1890 / 18 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 18 Jan 1890 18:00:01 GMT) scan diff

Sachsen. Dresden, 17. Januar. Nachdem Jhre Majestät die Königin einige Tage fieberfrei geblieben war, trat, wie das „Dresd. Journ.“ meldet, vorgestern Abend abermals eine geringe Fiebersteigerung ein, die sih auch gestern Abend wiederholt hat. Die katarrhalischen Erscheinungen von Seiten der Lunge hatten sich in nicht unerhebliher Weise g bessert, insbesondere war der Husten weniger lästig. Es hat sih aber neuerdings Schnupfen eingestellt und der Husten ist seit legtvergangener Nacht wieder etwas vermehrt. Se. Durchlaucht der regierende Fürst Reuß j. L. i} zu einem längeren Aufenthalt hier eingetroffen.

Zu dem Antrage der Abgg. Bebel und Genossen, S U die Befreiung der in Staatsbetrieben be- \hästigten Arbeiter, sowie der im Civilstaats- dienst ohneBeamteneigenschaft fungirenden Per- sonen von der Zahlung der geseßlichen Kranken-, Jnvaliditäts- und Altersversiherungs-Beiträge, e die Finanzdeputation 4 der Zweiten Kammer eantragt: Die Kammer wolle diesen Antrag auf si beruhen lassen.

Württemberg. Stuttgart, 17. Januar. (St.-A. f. W. Der Präsident des Landgerichts Tübingen, von Häcker, ist zum Mitglied des Staatsgerichtshofes ernannt worden.

Baden. Karlsruhe, 16. Januar. (Karlsr. Ztg.) Die Zweite Kammer beschloß heute ebenfalls, dem Antrage der Kommission gemäß, die Petition, betreffend die Aufbesserung der Gehälter der evangelishen Pfarrwittwen und Waisen, der Regierung empfehlend zu überweisen.

Oldenburg. (U.) Oldenburg, 17. Januar. Se. Königliche Hoheit der Großherzog hielt am heutigen Ordens- tage ein Kapitel des Haus- und Verdienst:Ordens des Herzogs Peter Friedrih Ludwig ab. Eine Ordenstafel fand wegen der Hostrauer um die verewigte Kaiserin Augusta nicht Statt.

Sachsen - Meiningen. Meiningen, 16. Fanuar. (Mein. Ztg.) * Bei der Weiterberathung des Etats hat der Landtag den Zuschuß zu der Arbeiterkolonie in Geilsdorf in Höhe von 27000 #4 mit allen gegen acht Stimmen bewilligt.

Elsaß-Lothringen. Straßburg, 17. Januar. A Post.) Der Bischof von Straßburg hat anläßlich des Todes Jhrer Majestät der Kaiserin Augusta das nahstehende oberhirtlihe Ausschreiben erlassen:

Peter Paul Stumpf, durch Gottes Barmherzigkeit und die Gnade des Heiligen ApostolisGen Stuhles Bischof von Straßburg. Assistent am Päpstlichen Throne, Doktcr der heiligen Theologie, der Geist- lihkeit und den Gläubigen unserer Diözese Heil und Segen in Christo Iesu.

Geliebteste !

Gott dem Herrn hat es in Seinen unerforshlihen Rathschlüfsen gefallen, Ihre Majestät die Kaiserin und Königin Augusta in die Ewig- keit abzurufen. Mit dem Hinscheiden der hohen Frau wird dos Kaiser- lihe Herrscherhaus und mit ihm das ganze Deutsche Reich in tiefe Trauer verseßt. Während einer gesegneten Reihe von Jahren hat die hohe Verblichene die seltene Aufgabe einer Herrsherin und Landes- mutter {ön und pflichttreu erfülit. Wo nur eine Bitte zu ge- währen, ein Werk der Barmkherzigkcit oder der Nächstenliebe auszu- üben, eine wohlthätige Anstalt zu unterstüßen war, so wußte die ho- herzige Frau in würdiger Weise sich zu verwenden, um nah Kräften das Wobl des Landes zu fördern und den cinzelnen Interessen ent- gegenzukommen. Jene Geduld und Gottergebenheit, mit welcher Hochdieselbe besonders in den lcßten Jahren die vieifältigen harten Prüfungen der Kaiserlihen Familie mitgetragen, kaben Sie nicht nur Ihrem Kaiserlihen Sohne zum Muster vorleben lassen, sondern dem ganzen Lande als Vorbild bis ins hehe Alter aufbewahrt. Es wird daher der Verlust so tief empfunden! Das Andenken aber wird auch ein gesegnetes bleiben, Lasset uns, Geliebteste, vor Gott dem Herrn dies Andenken feiern, für all das Gute, das durch die cdle Kaiserin auch an uns gethan, und bei aller Trauer den Segen von oben über Eisaß-Lothringen und das ganze Vaterland vertrauensvoll erflehen. Indem mir unserer hochwürdigen Geistlichkcit diese Trauerkunde mit- theilen, verordnen wir zugleich, daß das bereits angeordnete Glocen- geläute mit Einverständniß der Ortsbehörde fortfahre, und daß in

allen Pfarrkirhen am folgenden Sonntage die von uns mitgetheilte

Trauerbotschaft, während des Hauptgottesdienstes, den Gläubigen von der Kanzel verlesen werde. f P. Paul, Bischof von Straßburg.

Oefterreih-Ungarn. Wien, 17. Januar. (Wien. Ztg.) Der Justiz-Minister Dr. Graf von Schönborn hat am 23. Dezember v. J. an alle Justizbehörden in Betreff des -Schristwehsels mit den Gerichten in Elsaß- Lothringen folgende Verordnung gerichtet :

„Die gerihtliche Correspondenz mit El‘aß-Lothringen findet nur auf dem diplomatishen Wege statt. Die K. K. Iuslizbehörden werden demnach angewiesen, ihre für die Gerichte in Elsaß-Lothringen bestimmten Correspondenzstückle und die zur Zustellung an Parteien in Elsaß-Lothringen bestimmten Akte nicht unmittelbar abzusenden, sondern dem Justizministerium vorzulegen.“ :

Jn der heutigen Sißung der Ausgleihskonferenz, welche von 1 bis 51/2 Uhr währte, wurden nah „W. T. B.“ die Fragen, betreffend die Errihtung nationaler Kurien imböhmischen Landtage und Revision der Landtags- wahlordnung, berathen.

