1890 / 50 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 24 Feb 1890 18:00:01 GMT) scan diff

Pseematen wirtbschaftlihen Lebens zur Folge gehabt haben. Die ffnung, daß es gelingen werde, die im Zusammenhange mit den großen sozialen Fragen der Gegenwart erneut hbervortretenden Be- wegunygen unter der Arbeiterbevölkerung unseres Industriegebietes zu einem befriedigenden Abschlusse zu bringen, wird belebt durch die in neuester Zeit ergangenen Allerböchsten Kundgebungen, welche im Inlande wie im Auelande allseitig als erfolgverheißende Aus- gangspunkte für die wirksame Lösung jerer Fragen begrüßt word as die Ihrer Beschlußfaf

i le Zhrer DesMlußsa})jung zu unterbreitenden Vorlagen be- trifft, so nimmt der Stn eines Statuts über die Erweiterung der Westfälischen Provinzial-Hülfskafse zu einer Landesbank der Provinz Westfalen eine wihtige Stelle ein. ___ Vewährte Einrichtungen der Nachbarprovinzen haben bei der Ab- faffung des Entwurfs zum Anhalt gedient. Von der geplanten Neu- \chôpfung wird eine Hebung des Grundkredits erhofft, wie sie bei den eng gezogenen Grenzen, in denen der Geschäftsbetrieb der bisherigen Provinzial-Hülfskafse sid zu bewegen hatte, ausgeschlossen war.

Die erleihterten Bedingungen der Darlehnsgenährung werden namenilid dem kleineren, wenig bemittelten Bauernstande zum Vor- theile gercihen, in gewissem Maße aber au denjenigen Familien zu Gute fommen, welwe neben der Bewirths{ aftung eines kleinen Grundbesißzes auf das Handwerk, die Fabrik- oder Bergarbeit als Haupterwerbszweig angewiesen sind.

Ferner wird der Entwurf neuer Bestimmungen für den Pader- borner Meliorationsfonds Ibrer Prüfung unterlieger, welcher einer- seits die Zuständigkeit der verwaltenden Organe gemäß der jetzigen feste! ung der À w Legi, gondererienE dem Provinzialaus\chuy bei

eststei:ung der Ausleibungs- Bedingungen eine freiere Würdigung der erbâltnifse des Einzelfalles zu fihern Bare chs

Die von dem 309. Provinzial-Landtage bereits genehmigten Ent- würfe neuer Reglements für die vox Vincke’\he Provinzial-Blinden- Anstalt und für die Provinzial-Taubstummen-Anstalten werden, da die Herren Refsort- Minister eine Abänderung der auf die Anstellung der Anstalts-Vorsteher und Lebrer bezüglichen Vorschriften für nöthig erachtet baben, von Neuem Ihrer Beschlußfassung unterbreitet werden.

Bei der Arbeitétanstalt zu Venninghausen if das Bedürfniß einer Verschärfung des Aufsichtédienstes, insbesondere bei der Außenarbeit hervorgetreten. Bei den Provinzial Irrenanstalten is eine verbesserte Speiseorènung zugleih mit einer Erböbung der Minimal-Pflegesätze in Aussicht genommen. Au ift eine Aenderung in der Beköstigung der Lardarmen empfohlen. Die Entwürfe dem entsprehender Be- stimmungen werden Sie zu prüfen baben.

In besonderem Maße wird Ibre Thätigkeit durch die Fest- stellung des Haushalts-Etats in Anspru genommen werden, defsen Entwurf gemäß Ihrem rorigjährigen Beschlusse einen zweijährigen S E vom 1. April 1890 bis dabin 1892, umfaßt. Sie werden

ich bei Prürsung diescr umfangreihen Vorlage überzeugen, daß der Provinzial - Ausschu und der Herr Landes- hauptmann mit Erfolg bemüht gewesen sind, unter An- wendung vorsichtiger Spa:samkeit das Gleichgewiht der Einnahmen und Ausgaben aufrecht zu erbalten, ohne die für gemeinnützige Zwecke und zur Förderung von Wissenschaft und Kunft in den Vorjahren bewilligien Zuschüfse zu kürzen, und ohne daß eine Erhöhung der | éntt 0: jn welche zur Zeit etwa 39/6 der direkten Staaté-

euern beträgt, nöthig geworden wäre. Dabei ift auch das Bedürfniß einer Aufbesserung der Gebälter der Provinzialbeamten in dem von gen Poi Buß für angemeffen erachteten Umfange berüd- ihtigt.

Von der Provinzialanleibe, zu deren Aufnahme für außerordent- lihe Ausgabezwecke bis auf Höbe von 5 Millionen Mark der Pro- vinzialausschuß vom 30. Provinzial-Landtage ermächtigt worden war, ist zunäckst nur eine Summe von 2# Millionen in Anspru genommen und zur Ausfertigung auf den Inhaber lautender Anleihescheine für diesen Betrag ein Allerhöhstes Privilegium erwirkt worden.

Der von dem Provinzial - Aus\chuß erftattete Bericht über die Ergebnisse der Provinzialverwaltung im Etats- jabre 1888/89 entrollt ein ans{auliches Bild der stetig fortshreitenden und gefunden Entwicktelung, deren die Provinzial- Anftalten ebenso wie alle übrigen Zweige der provinzialen Selbst- verwaltung unter der fürsorgliden Leitung Ihrer Organe \ich zu er- freuen katten.

In seinem leßten Abschnitt bietit dieser Beriht Ihnen, meine Herren, ein \{öônes Gedenkblatt an den 24. August 1889, jenen für die Geschi®te unserer Heimathéprovinz bedeutungsvollen Tag, an welhemJIhre Kaiserlichen und Königliden Majestäten die Provinzialhauptstadt be- sudt und das aus diesem Anlasse veranstaltete Provinzialfest ent- gegenzunehmen gerubt haben.

Der glänzende Verlauf jener Festlichkeit, die huld- vollen, der Provinz zu besonderer Ehre gereihenden Worte, mit welhen Ihre Majestäten Allerhöch{stihrer Befriedigung Auédreck gaben, der begeisterte Empfang, welchen die Be- völkerung dem geliebten Kaiserpaare in Mürster ebenso wie dem-

näbst Sr. Majestät in Minden bei abermoaliger Anwesenheit in der.

