1890 / 44 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 17 Feb 1890 18:00:01 GMT) scan diff

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miethen, und Vereinigung der Gemeinden Oevelgönne, Othmarschen und Bahrenfeld mit der Stadtgemeinde und dem Stadtkreise Altona \. w. d. a. Von dem Provinzial-Aus\{huß waren 14 Berichte und Anträge eingegangen, darunter: Bericht, betreffend die Heranziehung der Fabriken und größeren ewerblichen Anlagen mit Vorausleistungen für den Wege- au, Geschäftsordnung für den Provinzial - Aus\chuß, Reformirung der provinziellen Wittwen- und Waisen- kasse, Feststelung der Reisekosten und Tagegelder der Land- tagsmitglieder. Von Abgeordneten waren drei selbständige Anträge gestellt worden, und zwar von dem Kammerherrn von Willemoes-Suhm, betreffend die Unterstüßung des Kreis- und Gemeinde-Wegebaues; von dem Freiherrn von Heinze betreffend die Unterstüßung der Arbeiterkolonie Rickling (für, die nähsten 4 Jahre ist ein jährlicher Zuschuß von 25 000 aus provinziellen Mitteln bewilligt); von dem Grafen von Reventlow- Wittenberg, betreffend die Beihülfe für das Kaiser- Wilhelm-Denkmal (es ist dem Antrage gemäß eine Summe von 125 000 M aus den disponiblen Mitteln der Provinz einstimmig bewilligt worden). Drei Ausshüsse waren nieder- geseßt worden, im Ganzen waren 18 Petitionen eingegangen und erledigt, ferner wurden zwei Wahlen vorgenommen.

Bayern. München, 15. Februar. (A. Z.) Auf Aller- Nen Befehl giebt heute der Königliche Oberst-Kämmerer ekannt, daß Dienstag, den 18. d., Nachmittags 3 Uhr, in der Königlichen Hofkirhe zum heiligen Michael der Beschluß des vierzigstündigen Gebets mit Prozession stattfindet, welhem Se. Königlihe Hoheit der Prinz-Regent, wie hon erwähnt, in Begleitung des großen Gefolges bei- wohnen wird.

Baden. Karlsruhe, 15. Februar. (Karlsr. Ztg.) Jhre Großberzoglihe Hoheit die Fürstin zu Leiningen reiste heute Nachmittag von hier wieder ab und begab sich nah Amorbach. Jhre Königlichen Hoheiten der Großherzog und die Großherzogin geleiteten Höchstdieselbe zum Bahnhof. Bald darauf begrüßten die Höchsten Herrshasten Jhre Königliche Hoheit die Erbgroßherzogin am Bahnhof bei Höchstderen Rückreise von Königstein nah Freiburg.

Braunschweig. (K.) Braunschweig, 17. Februar. Se. Königliche Hoheit der Regent Prinz Albrecht vo!n Preußen kehrte gestern früh von Erbach hierher zurü. Nachmittags traf Se. Durchlauht der Prinz Ernst von Sachsen-Altenburg zum Besuch bei der Prinzlichen Familie hier ein.

Anhalt. Dessau, 15. Februar. (Anh. St.-A.) Jhre Hoheit die Erbprinzessin Leopold hat sich mit der D Antoinette Anna gestern nah Neu-Streliß begeben.

Elsaß-Lothringen. Straßburg, 14. Februar. Der Landesausschuß genehmigte heute in zweiter Lesung die Etats des Statthalters und seines Bureaus, des Staatsraths und des Kaiserlihen Raths, der Ver- tretung beim Bundesrath und des Landesaus- \husses, des Ministeriums und der Verwaltung der direkten Steuern, sowie den Geseßentwurf, betreffend die Verjährung der Fischereifrevel. Der Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Gewährung von Entschädigungen für Viehverluste in Folge von Milzbrand und Rauschbrand, wurde wie auch der Geseßentwurf, betreffend den Schuß von Vögeln, der 4. Kommission überwiesen. Den leßten Gegenstand der Tagesordnung bildete der Geseß- entwurf, betreffend die Zwangserziehung. Der Abg. Hochapfel trat in wärmster Weise für die Ziele des Geseß- entwurfs ein und bezeihnete, gestüßt auf seine langjährigen Erfahrungen im Schulwesen, die Einführung des Gesetzes als höchst wünschenswerth. Auch die Abgg. Dr. Gunzert und Win- terer erklärten ihre Uebereinstimmung mit den Zielen des Geseb- entwurfs, worauf der Staatssekretär von Puttkamer Namens der Regierung seiner Genugthuung über die freund- lihe Aufnahme Ausdruck gab, welche die Vorlage im Hause gefunden, und daran eine eingehende Darstellung der ganzen Sawblage knüpfte, welhe für die Vorlage und bei der Vorlage maßgebend gewesen war; die Vorlage wurde sodann der 2, Kommission überwiesen.

Oefterreih-Ungarn. Prag, 16. Februar. (W. T. B.) Eine vom Klub der Jungczechen in Pardubiß auf den 2. März einberufene Versammlung, in welcher über die politishe Situation berathen und ein Vortrag über die nationale Bedeutung von Johann Huß gehalten werden sollte, ist von der Behörde verboten worden.

Budapest, 15. Februar. (Wien. Abdpost.) Das Unter- haus beendete heute die Spezialberathung des Finanz- budgets, worauf Minister Dr. Weckerle das Finanzgeseß pro 189) unterbreitete, welhes dem Finanz-Ausschusse zuge- wiesen wurde. Nach demselben betragen die ordentlihen Aus- gaben 330 820 758 F[., die Uebergangéëausgaben 6 474 461 FL, die Jnvestitionen 12 305 728 Fl., die außerordentlichen gemein- samen Ausgaben 6 214 546 Fl., die ordentlihen Einnahmen 348 134 920 Fl., die Uebergangseinnahmen T7171 672 FL, das Defizit daher 508 901 Fl. Dasselbe wird aus den Kassen- beständen gedeckt. Jm weiteren Verlaufe der Sißung ge- nehmigte das Haus die Geseßentwürfe über die Jnartikulirung des in Angelegenheit der Unterstüßung nothleidender Seeleute mit Deutschland abgeshlossenen Vertrages und über die im Jahre 1890 vorzunehmende Volkszählung nach kurzer Diskussion.