Großbritannien und Jrland. London, 17. Januar. (A. C.) Die Prinzessin Maud von Wales ist ernstlich an der Jnfluenza erkrankt. Die Prinzessin von Wales geht der Genesung sehr schnell entgegen

Die Leiche -der vor einigen Tagen verstorbenen morga- natishen Gemahlin des Rog von Cambridge, Frau Louisa Fit - George, wurde gestern Nach- mittag unter großer ne des ublikums auf dem Friedhofe in Kenjal-green zur Ruhe bestattet. Der Herzog von Cambridge und seine drei Söhne olgten der Leiche. Am Grabe hatten sich der Herzog von ed (Schwager des Herzogs von Cambridge), Lord Wolseley und viele andere Generale der Armee eingefunden. Der Herzog erhielt Beileidsshreiben und Depeschen von der Königin, dem Prinzen und der Prinzessin von Wales, sämmtlichen übrigen Mitglieder der Königlichen Familie, der Königin von Dänemark und den Mitgliedern des diplomatischen Corps. ‘prächtige Sarg trug die Jnschrift: „Louisa Fiß-George, “geliebte Gattin Sr. Königlichen Hoheit des Herzogs von

Cambridge; sie starb am 12. Januar 1890, 74 Jahre alt.“ “Das für das Panzerschiff „Victoria“ bestimmte -H0#Eonnengeschüg hat die verschiedenen Proben, welchen es in-Woolwich unterzogen wurde, bestanden und wird jeßt ungesäumt an Bord gebracht werden. Die „Victoria“ ist zum

Flaggensciff des Mittelmeergeschwaders ausersehen. le canadishe Regierung ist, wie aus Ottawa u. d. 14. d. M. berihtet wird,

# * all t

illens, den gegenwärtigen

modus vivendi bezüglich der Fischereifrage ein weiteres

Jahr bestehen ju lassen. Was die Verhandlungen über eine

endgültige Beilegung des Streits betrifst, so beansprucht der

Marine-Minister ausschließliche Jurisdiktion über alle Häfen

und will der Exekutive in Quebec nicht erlauben, den Hafen

zl verbessern, wenn die Centralregierung in Ottawa nicht den efehl dazu ertheilt. :

18. Januar. (W. T. B.) Die Beisezung der Leihe des Feldmarschalls Lord Napier of Magdala erfolgt nähsten Dienstag in der St. Pauls- Kathedrale neben der Gruft Wellington's. Der Wittwe des Verstorbenen sind von der Königin, dem Prinzen von Wales und den übrigen Mitgliedern der O ppe sowie von dem Kaiser Wilhelm und der Kaiserin

riedrich Beileids\chreiben zugegangen.

Frankreich. Paris, 17. Januar. (W. T. B.) Der Kriegs-Minister de Freycinet hat bestimmt, daß in diesem Ba das erste und zweite Armee-Corps unter dem Befehl Billot's gegeneinander manövriren. Außerdem soll bei mehreren Armee-Corps während der Herbstmanöver rauchloses Pulver in Anwendung kommen. i

18. Januar. (W. T. B.) Es verlautet, die Re- gierung werde Anfangs Februar das Budget vorlegen mit einer Herabsezung der Grundsteuer sowie einer O der Gebäudesteuer und der Zucker- teuer.

Nancy, 18. Januar. (W. T. B.) Der Appellhof be- stätigte die Verurtheilung von vier Wahlagenten des Deputirten Picot, des siegreihen Gegners Jules Ferry's, wegen Wahlbestehung zu Geldstrafen.

Rußland und Polen. St. Petersburg, 18. Januar. (W. T. B.) Behufs Maßnahmen zu einer ecfolgreichen Neu- bewaffnung der Armeen sind vom Kaiser zwei temporäre Kommissionen eingeseßt worden, von deuen die eine unter dem Präsidium des Kriegs-Ministers, die andere unter

“dem des Adjunkten des General-Feldzeugmeisters Großfürsten

Michael Nikolajewitsh, General Sofiano, 1tehen soll.

Jtalien. Rom, 17. Januar. (W. T. B.) Anläßlih der Erkrankung des Herzogs von Aosta begiebt sih der König heute Abend 11 Uhr nach Turin. Ueber das Be- finden des erkrankten Bruders Sr. Majestät 1#|st heute das erste, von den Aerzten Dr. Bruno und Dr. Gamba unter- zeihnete Bulletin ausgegeben worden. Darnach leidet der Herzog an einer Entzündung des rechten Lungenflügels; das Be er ist mäßig, irgendwelche Komplikation liegt nicht vor.

r. Baccelli ist von Rom zur Konsultation nah Turin be- rufen worden.

Spanien. Madrid, 18. Januar. (W. T. R Die Königin-Regentin beauftragte den Kammer - Präsidenten Alonfo Martinez mit der Bildung eines neuen Kabinets. Dieser übernahm den Auftrag und will ein Ministerium der Versöhnung bilden.

Portugal. Lissabon, 15. Januar. Jn einer Lissaboner Korrespondenz des „Standard“ heißt es, daß die Kolonial- behörden in Mozambique Ungehorsam zeigen; auch sagen selbst Lissaboner Blätter, daß es Wochen ja Monate dauern könne, bis die Civil- und Militärbehörden Portugals im Nyassa-:Land dazu gebracht werden dürften, sich in die von Lord Salisbury bezeichneten Grenzen zurück- zuziehen. Die portugiesische Regierung sei also noch niht am Ende ihrer Verlegenheiten. Der französische Forshungsreisende Kapitän Trivier, der in dem Augenblick in Mozambique ankam, wo Major Serpa Pinto den Konflikt mit den Makololos hatte, giebt die portugiesishen Streitkräfte daselbst auf 5000 Mann. und drei Kanonenboote an. Er berichtet ferner, daß die Makololos es gewesen, welche den Angriff auf die Portugiesen in M'Passo, das im altanerkannten Besiße der leßteren stehe, gemaht haben. Die Makololos, auf welche namentli diz Mitrailleusen der Portu- giesen einen furchtbaren Eindruck machten, haben im Kampfe 172 Mann und eine große Zahl Verwundete gehabt. Trivier bestätigt weiter, daß die Portugiesen den Eingebornen zwei englishe Fahnen abnahmen. Heute und gestern be- gaben sich Gruppen von Leuten vor das Denkmal von Camoëns. Gestern bedeckten Studenten zum Zeichen der Trauer die Statuen der alten Seefahrer, die um das Monu- ment stehen, mit einem Schleier. Während dieser Kund- ge bung ershollen die Rufe: „Nieder mit den Engländern!

