1869 / 249 p. 9 (Königlich Preußischer Staats-Anzeiger) scan diff

4104

Bemerkungen. Die Angaben der Einnahmen des laufenden Monats (Col. 3) sind mit Vorbehalt näherer Feststellung, die Angaben für den entsprechenden Monat des verflossenen Jahres (Col. 8) nach Maßgabe der inzwischen erfolgten Gesisezungen geschehen.

1) ad Col. 21. Die Baulänge beträgt 8,614 Meilen. Qum Be- triebe gehört noch die Zweigbahn nah dem Saar afen bei Malstatt, 0,30 Meilen lang, und eine gepachtete, in Frankreich gerne Streke von 0,64 Meilen, so daß die etriebslänge 19,554 Meilen beträgt.

2) Die Strecke »Northeim-Herzberg« , 3,70 Meilen lang, ist am 1. Dezember v. J. und die Strecke »Herzberg-Tettenborn«, 2,2 Meilen lang, am 1. August d. J. eröffnet.

i e Die Strecke »Wächtersbah-Steinau«, 1,8 Meilen lang, so wie die Strecke »Fulda-Neuhof«, 1,8 Meilen lang, ist am 1. Juli v. J. und die Strecke »Steinau-Neuhof, 3,9 Mln. lang, am 15. Dez. v. I. eröffnet.

S), V u, 2 Diese Angaben enthalten nur den preuß. Antheil.

7) Am8. April v. J. ist die Strecke »Opladen-Mühlheim«, 1,56 M. lang, am 1. September v. J. die Zweigbahn »Rittershauscn-Rem- scheid« , 2,32 M. lang, und am L. Dezember v. J. die Strecke »Mülheim - Bergisch - Gladbach«e, 1,24 Meilen [l2ng, eröffnet. Jn der Gesammtlänge ist die gepachtete Strecke »Haueda-Warburg«, 0762 M. lang, mit enthalten. :

8) Die Strecke »Rastenburg-Lyck« , 10,50 Meilen lan , ist am 8. Dezbr. v. J. eröffnet. ad Col. 29. Inkl. 4,500,000 Thlr. Arioritära Stammatktien.

9) Von der »Rechten- Oderufer -Bahn« ist am 15. Novbr. v. A

die Thalstrecke »yVo owsfka-Breslau«, 16,92 M. lang, und am 286. Juli d. J. die Strecke » arnowiß-Beuthen«, 1,9 Meilen lang, eröffnet.

19) Die Strecke »Cöslin-Stolp« der Hinterpommerschen Bahn ift am 1. Juli d. J. eröffnet.

11) Die Strecke » Nordhausen - Tettenborn «, 3/3 Meilen lang, is am fs ARORE d. J. eröffnet, und dem Betriebe der Hauptbahn hin- zugesebt.

2) ad Col, 11 u. 12. Inkl. der Zweigbahn »Biendorf-Gerlebogk«.

18) Es Oen si die Betriebs-Einnahmen auf 49,14 M., näm- lich auch auf die erpactete Bahns\trete »Roßlau-ZJerüst«.

a Die » Nordhausen - Erfurter Eisenbahn«, 10,2 Meilen lang, ift am 17. August d. F. eröffnet. Ä 1) Die Strecke »yNeuß-Düren«, 6/55 Meilen im Betriebe lang, ist am 1. September d. J. eröffnet. ad Col, 28, 29 und 30. Einschließ- lich der Bahn »Call-Trier«.

16) Die Betrieb8seinnahme bezieht \sich auf die Strefe » ranffurt- Kehl und Frankfurt -Aschaffenburg« mit einer Gesammtlänge von 5/55 Meilen, dagegen das Anlagekapital auf 3,29 Meilen.

17) Die Zweigbahn »Rothenkru -Apenrade«, 0,91 M. lang, ist am 12. September v. J. dem Verkehr Übergeben. Durch Uebernahme der N Nerug-Schlesiwiger Zweigbahn stellt sih die Betriebslänge auf

135 Meilen.

Landtags- Angelegenheiten.

