1889 / 307 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 24 Dec 1889 18:00:01 GMT) scan diff

Bei Jhrer Majestät der: Kaiserin und Königin Augusta findet heute im Königlichen Palais, wie im vorigen Jahre, die Weihnachtsbescheerung in Ee Barer Königlihen Hoheiten der Großherzoglich badischen

errschaften und des Hofes statt.

—- Am 21. d. Mts. verstarb plöglih mitten in der Aus- übung seines Berufs in Folge eines Herzshlages der Unter- Staatssekretär im Ministerium des Jnnern, Wirkliche Geheime S von Zastrow, im Alter von 55

ahren.

Alfons von Zastrow, ein Sehn des verstorbenen Oberst- Lieutenants a. D. von Zastrow, trat im Jahre 1855 als Auskultator in den Staatsdienst und wurde am 9. Dezember 1862 zum Regierungs-Assessor ernannt. Nach vorangegangener Beschäftigung bei der Regierung in Liegniß wurde er im Fahre 1864 dem Civil-Kommissarius für die Verwaltung des Herzogthums- Schleswig überwiesen, hiernächst unterm 13. Zuli 1864 auf Präsentation der Stände zum Landrath des Kreises Lauban ernannt, aus diesem Amte aber im fol: genden Jahre abberufen und der obersten Civilverwaltung des Herzogthums Schleswig zugetheilt. Bei der leßteren verblieb von Zastrow bis zu seiner im Jahre 1868 erfolgten Beförderung zum Regierungs-Rath, mit welhem Zeitpunkt er dem Dber- Präsidium der Provinz Schleswig-Holstein überwiesen wurde.

Im Jahre 1871 wurde er an die Regierung in Breslau verseßt und bei dem Ober-Präsidium der Provinz Schlesien be- schäftigt. Gegen Ende Juli 1878 erfolgte seine Einberufung als Hülfsarbeiter in das Ministerium des Jnnern und dem- nächst mittels Allerhöchstet Bestallung vom 1. Oktober 1879 seine Ernennung zum Geheimen Regierungs-Rath und vortragenden Rath im Ministerium der geistlihen, Unter- rihts- und Medizinal-Angelegenheiten. Fm Oktober 1881 in gleicher Stellung wieder in das Ministerium des Jnnern verseßt, wurde er in diesem am 5. April 1882 zum Ministerial - Direktor und unterm 11. Juli 1888 zum Unter - Staatssekretär ernannt. Seit Ende August 1888 fungirte von Zastrow zugleih als Präsident der Prüfungskommission für höhere Verwaltungsbeamte. Die Kriege von 1864 und 1866 hatten ihn als Offizier zu den Fahnen gerufen; im Feldzuge von 1870/71 folgte er dem Gre in seiner Eigenschaft als Johanniter. An Allerhöchiten

nadenbeweisen besaß der Verstorbene den Rothen Adler- Orden 2. Klasse mit Eichenlaub und das Eiserne Kreuz 9. Klasse am weißen Bande; er war Rechtsritter und Schaß- meister des Johanniter: Ordens. Mit seiner Wittwe, ge- borenen Freiin von Zedliß: Neukirh, trauern vier Kinder am Sarge des Gatten und Vaters. ;

Der Entschlafene war ein preußischer Beamter im besten Sinne des Wortes, voller Hingebung an König und Vater- land, von unermüdlicher Arbeitskraft Und Arbeitslust, aus- gestattet mit hervorragenden Gaben des Geistes, ein Mann von L edler Gesinnung. Was {hn auszeihnete und ihm die Neigung und Verehrung Aller gewann, die ihm näher getreten sind, war die Treue, die Selbstlosigkeit und die Bescheidenheit seines Wesens, die persönliche Anhäng- lihkeit an die Vorgeseßten, die seinen Werth erkannt hatten, die Friedfertigkeit und Milde im Verkehr mit seinen A,

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und Untergebenen. Er war Niemandes Feind, flec tüchtig, friedlih; rein wie ein Spiegel war sein Schild, so wird auch sein Andenken fortleben. Virtus s0la bonorum CO0rona,

Dur Allerhöchste Kabinetsordre sind: der General- Lieutenant Graf von Alten, Commandeur der Garde- Kavallerie-Division, unter Belassung in dem Verhältniß als General à la suite Sr. Majestät des Kaisers und Königs, zum Gouverneur der Festung Ulm auf beiden ‘Donauufern ernannt und der General-Lieutenant von ‘Versen, Commandeur der Kavallerie- Division des XV, -Armee-Corps, mit Belassung in dem Verhältniß als General-Adjutant Sr. Majestät des Kaisers und Königs, in gleiher Eigenschaft zur Garde-Kavallerie-Division verseßt worden.

Se. Durchlaucht -der Prinz Albert zu Sachsen- Altenbura, General-Major und: Commandeur der 3. Garde- Lanangier VRAaW hat sich mit Urlaub nach Dessau be- geben.

In der Ersten Beilage zur heutigen Nummer des „Reihs- und Staats - Anzeigers“ wird eine vorläufige Uebersicht der Ergebnisse der Rübenzudcker-Fabri- kation in der Campagne 1889/90 vexöffentlicht.

Das Uebungsgeschwader , / bestehend aus S. ‘M. Panzerschiffen „Kaiser (Flaggsi „Deutschland“, „Preußen“ und „Friedrich der Große“, Geschwader- Chef Contre-Admiral Hollmann, ist am 22. Dezember in Céfalonia eingetroffen und beabsichtigt, am 2. Januar k. J. wieder in See zu gehen. S. M. Kbt. „Fltis“, Komman- dant Kapitän-Lieutenant Ascher, ist am 22. Dezember in ¿Amoy eingetroffen und beabsichtigt, am 29. desselben Monats nah Swatow in See zu gehen.

Lippe. Detmold, 22. Dezember. Der Landtag wurde, wie der „Hann. Cou.“ meldet, am Sonnabend durch den Kabinets-Minister Wolfgramm bis zum 7. Januar 1890 ver- tagt. Jn der leßten Sißung wurden die Vorlagen, betreffend den Bau der Eisenbahnstrecken Detmold —Sandebedck und Lage— Hameln, angenommen unter der Bedingung, daß die Städte Salzuflen und Lage auf ihre Summen, welche sie zu der Strecke Herford—Detmold gezahlt, be- dingungslos verzichteten. Salzuflen hat erklärt, wenn der Bahnbau bis zum 1. Januar 1893 nit begonnen wérde, wieder in alle Rechte eintreten zu wollen. Jn der Stadt Lage ‘hat nur das Stadtverordneten-Kolleg ohne Zeit- bestimmung den Verzicht ausgesprochen, der Magistrat hat sich noch nit erklärt. Auf diese Bedingungen der Städte ging der Lanbtag-jedoh nit ‘ein, fondern verlangte bedingungslose Berzichtleistung. Es ist hier gleihwohl die beste Pons vorhanden, daß beide Städte Perzicht leisten , sodaß endlich pie langersehnten Bahnen zu Stande kommen.

