1889 / 272 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 14 Nov 1889 18:00:01 GMT) scan diff

derart zu gewähren find, daß während drei bis fünf Freijabren die Zins- und Tilgungsraten übernommen werden, der Provinzialauss{uß zu prüfen bat, ob das Prejeft den Landeékulturinteressen entspricht; und genehmigte, daß auch einmalice Beibülfen ohne Auflage der Rücdgewätr an Meliorationsverbände gezablt werden. Für die früher gewährten Meliorationtsdarlehne find 5 %/ Zinsen fortzuzablen, es wird aber 1 % biervon zur verstärkten Tilgung ver- wendet. Der Pofen’i{hen landwirtbsckaftlißhen Berufegenofsenschaft werden au fernere Vors{üsse zu den Betriebskosten geaen Verzinsung mit 3F %%/ von der Provinz gewährt. Die Stadt Friedbeim, Kreis Wirsitz, wird zur Annahme der Landgemeinde- Verfassung für geeignet eratet. Von dem Berit über die Verwaltung der Irren- anstalt zu Owinsk ift Kenntniß genommen, obne Bemerkungen daran zu knüpfen. Die Petition der Taubstummenlehrer in Posen und Schneide- mübhl um Erböbung des Wobnungsgeldzushusses wird abgelehnt. Der Taubstummenlehrer-Wittiwe Wleklinska ift eine einmalige Unter- stüßung von 100 M bewilligt.

Sachsen. Dresden, 13. November. Der den gegen- wärtig tagenden beiden Ständekammern von der Königlichen Staatsregierung vorgelegte Entwurf zum Staatshaus- halts-Etat auf die Finanzperiode 1890/91 veranschlagt die gesammten Roheinnahmen und die gesammten Rohausgaben auf je 174 050315 M jährlich. Hieran sind betheiligt die im „Etat der Ueberschüsse“ des ordentlichen Staatshaushalt3- Etats vereinigten Einnahmezweige mit 162 933 439 # Roh- einnahmen und 70313016 M Rohausgaben, was einen reinen Ueberschuß von 92 620414 Æ# ergiebt, die im „Etat der Zu- schüsse“ des ordentlihen Staatshaushalts - Etats zusammen- gefaßten Auzëgabezweige mit 103 737299 F Rohausgaben und 11 116 885 M Rohzinnahmen, sodaß ein Zuschuß von ebenfalls 92620 414 M. in Frage kommt.

Im Jahre 1885 erschien, gegründet auf eine Erhebung vom 1. Dezember 1884, ein „Erster Bericht über die ge- sammten Unterrihts- und Erziehungsanstalten im Königreih Sachsen“, welher sich über das Geschäftsbereich aller vier am Unterrichtswesen betheiligten Ministerien, des Kultus, des Jnnern, der Finanzen und des Krieges er- streckte. Bei der Wichtigkeit eines solhen planmäßigen Ueber- blicks über diesen wichtigen Zweig des Volkslebens haben, wie das „Dreed. Journ.“ mittheilt, die genannten Ministerien be- schlossen, eine gleihe Erhebung, welhe sich im Wesent- lihen an die vor 5 Jahren benugten Grundlagen anschlieyen wird, am Montag, den 2. Dezember laufenden Jahres zu veranstalten und in gemeinsamem Berichte zu veröffentlichen.

Nah dem den Kammern zugegangenen Geseßt- entwurf wegen der Umwandlung der 4 prozentigen Staatsanleihen von 1852/68, 1867 und 1869 in eine 31/, prozentige Staatsschuld, bez. betreffend die Tilgung der ersteren und die Aufnahme einer 3 prozentigen Renten - anleihe, soll die Umwandlung in eine 31/5 prozentige Staat2- schuld dergestalt stattfinden, daß diejenigen Staatsschuldenkassen- scheine, welche von den Jnhabern innerhalb einer denselben zu be- stimmenden Frist dazu angeboten werdgn, und zwar, soweit die erste und dritte Anleihe in Frage kommt, durch Abstempe- lung der Hauptpapiere und Ausgabe neuer Zinsscheine, auf einen 31/5 prozentigen Zinsfuß herabgeseßt, soweit es sih da: gegen um die zweitgenannte Anleihe handelt, gegen vom Landtags-Auëshuß zur Verwaltung der Staatsschulden neu

auszufertigende, auf 31/2 Prozent Zinsen lauteade Staats- schuldenktassenshezine eingetausht werden.

Mecklenburg-Scchwerin. Schwerin, 13. November. (Meckl. Nachr.) Jhre Königlichen Hoheiten der Großherzog und die Großherzogin von Mecklenburg-Streliß verweilten gestern längere Zeit in der heiligen Blutskapelle im Dome. Gestern Mittag dinirten die Herrschaften bei Jhrer Königlichen Hoheit der Großherzogin-Mutter, und nah dem Concert, an welchem fie mit den hier anwesenden Fürst- lihkeiten theilnahmen, soupirten sie bei Jhrer Königlichen Hoheit der Großherzogin Marie. Heute früh 101/24 Uhr erfolgte die Rückreise A Neustrelitz.

Mecklenburg - Strelizg. Neustreliß, 11. November. (M. L.) JZhre Königlichen Hoheiten der Erbgroßherzog und die Érbgroßherzogin sind mit ihren Kindern am Sonnabend Abend aus Dessau hierher wieder zurückgekehrt.

