1890 / 20 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 21 Jan 1890 18:00:01 GMT) scan diff

für eine Verlängerung der Linie bis nah Kapsiadt ist der, daß wir dem starken Jmport von dort einen entsprehenden Export gegenüberstellen können. Jn kurzer Zeit wird die Kündigung der Meisibegünstigungsklausel Seitens Fraukreihs eine be- deutende Handelsstörung hervorrufen. Das Deutsche Neich wird diese um so leihter überwinden, wenn es seine Waaren nah Ländern gehen läßt, von denen wir au kaufen und die so von uns in gewissem Grade abhängig sind. Deshalb müssen wir unseren Blick ebenso nah Kapland und Brasilien, wie nah Australien und Ost-Asien richten. Jm anderen Fall laufen wir Gefahr, unsere Fabriken zeitwet)e in Stillstand ge- rathen zu sehen. Es mögen das ganz nüchterne Erwägungen sein, aber ih glaube, daß die ideale Seite der Frage schon genugsam von Vertretern der konservativen und national- liberalen Partei mit Begeisterung erörtert ist. Jndem ih es aber dem Reichskanzler überlasse, die anzulegenden Häfen zu bestimmen, werde ih gern für die gegenwärtige Vorlage stimmen. 8 A

Abg. Diffené: Mir scheint, daß in der ursprünglichen Vorlage für die westdeutshen und süddeutshen Juterefsen nicht in genügender Weise gesorgt ist, weil keine Bestimmung auf- genommen ist, daß die Dampfer einen niederländischen oder belgischen Heen anlaufen sollen. Nur in_ den Motiven ist davon die Rede. Was Jhnen die Kommission jevt in die „Anlage“ zu seven vorschlägt, ist von mir angeregt worden. Auch so ist das Anlegen in den betreffenden Häfen nur für die Anfangsjahre vorgeschen. Man wird aber auch in Zu- kunst niht darauf verziht.n können im Jnterefse des west- deutshen und süddeutschen Handels. Der Verkehr würde anders von der Rheinstraße abgelentt werden, und Pläße wie Köln, Mainz, Frankfurt, Mannheim würden darunter zu leiden haben. Die wohlwollende Erklärung der Reichsregierung ge- nügt niht. Die große Wichtigkeit der Sache erfordert eine geseßlihe Bestimmung. Es handelt sih hier darum, ob die subventionirten Dampfer auch für diese Landestheile von Nuyen sein sollen. : i i

Abg. Graf Hoensbroech: Auch in der Rheinprovinz

besteht der dringende Wunsch, daß die neue Linie einen hollän- dischen oder einen belgischen Hafen anlaufe, und ich bitte des- halb an dem Beschluß Jhrer Kommission fesizuhalten. Mit der Vorlage bis zum nächsten Reichstage zu warten, ist nicht empfehlenswerth. Man darf die Entscheidung nicht in eine derartig ungewisse Zukunft hincinziehen. Auch wenn wir heute die Vorlage bewilligen, wird es ja noch anderthalb Jahre dauern, ehe die Linie in Gang kommt. Damit ist ohnehin schon eine lange Zeit den Engländern und Franzosen gegeben, das Heft in die Hand zu bekommen; und es ist ungewiß, ob, wein wir noch länger warten, wir dann im Stande sind, ihnen Konkurrenz zu bieten.

8. 2 nebst Anlage wird hierauf bewilligt, cbenso ohne Debatte 8. 3.

Damit ist die zweite Berathung erledigt.

Die Ermäghtigung zur strafrechtlichen Ver- folgung des Redacteurs der „Düsseldorfer Arbeiter- zeitung“ wegen Beleidigung des Reichstages beschließt der Neichstag nicht zu ertheilen.

Darauf wird die dritte Berathung der Anträge Ader- mann-Aichbichler, betreffend den Befähigungsnach- weis, fortgeseßt, und zwar mit der Abstimmung über Ein- leitung und Ueberschrift des Geseßentwurss. Dieselbe ergiebt die Annahme von Einleitung und Ueberschrift mit 129 gegen 92 Stimmen.

Die definitive Abstimmung über das ganze Gesetz ist auf Antrag des Abg. Kroeber eine namentliche. Dieselbe ergiebt die Annahme mit 130 gegen 92 Stimmen. Die zu diesem Gegenstande eingegangenen Petitionen werden durch die ge- faßten Beschlüsse für erledigt erklärt.

Es folgt der Bericht der Rehnungskommission, be- treffend den Antrag Richter auf Vorlegung eines Gesezgentwurfs, betreffend die Verwaltung der Einnahmen und Aus- gaben des Reichshaushalts, in Verbindung mit dem Bericht derselben Kommission, betreffend die allgemeine Rech- nung über den Reihshaushalt für 1884/85, sowie die zu diesem Ctat und zu den Etats von 1881/82 bis 1883/84 E E der Justifikationsordres gemachten Vor-

ehalte.

In Bezug auf den Antrag Richter beantragt die Kom- mission, den Reichskanzler zu ersuchen, dem Reichstage schon in der nächsten Session einen Geseßentwurf, betreffend die Verwaltung der Einnahmen und Ausgaben des Reichshaus- halts, sowie einen Geseßentwurf, betreffend die Einrihtung und die Befugnisse des Nehnungshofes, vorzulegen.

Jn Bezug auf den zweiten Punkt beantragt die Kom- mission, dem Reichskanzler bezüglich der allgemeinen Rechnung für 1884/85 Entlastung zu ertheilen und die Vorbehalte aus den früheren Rechnungen fallen zu lassen und in Bezug dar- auf ebenfalls die Entlastung zu ertheilen.

Abg. Dr. Meyer (Halle): Seitdem) der Reichstag weiß, daß die Justifikation von Einnahmeaussfällen durch eine vom Kriegs-Minister eincs Einzelstaats kontrasignirte Ordre des Landesherrn erfolgt ist, hat er eine ganz bestimmte und konsequente Stellung eingenommen, die zu verlassen ihm gegenwärtig zugemuthet wird. Staatsrechtlich liegt die Sache einfa so, daß dem Reichstag gegenüber kein anderer Beamter eine Verantwortlichkeit trägt als der Neichskanzler, und daß daher Akte, welche niht durh die Verantwortlichkeit des Reichskanzlers gedeckt sind, dem Reichstage gegenüber als nicht existent angenommen werden müssen. Der Reichskanzler hat selber mit dem größten Nachdruck hier erklärt, er allein trage dem Reichstage gegenüber die Verantwortlichkeit auch in Angelegenheiten der eeresverwaltung, und er halte

