1889 / 302 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 18 Dec 1889 18:00:01 GMT) scan diff

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Gr Vir ihRa rath

Vayern. München, 17. Dezember. (Allg. Ztg.) Se. Königliche Hoheit der Prinz-Regent läßt nihht allein über das Befinden des erkrankten Staats-Ministers Dr. Frei- herrn von Lutz, sondern auch über das des ebenfalls erkrankten Geheim-Raths und Universitäts-Professors Dr. von Giese- brecht alltäglih mehrmals Erkundigungen einziehen. Se. Königliche Hoheit der Prinz Alfons kommt mit seiner Schwester, Prinzessin Elvira, bereits Mitte dieser Woche aus Jtalien zurück. er Entwurf eines bürgerlihen Gesezbuches für das Deutsche Reich beschäftigte jüngst eine Kom- mission des General-Comités des Landwirthschaftlichen Vereins in Bayern. Es entstanden meist auf Grund des Referats des Justiz-Raths Bachmaier in Neumarkt a. R. eine Reihe von Beschlüssen, die nunmehr redigirt, Mitte Januar das Plenum des General-Comités beschäftigen werden. Dann erhält sowohl das Staats-Ministerium des Jnnern als auch der Deutsche rath Hie; Hanntati D N dürften bei dessen nah Schluß des Reichstages stattfindenden Plenarsizungen diese Beschlüsse als werthvolles Material dienen. Die Kammer der Abgeordneten nahm heute das Ausführungsgeseg zum Alters- und Jnvaliditäts- Versicherungsgesey an. Der Abg. Orterer betonte, wie der „Köln. Ztg.“ gemeldet wird, in der Verhandlung hierüber die Nothwendigkeit des Ausbaues der Arbeitershußgesezgebung und bedauerte die fortwährende ablehnende Haltung des Bundesraths, wünschte Aufschluß, wann und wie das Gesetz in Bayern} werde eingeführt werden, und tadelte, daß die bayerishe Regierung im Reichstage niht in leßter Lesung der Fassung des §. 80 entgegengetreten sei; bei etwaiger späterer Revision des Geseßes solle darauf zurückgekommen werden. Die Abgg. von Schauß und Frhr. von Stauffenberg betonten dem Abg. Orterer gegenüber, daß bezüglih der Ar- beitershußgesezgebung alle Parteien einig seien. Der Minister Freiherr von Feiliß\{ch erklärte, das Geseß werde nah den Viittheilungen der bayerishen Regierung am 1. Januar 1891, spätestens am 1. April 1891 eingeführt werden. Die Re- gierung gedenke für jeden der aht Regierungsbezirke eine An- stalt zu errihten; für Anstellung der Beamten, bauliche Ein- rihtungen, Adapturen und Entschädigungen der Schiedsrichter werde demnächst eine Nahtragsforderung gestellt werden. Die bayerische Regierung habe Alles ai um die Zuständigkeit der Landes-Versicherungsämter zu wahren, wie sie überhaupt ge- wiß in Bezug auf die ganze Gestaltung des Gesetzes die baye- rischen Juteressen nahdrücklih vertreten habe. Der §. 80 sei vom Reichstage geändert worden; bei etwaiger Gesezrevision werde die Regierung darauf zurückommen. Betreffs der Arbeiterfürsorge stehe die Regierung hinter keinem der Ab- geordneten zurück. Ueber die Einzelheiten aber seien ver- \chiedene Meinungen berechtigt ; die bayerische Regierung werde au neuerdings im Bundesrath nah eingehender Erwägung der Verhältnisse Stellung nehmen; nähec könne er si heute über ihre Stellung zu einzelnen „Punkten nicht aus- lassen, Der Abg. von Gagern erkannte den Widerstand der Regierung gegen die centralistishe Gestaltung des Gesetzes als berehtigt an. Hierauf wurde das Gesetz, betreffend Uebertragbarkeit der Gemeinderehte, in erster Lesung mit einer Abänderung der Abgg. Luß und Genossen angenommen. Bei der Vorberathung des Gesetent- wurfs, betreffend Abänderung einiger Bestimmungen desCastell’shenPartikularrechts fragte der Abg. Burkart nach den Stand des deutschen bürgerlichen Gesegbuchs. Der Justiz-Minister Frhr. v. Leonrod erwiderte, das Gutachten

höherer Gerichte sei dieser Tage eingelaufen. Das Gutachten

des landwirthschaftlichen Generalcomités werde verlangt werden. Jedenfalls gehöre die bayerishe zu jenen Regie- rungen, welche es sich am meisten angelegen sein ließen, daß der Entwurf Annahme finde, und zwar vorsichtig und nicht übereilt, aber möglihft bald. Der Entwurf wurde sodann an einen besonderen Vierzehner-Aus\shuß verwiesen.

Mecklenburg-Schwerin. Sternberg, 17. Dezember. (Mel. Nachr.) Der Landtag verhandelte heute über die Vorlage, betreffend die südlihe Wasserstraße. Die Vorschläge der Regierung wurden meist durchweg angenommen.

Sachsen - Coburg - Gotha. Coburg, 16. Dezember. (Cob. Ztg.) Se. Hoheit der Herzog ist aus Springe gestern hier wieder eingetroffen.

(Ger. Ztg.)

Reuß j. L. Gera, 17. Dezember. Der Landtag nahm heute in erster und zweiter Berathung den Geseßentwurf, betreffend Abänderung des §. 4 des Gesetzes vom 28, Dezember 1883, über Abänderung und Ergänzung einiger Bestimmungen des Statuts für die allgemeine Beamten- wittwen:Pensionsanstalt, an. Durch diesen Entwurf wird 8,4 in nachstehender Weise abgeändert:

„Wenn für die Hinterbliebenen eines auf gemeinschaftlihe Rech- nung mehrerer Staaten besoldeten Beamten, welcher hieriands bei der Allgemeinen Beamtenwittwen-Pensionsanstalt oder bei der Wiitnen - Pensionsanstalt der Unterbeamten betheiligt is auf Kosten der Gemeinshaft anderweite Fürsorge getroffen wird, so scheidet derselbe aus der betreffenden Penßonsanftalt aus, ohne eine Rüdczablung der von ihm entri{teten Bei- träge beanspruchen zu können. Sollten jedo bei seinem dereinstigen Ableben die Hinterbliebenen aus gemeinscaftli@en Mitteln eine geringere Pension bekommen, als ihnen zugestanden hätte, wenn der Beamte vor seinem Ausfcheiden aus der Pensionsanstalt verstorben wäre, so ist ihnen aus der Leßteren der zur Ergänzung erforderliche Betrag zu gewähren,“

