1889 / 261 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 01 Nov 1889 18:00:01 GMT) scan diff

Wiesbaden, 31. Oktober. (Wiesb. Pr) Jhre König- lihe Hoheit die Kronprinzessin von Schweden traf gestern Nachmittag von Baden-Baden hier ein, um den Dr. Metzger wegen eines Fußleidens des Prinzen Gustav Adolf zu fkonsultiren. Am Taunusbahnhofe wurde Jhre Königliche Hoheit von Jhrer Majestät der Königin von Rumänien empfangen und in das Rheinhotel geleitet. Heute Vormittag kehrte Jhre Königliche Hoheit nah Baden-Baden zurück.

Bayern. München, 30. Oktober. (Allg. Ztg.) Die Ankunft Sr. Königlichen Hoheit des Prinz-Regenten und seiner Erlauhten Schwester erfolgte heute Naqhmittag mittels Sonderzuges. Zur Vorfeier des fünfzigjährigen Jn- E biläums des Prinz-Regenten hatten sih heute

bend in den oberen Sälen des Kunstgewerbrhauses die Offiziere des 1. Feld-Artillerie-Regiments zu einer geselligen Vereinigung eingefunden. Des Weiteren waren erschienen die vom Regiment geladenen Gäste, die Generalität der Garnison München und eine größere Anzahl früherer Offiziere des Regiments.

Hefsen.-- Darmstadt, 31. Oktober. (Darmst. Ztg.) Se. Königliche Hoheit der Großherzog und Se. Groß- berzoglihe Hoheit der Prinz Heinrih haben sich heute Vormittag zu Jagden nah Romrod begeben.

Elsaß-Lothringen. Straßburg, 30. Oktober. (N. M. Z.) Wegen militärischer Hlüslfeleistung bei ein- tretender Wassers3noth ist zwishen dem General- Kommando des RXV, Armee-Corps und dem Ministerium für Elsaß-Lothringen eine Verein- barung getroffen worden, wonach die für Preußen getroffenen allgemeinen Bestimmungen auch für Elsaß-Lothringen Giltig- keit erhalten und auch bei sonstigen Nothständen sinngemäße Anwendung finden sollen.

Oefterreich-Ungarn. Wien, 31. Oktober. (W. T. B. Se. Majestät der Kaiser empfing heute Mittag den Besu Sr. Königlihen Hoheit des Erbgroßherzogs von Sachsen-Weimar und machte demselben Nachmittags einen Gegenbesuch. Am Vormittag hatte der Kaiser eine Depu- tation der General-Synode beider evangelischen Bekenntnisse empfangen. Auf die Ansprache des Präsidenten Haase, in welcher derselbe dem Kaiser als väterlihem Gönner die Huldigung der evan- gelischen Kirche ausdrückte , erwiderte Se. Majestät, er brauche nicht zu wiederholen, daß er an der geistlihen Ent- widelung der evangelischen Kirche den lebhastesten Antheil

Belgien. Brüssel, 30. Oktober. Zu der bevorstehenden Antisklaverei-Konferenz wird dem „Hamburg. Corresp. eshrieben: Jmmer stattliher wird die Zahl der zu der Brü eler Antisklaverei-Konferenz abgeordneten Vertreter der Mächte. Belgien hat außer dem General-Sekretär Baron Lambermont den Eeneral-Direktor der Archive des Aus- wärtigen Amts zu seinem Vertreter ernannt ; Beide sind von jeher am Congo-Unternehmen betheiligt und haben auch an er Berliner Congo-Konferenz theilgenommen. England ent- sendet auch einen höheren Marine-Offizier zur Konferenz; Deutschland giebt seinem Gesandten Fahmänner bei. Das Amt des Sekretärs der Konferenz wird dem General-Direktor im Auswärtigen Amt Arendt übertragen. Jm Auswärtigen Amt trifft man alle Vorbereitungen für diese Konferenz, deren Berathungen wohl bis Weihnachten dauern werden.

Türkei. Konstantinope], 31. Oktober. (W. T. B.) Das Journal „Tarik“ begrüßt die bevorstehende Ankunft Kaiser Wilhelm's als ein glücklihes Ereigniß für die Türkei und erblickt in dem Besuch des Kaisers den Beweis, daß Deutschland die weise Politik, welche der Sultan verfolge, billige. Das Journal bemerkt weiter, daß seit Friedrih dem Großen sich die Türkei der Sympathie Deutschlands erfreue. Der Kaiser werde mit großer Herzlichkeit von dem mohamedanischen Volke empfangen werden, und die E kunft der beiden Monarchen werde die guten Beziehungen be- festigen, welche zwischen den beiden Kaiserreihen bestehen. Deutschland strebe nah der Aufrechterhaltung des Friedens ; die Türkei verfolge dieselbe Aufgabe, indem sie eine strikte Neutralität beobachte.

Bulgarien. Sofia, 1. November. (W. T. B.) Der bisherige serbishe Agent Body erhielt von seiner Regie- rung den Auftrag, sich auf seinen Posten nah Monastir zu begeben. Bis zur Ernennung seines Nachfolgers wird der A Petrovic die Geschäfte des diplomatishen Agenten versehen.

e den der Sobranje vorzulegenden Gesegzent- würfen befindet sich auch die Vorlage, betreffend den Bau einer Eisenbahn, welhe Famboli mit Slivno, Star- dagora, Cirpan und Philippopel verbinden soll. Die Bahn, welche shmalspurig gebaut werden foll, wird 220 km lang sein und hauptsählich zur Ausfuhr von Getreide über Jamboli und Burgas dienen.

Dänemark. Kopenhagen, 1. November. (W. T. B.) Eine vom Finanz-Minister Estrup im Reichstage eingebrahte neue Zollvorlage führt Zollfreiheit ein für Kohlen (jeßige Erträge des Kohlenzols 1 Million), für Kaffee (jeßiger Zollertrag 3 Millionen), für Reis (jeßiger Er- trag 1/5 Million), für “h (jeßt 1/7 Million), für Salz (jeziger

nehme / den. Axbeiten der. Synode d besten Erfalg. wünsche 4 Ertrag 400 (00 Kronen), für Thran uyd rohes Eis. Ermsößigt

und- sh über den erneuerten Beweis des Patriotismus, welcher in der evangelishen Kirche gepflegt werde, freue.

