Kaiserliche Hoheit die Herzogin von Edinburg sind heute nah England abgereist.
Anhalt. Dessau, 27. November. Das Herzogliche Hofmarschall - Amt veröffentliht im „Anh. St.- U.“ das Programm, betreffend die Feierlichkeiten bei der Anwesenheit Jhrer Majestäten des Kaisers und der Kaiserin am Herzoglih Anhaltishen Hofe. Jhre Majestäten treffen danah am 4. Dezember, Nachmittags 2 Uhr, mittels Sonder- zugs auf dem iefigen Bahnhofe ein und werden dort von Jhren Hoheiten dem Herzog und der Herzogin sowie den Mitgliedern der Herzoglihen Familie begrüßt. Auf dem Bahnhofe haben \ich außerdem versammelt : der e Sf und Staats - Minister von Krosigk, das efolge der Höchsten Und Hohen Herrschaften, die zum Ehrendienst bei Jhren Majestäten kommandirten Hof- kavaliere, der Ober-Stallmeister von Berenhorst, der Hof- Stallmeisier Freiherr von Weichs, sowie die Spißen der Behörden. Gleichzeitig steht auf dem Percon des Bahnhofs eine Ehrenwache mit Fahne und Regimentsmusik, auf deren rehtem Flügel die- direkten. Vorgeseßten und das Offizier-Corps. Nachdem die Allerhöchsten und Höchsten Herrschaften die Wagen bestiegen haben (rechts vom Wagen Sr. Majestät reitet der Ober- Stallmeister von Berenhorst, links der Oberst von Heydwolff, rechts vom Wagen Jhrer Majestät der Hof-Stallmeister Frel- herr von Weichs, links der Oberst-Lieutenant Fiedler), seßt sich der Zug nach dem Residenzshlosse in Bewegung. Auf dem Wege vom Bahnhofe bis zum Schlosse nehmen Ge- werke und Korporationen Aufstellung. Am Kriegerdenkmal auf dem Kaiserplaße bewillklommnet Namens der Stadt Ober- Bürgermeister Dr. Funk Se. Majestät den Kaiser und König, Ehrenjungfrauen Jhre Majestät die Kaiserin und Königin. Nach dem Eintreffen Jhrer Majestäten auf dem Bahnhofe wird mit sämmtlihen Glocken der Stadt so lange geläutet, bis Höchstdieselben im Herzoglihen Schlosse angelangt sind. Jm Herzoglihen Schlosse werden Jhre Majestäten vom Hofmarschall von Berenhorsl und den dazu befohlenen Hofkavalieren empfangen und unter Vortritt derselben nah Höchstihren Gemächern geleitet. Nach- mittags 41/7 Uhr findet Gala-Tafel im großen Saale des Herzoglichen Schlosses statt. Abends 71/5 Uhr ist Gala- Vorstellung im Herzoglichen Hoftheater. Am 5, Dezember Morgens werden Se. Majestät der Kaiser und König und Se. Hoheit der Herzog eine Pürschfahrt in das Vockeroder Revier unternehmen, dann im Residenzschlosse mit der geladenen Jagd- gesellschaft ein Frühstück einnehmen und nach demselben sich zur Jagd auf Hochwild un5 Sauen nach der Mosigkauer Haide begeben. Nah Rückkehr von der Jagd findet Familientafel und Marschallstafel für das Gefolge und die Jagdgesellschaft,
Abends eine Soirée im Palais Sr. Hoheit des Erb- prinzen statt. -é Oesterreich-Ungarn. Wien, 27. November. (Wien.
Abdpost.) Se. Kaiserlihe und Königliche Hoheit der Erzherzog Albrecht ist am 23. d. M. auf der Rücreise aus Spanien mit Gefolge in Jnnsbruck angekommen und hat sich Sonntag na Arco begeben.
Die Landtage von Görz und Galizien sind gestern
geshlossen worden.
Budapest, 27. November. A S D) Zl de heutigen Sizung des nterhauses fanden bei Fort- seßung der Budgetdebatte die lärmenden Scenen der Vortage ihre Fortsezung. Als Minister-Präsident von-Tisza és übernahm, auf die Einwendungen der oppositionellen Redner zu erwidern, wurde er wiederholt unterbrochen und s{hließlih vollständig am Sprechen verhindert. Nach einem beftigen Tumult griffen die Abgg. Jrany und Ugron den Minister- Präsidenten in den heftigsten Ausdrücken an und wurden mehrfah zur Ordnung gerufen. -
Fiume, 26. November. (Wien. Abdpst.) Der vom Gouverneur Grafen Zichy zu Ehren des deutschen Ge- \{chwaders veranstaltete Festabend nahm einen glänzenden Verlauf. Das gesammte Offizier-Corps des deutschen Ge- \hwaders, der Corps-Kommandant mit dem hiesigen Offizier- Corps der Land- und der Seemacht, die Konsuln, viele sremde Notabilitäten und zahlreiche den höheren Gesellschaftskreisen angehörige Damen waren erschienen. Die Quais waren elektrish beleuchtet. Heute Vormittag besichtigten die deut- schen Offiziere die Torpedofabrik.
Großbritannien und JFrlanud. London, 27. November. (A. C) Der Viarquis von Salisbury hielt gestern Abend in Nottingham eine Anrede an eine große Volks- versammlung. Der Premier verbreitete fiH über die der Lösung harrenden sozialen Fragen, wobei er den Vor- {lag der Einführung eines achtstündigen Normal- arbeitstages streng mißbilligte. Die Annahme eines Gesetzes, welhes Jemand daran verhindere, 10 Stunden täglih zu arbeiten, wenn ihm dies behage, würde ein unverzeihliher Eingriff in die persönliche Frei- heit sein. Die vielfach verlangte Besteuerung des Grundeigenthums bezeichnete er als überaus gefährlih und s{hwierig. Die Regierung könne keinen Vorschlag an- nehmen, der Konfiskation in sih schließe, denn die konservative Politik stüze sich áuf das Wort „Vertrauen“. Die Wichtigkeit des Vertrauens würde veranschaulicht dur die Ansirengungen der Regierung, den Frieden in Europa aufrehhtzuhalten und durch die Lage Jrlands. Jn diesem Lande beabsichtige die Regierung durch Ee n8 en Landankäauf ihr le gs zu thun, um die Zahl der Bodenpäthter zu verviel- ältigen.