Die Berathung des Staats3haushalts-Etats wurde hierauf fortgeseßt und von dem Ausgabe-Etat Kap. 7, Finanz- verwaltung, mit wenigen Abänderungen genehmigt. Bei der Berathung des Einnahme-Etats pflihtete man im Allge- meinen der in dem Beriht des Landtagsausschusses vom 13. November 1888 niedergelegten Anshauung bei und hielt es für geboten, die Einnahmen in einer dem in Wirklichkeit zu erwartenden Ergebniß mehr entsprehenden Weise einzustellen und die Steuerkrast nur insoweit, als es dringend noth- wendig erscheint, anzuspannen. Jm Kap. 2, „Jndirekte Steuern“- wurde auf Antrag des Ausschusses die Position 1 „Ueber weisungen vom Mehrertrage der Zölle und der Tabackiteuer“ um 30000 A auf 350 000 M, und die Position 2 „Antheil an der Branntweinverbrauhsabgabe“ um 20000 # auf 290 000 M erhöht. Bei Kap. 5 „Chaussee- und Brüdcken- gelder“ beantragt der Aus\huß eine Ermäßigung der Höhe des zur Zeit erhobenen Betrages und Einstcllung einer Ein- nahme von nur 20000 Die Berathung dieser Position wurde bis zum Abschlusse des Etats ausgeseßt und hierauf Kap. 6, 7, 8 und 9 ohne erhebliche Debatte genehmigt.

halte vit}

Oesterreich-Ungarn. Wien, 17. Dezember. (Prag. As Jhre Majestät die Kaiserin und Königin, sowie Jhre Kaiserlihen und Königlichen Hoheiten Erzherzo in Vale rie und der Erzherzog Franz Salvator werden si nah den bisherigen Dispositionen am 22. d. M. früh mittels Separat-Hofzuges der Südbahn nah Miramar begeben, während Se. Majestät der Kaiser und König am Sonntag “t mit dem Courierzuge der Südbahn dahin abreisen wird.

Der Ausschuß des Abgeordnetenhauses zur Berathung des Antrages, betreffend die Errihtung von Arbeiterkammern, hielt am 14. d. M. eine Sigzung ab. Gegenstand der Verhandlung war nah der „Prager Ztg.“ der Antrag des Abg. Pernerstorfer, welcher dahin geht, das Ergebniß der in diesem Frühjahre statt: gehabten Enquete dem Subcomité zur weiteren Behandlung

zu überantworten. Der Abg. Dr. Jacques Lellte an, den, | i nfem:ii er, Mini

an Lide Regie sterial : Rth Bardön Weige!sperg, die Anfrage, ob er Namens der Regierung in dieser Angelegenheit irgend welhe Aufschlüsse zu geben in der Lage sei. Freiherr von Weigelsperg gab hierauf Daten über die Zahl der Krankenkassen und ihrer Mitglieder, weil die Kassen die Grundlage für die Arbeiterkammern bilden sollen. Danach bestehen gegenwärtig: 549 Bezirkskrankenkassen mit 432 718 Mitgliedern, 1323 Betriebskrankenkassen mit 307 029 Mitgliedern, 599 Genossenshhafts-Krankenkassen mit 180 675 Mitgliedern. Die Daten bezüglih der Bruderladen, der Vereinskrankenkassen und der Betriebskrankenkassen der Eisenbahnen und L e sind noch nit voll- ständig erhoben. Es entwickelte sich nun eine längere Debatte darüber, ob auch Erhebungen über die Berufskategorien gepflogen werden sollen. Sodann wurde der Antrag des Abg. Pernerstorfer einstimmig angenommen, desgleichen der Antrag des Abg. Mauthner, die Regierung zur Vorlage weiterer Daten aufzufordern. Endlih wurden der Antrag des Abg. Schuklje, betreffend die Beibringung von Daten der Berufskategorien Seitens der Regierung, sowie der Antrag des Abg. Dr. Lueger, das Subcomité aufzufordern, baldigst Bericht zu erstatten, einhellig angenommen.

18. Dezember. (W. T. B.) Alle Morgenblätter, darunter au die hervorragendsten Organe der oppositionellen Richtung erklären, sih von dem das Verfassungsrecht betreffenden Theil der Rede des Minister-Präsidenten Grafen Taaffe (siehe die nah Schluß der Redaktion eingetroffene Depesche in der gestrigen Nummer)befriedigt. Das, Fremden- blatt“ bemcrkt, die Antwort sei so ausgefallen, wie sie ein Kaiser-

; licher, ein österreihisher Minister habe geben müssen; alle

wahren Freunde der Verfassung könnten in der unum- wundenen Zusicherung des Kabinetchefs Beruhigung finden. Die „Presse“ meint, die Regierung habe durch Hiaweg- räumung jeden Anlasses zu weiteren Beunruhigungen eine klare Situation geschaffen. Die Antwort bedürfe keines Kommentars, sie bedeute die ernste Zusiherung der Jntegrität der Verfassung. Die „Neue freie Presse“ sieht nunmehr die Verfassung außer Frage gestelt, nachdem Graf Taaffe die Verfassung als die alleinige Grundlage für eine fortschreitende ruhige Entwickelung bezeichnet habe.

Großbritannien und Frland. London, 17. Dezember. (A. C.) Der Herzog und die Herzogin von Edinburg reisen nähsten Donnerstag nah Coburg, kehren aber im Februar mit ihren Kindern nah England zurü.

Jn déuzgeiern abgehaltenen Ministerrath bildete das Vergehen V rtugals in Afrika den Hauptgegenstand der Erörterung. Nach der Berathung begab \ich Lord Salis- bury nah Windsor, um der Königin Bericht über die Beshlüsse des Kabinets zu erstatten. Der portugiesische Gesandte am Hofe von St. James begleitete den Premier- Minister nah Windsor, um der Königin Aufschlüsse über die Angelegenheit vom portugiesishen Standpunkte aus zu geben. Dem Vernehmen nach hat das englische Kabinet keine endgültigen Beschlüsse gefaßt, fondern will erst die im Aus- wärtigen Amt baldigst erwarteten detaillirten Mittheilungen aus britishen amtlichen Quellen abwarten.