Behufs Feststelung des Standpunktes der ungarischen Regierung bei den bevorstehenden Verhandlungen, betreffend den Abschluß eines handelspolitishen Ueberein- fommens zwishen Oesterreih - Ungarn und Rumänien, haben, der „Pol. Corresp.“ zufolge, in der leßten Zeit eingehende Berathungen im Schooße des Handels- Ministeriums und des Ackerbau-Ministeriums einerseits und unter den genannten Refsort-Ministern andererseits statt- gefunden, welhe Berathungen nunmehr zum Abschluß fcangt find.

dolosca, 16. Februar. (W. T. B.) Naqh dem heute Vormittag über das Befinden des Grafen Andrassy ausgegebenen Bulletin hatte der Kranke in Folge starker Schmerzen eine vollkommen s{chlaflose Naht, der Appetit mangelt gänzlih und die Kräfte haben abgenommen.

Großbritannien und Jrlanud. London, 15. Februar. (A. C.) Dem gestern in dem hohen Alter von 85 Jahren verstorbenen Earl Sydney widmet der „Hofberiht“ folgenden

: „Die Königin empfing mit tiefer Betrübniß die Na von dem Tode des Earls of Sydney, der so viele Fahre hindur ihrer Person nahe stand, hohe und wichtige

emter im Königlichen Hause bekleidete und für den Jhre Majestät die höchste Achtung hatte. Die Königin und ihre Familie betrauern in ihm einen treuen und ergebenen Freund.“ Earl Sydney starb auf seinem Landsißze Frognal in Kent. Der Verstorbene bekleidete sein ganzes Leben hindur Hofämter und hat seit Georg 1V. allen englishen Souveränen in solchen Posten gedient. Während der Jahre 1859—66 und 1868—74 war er Lordkämmerer. Er war der langjährige Rathgeber der Königin in allen ihren POIGRE Een, selbst nachdem er kein Hofamt mehr ekleidete.

Die Regierung pat dem „Standard“ zufolge, bis jegt

noch keinen Beschluß gefaßt, ob sie auf Grund des Berichts der Parnell - Untersuchungs - Kommission irgend welhe Schritte ergreifen will. Jn den Kreisen der konservativen Abgeordneten herrscht die Ansicht, daß den g g der Opposition die Jnitiative überlassen bleiben folle. Am Montag wird die Opposition weitere Jnterpellationen an das Ministerium richten. Die Führer der Opposition werden heute eine Berathung pflegen ; es ist aber niht wahrscheinlih, daß sie über ihr Vorgehen Beschlüsse fassen werden, ehe sie die Absichten der Regierung kennen. : Jn der Sißung des canadishen Hauses der Ge- meinen am 12. d. M. erklärte, wie aus Toronto berichtet wird, der Premier Sir Fohn Macdonald in Beantwortung einer Anfrage : der britische Gesandte in Washington sei noch nit instruirt worden, daß der zwischen Canada und den Ver- einigten Staaten bestehende modus vivendi betreffs der Fischereifrage beibehalten werden würde. /

Aus Melbourne vom 14. Februar meldet ein Tele- gramm des „Bureau Reuter“: Der hier tagende australische Föderations-Kongreß wurde gestern zum Abschluß ge- braht. Es wurden Anträge genehmigt, denen zufolge die Legislaturen der verschiedenen Kolonien im Laufe dieses Jahres Delegirte zu einer nationalen australî:- \shen Konvention wählen sollen, welhe ermächtigt werden wird, die Bundesverfassung auszuarbeiten. Diese Konvention soll aus niht mehr als sieben Mitgliedern einer jeden sih selbst regierenden Kolonie und niht mehr als vier einer jeden Kron-Kolonie bestehen. Sie wird voraussihtlih Anfang nächsten Jahres zusammentreten.

Frankreih. Paris, 16. Februar. (W. T. B.) Der Präsident Carnot unterzeichnete gestern die Ernennung des Vize-Präsidenten im Senat Humbert zum ersten Prä- sidenten des Rehnungshofes. : A

Die „République srançaise“ sagt, die Jnitiative des Deutschen Kaisers in der Arbeiterfrage sei ein wichtiger Akt, der Frankreih die Pflicht auferlege, den Problemen eine beständige Aufmerksamkeit zu widmen. i

Das „Mémorial diplomatique“ äußert bezüglich der Einladung zur Konferenz, die Regierung wolle, bevor sie eine Entscheidung treffe, noch abwarten, ob die Schweiz ihre Ein- ladungen für die Berner Konferenz ausrecht erhalte, ferner glaube die Regierung, mit den übrigen zur Berliner Konferenz geladenen Kabineten einen Meinungsaustausch über die zu formulirenden Re- serven und etwa erwünshte Abänderungen des Konferenzprogramms vornehmen zu sollen; es wäre also voreilig, zu behaupten, Frankrei werde die Einladung Deutsch- lands zur Konferenz ablehnen. i

Wie verlautet, soll die Regierung in Folge der in den leßten Tagen stattgefundenen Manifestationen entschlossen sein, den Herzog von Orleans so lange in Gewahrsam zu halten, bis die ganze Affaire von der öffentlihen Meinung und der Presse niht mehr besprochen wird; sodann solle der Herzoa, ohne daß Jemand davon vorher verständigt würde, über die Grenze gebracht werden. : Í

Nächsten Dienstaa wird der Ministerrath über das Gefängniß, wo der Herzog von Orleans fernerhin inteinirt bleiben soll, eine Entscheidung treffen. :

Vei den heute stattgehabten Ersay wahlen für die von der Kammer ungültig erklärten Mandate erhielten: Jm 5. Arrondissement von Paris der Boulangist Naquet 3840, der Radikale Bourneville 2575, der Opportunist Delombre 1761 Stimmen; es ist also eine Stich- wahl erforderlich. Jm 183. Arrondissement wurde

‘der Boulangist Mery mit 5712 Stimmen gewählt, der

Arbeiter-Kandidat Basly erhielt 5603 Stimmen. Bei der Wahl in Neuilly wurve der Boulangist Laur mit 10191 Stimmen gewählt gegen Lissagaray, welcher 4953 Stimmen erhielt. Fn Pantin wurde der Boulangist Goussot mit 4514 Stimmen gewählt; Pean erhielt 3541 Stimmen. Jn St. Dénis wurde der Boulangist Revest mit 8401 Stimmen gewählt; auf Lourdelet fielen 5095 Stimmen. Jn Sceau wurde der Boulangist Belleval mit 11022 gegen Goblet mit 9829 Stimmen gewählt. Fn Nantes wurde an Stelle des verstorbenen Republikaners Lebaudy der Republikaner Lebaudy (Sohn) mit 7771 Stimmen gegen Bunau Vacilla (Radikal), welcher 4662 Stimmen erhielt, gewählt. Jn Castelsarrazin wurde der Opportunist Lass erre mit 10674 Stimmen gewählt. Der Radikale Mauvoisin erhielt 6764 Stimmen. Jun Ajaccio wurde der Radikale Ceccaldi mit 6237 Stimmen gegen den Kon- a lpen Grafen Multedo, welher 5973 Stimmen erhielt gewählt.