An Stelle des zum Gouverneur von Bombay ernannten Lord Harris ist Earl Brownlow Unter-Staatssekretär im Kriegs-Ministerium geworden.
Frankreich. Paris, 26. November. Jn dem heutigen Ministerrath machte, dem „Journal des Débats“ zufolge, der Finanz Minister Rouvier die Mittheilung, daß der Abschluß des Jahres 1888 einen Einnahme-Ueberschuß von mehr als vierzig Millionen ergeben werde.
RNuß;land und Polen. St. Petersburg, 28. November.
(W. T. B.) Der „Regierungs-Anzeiger“ veröffentlicht fol- s Communiqué: Jn Folge des Berichtes des ouverneurs von Livland über Handlungen des
Rigaischen Stadtraths, Staatsraths von Oettingen, die in gouvernementaler Hinsicht unzulässig waren, und über unpassende Erörterungen, die nicht selten in der Rigaer Stadt- verordneten-Versammlung zugelassen wurden, gab der Kaiser Befehl, dem Rigaer Stadthaupte, Wirklichen Staatsrath von
Oettingen, einen strengen Verweis zu ertheilen, weil er in der gedachten Stadtverordneten-Versammlung solche unpassende Erörterungen nicht verhindert hatte, und denselben nmiht nur aus dem Stande des Stadtamtes, sondern überhaupt aus sämmtlihen Jnstitutionen der städtishen Kommunalverwal- tungen zu entfernen, mit dem Verbote, ferner in den Kom- munaldienst zu treten.
Nach dem „Russischen Jnvaliden“ ist die Formirung einer Anzahl Mortier- Artillerie- Parks angeordnet worden. Es sollen zwei fliegende, aus welcher in Kriegszeiten eine Brigade von vier Parks gebildet wird, ferner zwei mobile und zwei lokale Mortier - Artillerie - Parks zur Aufstellung gelangen.
Portugal. Lissabon, 20. November. Die Regierung darf, wie der „Pol. Corr.“ geschrieben wird, von dem Er- gebnisse der allgemeinen Neuwahlen für die Depu- tirtenkammer vollständig befriedigt sein, da ihr auch für die Legislaturperiode 1890—92 eine große Mehrheit
in der geseßgebenden Körperschaft gesichert erscheint. Einen gleich günstigen Ausgang für die Regierung nahmen auch die Administrativwahlen für die Ge-
meinde: und Departementsräthe, die im ersten Drittel dieses Monats stattgefunden haben. — Das portugiesishe Kabinet hat in der jüngsten Zeit eine theilweise Ergänzung undUmgestaltung erfahren, der jedoch k.inerlei grundsäßliche Bedeutung zukommt. Der Minister des Aeußern, Barros Gomes, hat nämlich das Finanzportefeuille, welches sich seit Längerem interimistisch in seinen Händen befand, an das g/ählte Mitglied der Pairskammer, da Cunha, abgegeben. “Ferner ist im Kriegs-Departemen. ein Wesel eingetreten. “General de Castro hat in Folge andauernder Kränklichkeit seine Entlassung gegeben, und an seine Stelle ist das e:blihe Mitglied der Pairskammer, Franzini, zur Leitung des Kriegs-Ministeriums berufen worden. if
Schweiz. Bern, 27. November. (W. T. B.) Der Nationalrath beshloß nah zweitägiger Debatte mit 77 gegen 50 Stimmen gegenüber der Forderung der Rechten und des Centrums, Nationalraths-Wahlkreise mit höchstens 3 Vertretern zu schaffen, wodurch diese einige Sitze zu ge- winnen hofften, grundsäglih an der bisherigen Einthei- lung ohne Festseßung einer Maximalzahl von Vertretern eines Kreises festzuhalten.
Belgien. Brüssel, 27. November. (W. T. B.) Die von der Antisklaverei-Konferenz zur Prüfung der Fragen betreffs Unterdrückung des Sklavenhandels eingeseßte Kommission trat heute zusammen; es fanden Meinungsaustausche statt über das Gebiet und den gegen- wärtigen Stand des Sklavenhandels, über die Straßen des- selben und über die hierauf bezüglichen Schriftstücke. Die Berathung wird am Freitag fortgeseßt werden.
Die belgische Negierung hat den Chef der Sicher- heitsbehörde Gauthier Derasse mittelst Disziplinar- verfahrens zur Disposition gestellt.
Rumänien. Bukarest, 27. November. (W. T. B.) Die Kammern wurden heute mit einer Thronrede eröffnet, in welcher es heißt: Müde der Kämpfe, verlange das Land von seinen Vertretern eine erleuhtete Arbeit zum Zwecke der Kon solidirung der günstigen Finanzlage und die Sanktionirung von Malinälunen, die geeignet wären, - die Durchführung der wohlttätigen Aufgaben der öffentlichen Gewalten zu sichern. “7 Der König b@be diese Ge- finnungen auf seiner lezten Reise in den verschiedenen Theilen des Landes konstatirt und sei gerührt von dem warmen Empfange, der ihm bei diesem Anlaß überall bereitet worden sei und welcher die alten Bande noch fester knüpfe, die Dynastie und Land verbänden. Die Thronrede konstatirt
ferner mit Befriedigung die guten Beziehungen Ru- mäniens zu allen Mächten, deren Vertrauen si auf die kluge Haltung des Königreihs gründe, sowie
den Erfolg der Bemühungen der Mächte zur Aufrecht- erhaltung des Friedens. Die finanzielle Lage des Landes sei zufriedenstellend. Die Gebahrung des leßten Verwaltungs- jahres habe mit einem Ueberschusse abgeschlossen. Die Vor- anshläge für das laufende Jahr seien gleichfalls günstig. Die behufs Konsolidirung des Geldumlaufes und behufs Be- seitigung des Agios ergriffenen Maßregeln hätten ebenfalls zur günstigen Lage des Staatsschaßes beigetragen. Die Thron- rede kündigt hierauf verschiedene Geseßesvorlagen an betreffs einer Reform des Steuersystems, einer Reorgani- sirung der landwirthschaftlichen Kreditinstitute, der Gründung von Lagerhäusern in den bedeutenderen Städten, der Errihtung der Gendarmerie, Organisirung des Gerichtswesens mit Unabseybarkeit der höheren richter- lihen Funktionäre. Die Regierung werde auch Ges egentwürfe zur Vervollständigung der Armee-Organisirung unter- breiten, die Ausbildung des Heeres weiter entwickeln und die Befestigungsarbeiten fortseßen.
