1890 / 16 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 16 Jan 1890 18:00:01 GMT) scan diff

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beeinflusungen sind nur denkbar, wenn ihre Wirkung hinterher beeilt erben fann. Könnte das Geheimniß der Wahl wirklih absolut gewahrt werden, so würden die Wathlproteste nicht häufiger, sondern gerade geringer werden. Es fragt si nur: Js das jeßige System besser oder das von uns vorge- \h!agene? Daß das jeßige System nicht ausreiht , darüber verliere ih weiter kein Wort. Durch unseren Vorschlag würde, o meint man, Mißtrauen zwishen Arbeitgeber und rbeiter gesäet, manches patriarchalishe Verhältniß werde gestört, bei welhem der Arbeiter bei der Wahl gern der Autorität seines Brotherrn ge- folgt sei. Die Freiheit, der Autorität zu folgen, bleibt auch bei unserem System bestehen, und der, welcher die Autorität übt, wird si noch mehr darüber freuen, wenn der Arbeit- nehmer ohne äußeren Zwang derselben folgt. Ausführbar ist der Antrag. Eine Kommissionsberathung wird kein shäßbares Material liefern, denn was wir von nationalliberaler und fonservativer Seite gehört haben, deutet niht auf fruchtbare deen hin. Einige tehnische Schwierigkeiten werden sich leicht eseitigen lassen. Es wird si son ein Mittel finden, einen Bösmwilligen, der zu lange in dem Raum bleibt, zu ent- ernen. Die Befürchtung, daß ein Wähler alle in dem Raum iegenden Wahlzettel mitnehmen könnte, ist leiht zu be- seitigen. Es werden dann eben neue Zettel hingelegt. Durch eine spanishe Wand oder einen Vorhang i} leicht ein unbeobahteter Raum hergestellt. All die vorgekommenen Mißbräuche, wie der Unfug, die Leute mit hochgehobenen Stimmzetteln an die Urne treten zu lassen, sind un- gehörige Dinge. Die wissentlihe Verleßung des Wahl- gegen sollte strafbar sein. Das Couvert is nicht iz Hauptsache, sondern der abgeschlossene Raum; in diesem wird das eigentlihe Wahlgeshäft vollzogen. Wenn wirklich auf allen Seiten des Hauses der gute Wille vorhanden ist, das a gs zu hüpen, dann könnten die Herren wir sind auf unsere Redaktion des Gesetes nicht stolz ihre Amendements zur zweiten Lesung noch stellen. Wir könnten dann das Geseß vielleiht noch zur nächsten Wahl fertig be- kommen, und das wird doh für alle Diejenigen, die wieder- zukehren hoffen, gewiß von dem größten Werthe sein.

Abg. Singer: Die Bedenken gegen den Antrag haben nur den Zweck, das Gesey hinauszushieben. Die jeßige Ma- jorität müßte ja mit sich selbst aufräumen wollen, wenn sie

em Vorschlag zustimmte; denn sie ist nur dadur zu Stande E daß man 1887 troy der bestehenden geheimen Wahl n der denkbar starksten Weise das geheime Wahlrecht verleßt at. Wir haben das ja erst gestern bei der Wahl des Abg.

evsfy und früher bei anderen Wahlprüfungen deutlich A

ewiesen bekommen. Dem Abg. Müller hätte bekannt sein önnen, daß bei der Wahl seines Fraktionsgenossen von Stumm

das Wahlgeheimniß nit allzusehr gewahrt E ist; auf den Treppen zum Wahllokal und in diesem selbst haben die Be-

amten gestanden, die Arbeiter sind unter strengster Kontrole an den Wahltish geführt worden, und Keiner von ihnen hätte

es gewagt, einen anderen Stimmzettel als den, der ihm von seinen Vorgeseßten eingehändigt war, abzugeben. Wenn nicht in den herrshenden Kreisen das Bewußtsein Eingang findet, daß sie kein Recht haben, aus ihrer wirthschaftlichen oder politishen Machtstellung heraus auf die Wähler einzuwirken, werden auch die besten Geseze eine Verleßung des Wahl- geheimnisses niht verhüten. Jh weiß nicht, wie von dem An- trage das Entstehen eines Mißtrauens zwischen den Arbeitern und Arbeitgebern zu befürchten ist. Die Arbeiter selbst in Ostpreußen beklagen den patriarchalishen Zustand als eine schwere Last. Wir werden für den Antrag und die zweite Lesung im Plenum ohne Kommissionsberathung stimmen. Die kühle Stellun

der Regierung gegenüber den Militäranträgen in Bezug au den Arbeitershuß wird si freilich auch hier geltend machen. Alle Parteien haben das Bedürfniß gehabt, dem Lande aus- usprechen, daß das Geheimniß der Wahl gewährleistet werden u Der Haupterfolg der Diskussion liegt darin, daß, nach- dem auch die Herren von der rehten Seite sich für die ge- heime Wahl ausgesprochen, die Versuche, gegen das geheime Wahlrecht anzustürmen, beseitigt sein werden.

Abg. von Koscielski: Jm Namen meiner politischen Freunde erkläre ih die vollständigste Sympathie mit dem An- trage. Die Wahlbeeinflussungen haben in keinem Landestheil so zugenommen, wie bei uns im Osten. Jn den polnijchen Theilen der Monarchie kommt es sehr oft vor, daß deutsche Grundbesiger ihren polnischen Arbeitern gekennzeihneie Wahl- ettel verabfolgen lassen, fih bezüglich der anders stimmenden förmliche Proskriptionslisien anlegen, und dann unbarmherzig entlassen. Wir begrüßen deshalb den Antrag mit Freuden und werden für ihn stimmen.

Die Diskussion wird geschlossen.

Im S@hlußwort bemerkt der Abg. Ridtert: Wenn der Abg. Singer meint, daß mit der Berathung unseres Antrages hier die Hauptsache noch nicht gethan ist, so ist es doch ein erfreulihes Omen, daß während der ganzen heutigen Be- rathung der Hr. Vize-Präsident des Staats-Ministeriums von Boetticher anwesend gewesen ist, obgleih es sich nur um einen LaA Jnitiativantrag handelt. Wenn der Reichs- tag erst einen Beschluß gefaßt hat, wird Hr. von Boetticher auch gewiß seinen Einfluß für uns einsezen. Den Rednern von der rechten Seite, die uns einen Vorwurf daraus machen, daß 1ir den Antrag erst heute zur Berathung bringen, sage ih, daß wir den Antrag bereits im Anfang der Session

ellthaben. (Zwischenruf des Abg. Geibel.) Hr. Geibel

sident von Leveßow: Hr. Geibel hat gar nichts

bg.Rickert: Jh habe zu der nationalliberalen Partei noch Ligen R deni E E in eat aus der L ubergl)chen Kammer, Hr. Sachs, hal. c im entgegengeseßten inne wie Hr. Struckmann ausgesprochen. Wer die Reden dér Herren von der Rechten richtig zu interpretiren versteht, wird uns{hwer ihr Mißtrauen gegen das geheime Wahlrecht überhgüpt daraus erkennen. Hr. von Rauchhaupt und der fihere Minister von Puttkamer haben ihre Abneigung

gegen Das bestehende Reichstagswahlreht deutlih zu erkennen

gegebé “Da ein Antrag auf Kommissionsberathung des Ent- urfs nit gestellt ist, wird die zweite Berathung im Plenum

Der von dem Abg. Riert GNge ragte Gesetzentwurf, d die Abänderung der Militärstrafgerichts- g, wird unter Annahme eines redaktionellen Antrages . Klemm (Sachsen) nah unerheblicher Debatte in

sung definitiv angenommen.