Die Wahlbetheiligung war geringer als bei den ur- sprünglichen Wahlen. Ruhestörungen sind von nirgends her gemeldet.

Jtalien. Rom, 16. Februar. (W. T. B.) König Humbert hat für ein var A Le Cairoli in Pavia zu errihtendes Denkmal 10 Fr. gespendet.

Schweiz. Bern, 15. Februar. Der „Bund“ schreibt: „Zmmer wieder wird die Frage erörtert, ob die Shweiz an ihrer Konferenz (betreffend den internationalen Arbeiter- sus) festhalten werde. Sie wird daran festhalten, falls nicht eine Verständigung mit den eingeladenen Mächten cine andere Lösung als wünschbar oder zweckmäßig erscheinen läßt. An den auswärtigen Staaten if es, auf die Einladung der Schweiz zu antworten.“ Jn der Sitzung vom 14. d. hat der Bundesrath, demselben Blatt zufolge, die Antwort an Deutschland auf die Einladung zur Theilnahme an der internationalen Arbeitershug-Konferenz festgestellt.

16. Februar. (W. T. B.) În seiner Antwort an Deutschland auf dessen Einladung zu der internatio-

nalen Arbeitershußz-Konferenz erkennt der Bundos- rath an, daß das Vorgehen Deutschlands nicht be- wede, der Berner Konferenz entgegenzutreten, loubern geeignet sei, die Lösung derjenigen Fragen, zu welcher die Schweiz die Jnitiative ergriffen habe, zu be- \schleunigen. Obwohl grundsäßlih mit dem Vor= ehen der deutshen Regierung einverstanden, er- sucht der Bundesrath dieselbe doch um nähere Mittheilungen. Über die Form, in welcher die Konferenz abgehalten werden soll, sowie über das Datum und das Programm für

dieselbe.

Niederlande. Amsterdam, 14. Februar. (Köln. Ztg.) Wie das im Haag erscheinende „Va derklan d“ mittheilt, hat der deutsche Gesandte, Baron von Saurma-Jelt\ch, von der niederländischen Aeg lerung die vorläufige Zusage empfangen, daß sie ihrerseits bereit sei, zu einer inter- nationalen Regelung der Arbeiterverhältnisse mitzuwirken. Der Schritt des Deutschen Kaisers ist auch von der hiesigen Presse sehr beifällig aufgenommen worden.

Bulgarien. Sofia, 14. Februar. Wie die „Pol. Corresp.“ erfährt, hat der Prinz Ferdinand die beabsihtigte Uebersiedelung nah Philippopel vorläufig aufgegeben.

Amerika. Washington, 15. Februar. (R. B.) Der Senat berieth gestern wieder über den E vertrag mit Großbritannien, ohne jedoch einen Beshluß zu fassen. Genehmigt wurde eine Resolution zu Gunsten eines internationalen Schiedsgerichts zur Shlihtung von Differenzen zwischen Nationen. Das Repräsentantenhaus nahm die neue Geschäftsordnung an. Ein Ausschuß des Hauses hat sich zu Gunsten der Abhaltung der geplanten internationalen Ausstellung in New-York im Jahre 1892 geäußert und bezüglihe Vorlagen eingebraht. Der D überläßt indeß die Wahl des Platzes dem

ongreߧ.

(W. T. B.) Der Kongreß hat den Amendements des Senats zu der Vorlage, betreffend die Erhebung eines Eingangszolls von 50 Proz. auf seidene Bänder, zugestimmt.

__ Asffrika. Sansibar. Ueber den Tod des Sultans liegen in der „Times“ folgende nähere Nachrichten vor:

Sansibar, 13. Februar. Der Sultan Seyyid Khalifa ift beute Nachmittag um 1 Uhr plößlich in scinem 7 Meilen von Sansibar entfernten Landbause Chug Wani geftorben. Sein Tod war für Jeden unerwartet. Die Nawriht wurde seinem Bruder Seyyid Ali per Telephon gemeldet. Mittlerweile versammelten sich die arabiswen Notabeln ohne Einladung und erwählten einstimmig Seyyid Ali zum Sultan. Um 5 Uhr Nawmittags sandte Seyyid Ali ein Rundschreiben an alle Vertreter des Auslandes, worin er seine Thronbesteigung ankündigte. Es heißt, daß keiner von den Konsuln Anweisung besaß, ob der neue Sultan anzuerkennen sei. Die Leiche Seyyid Khalifa's langte um 4 Uhr Nachmittags auf einem Wagen im Palast an, und um 6 Uhr Abends wurde sie {on begraben. Unmittelbar nach ihrer Ankunft stellte der Arzt des britishen General-Konsulats, Charlesworth, unter Beihülfe eines Marine - Arztes und unter Zu-+ stimmung der Verwandten des Sultans eine sorgfältige Untersuhung an. Das Ergebniß der leßteren war, daß der Sultan einem Sonnenstich erlegen sei. Die Stadt ist ruhig. Zwei britishe Kanonenboote haben der Stadt gegenüber geankert, und das Kriegs\{hiff} „Garnett“ ist heute Abend nah Mombafsa gesegelt, um dort für Aufrechterhaltung der Ordnung zu sorgen. In der Stadt find überall eingeborene Soldaten auf Posten aufgestellt und auch die erforderlichen N zum Schuße der Missionsstationen getroffen worden. Der „Satellit“ ift nah England gesegelt und die „Calliope“ geht am Sonnabend eben- falls dahin ab.

Parlamentarische Nachrichten.

Bei der im 3. Frankfurter Wahlbezirk (Bärwalde—Neu- mark) stattgefundenen Ersaßwahl für den verstorbenen Land- rath von Gerlah ist der Freiherr von Dobeneck auf Reh- dorf, konservativ, mit 230 Stimmen zum Mitgliede des Hauses der Abgeordneten gewählt worden.