_es für unzulässig, daß der Reichstag sich mit einer Nesolution an die Verwaltungen der einzelnen Kon- tingente wende. Damit hat sich der Kriegs-Minister voll- kommen einverstanden erklärt. Wie kommt es nun, daß hier eine staatsrechtliche Doktrin zum Durchbruch gekommen ist, die mit jener Erklärung im Widerspru steht! Darüber hat uns der Kriegs-Minister nichts mitgetheilt. Jndem die Kom- mission si in eine materielle Prüfung der Gerechtigkeit dieser Justifikationsordres eingelassen, hat fie dem Reichstage eine

Aufgabe zugemutihet, zu welcher ihm das ‘erforderliche Maß von Sachverständniß fehlte. Diese Gründe sind durchschlagend, um an dem früheren Standpunkt des Reichstages, den früher auch Mitglieder der nationalliberalen Partei und des Centrums getheilt haben, festzuhalten. Wir müssen den Vorbehalt, der gegen die srüher decargirte Rehnung gemacht ist, aufrecht er- halten, bis die nahttäglite Kontrasignatur des Reichskanzlers

beigebracht ist, und wir können am Allerwenigsten für die Zukunft auf diese Kontrasignatur verzichten. : Abg. Letoha: Die Kommission ging von der Ansicht

aus, daß die Kabinetsordres als Beläge respektive Quittungen für das betreffende Kontingent anzusehen seien. Nach der preußischen -Verfassungsurkunde bedarf es hierzu der Gegen- zeihnung eines Ministers. Handelt es sich um eine neue Reichssache, wie bei Post und Telegraphie, so wäre allerdings die Gegenzeichnung des Reichskanzlers nothwendig gewesen. Die Kommission ist aber noch weiter gegangen und hat die einzelnen Bis sahlih geprüft und als rihtig befunden.

Abo. Rickert: Die Kommission hat den Standpunkt aufgegeben, den der Reichstag, solange Rehnungen geprüft werden, in Uebereinstimmung mit der Ober-Rechnungskammer festgehalten hat. Seit 1867 hat der Reichstag die Frage zwar nicht definitv entscheiden wollen, aber immer die Gegenzeihnung des Reichskanzlers für nothwendig gehalten. Der Antrag Richter hat mit dieser Frage gar nihts zu thun, die Annahme desjelben würde auch nicht dafür garantiren, daß Wandel ge- schaffen wird. Die Auffassung, daß die Gegenzeichnung des Kriegs-Ministe-s, als Chefs einer selbständigen Kontingents- verwaltung, genügt, ist zwar nah Landesgeseßgebung zulässig, durhbriht aber Reichsrecht, und danach ist die Kontra- signatur des Reichskanzlers unbedingt nothwendig. Die An- nahme, daß der FeiGfanzler ja die Verantwortung durch Ueberreihung der Rechnungen an den Reichstag übernehme, ist nicht zutreffend. Eine andere Frage ist auch von Be- deutung. Der Rechnungshof hat, nahdem er Rehnungen der sächsischen Militärverwaltung Decharge ertheilt hatte, nach- träglih Kenntniß von Unregelmäßigkeiten in einer dortigen Garnisonverwaltung erhalten und deshalb von der sächsischen Militärverwaltung die Beläge eingefordert, um die bereits dechargirten Rechnungen nochmals zu prüfen. Die sächsische Militärverwaltung hat aber die Belege verweigert, weil die Rechnungen schon dechargirt seien. Dieser Standpunkt ist voll- kommen inforrekt. Eine nochmalige Prüfung ist in diesem Falle nöthig, wenn nicht das wichtigste Ret, das der Kontrole, preisgegeben werden soll. Jh kann niht annehmen, daß das Haus den Deduktionen der Rehnungskommission beitreten wird, und bitte, es unter Ablehnung der Anträge bei den früheren Beshlüssen zu belassen.

Abg. Francke: Bezüglih des leßten Punktes theile ih die Añsicht des Abg. Rickert. Sind Unregelmäßigkeiten vor- gekommen, so muß formell Ordnung geschafft werden. Der Rechnungshof hat ja nur aus Unkenntniß der vorgekommenen Unregelmäßigkeiten die Decharge ertheilt. Fm Uebrigen stimme ih aber den Kommissionsbeshlüssen zu. Eine Einigung in dieser Sache ist ja gar niht möglich, da die verbündeten Regierungen und der Reichstag auf ihrem entgegengeseßten Standpunkt verharren. Da aber bisher kein praktischer Fal vorgekommen ist, in welchem der Reichstag materiell mit den Kabinetsordres nicht hätte einverstanden sein können, hat die Kommission bis auf Weiteres einen modus vivendi geschaffen. Augenblicklih haben wir keinen Anlaß, die Decharge zu ver- weigern, da es sich materiell niht um die Beanstandung von Kabinetsordres handelt, sondern nur um die formelle Frage.

Inzwischen ist vom Abg. Rickert der Antrag eingegangen, in Bezug auf die Rehnung von 1884/85 den Reichskanzler aufzufordern, gemäß den Seitens der Ober-:Rechnungskammer gemachten Vorbehalten die Verantwortung durch nach: träglice Gegenzeihnung zu übernehmen, und unter diesem E die Entlastung für die Rehnung von 1884/85 zu ertheilen.

Abg. Dr. Windthorst: Es handelt sich hier um ein erhebliches Recht des Reichstages. Weder die Kommission noch die gegenwärtigen Erörterungen haben die Sache zu klären vermoht. Wollte man den bisherigen modus vivendi stabiliren, dann würde das Gese geändert werden müssen, wozu ih selbst bereit wäre. Jch bitte aber, die Angelegenheit nochmals an die Rechnungs-Kommission zu verweisen und dort den Reichskanzler zu vernehmen.

Ein inzwischen eingegangener Antrag Francke will die bisherigen Vorbehalte des Reihstags fallen lassen, im Uebrigen aber den bisher vom Reichstage eingenommenen Nechtsstand- punkt festhalten. :

Abg. Dr. Häftel: Keine Partei hat es geleugnet, daß eine gewisse Vollmacht für die Regierungen bestehen muß, und nux über die Grenzen dieser sind wir in Zweifel. Will man überhaupt zu einem Abschluß kommen, so kann der Reichstag nur seinen bisherigen Standpunkt festhalten. Wir können doch nicht auf ein Ret verzichten, allein auf die Möglichkeit hin, daß wir bei späteren Verhandlungen wieder auf unseren bisherigen Rechtsstandpunkt zurückgreisen dürfen. Wenn wir nach dem Antrage der Kommission verfahren, ist es nit verbürgt, daß derartige Kabinetsordres später überhaupt zu unsecer Kenntniß kommen. Wenn wir jeßt den Rechnungshof veranlassen, von seinem formellen Standpunkt zurüczutreten, dann werden wir in Zukunft vollständig im Dunklen tappen. Jch wünsche, daß au E justi- fizirten Kabinetsordres vorgelegt werden, aber Sie wissen, daß ein solher Beshluß des Reichstages für den Rehnungs- gof niht bindend ist. Jn dem Augenblick, wo Sie den

echnungshof von seinem Standpunkte herunterdrängen, haben Sie bezügli der justifizirten Kabinetsordres nicht die eringste Sicherheit mehr. Jch frage den Herrn Schatß- ekretär, ob es begründet ist, daß der Reichskanzler dadur, daß er uns die Rechnungen vorlegt, die Verantwortung für die justifizirten Kabinetsordres auch in den Einzelstaaten über- nimmt. Fügt der Reichskanzler dadurh gewissermaßen der Unterschrift der verschiedenen Kriegs-Minister E eigene hinzu? Bekommen wir eine solche Erklärung nicht, so ist der Kommissionsberiht ohne jedes Fundament. Es handelt \ih hier nicht nur um konstitutionelle Fragen des Reichstages, sondern auch zum guten Theil um den Kampf des Parti- kularismus gegen das Reich.