Provinz „während der Manövertage darbrahte alle diese Vorgänge

ilden für jeden Westfalen den Gegenstand werthvollster Erinnerung.

Indem i vertraue, daß Jhre Berathungen auch diesmal der

87 zum Segen gereihen werden, erkläre ih auf Allerhöchsten

Ee den 31, Provinzial-Landtag der Provinz Westfalen für eröffnet.

Das älteste Mitglied der Versammlung, Ehrenamtmann Brüning aus Enniger, brachte nah entsprehenden Worten der Erwiderung ein dreifahes Hoh auf Se. Majestät den Kaiser und König aus, in welhes die Versammlung freudig einstimmte.

_ Vayern. München, 22. Februar. Wie die „Allg. Ztg.“ hört, wird dem gegenwärtigen Landta ge noch eine Vorlage zu- gehen, betreffend die Versorgung derjenigenMilitär-Re lik: ten, welhe niht unter das betreffende Reichsgeseß fallen. Wenigstens hat si demnächst eine Kommission von höheren Gene- ralen unter dem Vorsitz des Generals der Jnfanterie von Maillinger mit dieser Frage zu befassen. Es sind in dieser Kommission U. A. die beiden kommandirenden Generale Prinz Leopold und von Orff, dann die Divifionäre von Parseval und von Safferling vertreten.

In der Altkatholikenfrage verlautet demselben Blatt ufolge von gut informirter Seite, daß, wenn die Jnthroni- sationen des hiesigen Erzbischofs und die des Bischofs von

assau stattgefunden haben, alsbald die bayerishen Bischöfe zusammentreten werden, um die Angelegenheit zu berathen.

Saqyjen. Dresden, 22. Februar. (Dresd. Journ.) Die Aueite Kammer bewilligte in ihrer gestrigen Sizung auf ntrag der Sinai Deputanen B die unter Titel 5, 8 und 25 des außerordentlihen Staatshaushalts-Etats geforderten Summen von 146 000 # zu Eisenbahnbauten und erledigte in der heutigen Sizung den Etat des Justiz- Ministeriums, welher auf Antrag der Finanz - Deputa- tion A. mit einigen von der Staatsregierung beantra ten Erhöhungen mehrerer Ausgabeposten für Bauten bewilligt wurde. Mehrere Petitionen von Beamten um Ge- Aa ufbesserung wurden der Staatsregierung zur enntnißnahme überwiesen, endlih wurde die beim vorigen Landtag dem Justiz-Ministerium ertheilte Ermächtigung aus, Kap. 41, unter gewissen Vorausseßungen an unschuldig Bexurtheilte Entshädigung zu leisten, aufrecht Fhalten. Zu Kap. 38, Justiz-Ministerium, wurde dur 4M längere, vom Staats-Minister Dr. von Abeken ver: L ebatte festgestellt, daß der Abg. Bebel für die

von ihm bei der zweiten Lesung des Sozialistengeseßes im Rotage aufgestellte Behauptung, die Ansägung der Friedenseihe im Rosenthal bei Leipzig am Sedantage 1887 sei von einer Person veranlaßt worden, die im Dienste der Polizei gestanden habe, juristische Beweise niht habe bei- bringen, sondern sich nur auf eine Reihe konkludenter Hand- lungen habe berufen können, welhe nah seiner Ansicht den Verdacht, daß der Anstifter im Dienste der Polizei gestanden , rehtfertigten. : L S ME Dee e ceimeiñièe Löhr in Bauyzen, Direktorialmitglied

der Ersten Kammer, ist gestorben.

Württemberg. Stuttgart, 22. Februar. (St.-A. f. W.) Se. Königliche Hoheit der Prinz Wilhelm hat si gestern nah Potsdam begeben, um dortselbst der 75 jährigen Jubiläumsfeier des Leibgarde-Husaren-Regiments, bei welhem Höchstderselbe bekanntlih mehrere Jahre gestanden hat, anzu- wohnen. Der Prinz wird voraussichtlich in zwei Tagen hier- her zurüdckfehren.

Oefterreih-Ungarn. Terebes, 22. Februar. (W. T. B.) Die Leiche des Grafen Julius Andrassy is} heute früh hier eingetroffen und in Anwesenheit der Familie und eines zahlreih versammelten Publikums in der Familiengrust bei-

geseßt.

Großbritannien und Frlaud. London, 22. Februar. (A. C.) Der-Prinz von Wales hielt gestern im St. James- Palast den ersten Herrenempfang in dieser Saison ab, der sehr zahlreiche Betheiligung hatte; unter den Anwesenden befand sich auch der deutshe Botschafter Graf Haßtfeldt. Am 19. März wird Se. Königlihe Hoheit über Calais, Brüssel{ und Köln zum Besuch des deutshen Kaisers nah Berlin reisen und daselbst 5 Tage verweilen.

Die Königlihe Kommission zur Untersuchung der Armee- und Marineverwaltung hat ihren Bericht vollendet, und dieser befindet \sih bereits in den Händen der Regierung. Die Kommission empfiehlt vor Allem, die Chefs der Departements mehr als bisher für ihre Untergebenen ver- antworilih zu machen. Der Bericht \{lägt ferner, wie es heißt, vor, die „Horse Guards“ abzuschaffen.

Die irische Polizei hat in den leßten Tagen 53 aus- gewiesene Pächter verhaftet, welche auf den Clongorey'schen Gütern Hütten errihteten. Zu den Verhafteten gehört auch der Priester Kinsella, welher beim Hüttenbau selbst tapfer mit Hand anlegte. Da der Leßtere die von ihm ge- forderte Büraschaft für ferneres Wohlverhalten im Betrage von 200 Pfd. Sterl. zu stellen sich weigerte, so wurde er zu 2 Monaten Gefängniß verurtheilt und trat seine Strafe sofort gestern in Kilkenny an.