ieder mit den Seeräubern!“ Heute Nachmittag wurden etwa 70 Manifestanten, welche „Nieder mit England!“ scrieen, verhaste. Man berichtet, in Coïmbra fei eine englische Fahne vor der Kaserne verbrannt worden, ohne daß die Soldaten sich geregt hätten. Der Herzog von Palmela hat der englischen Gesandtschaft die Medaille zurü: geschickt, die er im Krimkriege, während dessen er in der englishen Marine diente, erhalten hatte. Zum Krieg s- Minister ist der Divisions-General Vasco Guedes de Car- valho Menezes ernannt, zum Marine-Minister Arroyo. Heute hat das neue Kabinet den Eid geleistet.

Belgien. Brüssel, 17. Januar. (W. T. B.) Die Deputirtenkammer beshloß, den Antrag Janson auf Errichtung eines statistishen Bureaus für Gruben- und Bergarbeiten in Erwägung zu ziehen.

Bulgarien. Sofia, 18. Januar. (W. T. B.) Die Munizipalität von Sofia hatte entsprehend einem von der Sobranje beschlossenen Geseß die Erhebung eines Ein- gangszolles von 5 Proz. auf alle Handels- artikel eingerichtet, auf welhe bisher eine Ab-

abe nicht bezahlt worden war. Die Vertreter

rankreichs, Jtaliens und Desterreihs haben egen diese Maßnahme bei der Regierung Einspruch er- oben. Eine militärische Kommission zur Kontrole der Fabrikation der für Bulgarien bestellten Mannlicher- Gewehre begiebt sih heute nah Steyer.

Schweden und Norwegen. Stockholm, 17. Januar. (W. T. B.) Der Reichstag wurde heute vom König mit einer Thronrede eröffnet, in welher unter anderen Geseßesvorlagen solhe über Aenderung des Strafgeseßes, ferner betreffend die Fortsezung der im Jahre 1885 begon- nenen Vervollständigung des Armeewesens fowie cine Arbeiter- Unfallversiherung und die Fortseßung des Baues der Nord- bahn an dem oberen Lulea angekündigt werden.

Amerika. Washington, 16. Januar. (R. B.) Bei der Berathung des Auslieferungs vertrages mit Ruß-

land in der gestrigen Sißung des Bundessenats erhoben die Senatoren Teller, Edmunds, Hoar und Eustis gegen die

Auslieferung politisher Verbrecher Einsprache. Der Vertrag wurde, wie {hon gemeldet, {ließlich an den Aus- \huß für auswärtige Angelegenheiten zurückverwiesen.

Ein Bericht des Marineamts empfiehlt eine der Würde und Macht der Nation angemessene Vergrößerung der Bundesmarine. Es wird der Bau von. 102 Schiffen in 14 Jahren mit einem Kostenaufwande von 280000000 Dollars befürwortet.

Parlamentarische Nachrichten.

der heutigen (46.) Sißung des Reichstages, welcher die Staatssekretäre Dr. von Boetticher, Freiherr von Malzahn, Dr. von Stephan, sowie andere Bevollmächtigte zum Bundes- rath nebst Kommissarien beiwohnten, theilte der Präsident zunächst mit, daß der Abg. Ziegler, Vertreter des 1. an- haltishen Wahlkreises, gestern in seiner Heimath gestorben ist. Das Haus ehrte das Andenken des Dahingeschiedenen durch Erheben von den Sigzen.

Auf der Tagesordnung stand an erster Stelle: die Fort= seßung der zweiten Berathung des Gesezentwurfs, be- A die Feststellung des Reihshaushalts-Etats

Die Kapitel „Matrikularbeiträge“ und „Außer- ordentlihe Deckungsmittel“/ gelangten ohne Debatte zur Annahme, ebenso nach unerhebliher Debatte das Etat s- geseß und der Gesetzentwurf, betreffend die Aufnahme einer Anleihe für Zwelde der Verwaltungen des Reichsheeres, der Marine, der Reihseisenbahnen und der Post und Telegraphen. :

Damit war die zweite Berathung des Reichshaushalts- Entwurfs für 1890/91 erledigt.

Es folgte die dritte Berathung des von dem Abg. Frei- herrn von Süent eingebrachten Geseßentwurfs, betreffend die Wehrpfliht der Geistlihen, auf Grund des in zweiter Berathung unverändert angenommenen berichtigten Antrags in Verbindung mit dem mündlihen Bericht der Kommission für die Petitionen. :

(Der Wortlaut des Antrags ist bereits von uns mitgetheilt worden.)

Hierzu beantragten :

Abg. von Kleist-Regow:

Für den Fall der Ablehnung der Beschlüsse zweiter Lesung den Text des Gesehentwurfs wie folgt zu fassen:

„Militärpflichtige röômisch-katholisher Konfession, welhe sich dem Studium der Theologie widmen, werden in Friedenszeiten während der Dauer dieses Studiums bis zum 1. April des siebenten Militärjahres zurückgestellt. Haben dieselben bis zu dem vorbezeich- neten Zeitpunkt die Subdiakonatsrwoeihe empfangen, so werden diese Militärpflichtigen der Ersatreserve überwiesen und bleiben von Uebungen befreit* ;

ferner:

den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, herbeiführen zu wollen, daß Einjährig-Freiwillige, welche sich dem Studium der Theologie einer mit Korporationsrehtiea innerhalb des Deutschen Reichs bestehenden Kirbe oder Religionsgesellshaft widmen, in Friedenszeiten auf ihren Antrag nah halbjährigem Dienst mit der Waffe das zweite Halbjahr in der Krankenpflege dienen. Die Abgg. von Kardorff und Nobbe beantragten: Einziger Paragraph.