Graf Kálnoky hat heute Abend Uhr in Begleitun des Legations - Raths von Wydenbruck die Reise na Friedrihsruh angetreten, nahdem er am Nachmittage den Besuch des rusfischen Botschafters Fürsten Lobanoff empfangen hatte. i

Der Prinz Ferdinand von Co burg ift heute Abend nah Sofia abgereist.

Prag, 31. Oktober. (W. T. B.) Die von der-Majorität dér Adreßkommission beschlossene Resolution beantragt, über den Gregr’'’shen Adreßantrag zur Tages- ordnung überzugehen. Jn der Begründung dieses An- trages führt die Resolution aus, der Adreßentwurf des Abg. Dr. Gregr sei weder der Form, noch dem Jnhalte nach zur Vor- lage an den Kaiser geeignet, weil in demselben Gegenstände berührt werden, welche in die Kompetenz der Legislative oder der Regierung fielen. Jn Erwägung, daß der Landtag seine staatsrehtlichen Anschauungen und Ueberzeugungen und die Wünsche des böhmishen Volks wiederholt zur Kenntniß des Monarchen gebraht habe, mit dem Hinweis auf die wohlwollende Würdigung, welche die Rechtsverwahrung der böhmischen Abgeordneten zum Reichsrathe in der Thronr-de vom 8. Oktober 1879 gefunden habe, und in endliher Er- kenntniß, daß es im gegenwärtigen Zeitpunkt unmöglich sei, sofort die nöthigen Vereinbarungen zu erzielen, um den vom Landtage angestrebten und stets anzustrebenden Einklang zwischen den freiheitlihen Jnstitutionen, den Be- dürfnissen der Gegenwart, den Erfordernissen der Einheit und Machtstellung des Reichs einerseits und den im Volk fort- lebenden historishen Jnstitutionen andererseits zu erreichen, sei es vertrauensvoll der Krone anheimzugeben, den Zeitpunkt selbst zu wählen, in welhem das große Werk durch die Königskrönung abzuschließen sei.

ie Kommission für Durchführung des gleichen Rechts beider Landessprachen bei den autonomen Be- hörden hat, wie der „Presse“ gemeldet wird, den ganzen Gesetzentwurf des Landesausschusses in der heutigen Sizung durchberathen und verschärft, indem auf Antrag Krosta's eine Aenderung des Entwurfs dahin vorgenommen wurde, daß die Gemeinden schon verpflichtet sein sollen, Eingaben, welche in einer andern als der Amtssprache des Bezirks eingereicht werden, in der Sprache der Eingabe zu erledigen, wenn \ich u dieser Sprache wenigstens ein Fünftel der Einwohnerschaft ekennt; dies gilt auh bei Eingaben an die Bezirksvertretung, wenn im selben Bezirk wenigstens Eine Gemeinde ist, welche niht die Sprache des ganzen Bezirks spricht. Der Landes- aus\shuß-Entwurf hatte fünf Gemeinden verlangt.

Bregenz, 30. Oktober. (Wien. Ztg.) Der Landtag a mit begeisterten Hochrufen auf den Kaiser ge- schlossen.

Czernowiß, 30. Oktober. (Wien, Ztg.) Der Landtag nahm heute das Tilgungsgeseß, betreffend die Pro- pinationsschuld, an.

Großbritannien und Jrland. London, 31. Oktober. (A. C.) Vom Königlichen Hoflager in Balmoral wird gemeldet, daß am Montag Abend auf Craiggowan ein Freudenfeuer zu Ehren der Vermählung der Be ngelin Sophie von Preußen mit dem Kronprinzen von

riehenland angezündet wurde. Auf dem Hügel wurde ein Fackelzug gebildet, welher nah dem Schlo)se zog, wo auf die Gesundheit der Braut und des Bräutigams ein Glas ge- leert wurde.

Mr. Alfred Milner, der erste Privatsekretär des Schaßkanzlers Goschen, ist zum General-Direktor des egyp- tishen Rehnungshofes ernannt worden an Stelle Mr. Palmers, der als Nachfolger Sir Edgar Vincents zum finanziellen Rathgeber der egyptishen Regierung ernannt wurde.

soll der Zoll ‘auf Petroleum werden; der Minderectrag hieraus wird auf 800 000 Kronen geschäßt. Erhöht sollen werden die

ölle auf Wein, Spirituosen, Bier, Tabak, Obst, Spargel, Blumen, Spezereien, Kakes, Kakao. Die Mindereinnahme in Folge der Zollveränderungen wird im Ganzen auf 31/7, Millionen Kronen geschäßt.

Amerika. Aus ort, vom 30. Oktober, wird der „Allg. Corr.“ per Kabel gemeldet : /

N Drei Jahre hinter einander ift die (Frnte in Nord- und Süd- Dakota wißrathen, und die heurige Ernte i} niht besser als die vorhergegangenen. Die große Bevölkerung, deren Existenz fast gänzlid von der Landwirthschaft abhängt, befindet sih folglich in großem Nothstande. Einer ungefähren Schäßung nah sind nicht weniger als 100 009 Personen thatsächlih verarmt.

Parlamentarische Nachrichten.

Für die 7. Plenarsißung des Reichstages, Montag, den 4, November 1889, Nachmittags 1 Uhr, ist folgende Tagesordnung festgeseßt:

Berathung der Darlegung der Anordnunaen, welche von der Königlich preußishen Regierung, der Königlich sächsishen, der Groß- herzoglich hbessishen Regierung und der Regierung der freien und Hansestadt Hamburg unter dem 26. September, 26. Juni, 28. und 27. September d. J auf Grund des §. 28 Absay 2 des Gesetzes gegen die gemeingefährlihen Beftrebunzen der Sozialdemokratie vom 21. Oktober 1878 mit Genehmigung des Bundesraths getroffen worden find. Erste Berathung des Entwurfs eines Gesctes, be- treffend die Abänderung des Gesetzes gegen die gemeinaefährlihen Be- strebungen der Sozialdemokratie, vom 21. Oktober 1878.

(Weitere „Parlamentarishe Nachrichten “/, insbesondere den Bericht über die gestrige Sizung des Reichstages, st. Beilage.)

Zeitungsstimmen.