Berlin, 29. Oktober. Die Reden des Justiz - Ministers Dr. Leonhardt in der gestrigen Sißung des Hauses der Ab- geordneten hatten folgenden Wortlaut:

In der Diskussion über den Geschentwurf in Betreff der Volljährigkeit, nah dem Abgeordneten Gottschewski;:

_Meine Herren! Ih halte mich verpflichtet, Über die allge- meinen Gesichtspunkte mich zu äußern, aus welchen der Herr Abge- ordnete für Elbing die Geseßvorlage angegriffen hat. Der Herr Ab- geordnete für Elbing hat bei seinen Argumentationen zur Grundlage genommen die Erwägung, daß die alten Provinzen mit Überwviegen- der Seelenzahl und Quadratmeilenzahl ein vorzug8weises Recht hatten, berücksichtigt zu sein bei Reformen der Geseßgebung; namentlich in Bezug auf die hier uns beschäftigende Frage. Meine Herren , dieser Standpunkt mochte zu einer gewissen Zeit der rechte sein.

_ Diese Zeit ist dabin, ist dahin seit dem Jahre 1866 und tehrt nie wieder. Meine Herren, die preußische gebung ist jeßt hinge- wiesen auf die Geschichte der Geseßgebung der großen Kulturstaaten und insonderheit Deutschlands. Sie kann den Partikularismus nach fciner Seite dulden, weder den Partikularismus der im Jahre 1866 einverleibten, noch der altländischen Provinzen. Fon diesem allgemeinen Standpunkte aus, den man einnimmt, wenn man die Gesecßgebung der Kulturstaaten Europas und Deutschlands betrahtet, meine Herren, is es eine unums- gängliche Nothwendigkeit daß, „wenn man überhaupt Einheit des Rechtes will, in Betreff des kritischen Zeitpunktes der Volljährig- keit, man auf nichts greifen kann als auf das 21. Jahr. Das deutsche Recht, das alte deutsche Recht kommt nicht insofern in Betracht , als es cinmal bestand in Deutschland, sondern insofern, als es im größ. ten Theil Deutschlands abgcschaft war und nun im Laufe der Zeit fih wieder Bahn gebrochen hat, indem es nit allein in einer großen Reihe von Staaten Deutschlands gilt, sondern auch in den Deutsch- land umgebendea Staaten. Der Herr Abg. von Elbing hat unter solchen Staaten auch noch Rußland genannt. Meine Herren, man sagt , und der leßte Herr Abgeordnete hat das auch bemerkt, die Motive wären in Widerspruch. Ih finde das gar nit, finde überhaupt, daß sehr mit Unrecht den Motiven Vorwürfe ge- macht werden: denn die Motive sind nicht dazu da, eine Geseßgebung zu fo:nmentiren. Man sagt, es wáre ja in den Motiven ein Wider-

daß mit dem 21. Jahre die Volljährigkeit eintritt ihr aber erst mit 24 Jahren volljäßrig ale j daß diese Motive auh Plaß greifen würden Aber das Land Hadeln is} ja ein vielleiht viele H

jebt

Dreilih ist es rig en für das Land Hades! ganz fleiner Bezirk, von Wel

auses früher nie etwas gehör n

er mir nur Einen Mangel zu haben, und dicser Mangel h ; darin, daß er in so wenigen Worten fünf Überflüsfige enthält, näml die orte: »im ganzen Bereiche dieses Geseßes« in dem 1

Wenn der Antrag gestellt werden sollte, würde ich gern damit einverstanden sein. Im Uebrigen aber, mein Herren, scheinen mir die Bedenken doch recht weit zu gehen. t derte ers finden nit rechten Beifall, insonderheit nit von Seiten

e en.

