungen auf dem „Eber“ in See geen der gänzlich seeuntüchtig ist. Meine Herren, ih hoffe, daß S. M. Kanonenboot „Eber“ im nächsten Jahre in Dienst gestellt werden wird, um den „Panther“ abzulösen. Es war nâmlich das Neserveschiff für die Kanonenboote, und das ist das beste Kanonen- boot, das wir überhaupt besißen. (Hört, hört! und Heiterkeit rechts.) Der Herr Abgeordnete hat dann ausgeführt, daß eine ungeheure Summe die Zahl ist mir entfallen für die Baden-Klasse aus gegeben worden ist, daß die Schiffe nachher gar nicht in Dienst ge kommen feien. Den Umbau der Baden-Klasse habe ih persönlich nicht veranlaßt, der ist von meinem Herrn Amtsvorgänger seinerzeit in die Wege geleitet worden. Aber auch darin irrt der Abg. Struve: die Baden-Klasse ist nach ihrem Umbau noch jahrelang dienstfähig ge- wesen, ist verwendet worden und befindet sih noch jeßt im Neserve- verhältnis.

Nun hat \{ließlich Herr Dr. Struve gesagt, wie ungeheuer mangelhaft die Marineverwaltung verführe, indem sie Schiffe umbaute, reparierte und nachher zum Alteisen würfe, und da hat er dann auch ein schlagendes Beispiel angeführt, welches ja den Beifall zum Teil auf der äußersten Linken gefunden hat; er hat angeführt, daß

M. S. „Marie“ repariert worden wäre für 800 000 Æ, und abi wäre sie überhaupt nicht in Betrieb gekommen und wäre nit gebraucht worden, das wäre charakteristisch für die Marine- verwaltung. Meine Herren, die Frage, ob wir mit einem alten Kriegsschiffe, wie S. M. S. „Marie“, als Artillerieshuls{chif auskommen Fönnten oder nicht, war Ende der neunziger Jahre zweifelhaft, und wir hatten allerdings die Absicht gehabt, die „Marie“ umzubauen. Diese Absicht ist aber nicht ausgeführt worden (Heiterkeit rehts), fon dern in der Haushaltsübersicht für 1902, Kap. Tit. 23, wenn der Herr Abg. Struve so gütig sein will und nachzulesen, sind diese 800 000 M wieder abgeseßt. (Hört, hört! rechts.) Das ist die Ge- nauigkeit, mit der der Herr Abg. Struve seine Zahlen vorher aus- geführt hat.

Abg. Severing (Soz.): Daß der Staatssekretär die Unterschleife aus\chied, weil das Gericht freigesprochen hat, war nicht nur eine bilflose Ausflucht, sondern ist auch unbegründet. Wenn der Staatssekretär die Herren Wannowski und Brumme nach Danzig, ilbhelmshaven usw. shicken würde, fo würden sie auch dort ein ge- rüttelt Maß von Schutt finden. Der Staa tssekretär rechnet bei einem Umsaß von 300 000 # mit etwa 10 °%/% Untershlagungen. Es fommen für 20 Jahre also immerhin {on 600 000 4 in Betracht. Im Kankowski Prozeß ist zudem festgestellt, daß Unterschlagungen nicht nur beim Alteisen, sondern auch bei Mpéran Dingen vor- gekommen sind. Das amtliche Stenogramm des Prozesses ist von einfachen Lohnschreibern der Werft aufgenommen, und da fragt sich do, ob der Wortlaut der Aeußerung des Assessors Frerihs nicht vielleicht nachher fkorrigiert ist. Schon vor 1905 hat die Denkschrift des Metallarbeiterverbandes auf solche Dinge auf der Kieler Werft hingewiesen. Der Staatssekretär wollte aber nicht darauf eingehen, weil es in der Denkschrift immer nur hieße: Man munkelt, es be- steht das Gerücht usw. Die Denkschrift enthält aber keineswegs nur allgemeine NRedewendungen, fondern stellt flipp und klar Be- hauptungen auf, daß die Marineverwaltung den Einzelheiten hätte nachgehen können. Der Staatssekretär charakterisierte aber damals die Leute, die uns Material bringen, als Vögel, die ihr eigenes Nest beshmukten. Er brauchte aber selber Vögel, die das Kieler Nest be- \chmutten, die Wannowski und Brumme, die die Unterschlagung fest- tellen follten. Der Staatssekretär beabsichtigte damals eine Jrre-

führung der öffentlihen Meinung, wenn er sagte, daß die Denk- {thrift nux zusammengetragenen Klatsch enthielte. 0 O 12

Denkschrift befinden sich genaue Angaben , D Uber DIe Arbeiten auf dem Kreuzer „Roon“, dem Kreuzer „Kaiserin Augusta“ und anderen. Von einer Verfolgung einer Kieler Zeitung, die auch folche Angaben enthielt, hat man aus guten Gründen Abstand genommen. Bet uns kommt 1 Beamter auf 8 Arbeiter, auf den englischen Werften cuf 11, auf den Howaldtswerken auf 12 und in Glenburg erst auf 17 Arbeiter. Der Abg Grzberger meinte, wir verlangten felbst Vermehrung der Beamten, O der Gewerberäte und Lohnlisten- führer. Die Werften unterstehen aber nicht der Gewerbeinspektion, deshalb rissen wir befondere R bevte dafür verlangen. Bei der Führung der Lohnlisten könnten Beamte gespart werden, wenn der Affordl ol n _durch Wochenlohn erseßt würde. Der Staatssekretär hat den ‘ODberwerftdirektor weniger verteidigt als diskreditiert. Ieder cintalie Schlofsergeselle hätte den ee Mast zerschneiden können, aber warum hatte denn die Wexft noch nicht das autogene

