1890 / 52 p. 12 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 26 Feb 1890 18:00:01 GMT) scan diff

v - erhielten.

wohl überlegen, in welcher Weise wir fie bekämpfen. Wenn die ren, die dem Abg. von Eynern nahe stehen, die üte haben wollten, mit uns in diesem Kampfe zu- sammen zu wirken, so würde uns das freuen. Jt haben sich die Herren zu Hause gehalten und eine Pfeife Taback gerauht. Mit Zwangsmitteln allein ift die Sozialdemokratie nicht zu unterdrücken; wir müssen ihr auch beikommen auf fittlihem Gebiet, auf dem Gebiet der Religion Und durch Abstellung der begründeten Beschwerden des ar- bcitenden Standes. Das leßte ist viel zu wenig geschehen, und *æs ist eine Freude für mi, daß jet von Allerhöchster Stelle aus die Angelegenheit endli in Angriff genommen wird. Jh wünsche, daß von allen Seiten in kräftiger Tonart die Juten- tionen Sf. Majestät unterstüßt werden. Jch habe in den Kreis- blättern und in den osfiziösen Blättern noch nihht viel davon ge- l:-sen. Wenn man bei Anstellung von Beamten Mittel hat, zu er- funden, ob die Kandidaten katholish sind, in die Kirche gehen u. st. w., warum sollte es bei den Schußleuten niht möglih sein? Wenn der Abg. Stöcker meinte, das führe zur Heuchelei, jo müßten wir dana überhaupt aufhören, eiue Kontrole zu üben. Die Beamten müßten beim Kirchenbesuh mit besonders gutem Beispiel vorangehen. Daß man die Schußleute in der- selb-n Weise wie das Mililär zur Kirche führe, habe ih nit Mar: Jch habe dies Beispiel nur angeführt, um zu zeigen, daß überhaupt eine Kontrole möglich ift.

Abg. Stöcker: Die rechte Seite hat nur darüber gelacht, daß man die Schußleute in die Kirche führen und gleihsam eine Statistik über ihren Kirhenbesuch aufnehmen will. Dieser Vorschlag ist falsch und hat in der That etwas Komisches. Im Jahre 1848 sagte man: gegen Demokraten helfen nur Soldaten. Jch habe dem jüngst in einer Volksversammlung das Wort gegenübergestellt: gegen Sozialisten h:lfen nur Christen, aber richtige! ;

Abg. von Eynern: Jn Solingen hatten sih sämmtliche Parteien geeinigt, einen einzigen Kandidaten gegen den Sozial- demoftraten aufzustellen und eine geeignete Persönlichkeit in der Person des fkatholishen Landesdirektors Klein gefunden. Diese Gemeinsamkeit der Aktion ifl aber von der Centralleitung des Centrums nicht gebilligt worden, als Hr. Klein erklärte, daß er wegen seiner amtlichen

- Stellung sich niht entschließen könnte, einer bestimmten Partei beizutreten; an der centrumsfreundlihen Gesinnun des Kandidaten konnte kein Zweifel sein. Mein Zwischenru}, daß die Centrumsepartei einem Sozialdemokraten zum Siege verholfen habe, war deshalb durchaus gerechtfertigt, und die Rede des Abg. Dr. Windthorst steht im Widerspruche mit dem Verhalten der Partei im Lande.

Abg. Ba hem: Jn dem Kreise Solingen ist die Centrums- partei nach der sozialdemokratischen die stärkste. Es ist des- haib natürlich, daß sie darauf besteht, auch den Kandidaten zu nominiren. Die Partei müßte sih ohrfeigen lassen, wenn sie davon absäh:2. Wir sind aber nicht geneigt, uns ohrfeigen zu lassen, namentlich niht von den Nationalliberalen in dem

ugenblick, wo der Bankerott dieser Partei offenbar ist und sie gar nihts mehr bedeutet. Die nationalliberale Partei wollte in Solingen ihre Shwäche nur hinter dem Centrum versteck-n; daß wir das vereitelt haben, das is der Schmerz des Abg. von Eynern. Das Centrum hat den Kampf gegen die Sozialdemokratie in Soiingen wieder energisch auf- genommen, und der Abg. Neichensperger hat denn auch eine ebenfo erheblihe Stimmenzahl wie früher erhalten. Die

_ Nationalliberalen aber zogen es vor, gar niht zu wählen, um nicht zu zeigen, w'e Wenige sie sind. Sißen nicht aber auh fonst mehrere Sozialdemokraten von Gnaden der Herren National- liberalen im Reichstage? Jn München Ik. war die ganze hohe nationalliberale Beamtenschaft für den Sozialdemokraten einge- treten. Besonders aber sind Köln und Hannover interessante Punkte zur Beleuchtung der Entrüstung des Abg. von Eynern. Jm Jahre 1884 ist mir ein Briejw-chsel in die Hand gefallen, aus dem hervorgeht, daß damals in Hannover die National-

è liberalen für den Sozialdemokraten gegen Hrn. Brüel ein-

77 zutreten sich verpflichteten, wenn sie bei der Stichwahl in Köln

“die Unterstüßung der Sozialdemokraten gegen das Centrum

Thatsächlih haben sie au in Hannover dem

7 Sozialdemokraten zum Siege verholfen; in Köln haben freilich “die Sozialdemokraten nicht die entsprehende Hülfe geleistet. ch verweise ferner auf die Vorgänge in Magdeburg im -

ahre 1884 und auf andere Orte.

__ Präsident von Köller: Jh kann nicht erkennen, worin diese Erörterungen mit dem Gehalt des Ministers zusammen- hängen. Jh bitte jedenfalls niht noch weiter in diesen

A * Gegenstand hineinzugehen, als bisher schon. gesehen ist.

Abg. Bachem (fortfahrend): Jh wollte nur zeigen, daß die Entrüstung des Abg. von Eynern über das Centrum ganz und gar niht am Plate war.

Abg. Dr. Windthorst: Jh bedaure, daß ein so in- telligenter, ausgezeichneter, braver Katholik, wie der Landes- direktor Klein, niht in den Reichstag gekommen ist. Er würde uns auf vielen Gebieten die nüßlichsten Dienste haben leisten können. Dann hätten Sie doch dem Herrn sagen sollen, daß er auch der Fraktion des Centrums beitreten könne. Wir können bei den Wahlen keinen Katholiken unterstügen, der uns nicht beitritt. Wir würden uns dann selbst aufgeben. Das haven wir aber einstweilen noh nicht vor.

“Abg. von Eynern: Die Nominirung des Hrn. Klein, auf welche der Abg. Bachem Werth legt, war in der That von der Leitung des Centrums im Kreise Solingen erfolgt.