__ Meine Herren, die Juristen sollten eigentli recht dankbar daf sein, wenn ihnen so kurze Geseße vorgelegt werden. Denn es n ja dadurch das Wr A gesekgebenden Gewalt

ie na

diese Worte zu streichen, j

allgemeinen Grundsäßen Recht sprechen esagt, di berger, der d N - , , e U i hier in Preußen aufhält, großjährig ist, oder umgekehrt, ob ein Preuß! der oe sh E Le petn Orte g mit dem 21. Jahr e 1ährigfeit nicht erreicht. giaude, diese Bedenken sind | n n le Der j Kl dia! fommen. u foi er Anirag Übrigens angenommen wird oder nich{t das der Eibe "iReG eins heraus. s V ‘omni , ann, meine Herren, hat man gesagt, es müßten doch no , schriften getroffen werden über die Bollfähtigkeits Ce f tadt: 4 D ist ein Punkt, der mit diesem Geseße gar nit im engern Zisämma hange steht. Jch hoffe, daß der geehrte Herr Abgeordnete , wel den Antrag gestellt hat, si bewogen finden wird, ihn zurückzunehmen, wenn ich erkläre, daß in der nächsten Sivung dem Hohen Hause ein für sämmtliche Landestheile bestimmte Bormundschaftsordnung Vor gelegt werden wird. Jn dieser wird der richtige Ort zu finden sein um die Sache zu erledigen. Ferner is eine transitorische nang vermißt. nämlich folgenden Zweifel: wenn Jemand ¿3- B. im Lande Hadel mit 18 Jahren yolljährig geworden - ist und befindet \ich jeßt in zwanzigsten Jahre, wird der Mann wieder minderjährig 2 Meine Herren! Es is ewiß mögli, daß spiße Juristen ju solchen Kontroversen sich versteigen; ih glaube aber wirklich ; daj ver verständige Sinn sagen wird : das kann nit zweifelhaft sein, daj ine der Gesebgebung nicht wieder minderjährig wird. Sodann, meine Herren, hat man die Frage erwogen, wie es sig verhalte wenn Testamente oder Ä

Man mati

diese F

herau®gestrichen, weil wir für gut befunde ilti Erwägung der Sache, daß eine solche Bestimmung höchst bedenklió eli, und weil man mit gutem Grunde annehmen konnte, daß di: ichter nach Verschiedenheit der LTâlle auch das Richtige erkennn

wvürdenck» Der Entwurf hatte früher noch eine andere Bestim

mung: er sollte auch den Punkt regeln, ob ein minderjährig Mann oder cine minderjährige Frau, wenn fie fich verheirathen , di Rechte. der Volljährigfkeit haben sollten oder nicht. Man hat aud diesen Punkt, der gar nit in das Geseg gehört, herausgeschoben; in ähnlicher Nichtung siebt jeßt der Herr Abg. Lasker einen Antrag hinein. Dieser betrifft namlich die Frage der Wirkung der Volljährig- keit in Betreff der väterlihen Gewalt. Meine Herren! Diese be‘ den leßten Punkte und mehrere andere sind ganz außerordentlich wi tige Fragen , welche von der Regierung geprüft werden sollen und dic ihrer Erledigung entgegensehen werden 5 insotveit sie nicht in den Vormundschaftsgeseße zur Erledigung kommen sollten. Ich deshalb den Hrn. Abg. Lasker bitten, daß er diesen Antrag zurück1ó Wenn an Stelle des 1. April der 1. Júli 1870 gefeßt werden

auch nicht.

Nach dem Abgeordneten Windthorst (Meppen) :

Daß der Herr Abgeordnete von Meppen sich auf dem gleichen Stand punkte bewegen würde, wie der Herr Abgeordnete von Elbing, wal mir weiter nicht zweifelhaft, und daß er fortgeseßt Schwierigkeiten und Hindernisse dem Geseßentwurfe bereitet, ist auch erflärlih. Jn welchem Zusammenhange steht denn die privatrechtliche Volljährigkeit mit det sogenannten, wenn 1ch sie so nennen darf, politischen Großjährigfeit! In gar feinem Zusammenhang. Ein solcher Zusammenhang bestand weder im römischen Rechte, noch besteht er in den neueren Geseh! gebungen. Der Herr Abgeordnete hat behauptet, Breußen sei auch cin Kulturstaat. Es scheint beinahe so, als wenn er damit habe sagen wollen, ih hätte etwas Entgegengesebtes behauptet. Natürlich habe ih das nicht gethan, habe vielmehr gesprochen von derx Geschichte det} Geseßgebung in den großen Kulturstaaten, ins8besondere Deutschlandß das is} ganz etwas Ánderes. Sachlich bemerkt nun der Herr Abge ordnete von Meppen, man hâtte mit dem 21. Jahre nicht die erfor} derliche Charafkterfestigfeit. Ich frage agegen, hat man sic denn mi! dem 24. Jahre, wenn man sie mit dem 21. nicht hat? Wenn mat