Oesterreich-Ungarn. Wien, 23. Dezember. (W. T. B.) Wieaus Miramar gemeldet wird, begaben Sih Se. Majestät der Kaiser und König, Zhre Majestät die Kaiserin und Königin, sowie JZhre Kaiserlihen und König-

lihen Hoheiten die Erzherzogin Marie Valerie und der Erzherzog Franz Salvator heute an Bord des „Greif“ zu der in der Bucht von Muggia ankernden Sch iffs-Division. Der Kaiser, begleitet von dem Erzherzog Franz Salvator, be- Es die Kriegsschiffe „Saida“ und „Laudon“ und ließ sodann ein Schiffsmanöver ausführen. Nach Miramar zurückgekehrt, ließ der Kaiser von Bord des „Laudon“ signalisiren: „Jh belobe meine Marine.“ Der Kommandant des deutschen Schiffes „Wacht“, Korvetten-Kapitän Graf von Baudissin, wurde dem Kaiser an Bord des erd Gew vorgestellt. Die übrigen zur Zeit in den österreichisthen Gewässern anwesenden deutshen Marine-Offiziere wohnten den Uebungen an Bord des Schiffes „Nautilus“ bei. :

Se. Kaiserlihe und Königlihe Hoheit der Erzherzog Eugen ist heute Nachmittag über-Paris nah Lissabon ab- ereist, um den Kaiser bei der Krönungsfeier des Köni 8 Carlos I. zu vertreten. Auf der Rückreise wird der Erzherzog Eugen der Königin - Regentin von Spanien einen Besuch abstatten. j

Prag, 23. Dezember. (W. T. B.) Die Organe der Altczechen publiziren eine von einer zahlreich besuchten Ver- sammlung des Ceskyklubs La Resoluúütion, welche dem Bedauern darüber Ausdruck giebt, daß die deutschen Abgeordneten dem Landtage fernblieben und daß die Eröffnung des neuen Landtages - denselben nicht einen zureihenden Grund geboten habe, die gemein- same Bahn der Verfassung zu betreten. Der Landtag würde die Wünshe und Vorschläge der Deutshen ohne Vorein- genommenheit geprüft und unter Wahrung der staatsrechtlichen Verhältnisse und der Landeseinheit die Gleichberehtigung und den Ausgleih unter beiden Volksstämmen angestrebt haben, der für Böhmen niht minder nothwendig sei wie sür das gesammte Reich.

Großbritannien und Frland. London, 21. Dezember. (A. C.) Jn Anbetracht des Umstandes, daß eine irische Bodenankaufs-Bill in der nächsten Parlamentssession den Hauptgegenstand der Erörterung bilden wird, ist es von Wichtigkeit zu wissen, welhe Stellung die irische Partei im Hause der Gemeinen zu dieser Vorlage cinnehmen dürfte. Parnell hat sih in einer im Liverpooler Reform-Klub ge- haltenen Tischrede eingehend darüber geäußert. Er sagte:

„Wir haben stets geglaubt und gefühlt und cs ist die Grundlage unserer Bewegung gewesen, daß das Bauerngrundbesiz-System ein höchst erfolgreihes sür Irland sein dürfte, wenn England hochherzig genug ist, uns seinen Kredit für die Uebertragung des Landes vom Grundbesißer an den Pächter zu leihen und die Bedingungen fo zu vereinbaren, daß sie durchaus sicher für England und höchst wohlthätig für Irlard sind. Aber wir können niht unsere Zustim- mung zu zwangêweisen Verkäufen geben. Wir verlangen, daß - die irischen Pächter auf einen. Fuß der Gleichheit und Vertragss{ließungs- Freiheit gestellt werden, aber wenn andererseits England na reif- licher Ueberlegung sagt, daß es uns seinen Kredit nicht gern leihen möchte, so sagen wir unsererseits, daß es gerechtfertigt sein würde und wir nicht erwarten könnten, daß es etwas thue, was es nicht als gehörig und räthlich erachtet. Wir sind völlig Willens, daß der Grundbesißer in Irland bleibe, daß aber die Pachtzinse auf æin sglhes Niveau g&gellt werden, daß die Pächter

e billigerweise “zahlenz könnten, Dîie)e irischen ruudbesitzer* haben ihre Lage unhaltbar geunden und wünschen ans erselben herauszu- fommen und den englischen Steuerzakler dorthin ju verseßen, wo sie ih jeßt befinden. Als der Boden Irlands dicsen Herren umsonst gegeben wurde, übernahmen sie die Erfüllung gerechter Pflichten. Das Land wurde - ihnen unter englischer Herrschaft unter der Be- dingung gegeben, daß sie das irische Volk zufrieden machen sollten, und es war nicht beabsichtigt, daß sie--diese Pächter bedrücken und aushungern soliten. Diese Frage der Beziehung zwishen Grund- besitern und Pächtern will sich leiht lösen lassen, und ih glaube, sie wird gelöst werden ohne Gcfahr für Englands Kredit.“

Der irische Abgeordnete William D'Brien wurde gestern aus dem Gefängniß in Galway entlassen, wo er eine viermonatlihe Haft wegen verschiedener Vergehen gegen das FZwangsgesez verbüßt hatte. Die Equipage des Bischofs von Galway holte ihn ab und brahte ihn nah dem bischöflichen Palaste, wo er mit dem Prälaten frühstückte. Dann hielt er eine Rede in einer Volksversammlung, in welcher ihm unter gr Begeisterung eine Adresse überreicht wurde. Jn Beantwortung derselben erklärte er: er werde, so lange er lebe und gesund bleibe, Alles thun, was in seiner Mahl stehe, um das arme und bedrüdckte irishe Volk aus seiner Bedrängniß zu befreien.