Die Betrachtungen der „National- Zeitung“ über die Budgetdebatte kulminiren in einer Kritik der Rede des Herrn Richter. Es heißt darin:

__ „Es war sehr bemerkenswerth, mit welchem erbitterten Eifer der Führer der Deutschfreisinnigen fich immer und immer wieder gegen die Rede des Herrn von Bennigsen vom Mittwoch wandte: man hat in den Reiben dieser Partei offenbar eine richtige Empfindung dafüc, daß im Lande die Bennigsen'she Rede eine ti.fe Wirkung hervorbringen wird vermöge ihrer Verbindung ernster Genug- thuung über die Weltstellung und die Zustände des Vater- landes mit der unabhängigen Gesinnung, welche freimüthig Kritik üht und der weiteren Entwickelung nah Maßgabe der eigenen Ueber- zeugung die Aufgaben vorzeihnet. Aber vergebens hat Hr. Richter das verbrauhte Manöver wieder hervorgesucht, zu unterscheiden zwishen einem Bennigsen, resp. einer nationalliberalen Partei, welhe ehedem au eine gewisse Hochachtung der Hrn. Richter und Genossen verdienten, und einem- Bennigsen, resp. einer national- liberalen Partei, über welche Hr. Richter jeßt den Stab zu brehen genöthigt is, Ende der sechs8ziger Jahre, zur Zeit des Norddeutshen Bundes, an. welhe Hr. Richter in dem Sinne erinnerte, daß damals die Nationalliberalen die- selben, angeblich unerfüllt gebliebenen Fes gehabt hätten, wie die Fortschrittspartei, da haben die Vorbilder des Hrn. Richter er selbst stand damals noch in der zweiten Reihe genau die- selbe Sprache geführt, wie er heute; die Begründung der nord- deutshen Bundesverfassung, und später die der deutshen Reichs- verfassung, war nach den damaligen Reden dieser Herren genau so kurzsihtig und freiheitsmêrderish, wie irgend etwas, was Hr. Richter heute aus den Vorgängen der leßten Jahre so carakterisirte.

K Richter begann seine Rede seltsamer Weise mit einer ganz gegenstandslosen Polemik gegen militärische Mehrforderungen, welche

in Folge des neuesten frazzösishen Wehrgesehßes gestellt werden könnten. Solte sind aber gar nit gestellt worden; nur einige „militärische Korrespondenten* von Zeitungen hatten sie grundloser Weise vor der

Reichstags-Eröffnung angekündigt; dem Anschein nach stammt die

Disposition der Rede des Hrn. Richter {en aus dieser Zeit, und er hat sh niht entschließen können, sie zu ändern. Immerbin ist es beahtenswerth, daß in diesem Zusammenhang erklärt wurde, wenn das Septennat niht beftände, so würden die Herren Richter und Genossen demnächst im Hinblick auf das neue französishe Geieß eine Herabseßung der deutschen Friedensstärke des Heeres beantragen; die Wähler wissen also, welher beständigen Beunruhigung durch immer neues Rütteln an unserem Heerwesen sie unter den obwaltenden europäishen Verhältnissen Thür und Thor öffnen würden, wenn sie einen Reichstag nah dem Herzen des Hrn. Richter wählten Die legte Kraft nahm der Redner zusammen, um zum Schluß grau in grau ein Bild der deutschen Zustände zu malen. Wenn er in tem |chon oben berührten Zusammenhange be- hauptete, die von den Nationalliberalen ebenso wie von der Fortschritts- partei Ende der sech8sziger Jahre gehegten Hoffnungen auf die innere poli- tishe Entwickelung seien unerfüllt geblieben, so mag er LE darüber, soweit es sih um die Zeir bis zum Ende der siebziger Jahre bandelt, mit den ehemaligen Nationalliberalen unter seinen jeßigen Parteigenossen auseinanderseßen, welche die politishen Reformen jener Zeit im Reiche und in Preupyen in heftigen Kämpfen mit Hrn. Richter anders be- urtheilt haben. Was die seitherige Entwickelung aber betrifft, so be- ruht Hrn. Richters Urtheil auf feiner und seiner Genossen Unfähig- keit, irgend eine neue Aufgabe der staatlichen Entwikelung zu begreifen. Während das Reich dabei ist, vielen Millionen Sicherheit gegen die \{chlimmsten Wechselfälle des Lebens zu' scbaffen, trägt Hr. Richter \hmerzlihe Sorge darüber zur Schau, daß die heutige Politik die Menschen gerade in Bezug auf ibre sozialen Verhältnisse un-

zufrieden mache !“ Die „Magdeburgishe Zeitung“ beschäftigt ih namentlich mit der Rede des Abg. Bebel, indem sie fhreibt:

„Die Rede des Sozialdemokraten Bebel war der beste Beweis dafür, wie selbst auf sonst ganz gesheidte Köpfe der Sozialismus auf die Dauer einen verwirrenden und verderblichen Einfluß ausübt. Dem Fluge der Ausführungen Bebel’s auf das Gebiet der hohen Politik zu folgen, können wir uns wohl versagen. Es war ein neuer Aufc alter Liebknecht’'sher Spekulationen. Bezeichnend für den Geist, der die deutshe Sozialdemokratie durchweht, bleibt es aber doch, daß eine Partei, die si als Vertreterin der arbeitenden Klassen aufzuspielen pflegt, es vorzugsweise liebt, sich in Spielereien zu verlieren, von denen die Arbeiterwelt keinerlei Nugzen ziehen kann.

Es gehört zu den Sägen Licbknecht-Bebel'scher Weisheii, daß alles Unheil der Gegenwart von der Einverleibung der Reichslande herrührt, und es ist eigentlich vergeblich, dagegen immer und immer wieder anzustreiten. Nach den Freiheitskriegen war der Landbesi Frankreichs unverändert geblieben, und doch fand das Geschrei na Rache für Waterloo stets willige Dhren jenseits der Vogesen. Der Racheruf für Sadowa is niht einmal auf eine verlorene Schlachbt zurückzuführen. Das sind historische Thatsachen, aber in der Welt, in der Hr. Bebel und feine Freunde leben, hat man für Thatsachen keinen Sinn. Vor lauter Träumereien uud Grübeleien sieht man die Dinge nit, die wirklich sind. Hr. Bebel wünsbt Bemühungen ¿zu Gunften des Friedens in einem Augenblicke, wo immer neue,” handgreifliche