Sägevcrfahren und andere tehnis he * e beferungen? (Finfach weil der Merse Leiter kein technischer Beamter, sondern ein Offizier ist. Be \chmutte E Leinwand wurd , für 30 „§ verkauft und dann “ür 2,85 A als Pußzeug wieder zurückgekauft. Gibt es denn auf der Werft dete Seife? Einen modernen Großbetrieb muß ein In genieur und ein Kaufmann leiten, das militärishe System ift fals. Durch diess System hat in SFriedrisort eine Konsumanstalt bei einc m Umsa von 360000 4 ein Defizit von 14000 4 gehabt. Daß der Werfta ‘beiterstand viele intelligente Clemeute aufzuweisen hat, hat in der . Vossischen Zeitung“ noch kürzlih ein Marine- oberingenieur C8 ere aber bei Beförderung spricht diese Intelligenz nicht nüt, sondern nur die Fähigkeit, sih den Vorgeset en anzuschmiegen und sich nah oben beliebt zu machen. Anderseits ist E daß man mit Zuchthaus bestrafte Leute zu Beamten ge- macht hat. Der Schriftführer des Nationalen Arbeitervereins übt geradezu einen E zins unerhörtester Art aus; seine Genehmigung ist er forderlih, wenn ein außerhalb der gelben Organisation stehender Arbeiter auf der Werft eingestellt werden foll! Notorischen Spitzbuben und De- [raudanten stärkt man das Nüdgrat. Ist es da zu verwundern, wenn Zu- stände cintreten, wie sie jeßt der Prozeß enthüllt hat? Schon 1905 hat der Abg. Zubeil ganz ähnliche Klagen über Vorkommnisse auf der Danziger Werft erhoben; der Arbeiteraus\chuß, der sich die Aufdeckung dieser Unregelmüßigkeiten angelegen sein ließ, wurde dafür von dem Korvettenkapitän Simon drangsaliert. Dieser Herr Simon hat neuerdings eine Leistung zustande gebracht, die, wenn sie allgemein üblich wäre, an _russische Zustände erinnert; er hat ein uncheliches Kind, das ein Offizier vom 128. Negiment mit der Tochter eines Werftarbeiters hatte, in das Säuglingsheim der Werftarbeiter betriebskrankenkasse auf deren Kosten aufnehmen lassen, und der Ar beiter, der die Entlastung der Kassenrechnung nicht eseben lassen wollte, bis der Korvettenkapitän Simon die zugesagte Zurüctzahlung der Kosten bewirkt habe, erbielt die beschleunigte Kündigung! Der Mann wandte sich mit einer Beschwerde an den Staatssekretär ; er wartet bis heute vergeblich auf Antwort. Das ist der Korvettenkapitän Simon, den der Geheimrat Harms nachher natürlich wieder als einen fehr tüchtigen Seeoffizier hinstellen wird; .ja wohl, er Val VortreliM in das System Tirpiß! (Fin Obermeister hieß einen mehrere Zentner schweren Propeller mit gehen ; er wurde mit Gefängnis bestraft, ist aber jeßt 1n einer guten Stellung in Friedrichsort. Vielfach Wétden-Werfidiebitt tahle nicht verfolgt, weil die gestohlenen Gegenstände nicht den Werftstempel tragen. În Kiel bit jch ein Beamter eine Gartenlaube für seinen Privatgebrauch gebaut. Das Holz dafür wurde bei dem Bau des Kreuzers „Prinz Adalbert“ verrechnet. Zöge man die Arbeiter bei der Kontrolle hinzu so würde man bald erkennen, daß die Arbeiter die besten und vielleicht die einzigen Hüter des Werffeigentums find. In dem Prozeß gegen Kankowski wurde die Zeugenausfage gemacht, daß einem Arbeiter, der eine von ihm bemerkte Unregelmäßigkeit feinen Vorgeseßten mit- teilte, von diesen mit der Entlassung bedroht wurde. Ießt foll eine wirksamere Kontrolle Platz Treten, Die Botschaft höre ih wohl, allein mir fehlt der Glaube. Das sind Versuhe mit untauglichen Mitteln am untauglichen Objekt. Erst wenn man mit dem mili- taristishen und bureaukratishen System bricht, shaf}t man Zustände, die das Eindringen der russischen Wirtschaft verhindern.