_ 23. Dezember. Wie das „Reuter'she Bureau“ be- richtet, bezog sih die von Lord Salisbury am 18. ds. an die portugiesische Regierung gerichtete Note ausschließ- lih auf den dem Major Serpa Pinto zugeschriebenen An- griff} auf die Makololos; der anderen zwischen England und Portugal über ihre FJnteressensphäre in Südost:Afrila s{chwebenden Fragen geshah keine Er- wähnung. Lord Salisbury habe baldige Antwort und, falls sih der Angriff Serpa Pinto's auf die Makololos bestätige, dessen sofortige E verlangt. Der portu- giesishe Minister des Auswärtigen, Barros Gomes, habe geantwortet: die dem Vorgehen Serpa Pinto's gegebene Deutung werde dur die eingegangenen Nachrichten in keiner Weise bestätigt; Serpa Pinto habe lediglih einen von einem feindlihen Stamme auf ihn gemahten Angriff zurüdck- gewiesen und unter: dem Gepäck dieses Stammes drei englische Fahnen gefunden.

‘Frankreich. Paris, 23, Dezember. (W. T. B.) Das Befinden des Präsidenten Carnot hat sih gebessert, so daß derselbe voraussichtlih dem am Donnerstag stattfinden- den Ministerrathe wird beiwohnen können.

_Der Senat genehmigte den behufs Ausübung des R durch den Staat geforderten redit.

Die Deputirtenkammer seßte die Wahlprüfungen fort: und exklärte nah längerer Debatte die Wahl des in Melun gewählten Grafen Grefulhe für gültig. Jn beiden Kammern wurde der Schluß der Session aus- gesprochen.

Ftalien. Rom, 23. Dezember. (W. T. B.) Der Senat hat die Aufhebung der Frankreich gegenüber bestehenden Differentialzölle mit 70 gegen 4 Stimmen genehmigt.

Der Gemeinderath von Terni is wegen der am 90. d. M. staltgehabten irredentistischen Kundgebung aufgelöst worden. „Dem Vernehmen nach werden noch méhrere andere Gemeinderäthe in der Romagna aus demselben Grunde, aufgelöst werden.

Serbien. Belgrad, 23. Dezember. (W. T. B.) Der Budgetaus\chuß der Skupschtina hat aus eigener Jni-

300 000 Dinar «beantragt;

tiative die Erhöhung des Dispositionsfonds für den Mipyister .des «Auswärtigen auf den Betrag von es wir dies hier als ein besonders bemerkenswerthes parlamentarishes Vertrauens- votum angesehen.

Bulgarien. Sofia, 23. Dezember. (W. T. B.) Die zwischen der bulgarishen Regierung und dem Dele- girten der Anshlußbahnen, Noblet, wegen Ankaufs der Anshlußbahn Vakarel-Bellowa geführten Verhandlungen sind abgebrochen worden.

Die Sobranje hat das Budget des Aeußern votirt. Ju der heutigen Sißung derselben brahte Tat eff, Mitglied der oppositionellen Partei, eine Jnterpellazion darüber ein, welche Schritte bei der türkischen Regierun g be- hufs Anerkennungdes Prinzen Ferdinand unternommen worden seien, ferner über das rumänische Projekt, betreffend den Bau einer Donaubrüdcke, welhe nah seiner Ansicht bei Silistria angelegt werden sollte. Der frühere Präfekt von Rustshuk, Mantow, brachte eine Jnterpellation betreffs Zerstörung von türkishen Häusern in Tutrakan durh die Behörden ein.

¿Schweden -und Norwegen. (F.) Stockholm, 21. De zember. Die Königin ist gestern, wie die „Post: och Jnr. Tidn.“ meldet, an der Jnfluenza erkrankt und mußte in Folge dessen das Bett hüten. Der Schlaf war während der Nacht zufolge des ziemlich starken Fiebers etwas unruhig. Jn der Nacht zu heute {lief die Königin wegen hinzugetretener Nervenshmerzen nur wenig. Das Fieber war heute früh eringer, die Mattigkeit aber noh beträhtlih. Wegen der Er- rankung der Königin wird die gewöhnliche Feier des Weih- nachtsfestes am Hofe erst später stattfinden.

Amerika. Vereinigte Staaten. Washington, 921. Dezember. (A. C.) Der Senat stimmte heute über; den Antrag Sherman ab : die Resolution des Senators Morgan, betreffend, die Anerkennung dex brasilianischen-Re- publik, dem Ausschuß für die auswärtigen Angelegenheiten zu überweisen. 26 Stimmen (sämmtlih Republikaner) stimmter dafür, 25 (sämmtlich Demokraten) stimmten dagegen. Die Sache blieb deshalb unentschieden. Der Kongreß hat sich bis zum 6. Januar vertagt. /

Brasilien. Einer Dcahtmeldung der „New York Times“ aus Rio de Janeiro zufolge wurde die neue Militär- Emeceute daselbst durh rashes Handeln unterdrüdckt. Es hatten sich an der Meuterei viele Civilisten betheiligt, von denen zwei verhastet worden sind. Die Ruhe in der Haupt- stadt ist wieder - hergestellt. Der Geschäststräger der brasi- lianischen Gesandtschaft in London benachrichtigt die Zeitungen, daß er am 18, d. M. vom Minister des Auswärtigen die telegraphische Meldung empfangen habe, derzufoige die Krank: heit des Marschalls da Fonseca nit gefährlich ist.

Asien. Japan. Ueber die gestern bereits kurz erwähnten Feierlichkeiten in Tokio am 3. v. M. berichtet .der „Ostasiatische Lloyd“ folgendes Ausführlichere:

Der 3. November war ein großer Festtag in Tokio, und zwar in zweifaher Weise: erstlih war er der Geburtstag des Kaisers Mutjiu Hito, welcher an diesem Tage fein 37. Lebensjahr vollendete, und zweitens wurde der Prinz Yoshihito Schintv Haxu no