Jm südlichen Zndien sind die Getreidepreise in Folge der s{chlechten Ernteaussichten gestiegen. Jn vielen Gegenden herrsht große Dürre, und das Getreide ist auf einem beträhtlihen Flächenraum verwelkt. Jn mehreren Ort- schaften im Bezirk Trichinopoly haben Kornkrawalle stattgefunden. :

18. Dezember. Die amtliche „Gazette“ macht bekannt, daß der O des Parlaments am 11. Februar n. J. erfolgt.

Frankreih. Paris, 17. Dezember. (W. T. B.) Jm Senat richtete heute Beaumanoîir eine Jnterpellation an die Regierung über die Einftellung der Géehaltszahlung an den Priester Saint Brieuc. Der Jusliz-Minster Thevenet nahm für die Regierung das Recht in Anspruch, Gehälter einzu- behalten, und bemerkte weiter, die Regierung wolle Niemanden ver- folgen, sie wolle aber den Bürger- und Laienstaat geachtet wissen. Nach einer Entgegnung Chesnelong's wurde eine Tages- ordnung, durch welche die Seitens der Regierung abgegebenen Erklärungen gebilligt werden, mit 196 gegen 70 Stimmen angenommen. Die O über die geheimen Fonds soll am nächsten Donnerstag stattfinden.

__ Die Deputirtenkammer legte die Wahlprüfungen fort. Der Abg. Laur trat für seine Wahl ein. Hubbard spra dagegen und rief dur seine A e lebhafte Entgegnungen der boulangistishen Deputirten hervor. Mehrere Deputirte wurden zur Ordnung gerufen. Schließlih wurde die Wahl Laur's mit 301 gegen 198 Stimmen für ungültig erklärt. Granger begründete scinen Antrag auf Amnestie für alle vom obersten Gerichtshof Verurtheilte und forderte die Dringlichkeit. Justiz-Minister Thevenet erwiderte, die Regierung könne für die vom obersten Gerichts- hofe shuldig befundenen Unruhestifter, welche das Land auf- wiegelten, Amnestie niht gewähren. Die Regierung werde Milde walten lafsen, sobald es \ich nicht um Angriffe auf Personen und Eigenthum handle. Leveille unterstüßte den Antrag auf Dringli®&keit und erklärte, seine Wähler hätten a mit dem Auftrage, gegen den Urtheilsspruch des obersten

erihtshofs zu protestiren, gewählt. Hierauf wurde die Dringlichkeit mit 338 gegen 61 Stimmen abgelehnt, Ein weiterer Antrag Vioreau's auf Dringlichkeits - erklärung des Antrages, betreffend Amnestirung von Strikevergehen allein, wurde ebenfalls nah Bekämpfung durch den Zustiz-Minister Thevenet mit 190 gegen 155 Stimmen verworfen.

Jtalien. Rom, 17. Dezember. (W. T. B.) Der Minister-Präsident Crispi legte heute der Kammer diplomatische Schriftstücke vor, betreffend Bulgarien, Kreta, Aethiopien, sowie den Sklavenhandel im Rothen Meere und an. der Küste von Zanzibar, ferner im Ein: vernehmen mit dem Kriegs-Minister solche, welche die Beseßung Herens und Asmaras betreffen. Der Präsident der Kammer verlas ein Schreiben des kürzlih in Pavia zum Deputirten gewählten Professors Sbarbaro, in welchem dieser für die Gültigkeitserklärung seiner Wahl dankt und die Erwartung ausspricht, daß der Präsident seine Freilassung veranlassen werde, damit er den Eid leisten und sein Mandat ausüben könne. Ein Antrag Crispi's, die Bureaus sollten \ih morgen mit der Frage beschäftigen, ob Sbarbaro in Freiheit zu seßen sei, wurde mit großer Mehrheit angenommen.

Portugal. Lissabon, 14. Dezember. (P. C.) Ein Kön.iglböches Dekret beruft die portugiesischen Cortes auf: den 28. d. M. ein. An diesem Tage wird König Karl den Eid auf die Verfassung ablegen und die Feier seiner Thron- vesteigung begehen.

Schweiz. Bern, (W. T. B.) Der

17. Dezember.

Nationalrath hat den Fusionsvertrag zwischen der

Jura-Bern-Luzern-Bahn und den Schweizer West- bahnen einstimmig genehmigt.

Griechenland. Athen, 18. Dezember. (W. T. B.) Die Regierung hat eine Antwort auf die Jnterpellation von Delyannis über die kretensishe Angelegenheit abgelehnt. Wie verlautet, beabsihtigt die Opposition, die kretensishe Frage in einer neuen Form in der Kammer zur Sprache zu bringen.

Serbien. Belgrad, 17. Dezember. (W. T. B.) Die Skupschtina verwarf heute den Antrag der Libe- ralen, betreffend die Aufhebung des Tabackmonopols, n Ersaß desselben durh Einführung einer Tabafck-

euer.

Bulgarien. Sofia, 18. Dezember. (W. T. B.) Die Mutter des Prinzen Ferdinand, die Prinzessin Clementine von Coburg, ist gestern Abend mit dem Orient-Expreßzuge von Wien hier eingetroffen. Der Prinz Ferdinand war ihr bis Czaridrod entgegen gefahren.