Abg. Dr. Sattler: Jm Jahre 1884 war allerdings eine Anfrage aus Köln an mich ergangen in dem von dem Abg. Bachem bezeihneten Sinne. Der Abg. Bachem weiß aber au, daß ih dieses Ansinnen abgelehnt habe. Woher weiß er aber überhaupt etwas hiervon? Er hat einen Brief, den ih an einen Namensvetter von ihm ge- rihtet habe, gelesen, der widerrechtlich in seine Hand gelangt war. Nur der fanatische Parteigeist des Hrn. Abg. Bachem kann ihn verhindert haben, der Wahrheit jo weit die Ehre Zu geben, zu erklären, daß ih das Ansinnen aus Köln le: fehnt habe. Er würde jolhe Gehässigkeit niht entwickeln, wenn er niht der Meinung wäre, daß wir ihm und seinen Freunden die alerge en Gegner seien.

__ Abg. Dürre: Die Behauptung des Abg. Bachem, daß Die Nationalliberalen in Magdeburg im Jahre 1884 zu Gunsten eines Sozialdemokraten eingetreten seien, ist unwahr. Als Büchtemann mit Heine in die Stihwahl kam, wurde in ‘einer Versammlung vielmehr von einem Dugend Redner er- klärt, wir müßten für Büchtemann eintreten, und von keiner Seite angedeutet, daß wir anders handeln könnten. Abg. Bachem: J bin niht durch Verleyung des Brief-

und Weise, wie der Abg. Dr. Sattler austrat, gesehen. Brief- verwechselungen kommen häufig vor. Man macht den Brief auf und liest. Aus dem Jnhalt ersieht man ja erst die Ber- wetselung. Jn Köln giebt es einen Stadtverordneten Dr. Albert - Baem, Redacteur der „Kölnischen Zeitung“ und einen Julius Bachem, Redacteur der „Kölnischen Volkszeitung“. So is ein Brief für den Redacteur Dr. Albert Bachem an die „Kölnische Volkszeitung“ gekommen, und zwar in meiner Abwesenheit. Von einem zweiten Brief weiß ih nichts, ih weiß nur, daß Anbandlungen zwischen Nationalliberalen in Hannover und Sozialdemokraten ‘in Köln siallgeiunmen haben. Thatsache ist, daß bei der Wahl in Magdeburg 1884 der Sozialdemokrat mit Hülfe der Nationalliberalen gewählt worden ist.

Abg. Dr, Sattler: Jh stelle fest, daß der Rechtsanwalt Julius Bachem, Redacteur der „Kölniswen Volkszeitung“, einen Brief an den Redacteur Dr. Albert Bachem, Redacteur der „Kölnishen Zeituug“, erbrohen hat oder durh seinen Vartreter hat erbrehen lassen. Das hat der Rechtsanwalt Bachem hier eingeftanden. Ein zweiter Brief ist ebenfalls von

und gelesen worden, der an Nedacteur Dr. Bachem gerichtet war. Rechtsanwalt Julius Bachem benußt die Kenntniß dieses Briefes, um hier in öffentlicher Sißung des Abgeordnetenhauses meine Partei anzugreifen. Jh überlasse das dem Urtheil des Hauses. Eine Verabredung zwischen unserer Partei und den Sozial- demokraten über die Wahl in Köln hat niht stattgefunden. Wenn der Abg. Bachem dies bestreitet, so huldigt er damit dem Grundsay: calumniare audacter, semper aliqguid haeret,

Abg. Dr. Windthorst erklärt es der Bemerkung des Abg. Stöcker gegenüber, daß er durch Vorbringung der Be- werden der Katholiken die Unzufriedenheit erhöhe, für eine wichtige Aufgabe des Hauses, diz Beschwerden des Volkes vorzutragen. Dur Erfüllung der berechtigten Beschwerden der Katholiken werde der Ueberwucherung der Sozialdemokratie vorgebeugt. Daß eine Parität nicht herrsche, bewiesen die neuen Ecaennungen im Kultus-Ministerium, im Ministerium des Innern und bci anderen Behörden. : i

Abg. Dürre: Es ist niemals von nationalliberaler Seite empfohlen worden, für einen Sozialdemokraten zu stimmen. Auch der Ausfall der Wahl in Magdeburg spricht nicht dafür; mir ist nit ein einziger von meinen Partei- genofen bekannt, der 1884 für den Sozialdemokraten gestimmt

ätte. y Abg. Bachem: Der Abg. Dr. Sattler stellt es so dar, als hätte ih den Austrag gegeben, den Brief zu erbrechen. Hätte ih das gethan, hätte ih mich allerdings einer Jnfamie schuldig gemaht. Als der Brief in Köln ankam, war ih ar niht da, ih konnte also feinen Einfluß bezüglich des riefes auzüben. Jch habe erst mehrere Tage nachher durch Zufall von dem Brief Kenntniß erhalten. Es ist kein Unrecht, von einer solchen durch Zufall bekannt gewordenen Thatsache Gebrauch zu machen. Von einem zweiten Briefe habe ih bis heute nihts gewußt.

Abg. Dr. Sattler: Jh habe festgestellt, daß der Rechts- anwalt Bachem, oder sein Stellvertreter, einen Brief von mir an eine andere Adresse aufgebrochen und gelesen hat. Das fann verfommen, das Gravirende liegt aber darin, daß der Abg. Bachem si nicht heut, von dem Jnhalt dieses Briefes hier in der Sißung des Abgeordnetenhauses Gebrauh zu machen. Eine Meinungsverschiedenheit über ein solches Ver- fahren fann es niht geben; Hr. Bachem hat eine andere Mei- nung, möge er sie haben.

Damit schließt die Diskussion.

Nach einigen persönlichen Bemerkungen der Abgg. Bachem und Dr. Sattier wird Tit. 1 der dauernden Ausgaben, „Ge- halt des Ministers“, bewilligt.

Schluß 41/5 Uhr.

Jn der gestrigen Sißung des Hauses der Abgeord-

neten entgegnete auf die Aeußerungen der Abgg. Sombart und Lucius (Erfurt) der Minister des Jnnern Herrfurth: Meine Herren! Was zunächst den vom Hrn. Abg. Lucius zur

Sprathe gebraten Fail anlangt, so bin i nicht in der Lage zu ers Fiären, werauf cs berubt, daß vier Monate zwischen der Wahl und der Einführung des neuen Lürgermeisters in Erfurt vergangen find.

Es ist zu dieser Wahl die Einhoiung der Allerhöchsten Bestäti- gung erforderlich gewesen. Diese Alcrhöwste Bestätigung ist eiwa vier Wowen vor der Einführung bei mic beantragt warden und ift dieselbe, welche stets ein paar Wogen in Anspru rimmt, mit tbhun- lidfter Beshleunizurg nacbgesuht und ertheilt worden, Ich kann feststellen, taß dem Ministerium cine Verzögerung ia dieser Angelegen- beit nit zur Last fällt.