miya, Sohn Sr. Majcstät, zum Kronprinzen des Reiches er-

nannt. Der Prinz ist am 31. Augu't 1879 geboren, mithin etwas über 10 Jahre alt. (Der „Gothaische Hofkalender“ führt das Geburtsjahr 1877 an. Die Red.) Vom Dezember 1879 bis zum März 1885 befand er sich unter der Aufsicht des verstorbenen Marquis Nakayama Tadayoshi, und zwar in der Privatwohnung desselben zu Tokio. Seit September 1887 hat er ‘die Adeligen-Schule (Gakushu-in) in der Hauptstadt besucht unter ganz denselben Bedingungen wie ein gewöhnliher Schüler. Am 23. Februar d. I. bezog er einen der Höfe, welche innerhalb des Weichbildes des Akasaka-Palastes gelegen sind. Die Ernennung des Kronprinzen wurde in einer Extra-Ausgabe des „Reichs-Anzeigers“, welche einen vergoldeten Rand hatte und das Kaiserliche Wappen trug, in folgender Weise kurz gemeldet: Dem Beispiel Unsrer Kaiserlichen Vor- fahren folgend, ernennen Wir den Kaiserlichen Prinzen Yoshihito zum Kronprinzen, und kündigen dieses hiermit an, damit es allgemein be- kannt werde Der „Reichs-Anzeiger“ meldete ferner, daß der Kron- prinz zum Second-Lieutenant der Armee ernannt wurde, und daß er in das 1. Regiment der Kaiserlichen Leibgarde eingetreten sei, und weiter, daß ihm der Große Orden des Verdienstes und des Kaiser- lihen Chrysanthemum am Großen Bande verliehen worden sei. Der Minister dcs Kaiserlihen-Hofbalts zeigte außerdem an, daß Se. Majestät dcr Kaiser die Einrichtung eines Burcaus in PVerbindung mit dem Kaiserlihen Hofhalt angeordnet habe, welches die Angelegenheiten des Kronprinzen kontroliren folle. Dieses Bureau besteht aus einem Chef «Superintendenten und Assistenten, einem Chef und _drei Kammerherren, [sowie aus diei militäcishen Attachés (cinem Oberst und zwei Hauptleuten). Eine weitere -Extra- Ausgabe des „Reichs-Anzeigers“ kündigte an, daß der. Kaiser, cinem mehrere Jahrhunderte alten Beispiel folgend, -dem Kronprinzen das Kaiserlihe Schwert (Tsubo-kiri) übergeben habe. Die Ueberreichung desjelben fand mit einer kurzen Fede statt, in welher Se. Majestät crklärte, daß das Schwert den Kron- prinzen seit vielen Generationen überliefert und Üüberreiht worden wäre; es sci ihm (dem Kaiser) überreiht worden, und es gehe nun auf den Kronprinzen über. Das Schwert wurde, wie verlautet, zuerst einem Kronprinzen des Kaisers Uda, welcher den Thron im Jahre 888 bestieg, Überreicht.

Üeber die mit der Ernennung verbundenen,Ceremonien melden japanishe Blätter Nachstehendes: Um 10, Uhr Morgens verließ der Kronprinz, der eine {warze Militär-Uniform „und. rothe Müge trug, begleitet von den Offizieren seines neugegründeten Hofhalts und einer Abtheilung der Leibgarde und der berittenen Polizei, seinen Palast und begab sh nah dem Staatspalaste. ortselbst an- gelangt, wurde er von dem Präsidenten der Universität, Hrn. Watanabe, den Professoren und Studenten, sowie von den Lehrern und Schülern der haupt!‘ächlichsten Bildungsanstalten Tokios empfangen, welche ihm laute Hurrahruse entgegenbraten. Der Kronprinz begab ch darauf nach dem großen Empfangssaale, wo auch Se. Majestät bald erschien und sich auf den Thron sehte. Die höchsten Würden- träger des Staats, darunter Prinz Sanjo, der neuernannte erste Minister, waren zugegen. “Der Großmeister der Ceremonien führte den Kronprinzen vor den „Kaiser, -welcher den Kaiser- lihen Erlaß, wodurch der Prinz zum Kronprinzen ernannt wurde, dem Viscount Hijikata überreihte mit dem Er- suchen, denselben zu veröffentlihen. Der Kaiser übergab zunächst das S{wert Tsubo-kiri durch den Marquis Tududaiji (Chefs- Kammerherr) dem Prinzen, der zur gleichen Zeit zum Second-Lieu- tenant und zum Ritter des-Chrysanthemum-Ördens ernannt wurde. Hiermit war die Ceremonie beendigt.

An dem für Japan so wichtigen 3. November wurde zum ersten Male auf den ‘Schiffen der japanishen-Marine die neue Flagge gehißt. Diese hat, wie früher, eine rothe Kugel in der Mitte, -und das Feld zeigt abwechselnd weiße und rothe Streifen, die \trahlen- förmig vom Mittelpunkt auslaufen. Die neue Flagge soll gewählt worden sein, weil ein früherer: Kaiser [Japans eine Flagge nah dem oben beschriebenen Muster zur Reidsflagge erhoben hatte.

Zeitungsstimmen.

_gn einer längeren Erörterung über den strittigen Au s- weisungsparagraphen- des Sozialistengeseßes be- merken die „Hamburgischen Nachrichten“:

„Es i in der parlamentarishen Geschihte der letzten Fahrzehnte \hon mehrfah dagewesen, daß ein anfänglich mit größter Entschiedenheit festgehaltener Widerspruch gegen eine CEinzelheit einer Vorlage doch sließlich aufgegebea werden mußte um nicht das Zustandefommen des ganzen wichtigen es seßes zu gefährden. Nur die dofktrinär - oppositionelle Auf- fassung erblickt darin etwas Anstößiges; der Patriot bringt das Opfer des Nachgebens in einem Theil, wenn er damit das Ganze, das. von ihm nöthig erkannt ift, nicht anders zu retten vermag, ohne Zögern aus Pflichtgefühl. Wie wir neulich hervorhoben, soll das Sozialisten-

esey niht sowohl zum Schuß des sozialen und Erwerbslebens der Bevölkerung dienen. Wenn unter diesen Umständen der Reichstag auf die Erklärung der Regierung hin, sie könne ohne Ausweisungs- befugniß keine Garantie der Aufrechterhaltung von Ruhe und Frieden

« --in-den gefähxdeten Distrikten übernehmen, -ihr diese nöthige Handhabe

zur Durchführung des Gesetzes versaat, fo liegt es auf der Hand, daß die Verantwortlichkeit für das Scheitern des Gesetzes und alle damit verbundenen Gefahren „dem Reichstage zufällt. . ... . Wir bleiben dabei ; Die nationalliberale Partei und der mit ihr übereinstimmende Theil der Reichépartei können die Verantwortung für das Scheitern der Gefahr nicht übernehmen, selbst wenn sie aus taktishen Gründen s den A geben sollten, s{hlimmsten Falls auch dazu in der age zu sein.