Wirklicher Geheimer Admiralitätsrat Harms: Meine Herren, ih werde dem Wunsche des Herrn Vorredners Folge leisten und den von ihm angegriffenen Offizier verteidigen, obwohl diese Angelegenheit mit dem, was uns im übrigen heute beschäftigt, nah meiner Auf fassung wenigstens, ganz außerordentlih wenig zu tun hat. Bei der Angelegenheit mit dem Böttcher Gerloff sind zwei Dinge zu unter- scheiden: einmal die Kündigung, die er bekommen hat. Diese Kündigung ist erfolgt, weil von zuständiger Stelle festgestellt worden war, daß dieser Mann ein sozialdemokratischer Agitator war. § l 6 der Arbeitsordnung auf den Kaiserlichen Werften lautet: „Sie, d. h. die Arbeiter, dürfen niht sfozialdemokratishe Agitatoren oder sonstige Personen sein, von denen vorausgeseßt werden darf, daß fte den Frieden zwischen der Behörde und den Arbeitern, oder der Arbeiter untereinander \ören wollen.“ Zu diesen Leuten gehörte der Mann, als solcher wurde er uns von fttrdiger Stelle bezeichnet; deshalb wurde ihm von uns gekündigt, er wurde aber nicht gleich entlassen. Das geschah, weil er schon fo lange dagewesen war. Nun hat in einer Gerichtsverhandlung, die etwas später erfolgte, der frühere Böttcher Gerloff selbst zugegeben, daß er sozialdemokratisch agitatorisch tätig gewesen ist. Damit wurde also an Gerichtsstelle erwiesen, daß die Entfernung von der Arbeitsstelle mit Necht erfolgt war. Die zweite Angelegenheit betrifft die von dem Vorredner vorgebrachte An- gelegenheit mit der Betriebskrankenkasse, die mit der Entlassung ganz und gar nichts zu tun hat, sondern nur zufällig zeitlich ziemlich zu- \ammenfiel. Die Sache lag so. Ein Werftarbeiter kam zu dem Kapitän Simon und bat ihn, er möge dafür Sorge tragen, daß ein Enkel- find von ihm in das Säuglingsheim aufgenommen würde, weil es an einer {weren „Augenerkrankung leide; wenn UE. Kind nicht auf genommen werden würde, würde es voraussichtlich das Augenlicht ver lieren. Auf Grund dieser Darstellung hat der Kapitän Simon allerdings irrtümlicherweise mit dem Mann vereinbart, daß er ein Darlehn aus der Betriebskrankenkasse bekommen solle er hatte den Wohlfahrtsfonds nehmen müssen —, und am 1. April sollte dieses Darlehn zurückgezahlt sein. Nun wurde bei der Revision am 21. März 1909 festgestellt, daß dieses Darlehn irrtümlih aus der Betriebskrankenkaf\se geleistet worden war, und es wurde deshalb das Monitum am 24. März dahin beantwortet, daß die Nückgabe am 1. April 1909 stattfinden werde; davon erhielten die Nechnungsprüfer am 25. März Kenntnis. Die Generalversammlung fand nun zufällig bereits am 30. März statt, und infolgedessen war an diesem Tage der r Fondsausgleich noch nicht erfolgt, sondern erfolgte erst am 31. März. Das ist der einfache Hergang. Es bleibt also von der ganzen Sache gar nichts weiter, als daß der Kapitän Simon in seiner Gutmütigkeit (Zuruf von den Sozialdemokraten: Gutmütig- keit?) ja, Gutmütigkeit, dem Manne helfen wollte, und er hat den Vorschuß gewährt aus der Betriebskrankenkasse, was er eigentlich nicht bätte tun dürfen, anstatt aus dem ebenfalls ihm zur Verfügung stehenden Wohlfahrtsfonds, und wenn man dem Kapitän Simon irgend einen Vorwurf machen wollte, könnte es nur der fein, daß feine Gutmütigkeit und Herzensgüte gegen alle Leute, mit denen er so vielfach zu tun hat, ihn unter Umständen einmal verleiten fann, etwas zu weit zu gehen.

Abg. Leon hart (fr. Volksp.) : Der Staatssekretär hat gestern ver- sucht, mich in einer Weise abzukanzeln, als hätte ih auh Alteisen von der Werft abgefahren. Jch habe gestern so ruhig und objektiv über den Prozeß gesprochen, daß ih niht erwartet hätte, daß meine Behauptungen so persönli aufgenommen werden würden. Ich biu absicht Hlih auf den Prozeß sehr wenig eingegangen, weil mir die Prozeßbeteiligten bekannt sind. Auf die Anfrage, weshalb den Sachverständigen die Aussage im Prozeß verboten wurde, ist der Staatsfsekretär bisher die Antwort schuldig ge- blieben. Jch soll die technischen Betriebe \{chlecht gemaht haben. Ich bin aber nur E eingetreten, daß die technischen Betriebe selb- ständiger gestellt werden. Warum hat uns heute nicht hier ein Techniker aus dem Reichsmarineamt eantwortet? Diese selb- ständige Stellung der Nessorts if namentli bei An-

und Verkäufen notwendig. Meine gestrigen Behauptungen in

bezug auf den Nickelstahl sind mir inzwishen von zjzu- ständiger Seite als zutreffend, bestätigt worden. Mit Erweiterung der Kontrollbefugnisse des Verwaltungsdirektors ist wenig geholfen. Ich habe mich gewundert, daß der Staatssekretär den Kapitän zur See Persius, der ganz sachlich und objektiv über die Vorkommnisse auf der Werft geschrieben hat, als „Herrn Persius“ abgetan hat. Von unseren Unterseebooten sollten wir nicht reden, fondern wel [che bauen, denn wir sind gegen andere Linder damit weit zurück. Ich habe meine Informationen selbstverständlih mir nicht aus den Fingern gesogen, fondern von sfsahkundigen und gewissenhaften Leuten. Auf die Ausführungen des Abg. Struve is der Staatssekretär nur in wenigen Punkten eingegangen. Das Gewicht der unterschlagenen Gegenstände hat man nur deswegen nicht feststellen können, weil während des Prozesses die Wiege- zettel von der Werft vers{wunden find. Der Admiral Breusing hat in der Budgetkommission selbs von Millionenunterschlagungen gesprochen. ‘Es ist bekannt, daß Frankenthal oft nur 1°pCt.. des Wertes bezahlt hat. UÜnregelmäßigkeiten kommen nicht nur auf dem Altmaterialienhof in Kiel vor, wie der Prozeß in Danzig beweist, in dem ein Oberingenieur - zu 4 Monalin Gefängnis verurteilt ist, weil er für seinen Privatgebrauch Sachen aus den Werft tbeständen verwendet hat. Der Staatssekretär beklagt den geringen Crlbs beim Verkauf der alten Schiffe. I empfehle Ihnen, fich bei der Hamburg- Amerika Linie und dem Norddeutschen Lloyd zu erkundigen, die doc andere Preise erzielen. Es mag sein, daß die Bestimmungen im Wege sind, wonach nur im Inland verkauft werden foll. Dann aber soll man derartige Bestimmungen aufheben, wenn die Schiffe nachher doch gleih weiter ins Ausland gehen. Die fbeme anen Naubitaäten würden ganz gern einmal ein altes Kriegs\{hiff} von uns kaufen. Nach der Mitteilung des Staatssekretärs hat die Reparatur des Kieler Schwimmdocks allerdings nicht, wie der Abg. Dr. Struve be hauptete, 1 Million, sondern 500 000 A gekostet. Das ist aber immerhin noch das Zehnfache des Voranschlags, und ih bezweisle, i bei diesem Techniker in ausreichender Zahl mitgewirkt haben. Es ilt erfreulich, daß das Kanonenboot „Eber“ nun |{chwimmen kann ; fünf Jahre hat es jedenfalls erst auf der Werft liegen müssen, bis es dienstfähig ( eworden ist. Auf einen Punkt ist der Staats|ekretär gar s, eingegangen, , der zu dem großen Kapitel der Sparsamkeit ge hörte, nämlich auf den Anstrich unserer Schulschiffe, kurz bevor sie auf Nimmerwiedersc ehen verschwinden, lediglich damit sie bei der Parade gut aussehen. Darin kann doch sicher gespart werden. Der Geheimrat Harms erklärte, daß. ein. Arbeiter der Danziger Werft entlassen fei, weil er Sozialdemokrat war. Meine politischen Freunde mißbilligen das in s{härfster Weise. Ohne Sozialdemokraten können Sie, meine Herren vom Neichsmarineamt, heutzutage überhaupt fein Kriegs\{chiff mehr bauen. Man beschränke die Arbeiter nicht in ihren politischen Nechten, sondern forge dafür, daß fie nicht durh das gegenwärtige BVerwaltungssystem systematisch zur Unzufriedenheit erzogen werden.