: i Mas 5 Uhr vertagt sih das Haus.

Jm weiteren Verlauf der gesirigen (1.), Sißung des Herrenhauses ergriff nah der Wahl des äsidiums der Präsident Herzog von Ratibor von Neuem das Wort zu folgender Rede: :

„Meine Herren, bevor wir in den Geschäften des Hauses fort- fahren, erlauben Sie mir, eines Creignisies zu gedenken, welhes Se. Majestät unseren erhabenen Kaiser und König, das ganze Königliche Haus und das gesammte Volk mit tiefer Trauer erfüllt und weit Über die Grenzen unseres Vaterlandes hinaus die innigste Theilnahme wachgerufen hat. Ihre Majestät die Kaiserin und Königin Augusta, die treue Gefährtin unseres Heldenkaisers Wilhelm, die über ein halbes Jahrhundert hindurch Freude und Leid mit ibm getheilt, ist dahingeshieden. Alle die älteren Mitglieder dieses Hauses haben reihlihe Gelegenheit gehabt, die entschlafene Kaiserin in ihrer rastlosen Thätigkeit auf dem Gebiet der Wissenschaft und der Kunst, der Armen- und Krankenpflege Jahrzehnte lang zu beobahten und zu bewundern. Ihr Andenken wird unvergessen bleiben und in allen Kreisen, in denen edle Frauenthätigkeit zur Uebung ge- langt, dauernd fortleben.

Das Haus wird das Debürkujh fühlen, Sr. Majestät von der tiefen Theilnahme Kenntniß zu geben, welche dasselbe aus diesem traurigen Anlaß erfüllt, und ih nehme an, daz Sie Ihr Präsidium beauftragen, dieselbe in geeigneter Weise zum Ausdruck zu bringen.“

Das Haus erklärte sich damit einverstanden und beraumte sf R sodann die nächste Sißung auf Donnerstag r an. l

Beiden Häusern des Landtages ist Seitens des Ministers der öffentlihen Arbeiten von Maybach der Bericht über die Ergebnisse des Betriebes der für Rechnung des preußishen Staats verwalteten Eisenbahnen im Betriebsjahre 1888/89 zugegangen.

—. Dem Herrenhause ist der Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Ausdehnung des Geseßes vom 3. März 1 über den erleihterten Abverkauf kleiner Grundstücke auf unentgeltlihe Abtretungen einzelner Gutstheile oder Zubehörstücke zu öffent- lihen Zwecken, zugegangen. Derselbe lautet:

8,9,

Die Vorschriften der 8. 1, 3 und 5 des Gescßes vom 3. März 1850, betreffend den erleihterten Abverkauf kleiner Grundstücke (Gesey-Samml. S. 145) finden auch dann entsprehende Anwendung, wenn einzelne Gutstheile oder Zubehörstücke zu öffentlichen Zwecken unentgeltlich abgetreten werden.

In diesem Fall darf ein Unshädlichkeitszeugniß im Sinne des 8. 2 des Geseßes vom 3. März 1850 nur ertheilt werden, wenn das abzutretende Trennstück im Verhältniß zu dem Hauptgut von ge- ringem Werth und Umfange ist, und wenn die dur die öffentliche Anlage herbeigeführte Werthserhöhung des Hauptguts den Werth des Trennstüks erreicht.

8. 2.

Die Abschreibung des unextgeltlih abgetretenen Trennstücks vom Grundbuchblatte des Hauptgutes kann erfolgen, wenn die Auseinander- seßungsbehörde bescheinigt hat, daß mit der Ausführung der ôffent- lien Anlage begonnen ei.

Den Bestimmungen des gegenwärtigen Gesetzes unterliegen auch die vor dem Inkrafttreten desselben stattgefundenen unentgeltlichen A einzelner Gutstheile oder Zubehörstücke zu öffentlichen

weden.

In der Begründung heißt es:

Das Gesey vom 3. März 1850 beschränkt sh auf diejenigen e in welchen die Abtretung einzelner Gutstheile oder Zubehör- tüde gegen Entgelt Sauos eines Kaufpreises oder Uebernahme einer festen, ablösbaren Geldabgabe erfolgt. Es bietet die geeig- neten Handhaben, um Weiterungen und Kosten gegenüber geringen Objekten zu vermeiden, und wahrt gleichzeitig die Snteressen der Real- berechtigten gegenüber dem verpflihteten Grundeigenthümer. Es er- leihtert die Abveräußerung kleiner Grundstückstheile durch Beseiti- gung ershwerender Formen und dient dauernd einem praktischen Be- Muhe im Grundstücksverkehr.

nders liegt die Sache bei unentgeltlichen Abtretungen einzelner Gutstheile oder Zubehörstücke zu öffentliben Zwecken, also bei den- jenigen Fällen, in welhen solche Grundstükstheile zur Förderung ge- meinnüßiger Anlagen, insbesondere der Eisenbahnen, Wege, Kanäle u. \. w. unentgeltlih hergegeben werden. Auf diese Fälle findet das Gese vom 3. März 1850 keine Anwendung, vielmehr können jene Zwette na dem gegenwärtigen Stande der Geseßgebung, insbesondere nah 8. 65 der Grundbuchordnung vom 5 Mai 1872 (Ges.-Samml. S. 446) nur dadur erreiht werden, daß die sämmtlihen Realgläubiger in die lasten- und pfandfreie Abschreibung des Trennftücks vom Hauptgute - einwilligen. Abgesehen davon, daß die Einwilligung sämmtlicher M lte in manchen Fällen überhaupt nicht, in den meisten Fällen aber nur mit unverhältnißmäßigen Weiterungen und Kosten zu beschaffen ist, wird durch dieses Erforderniß nit nur der Grunderwerb für öffentliche Anlagen ershwert, sondern auch die Aus- führung solcher Anlagen oft in Frage gestellt oder verzögert. Häufig ist die unentgeltlihe Hergabe von Grund und Boden geradezu Voraus- sezung für die Realisirung gemeinnüyiger Projekte. So treten in der Regel die betheiligten Grundbesißer und Gemeinden das Terrain zu Chausseen unentgeltlich ab und bauen die Chausseen mit Beibülfen aus Kreis- oder Provinzialfonds aus, während der Kreis oder die Pro- vinz die ‘auernde Unterhaltung der ausgebauten Strecken übernimmt, sobald die zum Bau abgetretenen Grundstükstheile lasten- und pfand- frei abgeschrieben sind. Stößt diese Abschreibung auf Hindernisse, so müssen bis zur Beseitigung der leßteren die Chausseen Seitens der Unternehmer auf eigene Kosten unterhalten werden. Aehnliche Verhältnisse liegen beim Bau von Eisenbahnen, Kanälen, Ent- und Bewässerungsanlagen vor.