Oesfterreih-Ungarn. Wien, 13. November. (W. T. B.) Se. Majestät der Kaiser Franz Joseph ist heute Abend nebst Gefolge mittels Sonderzuges nah Jnnsbruck abgereist. Auf befondere Einladung des Kaisers benußte auch der deutsche Botschafter Prinz Reuß den Kaiserlihen Sonderzug zur Fahrt nah Jnnsbruck. Der deutsche Militärbevollmähtigte Major von Deines ist bereits gestern nah Ala abgereist, wo er sih der Suite Sr. Majestät des Kaisers Wilhelm anschließt. | i

Die Verhandlungen der Landtage ziehen si, wie die

„Presse“ shreibt, etwas indie Länge. Ursprünglich erschien die Annahme gerechtfertigt, es werde möglich sein, die Session, wenigstens der gioßen Mehrzahl der Landesvertretungen, mii Ende der vorigen Woche zum Abschlusse zu bringen, in welhem Falle der permanente Strafgeseßauss{chuß schon am 11. d. eine Arbeiten wieder aufgenommen hätte. Die Erfah: rung hat jedoch gelehrt, daß diese Annahme hinfällig war, und wie nun die Verhältnisse liegen, dürfte der gänzlihe Schluß der Landtagssession kaum vor vierzehn Tagen zu gewärtigen sein, in Folge dessen auch die Wiederaufnahme der Arbeiten des Strafgeseß- aus\hus}ses noch nit endgültig festgeseßt werden konnte. Der mährische Landtag wurde gestern geschlossen; der niederöster- reihishe Landtag will seine Arbeiten bis längstens zum 18. d. abschließen, der \{lesishe Landtag hält Donnerstag, den 14. d., seine legte Sizung; die übrigen Landesvertre- ‘tungen dürften ihre Session successive in der Zeit vom 15. d. bis zum 26. d. s{ließen. Der Wiederzujammentritt des Reihsraths ist, wie das „Pr. Abdbl.“ versichert, unter allen Umständen für Anfang Dezember in Aussicht ge- nommen.

Triest, 13. November. (W. T. B.) Die Komman- danten der Schiffe des deutshen Geschwaders statteten heute unter Führung des Kapitäns zur See von Reiche und in Begleitung des deutshen Vize-Konsuls Müller der Statthalterei einen offiziellen Befuch ab und wurden von dem

ofrath Reya, als Vertreter des durch Unwohlsein verhinderten

tatthaltereileiters, empfangen. Jm Laufe des Tages machten sie au dem Militärstations-Kommandanten Vize-Admiral Frhr. von Wipplinger, und Divisionär Gefêral-Major Probst, dem Podestà Bazzoni und dem Präsidenten der Seebehörde, Baron Alber, ihren Besuch. Vize-Admiral Frhr. von Wipplinger und General - Major von Probst erwiderten hierauf an

des Kapitäns z. S. von Reiche. Am Abend wohnten die Kommandanten der Schiffe des deutshen Geshwaders in der Loge des Bürgermeisters der Opernvorstellung im Politeama bei.

Pest, 13. November. (W. T. B.) Nach dem Ausweis der Staatskassengebahrung betrugen im dritten Quartal des laufenden hres die Einnahmen 91/4 Millionen Gulden (13/4 Millionen Gulden mehr als in der entsprechenden Periode des vorhergehenden Jahres). Die Ausgaben betrugen 90,27 Millionen Gulden (3,29 Millionen mehr gegen das vorhergehende Jahr). Die direkten Steuern weisen gegen das vorhergehende Jahr ein Mindererträgniß von 1 152781 Fl. -auf, Mehrerträgnisse dagegen: die Ver- zehrungsfteuern um 2469200 Fl., die Tabadckgefälle um 380 730 F[., die staatlihen Montanwerke um 425837 Fl. Nach Abrechnung der vorjährigen Renten-Emission und der rüdckgezahlten Eisenbahnzinsen-Garantie stellt sih die Bilanz in den drei ersten Quartalen des laufenden Jahres um 16 Millionen Gulden gegen das Vorjahr günstiger.

Der Handels-Minister Graf Szapary wird dem- nächst dem Abgeordnetenhause Gesezentwürfe über die Krankenunterstüßung der Arbeiter und über das Patentwesen vorlegen.

Großbritannien und JFrlaud. London, 13. November. Der „Standard“ fordert die Regierung auf, die soziale Frage in England ernftlih in die Hand zu nehmen; das Blatt schreibt: „Der englishe Arbeiterstand denkt, wenn er an die Wahlurne geht, niht an das Verdienst der Regie- rung, Jrland beruhigt zu haben, sondern daran, wie viel die Regierung zur Hebun Lier eigenen materiellen und sittlichen Lage gethan hat. Seit der Erweiterung des Stimmrechts gehört die Fürsorge dafür zu den Pflihten jeder Regierung.“

Die Londoner „World“ schreibt: „Ein großartiger Verein zum QEAN der Rehte der Grundeigen- thümer ist in der Bildung begriffen. Es hat fich nunmehr herauégestellt, daß die radikale Partei eine ganze Anzahl Angriffe auf das gen tum beabsichtigt. Der Vorschlag, die Bodenrente zu besteuern, ift nur der erste Schlag in dem gegen die Land- und Hauseigenthümer unter- nommenen Feldzug. Soll der Kampf gegen sozialistische Plünderungsgelüste mit Erfolg durhgesührt werden, so muß dem Feinde glei in der ersten Linie begegnet werden. Alle bedeutenderen Bodenrenten-EigenthümerLondons werden Mitglieder des neuen Vereins jein.“

Mr. George S. Mackenzie, der Direktor der Jm- perial British East Africa Company, trat am 11. eine Reise nach Ost - Afrifa an, die den Zweck hat, die Organisation der Gesellschaft an Ort und Stelle zu vervollkommnen. Mombasa soll der Hauptsiz der Gesell: schaft im östlihen Central-Afrika sein und demnächst mit Europa und Jndien in direkte telegraphishe Verbindung ge- braht werden. |

Aus Poonah in Jndien, vom 12. November, meldet ein Telegramm des „Reuter'shen Bureaus“:

Prinz Albert Victor von Wales, der âlteste Sobn des Thronfolgers, hielt beute Morgen eine Revue über 7090 Mann Truppen aller Waffengattungen. Nacmittags wohnte er einem Pferderennen bei und beute Abend besucht er ein großes Ballfest.

Frankreih. Paris, 13, November. Bei den Repu- blikanern herrscht, wie der „Köln. Ztg.“ geschrieben wird, große Befriedigung über den Ausgang des gestrigen Tages sowohl innerhalb der Kammer als auf dem Eintrachts- play. ‘Das jehr schärfe Vorgehen der Polizei und die V E haftung der boulangistishen Deputirten wird allgemein gebilligt.

(W. T. B.) Eine heute Vormittag abgehaltene Volksversammlung der Rechten beshloß einstimmig, eine abwartende Haltung zu beobahten und ihr Ver- halten nah demjenigen der Regierung und der republikanischen Majorität ihr gegenüber einzurichten.