Staatssekretär des Reihsmarineamts, Admiral von Tirpiß:

Meine Herren! Ih muß doch das berichtigen, was der Herr Abg. Leonhart bezüglih der Entlassung des Arbeiters in Danzig eben gesagt hat. Was für eine politische Gesinnung die Arbeiter haben, das hat uns nie berührt, wir haben nie etwas dagegen getan, und wir haben es auch nicht nötig gehabt. Was wir aber nicht dulden, und das geschieht in meinem Auftrage, ist die agitatorische Betätigung eines Arbeiters (Zustimmung rechts und bei den Nationalliberalen), weil das Unzufriedenheit auf unseren Betrieben erzeugt. Das ist doch etwas sehr Verschiedenes.

Dann, meine Herren, hat der Herr Abg. Leonhart mich daran erinnert, ih hätte gestern nicht ausgeführt, weshalb wir ¿wei Beamte in Kiel nicht als Sachverständige zugelassen hätten. Ih habe das gestern bei der Beantwortung der sehr vielen Fragen, die an mich gestellt worden sind, übersehen. Das ift geschehen, weil erstens diese beiden Beamten diejenigen waren, in deren Betrieben Unterschleife vorgekommen sein sollten, und welche eine Art Voruntersuchung geführt hatten, und weil wir daher zweitens von vornherein annahmen, daß die Staatsanwaltschaft diese beiden Per - fonen als Sachverständige nit akzeptieren würde. Dies ist nachher seitens des Staatsanwalts auch ausdrücklich ausgesprochen worden Um ihre Ablehnung seitens der Staatsanwaltschaft zu vermeiden, haben wir die Genehmigung zur Heranziehung der beiden Beamten als Sachverständige nicht erteilt. Jm übrigen aber ist weder diesen beiden Beamten noch irgend einem anderen Beamten der leiseste Zwang auferlegt worden. Sie konnten als Zeugen ausfagen, was sie wollten: nur als Sachverständige aufzutreten, haben wir ihnen unsere Zustimmung versagt.

Dann bin ih gestern von dem Herrn Abg. Leonhart falsch ver standen worden. Jch habe mein Stenogramm zwar nicht hier, aber ih weiß, daß ih nicht gesagt habe, daß der Herr Abg. LONnaTs die tehnischen Betriebe \{lecht gemacht hat; er hat nur allgemein von den Betrieben der Werft gesprochen, die nicht funktioniert hätten. (Er hat das aber in einer Verbindung gesagt, die eine andere Bedeutung hat ; er hat das in Verbindung damit gebracht, ich wollte die tehnischen Betriebe der Werften dahin ändern, daß dieselben in Zukunft eine geringere Selbständigkeit als bisher hätten, und wollte von neuem der Verwaltung in den technischen Betrieben ein größeres Necht ein- räumen. Gegen diese Auffassung habe ih mich gewendet, und zwar gerade deshalb, weil ih derjenige gewesen bin, der alles getan bat, um die technischen Betriebe so selbständig wie nur möglich zu machen.

Meine Herren, ih habe auch gestern des näheren ausgeführt : ohne Verwaltung überhaupt geht es niht ab, und es wird ja immer ein gewisser Zwiespalt zwischen der Technik und der Verwaltung sein. Das hat ja auch bei der Erörterung dieser Fragen in der Oeffentlichkeit eine gewisse Rolle gespielt. Wenn der Herr Abg. Dr. Leon- bart dest Vat DaR derade die Berau In Ie mt Überall . aut. funtuonmtert batte 0 U das I Sie hat mangelhaft funktioniert Und das ade “T glatt zugegeben in bezug auf den Altmaterialienhof in Kiel. Was ih nicht zugebe, das ist die Verallgemeinerung auf die übrigen Verwaltungsbeamten. Wenn in Kiel ein Verwaltungsbeamter viel- leiht in einem zu großen Vertrauen die Kontrolle nicht entsprehend geübt hat und deshalb ein bestimmter Einzelbetrieb nicht voll funftio niert hat, so trifft das nicht zu für die übrigen Werften und für alle übrigen Betriebe der Werft Kiel, in welchen Verwaltungsbeamte au erster Stelle stehen. Ich muß ausdrücklich ebenso gut, wie ich gestern Gelegenheit genommen habe, für unsere Techniker einzutreten, an dieser Stelle auch für unsere tüchtigen Verwaltungsbeamten ein- treten.

Meine Herren, der Herr Abgeordnete Leonhart hat dann gester gesagt, der Versuch, daß die tehnishen Nessorts ihre Einkäufe selber machten, hätte sich bewährt; der Versuh nämlich, die freihändige Beschaffung innerhalb 3000 4 dem einzelnen Ressort zu überlassen.

(Schluß in der Zweiten Beilage.)