Angesichts dieser außerordentlihen Erschwerung der Durführung gemeinnüßiger Anlagen und Angesichts der Nachtheile, welhe für die allgemeine Landeskultur dadur entstehen, ist es erflärlih, daß ein dringendes Bedürfniß na geseßliher Regelung dieser Frage her- vorgetreten ift. ,

Bereits im Jahre 1885 hat der Abg. Dr. Graf voù Posadowsky- Wehner dem Hause der Abgeordneten den Entwurf eines Geseßzes, betreffend die Ausdehnung des Geseßes vom 3. März 1850 auf unen E Abtretungen einzelner Gutstheile oder Zubehö1stücke zu öffentlihen Zwetten, mit dem Antrage überreicht, diesem Gesetzentwurf die Zustimmung zu ertheilen. Die Vorlage wurde unter Zustimmung der Staatsregierung vom Hause der ‘Abgeordneten in der Sizung vom 7. März 1885 angenommen, scheiterte jedoch an dem Wider- \spruch des Herrenhauses, welches in seiner Sizung vom 21. März 1885 den Geseyentwurkf ablehnte, weil die Majorität in der Er- theilung von Unschädlichkeitsattesten ohne reale Entschädigung eine unzulässige Beschränkung der Rechte der Realgläubiger erdlickte.

Seitdem ist das Bestreben der Staatsregierung nah geseßliher Regelung dener Frage insofern von Erfolg begleitet gewesen, als inzwischen für die Provinz Hannover die Pana e Grundsätze des Geseßes vom 3. März 1850 auf unentgeltliche Abtretungen ein- zelner Gutstheile oder Zubehörstücke zu öffentlihen Zwecken durh das Geseß vom 25. März 1889 (Gesez-Samml. S. 65) im Prinzip als zweckmäßig anerkannt ist. Nah diesem Gesetze ist bei unentgeltlichen Abtretungen einzelner Gutstheile oder Zubehörstücke zu öffentlichen Zwecken die Ertheilung eines E Mali sowie die lasten- und pfandfreie Abschreibung der Trennstüke zulässig, wenn das Trenn- süd im Verhältniß zum Hauptgut von geringem Werth und Umfang ist, und wenn die dur die öffentlihe Anlage herbei- «eführte Werthserhöhung des Hauptgutes den Werth des Trennstückes

erreiht. Dieser Grundsay beruht auf der Erwägung, daß \sich der , Werth des Hauptgutes, von welchem einzelne Trennslüccke zu öffent-

lien Anlagen hergegeben werden, durch diese Anlagen, insbesondere dur§ tie damit verbundene Verbesserurig der Verkehrs- und Absay- verhältnisse wesentlich erböbt, die Möglibkeit der Verleßung der Realgläubiger also ausgeschlossen ist. Fällt aber hiermit das einzige Bedenken, welches bisher gegen cine derartige Erweiterung der Jt e des Gesetzes vom 3. März 1850 geltend gemat worden ist, so

ipfiehlt es si, die Vortheile des für die Provinz Hannover erlassenen Gefeßzes vom 2 März 1889 auch den übrigen Gebietstheilen der Monarchie zukommen zu lassen. Der vorliegende Gesezentwurf {ließt sich den Grundsäßen des vom Hause der Abgeordneten bereits im Jahre 1885 angenommenen Entwurfs

und des vorerwähnten Gesetzes für die Provinz Hannover im Wesent-

lihen an und bildet somit die erforderlihe Grundlage zur einheit- lihen Regelung dieser Materie für den ganzen Umfang der Monarchie mit alleiniger Ausnabme des Regierungsbezirks Wiesbaden und der vormals Großherzogli bessishen Theile des Regierungsbezirks Kassel, in welchen das iz vom 3. März 1850 nit eingeführt und ein Bedürfniß zur Einführung noch nit hervorgetreten ist.

ur Erläuterung der einzelnen Vorschriften des Geset- s wird Folgendes bemerkt E ag

Zu S8. 1. :

Der Entwurf beshränkt sich auf unentgeltli&e Abtretungen ein- zelner Gutstheile oder Zubehörstücke zu öffentlihen Zwecken. Ob mit dem Unternebmen, zu welhem der erforderlihe Grund und Boden unentgeltlich hergegeben wird, einem öffentlihen Zwecke gedient wird, ist in jedem einzelnen Falle von der E N bezw. Kredit-Direktion, welcher die Ertheilung des Unschädlichkteitsattestes auf Grund des §. 1 des Gesetes vom 3. März 1850 obliegt, zu prüfen. Eine idrantung auf bestimmte öffentliche Anlagen, wie Eisenbahnen, Wege, Kanäle u. |. w. würde die weiter gehenden Ziele des Geseßentwurss in Frage stellen.

Die Organisation der Kredit-Direktionen und der Auseinander- seßungsbebörden bietet den Realgläubigern die erforderliche Sicherheit für die sahgemäße Wahrnehmung ihrer Rechte bei der unentgeltlichen Abtretung der belasteten Trennstücke. Die Ausführungsbehörden werden bei Ertheilung der Unshädlikeitsatteste mit Vorsiht und Sorgfalt zu Werke gehen, um jede Benachtheiligung der Real- interessenten zu vermeiden.

Zu §8. 2.

Unter der in diesem Paragraphen gedahten Abschreibung ist nur die Abschreibung im Sinne des §. 71 der Grundbuchordnung vom 5, Mai 1872 (Geseßz-Samml. S. 446) zu verstehen. Aus dem 8& 71 der Grundbucordnung läßt sich nur entnehmen, daß die Er- theilung bes Unschädlihkeitsattestes der lasten- und pfandfreien Ab- schreibung des Trennstücks vorausgehen sol. Um jedoch den Real- gläubigern und dem Eigenthümer des Hauptgutes die Ausführung des gemeinnützigen Unternehmens und somit auch die beabsichtigte Werthserböbung des Hauptgutes zu sichern, erscheint es angemeffen, die Zulässigkeit der Abschreibung des Trenustückes vom Hauptgut vom Beginn der Ausführung des Unternehmens abhängig zu machen und die Ausftellung der Bescheinigung über die begonnene Ausführung der Auseinandersetungsbehörde zu übertragen. Eine weitere Verschiebung des Zeitpunktes der Abschreibung, insbesondere bis zur Fertigstellung der ôffentlihen Anlage, ist hon deswegen nicht rathsam, weil in diesem Falle der Unternehmer in der freien Verfügung über das ab- zutretende Trennstück behindert sein würde.