pru; man habe zuerst gesagt, es sei unthunlih in den großen Provinzen, wo bislang das 21. Jahr gilt, den Volljährigkeitstcrmin zurüzuschrauben auf das 24. Jahr. Meine Herren ; das wird Jedermann anerkennen. - Fragen Sie nur einmal, was würde die Rheinprovinz, was würden die Elbherzogthümer dazu sagen, wenn man „plöplih" erklären wollte: Euer Recht soll abgeschafft sein , ihr habt euch ganz wohl dabei befunden, |

auf einzelne Fälle sieht man hat vielleicht einen unnüßen upillen— so fann man si leicht Schwierigkeiten machen und T diet Mann ist mit dem 21. Jahre noch nicht so weit , es wäre scht qut, wenn der bis zum 24. Jahre unter Vor mundschaft stände! Wird er denn aber mit 24 Jahren carakterfest sein? Und dann meine Herren, wie erklärt es fich denn, daß man in den großen Ot bieten, wo das 21. Jahr seit vielen langen Jahren als Großjährig

weite Beilage

gegen die Ric

Person, welche einmal volljährig geworden ist, plößlich im Wege |

soll, so kann ih Nichts dagegen einwenden, Für nöthig halte ih da

4105

- Zweite Beilage zum Königlich M 249.

feits8termin bestanden hat , das aus dem Mangel der Charakterfestig- feit entnommene Bedenken nicht gehegt hat? Hätte ma dort gefun- den, daß Niemand oder nur Wenige mit dem 21\ten Jahre - charakter- fest wären, sollte man da nicht darauf gesonnen haben, einen weiteren Volljährigkeitstermin zu wählen? Oder will der Herr Abg. Windthorst etwa behaupten, daß die Charakterfestigkeit in dem Gebiete des Code civile natürlicher sei oder mehr angezeigt wäre, wie in dem deutschen Gebiete? Jch glaube nicht, daß er das thun wird. Er sagt dann, die Rômer ätten auch die Zeit der Volljährigkeit auf 25 Jahre gesebßt, und was bei den ömern richtig gewesen wäre, sei auch wohl hier rihtig. Die Sache verhält sich jedoch nicht so. Die Tutel , die Vormundschaft, endigte bei den Römern mit dem 14. beziehungsweise 12. Jahre. Dieses war dasjenige Alter, welches für die Privatrehtsfähigfkeit eines Rs- mers die entscheidende Bedeutung hatte, damit war Jeder handlungs- fähig, er hatte testamenti factio und fonnte eine Ehe eingehen. Später hat man Ausnahmen von diesem Grundsaze zugelassen, man hat verlangt , daß für gewisse Rechtsgeschäfte minderjähriger Personen Kuratoren zugezogen werden; bei den Römern bestand eine tutela und eine ganz anders geartete cura; ersi in Deutschland ist man dahin gekommen , beides zusammenzuwerfen und die Vor- mundshaft auszudehnen bis zum 25. Jahre. Dex Herr Abgeord- nete spriht ferner davon, daß wohlerworbene Rechte gefährdet wären. Die sind gar nicht gefährdet. Wo wohlerworbene ‘Rechte in R sind, werden die Gerichte sie anerkennen. Dann hat der Herr Abgeordnete a hingewiesen, wie wünschenswerth es ge- wesen wäre, den Provinzial andschaften Gehör zu geben. Jch glaube nicht, daß es in der Monarchie üblich ist, die Provinziallandtage bei anz allgemeinen Geseßen zu gutachtlichen Aeußerungen aufzufordern. nsonderheit is der Herr Abgeordnete besorgt für Hannover ; meine Erfahrungen sind gerade entgegengeseßte. Es war bereits unter han- noverscher Herrschaft, um die große Zwiespältigkeit in den kritischen ahren zu vermeiden, die Absicht, das 21. Jahr zum allgemeinen olljährigfeitstermine zu erheben. Darüber sind Berichte gefordert, und mir is nichts davon bekannt geworden, daß jene Absicht zu er- heblichen Zweifeln geführt hätte.