Zweite Beilage

zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.

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©89Y,

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Nach meinem Studium der Sache hat sih gerade dieser Versuch niht bewährt, es ist vielmehr richtig, die Bescbalfuhg in einer Hand zu konzentrieren. Jch stehe im Begriff, diese freihändige Beschaffung innerhalb von 3000 4 in den technischen Ressorts wieder zu be- schränken. Ein bindender Entschluß darüber ist von mir noch nicht gefaßt worden, weil ih ja auch den anderen Teil erst noch darüber ausreichend hören will.

Meine Herren, es ist möglich ich habe das nicht im Kopf —, daß ih gestern den Herrn Kapitän zur See Persius mit „Herrn Persius“ bezeichnet habe. (Zuruf links : Ein Herr Persius !) Dann Forrigiere ih das und sage: der Herr Kapitän zur See a. D, Persius. Der Herr P räsident ift vorher so gütig gewesen, darauf aufmerksam zu machen, daß ih auch nicht bloß „Herr Tirpiß“ wäre; ih habe den Herrn Präsidenten gebeten, er solle uiht darauf auf- merksam machen, es wäre mir das ganz gleichgültig.

Der Herr Abg. Leonhart hat ferner angeführt, daß die Schul- chiffe sih neu anstrichen, wenn sie in den Hafen kämen, bald nachher aber auf die Werft gingen, sodaß der Anstrih also umsonst wäre. Ich weiß nicht, ob ih den Herrn Abg. Leonhart richtig verstanden habe. Nun liegt die Sache so: erstens stehen im allgemeinen die Schulschiffe niht außer Dienst, sondern sie bleiben im Dienst; sie gehen nur auf die Werft, wenn fie die Kadetten abgegeben haben, überholen ih dann und nehmen die neuen Kadetten und Schiffs- jungen an Bord. Also im allgemeinen kann das nicht passiert sein. Nun wäre es ja möglich, daß einmal ein Schulshif in solhem Falle niht in Dienst geblieben ist, sondern außer Dienst gekommen wäre; das kann ich ame) nicht wissen, es muß aber {on Jahre her sein. Nun haben die Schiffe einen bestimmten Etat an Farbe, der sehr knapp ist, und es ift mens{chlich, daß sie sih dafür einen gewissen Spartopf pro Jahr an- legen, den sie dann anwenden, wenn die Vorgeseßten zu Besichtigungen an Bord kommen. Es ist sehr natürlih, daß der Erste Offizier wünscht, daß von seinem Schiffe gesagt wird: das Schiff sah gut aus. Soll ih in diese Details des Betriebes, die ja einer guten Absicht an sich entsprehen, eingreifen und den Schiffen vorschreiben,

S

wann sie streichen lassen follen, wenn sie nur mit der etatsmäßigen Farbe auskommen? Ich glaube, das wird der Herr Abgeordnete Leonhbart auch nicht von mir verlangen; jedenfalls würde ich ein solches Eingreifen in die Selbständigkeit der unteren Organe für meine Person nicht für richtig halten.

Der Herr Abgeordnete Leonhart hat ferner empfohlen, wir sollten alte Kriegsschiffe ins Ausland verkaufen. Das klingt ja sehr verlockend, und Anerbietungen in der Beziehung sind auch an mich herangekommen. Aber diese Frage, ob wir die alten Schiffe ins Ausland verkaufen und so etwas mehr Geld machen sollen, als wenn wir sie hier im Inland aufbrauchen, kann das Neich8marineamt allein nicht entscheiden, sondern das ist eine politische Frage, die ledigli in Vereinbarung mit meinen Herren Kollegen vom Auswärtigen Amt als eine politische Frage zu behandeln ist. Die Herren werden mir zugeben, daß, selbst wenn wir einige tausend Mark mehr für ein altes Schiff bekommen würden, das gar keine Nolle spielt gegenüber der Tatsache, daß aus einem Verkauf an das Ausland Folgerungen gezogen werden könnten, die uns unbequem sind für unsere auswärtige Politik.

Der Herr Abg. Leonhart is nachher auch auf sein- Uebling thema, das Untersceboot, gekommen. Ich habe den Herrn Abg. Leon hart wiederholt gebeten, er möchte doh mal mitfahren (Heiterkeit) und fch von den Herren, die in den Unterseebootsangelegenheiten be ortrag halten lassen. (Zuruf von den National- in, der Herr Abg. Leonhart hat es eben seinerzeit

wandert sind, V liberalen.) N nicht getan !

L Fch habe gerade gewünscht, daß der Herr Abg. Leon hart in das Unterseeboot hinuntersteigen möchte es ist mir leider

nicht geglückt damit er mal die Herren an Ort und Stelle auf dem Grunde des Meeres beobachten könnte. Nun möchte ich

aber bemerken verzeihen Sie, wenn ih weitergehen muß; aber er hat den Punkt doch angeschnitten wenn (England Unterseebote nimmt, fo folgt daraus nicht, daß wir bei unseren Nordfceküsten richtig tun, an Stelle unserer Minensperren auch Unterseeboote zu nehmen. Wir haben das eben nicht für richtig befunden, sondern erst an der Stelle eingesezt, wo die Unterseeboote eine über die ganz lokale Fluß mündu1gsverteidigung hinausgehende Bedeutung bekommen hatten, und so die Dinge betrachtet, sind wir niht einen Tag zu \pät ge- fommen. Das ift vielmehr gerade eine der großen Syparsamkeits- maßregeln, die ih mir auf mein Konto schreibe.

Was m übrigen das Flottengeseß und die Grundlagen des Flottengeseß6 betrifft, so, glaube ih, gibt es feinen höheren See- offizier und känen Seeoffizier in unserer Marine, der ein Urteil hat, der nicht mit nir auf der Grundlage steht, die das Flottengeseßtz so, wie es ist, ges{|ffen hat. (Bravo! rechts.)