-Beweife füx die-Bemt#hungen des-Kaißers-und--der deutschen-Regterung

in dieser Richtung zu Tage treten. Er wünscht, daß man aufhöre, die Völker, gegen einander zu verheßen in demselben Augenblicke, wo er ein Bündniß mit Frankrei empfiehlt, um desto stärker dem russishen „Erbfeind“ gegenüberzustehen. Aus dieser Welt der Trâume und Spekulationen oder aus den Stimmungen heraus, wie sie bei der systematishen Verheßzung der ein- zelnen Schichten der Bevölkerung durch die sozialistishen Agitatoren wohl begreiflich sind, muß wohl auch die Gegenüberstellung der deutshen und der englischen : nd französischen „Bourgeoisie“ beurtheilt werden. Wir meinen, „die feige, niederträhhtige, servile deutsche Bourgeoisie“ wird getrost den Vergleich mit dem Bürgerthum aller Länder aufnehmen, Das deutsche Bürgerthum ist es gewesen, das aus freiem Antriebe seit Jahr und Tag zu Wohlfahrtseinrihtungen der mannigfaltigsten Art, für die Hr. Bebel und seine Freunde freilih nur höhnische, verähtlihe Worte haben, um die Hebung der Lage der arbeitenden Klassen bemüht gewesen is. Welche Verzcrrung der Thatsachen endlih in der Gegenüberstellung des Verlaufs der Aus- stände der Bergarbeiter in Deutschland und der Dodarbeiter in Eng- land! Es mag Herrn Bebel unbequem sein, einzugestehen, aber die Wahrheit ist es do, daß in Deutschland ein weit mächtigerer Mann als der Kardinal Manning in England, der Deutsche Kaiser selbft, für die berehtigten Forderungen der Arbeiter eingetreten ist. Wenn die Sozialdemokratie diefe Thatsache zu vertushen sucht, so läßt sih daé nur erklären aus der Besorgniß, daß die arbeiterfreund- lihen Bestrebungen der deutshen Regierung und der bürgerlichen E ihren eigenen Bestrebungen den Boden abzugraben an- angen.“

Zu dem Streit über das „Kartell“, welher nunmehr in der Presse abgeschlossen scheint, bringt die „Wiesbadener Presse“ folgendes Schlußwort:

„Zur Mehrheitsbildung find immer mehrere Parteien. er- forderlich. Dieser Umstand mat eine Verständigung der staats- erhaltenden Parteien unbedingt nothwendig, denn ohne eine solhe würde das Parlament absolut nichts Positives zu leisten vermögen. Die Verständigung is aber {hon bei den Wahlen erforderli. Die Erfahrung hat gelehrt, daß obne eine folche Verständigung sehr leiht eine niht leistungsfähige Majorität zu Stande kommen kann, durch welche die höcbsten Interessen aufs Spiel geseßt werden. Die Vorbedingungen eines Zusammentwirkens finden sich vor Allem in den Grundsäßen und Anschauungen der beiden konservativen und nationalliberalen Parteien Die Thatsace, daß es geseßgeberishe Aufgaben gegeben hat, über welche eine Verstän- digung der drei Parteien niht zu erzielen war, beweist gar nichts, denn niht um die Vergangenheit handelt es si, sondern um Gegen- wart und Zukunft.

In Bezug auf die von der Regierung als die wichtigsten anerfannten Aufgaben der Gegenwart und nächsten Zukunft herrscht bei den drei genannten Parteien im Wesentlichen Ueber- einstiwmmung Die wichtigste Ausgabe bleibt immer noch die Sicherung des Vaterlandes gegen äußere Gefahr, denn ohne diese Sicherung sind alle Reformen im Innern von fragwürdigem Werthe. Auf diesem Boden finden sich die drei Parteien un- eat zusammen. Sie begegnen fich aber ebenso in einer

eihe anderer wihtigen Punkte. Was hat nun gegenüber dieser Sawhlage das Gezänk darüber, ob früher cinmal in dem einen oder dem anderen Falle die speziellen Abmachungen des Jahres 1887 falsch interpretirt worden sind oder niht, für einen Zweck? Und welchen Zweck hat vor Allem das Beharren auf bestimmten Personen? Eine Verständigung kann nicht erzielt werden, wenn von der einen Seite an Perjonen starr festgehalten wird, die der anderen Seite nicht genehm sind. Wenn dem Wunsche des Kaisers auf Verständigung der staatserhaltenden Parteien, der von der Mehrheit der Bevölkerung getheilt wird, entsprochen werden soll, so wird das mit einigem guten Willen sehr leiht sein, In den gegenseitigen Vorwürfen über angebliche Verleßungen von Abmachunoen, in den gegenseitigen Verdächtigungen und Angriffen offenbart sih ein solcher guter Wille freilih nicht“.

Entscheidungen des Reichsgerichts.

Die unter fremdem Namen erfolgte fälschliche Anfertigun einer \s{riftlihen Anzeige über ein Verbrehen oder Vergehen oder über eine sonstige Thatsache und die Einreichung derselben an die

-.das Schweinefleishesscben im Preise von 6&rzuf 55

ändige Behörde ist nach einem Urtheil des Reichsgerihts, g Ade 4 vom s. April 1889, nicht als Urkunden- fälschung zu bestrafen.

—- In Bezug auf den durch die deuts{ch-\spanishen Handels- und Shiffahrtsverträge vom 30. März 1868 und vom 12. Juli 1883 eregelten gegenseitigen Mar kenshuy für Deutschland einer- fits und für Spanien und seine Kolonien (namentli au Cuba) andererseits hat das Reichsgericht, IIT. Strafsenat, durch Urtheil vom 31. Januar und 17. Februar 1889 folgende Säße ausge- sprohen: Zur Wirksamkeit eines von einer spanischen (cubanischen) Firma für Deutschland im Leipziger Zeichenregister eingetragenen Waarenzeichens bedurfte es keiner Bekanntmachung des Reichs- fanzlers im Reidbs-Geseßblatt, daß deutsche Waarenzeihen, Namen und Firmen in Spanien (Cuba) einen Schuß genießen. Der geseß- lihe Schuß der Marke in ihrem Heimathsstaat Spanien (Cuba) bildet ebenso nach dem Handelsvertrage von 1868 wie nah dem vom Jahre 1883 die Vorausseßung für ihren Schuß im deut- \chen Reichsgebiet.

Statistik und Volkswirthschaft.