Ftalien. Rom, 11. November. Dem von der „Gazzetta Ufficiale del Regno d’Ftalia“ vom 9. d. M. veröffentlichten, in Nr. 269 des „R.- und St.-A.“ erwähnten Königlichen Dekret, durch welches eine Kommission zur Untersuchung der mißlichen Finanzlage der Stadt Rom eingeseßt wird, geht ein längerer Motivenberiht des Minister-Präsi- denten voraus. Es wird darin an die Unterstüßung erinnert, welhe der Hauptstadt 1880 von Staats wegen be- willigt wurde und welche, wie man damals glauben konnte, hätte ausreichen können, wenn stets eine kluge und thätige Verwaltung bemüht gewesen wäre, die Hülfsquellen der Stadt zu vermehren. Die Hoffnungen der Regierung und der Kammern erfüllten sich jedoch nicht, und die Regierung steht einer neuen und viel ernsteren Zer: rüttung der hauptstädtishen Finanzlage gegenüber, zu der eine ungesunde Bauspekulation viel beigetragen hat. Bevor die Regierung indessen einen Entschluß darüber faßt, wie der Stadt Rom zu A sei, sei eine gründliche Prüfung der Sachlage geboten. enn auch die guten Absichten, von welchen sih die städtishe Verwaltung leiten ließ, nicht in Zweifel gezogen werden, so müsse doch Klarheit darüber ge- schaffen werden, wie viel von dem städtishen Defizit dem Mangel an Fähigkeit, Einficht und Voraussicht zuzuschreiben oder ob auch ein Theil dem inkorrekten Gebahren der unter- geordneten Vollzugsorgane zur Last zu legen sei. Zu einer jolhen Prüfung sei gerade der gegenwärtige Zeitpunkt be- sonders geeignet, da der gegenwärtige Stadtrath abtritt und ein neuer gewählt wird. /

_ 13, November. (W. T. B.) Die „Riforma“ be- spriht den verbrecherischen Einbruch bei dem italie- nishen Geschäftsträger Marquis Galetti Cam- biaggo in Tanger und die Mißhandlung, welche der Marquis erfahren hat, und bemerkt, daß dieses Ereigniß über den Rahmen eines gemeinen Verbrehens niht hinausgehe. Es sei zu erwarten, daß die marokfkfanische Regierung, da es sich um einen diplomatischen Beamten handelt, die ver- langte gebräuhlihe Genugthuung voll gewähren werde. Das Gerücht, daß Jtalien ein Einschreiten in Tanger G8 sonstwo beabsichtige, entbehre jegliher Begrün-

ung. E

Türkei. Konstantinopel, 13. November. (W. T. B.) Ein Jrade des Sultans hat den seit Langem angestrebten Bau einer Kapelle für protestantishe Pilger in Bethlehem genehmigt, wodurh einem Herzenswunsche Jhrer Majestät der Kaiserin Augusta Victoria ent- sprochen is.

Der diesseitige Gesandte am belgifchen

ofe, Cara- theodory-Effendi, ist zum Vertreter der türkishen Regie- rung bei dem in Brüssel stattfindenden Anti-Sklavere i-

Bord Sr, Majestät Panzershiff „Deutschland“ den Besuch

Serbien. Belgrad, 13. November. Die „Agence de Belgrade“ meldet: Auf Ansuchen der bulgarishen Regierung willigte die serbishe Regierung cin, die Pourparlers wegen Abschiusses einer Handelskonvention zwischen Serbien und Bulgarien in Sofia wieder aufzunehmen unter der Seitens Bulgariens angenommenen Bedingung, daß, falls die Verhandlungen zum Abschlusse führen, die Konvention in Belgrad unterzeichnet werde.

Afrika. Egypten. Aus Kairo wird dem „Reuter- schen Bureau“ unterm 12. d. gemeldet, daß die Nachricht : Osman Digma sei in Dongola angekommen, der Be- gründung entbehre. Ueber die Bewegungen Osman's sei nur bekannt, daß er sich von der Na(hbarschast bei Suakim nach Omdurman begab, und daß es gerüchtsweise hieß, er wolle nah Dongola gehen.

Parlamentarische Nachrichten.

In der heutigen (15.) Sitzung des Reichstages, welcher die Staatssekretäre Dr. von Boetticher und Freiherr von Malzahn sowie andere Bevollmächtigte zum Bundes- rath nebst Kommissarien beiwohnten, theilte der Präsident mit, daß gestern Abend der Abgeordnete für den 2. Magdeburger Wahlkreis, von Lüderiß, der diesen Wahlkreis seit 1877 ununterbrohen vertreten habe, gestorben sei. Die Mit- glieder ehrten das Andenken des Verstorbenen durch Erheben von den Sigen.

Auf der Tagesordnung stand die Fortsezung der zweiten Berathung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Feststellung des Reihshaushalts-Etats für das Etatsjahr 1890/91, und zwar zunächst der Spezial-Etat „Rechnungshof“. i

Abg. Richter wies darauf hin, daß unter den gegen- wärtigen Verhältnissen die Prüfung des Reichstages, ob die Ausführung des Etats im Sinne der Bewilligung geschehen, schwierig, fast unmöglih sei. Dieser Nothstand könne nicht fortdauern bei einem Milliarden-Etat und einer Milliarden- Schuld. Daraus retfertige sih der Antrag: Der Reichstag wolle beschließen, den Reichskanzler zu ersuhen, dem Reichs- tage in der nächsten Session einen Geseßentwurf, betreffend die Verwaltung de: Einnahmen, vorzulegen. :

Abg. von Benda trug kein Bedenken, diesem Antrage zuzustimmen; auch er halte die Regelung der Sache für dringend wünschenswerth. Die Angelegenheit habe so lange nur deshalb geruht, weil in der Zwischenzeit wichtigere Dinge die geseßgebenden Faktoren beshästigt hätten. :

Staatssekretär Freiherr von Malßahn erklärte, daß die verbündeten Regierungen, wenn Ausficht auf allseitige Verständi- gung vorhanden sei, zur Vorlegung eines entsprehendea Gefeß: entwurfs bereit sein würden. Wenn aber die Vorausseßung des Antrages Richter sei, daß die verbündeten Regierungen ihren früheren Standpunkt aufgegeben, so dürfte sie dur die Thatsachen nicht bestätigt werden. Die Stellung der ver- bündeten Regierungen sei unverändert dieselbe, wie sie früher dargelegt worden sei. s

Abg. Richter meinte, daß die allgemeinen und die finanziellen Verhältnisse fsih seit 1875 doch so erheblich ver: ändert hätten, daß er niht ohne Weiteres glauben könne, die verbündeten Regierungen nähmen noch heute dieselbe Stellung wie damals zu einem solchen Geseßentwurf ein.