Schweden und Norwegen. (F.) Stockholm, 14. De- zember. Das Stlaatscomptoir hat dem Finanz-Binisterium die gewöhnliche Uebersicht über die muthmaßlichen Staats- einnahmen im Fahre 1891 übersandt, welche dem Etats- entwurf für das genannte Jahr zu Grunde zu legen find. Danach sind die ordentlichen Einnahmen zu 20 320 000 Kronen gegen 19 985 000 Kronen für das Jahr 1890 veranstlagt; höher sind u. a. berechnet: die Erträge der Staatsforsten um 200 000 Kronen (im Ganzen 2 200000 K-conen), des Telegraphenwesens um 90000 Kronen (im Ganzen 1 350 000 Kronen), der Leuchtfeuer: und Bakenabgaben um 100 000 Kronen (im Ganzen 1 300 000 Kronen), während die Erträge der Domänen um 100000 Kronen (auf 2 600 000 Kronen) herabgeseßt worden sind. Die so- genannten Bewilligungen sind zu 67380 000 Kronen gegen 65 900 000 Kronen für das Jahr 1890 berechnet. Davon entfallen auf die Zölle 38 000 000 Kronen (1 000 000 Kronen mehr), Postwesen 7 380 000 Kronen (480 000 Kronen mehr), Branntweinsteuer 13 700 000 Kronen, Stempelsteuer 3 700 000 Kronen, Grund- und Einkommensteuer 3 700 000 Kronen, Rübenzuckersteuer 350 000 Kronen u. w. Jm Ganzen wurden demnach die Einnahmen zu 87 700 000 Kronen gegen 85 885 000 Kronen im Jahre 1890 veranschlagt. Das Staats- comptoir hat ferner dem Finanz-Ministerium gemeldet, daß die Staatseinnahmen im Jahre 1888 einen Uebershuß von 9 693 605 Kronen eraeben haben, wovon für einen fünftigen Budgetvoranschlag 5 750 276 Kronen disponibel seien.

König Oscar wird, wie „Aftonbladet“ berichtet, der Eröffnung des norwegischen Storthings Mitte Februar nicht beiwohnen; an seiner Stelle wird der Kronprinz nah Norwegen reisen. König Oscar “und die Königin werden dagegen etwas später, im März oder im April, einen Besuch in Norwegen machen.

Die Regierung hat eine Kommission niedergeseßt, welche sich über die Zweckmäßigkeit der Vereinigung des Post- und Telegraphenwesens unier eine Ceatralverwaltung gutachtlih äußern soll. Bei Gelegenheit des Erlasses cines neuen Eisenbahntarifes, der mit dem 1. Januar n. J. in Geltung tritt, erklärt die Regierung, die Bildung eines Eisenbahnrathes in naher Zukunst in Erwägung nehmen zu wollen.

Amerika. Washington, 17. Dezember. (W. T. B.) Präsident Harrison sandte an den Kongreß eine Note, in welcher eine Verlängerung des internationalen Kongresses der See-Ufer-Staaten um 2 Monate vom 1. Januar 1890 ab e wird.

Der Staatssekretär Blaine sandte, der „A. C.“ zu- folge, auf Weisung des Präsidenten Harrison ein Telegramm an Mr. Stanley, worin er ihn zu dem er- folgreihen Ergebniß seiner Expedition beglückwünsht.

Der Finanzausshuß (Committee of Ways and Means) des Repräsentantenhauses hat Vorkehrungen getroffen, um rasch die vorläufigen Arbeiten zu beginnen für die neue Tarifvorlage, und zwar dur Vernehmung einer Anzahl Personen, deren Futeressen durch die Veränderungen, welche die Vorlage verursachen wird, berührt werden dürften.

Brasilien. Die „Times“ erhielt aus Lissabon, vom 15. d. folgende Nachrichten :

Zwei Mitglieder des leßten brasilianishen Kabinets sind bier angekommen, der frühere Premier-Minister Vicomte de Ouro Preto und der frühere Justiz-Minister Senhor CandidoOliveira. Der Erfere beabsichtigt, in Bâälde einen Bericht über die Er- eignisse in Brasilien zu veröffentlichen, welcher sehr leicht die Form eines halbamtlihen Manifestes an die Imperialisten annehmen könnte, Es scheint keinem Zweifel zu unterliegen, daß die brasilianische Marine nickt ganz fo axnti-kaiserlich war, wie die Armee. Eine ziemliche Anj¡ahl von Matrosen wurde erschossen oder ver- haftet, meil fie ber alten Flagge treu bleiben wollten und Vivas für dea Kaiser erschailen ließen, Einem Privatbiiese zufolge wurden 1590 Seeleute ershosien, was jedoch ltaum Glauben verdient; wenn aber auch nur 15 geopfert wurden, so wird dies bie Kluft zwisen Armee und Marine erweitern. Dem „Comercio be Porto“ gemäß fonzentrirt die provisorishe Regierung eine Abtheilung Kriegsschiffe in Bahia, da die Stimmung der Provinz Besorgniß einflöße. Die Provinz Sao Paulo bat si geweigert, ben von der Regierung in Vorschlag gebrahten Gou- verneur anzunehmen. Der Vicomte de Ouro Preto sagt, daß er zu:n Tode verurtheilt worden und daß die Soldaten Wos aus- gewählt gewesen scien, ihn in der Nat vom 16, November zu er- \chießen, falls der Staatéstreih auf Widerstand gestoßen wäre.

Afrika. Egypten. Kairo, 15. Dezember. Der Khedive eröffnete heute in Person die aus dem geseß- gebenden Rath und den Notabeln zusammengeseßte Stg welche nur bei außerordentlichen Gelegenheiten berufen wird. 68 Mitglieder hatten \ich eingefunden.

n der Thronrede hob der Khedive, wie der „Times“ be- richtet wird, die Bedeutung des neuen Geseßes für das Wohl der ärmeren Klassen hervor: die völlige Aufhebung der reen sei stets das- Ziel seiner Hoffnungen gewesen. Die

ede fand eine begeisterte Aufnahme. Nachdem der Khedive den Saal verlassen hatte, erörterte Riaz Pascha das Projekt ausführlich. Das Dekret hat die Wassersteuer in Ober-Egypten abgeschafft, deren Erlös \sich auf 25 000 Pfd. Sterl. belief. Ebenso is der Loskauf von den Frohndiensten, welcher 112 000 Pfd. Sterl. einbrahte, aufgehoben worden. An Stelle dessen soll eine Steuer eingeführt werden von

. durhschnittlich 3 Piastern auf den Morgen Landes, wovon

man sih für Ober-Egypten eine Einnahme von 42 000 Pfd. Sterl. und für Unter-Egypten eine solhe von 108 000 Pfd. Sterl. verspriht. Jm weiteren Verlauf seiner Rede äußerte sih Riaz Pascha über den Plan, die 5prozentigen Zinsen der privilegirtenSchuld auf 4 prozentige herabzuseßen, wo- dur 160 000Pfd. Sterl. erfpart würden. Könne dies durhgeführt werden, so würde die Regierung von der vorgeschlagenen Steuer absehen und die Frohnden ohne die Leßtere aufheben. Der Plan bedürfe jedoch der Zustimmung Europas. Hoffent- lih werde Frankreich es mögli finden, seinen Widerstand aufzugeben. Hierauf vertagte sih der Rath in der Hoffnung, daß bis morgen eine Antwort von der französischen Regterung eingehen werde. Die hiesige französishe Kolonie und der „Bosphore Egyptien“ befürworteten die Zustimmung Frank- reihs dringend. (

17. Dezember. (W. T. B.) Die Generalversamm- lung hat die Regierungsvorlage über die Aufhebung der ee und die Erhebung eines Aa gs zur

rundsteuer bis zum Betrage von 41/5 Piaster pro Aer angenommen.