Der Senat wählte General Floresco mit 66 gegen 13 Stimmen der Liberalen wieder zum Präsidenten.
Amerika. Aus Port-au-Prince wird unterm 20. d. per Dampfer nah New-York gemeldet, daß die Zustände in Hayti ungünstig seien, und daß General Hyppollite einen Aufstand befürchte, der seine Absetzung bezwecke. Auf der Jnsel war auch das Gerücht im Umlauf, daß 5000 Mann bewaffnet würden, um ihn zu bekämpfen.
Asien, Persien. Teheran. (P. C.) Der in seine Hauptstadt zurückgekehrte Schah N asr- eddin widmet sich sehr eifrig den Staatsgeschäften. Auf seine Veranlassung wird demnächst die Herstellung eines Neßes von Landstraßen, die den Verkehr zwischen dem persishen Meerbusen und dem
Becken des Karun- Flusses vermitteln sollen, in Angriff genommen. erner hat der Schah ange- ordnet, daß die Regulirungsarbeiten an dem erwähnten
Flusse mit thunlichster Beschleunigung durhgeführt werden sollen, für welchen Zweck bereits T ausländifche Jn- geunieure engagirt wurden. Ganz bejondere Aufmerksamkeit widmet der persische Herrscher der Assanirung der Haupt- stadt, die einen theilweisen Umbau unter Niederreißung mehrerer Straßen erfahren dürfte.
Parlamentarische Nachrichten.
Jn dcr heutigen (25.) Sißung des Reichstages, welcher der Staatssekretär Graf von Bismarck jowie andere Bevollmächtigte zum Bundesrath nebst Kommissarien beiwohnten, stand auf der Tagesordnung: Die Fortseßung der
zweiten Berathung des Entwurfs eines Ge*‘eßes, betreffend die FestKellung des Reichs8haushalts-Etats für das Etats3jahr |11890/91, und zwar des Spezial Etats „A us-
wärtiges Amt.“ Die Berathung wurde fortgeseßt mit
Kapitel 5 des Ordinariums „Gesandtschaften, Konsulate
“Av + Titel 113 (Südwest-Afrikanishes ußgebtet).
Abg. von Kardorff bemerkte, daß der kühle rechnerische Standpunkt des Abg. Dr. Bamberger zu allen Zeiten fkolo- nialen Unternehmungen gegenüber beobachtet worden sei. Große Erfolge unserer Kolonialpolitik dürfe man jeßt noch nit verlangen wollen. Die Kolonialpolitik belaste nicht die Steuerzahler zu Gunsten einiger weniger Firmen, sondern werde zu einer Bereicherung des ganzen Landes führen. Die Summe von 20 Millionen, die nah dem Abg. Bamberger für unsere Kolonien ausgegeben sein sollten, zu spezifiziren, würde ihm s{hwer werden; er scheine das ganze Fndienststellen der
Schiffe mit eingerehnet zu haben; dies geshehe aber vornehmliG auh im FJnteresse des Handels. An der großen civilisatorishen Aufgabe der Kolonisirung
theilzunehmen, fei Pflicht und Beruf aller Kulturvölker, wenn es ihre Weltmacht gestatte. Die prinzipiellen Gegner dieser Auffassung würden im Volke keinen Boden finden.
Abg. Dr. Barth meinte, es gehöre eine. subalterne Auf- fassung der Stellung des Parlaments dazu, um eine aus dem Wesen der Sache herausgewachsene Kritik ver- \hleiern zu helfen. Die Zahlen, auf welche gestern der Abg. Woermann den Nachweis des Aufblühens der englischen Kolonien an der Wesiküste Afrikas gestüßt habe, seien grund- falsch; es ergebe \sich im Gegentheil während der leßten Jahre ein stetes Abnehmen der Einnahmen und Zunehmen der Aus- gaben. Ein Vergleich der Kolonien anderer Länder mit denen Deutschlands sei völlig verfchlt. Aber auch in Bezug auf jene Kolonien seien die Verhältnisse in falschem Lichte dargestell. Der Export Hollands nah ganz Holländifsch-Ostindien betrage nur 4 Proz. seines ge- sammten Exports. Die Zuschüsse Portugals zu seinen Kolonien betrügen 1 Million Milreis, sein Export dahin nur 625 000 Milreis. Frankreih habe eine Ausfuhr von 21/2 Millionen nach allen seinen Kolonien und ein Kolonial- budget von 56 Millionen. Der Besiy von Kolonien sei also nicht ausschlaggebend für die Geschäfte des Mutterlandes in diesen Kolonien. Die Kolonien bereiteten dem Mutterlande nur Verlegenheiten. Wenn Deutschland
heute Kolonialpolitik treibe, so zeige es, daß es aus der Geschihte nihts gelernt habe. Deutschland sollte sich vielmehr auf die Pflege der überseeischen Beziehungen zurücziehen, wo immer \ich diese fänden.
Durch die e der 268 000 M. für Südwest-Afrika wolle die freisinnige Partei bekunden, daß sie die Kolonialpolitik zu fördern nicht geneigt sei und daß die südwestafrikanischen Kolonien als die am wenigsten geeigneten zuerst ab- zuschütteln seien.
Bei Schluß des Blattes sprach der Abg. Woermann.
(Der S&lußbericht über die gestrige Sißzung des Reichstages befindet sih in der Ersten Beilage.)