Militärpflichtige römisch-katholischer Konfession, welhe sich dem Studium der Theologie widmen, werden in Friedenszeiten während der Dauer dieses Studiums bis zum 1. April des siebenten Militärpflichtjahres zurückgestellt. Haben dieselben bis zu dem vor- bezeihneten Zeitpunkte die Subdiakonatsweihe empsangen, #o werden diese Militärpflihtigen der Ersatzreserve überwiesen und bleiben von Uebungen befreit.“ i; Î E

Der Berichterstatter der Kommission für die Petitionen, Abg. Dr. Kohli beantragte: L

die bei dem Reichstag eingegangenen Petitionen II. Nr. 1224, 1294, 1476, 1537, 1538, 1558, 1561, 1562, 1646, 1648 bis 1653, 1658 bis 1671 von Korporationen, evangelishen Geistlihen und Studirenden der Theologie 2c. um Ablehnung des von dem Abg. Freiherrn von Huene eingebrahten Gesoßentwurfs, betreffend die Webrpfliht der Geistlihen Nr. 38 der Drucksachen (berictigt) —, bezw. um Erhaltung der Wehrpflicht für die Theologen der evangelischen Konfession

durch die Beschlußfassung über den gedahten Gesetentwurf

für erledigt zu erflären,. j

Abg. Freiherr von Huene wies die Behauptung zurü, daß mit dem Auss{luß der Theologie-Studirenden vom Dienst mit der Wasfe die Ehre dieses Standes beein- trähtigt werde; sie würden ja dafür zu anderem, nicht minder ehrenvollem Dienst im Heere herangezogen. Zu bedauern seien die Anträge, welche die evangelischen

heologie-Studirenden von dem vorliegenden Gesegentwurf ausschließen wollten; auch in weiteren protestantischen Kreisen sehe man den Dienst mit der Waffe als mit dem geistlichen Amt nicht vereinbar an. . / d Bei Schluß des Blattes sprach der Abg. von Kleist- eßow.

(Der Stlußberiht über die gestrige Sitzung des Reichs- tages befindet sih in der Ersten Beilage.)

Der Geheime Kommerzien-Rath Ziegler, Mitglied des Reichstages für den 1. Anhalter Wahlkreis (Dessau), ist in der Nacht vom 16. zum 17. d. M. in Dessau gestorben.

Dem Herrenhause ist ein Gesezentwurf, be- treffend den Ansaß der Zinsen von den aus dem vor- maligen Stadtbuch in Altona in das Grundbuch derteagenen Hyp tbeten it gg eeT g verfahren nebst Begründung, sowie der unveränderte Ges eß- entwurf, cet die Kirhengemeindeordnung für die evangelisch - lutherishen Kirchengemetinden Bornheim, Oberrad, Niederrad, Bonames, Nieder- ursel und Hausen nebst Begründung zugegangen, welcher in der vorigen Session des Landtages niht mehr zur Er- ledigung gelangte.

Die IX,. Kommission des Herrenhauses für Vorberathung des Geseßentwurfs, betreffend die Unterhaltun der nicht schiffbaren Flüsse in der Provinz Schlesien, hat si T Gs und zum Vorsißenden Herrn von Woyrs gewählt.

Von dem Bureau-Direktor des Herrenhauses, Geheimen Regierungs-Rath Dr. Me gel ist zur Orientirung über den Bestand und die Zusammensezung des Herrenhauses das Handbuch für das Preußische Herrenhaus, im amt- lichen Auftrage bearbeitet, in einer neuen erweiterten Ausgabe herausgegeben worden, von der soeben der 1. Theil erschienen ist. Dieser enthält Aktensücke und Erläuterungen, betreffend die Verfassungsurkunde für den Preußishen Staat und be-

treffend die gegenwärtige m Sas und Fusoumensetung des Herrenhauses. Dieses mit Sachkenntniß, Umsicht und Sorgfalt bearbeitete Handbuch erleichtert in hohem Maße die Orientirung über die Angelegenheiten und Personalien des Herrenhau)es und darf daher als ein unentbehrlihes Hülfs- bu empfohlen werden.

Dem Hause der Abgeordneten ist die Ueber - siht von den Staatseinnahmen und -Ausgaben des Jahres vom 1. April 1888/89 nebst Anlagen und der dazu gehörigen Denkschrift zugegangen; ferner die Nachweisungen, der bei der -Domänenverwaltung und bei der Forstverwaltung im Etgtsjahre 1888/89 durch Kauf und Tausch vorgekommenen Flächenzugänge, sowie der durh Verkauf, Tausch und in Folge von Ablösungen und Separationen eingetretenen Flächhenabgänge, undder Nahweis über die Verwen- r S 88889 em be A Si e S

r vorgesehenen is8positionsfonds von 1 500 000 M. ? i

Zeitungsstimmen.

_ „Zum achtzehnten Januar (1701—1871—1890) bringt die „Hallische Zeitu n g“ folgende Botrahhtung :

Zwei der allerwihtigsten Ereignisse in dex#Geschichte unseres engeren wie unseres weiteren Vaterlandes, die der heutige Tag in unjerer Erinnerung weckt, fordern am 18. Januar jeden Patrioten zum Dankgebet auf.

_Am achtzehnten Januar 1701 trugen die Glocken von Königsberg weit hinaus in alle preußischen Gauen und Auen eine Freudenbotscaft, die das Herz jedes Unterthanen der zeitherigen Kur- fürsten von Brandenburg mi! frohem Stolze s{wellte. Sie ver- kündeten die Krönung des ersten Königs von Preußen. Die Nac- kommen des Hohenzollern’schen Burggrafen von Nürnberg hatten nah harter Arbeit in fast dreihundertjährigem Ringen aus dem kleinen und armen Ländchen cinen immer anfsebnlicheren Staat herausgebildet, dem sodann die Siege des großen Kurfürsten die Unterlage feiner künftigen Größe schufen. Der Sohn des Siegers von Fehrbellin, der dritte kurfürstlihe Friedri Brandenburgs, rahm als Friedri I. die Königs- krone Preußens vom Tisch des Herrn. Seine Nachfolger traten das Testament seines großen Vaters an.

Die Jahrhunderte gingen und kamen und mit ibnen manch? slolzer Chrentag, aber auch man’ tiefer Fall. Leuthen und Roßbah Jena und Auerstädt die Barrikaden von 1848 und der Tag von Olmüß. Und mit ten Jahrhunderten gingen und kamen die E eschlehter, gingen und kamen die Könige! Per aspera ad astra !