___ Ich mötte aber auc) faum glauben, taß ciner Provinzialbchörde eine derartige Verzögerung zur Last gelegt werden kann. Denn bei Besetzung ciner so wichtigen Stelle ist es nothwendig, si bei den Behörden des Gewählten über dessen Persönlichkeit, über das, was er bisher auf femmunalem Gebiet gelcistet hat, zu informiren, und der- artige Cocreipondenzen nehmen natürliher Weise eine größere Zeit in Ansprucy. Es müssen ferner die Formalicn der Wakl geprüft roerden, und ih glaube, daß cia Zeitraum von vier Monaten von der Wahl bis zur Einführung keinezwecs ais ein folcher bezeihnet werden kann, der auf cine Verzögerung bei den Bebörden irgendwie einen Schluß ziehen läßt.

_Ich mötte sodann gauf die Arferderung des Hrn. Abg. Sombatrt zurückfommin. Meine. Herren, die Ermittelungen über die Ver- hältrifse der Gutsbezirke" und Landgemeinden der öôstliden Pro- vinzen sind in den Richtungen, welde ih bier im vorigen Jahre sfizzirt have, unurterbrochen fortgeführt woorden; sie sind aber noch niht soweit zum Abs{luß gelangt, taß die Königlihe Staats- regierung sich ibrerseits über die geseßgeberiswen Maßnahmen auf diesem Gebiete hätte {lüisig machen können. Wenn ih daher au nicht in der Lage bin, über diese geseßzeberisGen Maßnahmen mi hier näher zu äußern, so möchte ih do den Purkt hervorheben, daß die Ermittelungen über den Umfang des Bedürfnisses und die darüber eingezogenen bôöchst vershiedenartig lautenden Kundgebungen und Be- rihte der lofalen und Provinzialbehörden nothwendiger Weise zu der Erwägung geführt baben, ob und inwieweit es möôglih sei, den _ vorhandenen Mißständen in den ländlihen Kommunal verböltnifsen mit den Maßnahmen zu begegnen, welche die bestehende Gesetzgebung bercits an die Hand giebt, und ob und inwieweit es nothwendig ist, die Klinke der Geseßgebung in die Hand zu nehmen. Meine Herren, es find déesbalb die sämmtlichen Behörden aufgefordert worden, ihrerseits die Frage in Erwägung zu nehmen, inwieweit diesen Mißständèn mit der lex lata eine ausreihende Abhülfe geschaft werden könne und ixwieweit und in welchem Umfange man auf die lex ferenda zurüdgreifen müsse. Daß aber in einem sehr erhebliden Umfange diefen Mißständen, und zwar auch gerade denen, die Hr. Abg. Som- bart hervorgebobken hat, bereits mit Hülfe der bestehen- den Geseygebung Abhülfe geschaft werden kann, tas bat allerdings die Erfahrung în einzelnen Fällen in solchen Bezirken und Kreisen gezeigt, wo die Behörden mit besonders umsich- tiger und thatkräftiger Initiative vorgegangen sind.

Einer der wesentlichsten Mifistände wird bekanntli in dem Be- stehen schr zahlreicher leistungsunfähiger kleiner Gemeinden

dem Rechtsanwalt Julius Bachem resp. seinem Vertreter erbrochen -

Seite in Abrede und kann nit in | e! wenn man daß unter den rund 24500 iden, wel in den öôstlihen Provinzen vorkanden sind, 1600 weniger als 50 Ein- wohner und 4800 rund weniger als 100 Einwohner haben, und daß von den etwa 15500 Gutsbezirken in den öôstlihen Provinzen 7 weniger 0s 75 ha und etwa 1200 weniger wie 100 ha umfassen.

n, meine Herren, ift aber allerdings die Möglichkeit gegeben, auf Grund der be}tebendeu Gesetzgebung hier na den verschiedensten Richtungen bin Abhülfe zu schaffen. Zunächst hat si herausgestellt, daß cine Anzakl . selbständiger Gutsbezirke irrthümlich als solche be- zeihret und bebandelt werden, indem man davon auéêgezangen ift, daß alien wirthschaftlich selbständigen Gütern diese Qualität beiwohne, während nah der Judikatur des Ober-Verwaltungsgerihhts diese Qualität von dem Umstande abhängig ist, ob vor Emanation der Edifkte von 1807 und 1811 bei dem betreffenden Gute das Verhältniß der Gutsunterthänigkeit obgewaltet habe. Wo diese Voraus- seßung nicht vorhanden gewesen, fehlt die rechtlihe Grundlage für die Existenz der selbständigen Gutsbezirke. Güter der vorbezeichneten Art sind faktish kemmunalfrei und fönnen dann arf Grund der bestehenden Gesetzgebung mit benachbarten Gütern vereinigt werden. :

Sodann bietet die Bestimmung im §. 189 Theil 11 Titel 6 des Allgemeinen Landce(ts die Möglichkeit, solche Gutsbezirke, welche durch Abverkäufe, durch Zersplitterungen faktisch den Charakter einer selbständigen kommunalen Einheit verloren haben, während ihnen rechtlich tieser Charakter noch beiwobnt, durch eine Aller- t ôchife Ordre aufzulösen und die dadur kommunalfrei werdenden Grundstücke benachbarten Gemeinden einzuverleiben. Endlich aber ift die Mözli@keit gegeben, daß derartige kleinere Bezirke fih mit anderen kleineren oder größeren Bezirken zu leistungsfähigen Verbänden ver- einigen, und ¿war auf dem E freier Vereinbarung unter Zuftimmung der Betheiligten, d. h. bei Gutsbezirken unter Zustimmung tes Gutskesfigers, bei Landgemeinden unter Zustimmung der Gemeinde- vertretungen. Daß aber auf diescm Gebiete sebr erheblihe Resultate erreiht werden föônnen, ergeben einzelne Beispiele In einem Regierunçsbezirke, in welhem allerdings verbältnißmäßig viele solcher kleinen leistungeunfähigen Kommunaleinbeiten bestehen, siad im Laufe der a 5/4 Jabre 115 kleine Gutsbezirke und Gemeinden im Wege freiwilliger Vereinbarung zu bzw. mit 52 leistunasfähigen Ver- bänden vereinigt. :