Rohstoffe und Fabrikate. :

Die internationale Milan des Jahres 1888 ist in der Budgetdebatte des Reichstages als. ein Beweis für den Rülck- gang des wirthschaftlichen Lebens angeführt worden. Allerdings belief sch die Einfuhr auf 3435 877 000 Æ, die Ausfuhr nur auf 3352602000 Æ, die Einfuhr überstieg also die Aus- fuhr um 83 Millionen Mark. Wie der Staatssekretär des Innern, Dr. von Boetticher ausführte, ist diese negative Handelsbilanz aber nur eine scheintare: denn wenn die Einfuhr besonders stark in Rohstoffen ist, welche von der heimishen Industrie veredelt werden, so ist das ein Beweis von industriellem Aufschwung und zunehmender Konsumtionéfähigkeit.

In der That ist gerade die Einfuhr an Rohstoffen ganz über- wiegend gewesen. Es wurde im Jahre 1888 an Rohstoffen im- portirt 2 249 503 000 4, während an Fabrikaten nur für 1021228 M eingeführt wurde. Auf der anderen Seite überwiegen in der Ausfuhr \tark dic Fabrikate. Während nur für 834 174 000 A an Roh- stoffen exportirt wurde, belief sch die Ausfuhr an Fabrikaten auf 2 369 372 000 M

Stellt man die Einfuhr der Rohstoffe 2 249 503 000 A der Ausfuhr der Fabrikate 2369 372 000 # gegenüber, so ergiebt sih zu Gunsten Deutschlands eine aktive Handelsbilanz von gegen 120 Millionen Mark.

Insbesondere verdient hervorgehoben zu werden, daß seit dea Jahre 1886 die Zunahme der MRohstoff-Einfuhr eine stetig steigende ist; 1886 belief sie sib auf 1 886 517 000 Æ, 1887: 2 127 885 000 4 und 1888 auf 2 249 503 000 A

Schweinefleisch-Preise. t In der Budgetdebatte des Reichstages bildete die Erhöhung des Schweinefleish-Preises als angeblihe Folge des Shweineeinfuhr-Verbots eine Hauptrolle. Dem gegenüber ist «s von Interesse zu konstatiren, daß in Guttentag in Oberschlesien, wie die „Oberschl. Presse“ meldet,

zurückgegangen is. Weiter wird gemeldet, daß das Schweinefleisch in Dittersbach, Altwasser, Waldenburg, Gottesburg u. a. schon seit einigen Wochen 60 4 kostet, während in Hermsdorf 70 und 75 S bezahlt werden. Wie das genannte Blatt be- rihtet, haben viele Hermédorfer Hausfrauen an die Fleischer- meister ihres Ortes eive öffentliche, ganz entschiedene Anfrage gerichtet, die dahin lautet, „wann der Preisabshlag für Scchweinefleisch auf 60 S pro Pfund zu erwarten stehe, oder ob die Hausfrauen ge- zwungen werden sollten, das benöthigte S{weinefleisch damit selbst- S us die anderen Fleishbedürfnisse in den Nachbarorten einzukaufen.“

Die übérseeische Auswanderung aus dem Deutschen Reih über deutsche Häfen, Antwerpen, Rotter- dam und Amsterdam betrug nah der Mittheilung des Kaiserlichen Statistishen Amts im Septemberheft seiner Monatshefte im Monat September 1889 7645 und in der Zeit von Anfang Januar bis Ende September 72 364 Köpfe; von diesen letzteren kamen aus der Provinz Posen 8776, Westpreußen 7787, Bayern rechts des Rheins 7053, Pommern 5733, Hannover 5596, Württemberg 4775, Shleswig- big 3917, Brandenburg mit Berlin 3210, Rheinland 3110, aden 2916, Hessen-Nassau 2484, Königreih Sachsen 1865, Pfalz 44 L d 1628, Großherzogthum Hessen 1581, Schlesien u. \ w. Im gleichen Zeitraum der Vorjahre wanderten aus: Monat Monate September Januar/September 8637 79 952 8155 80 763 9138 61 734 8316 91 032.

1888 1887 1886 1885

: Zur Arbeiterbewegung.

Die Kohlengrubenbesißer zu Durham erklärten der Londoner „Allg. Corr.” zufolge am 29. v. M. ciner Deputation, die eine Lohnerhöhung von 15 %/ für die Bergleute nahsuhte. daß sie ¡war keine Erhöhung gewähren könnten, die der verlangten nahe komme, wobl aber geneigt seien, cinen Aus\{uß zu ernennen, der mit dem Erxekutiv-Ausshusse der Durham: Föderat'on konferiren und zur Unterhandlung einer Lösung ermächtigt sein soUe.

In Wombwell, dem Mittelpunkt der Kohlengruben von Yorfkshire, fand am 29. Oktober eine der größten und wichtigsten Versammlungen von Bergleuten ftatt, in welcher beshlossen wurde, eine Lohnerhöhung und die achtstündige Arbeit2zeit in ganz Yorkshire durchzusetzen. i

Das soeben erschienene Septemberheft der „Monats- hefte des Kaiserlihen Statistishen Amts“ enthält außer deu üblihen monatlichen Mittheilungen über den auswärtigen Handel, Großhandelspreise 2. noch folgende Nachweise: 1) zur Kriminal- statistik des Reichs für das Jahr 1888 die Zahl der nach den Parazraphen des Strafgeseßbuchs und anderer Reichägeseße Ver- urtheilten, 2) zur Statistik der Rei hs steuern über die Produktion, Konsumtion und Besteuerung des Salzes im Etatsjahre 1888/89 und über die mit Taback im Erntejahre 1889/90 bepflanzte Fläche.

Kunft und Wissenschaft.

Dem Antiquarium des Berliner Museums sind einige Gegenstände einverleibt worden, über welche die „Voss. Ztg. Fol- gendes berihtet : Als Se. Majestät der Kaiser im Dktober v. J. in Jtalien weilte, wurde an der Stätte d«s alten Pompeji ihm zu Ehren und in seiner Gegenwart eine archäologishe Ausgrabung vorgenommen, die in einem Hause der achten Insula der 9. Regio stattfand. Es wurden dabei zu Tage gefördert: ein Bronzebecken mit zwei verzierten Henkeln, eine Bronzekanne auf dreifüßigem eisernen Gestell, eine große Glasflashe und ein fleineres Glasgefäß, eine Sitte, aretinisher Art mit \{chöônem Rankenfries und zwei einfache pfe.