Fraukfreich. Paris, 23. tos (W. T. B.) Der Minister-Präfident Tirard konferirte heute Vormittag mit dem Präsidenten der Republik und später mit dem Minister des Jnnern. :

Jn der gestrigen Sizung der Deputirtenkammer brahte der Finanz-Minister Rouvier das Budget für 1891 sowie einen besonderen Geseßentwurf, betreffend die Emission von Renten, ein. Auf eine Anfrage des Abg. Pontois erklärte der Minister des Auswärtigen, Spuller, es sei allerdings richtig, daß das tunesi} he Budget seit fünf Jahren nit vertheilt worden sei. Künstighin werde man es auëêgeben, obaleih der Stand der tunesishen Finanzen aus dem Amtsblatt für Tunis ersichtlih sei. Mehrere Vor- [lagen über Tunis würden der Kammer zugehen und bei der Gelegenheit sei die Regierung bereit, alle wünschenswerthen Aufklärungen zu geben. Beim Schluß der Sißung beantragte der Abg. Baudin (Sozialist), nächsten Montag zur;Berathung seines Antrages, betreffend die Amnestie der in Folge der S triks verurtheilten Arbeiter, festzusezen. Der Antrag wurde mit 221 gegen 182 Stimmen angenommen.

Wie es heißt, wurde der Antrag Baudin's dur das in Deputirtenkreisen verbreitete Ger ü cht veranlaßt, daß in der heutigen Sizung des Ministerraths die Begnadigung des Prraoas von Orleans beshlossen wurde. Die Arbeiter-

eputirten sind entschlossen, die Amnestie der Strikenden durch- von Orleans begnadigt werden

ollte. Jnfolgedessen soll, wie ferner verlautet, die endgültige Entscheidung über die Begnadigung des Herzogs von Orleans der nächsten Sißung des Ministerraths vorbehalten werden. Die Regierung wird sich morgen in der Sißung der Deputirten- kammer gegen den an der Spitze der Tagesordnung stehenden

ai im Falle der Herzo

Antrag Baudin aussprehen und hecvorheben, daß alle wegen Arbeitseinstellung verurtheilte Personen begnadigt worden seien und keine solhe zur Zeit in Haft gehalten würden. Jn den Centralgefängnissen befänden sich nur Per- sonen, welhe wegen gemeiner, bei Gelegenheit von Arbeits- einstellungen begangener Verbrechen verurtheilt sind.

Der gestrige Ministerrath hat auf den Antrag des Kriegs-Ministers de Freycinet beschlossen, den General Hubert Castex, welcher sih in Rouen vor dem 8. Dragoner- Regiment in ungehöriger Weise über den Kriegs-Minister geäußert hatte, vor die Untersuhungskommission zu citiren.

Der Großfürst Georg Michailowitsch hat sih gestern Abend von hier nah Cannes begeben. 9.00

Jtalien. Rom, 22. Februar. (W. T. B.) Jn der eutigen Sißgung der Deputirtenkammer erklärte in Beantwortung der Jnterpellation Jmbriani's, be- treffend die Auflösung des Comités Triest-Trento, der Minister-Präsident Crispi: es sei Pflicht der Regierung, Verbrechen vorzubeugen, und zu verhindern, daß die guten Beziehungen mit den auswärtigen Nationen gestört werden ; sonderbar sei, daß die Jnitiative zur beständigen Provozirung einer auswärticen Macht von der äußersten Linken ausgehe, welhe das Prinzip der Abrüstung proklamire. Für die Aufrechterhaltung der Ordnung stehe er mit eigener Person und mit allen Mitteln ein.

Portugal. Lissabon, 23. Februar. (W. T. B.) Der König f anläßlich seines Regierungsantritts eine Amnestie erlassen für Personen, welhe wegen politischer Vergehen und t Widerstandes gegen die Staatsgewalt verurtheilt worden sind

Schweiz. Bern, 23. Februar. Dem „Bund“ wird von pee amtlicher Seite mitgetheilt : „Alle Nachrichten über die in hen der Arbeitershuß-Konferenzen zwischen der Schweiz und Deutschland obshwebenden Verhand- lungen sind verfrüht. Man befindet fih noch im Stadium der

Unterhandlungen, und die Situation ist in Folge dessen noch nicht abgeklärt. Die Presse wird, sobald etwas Positives vor- liegt, davon in Kenntniß gesezt werden.“ “Nachrichten zufolge, die demselben Blatt aus Berlin zugehen und die es als zuverlässig ihnen zu dürfen glaubt, wird die S chweiz voraussihtlich auf die Priorität, die Arbeitershuß-Konferenz in Bern zu versammeln, verzihten und deren Ein- berufung bis auf Weiteres verschieben; dagegen soll die vom Deutschen Kaiser angeregte Konferenz shon im März in Berlin zusammentreten und auf derselben auch die Schweiz vertreten sein.

Belgien. Brüssel, 21. Februar. (Wes.-Ztg.) Die maritime Kommission der Antisklaverei-Konferenz hat beschlossen, daß alle einheimishen Fahrzeuge von unter 500 Tons den in Zanzibar und am Rothen Meere zu errih- tenden internationalen Bureaus die Beschreibung der Schiffe und die Angaben über - die Schiffsbesaßungen, die Zahl der Passagiere u. \. w. einreichen, ihre Nummer auf den Segeln deutlich vermerken und am Schiffshintertheile den Tonnengehalt verzeihnen sollen. Die Durchsuchung findet erst nah TorataiRer Prüfung der Schiffspapiere statt und erst, wenn aus ihnen die Führung einer falshen Flagge folgt. Die als Sklavenschiffe sestgehaltenen Fahrzeuge werden nah dem nächsten Hafen ge- führt, in welhem sich eine fonsularische Autorität der Macht, deren Flagge usurpirt worden ist, befindet. Gegen die fest- n Negerhändler wird eine eingehende Untersuhung geführt.

Türkei. Konstantinopel, 22. Februar. (W. T. B.) Der Sultan empfing heute den montenegrinischen Minister des Aeußern, Vukovics. Die Kaiserliche Kanzlei übermittelte der Pforte ein Dekret des Sultans, durch welches die inländischen sowie die Transit- und Ausfuhrzölle abgeschafft werden. Das Jradé, betreffend die Regelung der Nechnung zwischen dem Staat s - \shag und der Ottomanbank gemäß der vom Ministerrath genehmigten Konvention ist der Pforte Behufs Unterzeihnung zugestellt worden. Jn wohluxterrichteten Kreisen ist das Gerücht verbreitet, daß der Sultan Murad, der Vorgänger des jeßigen Sultans, im Slierben liege; es scheint eine rash ortf chreitende Gehirnerweihung zu Tage getreten zu sein.