Meine Herren, genau datselSe gilt von einem anderen Mißitande, den der Hr. Abg. Sombart hervorgehoben hat, nämli von denjenigen Guts8bezirfen, welhe zwar rechtlich noch Gutsbezirke sind, faëtish aber den Charakter einer Landaoemeinde erhalten haben. Wir baben in Preußen in den östlichen Provinzen 1500 Guts- bezirfe, in welchen vollständige Kolonien rorhanden sind; wir baben rund 450 Gutébezirke mit mebr als 400 Einwohnern, und wir haben 40 bis 50, ih glaube, cs sind 43 Gutsbezirke, welhe mebr als 1000 Eirwohner haben. Daß für derartige Gutsbezirke, bei denen die Einheit des Besitzes, die eigentli®e Vorausseßung des selbst- stäcdigen Gu1sbezirks, vollständig verloren gegangen it, welche zum Theil zu großen Industriegemeinden geworden sind, die U mwand- lung in Landgemeinden geboten ist, gebe ih ¿u; aber das kann au@ auf Grund der bestehenden So bewirkt werden und ist in einer großen Zabl von Fällen bereits bewirkt worden. Die Bchörden sind aufgefordert worden, na diesec Richtung hin ibre Bemühungen eintreten zu lassen. Dasfelbe gilt von der Vereinigung solcher Landgemeinden und Gutsbezirke, welche, um mi eines technis%en Auédrudcks zu bedienen, in „unwirthschaft- lidem Gemenge* sich befinden, bi denen eine Sonderung der kommunalen Interissen des einzelren oder Gemeindebezirks überhaupt nicht mehr mögli ist. Immerhin haben gerade diese Erörterungen gezeigt, daß es keineewegs überall mögli ist, da, wo derartige Zu- {tände vorhanden sind, Abhülfe zu schaffen theils aus lokalen, theils aus persönlichen Gründen. Und in diesen Fällen bleibt der andere Weg, den ih Ihnen au bereits im vorigen Jahre hier angedeutet babe, der Weg der Bildung genossenscaftlicher Verbände. Au na dieser Richtung bin find die Behörden angewiesen worden, ihrerseits mit Ermittelunzen vorzugeben, und zwar na einer doppelten Richtung, welche dür die vershiedenartige cesehliWe Basis gegeben ist, auf Grund deren derartige Verbände gebildet werden können. Solhe Verbände können nämli einmal gebildet werden auf Grund des preußischen Ausführungsgeseßes vom März 1871 zu dem Reichsgeseße über den Unterstüßungswohnsig für eine einzelne aber schr wesentlihe kommunale Aufgabe: für die Ortsarmenpflege; und sie können andererseits gebildet werden für cine größere Anzahl kommunalker Aufgaben, wo dann allerdings die Básis in den bestehenden Geseßen über die Land- gemeindeverfassungen gesuht werden muß.

Was zunächst die Bildung der Gesammtarmenverbände anlangt, so haben wir derartige Armenverbände, dic si ganz vorzüg» li bewährt haben, bereits in einem Theile der öftlichen Provinzen. Die- sclben bestehen in Schlesien auf Grund einer Verordnung vom Jahre 1747 in sehr großem Umfange. Es sind dort, wenn ih mi ret erinnere, etwa 2800 aus Gemcinden und Gutsbezirken gebildete Gesammt- armenverbände gegenüber einer Zahl von Einzelarmenverbänden, die faum etwas größer ist, vorhanden. Dasselbe gilt von Neuvorpommern. In Neuvorpommern sind die sogenannten Kirspiel2armen- verbände, welde mehrere Dorfgemeinden und mehrere Gutsbezirke umfassen, und deren Zahl dort über 100 beträgt, während die Zahl der Einzelarmenverbände noch nicht balb so groß ist. Auch in anderen Provinzen hat man derartige Versuche, aber allerdings nur in febr geringem Umfang gemacht. Nur in der Provinz Sachsen sind über 70 vorhanden. Diese Gesammtarmenverbände haben fich aber nah jeder Richtung voUftändig bewährt, sie baben eine rationellere Armenpflege, sie haben eine Verminderung der von vielfachen Mißständen begleiteten Abschiebung der A von einem Armenverband auf den anderen herbeigeführt und sie haben eine gleih- mäßigere Vertheilung der Armenlasten ermögliht. Es sind deshalb gerade nah dieser Richtung hin die Behörden mit Anweisungen ver- sehen worden, auf die Bildung scl&er Verbände hinzuwirken. Dabei ist nun. ein anderer Punkt in Erwägung gezogen worden, nämlih eine Verminderung der Ortsarmenlasten in der Weise, daß die so- genaunte außerordentliche Armenlaft für Blinde, für Idioten, jür Taubstumme u. \. w. von arößercn Verbänden, namentli also von Kreisen oder Landarmenverbänden übernommen .wird; denn das ist ja zweifellos, daß kleine Armenverbände oft vollständig dur einen einzigen Idioten oder Taukbstummen, den sie zu versorgen baben, ruinict werden können. Nach dieser Rit tung hin find bereits sehr werth- volle Erfolge erzielt, indem sich die bezeichneten Verbände, namentlich die Provinzialverbände, durchaus entgegenkommend bewiesen haben, und ih heffe, daß die nach diefer Richtung hin ertheilten Anweisungen von segensreihen Folgen fein werden.

_ Aber auf der anderen Seite kaben wir auch die Möglichkeit, für weitere kommunale Abgaben, insbesondere für die Wegelasten, der- artige Verbände im Wege freier Vereinbarung zu bilden, und wir haven ein geradezu musftergültiges Beispiel dafür in einem Kreise der Provinz Sachsen, wo fast ohne Ausnahme die in örtlich verbundener Lage befindlichen Gemeinden und Gutsbezirke freie Vereinbarungen dahin getroffen haben, daß die Ausgaben eine größere hestimmte Anzahl fommunaler Zweke gemein- schaftlid getragen und nach Maßgabe der direkten Staatssteuern vertbeilt werden, daß der Gutöbesißer Theil nimmt an der Gemeindeversammlung und daß, wenn Meinungsdifferenzen ent- tehen, über diese der Kreisaus\chuß entscheidet. Es ift bierdurch mögli geworden, die größere Intelligenz des Gutsbesitzers für säwmilihe kommunale Aufgaben nutßbar zu machen für die Gemeinde, es sind dadvrch die Kosten verminderr, es ist eine gleihmäßige Tragung derjelben erzielt, und ih glaube, daß ein Vorgehen auf diesem Wege einen großen Theil der bezeichneten Mißstönde bereits unter der be- stehenden S zu beseitigen im Stande ist.

Ich mache ferner darauf aufmerksam, daß, was das Steuerwesen antangk die Gemeinden in der Lage sind, hierüber dur Statut zu beschließen und daß der Kreisausschuß in der Lage ist, abzuhelfen, um eine unzweckmäßige irrationale Vertheilung der Tommunalen Lasten zu

geheimnisses hinter die Geschichte zwischen Köln und Hannover gekommen. Daß etwas heben ist, haben Sie aus der Art |

und Gutsbezirke gefunden. Dieser Mißstand wird von keiner

verhindern. Das ist in so großem Umfange geschehen, daß von

den über 19 000 bereits ‘cerarlige Statuten bezw. : e git: S a

üûfse haben, nah wel@en die Umlegmg dec

(tif 1 an die Staatsstiucrn bezw dur Zus{hläge zu den Staats- steuern erfolgt, so daß auf diesem Gebiet, auf welchem allerdings noch manches zu thur bleibt, ein großer.“ Fortschritt bereits erzielt ist Viel geringer ist dicser Fortsritt, das will ih glei bemerken, auf dem Gebiet des statutarishen Regelung der Gemeinde- vertret ung, indem von eiv r verbäitnißmäß?g großen Anzabl von Landgemeinden. von 9600