Abg. von Helldorff bemerkte, daß auch seine Partei klare V-rhältnisse wünsche; jeßt sei indessen niht der rechte Augeublick zur Regelung der Frage gekommen; er bitte, den Antrag Richter abzulehnen. Ï

Staatssekretär Freiherr von Maltzähn erklärte, daß so wenig wie Abg. Richter seinen frühern Standpunkt aufgegeben zu haben scheine, ebenso wenig die verbündeten Regierungen den ihrigen aufzugeben geneigt sein würden, der gestüßgt sei auf ihre strenge Auffassung der Rechte der Regierungen und ihrer Vertreter im Bundesrath. Wenn der E den Antrag Richter annehme, so würden die verbündeten Regie- rungen in die Erwägung eintreten, ob Aussicht auf Verstän- digung gegenwärtig vorhanden sei.

Ab ‘Richter meinte, es handle sih bei dem Gegenstande vielfa nicht fo sehr um politische als um praktische, technische

ragen. : Abg. Hammacher beantragte die Ueberweisung des Antrages ar die Rehnungs-Kommission.

Abg. Richter hatte dagegen nichts einzuwenden.

Nach längerer Geschäfisordnungsdebatte wurde der Antrag Richter der Rechnungs: Kommission überwiesen, der Etat „Rechnungshof“ angenommen.

Bei Schluß des Blattes wurde der Etat des Reich3- amts des Fnnecn berathen.

(Der S&lußbericht über die gestrige Sizung des Reichstages befindet fih in der Ersten Beilage.)

Die BVudgetkcemmission bat beantragt: Der Reicbstag wolle besließen, vom Etat der Einnabmen, Kapitel 1 (Zölle, Ver- brau{ssteuern und Aversen) Titel 1—8 sâmmtlich mit den bei den einzelnen Titeln in Ansag gebrahten Summen und unter den dort gebrauchten Bezeichnungen zu genehmigen.

Zu dem in Nr. 271 des „R.- u. St. - Anz.“ mit- getbeilten Berit über die erste” Sißung der Kommission zur Vorberathung der Novelle zum Sozialistengesetz ist berichil- gend zu bemerken, daß ter §. 1 des bestetenden Gesetzes vollständig unverändert angenommen wurde. Die Regierungsvorlage enthält Abänder angtvors{läâge Betreffs diescs Paragraphen nicht.

Zeitungsftimmen.

Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ shreibt:

„Mit lebhafter Genuatbuung wird man die Erklärung deé Staatssekretärs des Reich8-Justizamts in der Sitzung des Reichätages vom Dienstag begrüßen, daß die Theilnahme der ganzen Nation an dem Entwurf eines bürgerlihen Gesezbuches den ver bündeten Regierungen Muth gebe, an dem s{wierigen Werk weiter zu arbeiten. Daß die Rechtsverständigen der Kodifikation des bürgerliden Rechts ein besonderes Jnterefse entge ‘en bringen, ist natürli; besonders erfreulich ist es aber, nit nur juristis{e Kreise und Vereinigungen sih mit der Kritik des Entwurfs befassen, sondern daß auch volks- und landwirthschaftlihe Vereine, der Landwirth\chafts8rath und das Landes - Oekonomie Kollegium ron ibren speziellen Gesihtépunkten aus Stellung nehmen, daß die Handelékammern Gutachten eingereiht haben und der Deutsche Handelstag dem Entwurf ebenfalls seine Aufmerksamkeit gewidmet bat. Der Staatssekretär konnte au mittheilen, daß selbft

Kongresse ernannt worden.

aus fkirchlihen Kreisen Beleuhtungen des Entwurfs eingegangen seien.

Diese allseitige Theilnahme, welche entsbi:den noch im Wasen riffen ist, fann dem Werke nur förderlich sein, insofern, als in den Stadien, die dasselbe noch zu dur&laufen bat, nit allein die Auf- faffung der Juristen, fondern die Bedürfnisse der einzelnen Bestand- tbeile des Volkes ebenfalls zur Geltung kommen. Es ift erklärlich, die Bearbeitung der zahlreichen Auslafsungen zum Entwurf Fee erfordert, und man darf es als ein Zeiben der energishen Thätigkeit, welche nah dieser Richtung bin im Reibs-Justizamt entwickelt wird, betrachten, daß, wie der Staatssekretär von Oebls&läger in Aussicht stellte, bereits vor S{luß des Jahres der erste Band der bearbeitetea Kritiken, welÞe sih auf den allgemeinen Theil und das Obligationenrecht beziehen, den einzelnen Regierungen mit- getheilt werden würde, und daß die Fortsezungen dieser Zusammen- ftellunaen in rit zu ferner Zeit folgen werden. i Einen Sritt weiter auf dem Wege zum Ziele bedeutet es ferner, daß die von der Kommission zuleßt ausgearbeitete GrundbuH- und Subhastation8ortnung nebst Motiven demnächst der Oeffentlich- keit übergeben werden soll, womit dann das gesammte gesezgeberische Material im Entwurf vorliegen wird.

Von besonderer Bedeutung ift es au®, daß man aus der Rede des Staatssekretärs entnehmen konnte, wie die verbündeten Regie- rungen den Entwurf im Allgemeinen als eine geeignete Grundlage für das fünftige bürgerlihe Geseßbuh betraten -und wie deshalb in den einzelnen Ministerien eine eifrige Thätigkeit entfaltet wird, um das Werk zu fördern. Als ein neues Zeichen für das dem Entwurf regierungéseitig zugewandte Interefse ift es aufiufafsen, daß auf An- regung des Reichskanzlers den verbündeten Regierungen eine Zu- sammenstellung der am mettien bestrittenen Punkte, es find deren 86, zugegangen ift. : Ï : E :

Bei einer solchen, dem Entwurf gewidmeten Thätigkeit darf man bezüglih des s{ließliden Zustandekommens des Werkes beruhigt sein, wenn au bei der besonderen Schwierigkeit derselben ein bestimmter Zeitpunkt nicht in Aussicht genommen werden kann. Soviel aber ift son heute siWer, daß die tdeoretishen Streitigkeiten der Romaniften und Germanisten, wel@e anläß.ich der Veröffentlihßung des Entwurfs neue Nabrung gewonuen baben, auf die weitere Behandlung und auf den Abschluß derselben keinen besonderen Einflus baben werden. Es sind Erwägungen sadblicer Art und die thatsäblichen Bedürfniffe des Boeolfkes, welce für die Gestaltung des bürgerliben Nets maßgebend scin müfsen und nit der Streit der Schulen, defsen Ende überbaupt nit abzusehen ift.