An den gestern an dieser Stelle erwähnten Artikel der „Vossischen Zeitung“, welcher die Verdienste des Liberalismus um die Arbeiter in der Herbeiführung der Gewerbefreiheit und der Koalitionsfreiheit erblickt und diese Verdienste über die Sozialreform stellt, knüpft die „Leipziger Zeitung“ E Wunschzettel für Weihnachten“. Sie

re1ol.

„Wir sind beiläufig niht der Ansicht, daß alle diese „Freiheiten“ das ausscließlihe Werk des Liberalismus sind, sondern meinen, daß sie au ohne den Liberalismus gekommen wären, weil sie thatsächlich nit mehr- aufzuhalten waren. Auch ein konservatives Regiment würde fie, wenn auh s{chonender und mit gut konservativer Berück- sichtigung gegebener Verhältnisse in geeigneten Uebergangsformen, \cließlich bewilligt haben, weil die große wirthschaftlihe und tehnische Umwälzung des Jahrhunderts sie forderte und sie zum großen Theil bereits thatsächlich durchgeseßt hatte, ehe sie noch rechtlich und geseßlih formulirt waren. Was die „liberale“ Geseßgebung damals durch- sehte, war vielfach nichts Anderes, als die geseßlihe Sanktionirung thatsäihlich bereits bestehender Zustände.

Aber angenommen, alle jene „Freiheiten® seien in der That das aus\{ließlihe Werk des Liberalismus hat denn der Liberalismus wirklih Grund, si dieser Errungenschaften besonders zu freuen und sich ihrer mit Stolz zu rühmen? Sind denn vrsere heutigen Arbeiter- verbälinisse, ist insbesondere das heutige Verhältniß zwischen Arbeiter und Arbeitgeber so beneidenswecrth, fo außerordentlich viel he- friedigender als vor jenen „Freiheiten“? . . . Die fluhroürdige Saat, welche „deutsc)“-freisinnige und fozialdemokratishe Verheßung vor Jahrzehnten gesät hat, ist unter unausgeseßter, sorgjamer Pflege ihrer Urheber üppig emporgeschossen, ein tiefer Riß durhzieht unser Volks- leben, an allen Enden des Reichs wüthet heute ein Lohne und Klafsen- kampf, wie ihn die Zeiten patriarchalischer und gelehtier Gebunden- heit niemals gekannt haben und der in dieser Scharfe erst dur die Errungenschaften der Zug-, Gewerbe- und Koalitionssreiheit möglich geworden ist.

Wir bestreiten, wie gesagt, dem Liberalismus das ausschließliche „Verdienst“, diese Freiheiten den Arbeitern errungen zu haben; aber wenn sie sein Verdienst wären hat er wirklich Ursache, auf ihre Erfolge stolz zu sein?

__ Wir meinen, wenn der „deutsche“ Freisinn wirklich klug wäre, bätte er alle Ursache, dieses sein Verdienst zu verkleinern. Gerade er „müßte Alles thun, um die unheilvollen Folgen seines Wirkens, der Geseßgebung, deren er sih rühmt, und der Volksverheßung, die er seit Jahrzehnten geübt hat, so weit es in seinen Kräften steht, nahträglich zu miloern, zu mildern da- dur, baß er die sozialpolitishe Geseßgebung des Reichs, die dieses Ziel verfolgt, statt sie fortwährend zu lästern, willig fördert, daß er davon abläßt, den bevorstehenden Wahlkampf dur die Aufwiegelung der Arbeiterwelt zu vergiften, und vor Allem da- dur, daß er_mithilft, das wieder herzustellen, was uns vorwiegend dur seine Schuld, dur die Schuld des politishen und wirthschaft- lihen Mancesterthums, verloren gegangen ift, das persönliche Band zwischen Arbeitern und Arbeitgebern.

Gerate hierin is {wer gesündigt worten auf beiden Seiten, und shwer, sehr {wer wird es werden, hier wieder anzuknüpfen. Aber unmöglich ist es nicht, und kein Tag des Jahres wäre dazu geeigneter als der Festtag, der uns bevorsteht. Nicht reiblihe Ge- \chenke an die Arbeiterschaft, die dann pflichtshuldigst in den Zeitungen ausposaunt werden, aber ein gutes Wort, vom Arbeitsherrn am Weihnachttabend unter vier Augen zu seinem Arbeiter gesprochen, kann viel wirken, und wenn es auch nicht immer sofort hilft, oft vielleicht auf kalte Ableinung \ößt, oft nur Undank einbringt sind sie redlich gemeint, so werden solche Bemühungen \chließlich doch zum Ziele führen

Dies der Wunschzettel, den wir an diesem Tage des Friedens Denjenigen überreichen wollen, die uns sonst Gegner sind. Aber auch unsern, Freunden sei wenigftens der leßte dieser beiden -Wünsche em- pfohlen; der Empfehlung der übrigen bedarf es bei ihnen ja nicht.“

Das freisinnige „Berliner Tageblatt“ befürwortet eine e, freihän lerishe Reaktion“. Nach dem Vorbilde der wirthschaftlichen Vereinigung, welche Ende der 70er Jahre si Behufs Durchfühxung der Wirthschafts- und gZollreform bildete, soll sich eine freijinnig-manchesterliche Vereinigung bilden, um eine manqesterliche Reaktion herbeizuführen. Hierzu be- merkt der „Reichsbote“:

„Das Blatt ist so naiv, diese Reaktion gegen die Politik des Scugtes der nationalen Arbeit als Wahlparole zu empfehlen. Möge man es probiren, Das Volk, welchcs den Krah und Niedergang eben der manchesterlihen Gründerära miterlebt hat, weiß sehr wohl, rw es den Aufschwung, den seitdem Gewerbe und Handel genommen haben, der Politik des Schutzes der deutschen Arbeit zu verdanken hat. Es hat in den 10 Jahren von 1879 bis 1889 auch erfahren, daß die Zölle keineswegs die Lebensmittel vertheuern, sondern daß dieselben von dem Händler auf das Avsland abgewälzt werden, aus dem er Waaren einführen will. “Wenn in diesem Jahre die Preise gestiegen find, so liegt das nicht an den Zöllen, sondern an der geringen Ernte in dem großen Osten des Reichs. Ja, gerade diese Thatsache, daß erst in olge der Mißernte und der Viehseuche die Preise gestiegen sind, während sie innerhalb zehn Jahre, wo die Zölle ja bereits be- standen, nicht gestiegen, sondern eher niedriger geworden waren, beweist, daß nict die Zölle die Ursahe der Steigerung find. Wollte man jeßt die Zölle abschaffen, so wür- den das Ausland und die Großhändler den Vortheil davon haben. Das deutsche Volk aber würde nach wie vor dieselben Preise bezahlen genau so wie nach Aufhebung der Sclacht- und Mahlsteuer. Bald aber würden alle Viärkte, Bazare und Läden wieder vollgepfropst sein von Produkten des Auslandes, welche die Löhne der deu1\hen Arbeiter herabdrücken und Leßtere brotlos machen würden. Dazu würden die 300 Millionen, welche die Zölle und Verbrauchsabgaben einbringen, durch direkte Steuern er- hoben werden müssen. Daß das den Ruin und Zerfall des Aufblühens unseres Nationalwohlstandes, wie wir es seit 10 Jahren gesehen. haben, herbeiführen würde, ist zweifellos. Das „Berl. Tgbl.“ qud deöhalb auch mit seinen reaftionären Anwandlungen s{lechte