HZeituugsfstimmen.

Unter der Ueberschrift: „Für Kaiser und Reich“ schreibt die „Danziger Allgemeine Zeitung“ zu den Wahlen:

„Am Donnerstag, 20. Februar, hat jeder zum Wählen bere®tigte Deutsche die Pflicht, fein Wahlrecht auszuüben. Für diesen einen Tag giebt es keine höhere Pflicht, und Niemand, der sein Vaterland lieb hat, sollte gleichviel, ob er sih sonst um politishe Dinge kümmert oder niht sich an diesem Tage durch irgend etwas abhalten lassen, fh der geringen Mühewaltung des Wählens zu unterziehen und hier= mit ein im Verbältniß zu den möglichen Folgen des Wahlergebnisses Lauer Opfer für König und Vaterland, für Kaiser und Reih zu

ringen. ° A

An der Spitze des Reichs steht ein Kaiser, der seit seiner Thron- besteigung fortwährend und -ununterbrowen Beweise seiner rastlosen Thätigkeit in Ausübung seines hohen Berufes abgelegt hat. Keine Mühewaltung i} ihm zu groß, wenn es gilt, die ernsten Pflichten, die ihm sein hohes Amt auferle2t, zum Besten seines Volkes zu er- füllen; unablässig sorgt, denkt und handelt Kaiser Wilhelm für das Wohl seines Landes, kein Opfer sheuend in der Verfolgung der hohen Ziele, wele er sich gesteckt; niemals hat der Kaiser sich davon durch persönliche Unbequemlichkeit abhalten laffen; er hat sein ganzes Ih cem Dasein seines Volkes gewidmet und stets gezeigt, daß er ein ganzer Mann is und als solcher auch zu handeln versteht. i

Dieses glänzende Beispiel der Pflichterfüllung wird gewiß von segensreihem Einfluß auf alle Volksklassen in Ausübung ihres bürger- lihen Berufs sein, und geschieht dies, so dürfen wir uns glücklich preisen. In Erfüllung aber der einen kleinen politishen Pflicht, welche jedem Bürger diesmal für den 20. Februar auferlegt ist, sollte auch nit ein einziger des hohen Beispiels des Kaisers vergessen: s ist ein müßeloses geringes Opfer des Dankes, welches er hiermit dem Kalter für dessen rastlose Thätigkeit zum Besten des Volkes bringen würde.

Es sind die ersten Wablen für den Reichstag, welche unter dem Regiment des Kaisers Wilhelm vollzogen werden. Das Volk hat nunmehr zum ersten Male in seiner Gesammtheit Gelegenheit, dur die That das Vertrauen zu bekunden, welches cs für die im Jn- und Auslande bewunderte, echt volkéfreundlihe Politik seines Kaisers im Herzen trägt. Sollen dieser Politik, sollen dem jugendlih kraftvollen Schaffen des Herrschers Hindernisse in den Weg gelegt werden, sollen wir uns Angesihts der wichtigen Aufgaben, wel%e die Förderung des Volkswohls betreffen, in fruhtlosen inneren Parteikämpfen auf- reiben und hiermit das Deutsche Reih nah innen und außen lähmen ? Oder wollen wir, daß das Vertrauen zwischen Regierung und Volks- vertretung, ihr gemeinsames einträhtiges Zusammenwirken, welches bisher das Wohl des Volks so kräftig gefördert und das Ansehen

E L Neuds auch im Auslande so mächtig gehoben hat, erhalten Ein jeder lege \ich diese Fragen vor, um zu wissen. was er am Donnerstag zu thun hat. Um diejenigen, welhe sich Tag für Tag um. politishe Dinge kümmern, is uns nickt bange, sie werden auch unaufgefordert ihre Wablvfliht autüben, und namentli werden die ewig Unzufriedenen, die no dazu durch jeglihe Art von Agitation aufgestachelt sind, in bellen Haufen zur Wahlurne laufen. er 20. Februar ift aber nicht nur ein Tag für die professionellen Politiker, sondern für Jedermann aus dem Volk, ganz besonders aber für diejenigen, welche mit den gegenwärtigen Verhältnissen zufrieden find und \sch in dem Glücke fonnen, das sich biermit Über ihre eigencn Verbältnisse ausgebreitet hat. Wern diese am 20. Februar ihre Pflicht und Schuldigkeit nit thun, dann versün- digen sie sih an dem Reih wie an ihren eigenen Verhältnissen, die selbst alsbald werden zu leiden beginnen, wenn Hader und Zwietracht das Reih hindern, auf der betretenen Babn fortzufahren. In der Hand dieser liegt es, eine Volksvertretung aus den Wahlen bervor- gehen zu lassen, welhe dern Kaiser die Erreihung seiner allcin auf das Volkswohl gerichteten Ziele “ermöglihi. Am 20. Februar darf keiner von ihnen an der Wahlurne fehlen, keiner darf sih der Er- füllung seiner Wahblpflicht entzichen, keiner darf sich dur eine persön- lihe Unbequemlichkeit abhalten lassen, seine Stimme für Kaiser und Reich abzugeben.

Zum ersten Mal wird der Neichstag für die Dauer von fünf Jahren gewählt. Also erst in fünf Jahren brauht der Reichstags- wäbler wieder sciner Wahblpflicht sich zu erinnern. Wahrlich eine kleine Mübe, die kaum ins Gewicht fällt gegenüber den Folgen, welce eine Versäumniß nah si ziehen würde. Kommen die gegne- rischen Parteien, voran Sozialdemokratie und Freisinn, zur Majorität, so werten allerdings die Wähler nicht so bald zur Ruhe kommen. Denn mit einem solchcn Reichétage würde nichts anzufangen ‘sein. Vor folchen Folgen \sich zu schütßen, liegt in der Hand eines jeden Wählers: sein Protest gegen Freisinn und Sozialdemokratie haft ihm Ruhe und bürgt für cine glücklihe Förderung des Wohlcs von Volk und Reich. :