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Die Vorschrift des §. 3 soll dem Gesetze keine rückwirkende Kraft geben, sondern nur die Erleichterungen dieses Geseßes au denjenigen öffentlihen Unternehmungen zukommen lassen, bei welhem die Schwierigkeiten des Grunderwerbs durch Berichtigung des Grundbuchs noch nicht behoben sind.

Eine gleiche Vorschrift ist in das für die Provinz Hannover erlassene Geseß vom 25. März 1889 aufgenommen worden.

Dem Herrenhause ist ferner zugegangen: der Ent- wurf eines Geseßes, betreffend die Abänderung des 8. 19 Abs. 1 des Pensions gesezes vom 27. März 1872, welcher lautet :

Artikel I.

An die Stelle des §. 19 Abs. 1 des Pensionsgesezes vom 27. März 1872 (Geseyg-Samml. S. 298) tritt folgende Vorschrift :

8. 19. Mit Königlicher Genehmigung kann zukünstig nah Maß- gabe der Bestimmungen in den §8. 13—18 angerehnet werden :

1) die Zeit, während welcher ein Beamter

a. sei es im Jn- oder Ausland als Sachwalter oder Notar fungirt, im Gemeinde-, Kirchen- oder Schuldienst, im ständischen Dienst, oder im Dienst einer landesherrlihen Haus- oder Hofver- waltung sich befunden, oder

b. im Dienst eines fremden Staats gestanden hat;

2) die ls praktisher Beschäftigung außerhalb des Staats- dienstes, insofern und insoweit diese Beschäftigung vor Erlangung der Anstellung in einem e eta Staatsamte herkömmlih war.

rtite é Dieses Geseh tritt mit dem Tage der Verkündigung in Krast.

Schliemann’s Ausgrabungen

in Troja, Tiryns, Mykenae, Orhomenos, Ithaka im Lichte der heutigen Wissenschaft. Dargestellt von Dr. Carl Sc{uchhardt, Direktor des Kestner-Museums zu Hannover. Mit 2 Porträts, 6 Karten und Plänen und 290 Abbildungen. Leipzig, F. A. Brockhaus, 1890. (89. Pr. geh. 8 , geb. 9 M 50 4.) Dieses Buch bietet auf Grund der im Laufe der Jahre erschienenen einzelnen Publikationen des bekannten Forshers über seine Ausgra- bungen ein zusammenhängendes Bild von denselben und zieht zuglei das Facit ihrer Ergebnisse für die Wissenschaft. Der Verfasser beabsichtigt mit seinem Werk, nicht bloß in akademischen Kreisen zu einer allgemeineren Würdigung und Verarbeitung des Stoffes anzu- regen, sondern vor Allem au den Schulen und dem weiten ge- bildeten Publikum eine klarere Anshauung von den Resultaten der Lebensarbeit des vielgefeierten, aber auch viel angegriffenen Mannes zu geben, als dies durh jene ausführlichen, mehr für die wissenschaft- lihen Fa(hkreise bestimmten eigenen Berichte S(liemann's möglih ist. Vorangeschickt ist eine Biographie .des Forschers ; in den folgenden apiteln werden dann zuerst die größeren epohemachenden Ausgrabungen in Troja, Tiryns und Mykenae besprochen. Hierauf folgen Berichte über die kleineren Autgrabungen in Orhomenos und Ithaka. In einem leßten, 6. Kapitel endlich stellt der Verfasser eine auf den gesammten Fund- ergeben Séliemann's gegründete historishe Betrachtung über die griechishe Heldenzeit an. j Er geht dabei von der jeßt auch wohl niht mehr \trittigen Ueberzeugung aus, daß jede Erörterung über den Ursprung und den thatsählihen Gehalt der homerishen Gedichte sowie über den Ursprung des griehischen Volkes und seiner Kultur die Schliemann’schen Funde als vóornehmstes Forschungsmaterial betraten müsse. Denn erst mit ihrer Hülfe sei es mögli, si ein Bild davon zu machen, wie die Länder und Völker, welhe Homer in seinen großen Heldengedichten \{hildert, in Wirklichkeit beshaffen waren. Als die mykenischen Schäge nah Athen gebracht wurden, sagt Scchuchhardt, wiederholte B dasselbe Schauspiel, welches bei der Ankunft der aeginetishen Bildwerke in München in den dreißiger Jahren stattgefunden hatte: alle Welt s{üttelte den Kopf ob sol unerbörten Kunststils und konnte nicht eine Linie griechishen Charakters darin i Au heute selbst ist ihre Zugehörigkeit noch immer Gegenstand des wissenscaftlihen Streites. Schliemann meinte, in den Gräbern von kenaec die Kultur Achhäern wiedergefunden Köhler stellte dagegen die These auf, daß dieselben den Carern angehörten. Diese beiden Auffassungen stehen einander noch heute gegenüber. Das Auffallendste an S(liemann’'s Ausgrabungen is zunächst, daß dieselben an all den Stätten, welche bei. Homer als die Mittelpunkte

von Homer's u ben,

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großer Macht aeb Veri Mea s erscheinen, auch wirklich jedes Mal eine solche bervorra Mat und Prat festgestellt haben. Jn Mykenae Tirpns und Orchomenos tritt uns ein und dieselbe „my- kenishe“ Kulturperiode entgegen; in Troja is die Masse der Funde aus der Hauptscict allerdings andersartig und offenbar älter, aber egen das Ende der dortigen großen Periode tritt ebenfalls der my- ische Stil auf und stellt fo den zeitlihen Zusammenhang zwischen beiden Pehlten her. Hieraus allein, sagt der Verf, gebt schon klar hervor, daß die griffe Homer's von seiner griechischen Heldenzeit zurück- gehen auf die Kunde von dieser mykenishen und trojanishen Blüthe- pericde. Vielfach ftebt ihm sogar nit bloß Kunde, sondern völlige Kenntniß zu Gebote, und diese wird um fo auffallender, wenn es ih um Dinge handelt, welche in keiner späteren Zeit mehr so hergestellt worden find wie in der mykenishen. In dieser Beziehung ist zu- näht an die festumshirmten Burgen zu erinnern, welhe es nahber weder in Griechenland, noch in Kleinasien mehr gab. Homer weiß gean von Mauern, Thürmen und Thoren ; er beschreibt das skäische hor mit seiner großen Plattform, von welcher aus Greise und Frauen dem Kampf in der Ebene zusehen, genau so, wie das freigelegte älteste Burgthor auf Hifsarlik in der That gestaltet ist. Auch wie es im Jnnern der Burg aussieht, ist ihm woblbekannt. Der große Hof, von Sâulenkallen umgeben, in dessen Mitte der Altar des Zeus ehí, und der Hauptsaal, in welhem Odysseus die Königin der hâaken treffen soll, „f end am glänzenden Feuer des Herdes, an die ule gelehnt *, sind Beweise dafür. Der Metallreihthum jener jugendlich prunkenden Zeit spiegelt si ebenfalls bei Homer deutlich wieder Wie in den Tholosbauten die Wölbungen, so shimmern in des Alkinoos’ Palaste die Wände von Erz. Ohne die Goldsacven der Swaygräber wird man die Erzählungen Homer's von den getrie- benen Bechern, wie dem des Nestor, den gebuckdelten Webrgehenken und den goldenen Hunden, die vor des Alkinoos* Thür Wat balten, für kee Phantasie erklären und hat das ja auch in der That früher gethan.