__ Der Sohn der Königin Luise kam und die unvergeßlichen Siege auf gallisher Erde.

Am achtzehnten Januar 1871 in dem stolzen Fürstens{hloß zu Versailles stand der rubmvolle Sieger des unbesiegbaren Frank- reihs und huldigend umgaben ihn, wie der Sterne Chor um die Sonne gestellt, die Fürsten Deutschlands und lauschten tiefergriffen der Proklamation, durch welhe Wilhelm I. die seit sechzig Jahren ruhende deutshe Kaiserwürde erneuete und das alte deutsche Reih wieder aufritete.

Am achtzehnten Januar 1890! Fast zwei Jahrzehnte sind verrauscht im Zeitenstrom. Der Begründer des Reichs ist schlafen gegangen in die Gruft seiner Ahnen, aber sein Enkel lebt und mit ihm der Hohenzollerngeist, der vom S@{lachtfeld zu Fehrbellin den Weg fand zum Königsshloß in Versailles. Nec s0li cedis! Mit frohem Stolz rufen wir das Wort dem theuren Kaiser heut’ ent- gegen, das feines Kaiserlichen Wirkens Parole bleiben wird für und für! Das Testament des großen Kurfürsten das Testament Wil- helm’s I. Nee 8oli cedis!*“

Veber die Bedeutung der kommenden Reichstags- wahlen schreibt die „Danziger Allgemeine Zeitung“:

„Es ist vielfach und wohl niht ohne- Grund die Befürchtung auêgesprohen worden, daß die Betheiligung bei den nächsten Wahlen niht annähernd so groß sein werde, wie im Jahre 1887. Damals hatte die Septennatsfrage die sonst politisch trägen Massen des Volks derart aufgerüttelt, daß 77,5 9% aller Wablberehtigten an den Wahl- urnen erschienen. Diesmal stehen militärische Fragen nit unmittelbar auf der Tagesordnung des Wahlkampfes, es wäre aber ein bedauer- liher Jrrthum, wenn deshalb angenommen werden solite, daß bei den S E Wahlen weniger auf dem Spiele stehe als vor drei

ahren.

Vor Allem sollte ‘die Gewißheit, daß eine kartellfeindlihe Majorität die Finanzpolitik, die Politik des Schußes der nationalen Arbeit und die Politik der sozialen Reform rückgängig zu machen suhen würde, ein Motiv zu starker Wahlbetheiligung sein. Man stelle sich nur die Konsequenzen hiervon vor: etwa 300 Millionen Mark, welhe aus ven Zöllen gegen 1878 mehr erhoben werden, würden nit etwa einfah dem Volke „erlassen“ werden, sondern diese müßten dur direkte Steuern aufgebracht werden, weil die Bedürf- nisse, deren Befriedigung von der Opposition selbst als nothwendig anerkannt worden ist, niht unbefriedigt gelassen werden können. Die Aufhebung der Zollschranken würde den heimishen Markt mit aus- ländisher Waare übershwemmen und die Löhne der Arbeiter herab- drücken. Und was endlich die soziale Reform anbetrifft, so würde der Versu, die gesellschaftlichen Verhältnisse abermals nach dem manchesterlichen Rezept des „Hilf Dir selbst“ zu gestalten, direkt die soziale Revolution heraufbeschwören. /

Möglichst leihte und wenig drückende Aufbringung der zur Er- haltung des Staats erforderlihen Lasten, S{uy der nationalen Arbeit und Schuß der Gesellschaft gegen soziale Revolution, das ist es, was auf dem Spiele steht.

In der That, solche Ziele sind des Sckchweißes der Edlen werth, und sie sind groß und wichtig genug, um allen Wählern die Be- deutung der Wahlen vor Augen zu führen. Wenn im Jahre 1887 gerade 179% mehr als im Jahre 1884 Wakhlberehtigte zur Ab- stimmung schritten, so brachte dies uns den Sieg: denn Diejenigen, welche sonst sih wenig um Politik kümmern, weil sie mit der Re- gierung zufrieden sind, legten ihr gewihtiges Wort in die Wag- shale. Jett stehen, wenn man gewissenhaft Umschau hält, dieselben und noch größere Dinge auf dem Spiele! Sollten \ich da nit die sonst unthätigen, aber zufriedenen Elemente noch weit mehr bewogen sühlen, Zeugniß abzulegen für Kaiser und Reih? Die nächsten Wochen müssen vor Allem der Gewinnung dieser Elemente gewidmet sein, auf daß ih ihr Eifer für die gute Sache vermehrt und vergrößert. Es sind die ersten Reichstagswahblen unter Kaiser Wilhelm II, ! Wie unser Kaiser seine ganze Kraft aufwendet, um das Reih nah innen und außen groß zu machen, so müssen auch jene Elemente an diesem Tage ihre Schuldigkeit thun, um einen Reihs- lag zu wählen, welcher eine Garantie bietet für eine gesunde Weiter- entwickelung.“ ;

Jn der „Berliner Börsenzeitung“ lesen wir:.

e Ie freisinnige Partei ist in nicht geringer Verlegenheît um eine zugkräftige Wahlparole. Der altbeliebte Ruf, den bedrohten Volksrehten zu Hülfe zu kommen, will niht mehr verfangen, nach- dem er sih so oft als blinder Lärm erwiesen, nahdem namentli dieser „freiheitsfeindliche* Kartell-Reichstag die düsteren Weissa U der Fotunigea zu Schanden gemacht hat, und von Allerhöchster telle immer nachdrückliher eine antireaktionäre Politik betont worden ist. Auch das vor einigen Monaten mit fo großer Heftigkeit erhobene Geshrei über die Vertheuerung der nothwendigen Lebensmittel zeigt sich unwirksam; denn in den Kreisen, auf welche man damit hauptsächlich spekulirte, sind die Gedanken sehr viel weniger auf eine Verminderung der Preise,