—- Dem Reichstage ift die Uebersicht der Ergebnisse des Heeres-Ergänzungsgeshäfts für das Iahr 1888 zu- gegangen. Danach beiffert sich die Summe der in den alpyhabetischen und Restanterlisten geführten Mannschaften im Bezirk des I. bis X1I. Armee-Corps, der Großherzoglich Hessishen (25.) Division, des XII. (Königlicy Sächsis&en Armee-Corps), des XIII. (Königlih Würt- tembergishen Armec-Corps), des X1V. und XV. Armee-Corps, tes I. und II. Königlich VayerisLen Armee-Corps auf 1 405 183. Davon warén 161 247 ausgehoben und zwar für das Heer zum Dienst mit der Waffe 154273, zum Dienst ohne Waffe 4180; für die Marine aus der Landbevölkerung 1217, aus der seemännischen und halb- feemännisc&en Bevölkerung 1577; es sind ferner vor Beginn des militär- pflichtigen Alters freiwillig einzetreten in das Heer 12326, in die Marire 779, Wegen unerlaubter Auswanderung wurden verurihbeilt 20638 aus ter Landbevölkerung, 487 aus der seemäunischen und kalbseemännis{en Bevölkerung; in UntersuWung befinden sich noch 15 580 Personen.
— Der von dem Verbande des alten und des befestigten Grundbesißes in dem Landschaftsbezirk Samland und Natangen präsentirte Majoratsbesizer Freiherr von Schrötter auf Groß-Wohnsdorf, im Kreise Friedland, und der von dem Verbande des alten und des befestigten Grundbesißes in dem Landschaftsbezirk Meseriy präsentirte Hauptmann a. D. Frei- herr von Gersdorff auf Bauchwiy, im Kreise Meseriß, s als Mitglieder des Herrenhauses auf Lebenszeit berufen worden.
Zeitungsstimmen.
Die Reichstags debatten vom Mittwoch über kolonial- politishe Fragen geben der „National-Zeitung“ Anlaß zu folgenden Betrachtungen :
„Auch heute (Mittwoch) ist bei der Fortseßung der Berathung des Etats des Auêwärtigen Amts im Reichstage wieder die ganze Sizung dur den Versuch der Deutschfreisinnigen, die Kolonialpolitik „herunterzureifien“, ausgefüllt worden. Immer von Neuem hier des Näheren darauf einzugehen, wäre ebenso eintönig, wie unerfreulih. Der Regierungekommissar Geheime Nath Krauel widerlegte Hrn. Richter mit ebenso viel Sochkenntniß. wie dieser Unbekanntschaft mit den Dingen, wovon er sprach, enlw'ckelt hatte, und Hr. Woermann ergänzte die Darlegung des Regierungskommissars durch weitere eingehende Mittheilungen ; aber selbstverständlich behielt Hr. Nichter das leßte Wort. Die Mehrheit {loß unmittelbar nah seiner Erwiderang die Debatte, d h. sie bekundete ihre Ueberzeugung, daß es niht nothwendig fei, ihm nochmals zu antworten, und im Lande wird man wohl derselben Ansicht sein.
Die Erörterung wandte sih dann Südwest-Afrika zuz aus den Mittheilungen, welhe der Staatssekretär Graf B ismardck darüber mate, ist hervorzuheben, daß der mehrfach besprochene Ver- kaufsvertrag wobl nit die Zustimmung . der Regierung finden wird. Wir haben es für eine Pflicht gehalten, auch der Auffassung derjenigen Interessenten, welche für den Verkauf sind, Raum zu geben, da die Personen, welche bisher ihr Geld und ihre Arbeitskraft für koloniale
wede in Südwest-Afrika eingeseßt haben, wohl eincn Anspruch darauf besißen, daß man sie zu Worte kommen läßt. Wir selbst sind es, wie schon früher bemerkt worden, aber sehr zufrieden, wenn die mög- licherweise auch dort vorhandenen Zukunftéautsichten für Deuts ch- land offen gehalten werden.
__ Schiließlih führte der Abg. Dr. Bamberger die Diskussion wieder auf das allgemeine kolonialpolitische Gebiet: er hatte wohl die Empfindung, daß sein Parteigenosse Hr. Richter mit den Einzelheiten, wie gestern, arges Unglück gehabt hatte. Hr Dr. Bamberger begann in versöhnlichem Tone, mit dem Ersuchen um das Zugeständniß, daß man. kein böser Mensch sein müsse, wenn man „nicht an Angra Pequena glaubt“. Gewiß nit; und wir unserntheils wären es sehr zufrieden, wenn die Diskussion in dem so von Hrn. Dr. Bamberger für einen
: pas mit der Sozialdemokratie sein muß, ift klar.
Augenblick asgerlMagiten ,_ Tone geführt werden könnte. Aber leider war es nur für- einen Augenblick, Die so begonnene Rede endete mit der Versicherung, daß das deutsche Volk über die Kolonial- politik nur la che. Jn dieser Art, Alles als läerlih, ja verächtlich darzustellen, was niht in den Kreis ihrer Anschauungen paßt, haben die Hrrn. Dr. Bamberger und Genossen von Anfang an die folonial- politishen Erörterungen geführt ; diese Art ist ihnen, und zwar nah- gerade für alle Erörterungen über öffentlihe Angelegenheiten, so zur zweiten Natur geworden, daß die Absicht, es einmal anders zu machen, nicht vom Beginn bis zum Ende einer und derselben Rede
vorhält ! j :
Die fortschrittlichen Sraktionsorgane fündigen an, daß die Be- rathung des Etats des Auswärtigen Amts noch längere Zeit so fort- gehen sol. Wir haben nichts dagegen. Es ift zwar hade um die
\cône Zeit, aber diese Art der Behandlung der Reichsangelegenheiten
wird in unscrem Sinne in erwünschter Weise die Wablen vorbereiten.“
Dasselbe Blatt schreibt in einem Artikel über „Deut \ch- freisinn und Sozialdemokratie“:
„Die Deutscchfreisinnigen des 11. Berliner Reichstagswahlkreises haben bei den beiden Stihwahlen zur Stadtverordneten-Versammlung, in denen Kandidaten der Bürgerpartei und der Sozialdemokratie einander gegenüberstehen, für die Sozialdemokraten zu stimmen beschlossen. Die Folge dieses Beschlusses kann leiht sein, daß alle vier Sti@wahlen für die Sozialdemokraten ausfallen und diese es somit auf 12 Stimmen in der Berliner Stadtverordneten-Versamm- lung bringen. Loch dies interessirt uns an dem fortscrittlichen Beschluß nicht in erster Reibe. Es ist die prinzipiell e Bedeutung des Beschlusses, welche hervorgehoben werden muß.