G-ameinden mit mehr als 300 Einwohnern,

Meine Herren, es ist immerhin das wird man, glaube ih \{on jeyt übersehen könren niht mögli, auf diese Weise für alle Mißstände und in vollem Umfang Abhülfe zu schaffen, das gebe ih ¡u, aber ih meine, bevor man die Klinke der Gesehgebung in die Hand nimmt, muß man genau wissen, in welchem Umtang Ei derartiges Bedürfniß besteht, um erm-fsen zu können, in welcher Weise demselben Abhülfe geschaffen werden sl. :

Und nun kommt noch ein ganz äbnliches Moment hinzu, welbes au - bereits von bem Hrn. Abg. Sombkart hervor- gehoben worden ist: die Verhandlungen wegen der Ueber- weisung der Hälfte der Grund- und Gebäudesteuer an Kommunalverbände. Meine Herren, die desfallsigen Verhandlungen sind noh nit soweit gedieben, taß ih in der Lage wäre, - hierüber irgend welche bestimmte Mittheilungen machen zu Fönnen. Aber i glaube, auf die Shwierigkeiten binweisen zu müssen, die mit dieser Regelung verbunden sind. Je kleiner der fommunale Bezirk ist, an welhem die Ueberweisung erfolgt, desto größer is die dadur bedingte Ungleihmäßigkeit; je mehr Sie auf die ein- „zelnen Gemeinden beruntergeben, besto mebr tritt die sebr große Ve- vorzugung einerseits der großen Städte gegenüber den kleinen Städten und dem vVlatten Lande und wiederum auf dem platten Lande die Bevorzugung der wohlhabenden Landestheile gegen- über den minder wohlbabenden Landestheilen bervor. Da if die Frage, an welche kommunalen Verbände die Ueberweisung zu erfolgen hat, eine überaus schwierige und gewichtige. Andererseits aber is dobei zu berücksihtigen, daß cine der wesentlicsten fom- munalen Lasten, die Schullast, in dem größten Theil der öftliben Provinzen, nämli da, wo das Landrecht gilt und wo nit die Ge- meinde sie freiwillig auf den Kommunal-Etat übernommen hat, keine Kommunallast, sondern eine Sozietätslaft ift, und das wird, glaube ih, wesentli dabei ins Auge ge:aßt werden müssen, um zu erwägen, ob und inwieweit uan in Betreff der Normicung der Verwendungs- iede der zu überweisenden Summen Vorschriften in das Gesey auf- nimmt. E

Meine Herren! will ohne weiteres die Richtigkeit einer Ein- wendung, die mic jedenfals gemabt werden wird, glei zugeben, daß nämli auf diese Weise die geseßlive Regelung wesentli verzögert wird und daß eine derartige eingevende Erwägung eine längere Zeit braucht. Das versteht sih von selbst. Aver, metne Herren, bei einer Frage. welche von solcher Bedeutung ist, und bei der jeder Mißgriff von allerschwerwiegenditen Folgen sein kann, ist man verpflichtet, mit der größten Vorsicht vorzugehen und ih glaube, ih fann ein Wort, welces ja leider sehr vielfah benußt wird zum Dedckmantel für Unentsch{lessenheit und Faulbeit, hier mit vollem Recht, und obne mi einem solchen Vorwurf auszuseßen, anwenden: chi va piano, Ya SAnO.

_ nur etwa 1850 eine gewäblce Gemeindevertretung haben.

Dem Abg. Zelle gegenüber bemerkte der Minister des Innern Herrfurth:

Zunätbst die Erklärung, warum die Antwort auf die Resolution in der entsprechenden Nachweisung eine Erwähnung nit erbalten.

Es wird, wie den Herren ja bekannt ist, nur wegen soler Be- \{!üfse des Hauses, welche sih auf besondere Beschwerdepunkte, Pe- titionen u. #. w_ beziehen, eine Nadweisung aufgestellt und in dieser eine Antwort ertheilt; wenn es sich dagegen um zu erlassende Geseye handelt, oder um Angelegenheiten, die sich nur auf die Positionen des Etats beziehen, so wird eine Beantwortung des Be'chlusses des Hauses in der Nahreisurg niht in Aussicht genommen. Im Uebrigen hat der von dem Hrn. Abg. Zelle erwähnte Beschluß des Haufes zu sehr eingehenden Erörterungen Veranlafsung gegeben, über welhe die erforderten BVerichie indessen noch nit vorliegen. Hätten wir es nur zu 1hun mit den Stadt- gemeinden, so würde sih die Sache sofort regeln; dann hâtte es fein Bedenken, eine Erhöhung der Huadesteuer cintreten zu laffen. Fch erkenne an, daß mit Rücksicht auf das allgemeine Sinken des Geldwerthes und da die Hundesteuer wesentli, soweit sie finanziell überhaupt in Frage kommt, den Charakter einer Luxusfteuer hat, diese Erhöhung eintreten könnte. Aber bezügli der Landgemein- den sind die allerverschiedenartigften Wünsche geltend ge- mat, namentli ist angeregt worden, ob und inwieweit nidt bloß die einzelnen Gemeinden darüber zu beschließen baben, daß eine Hundesteuer cingeführt werden solle, und ob die Steuer nicht als Kreissteuer erhoben, bezw. ob die Gemeinden nit darch die Kceisvertretung genöthigt toerden follten, eine Be- steuerang der Hunde eintreten zu lassen. Nah dieser Rietung hin fiaden Erörterungen noch statt; sie sind bisher noch nit zum Ab- {luß gekommen.

Auf die Beshwerde des Abg. von Czarlinski erwiderte

der Minister des Jnnern Herrfurth:

Was zunächst den Eingang der Rede des Hrn. Abg. von Czar- linsfi anbelangt, die Behauptung, daß meine Stellung zu den An- forderungen des polnishen Abgeordneten sich prinzipiell ge- ändert babe, so muß ih dies durhaus in Abrede stellen. Es ist zunächst die von ihm angeführte Verfügung, die bekannte Ver- fügung an die Standesämter nach wie vor heute in Kraft; eine Ab- änderung bezüglih der Schreibung der Personennamen ift in keiner Weise erfolgt. :

Was die Schreibung der Ortsnamen anbelangt, so hat der Abg. von Czarlinski im vorigen Jahre bier drei Fälle zur Sprache

ebracht. Das war der Fall der Orischaft Kiontschin, der Ortschaft Miecolawice und der Ortschaft Redgosek. i f

Nun, meine Herren, bie drei Fälle sind în folgerder Weise zur Erledigung gelangt. Die Beschwerde, betreffend die Sreibweise der Ortschaft Kiontschin, ist durch die von dem Abg. von Czarlinéki an- geführte Verfügung zurückgewiesen. Die Beschwerde wegen der Schrei- bung der Ortschaft Mierolawice ist sür begründet erahtet und in Bc- treff des dritten falle ist die Sache zur ressortmäßigen Entfeidung an den Ober-Präsidenten der Provinz Posen abzegeben. Sie sehen aus der vershiedenartigen Behandlung dieser Fálle, daß irgend eine prinzipielle Aenderung in dieser Frage nicht eingetreten ist.