Griechenland. Athen, 23. Februar. (W. T. B.) Der Kronprinz von Jtalien ist, nah einem kurzen Auf- enthalt bei der Jnsel Corfu, in Pyrgos angekommen und besuhte heute Olympia. Se. Königliche Hoheit reist in firengstem Jncognito und wohnt demgemäß auch nicht im Palais, sondern an Bord der „Savoya“. ODffizieller Empfang findet nicht statt.

Amerika. Washington, 21. Februar. (A. C.) Prä- sident Harrison ist von Alleghany in Pennsylvanien, wo er gestern die von dem Pittsburger Millionär Andrew Carnegie der Stadt geshenkte Volksbibliothek eröffnet hat, hierher

zurückgekehrt. i

New - York, 22. Februar. (S. T. B.) Der Präsident der „Ritter der Arbeit“ Powderly erklärte gestern in einem Vortrage in Wilkesbarre (Pennsylvanien): der Kaiser Wilhelm habe - durch seine Erlasse den Kohlenkönigen

Pennsylvaniens ein Beispiel zur Befolgung gegeben.

Afrika. Egypten. Kairo, 21. Februar. (A. C. Flüchtlinge, die aus dem Sudan ankommen, besagen, da unter den Stämmen in dieser Provinz großer Nothstand herrsche. Andere behaupten, daß die Derwi sche nah Norden vordringen.

Parlamentarische Nachrichten.

Jn der heutigen (15.) Sizung des Hauses der Abgeordneten, welcher der Minister der öffentlichen Arbeiten von Maybach beiwohnte, machte der A zunächst Mit- theilung von dem Ableben des Abg. Niemeyer, Vertreters des 6. hannoverschen Wahlkreises. Das Haus ehrte das Andenken des Dahingeschiedenen durch Echeben von den Sißen.

In einem Schreiben des Justiz-Ministers wurde Kenntniß davon gegeben, daß das gegen den Abg. Stö zel s{hwebende Strafverfahren für die Dauer der Session eingestellt worden ist.

Auf der Tagesordnung stand an erster Stelle die erste Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Er- weiterung und Vervollständigung des Staats- Etisenbahnneßes.

Abg. Dr. Sattler fragte, ob die Jnteressenten den Grund und Boden für die Bahnen unentgeltlich hergeben müßten, ob sie dazu einen Staatszuschuß erhielten und ob sie noch einen. baaren Zuschuß zu gewähren hätten. Ebensowenig wie dies sei aus der Vorlage zu ersehen, wie die Fisci unter einander abrehneten. Die in der Vorlage vorgeschlagenen Bauten ver= dienten Empfehlung. Zu wünschen wäre für Hannover eine Linie, welche das Dreieck zwishen Bremen, Wunstorf und Löhne aufschlöfse.

Abg. Wüsten wandte si dagegen, daß zu viel Ausgaben für Eisenbahnzwecke auf die Anleihe übernommen würden. Der Vorlage jelbst sei zuzustimmen. Bezüglich der den Qu essenten zuzumuthenden Aufwendungen sollte man vorsihhtig sein; gegenwärtig verlange man niht nur den Grund und Boden, sondern auch den Kies zur Aufshüttung der Bahn- strecke unentgeltlih. Es empfehle sih die Ueberweisung der Vorlage an die Budgetkommission.

Aba. Jmwalle wies darauf hin, daß die Sekundär- bahnen sich etwa mit 3 Proz. verzinsten, und meinte deshalb, daß man nicht besondere Leistungen von den Jnteressenten bei Heren solher Bahnen fordern sollte. Dem Antrage auf Vorberathung des Gesegentwurfs in der Budgetkommission schloß sih derselbe an.

Abg. Halberstadt empfahl die Bewilligung der für Stlesien geforderten Linien.

Der Minister der öffentlihen Arbeiten von Maybach bemerkte gegenüber weiteren Wünschen nah Sekundärbahnen, daß seit der Verstaatlihung der Ei He Ae über 7000 km Eisenbahnen auf Staatsrechnung ausgeführt worden seien; die Eisenbahnverwaltung müsse aber auf die jedesmalige Lage der Finanzen Rücksicht nehmen. Die Einnahme der Eisenbahn- verwaltung werde auf Grund geseßliher Bestimmung zum Theil zur Deckung allgemeiner Staatsausgaben benutt, O es werde niht gelingen, dieses Verhältniß zu beseitigen. Den außer- ordentlihen Mitteln für die Staatseisenbahnen seit dem Jahre 1880 in der Höhe von 995 Millionen Mark ständen Aktivtitel in der Höhe von 990 Millionen Mark gegenüber; ziehe man daneben die aus laufenden Mitteln bewerkstelligten Meliorationen

in Betracht, so vershwinde die Differenz zwishen der Ver- mehrung der Anleihe und den vtiteln ganz. Ob die Mittel aus der Anleihe genommen würden oder unter den Einmaligen Ausgaben des Etats ständen, sei vollständig gleihgültig; denn die Eisenbahnverwaltung werde unter allen Umständen belastet und ihre Kapitalshuld entsprehend vermehrt. Alle neuen Bahnforderungen würden eingehend geprüft werden. Die einzelnen Provinzen würden nit un- gleihmäßig behandelt, wenn es auch niht möglich sei, sie alle in jedem Jahre in gleiher Weise zu bedenken. Die D seien zur Hergabe des Grund und

dens veranlaßt worden, aber immer habe eine Prüfung stattgefunden, ob sie leiflungsfähig seien und welche Aussichten die Bahn haben würde. o das erforderlih gewesen, sei von Staatswegen ein Zuschuß zu den Grunderwerbskosten gewährt worden. Die Vorlage möge mit Wohlwollen beurtheilt und vom Haufe angenommei werden.

Die Abgg. Lotichius, Schnatsmeier und Lucius (Erfurt) wünschten den weiteren Ausbau des Eisenbahnnetes in den -Kreisen, welche sie vertreten.

Abg. Broemel betonte, daß in dieser Frage die Ver- antwortung allein die Regierung treffe, da ein Nahweis über die wirthshaftlihen und lokalen Verhältnisse der Gegenden, in denen neue Bahnen gebaut werden sollen, zur Prüfung und Be- urtheilung dem Hause nicht vorgelegt werde.

bg. Sombart wünschte eine Verbindung von Stral-

sund nah Mecklenburg zur Aufshließung Neuvorpommerns,

A N Christen eine solhe zwishen Eshwege und reffurt.