Eine Anzahl Parteitage der Sozialdemokraten haben in der jüngsten Zeit beschlossen, daß diese bei den Reihstagswahlen sich der Abstimmung in denjenigen Stihwahlen zu enthalten haben, an denen die Partei niht unmittelbar betheiligt ist. Der Zweck dieser Stellungnahme is vorher in der sozialdemokratischen Presse erläutert worden: man will nicht mehr ohne Gegenleistung, nur aus Feindseligkeit gegen die anderen bürgerlichen Parteien in den Stichwahlen für die Deutsch-Freisinnigen stimmen, wie es bei früheren Waklen vielfa gesehen ist und dieser Partei cine Anzahl Mandate gerettet hat. Der im hiesigen I1. Reichstaz8wahlkreis vorgestern gefaßte Beschluß bedeutet danach offenbar die Bereitwilligkeit zu der verlangten Gegenleistung; er \chceint nur die Einleitung zu einer umfassenderen Aktion zu sein, die darin bestehen wird, überall, wo die deutsch-freisinnigen Wähler diesem Plane der Führer nicht die Unter- stüßung versagen, in den Stichwahlen mit der Sozialdemokratie zu- sammenzugehen. Die Frage ist, wie weit diese Wähler zu ciner folhen Verzweiflungépolitik bereit sein, wie weit fie die Sicherung oder selbst eine Vermehrung der bisherigen Zahl der deutsc-frei- sinnigen Mandate als ein Aequivalent für eine neue, wirksame Er- muthigung der sozial-demokratishen Führer in ihrem Kampf gegen die bestehende Ordnung der Gesellshaft erbliken werden.
Daß eine folche Ermuthigung die Folge des O ier andelt es sich darum, ob die allerdings vielfach berechtigten Be- strebungen der handarbeitenden Klassen von einer Gesctgebung und einer Verwaltung befriedigt werden sollen, welche dazu ohne Neben-
zweck bereit sind, oder ob diese Beitrebungen mißbraucht werden sollen zur Organisirung des Umsturzes. Diesem Mißbrauch, welcher ohnehin so bedeutende Dimensionen bereits angenommen hat, arbeitet in die Hände, wer das Ansehen der fozialdemokratishen Agitatoren in der deutschen Arveiterwelt erhöht; und durch nichts kann dies wirk- samer geschehen, als wenn eine der nic!sozialiftischen Parteien auf den unbedingten Gegensaß gegen die sozialdemokcatische Agitation verzichtet. Daß dies nunmehr Seitens derselben Fortschritts-, resp. deuts&freisinnigen Partei geschieht, welhe sich chedem rühmte, der Schußwall von Staat und Gesellshaft gegen die Sozialdemokratie zu sein, ist eine Selbstironisirung von seltener Wirkung. Es wird sih zeigen, ob weitere Kreise der deuts{chfreisinnigen Wähler die Geschäfte der Herren Liebknecht und Bebel zu besorgen bereit {ind.“
Ueber die in den Reichstags - Debatten zu Tage getretene Stellung des Centrums zur Kolonialpolitik bemerkt die „Danziger Allgemeine Zeitung“:
„Hr. Windthorst und seine Partei sind offenbar durch die bün- digen Erklärungen des Staatssekcetärs Grafen Bismark, daß auf dem Gebiete der Missionsthätigkeit in den Kolonien eine voll- ständige Parität geübt werde, zufriedengestelt worden. Mit Recht kornte Graf Bismarck auf die Klagen über den Mangel an Erfolgen, die mit denen der Holländer und Engländer vergleichbar seien, erwidern, daß ein so vorsihtiger Politiker und so weit aueblickender Staatêmann wie Hr. Windthorst ihm darin bei- stimmen müsse, daß die fünf Jahre Kolonialpolitik nicht aus- reihen, um von uns folhe Erfolge zu verlangen, wie sie Engländer und Holländer in ihrer Tahrhunderte langen Kolonialgeshichte errungen haben. Jene Einwendungen machten doch wobl nur den Eindruck eines Gefechtes zur Verdeckung des Rüc{zug8, den das Centrum von seiner früher vollständigen ab- lehnenden Stellung vollzogen hat, und wenn weiter von Hrn. Windt- horst gewissermaßen als Bedingung für die Bewilligung der Ein- rihtung einer folonialpolitischen Abtbeilung gefordert wurde, daß diese unter keinen Umständen der Verantwortlibkeit und Leitung des Reichskanzlers entiogen werde, so hat er sh damit eine Position gewählt, welche selbstverständlich ist und von allen Anhängern der Kolonialpolitik eingenommen wird. In dieser Wendung des Centrums wird man ein erfreulihes Symptom, zugleih aber auch den Beweis dafür erblicken, daß die öffentlihe Meinung in einer aud für das Centrum wahrne4mbaren Weise lebhaft für die Fortsctung und Weiterentwickelung der Kolonialpolitik eintritt... Die weg- wersenden Urtheile (von freisinniger Seite) Über den geringen Wecth unserer Kolonien und über das bisher Erreichte stehen jedenfalls im Widerspruch mit der Thatsache, daß alle diese Dinge die weitesten Kreise in außerord:ntlihem Maße beschäftigen und daß heute unsere Kolonien und namentlich Ost-Afrika in den öffentlißen Ge- sprähen einen ganz hervorragenden Play einnehmen. Würden die Kolonien, deren Besiß und Erhaltung {hon manches Opfer gekostet hat, heute von Deutschland preiégegeben werden, so würden si gewiß eine ganze Reihe von Mächten melden um Hand darauf zu legen. Diese Erwägung allein müßte die Gegner der Kolonialpolitik verstummen lassen. Ihre Anhänger aber dürfen darin das Zeichen eines erfreulihen Fortgangs der Politik erblicken zu welWer sich das Deutsche Reich vor fünf Jahren entschlossen hat.“
Die italienishe Thronrede wird von den meisten englishen Blättern in zustimmender Weise besprochen. Der „Standard“ sagt: „Die Rede ‘ist?entschieden friedlih und beruhigend“, Die „Times“ betrachtet die Rede als werth- voll, weil sie einen neuen Beweis von der bona fides des Dreibundes liefere. Der König von Ftalien bestätige nur die hoffnungsvollen Prognostikationen Lord Salisbury's.