Die Diskussion wird geschlo}sen.

Nach einem Schlußwort des Referenten wird der Antrag Windthorst auf nochmalige Zurückweisung an die Nechnungskommission mit großer Mehrheit ange- nommen. |

Der Gesetzentwurf, betreffend die Kontrole des Reihshaushalts und des Landeshaushalts von Elsaß-Lothringen für das Etatsjahr 1889/90 wird ohne Debatte in erster und zweiter Berathung angenommen. Das Mandat des Abg. Dr. Meyer (Jena) wird in

olge der Ernennung desselben zum Professor in Heidelberg ür erloschen erklärt. ;

Damit ist die Tagesordnung erledigt. /

Der Präsident s{hlägt vor, die nähste Sißzung Dienstag, und zwar mit Rücksicht auf die im preußischen Abgeordneten- hause stattfindende erste Lesung des Etats um 2 Uhr abzu- balten und auf die Tagesordnung die dritte Lesung der Post dampfervorlage und des Etats zu seßen.

Abg. Dr. Windthor st (zur Geschäftsordnung): Jh wünsche zu wissen, wann das Sozialistengeseß zur weiteren athung kommen wird. Früher hat man das Gesey ungeheuer eilig emacht, und jegt weiß man nit, ob es niht im Sterben iegt. Jh habe ein ebenso großes Jnuteresse, daß es berathen, als daß es nicht berathen wird. wünsche nur Klarheit zu haben, wie lange man hier noch aushalten muß.

Präsident: Nach den Erkundigungen, die ih eingezogen habe, habe ih keinen Grund zu der Annahme, daß das Sozialistengeseß niht zur Berathung kommen würde.

Ee vielmehr Grund zu glauben, daß wir, nachdem wir die

agesordnung, die ih für morgen vorgeschlagen habe, erledigt haben was ja nicht in einem Tage geschehen wird in die Berathung des Sozialistengeseßes werden eintreten müssen und daß daher der Schluß des Reichstages noch nicht in den allernähsten Tagen erfolgen wird.

Abg. Nichhter: Es würde das also heißen, daß, wenn doch die dritte Berathung des Etats morgen zum Abschluß gelangt, übermorgen die zweite Berathung des Sozialisten- geseßzes {hon erfolgen könnte. Wir würden doch sonst keine andere Tagesordnung haben.

Präsident: Wenn der Etat {hon morgen erledigt werden sollte, würde mir nihts Anderes übrig bleiben, mölhte ih sagen, als übermorgen das Sozialistengeses auf die Tages- ordnung zu seßen.

bg. Dr, Windthorst: Jh bin über die Bemerkung des Abg. Richter einigermaßen erstaunt, wir haben doh noch die sämmtlichen Jnitiativanträge. Außerdem wissen wir ja gar nit, was morgen noch kommt. Eben haben wir ja noch eine Vorlage von 187 000 4 bekommen.

Schluß 41/5 Uhr.

Der Etat der Staatsshulden-Verwaltung weist an eigenen Einnahmen auf: 18 500 A Vergütung vom Reich für Wahrnehmung der Geschäfte der Reichsschuld, 31 000 4 (+ 9700 4) Gebühren für Eintragungen in das Staatshuldbuh u. \. w. und 169 000 A (+ 27500 M) an sonstigen Einnahmen, im Ganzen 918 500 M, 37 200 A mehr, als für das Etatsjahr 1889/90 angeseßt waren.

Außerdem sind durch geseßliche Verordnung folgende Einnahmen bestimmt: Der gesammte Reinertrag aus Domänen. und Forsten, mit Aus\{chluß der dem Kronfideiklommißfonds zufließenden Summe, der gesammte Erlös aus den Verkäufen von Domänen- und Forstgrund- \tüden oder Ablösungen von Domänenrechtcn, Diensten und Gerecht- samen, diejenigen Rente-Ablösungskapitalien, welche von anderen als Domanialprästantiarien durch Baarzahlung des ahtzehnfahen Be- trages der Rente entrihtet, von den Berechtigten aber niht ange- nommen sind, und aus den Betriebsübershüssen der für Rehnung des Staats verwalteten Eisenbahnen die zur Verzinsung und Tilgung der zu Eisenbahnzweckden verwendeten Anleihen und der Eisenbahn- \hulden erforderlihen Mittel.

Nach dem Etat für 1889/90 betrugen die Schulden der alten Landestheile und des Gesammtstaats seit 1866 439474867 M Davon kamen in Abgang bei der 3# prozentigen konsolidirten Staats- Anleihe diejenigen ausgefertigten Konsols, welche zum Umtausch von Prioritäts-Obligationen verstaatlichter Eisenbahnen, bez. zur Einlösung gekündigter Obligationen niht zur Verwendung gelangt sind, im Betrage .von 132 900 4; bei derselben Anleihe die gegen die An- nahme bei Aufstellung des vorigen Etats zur Deckung der Einlssungs- mittel für gekündigte, nicht konsolidirte ältere Anleihen weniger er- forderlih gewesenen, bez. am 1. Oktober 1889 und 1. Januar 1890 weniger erforderlich werdenden 163 400 4; durch die gewöhnliche Tilgung in 1889/90 pp. 13515757 #4; ‘endlich dur außerordentliße Tilgung in 1889/90 19842600 Æ#, im Ganzen 33 654 657 Dagegen traten bei der 32 prozentigen kfonsolidirten Anleihe hinzu: 78 600 4, welhe zum Umtausch 4 prozentiger Thüringisher, Halle-Sorau-Gubener und Rheinischer Eisenbahn-Prioritäts-Obligationen mehr nöthig waren ; 10 000 000 für die Beförderung deutsher Ansiedelungen in Wefipreußen und Posen ; 10 000 4 für Grundsteuerentshädigungsbeträge in den Pro- vinzen Schleswig-Holstein, Hannover und Hessen-Nassau, sowie im Kreise Meisenheim, 311 063 500 H zum Umtausch von Prioritäts- Obligationen verschietener Eisenbahnen ; 18 C00 0C0 „6 zur Einlösung extraordinär gekündigter Prioritäts:Obligationen ; 80 000 000 M Behufs Bes&affung der Mittel zur Erweiterung, Vervollständigung und bcsseren Ausnußung des Staats-Eisenbahnneßes; 1529 000 zur Deckung der Einlösungömittel für die am 1, Juli 1890 zu tilgenden Schuldverschreibungen der Staatsanleihe von 1868A und 1560400 M für die am 1. Januar 1891 zu tilgenden Schuldverschreibungen derselben Anleihe; 365 356 000 4 zum Umtaush von weiteren Prioritäts-Obligationen verschiedener Eisenbahnen und 20 000 000 6 zur Einlösung weiterer extraordinär gekündigter Prioritäts-Obligationen. Somit treten mehr binzu 773 948 743 Æ, sodaß sich die Schulden der alten Landestheile und des Gesammtstaats seit 1866 für den 1. April 1890/91 auf 5 168 723 610 M erhöhen. Bei den Schulden der neuen Landestheile sind dur die gewöhnliche Tilgung, sowie durch die außerordentliche Tilgung der Kurhessishen Anleihe von 1863 und des Restes der An- leihe ron 1853 der vormals Nafsauischen Schulden 26 406 552 in Abgang gekommen, sodaß die Schulden der neuen Landettheile für 1. April 1890/91 noch 36 000 651,38 6 betragen, Die gesammte Landes\huld wird sich somit bei Beginn des Etatsjahres 1890/91 muthmaßlih auf 5 204 724 261,38 M belaufen. y