Zeitungsftimmen.

ZU der Gefangennahme und Erschicßung Buschiri's bemerkt die „National-Zeitung“:

„Die Hinrichtung des Araber-Häuptlings rechtfertigt si voll- kommen durch die zahlreihen Grausamkeiten, welhe er begangen; es sei nur daran erinnert, daß er Negern, welche zu den Deutschen gehalten, die Hände abhadcken ließ und sie so zu Wissmann schickte, daß er bei dem Ueberfall von Mpywaywa den gefangen genommenen Nielsen abschlachtete, mehrere Missionare ermorden licß 2c. Die Hinrichtung des von den Negern so gefürchteten Arabers wird unter diesen, wie unter seinen arabischen Stammesgenossen weithin einen tiefen Eindrück machen. Man darf hoffen, daß es nunmehr auch mit den letzten Zukungen des Aufstandes zu Ende sein wird.“

Die „Norddeutshe Allgemeine Zeitung“ führt zum Zeichen dessen, daß vorauszusehen war, Buschiri werde als Rebell behandelt werden, aus dem Bericht des Majors Wissmann an den Reichskanzler vom 1. Mai d. J. folgende Stelle an: i

„Herr Admiral Deinhard hatte bis zu meiner Ankunft mit Buschiri einen Waffenstillstand geschlossen, und hatte Buschiri -Be- dingungen gestelit, unter denen er Frieden {ließen wollte. Ih nahm, da ih noŸ nit \{lagfertig war, den Waffenstillstand an, ließ jedo Buschiri zugleich sagen, daß ih nur mit ihm als Reb ellen verkehren würde und seine Friedensbedingungen zurückweise, Die Bedingungen waren derartig, daß man sie nur mit dem Namen „lächerlih* be- legen kann, Abgesehen davon, werde ih mich gegen weitere Vor- shläge von Buschiri \hrof stellen, da ich mir von einem erfolgre:chen Schlage gegen denselben mehr verspreche, als von einem noch so günstigen Frieden. Buschiri hat denn au bald den Waffenstillstand gebrochen, indem er einen meiner Leute im Vorterrain_abgefangen hat und mir denselben mit abgehauenen Händen und Salaams zurück- gesandt hat.“

Weiter fügt das genannte Blatt hinzu:

„Nachdem Buschiri's Lager in der Nähe von Bagamoyo am 8, Mai genommen worden war, zog er si ins Innere Afrika’s zurü. Greuelthaten kennzeichneten seinen Weg. Ende Juni überfiel er die Station Mpwapwa und tödtete bort cigenbändig den Beamten der deutsh-ostafrikanishen Gesellschaft, Herrn Nielsen. Während Major Wissmann seinen Zug nah Mpwapwa ausführte, zog {ic Busciri gegen die Küste zurückl. Freiherr von Gravenreuth \chcildert in seinem Beriht vom 1, November die fur{tbaren Greuelthaten, die Buschiri und_ die mit, ihm verbündeten Mafiti verübten. Am 15, und 16. Oktober fiel Buschiri's Lager in die Hände der S{ußtruppe, Buschiri entfloh und wußte sich troy der Niederlagen, die ihm und seinen Banden am 10. und 11. November dur die Hrrn. Zelewski und Dr. Schmidt beigebracht wurden, einer Gefangennahme zu entziehen. Der Leßtgenannte der beiden Herren soll es nah der gestrigen Meldung gewesen sein, dem es gelang, Buscwiri- gefangen zu nehmen. Nun es gelungen ist, den Anstifter und die Seele des Aufstandes in Deut\{h-Ost-Afrika unschädlich zu machen und der gered;ten Strafe zuzuführen, wird es hoffentlich bald gelingen, den Frieden sicher zu flellen.“

Ueber den Fortschritt des Schulwesens in den e Landestheilen schreibt die „Schlesische

eitung“:

„Seitdem die gesetzgebenden Faktoren sich entschlossen haben, der stark um si greifenden Repolonisirung in den ebemals polnischen Landestheilen Preußens dur Ausnahmegescße nahdrücklicher, als dics zum Schaden der deutschen Kultur bis in die 70er Jahre geschehen ist, entgegerzutreten, erfreut sich das Volks: und Fortbildungsschul- wesen in Posen und Wesipreußen einer so wirksamen e Seitens der Regierung, daß die Erfolge desselben in den leßten rei bis vier Jahren größer - gewesen sind, als früher in einem doppelt so langen Zeitraume. Die Noth- wendigkeit, den aus der Schule entlassenen polnischen Knaben das erworbene Wissen und Können zu erhalten und nach der praktischen Seite hin zu erweitern, führte vor zwei Jahren zur Einrichtung der obligatorishen For1bildungss{hule in Posen und Westpreußen, deren heute nur noch die Stadt O entbehrt, Soweit die vorliegenden Berichte einen Schluß zulassen, entwickelt {ih das Fortbildungsschul- wesen in erfreulicher Weise... . Die inge Reihe der besonderen Maß- nahmen der Regierung zur Hebung des Volks\hulwe-sens in den polnischen Landestheilen begann mit der ausnahmsélosen Nufhebung des pol- nishen Sprachunterrihts. Jn den Vorschulen höherer Lehranstalten der Provinz Posen kam der bis dahin fakultative polnische Sprach- unterriht mit Neujahr 1888 in Wegfall, und in den untcren Klassen der fatholishen Gymnasien wurde, ebenfalls zu Anfang 1888, die deutsche Sprache beim Religionsunterrihte eingeführt Es folgte dann später auf Grund der Gutachten der Kreis-Sculinspek- toren die Gliederung der Volksschulen in „normale“ und „anormale“ und eine wesentlihe Beschränkung der Unterrichtspensen zu Guníten einer eingehenderen Durcharbeitung und Vertiefung des Stoffes. Die neuen Stoffpläne für die anormalen Schulen sind am 1, Oktober 1888 in Kraft getreten. Mit diesen geseßlichen Maßnahmen hielt das Bestreben der Schulbehörden: neue Schulen zu gründen, überfüllte