Stanley und Emin Pascha.
Au an das Emin-Pasha-Entsatß-Comité in London hat Emin Pascha einen Brief geschrieben aus Msalala (dem früheren Sige der britishen Mission, welhe später nah Usambiro verlegt wurde), \südlih von Victoria Nyanza, vom 23. August 1889, Das Schreiben lautet nach einem Telegramm des „Berl. Tageblatt“ :
„Nachdem wir heute unter der {üßenden Begleitung Mr. Stan- ley's diesen Ort crreiht haben, drängt es mi, Ihnen jo \chneU als möglih, wenn au nur in wenigen Worten, zu sagen, wie sehr wir Ihre großmüthige Hülfe schäßen, welche Sie uns gesandt haben. Als ih unter dem Druck der Widerwärtigkeiten zuerst die Weit um Hülfe für meine Leute anrief, da war ih mir wohl bewußt, daß meine
Bitte nicht unerhört verballen werde, allein ih glaubte nie, daß eine solhe Freundlichkeit möglich sei, wie Sie und die Subskribenten des Hülfscomités sie uns erwiesen haben. Es ift unmögli, Ihnen jeßt zu erzählen, was nah Stanley's erstem Besuche vorgefallen ist. Seine gewandte Feder wird Ibnen alles weit besser s{hildern, als ih es thun könnte. Ich boffe aber, einmal mit der Erlaubniß der egyptischen Regierung Ihnen meine Aufwartung machen zu dürfen und meinen Gefüblen der Danktarkeit persönlich Ausdruck zu geben, was \chriftlich nur unvollkommen geschehen könnte. Bis zum Eintritt dieses glücklihen Zeitpunktes bitte i, allen Subfkribenten meinen Dank und den Dank der Handvoll jener unglücklihen Menschen aus- zusprehen, welche durch Ibr Eintreten dem Verderben entrissen wurden und nun ihre Verwandten wiederum zu umaumen hoffen, Hier von den Verdienste Stanley's und seiner Offiziere zu \pre{en, hieße ihnen niht gerecht werden Wenn mein Leben erbalten bleibt, werde ih die Anerkennung derselben nicht s{chukdig bleiben, Mit vielem, vielem Dank bin ih Ihr sehr verbundener Dr. Emin.“
Statistik und Volkswirthschaft.
Zur wirthschaftli chen Lage.
Trotz der fortdauernd ungünstigen Ernte ist doch im Regierungs- bezirk Köslin, wie von dort berichtet wird, ein Anfang in der Besserung der landwirthscaftlihen Konjunkturen wahrzunehmen Man giebt fh in landwirthschaftlichen Kreisen gern der Hoffnurg bin, daß die eingetretenen böheren Korn- und Viebpreise von Dauer sein werden, und es findet si wieder Neigung, ländlihe Grundstücke zu kaufen und zu pachten. Die Landwirthe sind besonders bemüht, ihren Rindviehstand zu verbessern und aus der Milch höhere Erträge zu erzielen. Zu diesem Zweck sind an mehreren Orten Molkerei- Genossenschaften theils entstanden, theils in der Biidung begriffea.
Na einer Besserung der Lage der Landwirth\chaft ist aub die Hebung der gewerblichen Thätigkeit zu erwarten Jn dem Bau- gewerbe ist unverkennbar bercits ein Aufs{wung rothanden, denn cs sind îin diesem Jahre in ten Städten verhältnißmäßig mehr Bauten ausgeführt, wie in den Vorjahren. Die Arbeiter finden überall lohnende Beschäftigung.
Die Auswanderungélufît,
namenilich nah Brasilien, hat si, troy wiederholter eingehender Warnungen, in den leßten Monaten in einzelnen Kreisen des Ne- gierungsbezirks Köslin wieder sehr bemerkbar gemaht. Sie wird durch Agenten von Lissabon aus geschürt, welche €s verstehen, sh geeignete Persönlichkeiten für die Betreibung der Agitation auézusuchen. Einige der Letzteren, welche der Agitation verdächtig sind, wurden bereits der Königlichen Staatsanwaltschaft zur eventuellen Herbeiführung der Bestrafung angezeigt. :
Zur Arbeiterbewegung.
Die „Voss. Ztg.“ \chreibt: Die Arbeiterbewegung bält f in Berlin in vollem Flusse. Die Drechsler und Berufêgenofser wirken jeßt z. B. mit Hochdruck für eine nächstjährige Lohnbewegung ; für Montag, Dienstag und Mittrooch Abend waren bezw. sind öffent- lite Versammlungen einberufen worden zur Darlegung der Noth- wendigkeit einer Lohnbewegung im nächsten Frühjahre. Nit minder rührig zeigen sich die SGneider, welche {on seit längerer Zeit gewerk\chaftlihe Versammlungen in allen Stadt- gegenden abhalten zum Zwecke einer Lobnbewegung, daneben aber noch Zeit finden, ih mit sozialpolitishen Dingen zu befassen. Näbst der Lohnfrage beschäftigen sich die vielen jeyigen Arbeiterversammwlungen hauptsächli% mit der Besprechung der Vertheuerung der Lebensmittel und dem Awtstundenarbeitstage und nehmen Stellung zu dem Pariser Kongreßbeschlufse, den 1. Mai 1890 als Arbeiterfeiertag zu eifklären,
Aus London weldet die „A. C." : Dank der Vermittelung des einflußreihen Ober-Rabbiners Dr. Hermann Adler ift der Strike der jüdishen Väckergeseilen des Oftendes gütlih beigelegt worden, indem die Meister die Bedingungen des Gewerkvereins an- nahmen. —- Der Lohnstreit der Kohlengräber von York- shire wurde am 2d. d. gleibfalls gütlih geshlichtet. Die Berg- werksbesißer willigten ein, die Löhne im Januar um 109/60 zu erhöhen. Durch diese Entscheidung werden 60 009 Arbeiter berührt.
In Turin ftriken, wie der „N. Z. Ztg.“ berichtet wird, in den Werkstätten der Mittelmeer-Bahn 2500 Arbeiter. Die Gesell- saft wollte die Werkstätten sch{ließen, da die Verhandlungen mit den Ausständigea, die 25 °/9 Lohnerhöhung verlangen, erfolglos ge- blieben sind.