Möte der 20. Februar ein Tag des Segens sein, wie es der 21. Februar 1887 war! Damals scaarte sich das Volk um Kaiser und Reich, und der große Kaiser hatte die Genugthuung, die leßten Tage seines Lebens durch jene Volkskundgebung vers{önt zu sehen. Sorgen wir dafür, daß die Abstimmung am 20. Februar dieses Iahres ein Willkommengruß für seinen Enkel werde und ein beredtes Zeugniß wider alle die Elemente ablege, welche am 21. Februar 1887 aufs Haupt gesck{lagen wurden. Wohlan denn, thue Jeder an diesem Tage seine Pflidt mit Gott für Kaiser und Reich!“

3 ¿Qu den Wahlen schreibt ferner die „Karlsruher eitung“: _ »yDie bevorstehenden Wahlen nehmen eine besondere Bedeutung in Anspru. Der Rei&sgeseßgebung sind neue große Aufgaben ge- stellt, deren Lösung „dem jeßt zu wählenden Reichstage zufallen wird. Mit der forts@reitenden Entwickelung des modernen Staats erweitern sich au die Gebiete der ftaatlichcn Fürsorge, der Gesetzgebung erscließen sih neue Bahnen und große, tief mit der Wohlfahrt der gesammten Nation wie mit den Lebens- und Erwerbsverhältnissen des Einzelnen zusammenhängende Fragen drängen ihrer Lösung entgegen. Es handelt sich zumal darum, zuglei mit dem äußeren Sriezen den inneren Frieden des Reiches zu fördern und den sozialen Gegensäßen ihre Schärfe zu nehmen. Dazu aber is ein Reichstag erforderlih, der die verbündeten Regierungen in ihren Bestrebungen wirksam unterstüßt. Die Nothwendigkeit, in Gemeinsamkeit mit den Vollzugsgewalten des Reichs dahin zu streben, daß Friede und Ordnung erhalten bleibt und daß berechtigte Forderungen dec arbeitenden Klassen auf geseßlihem Wege verwirkliht, aber aud starke Bürgschaften zum Schuyge der bestehenden Staats- und Gesellshaftsordnung ge- hafen werden, hat, wie im Jabvre 1887 die Sorge für die Aufrect- erhaltung des äußeren Friedens, so beute die gemäßigten Parteien vereinigt. Um die Gesehgebung in den Stand zu sehen, den großen Forde- rungen der Zeit zu entsprechen, müssen die verbündeten Regierungen cine feste Stüße an der Reichstagsmehrheit finden, und ihr eine solhe Stüge zu verschaffen ist der leitende Gedanke, welcher die Verbindung der staatserhaltenden Parteien hervorgerufen hat. Ohne ein gedeihlihes und ernstes Zusammenwirken des Reichstages mit den Bundesregierungen würden die Auf- aben ungelöst bleiben, deren Bewältigung allein dem Deutschen eich eine ruhige und gesiherte Zukunft verbürgt. Ohne ein \olches Zusammenwirken würden die Gefahren, welhe die Macßtstellung und die Ruhe Deutslands umlauern, immer drohender das Haupt erheben. Das Deutsche Reich auf der Höhe eines starken, freien und die Wohlfahrt Aller verbürgenden Gemeinwesens zu erhalten, liegt in der Hand des Reichs- tags und, da der Reichétag nur die frei gewählte Vertretung der Nation ist, jeßt vor Allem in der Hand der Wähler. Diese Erkenntniß muß aber Jeden daran mahnen, daß tas Wablrecht zugleich eine Wahlpflicht ist und daß es von der gewissenhaften Ausübung dieser Pflicht abhängt, ob die Zusammensezung einer neu zu wählenden Volksvertretur- g wirklih die Meinung der Nation zu unverfälschtem Ausdruck bringt oder nicht. Nicht für ihn allein, sondern für die Gesammtheit dec Nation ist dem Einzelnen das Waßhlrecht gegeben, Jeder trägt und zwar Jeder im gleihen Maße mit an der Verantwortung für die Gestaltung unseres parlamentarischen Lebens. Die maßlose Heftigkeit, mit welcher die gegnerisden Parteien auftreten, mat es Allen, die in dem Zu- sammenwirken des Reichstages mit den verbündeten Regierungen die Vorbedingung einer gesegneten politis@en Thätigkeit erblicken, ¿ur unabweisbaren Pflicht, ihr Wablirecht auszuübexs und die nationalen Bestrebungen der regierungéfreundlihen Parteien zu unterstügen.“

Unter der Ueberschrist: „Steuerdruck und Militär- last“ bringt die „Leipziger Zeitung“ folgenden Artikel:

„Bereits bei den Wahlen von 1887 durften bekanntlich die „riesenhaften“ Ausgaben des Deutschen Reichs für militärishe Zwette und der „„unerhörte*" Druck, namentlich der indirekten Abgaben, die auf uns lasten, in keinem Aufrufe der sozialdemokratis{-\reisinnigen Bruderschaft fehlen. Kein Land der Erde follte angebli sovicl für diese „unfruhtbaren“ Zwecke opfern, kein Land in G hohem Grade die nothwendigsten Lebenébedürfnisse und Massenverbrau(hsartikel mit Abgaben belasten wie Deutschland. Indeß die Lüge hatte kurze Beine. Die angesehensten S gad Schäffle, von Kauffmann, Gerstfeld 2c. unterzogen beit, auf Grund der zuverlässigsten Unterlagen für alle in Betracht kommenden ‘größeren Staaten die Kopfbeträge sowohl der Steuern als der Ausgaben für wilitärisde 2c. Zwecke zu berehnen, und fanden, daß in allen diesen Beziehungen Deutschland bei weitem die günstigsten, das von den Herren Bebel u. Gen. gefeierte Frankreih dagegen die ungünstigsten Ziffern aufwies, So betrug, um nur Einiges zu erwähnen, die Gesammtsteuerlast in Frankreich 52,24 46, in Öester- reih 21,04 A, in Deutschland nur 15,14 6, und der gesammte Militär- aufwand in Frankrei rund 20 e, in Deutschland noch nicht ganz 10 # auf den Kopf. An Verbrauchsabgaben, Stempeln und Ge- bühren wurden auf_ den Kopf der Bevölkerung erhoben : in Frank- rei 40,24 4, in Oesterreich 14,13 Æ, in Deutschland dagegen nur 8,88 A Ging man weiter auf die einzelnen Verbrauchsgegenstände ein, so blieben die deutshen Abgaben hinter den französishen meist um das Doppelte bis Dreifache, bei einigen, so beim Taba, bis zum Siebzehnfachen zurü. - :