Abg. Bachem bezeichnete als Aufgabe der Eisenbahnen die Herbeiführung einer Decentralisation der Fabrikstäiten. Unsere soziale Noth rühre lediglich von dem Anwachsen der großen Städte und der Koncentration der Jndustrie in denselben her. Die Ablenkung der Jfdustrie nah dem Lande hin würde in pekuniärer, sittliher und gesundheitlicher Beziehung große Vortheile für die Arbeiter bringen. Auch die ruinö)e Kon- kurrenz zwischen Landwirthschaft und Jndustrie würde dann aufhören. Die Eisenbahnverwaltung sollte durch Vermehrung der Eisenbahnen in der Umgebung der großen Städte es den Arbeitern ermöglichen, auf dem Lande zu wohnen. Speziell die Verhältnisse in Köln auf dem linken Rheinufer ließen in dieser Beziehung zu wünschen übrig. l

Der Minister der öffentlihen Arbeiten von Maybach erklärte sich mit der Tendenz diejer Bemerkungen einverstanden. Er habe nah Möglichkeit dafür gesorgt, daß die Arbeiter möglichst jeden Tag zu ihrer Familie zurückfehren könnten. Es seien Arbeiterzüge eingerichtet, und es werde noch mehr in dieser Richtung gethan werden. Köln sei Festung und die Eisenbahn- verwaltung deshalb in Bezug auf die Ausführung von Bahnlinien in der Nähe von Köln niht ganz unabhängig. Man werde wohl dazu kommen, dort Dampsitraßenbahnen anzulegen, welche der Privatindustrie überlassen werden könnten.

Abg. Spangenberg befürwortete die Linie Lage— Hameln.

Abg. R i dert erklärte, auch als Gegner der Verstaat- lihung der Eisenbahnen anerkennen zu müssen, daß der Minister geleistet habe, was ein Mensch überhaupt zu leisten im Stande sei. Er billige die Grundsäge des Ministers und werde ihn bei der Durchführung derselben unterstüßen. Bezüg- lih der Linie Hagenow—Oldesloe sei zu bedauern, daß sie über Rageburg statt über Mölln gehen solle.

Abg. von Nathusius sprach seine Verwunderung darüber aus, daß die Linie Jnowrazlaw—Rogasen niht nah Zirke oder Schwerin a. W. verlängert werde; namentlich in Schwerin habe die geplante Verbindung nah Bani (Kreuz) \hmerzlich berührt; hoffentlich werde Schwerin bald einen Bahnanschluß erhalten. (Schluß des Blattes.)

Vorläufige Wahlergebnifse.

Wir haben heute noch folgende, von „W. T. B.“ ge- meldete vorläufige Wahlergebnisse mitzutheilen :

Potsdam. Wabhlbez. 2. Oft-Prignip Koh (dfrs.) gewählt.

Potsdam. Woblbez. 3. Ruppin-Templin Graf Saldern- Ahblimb (kons.) mit 9918 St. gewählt; Bobm (dfrs.) erhielt 7500, Swhifferkandidat Kunow 1325 St, Apelt (Soz.) 433 St.

Potédam. Wakhlbez. 5. Oberbarnim. von Bethmann-Hollweg

(Reicbsp.) gewählt. Wakhlbez. 10. Kalau-Luckau. von Manteufel

Franffurt a. O. (konf) gewählt.

Danzig. Wahlbez. 4, Neustadt - Cart haus. Berent - Stargard (Pole) gewählt. .

Danzig. Wallbez. 5. Pr. Stargard. Dirshau. von Kossowseki- Gajewo (Pole) gewählt. * : 4

Danzig Landkreis Danzig. Stichwahl zwisten v. Gramaßki (konf.) und Mey (Centr.). ,

Marienwerder. Waklbez 1. Stuhm, Marienwerder. Be- rihtigung Stichwahl zwischen Müller (Reichspartei) mit 7535 St. und von Donimiersfki (Pole) mit 7146 St., Johem (Soz.) erhielt 237 St., Spahn (Centr.) 132 St.

Marienwerder. Wahlbez. 2, Rosenberg-Löbau. Stich{wahl ¿wiscben v. Oldenburg-Januschau (kons.) und Dr. Rzepnikoweki (Pole).

Marienwerder. ablbez. 5. Schweß. Rittergutsbesißer Holtz (Reichsp.) gewählt.

Marienwerder. Wablbez. 7. Shlochau-Flatow. Ober-Regierungs- Rath Dr. Scheffer (kons.) gewählt.

S Waklbez. 1. Demmin-Anklam. v. Maltahn (konf.) gewäblt.

Stettin. Wahlbez. 2, Ueckermünde 2c. v. Henk (kons.) gewählt.

Sn, Wakhlbe;. 5. Pyrig - Satig. von Schöning (kons.) gewä

Steitin. Wakhlbez. 6. Naugard-Regenwalde. von Flügge-Speck Gou gewählt.

öslin. Wakblbez. 1. Stolp-Lauenburg. Staats-Minister a. D. von Puttkamer (kons.) gewählt.

Köslin. Wahlbez. 2. Bütow, Schlawe, Rummelsburg. von Massow (konf ) gewählt. e /

Köélin. Wahlbez. 4. Belgard, Sievelbein, Dramburg. Graf Kleist-Schmenzin (konf.) gewählt.

Köslin. Wakhlbez. 5. Neu-Stettin. v. Busse (kons.) gewählt.

Posen. Wahlbez. 2, Samter, Birnbaum, Obernik. Graf Hector Kwilecki (Pole) gewäblt.

Posen. Wahlbez. 3. Meseriß-Bomst. v. Unruhe-Bomst (Reichsp ) gewählt. ;

Posen. Wahlbez. 4, Buk-Kosten. Prinz Ladislaus Czartoryski (Pole) gewählt. :

Pojen. Wakhlbez. 7. Scchroda-Schrimm.

(Pole) gewählt. i romberg. Wahlbez. 2. Wirsiy - Schubin. Poll (natl.) ge-

wählt. Bromberg. Wabhlbez. 4. Inowrazlaw, Mogilno, Strelno. von Jazdzewski (Pole)

Baron von Graeve

von Koëscielski (Pole) gewählt, Bromberg. Wakhlbez. 9, Krotoschin. gewählt. ;

Breslau. Wabhlbez. 1. Guhrau, Steinau, Woblau. Stich- wahl zwishen Graf Carmer (Reichsp.) und Leder (dfrs\.).