Kunft und Wissenschaft.
Der berühmte Chirure, Geheime Medizinal-Rath, Professor an der Universität Halle, Richard von Volkmann, ift, einem Teiegramm des „W. T. B.* zufolge, beute Morgen um 10 Uhr in Jena verstorben.
Handel und Gewerbe.
Nach einer Königlih \{chwedishen Verordnung vom 5. Oktober 1889 müssen ausländische Kaufleute, welhe, um Geschäfte zu machen, in Schweden umherzureisen beabsich- tigen (Handlungsreisende), vom 1. Januar 1890 ab bei ihrer Ankunft in Schweden dem Steuereinnehmer der nächsten Stadt die Dauer ihres Aufenthalts \chriftli*G anzeigen und je für einen Kalendermonat im Voraus eine Steuer von 100 Kronen entrihten. Die erfolgte Erlegung dieser Abgabe haben sie, bevor sie an irgend einem Orte ihre Thätigkeit
eginnen, jeweilig der zuständigen Polizeibehörde nahzuweisen. Uebertretungen dieser Verordnung sind mit einer Geldstrafe von 100 bis 500 Kronen bedroht.
Bern, 28. November. (W. T. B) Das Departement des Bundesraths für Landwirthschaft hat angeordnet, daß alle aus Deutschland und Oesterreih-Ungarn mit der Bestimmung nach Frankreich an der s\chweizer Grenze eintreffenden Vie b- transporte zurückzuweisen sind.
Amsterdam, 28. November. (W. T. B) Bei der heute von der Niederländischen Handelsgesellshaft abgehaltenen Zinnauktion wurden 20333 Blöde Bankazinn zu 58 à 59}, burhschnittlich 59F, verkauft.
Verkehrs - Anftalten.
Die brasilianishen Land-Telegraphenlinien sind für den internationalen Telegraphenverkehr bis auf Weiteres geschlossen. Die Küstenkabel befinden sich in be- triebsfähigem Zustande.
Hamburg, 27, November. (W. T. B.) Der Postdampfer „Albingia*“ der Hamburg-Amerikanishen Padcketfahrt- Aktiengesellschaft ist, von Hamburg kommend, heute in St. Thomas eingetroffen. i
— 28, November. (W. T. B.) Der Postdampfer „Wieland“ der Hamburg-Amerikanishen Padetfahrt- Aktien- Gesellschaft ist, von New-York kommend, gestern 12 Uhr Nachts auf der Elbe eingetroffen. i
London, 27. November. (W. T. B.) Der Union-Dampfer „Athenian* ist heute auf ter Heimreise von Madeira ab- gegangen.
— 28. November. (W. T. B.) Der Castle - Dampfer „Drummond-Casile* ist gestern in London auf der Heimreise
angekommen. Der Castle-Damv»fer „Hawarden-Cafstle“ hat Madeira gestern auf der Ausreise passirt. Der Caftle- Dampfer „Roslin-Cafstle*“ ist in Capetown gestern auf der Auêreise angekommen. Der Castle-Dampfer „Taymouthb- Castle“ ift gestern von London und der Union-Dampfer „German“ von Madeira auf der Ausreise abgegangen.
Theater und Musik.
Lessing- Theater.
Die gestrige erste Aufführung des vieraktigen Schauspiels „Die Ehre“ von Hermann Sudermann erfreute sich einer durchaus freund- lihen Aufnahme Seitens der Zuschauer. Der Dichter hat sich auf dem Gebiete der Romanschriftstellerei hon seit einigen Jahren bemerkbar gemacht und bewies gestern auch Talent für das Drama. Suder- mann bewegt sih in den Spuren der modernen naturalistishen Schule, ohne doch dem Pessimismus ganz zu verfallen, mit welchem sich seine Vorbilder von der Wirklichkeit und dem guten Geschma2ck ent- fernt haben.
Auch Sudermann handelt von der Gegenwart und ihren sittlichen Problemen, wie sie sich in dem Herzen der großen Menge, des Volks, widerspiegeln, und macht den reizvollen Versuch, uns dies Spiegel- bild in den von ihm auf die Vühne gestellten Personen anschaulich wiederzugeben. Während Ibsen seine nordishe Heimath zum Schau- plaß und zur Grundlage seiner Dramen wählt, greift der Verfasser der „Ebre“ mit kübner Hand in das zeitgenössisbe Berliner Leben hinein und findet einen Stoff, der unser volles Interesse gewinnen kann. Ec führt uns in eine Arbeiterfawilie, welche in dem täglichen Kampf ums Dasein jede feinere sittlibe Regung eingebüßt hat; die Leute halten sid na ihrem Ehrbegriff für gute, redlihe Menschen und haben doch für die s@iimmsten sittlihen Makel kaum noch, oder gar nibt mehr die natürlihe Empfindung, Diesem EChrbegriff des Hinterhauses stellt der Dichter denjenigen der Bewohner des Vorderbhauses gegen- über, der cigentlich nicht weniger von dem wahren Ehrbegriff ab-
weiht als der erstere. Der Kommerzien-Rath, der hier mit seiner Familie wohnt, hält O fue emen Chrenmann eien nur, wal &œ reo und. angesehen t Und
den Gesetzen niht zuwiderhandelt, Als Repräsentanten wahrer hre, welche ihr wesentliches Merkmal in der strengen Pflichterfüllung findít, führt der Verfasser endlich den Sohn Robert jener Arbeiter- familie des Hinterhauses und seinen Freund, einen Grafen Trast- Saarberg, fowie eine Tockter des Kommerzien-Raths ein, welche den Kampf mit dem Schikfal aufnehmen un» würdig bestehen.