hulen besser zu organisiren, zweckentsprehende Schulhäuser zu

hafen, dur \chnelle und strenge Ahndung der Sculversäumnisse

dieselben unterliegen nach der Regierungs - Polizeiverordnung

vom 26. April 1887 einer Strafe von 10 4 bis zu 30

einen regelmäßigeren Schulbesuh zu erzwiägen, agitatorisch

auftretende polnishe Lehrer nah den Westprovinzen zu verseßen

und den Provinzen Posen und Westpreußen deutsche: katholische

Lebrkräfte von dort zuzuführen, gleihen Schritt. Dur die Her-

anziehung deutscher katholisher und au evangelisher Seminaristen

und Lehrer aus dem Westen, deren Zahl wohl {on einige Hundert

beträgt, ist es der Schulbehörde gelungen, dem Lehrermangel ciniger-

maßen abzuhelfen. Uebrigens sucht die Regierung dur die Unter-

haltung von Nebenkursen in den größeren Seminarien beider Pro-

vinzen, sowie durch die Anstellung von Lehrerinnen an öffentlichen

Volksschulen den Lehrerinangel immer mehr zu beseitigen. Wenn

troßdem in den öôstlihen Provinzen noch Lehrermangel herrscht, so ist dieser Umstand der Hauptsa@e nah der Zurückhaltung polnischer junger Leute vom Lehrerberufe und der vorerwähnten Vermehrung der Schulen und Schulklassen zuzuschreiben. Welchen bedeutenden Aufschwung der- allgemeinen Volksbildung - in den æhenzals Dolnit&en- Landestheilen diese umfassende Fürsorge der leßten Jahre zuwege ge- bracht hat, erweisen am untrüglichsten die Prozentzahlen der ohne Schulbildung aus Posen, Westpreußen, Ostpreußen und S&lesien ein- gestellten Rekruten. Während diese Zahlen im Ersatzjahre 1885/86 noch betrugen: in Posen 7,64, in Westpreußen 6,71, in Ostpreußen 9,38 und in S@lesien 1,28, sind dieselben im Ersatjahre 1888/89 auf 2,82 _ in Posen, 3,87 in Westpreußen, 3,71 in Ostpreußen und 0,82 90 in Schlesien zurückgegangen.“

Das Drängen der Freisinnigen und Sozial- demokraten auf Erhöhung der Beamtengehälter veranlaßt das „Posener Tageblatt“ zu folgender Bemerkung:

„Den Hrrn. Richter, Baumbach, Singer 2c. ist es ebensowohl als jedem anderen Parlamentarier bekannt, daß dem Staat nichts mehr am Herzen liegen kann, als eine auskömmlihe Besoldung der Beamten, weil dadur dem eigensten Interesse des Staats an der Vewahrung und Pflege eines unter allen Eesichtspunkten tücbtigen und leistungsfähigen Beamtenstandes wirlsam gedient wird. Wenn dessenungeachtet die Opposition immer wieder mit Jnitiativanträgen in dieser Richtung vorgeht, so ist es klar, daß sie dabei noch andere als rein sachlihe Zwecke fördern will. Wer, wie die Parteien der Linken, im Allgemeinen mit dem Staat und den Organen desfelben auf ge- spanntem Fuße lebt, bald über „Beamtenwilikür“ klagt, bald darnach trachtet, die Beamten mit ihrem Loose urzufrieden zu machen, kann jedenfalls nit für einen uneigennüßigen Anwalt der Interessen dieser Leßteren gelten, am Allerwenigsten, wenn er, wie unsere Opposition es thut, dem Staat nah Möglichkeit die Mittel vorenthält oder beshneidet, deren die Regierung durchaus bedarf, wenn sie eine durchgreifende allgemeine Aufbesseruug der Beamtengebälter herbeiführen soll. Die Inkonsequenz, welche in dem Verhalten der Opposition zu Tage trat, als sie zwar in die gebotene Verstärkung der nationalen Wehrkraft willigte, aber der Beschaffung der dazu be- nöthigten finanziellen Mittel ihre Zustimmung vorenthielt, tritt au in ihrer Stellungnahme zu der Frage ciner allgemeinen Aufbesserung der Beamtengehälter zu Tage. Dem Staat zur Erfüllung dieser Aufgabe erhebliche Mehrausgaben zumuthen, erscheint der Opposition aur in der Ordnung ; die Sorge für Flüssigmachung der erforderlichen Geldmittel aber überläßt die Opposition anderen Leuten. Das ift eine ebenso billige wie verwerflihe Popularitätsha\cherei, womit den Be- amten nit gedient wird.“

Eisenbahn- Verordnungs-Blatt. Herausgegeben im Aoniglihen Ministerium der öffentlihen Arbeiten. 9tr. 30, Inhalt : Erlasse des Ministers der öffentlichen Arbeiten: vom 4. Dezember 1889, betr. Ausführung von außergewöhnlichen Unterhaltungsarbeiten und Ergänzungsbauten zu Lasten der Titel 13 und 17a des Etats; vom 4. Dezember 1889, betr. Abänderung einiger Bestimmungen der Organisation der Staatseisenbahnverwaltung und der auf Grund der- selben erlassenen Geschäftsordnungen. Nachrichten.

Statistik und Volkswirthschaft.

Zur Arbeiter-B ewegung.