eshäâfte machen, zumal die freihändlerishe Reaktion nur dazu dienen

soll, Stimmung für die deutschfreisinnige Partei zu machen, Ein anderes Mittel zur Erreichung dieses Zwecks weiß das Blatt nicht vorzuschlagen, und das vorgeshlagene ist völlig aussfihtslos. Das Alles bestätigt nur, daß es mit der freisinnigen Partei und ihrer Politik vorbei ist; sie ist von der Zeit weit überholt.“

Amtsblatt des Reihs-Postamts. Nr. 50. Inhalt: Verfügungen: vom 7. Dezember 1889. Fahrplan der Reichs-Post- dampfer. Vom 11. Dezember 1889. Versendung der Zeitungen nach Oesterreich-Ungarn.

Kunft und Wissenschaft.

Wie die „A. C.“ vernimmt, beabsichtigt die Königin von England demnächst einen neuen Band: von Auszügen aus ihrem

§ckTagebtech -herauszugeben and foll- der bekanute- literarische Ratb-

Sir Theodore Martin, wieder mit der

geber der Monarchin, Der Band wird wahrs{einlich eine

Redaktion betraut werden.

Reibe von Originalversen aus der Feder der Königin enthalten. ; Verein für dieGeschichteBerlins beabsichtigt den !

Der 29, Januar 1890, die fünfundzwanzigste Wiederkehr seines Stiftungstages, durch eine öffentlihe Festversammlung zu feiern und hierzu außer seinen zahlreihen Mitgliedern diejenigen Be- hörden, welche als seine Gönner betrachtet werden dürfen, sowie ferner die ihm befreundeten wissenshaftlihen Vereine und Gesellschaften ein- zuladen. Der Vorstand des Vereins hat sich nun, wie der „B. B. C.“ mittheilt, an die städtischen Behörden mit der- Bitte gewendet, ihm zu dieser Feier den Festsaal des Rathhauses zu überlassen. Der Magistrat hat diesem Bittgesuch nachgegeben und bei der Stadt- verordneten-Versammlung beantragt, sie möge auch ihrerseits die Zu- stimmung ertheilen.

Handel und Gewerbe.

Nah einer Bekanntmahung der Madrider Stadt- verwaltung werden die Carpetas 2688 bis 2715 des Zins- scheins Nr. 20 der Anleihe von 1868 jeßt eingelöst.

Berlin, 22. Dezember. (Wollberiht des „Centralbl. f. d. Text -Ind.*) Im Geschäft ist bereits Feiertagsstimmung eingekehrt, Umsäße von irgend welcher Bedeutung haben nit stattgefunden. Es wird wohl einer längeren Zeit bedürfen, bevor das Geschäft, welches dur den Preisrückgang in London einen argen Stoß erlitten, in regelrechte Bahnen wieder einlenkt. Im Allgemeinen neigt man sich mehr der Ansicht zu, daß mit Rücksicht auf die kleinen Bestände und den troy alledem sich dringend fühlbar machenden Bedarf das Ge- \chäft auf Basis der gegenwärtigen Preise einen ruhigen Fortgang nehmen wird.

Der Einlösungscours für die hier zahlbaren Dester- reihischen Silber-Coupons ist auf 173,50 4 für 100 Fl. österr. Silber erhöht worden,

Die vorgestrige außerordentliche Generalversammlung der Düsseldorfer Eisen- und Drahtindustrie genehmigte die beantragte Kapitalerhöhung; der Aufsichtsrath wurde beauftragt, die jungen Aktien nach bestem Ermessen zu begeben.