In einer Sandgrube unfern von der Kanalbrücke und von der R der 1870 gefallenen französishen Soldaten in der Nähe von Illkirch hat man, dem „Els. I.* zufolge, kürzlich eine Menge menschlicher Gebeine und sogar vollständige Todten- gerippe gefunden, welche aus einer zur Zeit der römischen Herrschaft in Gallen in dieser Gegend gelieferten Shlacht herzurühren \heinen. Eine ganze Reihe von Skeletten liegt gegen Osten gerichtet, während die gegen- Über ruhenden Ueberreste durcheinander liegen. Zur Rechten von

für as-Pfund- 7

einigen Skeletten befindet sich eine Todtenurne. Diese Entdeckung wird siherlih großes Aufsehen in der archäologishen Welt erregen. Uebrigens sind \{chon im Jahre 1828 beim Graben des Kanals ähnliche Ueberreste zu Tage gefördert worden. i :

In Faimingen, hart an der Straß: nah Lauingen, find in leßter Zeit wieder Nachgrabungen na Bauüberresten aus der Rômerzeit angestellt worden. Der „Schwäh. Merkur® berichtet darüber: Gegenwärtig ist ein regelre{chtes Viereck von etwa 2? m Breite und etwa 14 m Tiefe bloßgelegt. Die Mauern sind sehr gut erhalten. Unter dem Schutt fanden sich viele Scherben von ge- branntem Geschirr, sowie allerlei Knochen ‘von Armen und Beinen. A E dieses Ueberbleibsel dez Grund eines Kastells gewesen zu sein,

Land- und Forstwirthschaft.

Tabackernte in Schlesien.

Die diesjährige hiesige Tabacckernte kann, wie der „Schles. M aus Ohlau geschrieben wird, im Vergleih zu den letzten ahren in quantitaver Hinsicht eine gute genannt werden. In Folge der ungünstigen Witterungsverhältnisse scheint aber die Güte des Tabaks gelitten zu haben. Wie im vorigen Jahxe hat sich die mit Taback bebaute Fläche sowie die Zahl der größeren Tabakpflanzer wieder verringert. Die Gewichtsfteuer zahlenden Tabackpflanzer haben \sich gegen das Vorjahr um 9 vermindert, desgleichen sind 410 a weniger mit Tabak bebaut worden als im Vorjahre. Im Ganzen sind in diesem Jahre von 64 Tabackpflanzern, _welhe Gewichtsfteuer zahlen, 6399 a bepflanzt worden. Eingeshäßt sind insgesammt 139965 kg Tabackt, also im Durchschnitt rund 21,90 kg auf 1 a. Im Jahre 1888 \waren 129050 kg oder durh- \chnittlich 18,98 kg auf 1-/a eingeschäßzt. Während die Zahl der Gewichtssteuer zahlenden Tabakpflanzer zurückgegangen ist, hat sich die der Flächensteuer entrihtenden Anpflanzer um 26 vermehrt. Im Ganzen haben 120 Tabackpflanzer gegen 94 im Vorjahre Flächenfteuer zu zahlen. Von den erstgenannten 64 Tabadpflanzern haben angebaut bis zu 10 a 10 bis zu 20 a 9, bis zu 30 a 11, bis zu/ 40 a 6, bis zu 50 a 7, bis zu 60 a ck®, bis zu 70 a 1, bis zu 90/a 1, bis zu 100 a 1, bis zu 200 a 6, bis zu 300 a 1, bis zu 500 a 1, bis zu 1000 a 1 und über 1000 a 1.

Sanitäts-, Veterinär- und Quarantänewesen.

Niederlande.

Dur eine in dem „Nederlandshe Staats-Courant“ veröffent- lihte Verfügung der Königlich niederländishen Minister des Innern und der Finanzen vom 22, Oktober 1889 ist die Ein- und Durchfuhr von Lumpen, gebrauchten Kleidungsftücken und ungewaschener Leib- und Bettwäsche aus Rio de Janeiro vom 26, Oktober d. I. ab verboten worden. :

Gepädkstücke, welche von Reisenden mitgeführt werden, fallen nicht unter dieses Verbot.

Handel und Gewerbe.

Der Aufsichtsrath der Aktienbrauerei-Gesellschaft Tivoli hat beschlossen, der bevorstehenden Generalversammlung die O Dividendé von 5 9/6 gegen 7 °/9 im Vorjähre vorzu-

agen.

Der Aufsichtsrath der Victoria-Brauerei, Berlin, hat nah Vorlegung. der Bilanz für 1888 89 beschlossen, nach Rück- stellung von 43 000 E 42467 MÆ) für regelmäßige Abschreibungen die Vertheilung einer Dividende von 89/0, wie im Vorjahre, der Generalversammlung in Vorschlag zu bringen, Der bei Verkauf der Grundstücke Kottbuser Straße Nr. 4a und 4b erzielte UebersGuß von 52000 4 soll mit 10 009 zur Dotirung der Spezialreserve und mit 42000 Æ zu außerordentlihen Abschreibungen verwendet werden. Verkauft wurden im Geschäftsjahr 1888/89 41483 h1 gegen 38347 11 im Vorjahre.

Der Aufsichtsrath der Spandauerberg-Brauerei hat nach Vorlegung des Rechnungsabschlusses für das verflossene G-\häfts- jahr beschlofsen, bei reihlihen Abschreibungen die Vertheilung einer Dividende von 99%, wie im Vorjahre, der bevorstehenden General- versammlung der Aktionäre in Vorschlag zu bringen.

__— Vom obershlesishen Steinkohlenmarkt berichtet die „Schles. Ztg.“ : Das äußerst leblafte Geschäft bat auch inner- halb der verflofsenen Beri&tszeit angehalten, sogar eher zugenommen. Die mit Rücksiht auf die vorhandenen Arbeitskräfte wie auf die zur Verfügung gestellten Verfrahtungêmittel nur in beschränktem Maße ermöglihten Leistungen der Förderstätten lassen den Begehr in allen Koblensorten desto dringender erscheinen, als die vorliegenden Bestel- lungen kaum im Zweidrittel ihres Umfanges erledigt werden können. In der Beschaffung von Arbeitskräften maht \sich das Verbot der Zulassung polnischer Zvzügler sehr bemerkbar; bei genügender Arbeiteranzahl würden die Eruben 15 bis 20 9% mehr Kohle fördern können: so z. B hat die an der Grenze belegene Myslowißt-Grube in den leßten 3 Monaten über 50 000 t mehr gefördert als in der- selben Zeit des vorigen Jahres. Auch der Mangel an Fahrzeugen, wiewohl solhe in der täalihen Mebrzahl vor 450 Waggons über die Normalzahl von 3927 Wagen den Gruben zugingen, tritt störend auf, namentlich jedesmal in der zweiten Hälfte der Woche. Die sämmtliden Separations- und Wäsche - Anstalten waren in voller Thätigkeit, da die Abnehmer streng auf Qualität halten. Die Hohenzollern - Grube bei Beuthen O.-S. geht mit dem Umbau ihrer älteren Separations- und Verladeanlage vor. Die Förderung der Klcophas-Grube hat bereits die täglihe Höhe von 80 Waggeons (800 t) erreiht. Die Löhne sind bis zu 15 9/0 über ren früheren Dur&scnitt erhöht worden Die Koks- Anlagen, deren Produktion sämmi1lich fest verschlossen ist, steben im flotten Betrieb. Die auf einigen Werken im Bau begriffenen Kammern werden mit Anlag-:n für Theer- und Ammoniak-Gewinnung versehen 2nd dem- nächst in Betrieb kommen. Die p reigdalhung ist äußerst fest.