Die wichtigste Meldung aus dem Saar-Kohlenrevier ist der folgende Erlaß, welhen der Ber ghauptmann Brassert an die Berginspektionen 1 bis 10 gerichtet hat:

«Im Anschluß an meine Anweisung vom 14, d. M. und im Verfolg dec Eröffnungen, welche ih an die von dem Herrn Ober- Präsidenten am 13. d. M. empfangene Deputation gerichtet habe, ist Nachstehendes zur Kenntniß der Belegschaft zu bringen

1) Nachdem seit Mai d. I. eine Herabsetzung der Schichtzeit stattgefunden hat, so daß für die unter Tage beschäftigten Bergleute auf keiner Grube gegenwärtig die Schichtzeit vom Beginn der Ein- fahrt bis zum Beginn der Ausfahrt länger als neun Stunden dauert, auf verschiedenen Gruben sogar noch kürzer ist, wird die verkürzte S@ichtdauer in die Arbeitsordnung aufgenommen werden, und zwar in der Weise, daß die Schicht in der Grube aus\{ließlich der für Einfahrt und Ausfahrt der Gesammibelegschaft erforderlihen Zeit niht länger als 8 Stunden dauern soll. l

2) Die gegenwärtig verdienten Löhne sind nah dem eigenen An- erkenntniß der Bergleute im Allgemeinen ausreichend. Soweit in einzelnen Fällen die erfolgte Gedingestellung einen auskömmlichen Arbeitsverdienst niht ermöglichen sollte, wird eine entsprehende Auf- besserung erfolgen. Dagegen i} eine vollständige Gleich- L der Löhne der einzelnen Arbeiter ohne Rüsicht auf die

eistungen derselben selbstverständlich unausführbar, wie dies bereits der Deputation am 13. d. M. ausdrücklich eröffnet worden ist. S

Ich spreche hiernach die bestimmte Erwartung aus, daß diejenigen Bergleute, welche die Arbeit nicht niedergelegt haben, und welhe auch gegenwärtig die weit überwiegende Mehrheit bilden, sich auch ferner zu einem solchen Schritte nicht werden hin- reißen lassen. An die ausstehenden Bergleute richte ih dagegen in threm eigensten Interesse die ernste Mahnung und Aufforderung, ohne Verzug die Arbeit wieder aufzunehmen. Zugleich weise ich auf die von den Polizeibehörden veröffentlihte Bekanntmachuna hin, nah wel{er die öffentliche Aufforderung zur Niederlegung der Arbeit ohne Einhaltung ber geseßlichen Kündigungsfrist nah §. 110 des Strafgeseßbuchs mit Geldstrafe bis zu 600 A oder mit Gefängniß bis zu zwei Jahren geahndet wird.“ h i

Die leßte aus Saarbrücken eingegangene telegraphishe Mel- dung des Wolff'shen Bureaus stellt den Umfang des Ausstandes am gestrigen Tage folgendermaßen dar: Auf den Gruben Kohlwald, Lampennest, Heiniß, Dechen, Friedrichsthal und Ensdorf sind heute alle Arbeiter angefahren, in der Zehe von der Heydt s\triken 283, im Burbachstollen 174 Mann. In der Grube Maybach ist nur die Hälfte angefahren, in Kreuzgräben strikt_von der unterirdischen Beleg- \haft etwas mehr als die Hälfte, in Sulzbach s\triken drei Fünstel, in Altenwald fünf Sechstel der Belegschaft.

Wie dem „Hamburgischen Correspondenten“ aus Berlin geschrieben wird, haben die Sozialdemokraten in den leßten Tagen, nachdem in Berlin nunmehr fast sämmtliche Gewerkschaften den 1. Mai 1890 als Feiertag erklärt haben, begonnen, die Agitation auch ia die Provinzen zu tragen. In Potsdam haben zwei Versammlungen den 1. Mai als Feiertag proklamirt, au in Breslau hat sih eine große Versammlung für den 1. Mai 1890 als Feiertag ausgesprochen ; der Referent war freilich aus Berlin ge- tommen, es war der bekannte Schuhmachermeister Meßner, der namentli in der Gewerkschaftsversammlung eine große Rolle spielt. Ja Königsberg faßte eine von allen Gewerkschaften beshicckte Versamm- lung ebenfalls einen Beschluß zu Gunsten des 1. Mai als Feiertags. Namentlih nah den Reichstagswahlen wollen die sozialdemokratischen

Führer die Agitation für den 1. Mai in diesem Sinne mit allen Kräften betreiben. In der ausgegebenen Parole heißt es: „Dem zu erwartenden glänzenden Siege der Arbeiterpartei bei den kommenden Reichstagswahlen wird ein solcher am 1. Mai 1890 folgen. Da werden die Bauten ruhen, da wird kein Schornstein rauhen, feine Maschine kreischen, öde und till wird es im Arbeitssaale scin, denn wenn der Arbeiter will, stehen alle Räder still. Es wird ein Ruhetag, ein Feiertag, ein Siegestag sein !“

Ueber den Strike der Gasheizer in London liegen bemerkenëèwerthe neuere Meldungen niht vor. Der Ertrag der Sammlung, welche zu Gunsten der Striker am Sonntag veranstaltet wurde, ift der „Allg. Corr.“ zufolge recht unbedeutend ausgefallen und die Londoner Gewerkvereine zeigen wenig Lust, die Sache der Gasheizer zur ihrigen zu machen. Die größte Schwierig- keit der South Metropolitan Gasgefellichaft besteht jedo nicht in der Erlangung von Arbeitskräften, jondern in der Zufuhr von Kohlen. Ses Schiffsladungen Kohlen befinden sch unterwegs. Aber die Kohlenträger, und, wie es heißt. au

7 der Gèwerkverein der Seeleute und Schiffsheizer, werden Alles auf- *

bieten, damit die Kohlen nicht iz die Gasanstalten gelangen.

Der Ausstand der Gasarbeiter in Manchester hat mit deren bedingurgslosen Uebergabe geendet. Auf Anrathen ihrer Führer bitten sie wieder um Anstellung zu den alten Lohnsätßen.

Die Kohlenagruben- Arbeiter von Ayrshire haben ih leßthin an einz Anzahl hervorragender Parteiführer gewandt mit der Bitte, ihre Stellung zum achtstündigen geseßlichen Arbeitstag mitzutheilen. Von Gladstone ‘und Lord R. Churcill gingen Antworten ein. Gladstone sagt, er sei zu alt, um noch die Initiative in einem so verwickelten Problem zu er- greifen. Sollte die Sache jedoch im Parlament vorkommen, so werde er feine persönlihe Ansicht niht vorenthalten. Völlig zu Gunsten des Plans ist Lord Randolph Churchill : „So viel ih bis jetzt sehe, würde mih nihts abhalten, dafür zu stimmen, vorausgesetzt, daß die intelligenten Arbeiter selbst dafür sind. . Die Gefahren, welche man von der ausländishen Konkurrenz befürchtet, halte ih für illu- forish, da jede Arbeiterbewegung in England eine solche im übrigen Europa und in Amerika nah si zieht.“

Kunst und Wissenschaft.