Die Ausgabe für die Staatsshuld im Jahre 1890 91 beträgt 900 661 791,50 A für Verzinsung, 46 835 531,97 „6 für Tilgung und 1429 813,64 A für Renten, zusammen 248 927 137,11 Hierzu treten an Verwaltungskosten bei der Staatsschuldenverwaltung 767 229,89 A und 4869 198 6 für außerordentlihe Tilgung von Staatsschulden. Die Gesammtausgabe beläuft si mithin für 1890/91 auf 254 563 565 M, 8 545 949 Æ mehr als im Vorjahre.

Der Etat des Herrenhauses veranschlagt die Ausgaben auf 89 100 5, und zwar 44 640 4 für Besoldungen und Wohnungs- geldzushüsse (4- 3000 6), 40 830 G (+ 0) für andere persönliche Ausgaben und 89 100 6 für sachlihe Ausgaben. Diesen Ausgaben steht eine Cinnahme von 1000 M gegenüber.

Der Etat des Hauses der Abgeordneten ht die Ein- nabmen auf 1175 M4, die Ausgaben auf 1211 020 #4 an, von leßteren entfallen auf Besoldungen und Wohnungsgeldzushüsse 67 130 S, auf andere persönliche Ausgaben 65 270 #, auf sachliche Ausgaben, dar- e O und Diäten für die Abgeordneten 843 949 M = M

In dem Etat der allgemeinen Finanzverwaltung sind an Einnahmen veranschlagt : der Antheil an dem Ertrage der Zölle und der Tabasteuer auf 100 235 700 46 (+ 9 067 460 „46), der Antheil an dem Ertrage der Verbrauchsabgabe für Branntwein und des Zu- {lags zu derselben auf 66 807 480 4 (— 61650 46), der Antheil an dem Ertrage der Reichsstempelabgaben auf _13 374840 M (+ 1 310 890 46), die Einnahme des vormaligen Staatsshaßes auf 4 282 060 A (+ 1 779 030 A6), die Zinsen von Staatsaftivkapitalien auf 2 058 600 Æ (— 114720 4), der Erlôs für Verschreibungen fonsolidirter Anleihen, welhe zur Tilgung von Staats\chulden be- stimmt sind, auf 3263184 A (— 3935 489,17 46), Privat-Ab- [ôösungskapitalien, zur Tilgung von Staatsshulden bestimmt, auf 47 077 M (— 57247 4), Rente von der Reichsbank wegen Ab- tretung der Preußishen Bank an das Reih auf 1 865 730 #, Rüd- zahlungen und Zinjen auf früher bewilligte Darlehne 280 013,80 (4- 39 678,12 A), hinterlegte Gelder auf 26 000 000 (+ 1000000 Mé) Zinsen, welche den Hinterlegung8betheiligten gut zu \chreiben sind, auf

630 090 A (+ 5000 Æ), Zinsen und sonstige Erträge des vormaligen Hinterlegungsfonds auf 875 M (— 1015,60 #), sonstige e mischte Einnahmen auf 999,20 Æ (— 0,35 4), zusammen auf 318 848 649 M, 9031 936 Æ mehr als im Vorjabre. Hierzu kommt als außerordentlihe Einnahme der Verwaltungsübershuß des Jahres vom 1. April 1888/89 mit 4 869 198 46, so daß fi die Gesammt- summe der Einnahmen auf 223 717 847 Æ stellt.

Die Ausgaben betragen an Matrikularbeiträgen 155 754017 M + 21 494 050 46) und an Apanagen, Renten, Abfindungen u. \. w, 93589 581 A (+ 308587 M), zusammen 249 343598 (4+ 24 579 917 4). Die Ausgaben übersteigen die Einnahmen daher um 25 625 751 M

Der Etat für das Bureau des Staats-Ministeri weist an Einnahmen 4195 4 (+ 3980 M), an I Besoldungen und Wohnungsgeldzushüssen 174750 4, an anderen persönliben Ausgaben 15 450 4, an sachlihen Ausgaben 115 550 4 (+ 7140 Æ) auf. Die Summe der Ausgaben beläuft fich somit auf 305 750 M

Bei dem Etat der Staatsarchive sind die Einnahmen auf 4895 M (+ 180 6), die dauernden a auf 340 695 F (+ 3236 M) veranshlagt. Von leßteren kommen auf Besoldungen und Wobnungztgeldzushüsse 232458 A (+ 3096 46), auf andere per!önlihe Autgaben 33520 # und auf sachlihe und vermisdte Auêëgaben 74717 4 (+ 140 #4). An einmaligen und außeror dentlichen Ausgaben sind als zweite Rate für den E E N E Bibliothekgebäudes in Hannover

eingestellt worden, ie Summe der ä mithin 540 095 M der Ausgaben beträgt

Der Etat der General-Ordcns-Kommission veran- \cklagt die Einnabmen, darunter 15 300 #4 (+4 1920 #) für zurück- gekommene alte Ordensinsignien, auf 15440 4, die Ausgaben, und zwar Besoldungen und Wohnungégeldzuschüsse auf 47 910 M, die anderen persönlichen Ausgaben auf 3900 H, die sahlichen und ver- mischten Ausgaben, einschließli 130 000 A für Ansc{affung und Unterhaltung der Ordensinfignien, auf 144500 Æ (— 150 S), zu- sammen auf 196 310 4

Bei dem Etat des Geheimen Civilkabinets belaufen sih die Einnahmen auf 6550 #6 (+ 50 #), davon kommen auf den Beitrag des Deutschen Reichs zu den Verwaltungskosten 6300 4, auf die sonstigen Einnahmen 250 A Die Ausgaben betragen für Be- foldungen 96 900 M (+ 5100 M), für Wobnungsgeldzuschüsse 14 040 Æ (+ 1080 6), für andere perjönlihe Ausgaben 6400 und für sahchliche Ausgaben 22400 #, zusammen 139340 #4, 6180 Æ mehr als im Vorjahre.