Gegenüber den Darl-gungen des Staatssekretärs des Reith8- JAustizamts erscheinen die von versciedenen Seiten geäußerten Zweifel, ob überhaupt das Werk in absebbarer Zeit ¡u Ende geführt werden dürfte, binfällig und das Ergebniß jener Auteinanderseßungen als ein erfreulihes, welhes die dem Entwurf gewidmete vielseitige Thätigkeit nur zu steigern geeignet ist.“ |

Jm Hinblick auf die bevorstehenden Wahlen und ¡aus Anlaß des Beschlusses der Sozialdemokraten, bei Stich- wahlen zwishen Kandidaten anderer Parteien Wah[- enthaltung zu üben, schreibt die „Nationalliberale Correspondenz“:

„Ueber die sozialdemokratis@e Parole der Wakblentbaltung bei allen Sti{wablen, wo nit sozialdemokratishe Kandidaten betbeiligt find, beotahten die deutic{freisinnigen Blätter noch ein verlegenes Stillshweiaen. Wie empfindli® aber diese Partei von einem solchen Beslufse, wenn er strerg durchgeführt wird, betroffen würde, ebt daraus bervcr, daß von den gegenwärtigen 35 deuts{freisinnigen Reistags-Abgeordneten ni&t weniger als 11 beim erften Wakbl- gang weniger Stimmen als ibr nationalliberaler oder konserrativer Gegerkandidat erbalten batten, erft in der Stichwakl durch direkte Hülfe der Sozialdemokraten gewählt sind und diesen leßtern also einzig und allein ihre Mandate verdanken. Es sind dies 1) Virchow- Berlin, 2) Rickert-Brandenburg, 3) Brömel-Stettin, 4) Lüders- Görliß, 5) Dr. Meyer-Halle, 6) Nickel-Hanau, 7) Schmidt-Rem- 1cheid, 8) Buddeberg-Zittau, 9) Rickert, nachber Träger-JIever, 10) Siemené-Coburg. 11) Bulle-Bremen. Alle diese Abgeordneten würden bei Wablenthaltung der Sozialdemokraten in der Stié&wabl unterlegen sein. Eine Reibe anderer gegen- wärtiger deutsfreifinniger Reicêtags - Abgeordneten hatte zwar {on im ersten Wablgang eire geringe Mebrheit über den Kartelikandidaten, der Autfall der Stiwahb! zu ibren Gunsten wäre aber dow sehr zweifelhaft gewesen, wenn bierbei niht die Sozial- demokraten ibnen beigesprungen wären, von denjenigen Wablkreisen, wo die sozialdemokcatis%en Stimmen gleich im ersten Wablganrg auf den deuts&freisinnigen Kandidaten fielen, ganz zu \{weigen. Man fiebt, welwe Lebenéfrage für die deutschfreisinnige Partei die fojial- demokratiscde Unterstüßung ist und wie empfindlih es sie treffen würde, wenn wirkli diese Krücke zerbrehen sollte. Aber die Deuts- freifinnigen werden sich wobl mit der Hoffaung tröôften, daß troß aller Wablparolen in der Stunde der Notb die Sozialdemo?raten doch noch jedeëêmal bülfreih beigesprungen sind,“

In der „Hallishen Zeitung“ lesen wir:

„Die Deutschfreisinnigen baben sib îin leßter Zeit im Reicbstage vielfa bemüht, die Gescbäâfte der Sozialdemokraten zu besorgen. Die Quittung bierüber erbalten sie in einem Artikel des Berliner sozialdemokratishen Organs, in welchem es beißt, daß, „wenn der Sozialismus baue, die forts{rittli&en Kärrner ¡u thun bâtten, und daß die Auönüßung der Fortscrittler Seitens der Sojial- demokraten nod fein Vündniß mit denfelben bedeute“. Was sagen die Herren zu diesem für sie so \chmeitelhaften Verglei der „sozialistis&en Könige“ Liebkneht und Bebel ?“

Aus Anlaß der heute stattfindenden Begegnung S r. Majestät des Kaisers von ODesterreih und Jhrer Majestäten des Kaisers und nas und der Kaiserin und Königin in Fnnsbruck schreibt die „Wiener Abendpofst“:

„Bei den überaus innigen und herzlihen Be- ziehungen, welche zwishen den beiden mächtigen Potentaten von ODesterreih-Ungarn und Deutschland, sowie deren Völkern bestehen, ist es nur E daß die öffentlihe Meinung hüben wie drüben die neuerlihe Begegnung der beiden befreundeten Herrscher und Verbündeten mit lebhafter Freude begrüßt und in derselben eine neue Bekräftigung des Bundes erblickt, e Europa schon so lange die Erhaltung des Friedens verdankt.“

Statiftik und Volkswirthschaft.

Allgemeine Geschäftslage im Jahre 1888,

. Der Jahresbericht der Handelskammer zu Halberstadt für 1888 äußert sich folgendermaßen : /

„Ein gütiges Geshick hat das Szepter des Reis einem Herr- her überantæwortet, der denselben Zielen wie seine erhabenen Vor- gäanger nabftrebend, gleih diesen seinen mähtigen Sbuy über die friedlihe Arbeit seines Volkes ausbreitet und dem unter seinen Fürst- lichen Aufgaben die Förderung von Handel und Verkehr an erster Stelle steht.

Unter fol&er Bürgschaft allein war es mögli, daß Handel und Gewerbe jene ticfgebenden Ers&ütterungen (des {nell aufeinander- folgenden Todes der beiden ersten Kaiser) überwanden und mit der Gewißheit des Erfolges ihrer Arbeit auch weiter nahgehen konnten.