Was den von dem Abg. von Czarlinski angeführten Fall der -Schreibung Kiontscbin anlangt, muß ich Ihnen lagen, daß ih auch be ciner nochmaligen eingehenden Prüfung nit zu einem anderen Najultat habe gelangen können, daß eine Ortschaft in einer Weise gesck&rieben werden soll, welche es möglich mat, für den öffentlihen Verkehr úberZzaupt die Ocdnung aufrecht zu erhalten, nämli so, daß man weiß, welche Ortschaft damit gemeint ist. Nun wird aber diese Ort- 10s Kionischin wie sie au8ge\prochen wird id weiß nicht, ob meine

uésprache rictig ¿ist nah der polnischen Swreibweise geschrieben Kigczyn und zwar mit einem Schriftzeichen, welches wir im Deutschen überhaupt nicht haben, einem a mit einer Cedille, welches mit 1ol-

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- genden 4; wie mir gesagt wird, in der angegebenen Weise ausge-

rohen wird, sodaß die Shreibung jetzt ist Kiontschin, wie sie sich 1 De ten Sh ien bereits seit N ugtres Zeit - vorgefunden hat und wie sie auch im: Gebrau des Volkes sich mehrfach da hat.

Die Grundsäße für die Aenderung der Ortsnamen nd unvyver- ändert geblieben: eine vollftändige Aenderung des Ortsna wens kann, wenn niht eben die Nothwendigkeit vorliegt, ein in der deutschen Sprache überhaupt nit exiftirendes Schriftzeihen tur ein seincm Laut entsprechendes zu erjezen, nur mit Allerböhster Geneß migung auf Antrag der eiligten erfolgen, also bei den Gutöbezir'en des Gutsbesitzers und bei Landgemeinden der Gemeindevertretung. Im übrigen find bei zwetfelhaften Fällen, namenilich wo eine ver

F

R e siatifindet, die Behörden berechiigt, eine eststellung des Namens eintreten zu lassen und stch dabei aub der- jenigen Bezeichnung zu bedienen, die der sprahbildende Prozeß der

tsen Sprache allmählich herbeigeführt hat. Meine Hzrren, wenn Sie darauf hinausgehen wollen, daß Sie sagen: es müssen tie Strcibweisen beibehalten werden, wie sie fic in alten Urkun- ten, Grundbüchern u. #. w. vorfindea, dana würden Sie die ganze Landkarte von Posen umändern müssen; dann würde Posen nicht mehr Posen heißen, sondern Poznán, kein Mensch würde wifsen, was Samter is nad polnishem Namen, welcher Szamotuly heift; Bentschen hat einen Namen, den i allenfalls buchstabiren, aber nit aus\prehen kann, er hat überhaupt gar keine Achnlichkeit mit dem 3amen Bentsben. Diesen sprachbildenden Prozeß können Sie nicht aufhalten und wenn die preußishe Staateregierung în der Ueberzeugung, daß die Provinz Posen ein Theil der preußiichen Monarchie und des Deutschen Reis ift, ihrerseits eine Begünstigung dieses sprabildenden Prozesses in den gegebenen geseßlichen Grenzen eintreten läßt, so finde ih das nur durchaus in der Vrdnung. Was die Kreisblätter anlangt, so kann ih dem Hrn. Aba. von Czarlinsfi nur sagen: er mag sich bezügli der amtlichen Kreisblätter lediglih auf dasjenige beschränfen, was in denselben amtlich mit- getbeilt wird; dafür sind die Behörden verantwortlich, und dafür werden sie die Verantwortung zu übernebmen gern bereit fein. Für dasjenige, was aber als niht amtlicher Inhalt dieser Kreis- blätter abgedruckt wird, mag {ih der Herr Abgeordnete an die be- treffenden Redaktionen wenden; denn dafür sind lediglich die Redak- tionen, nicht aber der Landrath, nicht die Regierung, richt das Minxisterium verantwortlich. A /

Was endlich die von Hrn. Abg. von Czarlinski erwähnte Ausweisung

anlangt, so bemerke i, daß neue Auêweisungen überbaupt jeßt nit mebr haben veranlaßt zu werden brauchen, sondern daß es sich ledigli darum handelt, gegenüber den in früherer Zeit bereits Aus- gewiesenen, denen aber noch Fristen gestattet worden sind oder bei denen wegen der Uebernahme längere diplomatishe Verhandlungen haben gepflogen werden müssen, endli die bereits früber erthcilte Ausweisungsordre zur Durchführung zu bringen. Der Fall, den der E Abg. von Czarlinski nannte, ih glaube, der Name war

owalsfi, wurde mir dur einen Zeilungsausschniit bekannt, der in sebr Paas Weise darftellte, ein Mann, der lange Zeit ih glaube, seit 18 oder 20 Jahren in Preußen gewesen, fei jeßt ausgewiesen worden, er bakte keine Fristen erlangt, deswegen habe er sih das Leben ge: nommen. Meine Herren, ih habe nähere Ermittelungen über diesen Fall reranlaßt und dabei hat sich herausgestellt, daß die Ausweisung gegen den Mann bereits vor circa 24 Jahren verfügt war. Die Aus- weisung hat jedoch nit zur Ausführung kommen können, weil wegen der Uebernahme nach Rußland erft noch längere Verhandlungen \{webten und sodann, weil Kowalski immer wieder um neue Fristen einkam; diese Fristen waren ihm bewilligt, zuleßt bis zum 1. Januar; er ift dann wiederum um eine neue Frist cingekommen und die Er- tbeilung der Frist ist, glaube id, am 18. Dezember erfolgt, konnte allerdings erst am 21. oder 22. zur Aus- bändigung gebracht werden, nachdem Kowalski am Tage vorher seinem Leben ein Ende gemacht hatte. Ih glaube, Sie können also au in diefem Falle, wo die erbetene Frist bereits bewilligt worden war, nicht von einer inhumanen Ausführung einer bereits vor 24 Jahren erfolgten Verfügung reden.

Dem Abg. von Strombeck gegenüber bemerktz der Minister des Jnnern Herrfurth:

Der Hr. Abg. von Strombeck hat, wenn ih ihn recht verstanden habe, 6 versiedene Angelegenheiten zum Gegenstande feiner Erörte- rungen gemaht. Ih will versuchen, demselben auf alle diese 6 Punkte zu antworten. :