noch dazu eine so geringfügige, wie sie durch eine Korrektur der Zoll- und Steuergeseßgebung überhaupt erreiht werden könnte, als auf eine beträcktlihe Steigerung der Löhne gerihtet. Das leßtere aber ist ein Kapitel, für welches sich in der freisiunigen Presse noh keine rechte Begeisterung finden will, da es ja nit allein national- liberale und konservative, sondern auch freisinnige Arbeitgeber sind, auf deren Geldbeutel es abgesehen ist. Um nun ihre Rathlosigkeit zu maëkiren, schildert die freisinnige Presse Tag für Tag in beweg- lichen Worten die Verzw:iflung der Kartellparteien, eine Lösung zu finden, mit der man auf die Wähler Eindruck machen könnte. Uns, die wir den Kartellparteien doch etwas näher stehen, als die Frei- sinnigen, schreiben die „Hamb. Nahr.“, ist von dieser Ver:weiflung nichts bekannt. Den Kartellparteien ergiebt stch die Wahblparole ganz von selbst. „Fortscbreiten auf der bisherigen Bahn“, das ist alles, was sie zu sagen brauen. Die Früchte des vielgeschmähten Kartell- Reich:tages liegen vor aller Augen. Wenn beute unter dem Schuße des nah Merschenmöglichkeit gesicherten Weltfriedens das wirthschaît- liche Leben zu cinem lange nit gesehenen Aufschwunge gediehen ist, fo kfanx kein unbefangen und hrlih Urtheilender verkennen, daß von dem Verdienste, diescn Zustand herbeigeführt zu haben, ein gutes Theil dem Deutschen Reichstage gebührt. Und wenn anderer- seits in unserer Arbeiterwelt unverkennbar eine unheil- shwangere Gährung besteht, so ist doc so viel aner Zweifel, daß die von den Kartellparteien befolgte, auf die Befriedigung aller ge- rechten Forderungen der Arbeiter gerihtete Sozialpolitik eine bessere Gewähr für die Beshwichtigung derselben bietet, als die Weisheit der Freisinningen, welche diese Politik bekämpft und den Arbeitern nichts zu bieten weiß, als leere Phrasen. Mögen sich also die Frei- sinnigen die saure Arbeit ersparen, \sich immer wieder den Kopf über die Kartellparteien zu zerbrechen. Jedenfalls hâtten sie mehr Verar- laffung, sih einmal zu überlegen, wie sie dem {lichten Wähler be- greiflih machen wollen, daß man neue Ausgaben für militärische Zwecke bewilligen, „die zur Bestreitung derselben erforderlichen Ein- nahmen aber verweigern kann,“

Kunst und Wissenschaft.

Hr. Hauptmann Boeiticher bat den „Hann. Cour.“ um Aufnahme einer Erklärung, in welcher er sagt : es sei nicht wahr, daß er in Bezug auf Schliemann's „Troja“ irgend etwas widerrufen hätte, Seine Ueberzeugung, dies „Troja“ sei nur eine Feuernekropole, fei im Gegentheil durch seine Besichtigung der Oertlichkeit befestigt worden.

Verkehrs - Austalten.

Die Post von dem aus Shanghai am 18. Dezember ab- gegangenen Reihs-Postdampfer „Preußen“ ist in Brindisi eingetroffen und gelangt für Berlin vorauésihtlich am 20. d. M. Vormitïíags zur Ausgabe.

London, 17. Januar. (W. T. B.) Der Union-Dampfer „Trojan“ ist heute auf der Heimreise in Southampton angekommen.

18. Januac. (W. T. B.) Der Union-Dampfer „Pre- toria“ ift gestern von Southampton auf der Ausreise abgegangen.

Theater und Musik.

Königliches Opernhaus.

Am gestrigen Abend gelangten néueinstudirt und inscenirt Meyer- beer's „Hugenotten* zur Aufführung. Die beifällige Aufnahme, welche dieses Werk in seinem neuen Gewande au gestern wieder fand, beweist, daß es nach wie vor zu einer der wirkungsvollsten Num- mern des Opernrepertoires zu renen ist und stets dankbare Zuhörer finden wird. Die Vorzüge dieser Tonshöpfung halten den Fehlern derselben die Waage und werden der cffektvollen Komposition die alten Freunde erhalten. Die E ra war im Großen und Ganzen dieselbe geblieben wie bei den früheren Auf- führungen. Die Rolle des Raoul wurde von Hrn. Rot hmühl ge- geben und bot ihm hinreihend Gelegenkeit, sein prähtiges Organ in der ausgiebigsten Weise zu verwerthen. Neben kräftiger Behandlung wußte er doch auch an geeigneten Stellen zart und weih die S{ön- heiten der Partie zur Geltung zu bringen. Frl. Leisinger war als Königin eine angemessene Erscheinung und die von ihr vorgetragenen Nummern gelangen ihr recht gut. Als Valentine trat Frau Pierson auf und wurde dem Charakter dieser Rolle in zufriedenstellender Weise gerecht; ihr Organ liegt für diese Partie bequem; zuweilen ört freilich ihre Neigung, zu tremoliren. Als Page sahen wir Frl. Herzog, sie gefiel durch ihr gewandtes Spiel niht minder wie dur die tehnishe Sicher- heit, welche sie in ibrem Vortrag zu erkennen gab. Hr. Bet hat als St. Bris nichts von seiner früheren Leistungsfähigkeit ver- loren. Vornehm in der Haltung war Hr. Bulß. Für den erkrankten Hrn. Biberti war Hr. Krolop eingetreten und entledigte si feiner Aufgabe als Marcel recht geshickt. Der Chor that vollauf seine Schuldigkeit. Ein Verdienst hat \ich die Regie durch die Inszenirung und das Arrangement der Gruppen erworben. Alles in Allem genommen darf daher die Neueinstudirung der Huge- notten als eine în jeder Hinsicht gelungene bezeichnet werden.

Königliches Schauspielhaus.