Der Etat der Ober-Rechnungskammer weist an Aus- gaben nach an Besoldungen 663 000 #4, 12600 4 mehr als im Vorjahre. Außerdem werden aus Reichéfonds gezahlt zu der Besol- dung des Chef-Präfidenten 7000 # und zu der Besoldung des Kanzlei-Direktors 1400 4 Neu hinzugekommen sind, da mit der Erweiterung des Staatseisenbahnneßes auch die Geschäfte der Ober- Rechnunzskammer aus dem Ressort der Staats-Eiserbahnverwnaltung anwack@sen, 3 Revisionsbeamte zu 4200 4 An Woßnungsgeldzu- \chüfsen werden 91 244 A (+ 1980 4) gefordert. Die übrigen per- fönlihen Ausgaben betragen 24549 M (+ 225 S), die sah- lihen Ausgaben 31800 M Die Auëgaben belaufen si somit in8sgesammi auf 810 593 4 (+ 14 805 S), die Einnahmen sind auf 880 M (— 70 M) veranschlagt. Außerdem wurden für den mit der Ober-Recnungskammer vereinigten Rechnung8hof des Deutschen Reichs in dem Reichehaushalts-Etat für 1890/91 ausgeseßt : an Be- soldungen 448 500 4, an Wohnungsgeldzushüssen 63 148 4, an an- deren persönlihen Ausgaben 11 800 (6 und an fachlick{en Ausgaben 31 600 4, zusammen 555 048

Der Etat der Prüfung8kommission für shere Ver- waltungsbeamte, des Disziplinarhofes und des Ge- richtshofes zur Entscheidung der Kompetenzkonflikte hat sih gegen das Vorjahr niht verändert. Die Einnahmen bei der erstgenannten Behörde aus den Prüfungêgeldern (60 4 für jeden Kandidaten) sind auf 7200 Æ angenommen, die Ausgaben betragen 9200 4, bei dem Disziplinarhofe 10770 H, und bei dem Gerichtshofe zur Entscheidung der Kom- petenzkonflikte 8400 (A Auch der Etat des Gesetz- jamm lungs-Amts ist derseibe geblieben wie im Jahre 1889/90, Die Einnahmen, davon 172800 4 aus dem Absay der Gcseh- sammlung, betragen 172 830 Æ, die Ausgaben, darunter eine Bauschvergütung an das Deutsce Reich für die Wahrnehmung der Geschäfte des Geschsammlungs-Amts in Höhe von 30000 f, 151 600 Æ, sc daß si cin Ueberschuß von 21230 ergiebt.

L Der Etat des „Deutschen Reichs- und Preußischen Staats-Anzeigers veranshiagt die Einnahmen auf 705 500 M, um 30000 Æ höôber als im Etatsjahr 1889/90, Hiervon entfallen auf den Debit des Blattes 133 000 A, auf Infertionsgebühren 570 009 4 (+ 30 000 4), auf die sonftigen Einnahmen 2500 Die Ausgaben betragen an Befoldungen 37 350 /6, an Wohnungs- geldzushüssen 5940 Æ, an anderen persönlichen Ausgaben 49 000 (M und an fachli@en und vermishten Ausgaben. 409 490 „# (+ 11450 4). Unter den leyteren find für Saß, Druck und Papier 365 00046 (+410 000 46), und für Provision an die Reichs-Postverwaitung 21 500 4 eingestellt, Die Gcsammtsumme der Betriebskosten beträgt somit 501 690 (+ 14050 4), dazu tritt der Antheil der deutschen Reichskasse an dem Betriebsüberschuß mit 101255 H (+4 7975 4), sodaß sich die ge- sammten Kusgaben auf 602945 4 (+ 22025 6) belaufen. Es verbleibt daher ein Ueberschuß von 102 555 4!

er L S A Deyn ez mer guZ S

Ín tem Etat der Ansiedelungékommission für We st- preußen und Posen sind die Einnahmen auf 200000 (+ 15 035 4), Zuschuß aus dem bereitgestelten Fonds zur Deckung der Verwaltungsauëgaben der Ansiedelungslommission, auf 400 000 ,4 (+ 109 000 Æ) aus der Ucberlassung von Stellen, soweit sie nit aus der Veräußerung und Forsten herrühren, aus Rüczahlungen und Zinsen von Darlehen, Erlös aus verkauften Guteinventar und Ueber- 1GÜssen aus ter Wirthschaftéführuna der Ansiedelungsgüter, und auf 109 4 (+ 100 ) aus sonstigen Einnabmen veranschlagt. Die ge- sammten Einnahmen belaufen sich somit auf 606129 (+ 115 035 M). Bei den Verwaltungsausgaben hat fi in Folge des Fort- \{reitens der Anfiedlung. und des Neuerwerbs von Gütern eine Ver- stärkung des Personals nöthig gemacht, und find dieselben gegen .das Vorjahr um 1d 035 46 höher angeseßt worden. Es entfallen auf Besoldungen und Wobnungsgeldzus{üsse 78 639 M (+ 14 535 H), auf andère persönlide Ausgaben 52 000 A (+ 500 46) und auf die falichen Ausgaben 76 000 (6 Dic gesammten Verwaltun gs- ausgaben betragen somit 206 639 «6 Es verbleibt daher cin Mehr dec Einnahmen über die Autgaben von 400100 #4 Lüdad #), welde Summe an den oben erwähnten Fonds ab-

ift.