Was zunäthst die erste Beschwerde angebt, die Frage der Aus- führung der Baupolizeiordnung für den Regie- rungsbezirk Erfurt auf dem Eichsfelde, so hat er demselben Gegenstand bereits \chriftlich zur Sprae gebracht in einer Eingabe, welde an den Minister der öffentlichen Arbeiten und an mi gerichtet worden ift, und es ist ihm darauf vor einigen Tagen eine ausführliche \{riftlihe Antwort zu Tbeil geworden, die anscheinend noch nicht in seine Hände gelangt ift. Jh will also nur furz refapituliren, diese Mittheilung giebt die volle Antwort auf die Frage, die er beute an mi gerihtet. Zuerst auf die Frage, womit die verschiedene Behandlung in den Kreisen Scleusingen und Ziegenrück einerseits und dem Eichsfelde andererseits begründet sei? Vieje Verschiedenheit beruht darin, daß die Aufhebung oder Ab- änderung dieier Bezirkspolizeiverordnungen nur mit Zustimmung des Bezirksaus\{chusses erfolgen konnte, daß der Bezirksaueschuß es aber abgelehnt hat, diese Erleihterung für den ganzen Bezirk zu ertheilen, sondern ein Bedürfniß nur für die Kreise Ziegenrück und Shleusingen anerkannt, es aber abgelehnt hat, den eichéfeldishen Kreisen eine gleihe Rücktsiht zu Theil werden zu lassen. Es ift ferner in dieser \hriftliden Antwort näßer nachgewiesen, daß keines- wegs irgendwie in i#humaner und die Verbältnifse der Eingesesseäen nicht berücsichtigender Weise vorgegangen worden ist, sondern daß cs si blos darum gehandelt hat, eine offenbare Renitenz in 2 Ge: meinden zu brechen, daß aber im Großen und Ganzen mit sehr großer Nachsicht gerade in dieser Hinsicht verfahren worden ist.

Was den zweiten Purkt anlangt, die Frage der Kranken- kassen, so hat Hr von Stromkteck erklärt, taß er selter mangelhaft informirt sei; ih bin gar nicht informirt, und kann mir diese Information ebensowenig schaffen, wie in Bezug auf den dritten Punkt, die Webeshule, weil diese Fragen überhaupt nit zu meinem Ressort gehören.

Bezüglih der von ihm ¿zur Sprahe gebrachten Frage der Tbierquälerei wird, soviel ih weiß, überall, wo ein Bedur?- niß si kerau?gestellt hat, im Wege der Polizeiverordnung, nament- li binsihtlih der Hundefuhrwerke, vorgegangen. ;

Was die Verwendung von Kindern in gesundheits- gefährlihen Gewerben anlangt, so giebt einerseits die Gewerde- ordnung die Handhabe, aub dagegen vorzugehen, und anderer]ei!s findet die von Hrn. von Strombeck gewünschte scharfe pclizeilicbe Ko-trole namentli in der Richtung statt, ob die Kinder, welche solche Leute mit si führen, ihre eigenen sind oder von fremden Leuten zum Zwccke des Gewerbes irgendwie angenommen sind.

Endlich erkenne ib, was den leßten Punkt anlangt, mii dem

errn Vorredner vollkommen das Bedürfniß zu einer Regelung der

rage an, in welcher Weise die Bescheinigungen zu ertheilen eien, welche den Arbeitern es ermöglichen, möglicst bald in den Genuß der Vortheile zu treten, welche das Jnvaliditäts- und Altersversiherungsgeseß ihnen bietet. Die Verfügungen find vom Reichs-Versicherungsamt entworfen, den verschiedenen Ministerien im Ertwurfe zugegangen und werden, wie ih annehmen darf, n allerkürzester Zeit erlassen werden können. / 5

Ih kann nur hinzufügen, daß den Sen Gen- die der Hr. Ab- geordnete ausgesprochen bat, dabei in vollfter Weise Rechnung getra- gen wird, daß insbesondere als untere Verwaltungsbebörde für diese Bescheinigungen nit die Landräthe bezeihnet werden, |0n- dern die Gemeinde- und Ortspolizeibehörden mit diefen Bescheini- gungen beauftragt werden, sodaß für die Arbeiter nicht unnüße Wege entítehen, für die Landräthe niht unnüße Beläftigungen, fondern daß in der einfachften und bequemsten Weise diese Bescheinigungea besck@asst werden können.

Dem Abg. Bachem entgegnete der Minister des Jnnern

Herr furth: E

E Herren! Den Hrn. Abg. Bachem {eint sein Gedächtniß doch ein wenig verlassen zu haben, wenn er glaubt, daß wir im vorigen Jahre, wo wir ja stundenlang über den Bürgermeister Conrad uns unterhalten haben, im Wesentlichen Üter das Ret der politishen Gemeinde zum Gebrauch der Kirhenglocken bei der Beerdigung von Evangelishen verhandelt bätten. Nein, meine Herren, im vergangenen Jabre haben wir

über die Anschuldigungegesnrochen, welche gegen den Bürgermeister

Conrad erboben worden sind dahin, taß derselbe seine Z-chsch'Tden edeckt habe dur Kompensation mit Gemeindefordecungen, daß er meindegelder Jahre lang hinter sich behalten und die- selben erst abgeliefert bate, nachdem er von dem Gemei de- emvfänzer dazu gedrängt wurde. Meine Herren, ich habe erklärt: dicse Angelcgenbheit des Büraermeisters Conrad ift definitiv zu Ende gebraht dur das itär- ehrengerihtlie Erkenntniß, welches ibn von diesen Anschuldigungen freigeiprochen hat, und am Ende der Diskusfion, welche von zwei Plenarb: rathungen den besten Theil weggenommen hat, hat, w-nn id nidt irre, der Hr. Abg. Berger die Erkiärung abgegeben: dieses bobe Haus habe seibît als Ebrengeriht die Freispre@ung des Bürger- meisters ratibabirt. Die ganze Frage wegen der Rheinbrohler Glocken ift dazei nur bist ris, nur als Inüden:punkt er väbnt worden, und der Hr. Abg. Bachem bat ebenso e:klärt, wie dies meinerseits ge- seben ist : dieje Frage befindet ih im Prozeß, warten wir das Erkenntniß ab! / Nun, meine Herren, nebme ih gar keinen Anftand, anzuerkennen: das gerichtliche Erfcnntniß ift jeßt ergangen; ih nehme au an, wenn es noch nibt die Recbtékraft erlangt fat. wird es dieselte bald er- halten, und dieses Erkcnntniß ift in der Hauptfrage, in Betreff des Rechtes der politiscen Gemeinde zur Mitgebrauÿ der Elocken bet der Beerdigung von Evangelischen, zum Nattheil der bürgerlichen Gemeirde auégefallen; die Kirchengemeinde bat ein obsiegen- das Erkenntniß erstritten. Ich rebme deshalb auth keinen Anstand, zu erfiären, daß die Verwaltungcsbeßörden sh in einem Rechts- irrthum befunden baben, wenn sie geglaubt haben, dur polizeiliche Maßregeln diefes angebliche Ret der Gemeinde in diesem Spezialfall zur Durchführung bringen “zu köpnep,. ebenso wie die Kirhengemeinde ß in einem Rectsirrthum befunden hat, als sie behauptete, daß uberhaupt der bürgerlihen Gemeinde irgend ein Mitgebrauch der Giodcken zu Zwecken der bürgerlichen Gemeinde nicht zustehe.