Die „Rhein.-Wefstf. Ztg.“ berihtet vom Rheinisch-westfälischen Eifen- und Stahlmarkt: Die Haltung des rheinisch - westfälischen Cisenmarktes ist in der leßten Zeit insofern eine Vertrauen er- weckende geworden, als das Steigen der Roheisenpreise zwar an- gehalten hat, jedoch nit in dem beängstigend rashen Tempo wie im vorigen Monat und noch Anfangs Dezember. Die steigende Tendenz is nach wie vor dieselbe geblieben; die rege Nachfrage hat angehalten, dabei sind die Preife durchaus fest. Wenn es jeßt dem Fertigeisen gelingt, und stellenweise sind hon Schritte gethan worden, sih in das richtige Verhältniß zu den Rohmaterialien zu seßen, wenn dazu die Kohlen- und Kokespreise ihr jeßiges Niveau für eine Zeit lang beibeholten, so sind alle Bedingungen für die weitere Entwickelung des Marktes gegeben. Der Bezug von Eisen- erzen hat mit derselben Lebhaftigkeit angedauert; außer Sieger- länder und Lothringer Erzen kommen spanishe Sorten noch in größeren Posten auf den Markt; für den Versandt der leßteren war in der verflossenen Wocdbe die Witterung jedo keine günstige. Auf dem Roheisenmarkte sind kei lebhafter Nachfrage die Preise außerordentlih fest; dieselben sind in der leßten Woche durchweg stationär geblieben. In Spiegeleisen war die Nachfrage auch für das zweite Semester 1890 andauernd gut. Ein größeres Stahlwerk hat jeyt bereits seinen ganzen Bedarf an Siegerländer Stahl- und Spiegeleisen für das zweite Halbjahr 1890 gedeckt; es handelt sih dabei um einen Posten von ca. 20000 t, welcher zu den Tagespreisen abgeschlossen wurde, Das hetreffende Werk hat dadurch, wie auch in früheren Jahren, vor den übrigen Werken einen wesentlichen Vorsprung in den Preisen erzielt und dadurch zugleih dem Siegerländer Roheisengeschäft einen neuen Anfioß ver- lichen. Puddelroheisen wird ebenfalls für das zweite Halbjahr in größeren Posten angekauft, und die Hütten sind kaum in der Lage, der starken Nachfrage zu genügen, Ueber Gießereiroheisen, Thomaseisen, Bessemereisen ist nichts wesentli Neues zw berichten; es gilt für diese Sorten, was oben über Roheisen im Allgemeinen bemerkt wurde; im Ganzen und Großen waren auch diesc Marken lebhaft gefragt und cs konnten die Preise fest behauptet werden, Das Walzeisengeschäft hat von feiner bisherigen Lebhaftigkeit noch nichts eingebüßt; die Preise waren fest und sind für verschiedene Fabrikate, den in leßter Zeit stark gestiegenen Rohmaterialien ent- jprechend, in die Höbe gefeßt worden. Für Stabeisen hat die in- ländishe Nachfrage si auf ihrer bisherigen Höhe erhalten; auch vom Auslande her scheint dieselbe si in leßter Zeit gebessert zu haben. Im Uebrigen sind die Werke auf Monate hinaus mit Aufträgen versehen. Vorläufig ist der Bedarf für die nächste Zeit gedeckt, und das Geschäft bewegt si, wie bei Quartalshluß gewöhnlich, in ruhigen Bahnen. Das Steigen der Rohstoffe, namentlih auch Alt- material, ist bis jeyt ein so rasches gewesen, daß die heutigen Preise nur noch geringen Nuzen lassen, Die außerordentlich hohen Kohlen- preise sichern andererseits dem Markte für die nächste Zeit noch einen festen Boden. Aehnliches gilt auch für Formeisen. Grohbblech- walzwerke sind ausnahmslos stark beschäftigt. Auch die Fein- blechwalzwerke sind in anhaltend regem Betriebe. Die Aufträge reihen theilweise auf 5 bis 6 Monate, Die Bandeisenpreije sind fest und zwar niht nur im Inland, sondern auch im Ausland, von wo sich cine um diese Zeit sonst ungewöhnlih starke Nachfrage geltend maht. Walzdraht, Drahtstifte und gezogene Drähte find im Wesentlichen unverändert. Die Beschäftigung der Maschi nen- fabriken und Eisengießereien ist eine lebhafte; dasselbe gilt von den Bahnwagenfabriken.

__— Die „New-Yorker Hdls.-Ztg." schreibt unter dem 13, d. M.: Die allgemeine Geschäftslage hat sich in den leßten Wochen nicht wesentlich verändert. Die Aktienbörse ist in jüngster Zeit recht mißgestimmt gewesen. Geld ist zwar nicht abundant, aber doch hin- reichend für die Anforderungen des legitimen Geschäfts, und wenn auh dann und wann, wie in den A Tagen, eine kleine Ver- steifung des Geldmarktes eintritt, so dürfte dieselbe doch {chwerlich lange anhalten, - zumal durch Kündigung der Bundesdepositen bei den Nationalbanken, welhe Depositen zum Ankaufe von Bonds benüßt werden sollen, Geld dem Verkehre uicht entzogen, sondern eher wieder zugeführt werden wird, Das Geschäft am Waaren- und Produkten- Markte ist, wie gemöhnlih um diese Zeit, ill geworden; erst nah Neujahr dürfte regeres Leben zu erwarten sein, Unsere Geschäfts- welt fann im Ganzen mit dem sich zu Ende neigenden Jahre zufrieden sein, wenn au nit in allen Branchen das Resultat ein günstiges zu nennen ist. Die Kohlenindustrie und alle Artikel, die einen guten Absay nur bei einem kalten Winter finden, haben dur das außergewöhnlich milde Wetter, das wir bisher gehabt, schr gelitten.

Auch haben die fürchterlihen Verheerungen turch Feuer und Wasser, wodur si dieses Jahr ganz besonders autzcihnet, aroße Verluste gebracht. Andererseits kommt aber die nöthig gewordene Wiederherstellung des zerstörten Eigenthums vielen Induftriea wieder zu Gute, und besonders hat die Eisenindustrie einza gan; phäno- menalen Aufs{chwung genommen.

_ Wien, 13. Dezember. (W. T. B.) Ausweis der Karl-Luk- wigsbahn (gesammtes Netz) vom 11. bis 20. Dezember: 252473 FL, Mehreinnahme 19 941 Fl., die Einnahmen des alten Netzes betrugen in derselben Zeit 199 912 Fl., Mehreinnahme 22 663 F[.

London, 23 Dezember. (A. C.) Die bedeutenditen Teppi H - fabrifanten Englands und. Schottlands haben cin Svn- dikat mit einem Kapital von nahezu 2000 000 Pfy,-Sterl. gebildet. Die neue Verbindung bezweckt die Einführung mehrerer neuer In- dustrie;weige für Kidderminster, sowie die Erwerbung ¿wcier ameri- kanisher Patente für die Fabrikation von Tapeziererstof zn. i

Bradford, 23. Dezember. (W. T. B) Wolle ftetiger, Garne rubig, stetig, Stofffabrikanten beschäftigt.

Kairo, 21. Dezember. (R. B.) Die E isenbahn mission hat das Angebot der eine deutsche Finanzie

“vertretenden Firma Suarez zum Bau einer LisenKhn ix

Savypten zur Annahme empfohlen. Die Deutshen wollen

für die Summe von 5250930 Pfd. Sterl. übernehmen.

Verkehrs - Anftalten.

Bei dexs 177 km langer reicishen Lokal - Eisenbtabn-Gesell id in diesem wie im Vorjahre im Betrieb proviforisch ermittelten Einnabmen im Mor 131675 Fl, und in der Zeit vcwm 1. Januar k 1889 980 075 FL., wäßrend die definitiven E Periode des Vorjahres 132677 Fl. J Fl. haben. Die provisori ermittelten, vorstehend nit iz Einnahmen der 57 km langen Lokalbabn HannSdorf hals betrugen in der Zeit vom 1. Januar bis 1889 175 261 FL.,, und jene der am 16. Juli er langen Lokalbahnen Herzogenburg—Kremés dorf—Sigmundsherberg bis Ende November d

Hamburg, 23. Dezember. {W. T. B.) Der P „Rhaetia“ der Hamburg- Amerikanischen Pad Aktiengesell\chaft hat, von New-York kommend, heute * Dover passirt, und der Postdampfer „Holsati Gesellschaft ist, von Hamburg kommend, gestern in s eingetroffen.