Der Etat für das Ministerium des Innern (1890/91) berehnet an Einnahmen folgende Posten: Verwaltung Ét Innern 61 663 4 98 S (1538 4 70 H weniger als im vorigen a) Polizeiverwaltung 226 051 4 44 S (— 13545 #4 80 S);

andgendarmerie 436 228 # 58 (+ 19141 A 50 S); Straf- gutes 2c. Verwaltung 2/973 620 (— 60447 44); Verwaltung Ax Regierungs-Amtsblätter und der damit verbundenen öffentlichen gur 189 628 A (+ 5560 46); für Wohlthätigkeitszwecke ti H A e 120 4); Summa der Einnahmen 3903 6683 4 Mi Als dauernde Ausgaben find angenommen sür das Szeisterium 621 121 M (unverändert wie im vorigen Etat); für das atistishe Bureau 401 710 4 (— 650 4); das Ober-Verwaltungs- S: 369 780 A (+4 29 790 , 2700 fünftig wegfallend) ; die e iinier 399 400 6 (— 18 063 4); die Verwaltung der Re- 97a ee Amtsblätter und der damit verbundenen öffentlichen Anzeiger

62 M (+ 2662 #4); für landräthlihe Behörden und Aemter

7083 651 A 3 S (+ 43780 A 12 4, 57880 A3 S fünftig wegfallend) ; die Polizeiverwaltung in Berlin 7703 683 „46 (— S1 145 0; die

olizeiverwaltung in den Provinzen 3897626 Æ 95 S + 186 934 „4, 2707 M 72 A fünftig wegfallend); die Polizei- Distriktskommissarien in der Provinz Posen 752 209 46 (+ 39079 M); die Landgendarmerie 10697 224 # 80 Z (+ 561999 M 7 S, 720 fünftig wegfallend); für allgemeine Ausgaben im Interesse der Polizei 1975316 4 (+ 3807 4); für die Strafanstalt8-Ver- waltung 8719197 M 83 S (— 535004 Æ 23 S, 2963 M 21 4 § fünftig wegfallend); für Wohlthätigkeitszwecke 859 238 4 37 S (— 13526 A 42 S, 5917 A 40 § fünftig Tegen endlih zu allgemeinen Ausgaben für verschiedene Bedürfs- ni e der Verwaltung des Innern 124 621 4 92 §4 (— 964 A 37 S, 29121 Æ 41 S künftig wegfallend);: Summa der dauernden Aus- gaben 43 840 441 M (376316 Æ mehr als im Etat für 1889/90), davon 39 009 Æ 77 » in Zukunft wegfallend.

An einmaligen und außerordentlichen Ausgaben sind ausgeworfen: 480 000 „(4 für das Ober-Verwaltungsgeriht zum Ankauf des Grundstücks Jägerstraße Nr. 56 in Berlin, da die Räume des Dienst- gebäudes nah der eingetretenen Vergrößerung dieser Behörde für das Bedürfniß derselben niht mehr ausreihen und es namentlich an einem Plenar-Sipßungfaal sowie Arbeitsräumen für die Räthe fehlt. Für die landräthlihen Behörden und Aemter werden außerordentli 5000 gefordert (gegen 6000 Æ im vorigen Gtat), und zwar zu Unterstüßungen für die früheren kommissarishen Amtmönner, Hardes- vôgte und Kirchspielvögte, welche bei der Einführung der Kreiëordnung für die Provinz Hessen-Nafsau vom 7. Juni 1885 bezw. der Kreis- ordnung für die Provinz Schleswig-Holstein vom 26. Mai 1888 disponibel geworden sind und inzwishen nicht anderweitig dienstliche Verwendung gefunden haben. Zur Beschaffung von Revolvern für die auf preußische Rechnung fungirenden, nicht aus\ch{ließlich als Schreiber verwendeten 2236 Fußgendarmen ist der Betrag von 84 834 4 eingestellt. Das Zündnadelgewebr, mit welhem die Fußgendarmen zur Zeit aus- gestattet sind, hat sich, wie es in den Motiven heißt, für einen Theil der Dienstleistungen ais Ee mng und unzureichend erwiesen. Namentli habe sich in Fällen von Angriffen auf die Gendarmen aus der Nähe und im Handgemenge die Ausstattung der Mannschaften mit dem Revolver ay geboten erfennen lassen. Anderer- seits könne das Gewehr aber nicht entbehrt werden, weil die Gendarmen in die Lage kommen können, auf weitere Ent- fernungen bin, z. B. bei der Flut von Arrestanten, der Schuß- waffe sih bedienen zu müssen. Endlih_ werden zu Neu-, Er- weiterungs- und Anbauten für die Strafanstalts-Verwaltung (Gefängnisse, Strafanstalten, Verwaltungs-, Dienst-, Wirthschafts- gebäude 2c.) 648 500 M gefordert (290 035 M weniger als im Etat für 1889/90). Zusammen erfordern die cinmaligen und außer- ordentlihen Ausgaben sonach 1218334 Æ (263299 F mehr). Rechnet man die dauernden Ausgaben mit 43 840 441 4 hinzu, so ergiebt sih als Hauptsumme der Ausgaben 45058 775 # (639 615 Æ mehr, davon 93 009 A 77 S in Zukunft wegfallend).

Königliches Kunstgewerbe-Museum.