Auf der Königlihen Vühne gelangte gestern Abend Eri Brahe“, ein geshihtliches Trauerspiel in fünf Aufzügen von Otto Girndt, zur ersten Aufführung. Die Aufnahme der Novität muß eine sehr freundlide genannt werden ; nah dem jedesmaligen Fallen des Vorhanges wurden die Mitwirkenden hervorgerufen, und zum Séluß ertönte eifriges Rufen nah dem Verfasser, welcher auch vor der Gardine ershien. Das Stück behandelt eine Episode aus der neueren schwedischen Geschichte, die Empörung des Grafen Brahe gegen die Macht des Reichsraths um die Mitte des vorigen Jahrhunderts. Graf Erich Brahe erhebt sich als Ver- theidiger der {mählich eingeshränkten und mehr und mehr zurück- geen Kronrehte, welche den Händen - des \{chwahen Königs

dolf Friedrih allmählich entgleiten; Erich Brahe büßt sein Vor- haben mit dem Tode, den der Reichsrath über ihn verhängt und den die zu spät aufgewahte Energie des Herrschers niht mehr verhindern kann; mit ihm gehen seine Gefährten Graf Horn, Lieutenant Puke u. st. w. in den Tod,

Soweit hat s\ch Otto Girndt an bekannte geshihtlihe That- sachen gehalten; als Dichter läßt er aber noch andere Geschehnisse persönlicher oder vielmehr privater Natur in die Handlung eingreifen, welche hierdurch in ihrem Verlauf zum Theil bestimmt wird. Zum Beginn des Stües erfahren wir, daß die shöône, leidenshaftlihe Gräfin Juliane Fersen die junge Gattin des Grafen Brahe, dem die erstere eine uncrwiderte, heiße Liebe widmet, mit glühendem Haß verfolgt, der seinen \{ärfsten Autdruck in einem Mordversu findet. Juliane s Rachsuht verwandelt sich aber bald und auf seltsame Weise in Reue und opfermuthige Hingebung. Aus der Verfolgerin wird Gräfin Juliane eine Schüßerin des Grafen Brahe und feiner Gemahlin, aber auc sie vermag das mit dem Tode auf dem Schaffot endende Geshick des Helden nicht mehr abzuwehren, nahdem ein Jor endes Mutterherz, die alte Frau Puke, die Vershwörung der

nhäanger des Königs dem Grafen Fersen in der vergeblichen Hoff- nung entdeckt hat, dadur ihren Sohn zu retten.

Der Verfasser hat mit erkennbarem Fleiß gearbeitet, aber er hat das leßte große Ziel des Dramatikers, ein tragishes Geschik in packender und ergreifender Weise in folgerihtiger abgerundeter Hand- lung den Zuschauern vor die Augen zu stellen, nit erreiht, Die Handlung entwidckelt nur langsam und gleihsam ruckweise ; Ursache und Wirkung folgen niht immer {nell genug aufeinander, um den Zusammenhang zweifellos zu machen; es werden Figuren breit eingeführt, welche mit den hauptsächlihen Vorgängen wenig oder nichts zu thun haben, die daher den Fortschritt der Hardlung nur aufhalten nie fördern; fo tritt u. A. ein munterer Volkssänger Bellmann im

vierten und fünften Aft fast nur als illustrirendes Element auf ; die Gestalt ist an sich recht unterhaltend und sollte offenbar den Humor der Zeit verkörpern, aber ihr Fehler ist, daß sie weder im Erscheinen noch im Vershwinden irgend welchen Einfluß auf die Haupthandlung gewinnt. Die Charaktere sind zumeist niht glei- mäßig und frästig durchgeführt. Ein Anfangs so hart erscheinender leiden- sbaftliher Charakter, wie ihn Gräfin Juliane entwickelt, welcher nit vor einem kaltblütig überlegten Morde zurückschreckt, und dann au no ein zweitcs Leben auf sein Gewissen laden will, wird nit plôßlih umgewandelt, weil der Mitwisser dieser Schreckensthaten ihc das Mordinstrument, ein Fläs{chen mit Gift, zurückbringt, um „ihre Zukunft zu retten“. Daß der Dihter die Reue der chöônen Sünderin ebenso maßlos zeichnet, wie ibre Schuld, entspricht shon eber dem geroaltthätigen Grundzuge des Charakters. Die Wirkung aller handelnden Personen wäre cindringliher gewesen, wenn das Seelenleben dersclben sorgfältiger und sicherer bervortreten würde ; so vermochten sie vielleiht Neugierde, aber keine tiefe Theilnahme E ‘Der Di log zeiyt ei äblte, ab er lalog zelt eine gewadbile, aber nur felten i

Sprache; die Ausdrucksweise erfreute durch Glätte und SarnetiGe Das Drama mat den Eindruck, als ob es sorgsam und klüglih ausgedaht und ausgeführt sei, aber es fehlte der große leidenschaft- lihe Zug, die Tiefe dec Empfindung, welche hinreißt und begeistert.

An der Darstellung waren die besten Kräfte betheiligt. Hr. Ludwig spielte den königstreuen Hesden „Erih Brahe“ mit ritter- lihem Ansftande und mit so viel Feuer, als si in tie Rolle hinein- legen läßt. Den Intriganten und Führer des Reichsraths, den Reichstagsmarschalt Graf Fersen krachte Hr. Keßler in Maske und Sprache treffend zum Autdruckd Hrn. Krause war die Rolle des „Hauptmann Stalswärd* zugefallen, welher unkbeil- verkündend die ganze Handlung bezlcitet; seine Rede geht manchmal etwas in die Breite, nicht gerade zum Vortheil der Figur ; Hr. Krause sah melancholisch und düster aus und entledigte sih seiner unheilvollen Propheteraufgabe mit Geschick. Die ränkevolle und reu- müthige Gräfin spielte Frl. Poppe mit tragis(er Leidenschaft ; ihre Sprawe und Geste weist stets ein reiches Maß von Ursprünglichkeit und Frische auf, welche für kleine Mängel des jugendlichen Talents ents@ädigen. Fr. von Hochenburger war eine lietlihe Christina Brahe, welche aber manchmal mehr pathetisch als natürli spra. Die Abschieds\cene der Wittwe Puke von iórem Sohn brate Fr. Seebach zu erqreifender Wirkung. Die Dekorationen, welche sehr häufig gewechselt werden mußten neun Mal im Laufe des Abends zeigten ebensoviel Geshmack wie weises Mafhalten in Bezug auf den Reichthum der Au? stattung. 5

Der Spielplan der Oper für die Zeit vom 19. Januar: bis 27. Januar lautet: Am Sonntag, den 19: „Die Hugenotten“ ; Montag, den 20.: „Tannhäuser“; Dienstag, den 21,: „Orpheus und Gurydike* ; Mittwoch, den 22.: „Die Hagenotten“; Donnerstag, den 23, : „Lohengrin“ ; Freitag, den 24.: „Carmen“; Sonrabend, den 29.1 „Die Königin von Saba*; Sonntag, den 26.: „Der Freishüß“ ; Montag, den 27.: „Eurya: the“.