Die auffälligste und wichtigste Uebereinstimmung zwischen den mycenisden Funden und Homer is aber wohl die, welhe die ein-

elegte Arbeit der Dolchklingen und eines erft jüngft, hinzugekommenen ehers uns zeigt. Nirgends sonst sind bisher auf griewishem Boden derartige Arbeiten, ganze Bilder aus verschiedenen Metallen hergestellt, u Tage gckommen, und gerade von ihnen hat Homer noch eine ganz are Anschauung gehabt, denn er beshreibt eingehend, wie auf dem Stilde des Achilles Weingärten dargestellt sind, mit blauen Trauben an goldenen Stôöcken und von zinnernem Zaune umgeben, und ferner Jünglinge, welhe goldene Schwerter an silbernen Gehenken tragen.

Wenn nun aber au die Uebereinstimmung zwischen den aufge- fundenen Lenkmälern und den epishen Schilderungen hinreihe, um zu beweisen, daß Homer mit seinen „Achâäern* die Träger der mykenishen Kultur gemeint habe, so dürfe man diese Ueberzeugung doh nit in der Art überschäßen, daß man die Kultur der eten Griechen na der großen Wanderung den Dorern zuschreibe. Diese Auffassung werde merkwürdigerweise in den neuesten Geschichtsdar- stellungen vertreten, sei aber aufs Entschiedenste abzuweisen. Wie follten die Dorer, welche zur Herstellung von Dach und Thüren nicht mehr Instrumente als Axt und Säge gebrau(en durften, welche selbst als Tauschmittel nur Eisen verwendeten, welche den Mauerbau ver- \{mähten und in offener Lagerstadt wohnten, wie sollten sie irgend etwas gemein haben mit der feinsinnigen Ornamentik, dem Si und der staunenswerthen Bauthätigkeit der mykenischen

ericde.

Die Träger der mykenischen Kultur haben, nach Schuwhardt, fterlich in Myhfkenae eine lange dauernde und festbegründete Bab ads auëgeübt; nur so erklären sich au ihre mit so ungeheuren

itteln erbauten Burgen und der einzig in der Welt dastehende Reichthum ihrer Gräber. Die Zeit, welber diese Kultur angehört, Iäßt si aber noch sehr werig sicher bestimmen. Der myfkenische Kunststil lehnt sich in einer Fülle von Einzelheiten an asiatische Motive an. Dahin gehören die beständig wiederkehrenden Löwen und Ln die Doppelaxt des karischen Zeus, die sizende weibliche Figur auf einem kleinen Goldblech), welhe genau der Göttermutter am Sipylos pes die Schnabelshuhe der Männer auf dem Goldbecher von Amyklàä, die Kuppelform der Gräber, welde wahrscheinlih auf phrygischen Häuserbau zurückgeht, und die Massen von Gold, welche doch au wohl nur von Phrygien oder Lydien bezogen sein können. Den lebhaften Verkehr mit Egypten beweisen unter den Fundergebnissen ein Straußenei und die Skarabäen, die Papyrusstauden auf der Dol@klinge, die Reliefbilder, die Form der Schwerter, das Muster der Dee von Orchomenos, die Wandmalerei von Tiryns und andere Motive. Aber diese asiatischen und egyptishen Einflüsse brauhen uns nicht zu wundern. Hatten doch die späteren Griehen selber noch deutliche Kunde von denselben und gaben sie unumwunden zu. Perseus, der von den Inseln, und Pelops, der aus Lydien nah dem Peloponnes kommt, werden nah einander Könige von Mykenae, und in der Gestalt des Danaos, der aus Egypten einwandert, verkörpert si alles, was die Hellenen dem Nillande zu verdanken glaubten. an wird den mykenishen Stil also noch nit einen griehischen nennen dürfen, denn griehisher Stil und griehishes Wesen hat si nah Allem, was wir beobahten können, erft im 7. Jahrhundert zu voller Eigen- art ausgebildet, wo auch der Name der Hellenen zuerst auftritt Viel - mehr läßt uns die mykenishe Kultur einen Einblick thun in die gährende Mischung, aus weler das spätere Griehenthum sich abgeklärt hat. Wir sehen da phrygische, lydische, karishe, egvptishe und vor Allem Insel- Elemente, und do machen si überall hon die Ansäße zu einem neuen eigenen Gestalten bemerkbar. Daß in der ganzen Ausdehnung dieser Kultur der Name der Achäer geherrscht habe, ift kaum anzu- nebmen. Wir wissen weder, welher Stamm diesen Namen zuerst führte, noch wie Homer dazu kommt, ihn für die vereinigten Griechen zu verwenden. peziell die Argolis heißt acâisch, aber auch auf Kreta und in Thessalien werden Achäer genannt. Neben ihnen werden wir in Böotien die Minyer, in Attika die Jonier und auf den Inseln Karer seßhaft zu denken baben, sodaß die mykenishe Kultur nicht die eines einzelnen Volks war, sondern dur lebhaften We(hselverkehr ih bei allen im und am Archipelagos wohnenden Stämmen heraus- gebildet hat. Möglicherweise hat eine zeitweilige Fee Einise gung dieser verschiedenen Stämme die gleicartige Verbreitung der Kultur noch mehr gefördert. Wir denken unwillkürlich an das Reich des- Minos, der von Kreta aus eine große Seeberrshaft autübte, der die Karer unterwarf und dem auch der griehishe Küstenstrih den Tribut zahlte, welcher für Athen in der erst von Theseus abgeshafften regelmäßigen Entsendung von Falgleaun und Jünglingen bezeugt ift, aber innerhalb eines solhen Reichs, mag dessen Mittelpunkt nun auf Kreta oder in Mykenà, oder zuerst dort und dann hier gelegen haben, sind jedenfalls eine Reihe von Stämmen an der gleihen Kul- tur betheiligt gewesen. Die mykenische Kultur ist gewiß in manchen Punkten von fkarisher Sitte beeinflußt worden ; die Karer waren nah Herodot ein besonders seetüchtiges Volk, welches die Schildzeihen, Schildhandhaben und Helmbüsche erfand. Aber noch mehr Beziehungen weisen doch nah Lydien und Phrygien, und von bier dürfte demnach der Haupttheil der zugewanderten Be- völkerung gekommen sein. Aus der Mischung der verschiedenen frem- den Elemente bildete sich dann auf dem neuen Boden ein neues Ganzes, und dabei wirkte jedenfalls auch der Einfluß des alt- eingesessenen Volks in den verschiedenen Gegenden mit Auf dem riehischen Festlande beherrshte die myfkenishe Kultur nur die Ost- fte; im Innern saßen wohl diejenigen, welche die Sage elasger nennt und die ebenfalls wieder aus einer Reibe verschiedener

tämme bestanden haben mögen.