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an Ztelle seiner Minensperren

Abg. Erzbeger (Zentr.): Nach den Ausführungen des Geheimen Admiralitätsrats Zarms is} ein Arbeiter entlassen worden, weil er Sozialdemokrat ist. Der Staatssekretär sagte dagegen, es sei geschehen, weil er von zustärdiger Seite als fozialdemokratisher Agitator be zeichnet ist. Wer ift die zuständige Seite? Etwa ein Polizist ? Wenn ein Arbeiter f{ch im Betriebe selbst Uebergriffe erlaubt, so ist gegen die Entlassung nts einzuwenden, wohl aber dagegen, daß die Verwaltung Nechercher nach der Gesinnung anstellt. Wer hat den Arbeiter als Agitator beeichnet ? (Staatssekretär von Tirpiß: Der Polizeipräsident.) Auch ein Polizeipr äsident ist nicht berufen, über die Gesinnung eines Arbeiters Auskunft zu geben. Darum hat si die Werftverwaltung niht zu kümmern, wenn ein Arbeiter außer- hal lb des Betriebes für fine Partei agitiert, und ich nehme an, daß der Staat s\ekretär nur dann eingreift, wenn im Betriebe selbst si Nebergriffe zeigen. Vei den Ausgaben für die Unterseeboote haben wir mit ein paar Millionen angefangen, dann wurden es fünf und {ließli} zehn Millionen. Das i keine Kleinigkeit, und wir sollten die Mariteverwaltung nicht noch zur Ausgabenvermehrung drängen. Der Erl® aus Altmaterialien wurde beim Etat mit 600 000 Æ beziffert, pt sollen es nur 300 000 sein. Was ist richtig?

Berlin, Mittwoch, den §. Dezember

19089.

D

Die Grundtendenz der Darlegungen des Staatssekretärs ist: Es bleibt alles beim alten. Er sollte aber die Anre( gungen aus diesem Hause nicht so leiht von der Hand weisen. J edaure auch, daß der Borschlag, ein besonderes Dffizierkorps für die Werftverwaltung heranzuziehen, wie es sich bei den militärtehnischen Instituten bewährt hat, abgelehnt wird. Daß die Marineverwaltung der Neuordnung die Submisfionsbedlnäukie gen die Mlk: Aufmerksamkeit \ schenken will darunter kann man alles vevfie ven. Seit Jahren hat der Handel besondere Wünsche dafür, insbesondere daß die tatsächlich gezahlten Preise veröffentliht werden, damit der Handel fich für das nächste Sahr 4 die Submissionen vorbereiten kann. Seit 1901 ift doch dieser Modus beim Verkauf der Altmaterialien in Wilhelmshaven durchgeführt, die Kieler Werft verfährt aber nah dem alten System. Der Staatssekretär sollte sich über alle bureaukratischen Bedenken Hinwegseten und diesen Wunsch des Handels erfüllen. Für das Beschaffungswesen wünscht der Staatssekretär anscheinend ein eigenes Neichsbeschaffungs8amt. Ein solches könnte der Industrie, dem Handelsitand sehr nüßliche Dienste leisten, wenn es auf alle S ausgedehnt würde. Daß dem Staatssekretär unbekannt ist, daß tatsächlih die Schiffe, wenn sie sich ) heimkehrend dem Hafen nähern, niht verbrauhtes Material über Bord werfen, will ih {hon glauben. Ein Freund von mir ist bereit, dem Staatssekret är das Material zu liefern, au der Abg. Severing hat solches in Ausficht ge- stellt, auch von Beamten. Daß die Namen nicht genannt werden, wird er begreiflich finden nah den Crfahrungen, die wir so oft machen mußten, daß dann nicht gegen die Schuldigen, \ondern Hegen denjenigen vorgegangen wird, der die Angaben gemacht hat. Dieses System muß erst geändert werden, dann wird die Verwaltung auch um Beweise nicht verlegen sein.

Staatssekretär des Reichsmarineamts, Admiral vonT irpit:

T4 habe eigentlih nicht ganz verstanden, ob es ein Lob oder ein Tadel für mih sein foll, daß ih auf die Ausführungen des Herrn Abg. Erzberger nicht fo eingehend geantwortet habe. (Heiter- keit.) Das ist aus seinen Darlegungen eben nicht klar hbheraus- gelungen. Uebrigens möchte ih das hohe Haus zum Zeugen aufs rufen, daß ih mir wirklih die größte Mühe gegeben habe, von den vielen Fragen, die von allen Seiten auf mi eingestürmt find, jede einzelne ohne jede Ausnahme, und namentlich auch die Fragen der Herren Interpellanten, so gut ih es aus dem Stegreif konnte, »zu beantworten. Ich habe mir jede Frage fofort aufgeschrieben, und wenn die Herren die Güte haben wollen, meine Ausführungen von gestern nachzulesen, von denen mir gesagt worden ist, daß sie etwas zu lang geworden wären, fo werden fie finden, daß bei mir durchaus das Be- streben bestanden hat, nicht nur Herrn Erzberger gegenüber, \ondern auch den Herren von den anderen Parteien gegenüber Rede und Antwort zu stehen.

Ich würde dem Herrn Abg. Erzberger sehr dankbar fein, wenn er seinen Kollegen veranlaßte, mir das Material zu übergeben, auf Grund dessen ih die Frage weiter untersuchen kann. Daß Material über Bord geworfen ist, nur um es nicht abzugeben, kann ih mir nicht vorstellen. Daß einmal irgend etwas über Bord geworfen ift, natürlich, aber daß das Usus fein foll, kann ich mir nicht vorstellen, das verstehe ih einfach niht. Meine Herrren, etwas weiß ih und will es anführen, um Jhnen zu fagen, wie ih die Sache auffasse, das ist folgendes: Es gibt gewisse Materialien und dazu gehören speziell die Farben —, die fehr geschäßt werden, denn die Schiffe haben einen fehr Tleinen Etat darin. Nun habe ich vorhin {on ausgeführt, daß ein Spartopf eingerichtet wird für die Gelegenheit

höherer Vorgeseßter kommt. Wenn nun Schiffe außer Dienst fommen, und dieser Spartopf i|st nicht verbraucht, s vorgekommen, daß der Bootsmann seinem einem anderen Schif den Spartopf über l vorkommen, es ist zwar inkorrekt, und ih habe auch versucht, dagegen anzugehen, aber es fann vorkommen. Daß aber Materialien, wie Farbe oder andere wirklich wertvolle Materialien, glatt über Bord geworfen werden, das kann ih einfach nicht glauben, und da muß ih Beweise haben, sonst kann ich nichts machen.