So hat denn das verflossene Jahr an wirthshaftlihen Er- cebnifsen auf fast allen Gebieten die Erwartungen erfüllt, die man zu Ausgang des vorangegangenen ftellen konnte. Die forts{r-itende Bewegung, die fch um die Mitte des Jahres 1886 be- merkbar mate, hat angehalten. Wenn auch nicht in allen Geschäftszweigen, so sind do in den meisten und bedeutenderen die

Resultate noch zufriedenstellender auëgefallen als im Jahre 1887. Wir befinden uns, wie es scheint, in einer Periode auffteigender wirtbschaftliher Entwiklung; denn auch in der erften Hälfte des Iahres 1889 bat die Bess rung fortgedauert und ift theilweise intensiver geworden. /

Neben diesen erfreulichen Anjeiven feblt es freiliG nit an ungünstigen. Verschiedene Industriezweige sind von der Besserung au jeßt noch nich&t erfaßt; in anderen ift dieselbe bislang einseitig geblieben. Sie erfreuen sich zwar einer Vermehrung ibrer Thätigkeit und einer Ausdebnung ihres Absatzes, leiden jedo immer noch an der Geringfügigkeit, ja mitunter der fortgeseßten Verringerung des Nugzens.“

Zur Arbeiterbewegung.

Die Frage der Acchtstunden-Bewegung erregt, wie dem „Hamb. Corr.“ geschrieven wird, namentlich in Amerika die Gemüther ftark, und mebrfach haben fich bereits Konferenzen mit derselben beschäftiat. In Chicago bat der von der Aufsi®htsbebörde der sozialistisen Arbeiterpartei einberufene Parteikongreß getagt. Es befanden #sch unter den Delegirten zablreihe, auG in Deutich- land bekannte Sozialdemokraten; da war Jens Chcrifterfen, der sojtaldemokratishe Reichétagsfkandidat 1887 für den 3. Berliner Wakblkreis, die ebemaligen Reitstags-Abgeordneten Reimer und Vakblteich, Paul Grottkau, eint in Berlin Leiter der großen fozial- demokratishea Versammlungen. Der Kongreß erklärte sch mit den auf dem Pariser internationalen Kongreß gefaßten Beicblüfsen vollständig einverstanden und empfabl den Genoffen energische Be- tbeiligung an der Achtstunden-Bewegung. Die Redacteure der ameri- kanischen Arbeiterblätter waren in New-York rersammelt, wrde beschlofsen, eine dauernde Verbindung der Arbeiterpresse zu \chafen und von Zeit zu Zeit Konferenzen abzuhalten. Der Präsident des amerikaniswen Gewerkscaftsbundes, Gompers, trat warm für die Achtstunden-Bewegung ein; er erklärte die Aussichten für den 1. Mai 1890 für günstig und bemerkte weiter, daß wenn auÿh nicht für alle Arbeiter Amerikas an jenem Tage achtstündige Arbeitszeit eingefübrt werde, so würde sie doch ganz ficher von ver!chiedenen Gewerken ein- gefübrt werden. Mehrere Delegirte hatten großen Zweifel an dem Erfolg und wiesen darauf hin, daß die Bewegung 1886 Fiatkto gemacht hat.

Die Na§weben des groften Dockarbeiter-Ausstandes in London wollen, wie die „Allg. Corr.“ berichtet, ncch immer nit aufhören. Am 11. d. M. legten wiederum mebrere bundert Arbeiter in den Tilbury-Docks die Arbeit nieder. Dieses Mal bildeten die Aufseher den Grund. „Wollt Ihr in unseren Gerwerk- verein eintreten ?* riefen die Arbeiter. „Nein,“ riefen die Aufieher einstimmig. „Dann besorgt Eu andere Leute.“ Spracens und verließen die Doks. Einfiweilen rubt alle Arbeit daselbst.

In einem Leriht derselben Correspondenz vom 13. d. beißt es: Die Londoner Werftarbeiter scheinen sh nitt länger mit dem langersehnten und hbeißerstrittenen „Tanner“ (6 Pence) begnügen zu wollen. So begannen gestern die Arteiter der General Steam Navigation Company einen Ausstand, um die Zablung eines Stundenlobnes von 7 Pence für gewöhnlibe Arbeit und 9 Pence für Ueberjieit zu erzwingen. Der Voll¡ugsrath des neugegründeten Dogdgarbeiterverbandes verfi@t die Forderungen der Arbeiter, deren Bewilligung die Gesellshaft verweigert. Die Werften in Wap- ping baben den verlangten böberen Arbeitslohn bereits zugestanden.

Die Londoner Bâäckermeister bekunden, der „A. C.* zufolge, bereits Zeichen der Nacgiebigkeit. Einige große Meister, welwe im Ganzen etwa 10900 Gesellen beschäftigen, baben die Forderungen der Arbeiter bewilligt Etwa 5000 Gesellen baben ibren Meistern be- reits gekündigt und der A usftand dürfte siher große Verhältnifse annebmen, wenn die Meister niht nachgeben.

Die Londoner Sozialisten und Anarchisten begingen am 11. d., Abends, den zweiten Jahre2tag der Hinribtung der Chi- cagoer „Märtyrer“ dur eine zahlreich besudte Versamm- lung im Soutß-Place Institute, Finsbury. Nah leidenshaît- liden Anspraten des Fürsten Krapotkin und anderer Anarwistenfübrer wurde eine Resolution angenommen, wel{e die allmäblive Aufhebung der Rechte der freien Rede und der öffentliwen Versammlung in allen Kapitaliften-Ländern mikbilligt und dies als eine tyrarnische Einmischung beklagt, die das natürliche und nothwendige Ergebniß einer auf die Beraubung der Arbeit begrün- deten sog. Gesellschast sei. Na Absingung der „Marseillaise“ und anderer revolutionärer Lieder trennte sich die Versammlung mit einem dreifacen Hch auf die soziale Revolution

Land- und Forftwirthschaft.

Landwirthschaftlihe Ausstellung inBuenos Aires.

Der Schlußtermin für Anmeldungen zu der in Buenos Aires in der Zeit vom 20. April bis 11. Mai k. F. statt- findenden internationalen landwirthschaftlihen Ausstellung ist für ausländishe Aussteller vom 20. Oktober dieses auf den 1. Januar k. F. verlegt worden.