Innerhalb diejes Bildes erklärt s|ch der Verf. alsdann den trojanischen Krieg olgendermaßen: Für die Festigung der Seeherrshaft des inos war Grundbedingung die Abschaffung der Seeräuberei, welhe dur die Unterwerfung der Karer erreiht. wurde. Die Ausbreitung der mykeni- \chen Kultur is dementsprehend ein Beweis für die friedlichen, ge- deihlihen Zustände im ganzen Inselmeere. Die früheren Friedens- \tôrer werden aber nicht allein Karer geheißen haben. Die Ent-

brung der Helena von dem europäishen Gestade na Troja ist mer {hon als ein bildliher Ausdruck für verübte Seeräuberei be- trachtet worden. Die Stadt Troja aber mußte den

Ordnung erstrebenten Mächten eine um \o gefährliere Widersacherin sein, als sie, wie ihre günstige Lage an der Durchfahrt zwishen zwei Meeren erklärt, und wie die Funde bewiesen baben, damals wohl die mäctigste Stadt an ver fllein- asiatishen Küste war. Da mag es eine Aufbietung aller Kräfte erfordert haben, um diesen grimmigsten Feind der neuen Gesittung und Matt zu zähmen, und die Nicderwerfung. desselben wird sür die olgezeit immer als die größte That der „Achäer“ dagestanden haben. ie zweite Stadt auf Troja, die einzig große und bedeutende Periode der Burg, bat na Ausweis der Funde mitten in der mykenischen Blüthezeit ibr Pop liGes Ende gefunden. Die Erklärung liegt sehr nabe, daß dies Ende eben dur jene aufftrebente Kultur herbeigeführt worden ist. Damit würde aber der trojanishe Krieg, wie der Verfasser meint, weit mebr thatsählihe Grundlage gewinnen, als man ihm in den leßten Jahrzehnten zugestehen mochte, und zugleich Homer in einem ganz neuen Lit ersheinen. In den homerishen Liedern, sagt Scóuchardt, ipiegeln sich zum größten Theil die griehischen Verbält- nisse nah der dorishen Wanderung, Man nahm daber an, daß die Lieder unter den von den Dorern vertriebenen und meist nach Klein- asien geflohenen Achäern entstanden seien, und daß der trojanishe Krieg das Spiegelbild sei so manchen Kampfes, den die Ankömmlinge auf dem neuen Boden zu bestehen gehabt hätten. Aber abgesehen davon, daß die Flüctlinge, welhe zu Hause geschlagen und zersprengt waren, drüben wohl \chwerlich gleid Eroberungen gemaht und Städte belagert haben, btieb doch auch jene Erklärung besonders dadurch sehr unbefriedigend, daß man niht einsah, warum die Dichter ilre Helden nah bestandenem Kampf in die Heimath zurückehren ließen. Man sah sid daher zu der An- nabme gezwungen, daß die Dithter cine {on früher von den Vätern der Flücbtlinge vollbrahte Eroberung Trojas fingirt hätten, um in solhem Bilde die Thaten der Enkel zu besingen. Wenn nun aber die aufgefundenen Thatsachen dafür sprechcn, daß besondere Thaten der Enkel garniht anzunehmen, sind, daß dagegen der in Rede f\tehende Kriegszug der Väter sehr wobl in Wirklichkeit stattgefunden baben kann, so werde man doch zweifellos den leßteren als Grundlage des Gedibts betrahten müssen. Auch daß erst in dem unruhigen Getriebe der nach Kleinasien Entflobenen die Anfänge der Homerischen Dichtungen entstanden fein sollen, hält der Verfasser für unwabrsceinlich. Die Blüthe der Dichtkunst pflege immer Hand ix Hand zu gehen mit einer Blüthe der bildenden Kunst, und beide seien eigentliqy nicht Lenkbar ohne eine Blüthe politischer und speziell monarchisher Macht. Ießt, wo wir diese Stätten monarchischer Mat an dem griechishen Ufer kennen, wo wir sehen, welch eine Fülle von fkunstvoller Pracht bier durch Jahrhunderte geberrsht hat, sei es eigentli garniht mehr möglich, anzunehmen, daß diese ganze Zeit über kein Sänger als Bringer der Lust an des Herrschers Tafel erschienen sei, und erst den Auêwanderern drüben in dem kümmerlihen Bemühen, eine neue Existenz zu finden, die Zunge sich gelöst habe. Vergegenwärtige man si dazu, daß in den älteren Theilen der homerischen Lieder noch eine klare Anschauung der Verhältnisse lebe, welhe mit der Einwanderung der Dorer zu Grunde gegangen sind, daß der Pala‘, die Viauern und Thore der Burgbefestigung und die eingelegten Gold- und Silberarbeiten be- ag werden, so werde man diese Auffassung nicht allzu kübn nden.

_ Das Buch ift gediegen und reih ausgestattet. Außer den Por- träts Schliemann's und seiner Gattin enthält es zahlreiche vortreffliche Holzshnitt-Abbildungen von allen hervorragenderen Fundobjekten. Diese sind zum Theil aus den erwähnten eigenen Publikationen Schliemann's ausgewählt, zum Theil au nab photographischen Auf- nahmen feiner neueren und neuesten Entdeckungen reproduirt oder nah Skizzen hergestelit, die der Verfasser im athenishen Museum gemacht hat. Auch Ansichten der Fundorte werden geboten und endlih sind mehrere Situationspläne und Karten beigefügt.

Statistik und Volkswirthschaft.

Fürsorge für Arbeiter.

Die gestern an dieser Stelle erwähnte Stiftung der Stadt Elberfeld im Betrage von 100000 G isst von der Stadt- verordneten-Versammlung in einer Adresse an Se. Majestät den Kaiser und König zu genehmigen beantragt worden. Die Adresse lautet: -

__ eAllerdurchlauhtigfter Großmättigster Kaiser und König, Aller- gnädigfter Kaiser, König und Herr! Zum dritten Male in Doppel- jahresfrist ist das Kaiserhaus der Hohenzollern von tiefer Betrübniß heimgesucht: Kaiserin Augusta hat ihren Leber slauf vollendet.