Dann hat der Herr Abg. Erzberger einen Gegensatz konstruiert zwischen den Darstellungen des Herrn Geheimrats ligt und meinen Dar ischen Agitatoren.

G die

stellungen bezüglich der Behandlung der foztialdemokra Jch konstatiere noch einmal, daß wir uns Ee um politishe Gesinnung unserer Arbeiter nicht kümmern, fie mögen eine Gesinnung haben, wie sie wollen, wie sie fie für richtig halten. Aber wir haben einen Passus in Arbeits8ordnung, der in den Arbeits ordnungen aller Betriebe von Neichs- und Staatsbetrieben zurzeit steht; danach dürfen die Arbeiter nicht fozialdemokratische Agitatoren oder sonstige Personen sein, von denen vorausgeseßt werden darf, daß sie den Frieden zwischen der Behörde und den Arbeitern oder zwischen den Arbeitern untereinander {ören wollen. (Unruhe bei den Sozial- demokraten.) Nach diesem Standpunkt, der seinerzeit, wenn ih mi nicht irre, von dem früheren Minister Freiherrn von Berlepsh nieder gelegt worden ift, verfährt die Reihsmarineverwaltung, verfahren alle Staatsverwaltungen, und danach wird die Reichsmarineverwaltung auch in Zukunft verfahren. (Bravo! rechts.)

Herr Abg. Erzberger hätte doch gereht sein und mir nicht vorwerfen sfollen, daß ich alle Anregungen und Fragen aus dem hohen Hause hätte unter den Tisch fallen lassen, daß ih die ganze An- gelegenheit leiht genommen hätte. Das ift ganz gewiß nicht zutreffend Ich habe allerdings nicht alle Fragen beantworten Éönnen es ift mir ja so {hon vorgeworfen worden, daß ih viel zu viel gesprochen hätte ; aber daß ich Fragen unter den Tisch bätte fallen lassen, das, glaube ich, wird man mir niht vorwerfen können.

Herr Abg. Erzberger hat ferner gesagt, ih sollte mich mehr an die Organisation der technis{chen Institute der Armee halten. Ich habe gestern {on ausgeführt, welche prinzipiellen großen Unterschiede da bestehen. Wir werden uns darüber noch in der Budgetkommission unterhalten können. JTch möchte das hohe Haus mit einer so großen Materie jeßt nicht noch einmal befassen. Wenn ich meine An- shauungen und meinen Standpunkt klarlegen wollte, könnte ih stundenlang reden. Nur eine kurze Bemerkung möchte ih mir noch erlauben. Das, was der Herr Abg. Erzberger wünscht, baben wir in gewisser Beziehung {chon. In vielen Ressorts, in der Artillerie, in der Navigation, im Torpedowesen haben wir technis{che Offiziere, Spezialistenoffiziere, die immer in diesen Sachen gearbeitet haben.

Nur an der Spige des Ganzen steht ein Offizier, der vor allen Dingen die Generalaufsiht über den Betrieb der Werft hat. Hierbei kommt es in erster Linie immer auf die Qualität der Person an. Es is allerdings wichtig, wie ih {hon ausgeführt habe, daß an dieser Stelle ein Seeoffizier stehen muß, damit er die Interessen der Werst gegenüber den großen Frontbehörden wahrzunehmen - voll imstande ift.

Dann möchte ih Herrn Abg. Erzberger gegenüber noch bemerken, daß ih nur fölche Mißverständnisse klargestellt habe, die Herr Erz- berger aus meinen Ausführungen, die ih noch einmal im Wortlaut vorgelesen habe, herausgehört hat.

Im übrigen freue ih mich, mit Herrn Abg. Erzberger darin übereinzustimmen, daß er eine Konzentration des Beschaffungswesens für richtig hält. Das ist ja der Unterschied, der mich von dem Herrn Abg. Dr. Leonhart und seinen ja sehr interessanten Ausführungen trennt. (Hört, hört! links.) Gerade in bezug auf diese kaufmännische Behandlung des Beschaffungswesens teile ih den Standpunkt des Herrn Abg. Erzberger, obwohl oder weil Herr Erzberger der Zentrumspartei angehört. (Heiterkeit. Zuruf links: Weil?)

Oder obwohl (Erneute Heiterkeit) - ih überlasse Jhnen, zu bestimmen, welches Wort Sie gebrauchen wollen. Wenn wir das Beschaffungswesen konzentrieren wollen über das ganze Neich, so ist das natürlih eine Frage, die weit über das Neichs8marineamt hinausgeht, aber der Gedanke hat unter allen Um- ständen einen sehr brauchbaren Kern. Wie weit er sih durchführen laßt, wie weit er sih entwickeln läßt, kann ih nicht so ganz über- sehen. Ich werde aber dieser Auffassung des Herrn Erzberger bezüg- lih des Beschaffungswesens in der Marine nachgehen, für manche An- gelegenheit habe ich {hon die Beschaffung konzentriert. Ich erinnere nur an die Kohlenbeschaffung, die früher die Werften gehabt haben, und die ih konzentriert habe. Die Schwierigkeit liegt darin, daß ih um Gottes willen verhüten will, alles in der Zentralbehörde zusammen- zufassen, weil ih im Gegenteil im großen und ganzen das Bestreben habe, die Zentralbehörde zu entlasten und zu dezentralisieren.