_ Landes-Dekonomie-Kollegium.

Im weiteren Verlauf der gestrigen Sitzung befürwortete bei der Berathung der Frage wegen Abtretung des Mietb- oder Patbtrechts, der Referent, Rittergutsbesißer von Arnim (Krie- wen) den Artrag der Kommission. Während seiner Rede erschienen der Justiz-Mirister Dr von Schelling und der Minister für Land- wirtbschaft 2c. Dr. Freiherr Lucius vonBallhausen, Der Referent bemerkte: Die vermiethete Sade gehe während der Vermiethung ganz in die Gewalt des Mietbers über. Je nabdem der Mietber dieselbe gut oder sch{leckcht bebandele, babe der Vermiether Vortheil oder Scaden. Aus diesem Grunde babe der Vermiether ein her- porragendes Interesse an der Person des Miethers; es sei deshalb ein Unrecht, dem Mietber die Erlaubniß zu geben, einen anderen Miether zu fubstituiren, den der Vermietber nit auf- genommen baben würde. Gan besonders aber würde dies Unrecht bei der Paht empfunden werden, da der Werth eines verpacbteten Gutes durch s{lechte Wirthschaft des Pächters in bohem Grade ver- mindert werden könne. Die Person des Pächters fei deshalb für den Verpätter beim Abschluß eines Pachtvertcags ven böchster Wichtig- keit ; die Person des Pädters sei häufig sogar ausshlaggebend. Der Verpähhter begnüge sih daber vielfah mit eicker geringeren Pacht, wenn er dafür die Garantie erhalte, daß das Pachtobjekt in gute Hände komme.

__In der Debatte wurden eine Reibe von Einzelvorshlägen gemacht mit dem Bemerken, daß der zweite Absas des Kommissionsantrags niht ausreihe 2c. Sämmtliche gestellten Änträge wurden jedo ab- geletnt und dagegen der Antrag der Kommiision angenommen.

__ Es folgte die Frage: „It dem Vermiether und Ver- pächter ein geseßlihes Pfandrecht an den eingebrahten Sachen des Aftermiethers und des Afterpächters einzuräumen ?“

Seitens der Kommission war folgender Vorsblag gema§t worden: „Das Landes: Oekonomie-Kollegium wolle bel Gie: 1) Es liegt kein Grund vor, im Falle des §, 521 Absay 4 die Siterheits- leistung durch Bürgen autzushließen. 2) Unter der Vorautfezung, daß im Sinne der diesseitigen Vorschläge zu den §8. 516 und 532 dem Miether (Pächter) ohne Zustimmung des Vermiethers nicht ge- stattet ist, das Pacbtrecht durch Aftervermiethung oder Afterverpachtung zu nügen, ift es nit erforderli, dem Vermiether (Verpäthter) ein geseßliches Pfandrecht in den eingebrawten Sachen des Asftermicthers (Afterpächter3) einzuräumen.“

Für den Absaß 1 wurde angeführt, daß die Mögli®keit der Sicherheitsleistung durch Bürgen die finanzielle Stellung des Miethers und Pächters verbessere, also au im Interesse des Vermiethers und Verpäthters liege und im Interesse der Landwirtbschaft den Kreis derjenigen Personen, welhe pachten können, erweitere. Ferner wurde anerkannt, daß es nicht erforderli sei, dem Hauptvermiether ein geseßlihes Pfandreht an den Sachen des Aftervermietbers zu ge- währen, wenn die Afffterrermiethung nit freigegeben würde.

Sodann wurde geltend gemachwt, daß dem Hauptvermiether freistehe, bei Ertheilung der Erlaubniß zur Aftervermiethung ih gegen Schädigung zu sibern, während gegen die Ertheilung eines Pfandrechts der Umstand spreche, daß der Aftermiether aub von dem VOauptverm!ether in Anspruch genommen werden fönne, wenn er seinen Verpflichtungen pünktlih nawgekommen, sein Vermicther aber dem Hauptvermiether gegenüber mit der Zablung der Miethe im Rüdck- ftand geblieben fet

N2& kurzer Debatte wurde der Antrag der Kommission an- genommen

Im Weiteren gelangte xo® folgender Vorsélag der Kommission zur Annabme: „Das Landes-Oekonomie-Kollegium wolle beschließen: Dem Mietber (Pächter) ift das Ret zu versagen, die gemiethete (gepaŸtete) Saite bei Beendigung des Mieth- (Pacht-) Verbältnifses wegen der im §. 233 des Entwurfs gedachten Gegenforderungen zurüdck- zubebalten. Dem Pächter ift wegen feiner Ansprüte aus Verwen- dungen zum Auen des Patbtguts, durh welche defsen Wertb erböhi worden ift, ein Ret auf vorzugëweise Befriedigung im Konkurse des Verpäcßters nah Analogie des S. 41 Nr. 7 der Konkuréordnung ein- zuräumen, jedo unbeschadet des den Realgläubigern des Pactguts zustehenden Abfindungsreckts.“

In der beutigen Sißung ershienen wiederum gleich bei Beginn der Justiz-Minister Dr. von Schelling und der Land- wirthschafts-Minifter Freiherr Dr. Lucius von Ballbausen. Das Kollegium beschäftigte fich beute zunähßst mit der Frage: Jt der im Entwurf angenommene Grundsaß: „Kauf bricht Mietbe“ zu billigen, oder ift im Fall der rechts- geswäftliden Uebertragung des Eigenthums eines vermietheten oder verpabteten Grandstücks der Erwerber zu verpfli®ten, dem Miether oder Pächter die Ausübung seines vertragsmäßigen Rechts bis zum Ablauf der Mietbe oder Pachtzeit zu gestatten ?