Aufgewachsen unter den idealen Eindrcücken ihres gesegneten Heimathlandes hat sie ihr ganzes Leben der gewissenhaftesten Erfüllung ihres fürstlihen Berufes, der Pflege des Guten und Schönen, vor allem aber der Wohlthätigkeit gewidmet.

Wenn die gegenwärtige und die Fommende Zeit die Ausübung der helfenden Liebe ihr Zeichen nennt, so hat die verstorbene Kaiserin als ein glänzender Stern der Zukunft vorangeleuWtet und durch ihr edeles Beispiel Tausende zur Erkenntniß und Nacheiferung angeregt. Mit ikr sinkt in das Grab die treue Pflegerin und Gefährtin unseres unvergeßlichen Heldenkaisers Wilhelm und die liebevolle Mutter des edelen Kaisers Friedrich. Schmerz und Trauer erfüllt das ganze Vaterland, darunter au die königstreue Stadt Elberfeld.

Diesem Gefühle Ausdruck zu geben, hat die Vertretung der Stadt beconen, Ew. Majestät ihre untertbhänigste tiefe Theilnahme aus- zusprehen und als Zeichen bleibender Erinnerung an die theure Heim-

egangene und im Sinne ihres reihgesegneten Wirkens eine Stiftung im Betrage von Ein Hundert Tausend Mark aufzurihten, welche der Verbesserung der Wohnungsverhältnisse der arbeitenden Klassen dienen soll, und welher den Namen Kaiserin-Augusta-Stiftung mit Ew. Majestät huldvoller Genehmigung zu führen gestattet sein möge. Gott segne, Gott {üge Ew. Majestät und das ganze Kaiserliche Haus! Ew. Majestät __allerunterthänigste, treugehorjamste Ober-Bürgermeister, Beigeordnete und Stadtverordnete. Elberfeld, den 14. Januar 1890, *

Zahnärzte und Zahntechniker im Deutschen Reich im Jahre 1889.

Der von uns schon neulich erwähnte „Dental - Kalender für Deutschland, Oesterreih-Ungarn und die Schweiz“ für 1890 bringt in seinem zweiten Theil auch eine, allerdings verschiedene Druckfehler und namentlich veraltete Areal- und Bevölkerungsangaben enthaltende, sonst aber ganz übersihtlihe Zusammenstellung der im Deutschen Reiche sowie in den einzelnen Bundesstaaten bezw. preußischen Pro- vinzen vorhandenen Feionen , welche sich im Jahre 1889 mit Zahn- heillunde und Zabntechnik la tigten: Darnah gab es îim Deutschen Reiche 2764, im preußishen Staat 1644 sol{cher Personen, darunter 667 bezw. 399 in Deutshland approbirte Zahnärzte, 134 bezw. 90 in Amerika graduirte Doctors of Dental Surgery, 49 bezw. 29 im übrigen Ausland diplomirte Dentisten und 1914 bezw. 1126 Zahnkünféler und Zahntechniker. :

Vergleiht man die Gesammtzabl dieser Zahnärzte u. #. w. mit der Gesammtbevölkerung, so entfallen auf 100000 Einwohner im Deutschen Reiche 5,9, im preußishen Staate 5,8, in Bayern, 5,3, in Sawsen 7,0. Eine verhältnißmäßig große Fol folher Erwerbs- thätigen haben die Großherzogthümer Mecklenburg-Schwerin und -Streliß, sowie verschiedene Kleinstaaten aufzuweisen. Von den preußischen Provinzen gingen auser Berlin nur Schleswig-Holstein und Hessen-Nassau mit je 7,3 über den Staatsdurhschnitt hinaus ;

Pommern, Brandenburg und Sthlesien erreihten ihn Dea mit 5,

bezw. 5,6 und 5,5, die übrigen blieben mehr oder weniger hinter dem- selben zurück, am weitesten Posen mit 2,9 und Ostpreußen mit 2,2 auf 100 000 Einwohner.

Am stärksten sind Erwerbsthätige der Zahnheilkunde in Groß- und Mittelstädten vertreten. Berlin weist allein 388, nahezu ein Viertel aller in Preußen vorhandenen Personen dieser Art auf, so

daß hier auf 160 000 Einwohner 29,5 entfallen. Daher der verhält- ni äßig große dur{s\chnittlihe Proaeien für den preußischen Staat. Für die übrigen 20 deutshen Großstädte stellen wir nah dem Namens- verzeihnisse der Aerzte und Techniker folgende Angaben zusammen: Hamburg 114, Breslau 58, München 73, Dresden 61, Leipzig 41, Köln 34, Frankfurt a. M. 51, Königsberg i. Pr. 20, Hannover 32, Stuttgart 28, Bremen 24, Düfseldorf 13, Nürnberg 20, Danzig 13, Magdeburg 28, Straßburg i. E. 21, Chemniy 21, Elberfeld 11, Altona 17, Barmen 11.

Literatur.

Zehn Jahre Berliner Kunstges©ihte (1870—1880). Humoristishe Extrafabrten naw der Kunstausstellung tes Gran Heil. Mit einem Vorwort von Ludwig Pietsch. Berlin, Verlag von Paul Hüttig. Die hier in Bu{form herausgegebenen humo- ristishen Kunstberihte über ein ganzes Dezennium erschienen seiner Zeit in der „Tribüne“ und g: fielen dur die witige Art, in welcher sie geschrieben waren. Mit feiner Satire unterzog ihr Verfasser, G. Heil, Alles, was auf den hiesigen Kunstavsstellungen Anlaß zu bumoristishen Bemerkungen gab, seiner Betrahtunz und legte das, was er auf ihnen an Material gesammelt, im Feuilleton der „Tribüne* nieder. Man merkte es ihnen an, sagt Ludwig Pietsch in seiner Vorrede, daß sie keineswegs nuc jener selbstgefälligen Spottlust und jenem Wiß entsprungen waren, der „Krieg auf ewig mit dem Schönen treibt,“ sondern daß dieser Satiriker im Gegentheil gerade für das „„echte Scöône in der Kunst von warmer ehrlicher Begeisterung erfüllt und für alles Kunst- eschaffene mit feinstem Verständniß und gründlicher Sawkenntniß begabt sei." Des Weiteren theilt L. Pietsch mit, daß G. Heil seit jener Zeit, in welcher er mit so frishem Humor arbeitete, die alte Rüstigkeit verloren habe und dur Krankheit verhindert worden sei, den früheren Berichten neue folgen zu laßen. Um nun wenigstens die alten der Vergessenheit zu entreißen, habe er auf Drängen seiner Freunde si entshlofsen, wenigstens diese gesammelt herauszugeben, nahdem er dieselben gründlicher Feilung unterzogen babe. So treten denn die Beribte, deren si die Kunstfreunde aus jener Zeit wohl noch erinnern werden, aufs Neue in die ODeffentlibkeit als abge- \{lofsenes Ganzes und werden auch jeßt noch Leser finden, die sich an ihnen ergößen. Í 7