Die Bankfirma Sal. Oppenheim jun. u. Co. in [n begeht heute die Feier ihres hundertjährigen Bestehens.

___— In dem Konkurs über das Vermögen der Ritterscaft- lihen Privatbank in Pommern liegt jeßt der Plan für eine neue Vertheilung aus der Masse vor, welcher beim Gericht in Stettin einzusehen ist. Nach dem Entwurf kommen, wie die „B. B.-Z.* be- richtet, vom 25. November ab etwa 600000 4 zur Vertheilung, gleih etwa 2 9/0 der ursprünglichen Forderungen. Bisher kamen 334, 10 und 4} 9/9 zur Vertheilung. Zur Masse gehören noch zwölf unbelastete Grundstücke, etwa 120 000 4 gute Hypotheken und eine Forderung an Hrn. Kommerzien-Rath Quistorp in Héhe von 419 009 #, die im Jahre 1895 fällig wird.

Nah einem dem Aufsichtsrath der Klosterbrauerei Roederhof erstattetea Bericht der Direktion über die Resultate des am 1. Dktober abgelaufenen Geschäftsjahres hat sich der Bier- absatz gegen das Borjahr um circa 6000 hb1 gehoben und 42 8784 h] erreiht. Das Gewinn- und Verlust-Conto weist nah Abseßung der vertragêsmäßigen Tantième für die Direktion einen Gewinnüber]chuß von 177 000 A aus. Nach Abschreibung von 50000 #4 = 4% des gesammten Kapitals verbleibt zur Verfügung der Generalversamm- lung ein Betrag von 127 450 #4, aus welchem nach Vorschlag des Aussichtöraths eine Dividende von 99% gezahlt und der Rest auf neue Rechnung vorgetragen werden soll.

S a. M., 31. Oktober. (Getreidemarktberich{t von Joseph Strauß.) Der hiesige Markt zeigt vermehrte Festig- keit, In wirkli Prima hiesiger Landweizen haben sich ziemlich große Umsäße vollzogen. Die Preise sind stetig mit Neigung zur Steigerung; ab Umgegend 19}—# 4, frei hier 192 , kurbe)sisher 195 #, russishe Sorten 20§—21è 4, für geringe Sorten vorjähriger 172—185 M Roggen matt troy der gegen Schluß der Woche eingetretenen mäßigen Befestigung, die aber nit intensiv genug war, um bis heute die höchsten Course in Geltung zu lassen. Hiesiger 163 M4, russische Sorten 168/10—17, angekommene Scleppladungen Donau-Roggen in

- Ried-

Regensburg drüdcken. Ger ste ift in guten und mittleren Qualitäten lebhaft gefragt, bei fehlendem Rendiment von Thüringen und Bayern. Wir laffen Wetterauer (grobkörnig und weiß) 18}—19 5, und Franken-Gerste (Ochsenfurter Gau) 193—20} 5, 19}3—290} ÆMA Hafer, Stimmung Verkebr keine wesentlich ver- Notiz 143—16 A bleibt,

Thüringer und Saale befestigt, doch nahm der L größerten Dimensionen an; die 1 exquisiter darüber. Mais (mixed) haben sich die bekannt gewordenen Abschlüsse ungefähr auf Basis Rar MeBie vollzogen; gesundes 12è Æ, kränkliches viel unter Notiz. Was Chilisalpeter anbetrifft, so lichten sich hier und an anderen Stapelpläßen angebäufte Vorräthe nur sehr schroer, per Februar-März 1890 18,30 4 Parität Frankfurt a. M. übrig. Für Prima- Speise-Kartoffeln zeigt sih zunehmendes Angebot (Chili, neue Amerikaner), per 100 kg 28/10—3 M, dagegen Mittel- forten für Brennereien 2} .— Roggenkleie 8—9I H, Weizen- kleie 7,60—8 Æ, Begehr blieb hinter dem früheren Jahre zurück. Spelzspreu sindniht über Bedarf angeboten, 2,20—,40 4 In Mehl haben wir andauernd ziemlich frequentes Geschäft. Zwar ist die Nabfrage niht mehr von gleicher Lebhaftigkeit, wie vergangene Wocbe, doch ift die- selbe noch immer groß genug, um Angebote besserer Marken aufzu nehmen; namentlich für Weizenmehl haben benachbarte Mühlen das Scepter in Händen; Roggenmehl ab Berlin stramm gehalten. Wir lafsen hiesiges Weizenmebl Nr. 0 33¿—-34 4, Nr. 1 30—31 #, Nr. 2 254--26 4, Nr. 3 243—254 4, Nr. 4 21—22 M, r. 5 17—18 #«Æ Mil{brot- und Brotmehl im Verbande 54}—»7 M Norddeutshe und westfälishe Weizenmehle Nr. 00 26—27 m Berliner Roggenmehl ab Bahn Magdeburg Nr. 0 25 , Nr. 0/1 237 M, Nr. 1 22 M, frei Ufer Frankfurt a. M., Mainz u. Mann- heim ca. 1,25 A theurer, (exquisite Marken ca. § A höher). Obige Preise verstehen sich per 100 kg ab hier, häufig auch loco auswärtiger Stationen.

Antwerpen, 31. Oktober. (W. T. B) Bei dem gestrigen öffentlihen Verkauf von Congo-Elfenbein wurden 31 Tonnen zu den bei der leßten Londoner Elfenbein-Auktion bezahlten Preisen verkauft Schöne fehlerfreie Stoßzähne wurden mit 30—354 Fr. per Kilogramm bezahlt.