Für das Schauspiel: Am Sonntag, den 19,: Zum ersten Male wiederholt: „Erich Brahe“ ; Montag, den 20: , Wilhelm Tell“; Dienstag, den 21.: „Die Weisheit Salomos“; Mittwoch, den 22.: „Minna von Barnhelm“; Donnerstag, den 23, Januar: „Erich Brahe“ ; Freitag, den 24.: „Egmont“ ; Sonnatend, den 25.: „Die Quitows*; Sonntag, den 26.: „Wilhelm Tell“; Montag, den 27. :

„Colberg“. Deutsches Theater.

Morgen wird das einaktige Schauspiel „Zwischen den Schlachten" von Björnson und „Der Tartüf“ von Motière zum ersten Male wiederholt. Am Montag wird „Faust's Tod“ gegeben. Das weitere Repertoire der Woche bringt abwehjelnd Wiederholungen der beiden Vorstellungen „Zwischen den Scchlachten* und „Der Tartüff“ und

„Krieg im Frieden“. Berliner Theater.

In der morgen stattfindenden Matinée-Aufführung des „Probe - pfeil“ spielt Ludwig Barnay zum ersten Male in Berlin die Rolle des Krasinsky; um so mekr verdient dies betont zu werden, als der genannte Künstler diese Rolle nur dies eine Mal spielt, und die dem wohlthätigen Zweck gewidmete Vorstellung auf diese Weise ein inter- essantes Gepräge mehr erhält. Agnes Sorma vom Deutschen Theater spielt die Beate, Georg Engels die von ihm oftmals dargestellte Rolle des Rittmeisters Dedenroth. Adolf Klein vom Lessing-Theater wirkt als Baron v. d. Egge mit, während Hans Pagay vom Residenz-Theater die episodishe Rolle des Professors Spizmüller übernommen hat. Die Vorstellung nimmt pünktlich Mittags um 12 Uhr ihren Anfang und dauert bis halb drei Uhr.

Die Direktion hat, vielfahen Wünschen Folge leistend, für Mittwoch, den 22. d. M. „König Lear“ auf's Repertoire geseßt. In dieser „Lear“-Aufführung wird, wie in allen demnächst stattfindenden eHamlet“-Aufführungen, Ludwig Barnay die Titelrolle spielen. i

Das Repertoire der nächsten Woche lautet: Am Montag, den 20. Januar: „Hamlet“ ; Dienstag, den 21, Januar: „Der Veilcen- fresser“ ; Mittwoch, den 22. Januar : „König Lear“ ; Donnerstag, den 23, Januar: „Der Ve1ilchenfresser“ ; Freitag, den 24. Januar, 19, Abonnements-Vorstellung: „Hamlet“; Sonnabend, den 25. Ja- nuar: „Der Veilchenfresser“.

Lessing- Tyeater. i

Das Repertoire lautet für die fommende Woche wie. folgt: Sonntag: „Die Ehre“. Montag : „Die Kreuzelshreiber.* Dienstag : „Die Chre*. Mittwoch: Zum ersten Male: „Die Geigenfee“, Lust spiel in 3 Akten von Hans Olden und Paul von Schönthan. Donnerstag: „Die Ehre“. Freitag: „Die Geigenfee®. Sonnabend : „Die Ehre“. Sonntag: „Die Geigenfee.*

Friedrih-Wilhelmstädtishes Theater.

„Der arme Jonathan“ hat bei der ersten Wiederholung dieselbe Aufnahme eines vollen Hauses gefunden * wie am ersten Abend, an welchem fast alle Nummern dieser reizvollen Operetten-Novität stür- mis da capo verlangt wurden, und die Vorstellung hierdurch si über das gewohnte Maß verlängerte. Bei den weiteren Wiederholungen und der große Erfolg der Millôcker'shen Operette verspricht eine lange Reihe tritt von selbst das Normalmaß des Theaterabends wieder ein. J

Sing-Akademie. :

Hr. Victor Benham, ein junger begabter Man aus London, gab gestern ein Concert, in welhem er zum ersten Mal vor dem hiesigen Publikum erschien, und zwar nit bloß als Klavierspieler, sondern auch als Improvisatcr auf seinem Instrument. Das Pro- gramm war interessant und enthielt niht die an vielen Klavierabenden oft gehörten Piècen. Mit dem zweiten Concert von Weber (Es-dur). trat der Künstler zuerst hervor, War in der Ausführung desselben

auch noch eine gewisse Unruhe zu erkennen, so zeigte der Concertgeber -y

doch eine bereits sehr weit entwickelte technishe Fectigtelh während uns sein Anschlag weniger zusagte. Ein Toccata für Orgel von Bách - (F-dur), von Hrn. B, selbst sehr wirkun svoll für Klavier bearbeitét; sowie eine aus dem Nachlaß Di ssek’s Herrührende Fantasie und ein Impromptu über ein Thema von Clara Schumann, von“ ihre Gatten komponirt, gelangen dem Spieler vortreflih. Den Gipsel- Variationen über Mozart's „Reih mir die Hand mein Leben“*von Chopin, mit Begleitung des Orchesters, deren Vortrag mit üßer- ordentli lebhaftem Beifall des leider nit sehr zahlreich ershienenen A aufgenommen wurde. Schließlih erwähnen wir noch. des ersuhs, eine aus dem Stegreif komponirte Fantasie dem Publikun Jahren manche Pianisten mit CGrföls-

punkt seiner Leistungen bildeten aber die gleihfalls sehr selten gehörten

darzubieten, wie es in früheren

gethan haben. Als Themata wurden das Eingaugsmotiv des Kaisers M

marsches von Wagner und zwei

gegeben. Die freie Behandlung derselben war geshickt durchgeführt gz

und durch kontrapunktisce Gegensäßlichkeit stets interessant gehalten. Auch diese Improvisation erfreute

Melodien von Alkan und ‘Leßmann: hie: AE

h einer beifälligen Aufnahme, 2 i:

Die Philharmonishe Kapelle, die das Concert mit der Ouverturé zu EDA

„Coriolan“ von Beethoven unter Hrn. Kogel's Leitung eröffnete und-

den Pianisten begleitete, verdient noch ganz besonders lobend-erwähnt 0

zu werden.

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