Lie Handlung drängt si in eine kleine Spanne Zeit zusammen. Robert Heinecke, der Sobn des Arbeiters, ist auf Kosten des Kom- merzien-aths er:ogen wordenz er tritt in das indishe Geschäft des Großfkaufmanns und kehrt nach siebzebnjähriger Abwesenheit mit sehnendem, liebevollem Herzen in seine Heimath und die bescheidenen Verhältnisse seiner Familie zurück. Ergreifend schildert der Dichter die Qualen und das Entschen Robert's, wie ih Zug um-- Zug der Charakter oder vielmehr die Charakterlosigkeit seiner Familie vor ihm entwickelt, Heimlickeiten mit den Bediesten des Vorderhauses halten Vater und Mutter für erlaubt; die jüngere Tochter Alma, welhe nach „Höherem* strebt und au ihr Leben genießen will, fiadet er als die G-liebte des jungen Herrn aus dem Vorderhause wieder; die ältere Schwester, cine Tisclerfrau, leistet mit ihrem Manne dem gewinnbringenden Verkehr Borichub. Es wird ein Bild entseglihen sittlißen Elends enthüllt, in welchem sih die Betheiligten ganz wohl fühlen; sie selbst wissen und fühlen ihre Schmach niht; um so grausamer drängt ih dies Gefügl dem Sohn auf. Sein Freund, Graf Trat, philosophbirt kalt- blütig mit ihm über seine Familienverhältnisse und macht ihm klar, daß cr eine andere geistige Sprahe wie seine Angehörigen rede; sie würden sch nie verstehen, darum folle er sih von ihnen losreißen. Robert sieht die Richtigkeit der freundscaftlihen Vorschläge mit blutendem Herzen ein, denn seine verztoeifeltsten Anstrengungen, seine Familie dem Sumpf zu entreißen, sind unnüß, ja erwecken nur Hohn. Im Vorderhause steht die Tochter der berechnenzen Familie ebenfalls fremd gegenüber; an sie geht fort und folgt Rovert in die Fremde. Der Verfasser hat mit großem dramatishem Gesckick seine Figuren zu beleben verstanden ; besonders greifbar und deutli zeihnet er die Bewohner des Hinterhauses mit ihren falshen, naiven Anschauungen von Recht und Sitte, welche beim Zuschauer ein mit tiefem Widerwillen gemisht:s Mitleid erwecken. Sudermarnn gefällt sih, wie alle An- hänger der naturalistishen Schule, darin, die sozialen Shwären an dem Körper des großen Gemeinwesens aufzudecken, dieselben in ihrer Widerwärtigkeit einzeln zu zeigen. Feeilih thut er das mit peinlicher Schärfe und ershreckender Naturtreue, aber nibt ohne Humor; er hâtte das etlere Element der Gesellschaft nod mehr hervorheben sollen ; die sittlibe Würde fommt zwar reihlich zu Worte, aber in die Hand- lung greift sie fast nur paisiv ein. Auch sind die philosophirenden und lehri aften Erörterungen niht immer von genügender Klarheit unt Unantastbarkeit, um ohne Widerspru zu wirken Jedenfalls hat nch der Verfasser gestern Ubend als einer jener tüchtigeren dramati- sen Dichter eingeführt, welche durh die Schärfe des Charakteri- firungsvermögens und den fTunstvollen, spannenden Aufbau einer an sich geringfügigen Handlung hervorragen.
__ Die Darstellung war recht gut, besonders die der Leute des Hinterhauses. Fr. Stägemann gab die Berliner Arbeiterfrau lebenswahr und treu in Miene und Spiel, ihre Mutterliebe für alle ihre Kinder, ihre verwirrten Ansichten von Recht und Unrecht brachte ste zuweilen mit rührender Schlichtheit zum Ausdruck, Den alten Heinecke spielte Hr. Höcker vorzüglihz ebensogut erwiesen ih &rl. Sydow und Hr Blencke in ihren kleinen Rollen, erstere als habgierige Tischleréfrau, welche gern gut ißt und dafür threr Schwester und deren Geliebten wohl einen Gefallen erweist, und Leßterer als ewig durstiger, spazierengehender Handwerker. Frl. Petri gab die jugendlihe Sünderin keck und mürrisch, wenn man ihren Vergnügungen in den Weg tritt; im Uebrigen brachte sie die gedanfenlose Genußsucht glaubhaft zur Anschauung. Den Robert Hezinecke stellte Hr. Ranzenberg mit warmer Empfindung und an den geeigneten Stellen au mit Leidenschaft dar; es haftet ihm aber immer noch ctwas Steifheitan. Hr. Klein war ein geistvoller Vertreter des Grafen Trost. Den leitsinnigen Sobn des Vorderhauses carafkterisirte Hr. Schönfeld trefflih; Frl Barkany zeigte gestern Abend als Leonore auch Etrnpfindung und Wärme in ihrer wohl- lautenden Stimme. Der Beifall blieb stets auf gleicher Höbe, er war ftürmish von Anfang anz die Darsteller mußten oft vor der Gardine erscheinen und der Verfasser wurde wiederholt gerufen.
Central-Theater.
„Historisher Pofsenabend“ nennt si der dritte Cyklus des „Lachenden Berlin“, welcher morgen zur erstmaligen Aufführung ge- langt In diesem von Ed. Jacobson neu zusammengestellten Allerlei wird u. A. Hr. BoUmann einen neuen Kaisermarsch „Augen rets“, Text und Musik von Witt, zum Vortrag bringen.
Hôtel de Rome.
Zwei junge Künstlerinnen, Frl. Helene Frank (Sopranistin) und Frl. Martba Hornig (Pianistin), die Beide {hon früher in öffentlihen Aufführungen mit Erfolg thätig gewesen sind, gaben gestern im Saale des Hôtel de Rome vor einem zablreich erscbienenen Publikum ihr erstes Concert. Die Sängerin, unter Leitung der Fr. Dr. Levysohn ausgebildet, besißt cine wohlklingende, wenn au nit sehr kräftige Stimme, die sich für den Vortrag einfacher und naiver Lieder mehr eignet als für den klassischer Gesänge. Ihre
Gesangskfunst läßt ein sorgfältiges Studium erkennen; die Höbe spuiht leiht an, die Reinheit der Intonation und Deutlichkeit der Aussprade waren lobenswerth. Eine erklärliche
Befangenheit überwaud sie nach Ausführung zweier Lieder von Beethoven und Bach bald; das hübsche Lied „Herbst“ von Rebbaum, „Marienwürmchen“ von Schumann, besonders aber „Wah? auf, Gesell’“ von Eckert trug sie unter so lebhaftem Beifall vor, daß fe