Die Ausstellungen der Stoffsammlungen, Gewebe und Stickereien im Kunstgewerbe - Museum nehmen ihren programmmäßigen Verlauf. Nachdem die ersten fünft Gruppen, welhe das Mittelalter, die Renaissance, Barock und Rokoko, euro- päishe Stickereien aus dem 16. bis 19, Jahrhundert, den Orient umfaßten, zur Schau gestellt waren, hat gegenwärtig eine neue Gruppe Aufstellung gefunden, welhe Stoffe und Stickereien aus China und Japan umfaßt. Die legte Ausstellung der Gruppe V. „Orient“ ge- hörte mit zu den fostbarsten der ganzen Sammlung, denn unter der Gesammtbezeichnung „Orient“ waren vereinigt Produkte aus dem Orient, und zwar aus Indien, Persien, der Türtei und Nor d- Afrika, welche an Pracht der Erscheinung und Kostbarkeit des Materials die früher - zur Schau gestellten Gruppen übertreffen. Hat do die Stoffweberei und Stickerei gerade im Orient ihre hauptsächlichste Pflege gefunden. Seit dem 15, Jahrhundert entwickelten \sich im Stammlande der orientalischen Kunstweberei, in Persien, sehr zierliche Blumenmuster mit treuer Naturbeobachtung und sicherer Stilisirung. Häufig waren Gold- und Silberstoffe mit Streublumen, Vögeln und Swmetterlingea. Als Wandshmuck dienten großgemusterte Sammet- und Seidenstofe, in der Anordnung den Granatmüstern verwandt. Diese Stoffe wurden auch für Festkleider benußt. Im 16. und 17. Jahrhundert wurden in der Türkei vielfah Venetianer und Genueser Stoffe, später auG Stoffe aus Lyon verwandt, welche die orientalische Seidenweberei stark beeinflußten. Ganz originale Muster finden s fast nur in den gewöhnlichen Stoffen; Streifen mit kleinen Mustern herrschen vor. Au nach Polen wurden im 17. Jahrhundert persische Scidenweber verpflanzt, In Indien erhielten sih edle Brokatstoffe mit kleineren vertbeilten Mustern von zum Theil älterem Typus, In Indien und Persien betrieb man Sbawlweberei, welche dort bis auf den heutigen Tag in Blüthe fleht und maßgebend für Europa geblieben ift; von dort her kamen auch bedrudckte Kattune mit den Mustern der Shawlweberei und gestickter Decken, Im indis{chen Archipel, Java u. st. w. bedient man sich eincs besonderen Färbe- verfahrens, dur Abbinden und Abdecken einzelner Stellen dur aufgefchmolzenes Wachs. Von all diesen verschiedenen Orten der Stick- und Webekunst finden sich in der Gruppe V carakteristisWe und werthvolle Proben vertreten. Da sind z. B. die prächtigen türkishen Bettdecken aus dem 17. und 18. Jakbrhundert, seidene Gewebe, in welchen oder auf welchen die orientalishen Muster in ihren phantastishen Verschlingungen ange- bracht sind, hineingewebt, aufgestickt oder aufgenäßt, Von dem \schimmernden seidenen, meist in zarten Farben gehaltenen Grunde heben sich die Ornamente wirkungsvoll ab und vereinigen si mit dem Fonds zu einem harmonischen fein abgetönten Ganzen. Thür- vorhänge aus Moscheen, Vorhänge, Gardinen, Wandteppite, kostbare Shawls, Kleidungsstücke u. |. w. wechseln in bunter Reihenfolge mit cinander ab und zeigen die verschiedenen Verfahren der Stikkunst, die Tambourirarbeit, denPlattstich, dasAufnähen vonStoffstücken, die Mosaik- stickerei u. . w. Von ganz besonderem Reiz uad eigenartiger Her- stellung ift eine Stierei, zu welcher Käferflügel verwandt wurden. Ueber einen rôthlichen seidenen Grund spannt sich goldene Gaze. Auf diescr sind in regelmäßigen Abständen kleine Streumuster aufgenäht, und zwar sind es kleine Vlüthen, als deren Kelchblätter die Flügel- deden eines kleinen grünen Käfers dienen. Zart und außerordentlich zierlid, maht die so hergeftellte Stickerei einen überaus graziösen Eindrucck, dürfte aber auch nur als Shmuckstück verwendet worden sein. Bestrebt, alle Gegenstände, aus denen sich die Kleidung umen zu s{müdcken, hat die orientalishe Stickereikunst fi auch der kleineren Stücke der Tracht bemächtigt und sie mit ihren reizvollen und zierlihen Ornamenten ges{mückt, Da ift vor allen Dingen eine ganze Kollektion von Fußbekleidungsgegenständen zu nennen, Pantoffelan, Sandalen und Schuhen, gegen welche unsere modernen europäischen Pantoffel und Stiefel sih recht nüchtern und gewöhnli ausnehmen. So sei erwähnt ein Paar zierliher Pantoffeln, bei denen auf Tüllgrund seidene kleine Blumen und Blätter aufgenäht sind; sie sind türkischen Ursprungs und stammen aus dem Jahre 1867. Gbendaher rührt ein Paar andere Pantoffeln, welche Goldstickerei auf Sammet zeigen, während ein Paar indischer Pantoffeln Stickerei au Leder trägt. Türkishes Fabrikat sind au ein Paar Pantoffeln, ei denen Goldflitter u. \. w. auf das Leder genäht sind. Ein e Uen aus Holz sind „mit Sammet überzogen. Nit minder unstvoll als die Fußbekleidungen sind die Kopfbedeckungen behandelt ; eine griehishe Frauenmügte aus seidenem Flor ist mit Blättern und Federn aus Golddraht beseßt, andere Müßen aus Leder sind mit Gold E fautmetnenna en weisen ähnliche Stickerei auf. Auch orientalische cher in ihrer charafteristischen dp boten willkommene Gelegenheit zur Anbringung von Ornamentstickereien ; Gürtel, Taschen, Körbcen, sogar ein Pfei g welches Be enslberet trägt, zeigen das Be-

streben, Alles dem Auge wohlgefällig darzubieten und die edl: wo immer es angeht, zu pflegen. Nicht unerwähnt mt E TeBLiS

eine Kollektion von Proben bleiben, welhe von einer deut;Gen Firma M u. Co. in Elberfeld, angefertigt sind; es sind Stoffe für en Orient angefertigt ; sie zeigen, daß auch die deutsche Kunstindustrie bocerfreulihe Fortschritte in der Gewebekunst gemacht hat. Ein Besuch derjenigen Gewerbetreibenden, für welche die Stickerei und Weberei von Intereffe ist, dürfte für sie von nußbringendem Erfolg sein.

Statiftik und Volkswirthschaft.

Untersuchung der englischen Arbeiterverhältnifse.

In Folge der vielen Ausstände des Frühjahrs i s hatten die bervorragendsten wietblcwgitllken Lt Ge e E (Centralverband deutsher Industrieller, Verein zur Wahrung der wirthschaftliden Intereffen von Handel und Gewerbe, Verein zur Wahrung der gemeinsamen wirthschaftlihen Interessen in Rheinland und Westfalen, Nordwestlihe Gruppe des Vereins deutscher Eisens und Stahlindustrieller, Verein für die bergbaulihen Interessen im Ober- Bergamtsbezirk Dortmund) im Herbst 1889 eine Kommission nah Eng- land entsandt, welche die dortigen Arbeiterverbältnisse studiren und daboi insbesondere die Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitern und die Maßnahmen zur Verhütung bezw. Beilegung solcher Streitigkeiten ins Auge fassen follte, - Die Kommission, zu welcher die Herren Dr. Beumer-Düsseldorf, Bueck-Berlin und Th. Möller-Brackwede ge- hörten, und der sih au" der Fabrikbesiger Caron-Rauentbal anschl5f trat ihre Reise âm 24. September an und kehrte, nachdem sie alle bedeutenden Industriebezirke in England und Schottland besucht hatte, am 21. Oktober zurück. Am 13. Dezember legte fe einer Plenarversammlung der Vorstände der genannten Vereine einen eins gebenden Bericht vor. Dieser ist nunmehr, in Verbindung mt den erläuternden Bemerkungen, die ein jedes der Kommissionsmitglieder in der betreffenden Sißung matte, im Druck erschienen, und ¿war im Verlage von Mitscher und Röft ell in Berlin, Jägerstr, 61a Er A L iten fioe Kommission mit der weiteren Behand-