Breélau. Wablbez. 3. Wartenberg, Oels. von Kardorff (Reicbsp.) gewäblt. é

Breslau. Wahlbez. 5. Oblau-Nimptsch-Streblen. Stich- wahl zwishen Goldschmidt-Berlin (dfrs.) mit 7903 St. und von Goldfus (Reichép.) mit 6823 St.; Schüß (Soz.) erhielt 855, von S(walscha 669 St.

Liegniß. Wablbez. 6. Liegniß, Stadt und Land. Haynau, Goldberg. Stichwahl zwis{hen Goldshmidt-Berlin (dfr} ) und Frank-Breslau (Reichsp. Kartell).

Liegniy. Wakhlbez. 8. Schönau-Hirshberg. Dr. Barth (dfrf.)

gewählt. Magdeburg. Wahlbez. 2. Osterburg-Stenda!. v. Jagow Wakblbez. 4. Tondern 2.

(kons.) gewählt.

Schleëwig- Holstein. Stichwahl zwischen Franke (natl.) und Seelig (dfr\.).

S(leswig-Holstein. Wablbez. 5. Norderdithmarschen. Stich - wahl zwischen Thomsen (dfr\.) und Kahblke (natl.).

Shleéwig - Holstein. Wahlkreis 6. Pinneberg. Stichwahl zwischen Molkenbuhr (Soz.) und Rechtsanwalt Peters-Kiel (natl.).

Séleêwig-Holstein. Wakhlbez. 7. Kiel. StichwahbI1 zwischen Förfter (Soz.) mit 14 421 St. und Hänel (dfr\.) mit 11 873 St.

Hannover. Wahlkreis 6. Verden. Stichwahl zwischen von Arnswald-Hardenbostel (Welfe) und Hepe (natl.)

_ Hannover. Waklbez. 9. Münden, Eldagsen 2. Stichwahl

zwiscken ron Reden (natl.) und Baerer (Soz ).

Hildesheim. Wakhlbez. 11. Einbeck x. Stichwahl zwischen

Dr. Eckels (natl.) und Graf v. d. Schulenburg (Welfe).

Friedricks (natl.) und von Wangenheim (Welfe).

Stade. Wakbhlkreis 19. Geestemünde c. Stichwahl zwischen _Arnêéberg Wakhlbez. 1. Wittgenstein-Siegen.

zwishen Stöder-Berlin (kons.) und Träger (dfrf\.)

Wahlbez. 1. Rinteln. Stichwahl zwischen Kersting

(natl.) und Werner (‘Antisemit).

(Antisem.) und Lauer (Demokrat).

Düsseldorf. Wahlbez. 9 Kempen. Frizen (Centr.) m

(natl.) 1249 St., Dr. Virhow 182 St.

Düsseldorf. Wahlbez. 8 Cleve-Geldern. Dr. Perger (Centr.) Oberbayern.

gewählt.

L Wahlbez. 4. Ingolstadt. Aichbihler (C?ntr.) gewäblt.

Oberbayern. Wablbez. 6. Weilheim. Weber (Centr.) gewählt.

Oberbavern.

gewäblt.

Wakblbez. 8. Traunstein. Lehemeier (Centr.) gewählt. Oberfranken. Wahlbez. 3. Forchheim. Stichwahl zwis§en Unterfranken und Aschaffenburg. Wahlbez. 5. Schweinfurt. Bur- lein (Centr.) gewäblt Wakhlbez. 1. Aschaffenburg.

Haus (Centr ) gewählt.

Reichert (Centr.) gewäblt.

Oberpfalz und Regenéburg. Wakblbez. 2. Amberg. Hilpert Oberpfalz und Regensburg. Waklbez. 3. Neumarkt. Lerzer Oberpfalz und Regensburg.

Witlsperger (Centr.) gewähl t.

Oberpfalz und Regentburg. Wakhlbez. 5. Neustadt a. W. N.

Lehner (Centr.) gewählt.

Stichwahl zwischen von Wrisberg (kons.) und Prof. Hänel (dfr\.). Großherzogthum Mecklenburg-Schwerin. Wahlbez. 3. Parchim. Großherzogthum Mecklenburg-Schwerin. Wahlbez. 4. Maltin 2c.

Graf Swlieffen (fons.) gewählt.

Stichwahl zwishen Graf Schlieffen - Shlieffeaberg (kons.) und

Peters (Soz ).

Fabrikbesißer Schönau (natl.) und Knörckte-Berlin (dfr\.). Elsaß-Lothringen. Wahlbez. 13. Bolchen-Diedenbofen. Pfarrer

Lüneburg. Wablbez. 16. BVleckede 2. Stichwahl zwischen Gebhard (natl ) und Bruhns (Sez.).

Stichwahl

Kassel.

Kassel, Waklbez 5. Marburg. Sti{wahl zwishen Böel 9188 St. gewählt, Schumacher (Soz.) erhielt 1509 St., Niedzuet gewählt.

Wakblbez. 3. Aicacch. Frhr. v. Pfetten (C-ntr.)

Oberbayern.

Wakhlbez. 7. Rosenheim. Wagner (Centr.)

Oberbayern.

Pezold (Centr.) und Limmer (dfrf.).

Unterfranken und Aschaffenburg.

Unterfranken und Aschaffenburg. Waßhlbez. 4. Neustadt a./S. (Centr.) gewählt.

(Centr.) gewählt. Wakhlbez. 4. Neunburg v./W.

Großherzogthum Medlenburg-Schwerin. Wahlbez 1. Hagenow. Dr. Pachnicke-Berlin (dfr\.) mit 7147 St. gewählt.

Großherzogthum Medcklenburg-Shwerin. Wablbez. 6. Güstrow 2.

Fürstenthum Schwarzbucg - Rudolstadt. Stichwahl zwischen Neumann- Hayingen gewä hlt.

Nach den bis jeßt vorliegenden Wahlergebnissen find im Ganzen 223 als definitiv gewählt zu betrahten und 137 Stichwahlen zu vollziehen.