London, 31. Oktober. (W. T. B.) An der Küste 1 Weizen- ladung angeboten.

Bradford, 31. Oktober. (W. T. B.) Wolle fest, Kolonial- wolle stetig, englishe anziehend, Exrportgarne gefragt, anziehend, in Stoffen gutes Geschäft.

Submissionen im Auslande.

Ungarn. 28. November, Mittags. Pest. Direktion der Königlih Unga- rishen Staatsbahnen: Lieferung von Bau- und Werkholz aller Art. Näheres in der Redaktion des „Reichs-Anzeigers“,

Verkehrs - Anstalten.

(M. A. Ztg.) Der bisher an jedem Freitag von Verciorova und von Pest nah Paris verkehrende Orient-Expreßzug wird am Freitag, 1. November l. J., zum leßten Male eingeleitet. Vom 1, November l. J. an wird, nah dem „P, Lloyd“, der Orient- Expreßzug von Paris @ach-Bukaxest «und -zurück nux- einmal per Wwehe

verkehren.

Hamburg, 1. November. (W. T. B.) In der vergangenen Nacht entoleisten bei Boizenburg von den Güter- zügen 307 und 334 beim Rangiren, vermuiblich dur falshe Weichenstelung, mehrere Wagen, wodurch die beiden Hauptgeleise gesperrt wurden. Von hier is ein Hülfszug abgesandt. Die Passagiere des Courierzuges mußten um- steigen und trafen mit einer vierstündigen Verspätung ein. Verlegt wurde bei dem Unfall Niemand.

1. November. (W. T. B) Der Postdampfer „Co- lonia“ der Hamburg- Amerikanischen Packeifahrt-Aktien- gesellschaft ist, von Hamburg kommend, gestern in St. Thomas eingetroffen.

London, 1. November. (W. T. B.) Der Union-Damvfer „Durban“ ist gestern auf der Ausrei'e von den Canarishen Inseln abgegangen. Der Castle-Dampfer „Norham-Casile“ ist gestern auf der Ausreise in Capetown angekommen.

Theater und Musik.

Königliches Schauspielhaus.

Auf der Königlichen Bühne gelangte gestern Abend ein neues Schauspiel von Hugo Lubliner „Der Name® zur ersten Auf- führung. Der Verfasser will in einer Reihe handelnd auftretender Perfonen den guten oder s{limmen Einfluß darstellen, den der „Name“, Rang und Titel auf das Geshick der Menschen gewinnen kann, ein Einfluß, dem die Träzer solchen Namens hülflos und rathlos unterwo:fen sein sollen. Er versucht solhe Menschen charakteristish zu zeichnen, welhe unter der Last ihres Namens seufzen und solche, wele auf der Jagd nach einem solhen Namen sind. In heiterem, lustspielartigem Charakter wird das leßtere Problem gelöst; der Journalist Franz Roland welcher von einem ehrgeizigen Künstlerin- Vater gedrängt wird, seiner Tochter, einer angehenden dramatischen Künstlerin, einen Namen zu machen, bietet dem Mädchen \chließlich seinen eigenen bekannten „Namen* an. Die Verroickleungen, "welche die übrigen zablreihen Personen mit einander in Beziehung bringen, sind ernfterer Natur ; wenigstens wünscht der Verfasser uns von der Gewichtigkeit und der sittlihen Kraft der Ereignisse zu über- zeugen, ohne aber in allen Fällen seinen Zweck zu erreichen. Die junge Frau eines hervorragenden Beamten läßt sich von einem jungen Herrn den Hof machen; der Gemahl \ch{eint Anfangs,. von theilweise gerechter Eifersucht getrieben, die Sache sehr ernst nehmen zu wollen, aber der ehelihe Zwist verläuft dur die Dazwischenkunft einer edlen Frau mit einem großen Namen völlig barmlos. Die Marquise von Nespola das ist jene edle Frau faßt den Conflikt sehr tragisch auf und opfert sch für ihre Freundin, indem sie selbst sich dem Chemann gegenüber als die Dame hinstellt, welche der galante Graf Waltersdorf bei der jungen Frau sucht. Dem etwas leihtsinnigen Grafen imponirt dieser heldenhafte Opfermuth und die Seelengröße der viel verleumdeten Marquise in dem Maße, daß er derselben sein Herz und seine Hand anbietet und nah mantherlei Hindernissen auch dies Ziel erreiht. Die Marquise Nespola spielt die Hauptrolle in dem Schauspiel; ihr namentli soll der vornehme Name zum Fluch gereihen. Ihr gegenüber, ebenfalls im Vorder- grund der Handlung, steht die Mutter des galanten Grafen Walters- dorf, als die Trägerin eines geahteten Namens, welcher Schug und Sicherheit verleiht. Die hier stich ergebenden ernsteren Konflikte vermochten beim Publikum nur geringe Tbeilnahme hervor- zurufen, sie erschienen geschraubt und unnatürlih, wie die Charaktere, welche die Träger derselben waren. Die große Zahl von Personen, welche auftreten und zum Theil gar niht, zum Theil sehr lose dur ihre Schicksale mit einander verknüpft sind, rauben der Handlung die Einheitlihkeit und drücken ihr das Gepräge der Zerfahrenheit und Urordnung auf. Ansprehend und eindruckéêvoll erwiesen sh nur wenige, vereinzelt auftauGende lustige Scenen, während die ernsteren durch weitshweifige Erzählungen und zahlreihe Wiederholungen litten. Die JInscenirung war eifrig bedacht, die besten Effekte herauszuarbeiten und zur Darstellung waren die besten Kräfte heran- gezogen. Frl. Meyer spielte die „Marquise Nespola“ sehr ge- scickt; sie war anmuthig im Schmerz und in der Freude, aber einen ecinheitlihen Charakter vermohte sie dieser seltsamen unverständlihen Figur niht zu geben. Den guten Namen verkörperte Fr. Seebach als „Gräfin Waltersdocf“ vornehm und empfindungsvoll; leider klang ihr Organ manchmal zu matt, um überall deutlih gehört werden zu fönnen. Den Erfolg des

Abends ernteten Frl. Conrad und Hr. Vollmer als munteres Liebespaar, in der, man möhte sagen, einzigen anregenden Scene des