Ober-LandeSkulturaeribté&-Rath Siber (Berlin) befürwortete im Namen der Kommission folgenden Antrag: „Das Landes-D-fkonomie- follegium wolle beschließen: 1) Änftatt des im Entwur? an- genommenen Grundfsages: „Kauf brit Mietbe“ ift der entgegen- geseßzte Grundsaß: „Kauf brit nicht Miethe“ zu billigen. 2) Die Eintragung des Mietb- und Pachtrechts in das Grundbuch muß gestattet sein. 3) Es empfiehlt fich, bei der Zwangs- versteigerung das Mietb- und Pawtrecht wie andere Realre#te zu behandeln, jedoch mit der Maßgabe, daß das nicht eingetragene Mieth- od-r Pachtreht allen eingetragenen Rechten, insbesondere Hypotheken, Grundschulden und Reailaften, im Range nabsteht.* Der Antrag- steller äußerte sich etwa dahin: Die §8. 599 u. f. des Entwurfs beruben auf der Anerkennung des rômisch-rehtlihen Grundsazes: „Kauf bricht Miethe“. Die Kommission habe fh jedoch mit großer Mebrheit für den entgegengeseßten deutsch-rehilihen Grundsaß: „Kauf briht niht Mietbe“ ausgesprodhen, ohne auf eine Erörterung der Frage einzu- gehen, in welher Weise der deutsh-rechtlie Grundsay aus- zugestalten sei, ob irSbesondere der neue Eigenthümer lediglih die Sortsezung des wissen dem bisherizen Eigenthümer und dem Mietber oder Pächter geschlofsenen Vertrages zu dulden habe, oder ob Rechte und Verbindlichkeiten aus diesem Ver- trage auf ihn übergeben. Der deutsch - retli®e Grundsag: „Kauf brit nichGt Miethe“ habe fich in dem bei weit:m größeren Theil des Deutshen Reiches gegenüber dem römishen Recht Bahn gebroHen, er babe sogar in Italien, dem Mutterlande des rômi‘hen Rechts, den Sieg errungen. Der rômisch-rechtlide Grundsaß sei fulturschädlih, befördere die Unred- lidkeit der Häuser- und Güteripekulanten, stehe im Widersrru mit Treue und Glauben und führe zu einec Verlezung des Miethers, noch mehr aber des Pâhtecs.

Nab längerer Diskussion wurde der Kommissionsantrag mit allen gegen 2 Stimmen angenommen.

Die Deutsche Landwirtbschafts8gesellchaft

hat die Eixladungen zur Bescic@kung ihrer nächstjährigen Deutschen aligemeinen landwirtbschaftlihen Ausstellung zu Straßburg î. E,, der vierten Wanderauéstellurng der Gesellshaft, erlassen. Diese wird alle Gebiete der landwirths{aftlichen Produktion und deren Hülfsmittel einschließli der Maschinen und Geräthe um- faffen. Die bis jet autgesetten Preise besteten aus 71000 # an Geld, 300 Preiëmünzen, ehrenvollen Anerkennungen und einer Anzahl wertbvoller Ebrengescenke. In erster Linie werden mit Preisen auê- gezeichnet Pferde, Rinder, Schafe, Schbweine, Ziegen, Geflügel, Fische, Sämereien, Weiden, Garten- und Weinbau, Düngemittel u. \ w. Die Gerätbe, und zwar in diesem Jahre die Weinbereitungsgeräthe, werden erst «ach der Schau im Herbst geprüft werden.

Weinernte in Rüdesbeim.

Die große Mebrzabl der Rüdesbheimer Weinberg2besiter ift, wie der „K. Z.* geschrieben wird, am 6. d. M, mit der Lese fertig geworden. In den Königliwen Domänen - Weirbergen wird die Lese noch 6—7 Tage in Anspru nebmen. Ungünstiges Wetter hat die Lese oft unterbrochen und auch das Auslesen der guten von den durch Sauerrurm und Sonnenbrand zur Weirbercitung untaualih gewordenen Beeren ließ die Lese nur einen langsamen Fort!{ritt nebmen, Winzer, welche mit Vorsilt die Lese autgefübrt haben, werden na dem Urtbeile aller Sa&kenner einen reifen, fehr guten, wenn auch eiwas brandigen, feuriaen Wein erzielen. Im „obern Berg“ hat es ziemli viel Wein gegeten. Die Trauben sind bier viel in Edelfäule über- gegangen, selbt die Orleans haben ibre gewohnte Festigkeit verloren. Im „Berg“ werden feine und howfeine, sehr bouguetreihe Weine erzielt werden,

Washington, 11. Novernber, (W.T. B.) Nas dem Bericht des landwirtbhschaftlihen Bureaus für den Monat November bat die Baumwollenernte in Nord-Carolina, Virginia und Tenessee durch viel Regen und Frost Schaden erlitten, in anderen Gegenden bat die Ernte spät begonnen. Westlib vom Missisfippi war die Witterung für das Pflucken günstiger. Der Ertrag wird wahrseinlih um 3°/g per Morgen böber sein als im vorbergebenden Iahre, jedo bierbei noch viel von der künftigen Witterung abbängig. Der Erirag an Mais beträgt etwas mehr als 264 Busbels per Morgen ; die Qualität ift in den Gezenden längs der Küste und üdlih von New-York mittelmäßig, dagegen in den Gegenden westlih vom Missisippi gut ausg:fallen.

Sauitäts-, Veterinär- und Quarantänewesen.

Egvpten.

Der internationale Sesundbeitsrath zu Alexandrien bat besch&lofen, nach dem 29. Oktober 1889 auf die Ankünfte aus Benkulen (Sumatra) das Cholera-:Quarantäne-Reglement ni@t mebr in An- wendung zu bringen, dieselben vielmehr wieder zum freien Verkehr zu- zulaffen. (Vergl. „Reichs-Anzeiger“ Nr. 242 vom 11. Oktober 1889.)

Submissionen im Auslande.

Niederlande.

1) 18. November, 11 Ubr Vormittags. Amersfoort : Lieferung 2c. eines eisernen Geländers 76 laufende Meter lângg der Westseite der Langegraht. Auskunft an Ort und Stelle. 2) 19, November, Vormittags 10 Uhr. Ministerie van Oorlog im Haag im Bureau der Genie zu Amsterdam : Lieferung 2c. von Krabnen sowie von Wagen für s{mal- spurice Geleise auf dem Grundstück des Magazyn van Genees-middelen ju Amsterdam. Schäßung8werth 1440 Fl. Auskunft imm Bureau der Genie zu Amsterdam.

Verkehrs - Anstalten.

London, 13. November. (W.T. B.) Der Castle-Dampfer eGrantully Castle“ ift gestern auf der Heimreise in London

Gemeente-Bestuur ju