Hamburg, 24. Dezember. (W. T. B) Der Postdamvfer „Gellert* der Hamburg - Amerikanischen Packeitabrt- Aktiengesellschaft ist, von Hamburg kommend, gestern Abend 6 Uhr in New-York eingetroffen.

London, 23, Dezember. (W. T. B.) Der Castle-Dampfer „Drummond Castle“ ist beute auf der Ausreise in Lissabon an- gekommen.

Theater und Musik.

Berliner Theater.

Gestern Abend bereicherte das Berliner Theater fein Revertoire dur die erste Aufführung von Shakespeare's „Hamlet“. Die be- deutsame, weil eigenartige Aufführung, welche der großen Tragödie der Unentschlossenheit im Deutschen Theater zu Theil wird. bat damit ein würdiges und ebenbürtiges Gegenstück gefunden, und tie Zuscbauer, welche gestern Abend das Berliner Theater bis auf den legten Play füllten, gaben ihrem Beifall für die sckchöne, künstleriïiwe Leistung oft stürmishen Ausdruck Das Bemühen der leitenden Theattrèräfte gipfelt in leyter Zeit bei den großen kiassishen Dramen in dem Bestreben, häufigen Scenenwechscl mögzlist zu ver- meideo, um die Handlung ohne Unterbrehung in s\{neller Auscinanderfolge sh entwickeln zu lassen Die Regie des Berliner Theaters hat in dieser Hinsicht manGen großen Fortschritt zu verzeihnen. Gestern Abend gab die Scene, in welcher der Geist von Hamlet's Vater auf der Terrasse des Sloffes von Helsingör erscheint, die erste Veranlassung zu einem trefflichen tech- niswen Aushülfsmittel. Während der Geist, dem Hamlet winkend, voran- schreitet, verdunkelt sih das fable Licht der Nat, und während man noh die Stimmen der rufenden Freunde bört, vollzieht fich ein \{neller Scenenwechsel bei offfener Bühne. Alsdann bellt sich das Dunkel des Bübnenraums wieder ctwas auf, und man ficht den Geist auf einer anderen Stelle der Terrasse, gefolgt von dem Prinzen, erscheinen, Gleicwzeitig ist hier der fünftlerischen Meisterschaft Erwähnung zu thun, welche si in dem Schaffen des shwermüthigen Landschaftöbildes ausdrückte; der leicht umflorte Himmel, die in der Morgendämmerung röthli aufleu en- den Felsvor|prünge waren von nordisher Melancholie umwoben. Im dritten Aufzuge spielt sich die Scene, in welcher der König ver- zweiflungsvoll zum Gebet niederkniet, auf einer hölzernen Galerie hoh oven im Zimmer der Königin abz eben dort erscheint vor der dunklen Gardine auc das Gespenst des Königs; man begreift, daß nur Hamlet und niht auch die halb abgewandte Königin die Er- \cheinung sieht. Alle Dekorationen vereinigten düstere Pracht mit \chwermüthiger Harmonie der Farben. Die Bühne bot dabei fast nie einen einzigen abgeschlossenen Raum; überall gab cs Trepyen, Terrassen, Galerien, felsige Aufstiege, welche zu maleris{hen Aufzügen und in ihrem stufenweisen Aufbau für künstlerisch wirkende Gruppi- rungen günstigen Raum boten.

Die Darstellung zeigte überall Rundung und Sicherhcit. Die bedeutendste \{chauspielerishe Leistung des Abends bot naturgemäß der geniale Direktor des Theaterverbandes, Ludwig Barnay elbst, in der Titelrolle. Hamlet war eine Rolle, welche der bewährte Künstler mit großem Erfolge hier s{hon, wenn auch auf anderen Bühnen, gespielt hat Der grübelnde, philosophirende Dänenprinz, \{chwankend vor der That, und doch kühn und tapfer, kam in dem träumerishen Blick, der lässigen Geste treflih zum Ausdruck. Alle Gedankenblitze des Hamlet’ schen Geistes, gleichviel, ob sie in lärmender Tollheit oder in \{hmerzliher Shwermuth sich äußern, traten scharf in die Erscheinung. Barnay's Kunst ershafft von dem Heer meusch- liher Empfindungen, welche Hamlet's Brust erfüllen und durchtobez, ein einheitlihes klares Bild. Was der Künstler an Jugend}rische der Erscheinung gegen früher eingebüßt hat, ergänzt er dur die geistige Vertiefung, welche er in diese Rolle bineiniegt. Er hat offen ar jedes Wort und jeden Gedanken diescs Dramad immer wieder sludirt und ch zu eigen gemacht, um dem Di@ter in jeder Wendung des Charalters gereht zu werden. Der Swhluß ist sehr wirksam herausgearbeitet worden; Barnay's Hamlet zwingt dem sterbenden König noch den Giftbecher an die Lippen und folgt darin der Ansiht, welhe Tieck schon seiner Zeit ausgesprochen hat, während Andere diese Auslegung von Hamlet's Mede verwet]en. Fortinbras erscheint nih1 auf der Bühne; nur die kriegerische Musik seines heranziehenden Heeres klingt in die Halle des Todes binein. Daß Ludwig Barnay aber noch über die ganze jugendliche Elastizität und Eleganz der Bewegungen gebietet, bewies die vor- trefilih, mit bewunderungtwündiger Geschmeidigkeit und Sicherheit durchgeführte Fechtscene im leßten Akt. Die Rolle des Königs spielte Hr. Stahl mit düsterer Gnergie; es gelang ihm vorzüglich, die heimtückishe, unerschütterlihe Festigkeit des Handelus zur Anschauung zu bringen; im wverzweiflungso. Üen Gebet fand er weniger treffende Töne, Der Geist wurde von Hrn. Kraußneck mit dumpjem Pathos gesprochen, in welhem doch das menshliche Empfinden der gequälten Seele zum Ausdruck kam, Hervorzuheben sind noch die Hrrn. Kober (als erster Schauspieler) und Eckert (als erster Todtengräber) ihrer caraktcristishen Dar- stellung wegen. Der triviale alte Schwäßer Polonius wurde von Hun. Conrad ctwas nüchterner als nöthig, aber doch zufriedenstellend gegeben Die Könrgin fand in Frl. Baumgart eine hoheitsvolle und