Seitdem sind ja nun auch in Deutshland sowohl die Ausgaben für militärishe Zwecke als auch einzelne Verbrauchsabgaben gestiegen, bis auf den Pfennig genau werden daher die obigen Kopfbeträge heute auch für Deutschland niht mehr zutreffen. Das Verhältniß der- selben zu den entsprechenden Ziffern unserer Nachbarstaaten wird jedoch im Wesentlichen geblieben, und kann in keinem Fall für uns ungünstiger geworden sein, weil das Deutsche Reich bekanntlih nicht zu seinem Vergnügen, fondern nur um mit seinen Gegnern Schritt zu halten, zur Erhöhung der Ausgaben für militärishe Zwecke und

ch der zeitraubenden Ar- -

zur höheren Belastung einiger Verbrauhsartikel geschritten ift, die Ziffern somit auch auf der anderen Seite, und ¿zwar mindestens fi Cre hôchstwahrscheinlich aber in höherem Verhältniß ge-

egen find. Î :

Man darf daher mit Sicherheit annehmen, daß Deutschland, wie in Bezug auf die Gesammtbelastung, so namentlih auch bezüglich der Ausgaben für Militärzwecke, auch jeßt noch unter allen Großstaaten die niedcigsten Ziffern hat und in Bezug auf die Höhe seiner in- direkten Abgaben hinter den meiften Staaten, binter Frankreih auch jeßt noch um mindestens das Vierfache, zurüdsteht.

Daß diese Annahme übrigens nicht jeder ziffermäßigen Unterlage entvehrt, beweist eine neuere, wieder außerordentlich mühevolle und sorgfältige Arbeit von Kauffmann's. Auch diese Arbeit berechnet auf Grund des beigebrahten Zahleamaterials die Kopfbeträge, und zwar nah den Voranschlägen für 1888/89, Berüksihtigt sind dabei zu- gleid die Steuern und Ausgaben der Provinzen, Kreise und Ge- meinden, und nur wo es an zuv-rlässigen Unterlagen fehlte, ist zur Stßung gescbritten worden. Aus den Ergebnissen greifen wir Folgendes: heraus. Auf den Kopf der Bevölkerung kamen:

Ausgaben ür E ; Steuern offentliche

Ur Militärzwecke| Sgzulden M M

K

Frankreich Großbritannien . Oesterreich Italien . A Mul i Deutschland (Preußen) . 7,9

Aus der vorstehenden Tabelle ergiebt \ich, daß Deutschland so- wohl für Militärzwecke als zu Zwedcken der öffentlihen Schuld unter allen Großstaaten am Wenigsten ausgiebt, wobei noch zu berücksihtigen ift, daß die hier mit einges{lossenen Schulden der deuts§en Einzel- staaten fast auss{ließlich zu produktiven (Eisenbahn- 2c.) Zwecken aufgenommen sind. Frankrei®& trägt eine Steuerlast, welche die deutshe um mehr als das Doppelte übertrifft, und auch die Steuer- last Englands ift nahezu doppelt so hoch wie die deutsche.“

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2, 4, 2, 7, 9

Entscheidungen des Reichsgerichts.

Ein eingetragenes zusammengeseßtes Waarenzeichen (Bild und Worte 2c.) ift, nad cinem Urtheil des Rei8zerihts, IlI, Strafsenats, vom 7. Oktober 1889, stets als ein rechtlich untrennbares Ganzes, als ein einziges Waarenzeichen zu erachten, wenn nur zwischen den einzelnen Bestandtbeilen ein äußerer Zusammen- hang erkennbar vorhanden ist; unerheblich ist, ob die Verbindung jener Bestandtheile eine innige oder eine nur lose zu nennen ist. Eine fremde Nachahmung eines solchen zusammengeseßten Zeichens liegt dann vor, wenn die Gesammterscheinung dieses Zeichens in ciner das niht mit besonderer Sorgfalt prüfende Publikum täushenden Weise nahgeabmt ist.

Die im §. 95 des Reichs-Unfall- Versicherungsgesetßes ausge- \sprochene Befreiung des Betriebsunternehmers von der Haftpflicht für die von ihm nit vorsäßlich herbeigeführten Unfälle erstreckt sich hinsichtlich der Hinterbliebenen des dur einén Betriebsunfall Verunglückten nach einem Urtbeil des Reichs- gerihts, II. Civilsenats, vom 15. November 1889, auf diejenigen Falle, in welchen den Hinterbliebenen das Unfallversiherung8geseßz einen Entschädigungtanspruch gewährt. In den Fällen aber, in welchen die Hinterbliebenen geseßlih niht versichert sind (beispielsweise Eltern eines Verunglückten, der niht ihr einziger Ernährer gewesen), haftet der Betriebsunternehmer nah dem Reichshaftpfliht- geseße den Hinterbliebenen gegenüber.

Die Straflosigkeit der zur Wahrnehmung berech- tigter Interessen vorgebrachten, an und für sich beleidigenden Aeußerungen (§. 193 Str..G.:-B) wird nah einem Urtheil des Reichsgerichts, T. Strafsenats, vom 5. Dezember 1889, dadur nit ausgeschlossen, daß der Aeußernde sich des beleidigenden Jnhalts seiner Aeußerung bewußt gewesen; nur die auf Beleidigung gerittete Absicht hebt die Straffreiheit der zur Wahrnehmung berechtigter Interessen geäußerten Beleidigung auf.