Der Prof:fsor der Geschihte Geheime Rath W. von Giese- brecht ist, wie ,W. T. B.“ meldet, in der Nacht vom 17. zum 18, Dezember in München gestorben. Giesebreht war einer der ausgezeihaetsten Historiker, der sich um die deutshe Ge- \chichts\{hreibung bedeutende Verdienste erworben hat. Am 5, Mârz 1814 zu Berlin geboren, wurde ec als Student besonders von Leopold von Ranke für das Studium der Geschichte gewonnen und wirkte zunächst zwanzig Jahre lang als Lehrer am Joachimsthalshen Gymnasium, Nachdem er sodann durch cinige historise Abhandlungen die Aufmerksamkeit des Miristers Eichhorn erregt hatte, wurden ihm die Mittel zu einer wissenschaftlichen Reise nah Italien in den Jahren 1843 —45 gewährt, als deren Frucht die „Geschichte der Deutschen Kaiserzeit“ zu betrachten ist. Unter anderen Zeichen der Anerkennung wurde ihm auch der von König &Sriedrih Wilhelm IV. ausgeseßzte große Preis für ausgezeihnete Leistun- gen auf dem Gebiet der deutschen Geschichte von der Berliner Akademie zuerkannt. Nachdem Giesebreht 1857 die Professur der Geschichte zu Königsberg übernommen, folgte er 1862 einern Ruf nah München als Pro- fessor der Geschicdte und Direktor des historischen Seminars, wo er nah Heinrih von Sybel’'s Abgang die Geschäfte der historishen Kom- mission übertragen erhielt. Seit 1873 war ec au Sekretär der bistorishen Klasse der Königlichen Akademie der Wissenschaften und übernahm 1874 die Redaktion der großen von Heeren und Ukert be- gonnenen Sammlung der europäischen Staatengeichihte. 1862 wurde er in E Adelstand erhoben und 182 zum Königlichen Geheimen Rath ernannt.

Handel und Gewerbe.

Die vorgestrige Generalversammlung der Mälzeret- Aktien gesellschaft, vormals Albert Wrede, genehmigte die Bilanz für das abgelaufene Geschäftsjahr, ertheilte dem Vorstande Decharge nnd sehte die Dividende auf 7 9/0 fest. Die ausscheidenden Aufsichtsrathsmitglieder wurden wiedergewählt.

London, 17. Dezember. (A. C.) Die Bank von England giebt bekannt, daß auf Grund des neuen Münzgesetßes von 1889 alle britishen Goldstücke aus der Zeit vor dem Regierungéantritt der Königin Victoria zum Umtausch gegen neue bis zum 13. Februar 1890 bei der Bank eingereicht werden müssen. Vom Umtausch zum Neuweithe sind nur solhe Goldstücke ausgeschlios sen, welche augenscheinlich beshnitten worden sind. i

St. Petersburg, 18. Dezember. (W.T. B.) Der „NRegierungs- Anzeiger“ macht bekannt, daß die durch den Kaiferlihen Ukas vom 13./25. Oktober d. J. angeordnete definitive Abrechnunz mit der Reichsbank wegen der in den Jahren 1877 und 1878 temporär emittirten Kreditbillets nunmehr bewerkstelligt worden sei.

Submissionen im Auslande.

Niederlande.

1) 23. Dezember 1889, Eollandsche Yzeren Spoorweg-Maat- schappy in Amsterdam im Central-Administratie-Gebouw :

Loos Nr. 449: Lieferung êéiner platteneisernea Drehbrücke an Stelle der bisherigen Krahnbrücke über die Delfshavener Schie mit zugehörigen Arbeiten; in zwei Abtheilungen.

Bedingungen fäuflih für 2 Fl. im Bureau Weg en Werken des genannten Gebouw.

2) 30, Dezember 1889, Nahm. 2 Uhr. Maatschappy „Vooruit- gang is ons streven“ zu Axel (Provinz Zeeland) im Hause des Herrn C. L, van Rompu:

Lieferuna von etwa 200000 kg Superphosphat und einer Partie Chili-Salpeter.

Auskunft ertheilt Landbauer J. van Hoeve zu Arel.

3) 6. Januar 1890, Ministerie van Koloniën (Zehnisch Bureau) im Haag:

5 Loos XXI1I]1: Lieferung der Eisenarbeiten für den: Bau von vier Landungsbrücken nebst den zugehörigen Wafserpfählen in der Brandewynsbaai (Sumatras Westküste).

Bedingungen käuflih für 2 Fl. beim Buchbändler Martinus

Nyhoff im Haag. : E

Einschreibung muß durch in den Niederlanden wol\nhafte Per- sonen erfolgen. :

4) 7. Januar 1890 im Timmerhuis zu Rotterdam:

Lieferung (in 2 Abtheilungen) von gußeisernen Röhren und Hülfsftücken im Gesammtgewicht von 1 534 968 kg

Bedingungen käuflih für 2,50 Fl. bei Wed. P. van Waesberge

& Zoon, Buchdruckerei in Rotterdam.

Verkehrs - Anstalten.

Die mittelst des Reihs-Postdampfers „Hohenzollern“ beförderte Post aus Australien (Abgang von Sydney am 11. November) is in Brindisi eingetroffen und gelangt für Berlin voraussihtlich am 20. d. M,, Vormitiags, zur Ausgabe.

amburg, 17. Dezember, (W. T. B) Der Postdampfer „Nussia“ der Hamburg-Amerikanishen Padetfahrt- Aktiengesellschaft ist, von Hamburg kommend, heute Vor- mittag in New-York cingetroffen.

London, 17. Dezember. (W T. B.) Der Castle-Dampfer „Durobin Castle“ ist gestern auf der Heimreise in London und der Castle-Dampfer „Methven Castle“ auf der Ausreise in Durban (Natal) angekommen. Der Union - Dampfer „Athenian“ ist heute auf der Ausreise von Lissabon abgegangen.

18. Dezember. (W. T. B.) Der Union-Dampfer

«„Nubian“ ist gestern auf der Heimreise in Southampton angekommen.