Von den Gewählten sind: 84 Centrumsangehörige, 19 Sozialdemokraten, welche überdies an 54 Stichwahlen be- theiligt sind, 45 Konservative, 14 Nationalliberale, 16 Reichs- partei, 17 Freifinnige, 11 Elsasser, 13 Polen, 2 Demokraten, 1 Wilder, 1 Däne.

Zeitungsftimmen.

Die Blätter seven die Erörterungen über den Ausfall! der Wahlen fort, indem sie zugleih auf die Bedeutung der nothwendig gewordenen Stichwahlen hinweisen. So schreibt die „National-Zeitung“:

„Nur dem oberflächlihsten Beurtheiler wird es paradox erscheinen, daß die Majorität von 1887 in erster Reihe an ihren Verdiensten um das Reich zu Grunde gegangen fei; in der Hauptsae ist es so, und weder bei uns, noch in anderen Ländern ift dies eine beispiellose Er chei- nung. En England ift es eine ganz gewöhnliche Erfahrung, daß eine Mebr- heit, nadem sie die Aufgabe gel öst hat, zu welcher sie gewählt worden, von den Wäklern verlassen wird bis zum nächsten Mal, bis die neue Majorität das nämlihe S@icksal erfährt. Nicht leerer Wankel- muth ift die Ursache davon, sondern der Umstand, daß, wie alle Dinge dieser Welt, auch die polirishen Maßregeln ihre zwei Sciten haben, daß, was nothwendig und heilsam ist, dennoch au die Kritik herausfordert und unter Umständen belästigende Folgen hat.

„In den Wahlen von 1887 hatte das deutshe Volk dem damals gewäblten Reichêtag den Auftrag ertheilt, das Reich militärisch zu fihhern ; kein Wäbler aber war so naiv, zu glauben, daß dies ohne finanzielle Opfer geschehen könnte. Der Reichstag von 1887 bat gethan, was ibm aufgetragen worden; und die in den vergangenen drei Jahren erfolgten großen Geldbewilligungen für militärishe Zwecke find zwar nicht von den Sozialdemokraten, wohl aber von den Deutschfreisinniaen und dem Centrum mit votirt worden. Das Ceatrum hat sogar das Branntweinsteuergeseß , welhes die Geld- mittel lieferte, mit allen seinen Mängeln mit beschlossen, und dic Deut schfreisinnigen haben wenigstens früher anerkannt, daß eine Er- öbung der Branntweinsteuer das beste Mittel zur Deckaung finanzieller Mehrbc dürfnisse sei. Aber die Denunziation der erhöhten militärischen und finanziellen Lasten die Beschuldigung, daß die „Kartell-Parteien viele bunderte von MiLionen neuer Anleihen bewilligt hätten die thatsählih fast autnahmslos vom Centrum und den Deutsfrei- finnigen mit beschlossen worden hat auf viele Wähler gewirkt, welche 1887 das gewollt hatten, was inzwisben geschehen ist... __ In dem Reichstage, welher wegen der Septennatsfrage aufgelöft

wurde, zählten die Nationalliberalen 50 Stimmen; in den Wahlen

von 1887 s{nellten sie auf 109 empor; jezt werden sie wieder ungleih s{wäher werden. Man darf diesen wiederholten Wechsel so erklären, daß das deutshe Volk, wenn der Radikalismus und seine Altiirten den Wagen gründlich verfahren haben, wenn es no:hwendig erscheint, die gefährdeten nationalen Interessen zu wahren, den ge- mäßigten Liberalismus auf den Posten ruft, daß dagegen, wenn er und die Konservativen das Reih wieder für eine Zeit lang gesichert haben, die Nation es ungefährliG findet, die Gegner wieder einmal eine Probe ihres Könnens liefern zu laffen. Es ift ehrenvoll für den gemäßigten Liberalismus, daß seine maßzebende Mitwirkung notöwendig gefunden wird in der Gefahr und entbehrlich, wenn eine s{heinbar unschädliche Probe auf unmöglide Exempel gemacht werden soll, z. B. auf das der Aufrehterhaltung unserer Wehrhaftigkeit unter Abschaffung alier indirekten Einnabmen : alle diese Einnabmen sind in einem illustrirten forts{ri:tlihen Flug- blatte dem Hasse der Wähler empfohlen worden. Indeß aut im neuen Reichstag kann sehr viel darauf ankommen, daß der aecmäßigte und allezeit zur Uebernabme der Verantwortlichkeit für das nationalpolitisch Nothwendige ents{lofsene Liberalismus keine allzu hwah: Position habe, mag die Lebensdauer dieses Reichstages lang oder kurz sein. Und darum richten wir nobmals an die Anbänger dieses Liberalismus die Mahnung, nicht eine Politik des Pe'simismus zu treiben, sondern Alles aufzubieten, damit aus den Stihwahlen noch eine möôglichst große Zahl von Nationalliberalen bervoraebe. Gegen“ über den unnatürlihen Bündnifsen, die der Deutschfreisinn geschlofen bat und die er abzuleugnen sucht, weil er ih ihrer \chämt, sind die * Parteien der bisherigen Mehrheit allerdings auëschließlib auf die Verbeiziehung von Wäblern angewiescn, wele im erften Wablgange nicht erschienen sind und die Politik des Antikartells verwerfen. Aber deren giebt es, wie der Vergteich der dieëmaligen Wahlbetheiligung mit der vorigen zeigt, eine sebr große Anzahl

Und an einer anderen Stelle bemerkt dasselbe Blatt:

„Die Reichstag8wahlen haben sid in einer Zeit tiefîten Friedens vollzogen, jedenfalls it die Friedensstimmung ein durhs{chlagender Zug im europäischen Leben des Augenblicks und die leitenden Persön- lichkeiten aller Linder haben sid wiederholt und nachd:ücklih bemüht, Vertrauen in die Dauer diefes erwünshten Zustandes zu erwecken. Man bâtte denken sollen, daß eine solh: Gestaltung der auëwärtigen Lage in der Wählerschaft eine freudige Anerkeznung finden mußte und in den Wablen auf die eine oder die andere Weise ein Ausd:uckF der Dank- barkeit für das mit so großem Geshick und fo unausze!egter Mühe gerettete kostbare Gut des Fricdens zum Vorschein kommen sollte. Aber gerade das Gegentbeil ist der Fall gewesen; der seitherige Ver- lauf der Wablen hat si am {äften gegen die Parteikombination gerichtet, welhe der Regierung diz Mittel bewilliate, mt denen diese ibrer erfolgreihen auëwärtigen Politik erst Kraft und N2hdruck zu verleihen vermodt kat.