ung des sablichen Inhalts betraut worden ist, zur öfentlihen Dis- R L Ves ft, zur êffentlihen Dis es schon als ein Verdienst der gedachten Vercine e werden, daß sie in sich den Trieb fühlten, die Arbeiterverbält iffe in England durch sachfundige Männer zu dem Zweck, daraus für die eigenen Verhältnisse Nußen und Belehrung zu s{öpfen, untersuchen zu lassen, so kann auch der Kommission das Lob ni6t vorenthalten werden, daß sie ohne Voreingenommenheit ihr Ziel verfolgt und \ich bestrebt hat, den Dingen auf den Grund zu gehen. Verdienst und Lob bleiben bestehen, wenn auch das Ergebniß nah der positiven Seite hin, wie es seinen will, ein dürftiges ist. Denn wenn auch die Absicht ursprünglih dahin gegangen sein mochte, als werthvoll Er- fanntes für Deutschland brauchbar zu machen, und wenn auch nach dieser Richtung die Ausbeute ziemlich gering ift, so bleibt es nicht minder verdienstvoll, gewisse, ziemli allgemein verbreitete Jrrthümer als joïhe aufgedeckt und somit einer blinden und unklugen Üeber- E a 1 a R ed sog. öfentlibe Meinung e ifsenschaftlih gebildete Theoretiker einge i s gebeugt Ä ha ben E g Ingetreten find, vor

ie englishen Trade Unions (Gewerkschaften) um di o suchung der Verhältnisse dieser handelt es si d vou N Laas nießen auf dem Kontinent eine große Actung, und es giebt auch heute noch Parteien, welche allein darin die Panacee für alle Uebel der arbeitenden Klasse erblicken wollen, besonders hat Professor Bren- tano so manche Lanze für die Trade Unions gebrohen: er sieht in ihnen niht nur, was sie ihrem eigentlihen Zwette nah sein sollen, einen Schuß gegen Arbeitslo\igkeit, sondern sogar ein Mittel, welches ins. der Praxis cher die Strikes verhindert als fördert, vor Allem aber ein Schußmiitel gegen Sozialdemokratie (vgl. Brentano, Das Arbeitsverhältniß, Leipzig 1877). In neuerer Zeit hat Hr. Dr. von Schulze-Gäverniß, ein Sohn des verstorbenen Staatsrechts- lehrers in Heidelberg, in einem in den S{moller’shen Jahr- büchern veröffentlihten Aufsaß über „Vermeidung und Beilegung von Arbeitsstreitigkeiten (Strikes u. st. w.) in England“ \ihch zu einem enthusiastis@en Vorkämpfer der Trade Unions gemaht, nachdem er an Ort und Stelle sich mögli{chst genau über die einshlägigen Ver- hältnisse orientirt hat. Aber den beiden erwähnten Theoretikern ging wohl etwas der praktische Sinn, das Verständniß für die wirklichen Dinge mit ihren Schattenseiten ab, zumal die Theorie immer geneigt ist, das zu übersehen oder zu untershäßen, was niht ganz hineinpaßt. Die Kommission der deutschen Industriellen dagegen ließ sich durch die auch noch so verlocktenden Glanzseiten wenigstens einiger Trade Unions nit verleiten, ihr Augenmerk auf die sich offfenbarenden Mängel zu richten, und es muß ihr als Hauptverdienst angerechnet werden, die Möglichkeit gegeben zu baben, nah dieser Seite hin so manche falschen Vorstellungen zu berichtigen,

Sie erkennt vollflommen die großen Segnungen an, welche die Trade Unions für gewisse Arbeitszweige und deren Arbeiter gehabt haben. Sie haben in den meisten Fällen zur Besserung der Lage der Arbeiter beigetragen. Es bat sih zwischen ihnen und den gleichfalls zu Verbänden vereinigten Arbeitgebern eine Geshäftspraxis gebildet, welche in den meisten Fällen zu beiderseitiger Zufriedenheit gehandhabt wird: beide Theile verkehren auf dem Fuß der Gleichbere@tigung, beide haben eine gleiche Zahl von Vertretern in „Einigungskammern“ ; zum Vorsißenden wird in den meisten Fällen ein Jurist gewählt. Kommt keine Einigung zu Stande, fo beshließt die Trade Union den Ausftand, während defsen die strikenden Mitglieder von ihr Unter- halt bekommen. In den Trade Unions wurden aber bisher nur tüdchj» tige und gelernte Arbeiter aufgenommen; die Mitgliedschaft bürgte“"" also den Unternehmern für die Qualität der Arbeit. Die Ver--" ständigung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer wird in einigen“ . Arbeitszweigen (Kohlen- und Erzbergbau und Hüttenwesen) dur - Vereinbarung gleitender Lohnskalen gefördert, P

Auf Grund dieser Einrichtungen baben sich die Verhältnisse “in * der Praxis indessen do nur in wenigen Gebieten, z. B. im Kohlen- gebiet des Nordens von England, günstig gestaltet, und nur „in seht ». wenigen Trade Unions“, wie Herr Möller-Brackwede sagt, existiren -' jene idealen Verhältnifse, welche einige Theoretiker zu der Meinung geführt haben, daß der Tradeunionismus die einzige Form sei, um die Industrie zu beiderseitigem Vortheil zu heben. Wenn speziell Dr. von Schulze-Gäverniß si auf das Urtheil englisher Sach- verständiger beruft, daß der hauptsählihe Grund für die Stärke der englishen Eisenindustrie dem Auslande gegenüber in der friedlihen Gestaltung der zwischen Arbeiter und Arbeitgeber herrschenden Bes, ziehungen auf der Grundlage des Tradeuntoni8mus liege, so erscheint diés als eine petitio principii. Dr.Beumer erklärt seinerseits, von den englischen Sachverständigen nicht ein einziges Wort nah dieser Richtung gehört zu haben; die Stärke der englischen Eisenindustrie berube niht auf dem Tradeunionismus, sondern in den natürlichen Verhältnissen des Landes, d. h. in den beiden Faktoren der nahen Zusammenlegung von Eisen, Koble und Kalksteinen und der insularen Lage des Landes, welche es gestattet, womöglich die noch warmen Schienen in die See- \chiffe zu verladen. Vielmehr habe er von jenen euglishen Sach- verständigen bezüglich des Tradeunionismus vielfa aussprechen hören, daß „die Wirkung desselben zum Theil für den eng- lischen Export verbängnißvoll geworden sei“. 4 Hiermit kommen wir an der Hand des vorliegenden Berichts Äuf die Shattenseiten der Trade Unions. i

Wo (wie in Schottland) den Trade Unions keine strafe Organk-" sation der Arbeitgeber gegenübersteht, üben erstere eine förmliWe Tyrannei aus. So arbeiteten die Mitglieder der Trade Union für den Schiffsbau im vergangenen Herbst nur 4 bis 5, ja selbst „nur 3 Tage mit der ausgesprochenen Absicht, die Arbeit hinzuhalten, also länger in dem augenblicklih grofen Verdienst zu stehen. „Sie wifsen ganz genau, daß gegenwärtig mehr Arbeiter nicht zu haben sind, und wollen somit die für sie günstige Situation des Arbeitsmarktes ver-

längern. Ja, es soll sogar in der Absiht der United Seociety liegen, Bestimmungen dahin zu formuliren, daß es, um

dem Schiffsarbeiter dauernd ein genügendes Quantum an Arbeit zu sichern, fernerhin nit in das Belieben