Eine in einer Zeitschrift enthaltene Lebensbeschreibung, welche über Erlebnisse einer geshichtlichen Person einen wahrheits- getreuen Bericht in klarer, schmudcklofer Form zu geben bezweckt, fällt nah einem Urtheil des Reichsgericbts, I1. Straf- senats, vom 10. Dezember 1889, nicht unter die geseßlich gegen Nachdruck geshüßten „novellistishen Erzeugnisse“ (8. 7b. des Nachdruksgeseßes vom 11. Juni 1870), Eine Lebensbeschreibung aber, welche in erster Linie die Unterhaltung des Lesers lane l sant zu sein) bezweckt, deren bistorisher Stoff künstlerisch gestaltet ift und die sid demzufolge wie eine erzählende Prosadichtung liest, ist als novellistisches Erzeugniß gegen Nachdruck geshüpt. „Der Begriff der Novelle läßt sih keineswegs aus feststehenden Begriffen ableiten, er ist vielmehr ein durch eine lange bistorishe Entwickelung gegebener. Seine Bedeutung war im Laufe der Jahrhunderte und in der Literatur der einzelnen Völker verschieden und kann eine weitere Aenderung er- leiden, sofern die epische Erzählung neue Bahnen einschlagen sollte. Derartige Begriffe dulden nicht eine scharfe Umgrenzung. Das zeigt auch die in dem Gutachten des Sachverständigen- Vereins ver- suhte Definition, Jedenfalls sind folhe Begriffe zur Ver- werthung in der Rechtsübung wenig geeignet. Deshalb hat der III. Strafsenat in dem Urtheil vom 17. November 1886 vorgezogen, den Begriff „novellistisher Erzeugnisse“, dessen Tragweite in der Gesetzgebung niht über Zeitungsartikel binausgeht, aus den Gepflogenheiten der JIournalistik und aus dem vom Febihgeber verfelgten Zwek zu erklären. Auf diesem Wege ge- langt der bezeihnete Senat zu der Ansicht, daß unter einem novel- listischen Erzeugnisse in §. 7b a. a. O. eine erzählende Prosadihtung zu verstehen sei. Dieser Auffassung hat sich der I. Strafsenat des RN.-G. in dem Urtheil vom 2 Mai 1889 angeschlo\}sen, und au der IIL. Strafsenat hat kein Bedenken getragen, derselben beizutreten, Da der Begriff ciner „Lebensbesreibung“ sich aus dem Worte selbst er- giebt, reicht die im Urtbeil v. 17. November 1886 gegebene Definition aus, den Unterschied zwischen „Lebensbeschreibungen® und „novellistishen Grzeugnissen* zu bestimmen. Der Inhalt der Lebensbe- schreibung ist durch gescihtlihe Vorgänge gegeben; sobald der Biograph erfindet, wird er seiner Aufgabe untreu. Dagegen kann die erzählende Prosadihtung vollständig der Phantasie des Verfassers entsprungen stin. Befaßt ih die Prosadichtung mit historischen Per- fonen und Begebenheiten, so ist sie berechtigt, die aus den Quellen der Geschichte geshöpften Nachrichten mit dihterisher Freiheit zu er- ganzen und zu verändern, sofern dies ihr Zweck erfordert. Der Bio- graph verfolgt den Zweck, Über Erlebnisse einen wahrheitsgetreuen Be- riht zu geben. Die Novellistik, es sie sih die höchsten ihr errei- baren Ziele sept, steht im Dienste der Schönheit, häufig bezwedt sie aber lediglich nur die Unterhaltung des Lesers dur Beschäfti- ung der Einbildungskraft des\elben. Die Verschiedenheit des wedckes beeinflußt auch die Behandlungsweise. Die Lebensbeschreibung bevorzugt diejenige Ocdnung des Stoffes, welhe das fklarste Bild giebt, und verträgt einen einförmigen, trockenen und \{mudcklosen Stil. Die Novellistik strebt in erster Linie nah künstlerisher Ordnung und Gestaltung des Stoffes und wirkt dur eine nah dem Gegen|tande wechselnde, bald lebhafte, bald figurenreihe, bald pikante oder au drastische A E Lebensbeschreibung“ und „novellistishes Er- zeugniß“ sind danach nit diametral entgegenstehende, einander aus- \hließende Begriffe, sie haben vielmehr ein gemeinsames Grenzgebiet.

Ist ein Zeitungsartikel zuglei als éine „Lebensbeschreibung“ und als ein „novelliftisGes Erzeugniß“ anzuseben, so OEEN wein leßterer Eigenschaft de Schuß aegen Nahdruck gemäß §8. 7b. des Gesetzes. Aus dem Vorsteb enden erhellt, daß der erste Richter den Rechtsbegriff „novellistishes Grzeugniß* zu eng begrezzt, indem er denselben an die Bedingung knüpft, daß der Inbalt des Erzeugnisses ganz oder theil- weise der Phantasie des Verfassers entsprungen sei.“

Theater und Musik.

Deutsches Theater.

Adolf Wilbrandt's Lustspiel „Der Unter-Staats- sekretär“, welhes vorgestern zur erften Aufführung gelangte fand bei den Zuschauern eine schr freundlihe Aufnabme. Der Grund- gedanke der Handlung ist ein interessanter und origineller und wird in den Hauptpersonen in scenisher und dialogischer Beziehung gefällig und wirkungsvoll durgeführt. Die Handlung ift kiar und einfa fast zu einsach, denn das Endziel derselben stebt dem Aufmerksamea hon im ersten Akt klar vor Augen. Ser; und Ernft erscheinen in angenehmer Mischung; manches geistreibe Scherzwrert und manche fein Pal, T weten cinen erbeiternden Widerball im Puoliftum, jodaß nch eine tehaalihe Stimmung im F ausbreitete. N ‘mung fm us

Der Oberst Felsing bat sid na „seiner VerabsHiedung in eine Provinzialstadt nabe der Secküste zurükzezoaen: in seinem Hause finden wir einen Sohn, eine Tochter und eine Pflegetohter. D Sohn s{wärmt für demokrafishe Ideen, für welhe er gern auch journalistisch thâtig fein möchte; da ibm bierzu die \chriftstellerishe Begabung fehlt, überredet er seine acistvole SHwester Marianne welche gleifals für jene unbestimmte Freiheit, die so oft in unklaren Köpfen Unheil anrihtet, \{wärmt, die von dem Bruder übernommenen Gedanken in feuilletonistishen Artikeln u behandeln. Jene Artikel aber wenden si namentli gegen den Titelhelden, den Unter-Staats- sekretär von Stargard, weler unter falshem Namen s als Bealeiter der Pflegetobter in das Haus des Obersten eingeführt hat. Fs bes ginnt nun zwischen dem Unter-Staatsfekretär und der jungen Artikel- \hreiberin ein interessanter Kampf, aus desen geistvollen Wort- gefehten der Dichter den Unter-Staatssekretär als Sieger hervorgehen läßt, deun der weibliche Politiker entbrennt in Liebe für den Mann, den sie unwissentlih mit den Waffen der Satire in der Oeffentlichkeit bekämpft.