Meine Herrey, daß damals mit polizeilidez Maßregeln vor- gegangen wurde, ist, wie ih fage, aus einem Rechtsirrtkum, aber aus einem erklärlichen und verzeitli@en Rechtsicrthum, geschehen; denn cs ft diese Kirche größtentheils auf einem Grundstück der politischen Gemcinde mit dem Gelde der politis&en Gemeinde gebaut, und es war allerdings die Annahme, daß die pclitisGe Gemeinde vielleibt sogar Eigenthümerin, jedenfalls aber im Besitz des Mitbenußzungsrechts war, eine durchaus entshuldbare und verzeih: ice.

Im Uebrigen hat ja nun der Heir Abgeordnete Bahem als Maudatar der Gemeinde dier die Sale zur Sprade gebracht und bebauptet, daß eine Verpflihtung der Kommunalaufsihtëbehörde vorläge, der politischen Gemeinde die Kosten zu erstatten, die ihr aus diesem Prozeß erwachsen find. Meine Herren, ih glaube nit, daß er in tiefer Beziebung ein Mandat der bürgerlithen Gemeinde erhalten hat. Die politishe Gemeinde in Rheinbrobl Hat ibrerseits einen anderen wohl etwas zweckmäßigeren Weg eingeschlagenz fie hat sid nämlich direkt an den Minister acwendet und cizen Bescheid Z bcfommen, von dem i annebme, daß sie sich mit demselben wobl iu friedengestellt fühlt. Bn dieser Eingabe, die ih mitgebrabt habe" denn ih konnte mir denken, daß die SaHe bier zur Sprache: gt bracht würde —, findet fich ein Passus, den zu verlesen ich um die 2 Erlaubniß bitten möhte. Darin heißt es: E e

Wir vernehmen nun aus den öffentliGen Büättern, daß Wan - diz Abit beat, die \ckon so oft im Hause der Abgeordnete - örterte Angelegenheit RoHmals daseibst zur Sprache zu bringen und dabei an Eo Excellenz das Verlangen auf Erstattung dée ents anen Prozeßkosten aus Staatsmitteln zu stellen. S

ir, es ist dec Gemeinderath unterzeinet

sind zwar im Zweifel darüber, ob man in der That in der ge- daten Weise die Angelegenheit nohmals im Hause der Abgeord- neten zu bebandeln gederkt; immerbin würden wir gegen dieses Vorgeben, déffen Laut:rkcit wir nit anzuerkennen vermögen, Ver- wabrung einlegen müssen, wenngleih auch wir cine öffentliche Bes \pre{ung der Angelegenheit nicht zu \cheuen brauchen

Meiae Herren, ih will glei, um mi gegen Misßverständnissc zu bewahren, ausdrüdlich erflären, daß ih veriönlih mich dieser Er klärung des Gemeinderaths nicht aushli:ße, und daß ih die An- nabme, die darin enthaiten ist, für niht zutreffend erachte. Ih möhte aber de darauf binweisen, daß man jeyt die S2cke ‘um- drebt, uud daß man das, was im vorigen Jahre als JIazidenzpunkt erwähnt werde- war, jeyt nun, was bistorish rihtig ist, was abec für die Debatte des vorigen Jahres absolut nicht zutrifft, als die Hauptsache binstellt, und daß man daraus vielleicht die Folgerung zieben wollte, daß aub die Angriffe gegen den Bürgermeister Conrad, die auf ganz anderen Gründen beruben, bereciigt _seien. Meine Herren, tas ist niht der Fall. Ich verstebe cs rollständig und uh will daraus dem Hrn. Abg. Bachem uicht widersprechen, wenn“LC“*. jeßt bei dem Ertônen der Rheinbrohler Glodten, die für die Be-- erdigung von Evanzelishen nunmehr für Ummer stummt sind, mit einer gewissen Befriedigung Nheiabrobler Glödli baben ein {nes Geläut, Jh könnte 1h

meisters Feinde sind freuzbrave Leu!’. S Es

id

Literatur.

Ein illustrictes Modejournal ersien Ranges, eine praktif@ë.- A iTustricte Frauenzeitung weitgehendsten Inhalts und ein illustrittes. Unterhaltungsblatt vornehmsten Stils vereinigt in ih die soëbez

eriienene neueste Nummec von „Mode und Haus*. eMode nd Haus“, welche in der Separatbeilage sür die Kleinen, in der illustrirten ‘Kinderwelt*, ibren universellen Charakter des Weiteren bethätigt, ann noch sür das angefangene Quartal dur sämmtlihe Bucbhand- l2¿naen und Postanstalten zu 1 resp. zu 1.6 25 S (leßterer Prei3 iGiießt die Lieferung von werthvoüen foloricten Modebildern ein) bezogen werden. Die bereits erschienenen Nummern liefert die Verlags- -.: * bandlung auf Wuns unentgeltlid na. E

Die “ir. 8 der „Gefiederten Welt“, Zeitschrift für - NReaclliebkaber, Züchter und -Händler, herausgegeben von Dr. Karl ; - Ruß (Magdeburg, Crect'ihe Verlagsbuhhandlung, R. u. M. Kretshck maxn), enthält: Meine Züchtungen und Erfahrungen in der Vogel» stube (Fortseßung). Ornitbologishe Mittheitungen aus Süd» Rußland (Fortseßung). Von meinen Vögeln. Unsere Sump?- vôgel in dec Vogelstubz (Fortseßung). Aus Haus, Hof, Feld und Wald. Brieilihe Mittheilungen. Aus den Vereinen: Berliz, „Ornis"; Augsburg.

Nr. 7 voa „Schorer's Familieablatt® hat folgenden JIrnbhalt : Glückbelaten, Erzählung von F. von Kapff-Efsenther (s. Fortsehung). Ein Freudentag in Barcelona. Von Wilbelm Nd“ srler. Zu dem Kunsiblait Einzug des Fürsten Karl von Viana ia Barcelona (1461). Nah dem Gemälde von Ramon Tutqucts. Zur Frage der Sonntagsruhe. Stimmen aus unserem Lesertceite. Die anatolishe Eiscubahn. Mit Vignette. Nicht die Reéte. Roman von Hans Bertram (1. Fort}cßung). Kunstblätter: Einzug des Fürsten Karl von Viana in Barcelona (1461). Nach dem Gemälde von Ramon Tusquets. Monatsbilder aus der guten alten Zeit V, Februar. Voa H. Lefler. Holländische Landschaft. Bon H. W. Medsdag. Josef 11. Nach einem Schabkunitblatt von Jahre 1777, 2. Blatt : Winter in Meran. Mit einer Oriuinalzcih- nung von W. Gause. Winter in Meran. Zu dem gleihaamigen Bilde. Aus der Fcauenwelt : Sute Gedanken. Praktische Wine. Hâusliche Kunitfertigkeit. Neue Rezepte. Kindecftube. 3. Blatt: Aus der Frauenwelt : Kinderhumor. Grapbßologischer Brieskasten. Denkübungen und Lösungen, Huntoristisches: Eince kann nit alles, Mit einer OriginalzeiGnung voz Aug. Mandlick. Militärisher Rathgeber.

auscuft: s: L A

aber niét folgen wenn ec etwa fortfahren wollte: Und des Bürgtis R