„Stanley’'s Briefe über Emin Pasha's Be- freiung* ist der Titel einer soeben im Verlage von F. A. Brockhaus in Leipzig erschienenen autorisirten deutshen UÜeber- seßung einer mit Stanley's Genehmigung veröffentlihten Samm- lung seiner bisherigen Briefe und Beribte. Dieselben find namentli in Deutschland nur zum geringsten Theile und sehr lücken- baft bekannt geworden, und ihre Lektüre giebt daber zum ersten Male ein übersichtlihes Bild der langwierigen, gefahr- vollen und in den verschiedensten Beziehungen, besonders auh in geographisher Hinsi®t, interessanten und wih- tigen Expedition. Außerdem is der Sammlung noch ver- \chiedenes neues werthbolles Material und eine Uedbersihtskarte bei- gefügt. Es sind im Ganzen 15 Briefe mit verschiedenen Beilagen, die auch über Stanley's Verbältniß zu Emin Pascha klareres Licht verbreiten; bis Emin Pascha selbst im Stande scin wird, volle Auf» klärung zu geben, sind Stanley's und seiner Gefährten Berichte das einzige Authentishe darüber. Wie rege das Interesse für Stanley und Emin Pascha im deutshen Volke, und wie gespannt man ift, Näheres über die Exvedition Stanley's zu erfabren, ergiebt sich auch daraus, daß die Verlagshandlung, wie wir bören, genöthigt war, gleichzeitig fieben Auflagen erscheinen zu lajien.

Der Redaktion des Reihs- und Staats-Anzeigers find folgenda Bücher und Druckschriften übersandt worden: Kriegsgeshichtlihe Einzelschriften. Herausgegeben vom

Großen Generalstabe. Abtheilung für Kriegêsgesbichte. Heft 12. Der o von Soissons am 3. März 1814 und die demselben un- mittelbar vorbergehenden Operationen des S{lesishen Heeres. Das Nachtgefecht bei Laon am 9. März 1814. Die Stärkeverhältnifse im Deutsch-Französishen Kriege 1870/71 bis zum Sturze des Kaiser- reihes (Schluß). Ernst Siegfried Mittler und Sohn, Berlin 1889. Publikationen aus den K. preußishen Staats- archiven. Veranlaßt und unterstüßt dur die K. Archiv-Verwaltung. 41. Band. Otto Meinardus, Protokolle und Rela- tionen des Brandenburgischen Geheimen Raths aus der Zeit des Kurfürsten Friedrih Wilhel m. Erster Band: Bis zum 14. April 1643. S. Hirzel, Leipzig, 1889. Mitthei- lungen des Geschihts- und Alterthums-Vereins zu Leisnig im Königreih Sachsen 8. Hesk. Zusammengestellt und im Auftrage des Vereins herausgegeben von Dr. med. C. M. Müller. Selbstverlag des Vereins, Leisnig, 1889. Genea- logishe und biographische Notizen über die oft- preußische Familie von Werner 1. Gesammelt von Georg Conrad, Gerihts-Assessor in Königsberg (Ostpreußen). R. Kanter, Marienwerder, 1889. Nachträge und Berichtigun en zur urkundlihen Geschichte der Tettau'shen Familie von W. I. A. Freiherrn von Tettau. Stargardt'she Buchkbandlung, Berlîn, 1889. Publikationen des Börsenvereins der deutshen Buchhändler. Neue Folge. Archiv für Geschichte des deutshen Buchhandels. Herausgegeben von der Historischen Kommission des Börsenvereins der deutsben Buchhändler. XIE. Verlag des Börsenvereins der deutshen Bubändler, Leipzig, 1890. Beiträge zur Erläuterung des deutshen Rechts, in be- sonderer Beziehung auf das preußishe Reht mit Einschluß des Handels- und Wechselrechts. Begründet von Dr. J. A. Gruchot. Braegeaees von Rassow, Reicsgerihts-Rath, und Künßgei,

eheimem Ober-Justiz-Rath und vortragendem Rath im Königlich preußishen Justiz-Ministerium. Vierte Folge. Vierter Jahrgang. 1. Heft. (Der ganzen Reihe der Beiträge XXXIV. Jahrgang.) Franz Vahlen, Berkin, 1890. Kommentar zum Strafgeset-

uh für das Deutsche Reih. Von Dr. Justus Olshausen, Kammergerichts-Rath. 3. umgearbeitete Auflage. 6. Lieferung (Bogen 56—65). Franz Vahlen, Berlin, 1889. Wie treibt man am leihtesten seine Außenstände ein? Ein aus der Praxis her- vorgegangener Leitfaden für Jedermann, si selbst beim Amtsgerichte zu vertreten. Bearbeitet und herausgegeben von C. Brown, Ber- fasser des „Rechtsbeistand vor den deutschen Amtsgerichten“. 2. ver- besserte und vermehrte Auflage. Gustav Weigel, Leipzig. —-Anx. nalen des Deutschen Reichs für Geseygebüung, Verwal tung und Statistik. Staatswissenschastlihe Zeitschrift Ukd- Materialiensammlung herausgegeben von Dr. Georg Hirth “Unk Dr. Marx Seydel. 23. Jahrgang. Heft Nr. 1. A. Hirth, MüntheFck und Leipzig. Lehrbuch des preußischen Verwaltuns- rechts. VonG. A. Grote fend. Licf. 2. Verlag von Carl Habel (C.G. *- Lüderitß'she Verlagsbuhhandlung), Berlin, 1889. Ersay kurze zeitiger Freiheitsstrafen, Eine kriminalpolitishe Studie von i; Dr. P. F. AsWrott, Amtsrichter in Berlin. Vexlagsanstalt und Druderei-Aktiengesellchaft (vormals I. F. Richter), Hamburg, 1889. Der ländliche Grundbesiß in dem Entwurfe eines... bürgerlihen Geseybuches sür das Deutsche Reich, ins- b-sondere binsihtlich seiner Dele an Vortrag des Referenten Rechtsanwalts und Rittergutsbesißers Y. G. Opig, Treuen i: V. in der XIV. Gereralversammlung der Vereinigung der Steuer- und Wirthschafts-Reformer zu Berlin am 25. Februar 1889. Verlag des Bureaus der „Steuer- und Wirthschafts-Reformer“, Berlin, 1889. Die Seehäfen des Weltverkehrs, dargestellt von Joseph R. von Lehnert, K. und K. Linienshiff}s-Kapitän. Johann Holeczek, K. und K. Korvetten-Kapitän, Dr. Carl Zehden, Professor an der Wiener Handels- Akademie und Dr. Theodor Cicalek, Professor ander Wiener Handels-Akademie unter Redaktion von Alexander Dorn: f, Lief. 6 (3. Heft des 11. Bandes). Volkswirthschaftlicher Verlag von Alexander Dorn in Wien. Annalen der Hydrogra ph und Maritimen Meteorologie. Organ des Hydrographi\ er