Alle Personen, welche neben diesen beiden, im Mitt-lpunkt der Handlung stehenden, auf der Bühne erscheinen, können unser Interesse weniger oder garni§t gewinnen S&on die Gestalt der Marianne is etwas unwahri(einliß; aber der Dichter hat derselben sein bestes Können zugewendet; es ist wenigstens eine fesselnde, aeistvolle Mädchennatur, wel&e uns in derseiben gegenüber tritt. Wenn nun die Verkörperung dieser Gestalt einer so aus- gereiften Künstlerin voll Temveraiment, feuriger Beredsamkeit, Lebendigkeit, _JIugendfrische und feirem Taktgcfühl anvertraut wird, wie es Frl. Sorma ift, so hat der Di&ter geronnenes Spiel. Auch noch die Person des „Unter-Staatssekretärs“ fann als cine în der Charafkterzeichnung wohlgelungi ezeidnet werden, und auch ihr ift ein hoher Grad von geistiger Fris&e und Naturtreue eigen, wenn auch der Zuschauer manchmal den Eindruck emvfängt, als wäre seine junge Widersacherin geistvoller alé er selbst; im Moment der Ent- scheidung wenigstens hätte der Staats:nann weniger seine gute Ab- sicht, denn die ist selbstverständlih, betonen, sondern feine stärkeren und darum besseren Gedanken entwikeln sollen und können. Hier- dur allein konnie der Ged: alt des Lustspiels vertieft und über ein gutes Mittelmafß b gehoven werden, Hr. Nissen gab diese Titelrolle vornebm uud gêvoll im Wesen und Benehmen.

®Neben der Haupthandlung bewegen si noch zwei Netenbandlungen, deren Personen nur ober h carafterisirt und iheilweise bis zur Unglaubwürdigkeit verz: ind, Eine junge, beirathslustige und geistvolle Wittwe sckwarkt in ibrer Wahl zwischen einem “reihen Dummkopf und dem Unter-Stzatésckretär und entscheidet ch {ließli für den crsteren. Jener reibe Mann foll ein neu geadelter Finanzs mann fein ; man kann sid einen solchen gewiß als eitel bis zur Narrheit, als bochmütbiz und dumwstolz vorstellen; aber stupide, wié der in Ave stehende Hr. v Wachsmuth pflegen folhe Leute nit zu sein, fondern im Gegentbeil weltklug und von flarem Verstande. «Ist son diese Gestalt véllig unklar, fo ift es noch mehr der demokrati\che Sohn des Obersten, der seine Pflegeshwester liebt und mit aller Gewalt nicht e¿rtfennen will, daß er wieder geliebt wird, fodaß das junge Mädchen si ents{hließt, das Examen als Lehrerin zu maten und natürlih durchfällt Die Scene der Rüdck- kehr des jungen Mädckens in das Haus ihres Pflegevaters darf als die chwächste des Stücks bezeihnet werden und bätte beinahe den leßten Akt völlig verdorben. Nur dem Umstande, daß zum Swluß die beiden Hauvtversonen noch cinmal in Aftion treten und dem hinreißenden Spiel des Frl. Sorma ift es zu danken, daß man sagen konnte „Ende gut, Alles gut.“

Was die Darstellung, abgesehen von den beiden bereits gekenn- zeichneten Hauvtpersonen anbetrifft, so that Jeder an seinem Playe seine Sculdtakeit. Mit vielem Humor und Anstand gab Hr. Merten den reihen Hrn, v. Wachsmuth, ohne jedoch den in der Rolle liegen- den Febler der Unwahrscheinlihkeit gänzlih verwishen zu können. Hr. Patry aab den alten Oberst in den gewohnten Formen. Die \chwächlide Rolle der Pflegetohter wurde von Frl. Rhoden ver- ständig wiedergegeben ; denn es ift nit Schuld der Darstellerin, daß se manchmal einfältig ersheint. Aus dem Sohn des Obersten, Kurt, wußte Hr. Wes fels ebenso wenig etwas zu machen wie die Zuschauer. Die heirathslustige Wittwe gab Frl. M eyer ret ges fällig und mit feinen Vanieren. Der Beifall, welchen das Luitipiel O jedem Aktshluß fand, rief den Dichter jedes Mal vor die Hardine.

Frl, Maria Ort win wird nah mehrmonatliher Krankheit in dieser Woche in der am Mittwoch stattfindenden Aufführung von „Der Pfarrer von Kirhfeld“ zum ersten Mal wieder die Rolle der Anna Birkmeier spielen, um dann ihre Thätigkeit in vollem Umfange aufzunehmen.

Berliner Theater.

Im „Gefesselten Prometheus“, der am Mittwoch, den 19. d. M,, zur überhaupt ersten Darstellung kommt, spielt Emil Drach, der das Werk des Aeshylos für das Berliner Theater eingerichtet hat, die Titelrolle, Im „König Dedipus* (für das Berliner Theater bearbeitet von Eugen Zabel) wird die Titelrolle von Arthur Kraußneck dargestellt, während Martha Baumgart die Jokaste, Franz Jacobi den König Kreon und Emil Drach den Teiresias spielt.

Central-Theater.

Die Reihe der Wiederholungen, welche die zugkräftige Posse „Berolina®* von Jean Kren im Central-Theater bercits erlebt hat, wird gegenwärtig durch eine ältere Posse unterbrochen, welche vor einigen Jahren das Berliner Publikum angenehm unterhalten hat. „Ein gemachter Mann“ von Eduard Jacobson stellte ich am Sonnabend nach langer Pause wieder ‘einmal den Besuhern vor und fand, wenn nicht die gleiche, so doch immerhin freundlihe Aufnahme, welhe beweist, daß dieses harmlose Bühnenwerk Lebenskraft genug besipt, um auc jeßt noch einen lustigen Abend auszufüllen. In der Titelrolle hatte Hr. Direktor Thomas wieder die reichlihste Ge- legenheit, sein unverwüstliches Talent in der größten Vielseitigkeit zu bethätigen. Der Rentier Pasewalk gedieh unter seinen Händen zu ciner dur und durch komischen Figur, und wo Hr. Thomas etwas von dem Seinigen dazu gab, hatte er stets die Laher auf seiner Seite. In Hrn. Kaiser hat die Bühne einen passenden Ersaß für den von früher her am Central-Theater immer noch in gutem Andenken stehenden Hrn. Weiß gefunden. Flott spielt uud singt Hr. Kaiser, und er weiß namentlich in der Verkleidungsscene dur seize drollige

Art, si zu geben, die Lachlust des Hauses in verstärktem Maße anzu- regen. Der Maler Randow fand in Hrn. Tyrkowsky einen durhs

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