Wenn man vorwärts kommen will, und die Marine will und muß vorwärts kommen, dann kann der Staatssekretär nicht in jede Einzelheit hereingehen, er muß selbständige Unterorgane schaffen, \o- weit es möglich ist nach unseren Bestimmungen, nach unserem Geseßz und nach den Anforderungen, die auch das hohe Haus stellt. Das Be- streben von meiner Seite muß in der Nichtung gehen, daß ih möglichst felbst tändige Organe schaffe. Wenn der Staatssekretär die Marine vorwärts bringen will, muß er die Courage haben, zu risfieren, eventuell auch mal vorbei zu hauen. Das ist niht anders möglich ; wenn er diese Courage nicht hat, dann wird er in Kleinlich- keit, Pedanterie und Aengfstlichkeit nur an Einzelfragen haften. Wie ih gestern {hon sagte, für den Staatssekretär, für die Zentral- verwaltung kommt es bei einer solchen Entwicklung vor allen Dingen darauf an, daß sie die Nase über Wasser behalten und die Richtung innehalten, die vorwärts weist.

_ Abg. Legien C Früher bat der Staatssekretär gesagt: „Obwohl der Abg. Erzberger der Zentrumspartei angehört“ ; heute ist er hon so weit zu sagen: „Weil der Abg. Erzberger der Zentrumspartei angehört.“ Das ist immerhin ein Fortschritt auf dem Wege zur Klärung. Die Vorwürfe, die der Abg. Erzberger uns gemacht hat, treffen nicht zu. Wir haben bei zahlreichen Gelegen- heiten Beschwerden über die U auf den Werften vor- gebracht. Die bürger! fißen Parteien haben uns dabei nit unter- stützt, sonst wäre verhindert worden, ba ß es zu solhen Zuständen fam, wie der Kieler Prozeß fie enthüllte. Fassen wir die vielen Jeden des Staatssekretärs ‘zusammen, so ergibt sich, was wir gestern voraussagten: Es ist alles im Lot, es handelt sich bloß um Schönheitsfehler, um Kinderkrankheiten, wie Masern und S die auch die Marineverwaltung habe dur es müssen; ja, wenn man ihn hört, find eigentlich wir, die iterbeltanien die Schuldigen. Tatsächlih arbeitet die Marine- verw its mit Pauschquanten, wenn es der Staatssekretär auch nicht weiß; seit 9 Jahren steht jährlich dieselbe Summe von 220 000 für den Nerkauf von Schiffen und Altmaterial im Etat. Daß das nicht ein Arbeiten mit Pauschquanten sei, können Sie einem anderen vorreden. Im leßten Jahre erhöhte die Budgetkommission den Posten um nicht Zee ger als 720 000 Æ! Hier steckt ein Krebsschaden, Diet L Ce Cn jehende Aufdeckung durh eine parlamentarische Üniterfücntasfoumifübn notwendig. Der erwähnte Danziger Werftarbeiter war 10 Jahre lang auf der Werft beschäftigt. Ft die Berwaltung dort Jo liederlih, daß sie in den ganzen zehn Fahren nicht erf uhr, daß er ein fozialdemokratischer Agitator war? Aber als er einen Mißstand aufdeckte, der dem Korvettenkapitän Simon zur Last fiel, da wurde er gemaßregelt!! Wer ist die zu- ständige Stelle? (Zurufe links.) Auf Zwischenrufe vom Bundesrats ische lasse ih mich nicht ein, da kann alles mögliche gerufen werden. Sch behaupte die zuständige Stelle war der Korvettenktapitan Simon. Und bei folhem Vorgehen wundern Sie sich, daß Sie auf den Werften nur noch Spißbuben behalten. Den gänzlih veralteten Passus aus der Werstarbeiterordnung sollte man uns doch nicht mehr entgegen- halten, er sollte beseitigt werden. Die Staatksbetriebe in Württem- berg kennen ven einen folchen Passus nicht, er besteht nur in Preußen und ist genau so hoch einzushäßen, wie die ganze Verwaltung in Preußen. Der Staatssekretà r sprach auch von „Organisationen des Abg. Legien“. Was meint er damit ° Vie rund 2 Millionen Arbeiter, die in unseren gewerkschaftlihen Organisationen \tehen, sind mit ihren ¿Familien die größten Sthuerabiee in Deutschland, und sie haben ein Necht zu verlangen, daß die Schlamperei in die en Mearinebetrieben aufgehoben wird, daß ihre Steuergroschen nicht in dieser \{chlampigen Weise verpulvert werden. Auch die Kieler Werftarbeiter find Steuer- zahler, die die Mittel aufbringen, damit das MReichsmarineamt arbeiten kann, denen darf man niht fo einfach sagen: Ihr habt überhaupt nichts mitzureden! Das indirekte Steuersystem be- lastet in der Hauptsache die ärmeren Klassen, die die Mittel aufbringen, auch das Gehalt des Staatssekretärs. Nicht im Auf- trage einer Organisation, fondern als Abgeordneter für Kiel habe ich meine Beshwerde dem Staatssekretär unterbreitet. Und der Staatsfekretär hat die Verpflichtung, wenn nicht den einzelnen Abgeordneten, aber dem Neic hötage Nede und Antwort zu stehen. Die Zeit wird kommen, wo man auf die Wünsche und den Willen der Arbeiterschaft größeres Gewicht legen wird. Sie werden dann viel- leiht niht mehr am Plaße sein, es wird Jhnen dann vielleicht so ergangen sein wie dem Danziger Werft tarbeiter.

Abg. Dr. Struve (\r. Vgg.): Der Staatssekretär hat eine Reihe von Berichtigungen gegen meine Ausführungen eintreten lassen die Spei hinfällig find. Nur in dem Falle der „Marie“ habe id mich geirrt, ih habe aber meine Informationen von einem Eingeweihten