Dankbarkeit giebt es indessen bekanntlich in der Politik nicht, und wer diese erwartet, hat sh no& stets verrebnet. Aber man ist auf Seite unserer Gegner nov weiter gegangen: um si{ch den Angriff geaen die Kartellmehrheit rech: leiht zu machen, bat man 8 am besten gefunden, es gerateiu u leugnen, daß es einer energis sckcen Zusammenpackung deutsver Kraft bedurft hatte, um den Gegnern hin!ängli imponiren und die Freunde zu gleichem Thun anufeuern Dazu giebt der Augenblick eine sehr passende Illustration Den Eindruck, den der bisherige Verlauf der deutshen Wablex in Frankrei hervorgerufen bat, s&ildert eine Meldung unseres Pariser Cor- respondenten. „Die Blätter*, fo beißt es da, „feiern in allen Tonarten die gro5e Niederlage der deutschen Regierung und provdez den Zaüsammensturz des ‘Deutschen Neichs.* Daë ift zwar ein bö2Lst kindish:s Beginnen, denn “die Stärke und Dauerba!tigkeit des Deutichea Reiches hat mit tem Ausfall eines einzelnen Wablzanges nur sehr ent- fernte Beziebungen. Adcr für die Gestaltung urxserer inter- nationalen Verhbältrife kat die Ansiht, welde die anderen Nationen von seiner inneren Befestigung baben, doch eine immerhin beahtenêwerthe Bedeutung Friedlihe Gesinnungen werden bei unseren Nawbaren in Oft und West leihter Boden behalten, wenn

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die Gefabr, die aus cinem Friedensbruche erwächst, ihnen ret kräftig vor Augen steht und fe sid nicht mit falshen Hoffnurgen auf innere Schwäcbe des Deutsten Reichs \{chmeicheln. Jede Minderung des Anjehens von Deut’blard im Ausland kann nur den Feinden des

europäischen Frieden# :u Gute kommen.“

Der „Schwäbische Merkur“ schreibt:

„Es ijt leider ni&ts Gutes, was der 20, Februar 1890 gebracht hat. Gegen den 21 Februar 1887 ift ein Rüdckschlaag eingetreten, Wenn der „Zug na links", von dem während der Wablvorbereitung so viel die Red: war, wirklid fich gelterd mahte und eingetreten —, so hat er die Massen viel weiter rah dieser Richtung fortgerissen, als die meinten die mit dem Sclagworte so selbst- befriedigt spielten Die Arbeit der Demoftratie hat sich äáls richtige Vorarbeit für die Sozialdemokratie erwiesen; die Warnung der Ein- sithtigen biervor ift leider allzu begründet gewesen. Es wäre aber ein \cklechter Troït, wenn wir etwa Angesichts der \{limmen Lage des Frei- sinns siche beispieltwrise das Wablergebniß in Berlin uns über die soztalistisben Siege berubigen wollten. Wenn die bürgerlihe Demo- Fratie unzufbaltiíam unter den Schlägen der radikalen Demokratie, der sozialistisden, dem Ende entgegengeht, so vershärfen sich nur die Gegensäge und die Gefahr eines gewaltsamen Zusammenstoßes rüdt näber. Daraus folgt nit, daß die bürgerliche Demokratie in ibrem kfümmerliwen Reste nun zu erbalten ist, sondern sie muß den Standpunkt aufgeben, von dem aus es nur noch bergab weiter acht. Sie muß ßich ents{licßen, mit den Übrigen bürgerlichen Parteien zusammenzuarbeitez zur Erhaltung des Staats. Schon die Stihwablen werden dazu Gelegenheit bieten.“

Die „Freisinnige Zeitung“ will von derartigen Mahnungen, daß bei den Stichwahlen die bürgerlichen Parteien gegen die Sozialdemokratie zusammenstehen sollen, nichts wissen:

„Nur kein falsches Mitleid jeßt mit den Kartellparteien, keine lokale und versönlide Rüdcksichtnahme. Auch bei den Stichwahlen gilt es, die Theorie vom kleineren Uebel voll und ganz zum Auêdruck zu bringen. Je mehr die freisinnige Partei der Mitte des Reicbâtages zurückt, desto mehr fällt sie ausshlaggebend mit in das Gemwit. Zmar ist die Kartellmehrheit zerstört, aber damit noc nicht eine Mebrbeit für eine weitere Lebensmittelvertheueruna und für eine Verlängerung des Sozialistengeseßes ausgeslossen. Beides kann nur durch weitere Shwächung der rechten Seite des Reichstages bei den Stichwazlen erzielt werden.“

Die ultramontane „Schlesishe Volkszeitung“ ist dagegen anderer Ansicht, indem sie speziell mit Bezug auf die Stichwahlen in Breslau schreibt :

„Es tritt nunmehr die dringende Pflicht an die hiesigen Parteien beran, sih gegen die Sozialdemokratie zu vereinigen aber ehrlich! Sowobl das Kartell als der Freisinn müssen für ihre Kandidaten gegenseitig bis auf den leßten Mann eintreten. Das Centrum wird beide Parteien im Kampfe gegen die Sozialdemokratie unter- stützen.“

Hierzu bemerkt die „Schlesische Zeitung“:

_„Wir freuen uns dieser offenen Zusage. Zei liegt niht der ge- ringste Grund vor, an der „Ehrlibfeit" und an dem Ernste dieser Parteien zu zweifeln, mit welchem sie alle ihre Kräfte in der Stich- wahl aufbieten wollen, um in beiden Wahlkreisen die sozialdemokra- tishen Kandidaten zu stürzen. Von der freisinnigen Partei liegt eine offizielle Erklärung über e PEUna in der Stichwahl zwar noch niht vor, doch find wir überzeugt, daß dieselbe, ebenso wenig als das Kartell, die Verantwortung dafür wird tragen wollen und fônnen, daß in Breslau zwei Sozialdemokraten gewählt!

das istt jest z¿weifellos

werden. Der Kampf wird kein leihter sein, denn die Stimmen- zahl der sozialdemokratishen Kandidaten übersteigt bedeutend die ihrer