Ueber den Antrag des Abgeordneten Dr. Eberty, be- treffend die Kompetenz der Schwurgerichte für politische Ver- brechen u. st. w., nah dem Abgeordneten Dr. Eberty:

Meine Herren! Gestatten Sie mir, daß ich sofort zu dem Antrag Stellung nehme, und zwar gegen den Antrag. J lasse ganz dahin- gee fin, ob der Jnhalt des Antrages ganz oder theilweise vom egislativen Standpunkte aus sich empfiehlt oder nicht. Jch erkläre mich aus dem ganz einfachen Grunde gegen den Antrag, weil ih es nicht für zurässige oder, wenn Sie lieber wollen, aus politischen Grün- den in hohem Grade für bedenklich erachte, daß die Landesgeseßgebung vorgeht in dieser Rechtsmaterie. Zu dieser Erklärung bestimmt mi selbstverständlih die Rücksicht auf die Reichsgeseßgebung, die wahre Achtung vor der Reichsgesebgebung, welche sih nicht dur bloße Worte, sondern durch Thaten bekundet, Die Reichsgeseßgebung muß noth- wendig freie Bewegung haben. Man bereitet aber der Reichsgeseh- ebung Hemmnisse und Schwierigkeiten, wenn man ihr Präjudize afft: und je mächtiger ein Staat, je wichtiger die Rechtsmaterie ist, in welcher derartige Präjudize geschaffen werden, um \o mehr ist die freie Bewegung der Reich8gesebgebung gefährdet. Meines geringen Erachtens muß in diesem Punkte, wie die Königlich preußische Regie- rung, so auch die preußische Landesvertretung den Regierungen der übrigen Bundesfürsten und den Übrigen a M Me mgen als Muster vorleuchten. Meine Herren, ich behaupte gar nit, daß die Landesgeseßgebung in einer Rechtsmaterie, welche zur Kompetenz der eichögesepgebung gehöri, gehindert wäre, vorzugehen. Unbedingt is das nicht der Fall, es kommt vielmehr Alles auf die Umstände an. In dieser Beziehung fommt aber in Betracht einerseits, die Aussihi auf ein Vorschreiten der Reichsgesebgebung bestimmt oder unbestimmt, nahe oder fern ist, und andererseits, ob für das Vorgehen der Landesgeseßgebung Überhaupt ein praktisches Bedürfniß spricht, oder etwa nur ein theoretisches, und dann, wenn man ein prafktishes Bedürfniß anerkennen will, wie stark dieses

raktishe Bedürfniß ist, ob es ein außerordentliches praktisches Be- ürfniß ist, d. h. ein solches, welches auf öffentlichen Interessen beruht. In allen diesen Richtungen liegen nun für den Antrag die Aussichten sehr ungünstig. Tch will einmal zugeben, obwohl das ja auch be- stritten werden fann , daß der Antrag einem praktischen Bedürfniß Rechnung trage, so wird man doch nit anerkennen können, daß der Antrag getragen werde durch ein außerordentliches prafktisches Interesse, welches , wenn nicht befriedigt , die Staatsinteressen gefährdet. Es kommt also nur darauf an , wie es denn mit der Ausficht auf das Vorschreiten der Reichsgeseßgebung steht. Nun isst soviel ganz gewiß, daß nach den ausdrücklichen Worten des Verfassungsgeseßes die Re- gelung des Strafverfahrens zur Kompetenz der Reichsgeseßgebung gehört. Auch ist Jhnen bekannt, meinc Herren, daß in der vorleßten Sibungsperiode der Reichstag beantragt hat , daß ausgearbeitet und vorgelegt würden Entwürfe eines Strafgeseßbuchs prozeßordnung. Es is Jhnen ferner bekannt, daß der Herr Bundeskanzler zuvörderst © den Entwurf eines Strafgeseßbuchs hat ausarbeiten lassen; es is Jhnen aber \{werlich bekannt, daß nach Beendigung der Bearbeitung des Entwurfs eines Straf- gesebbuches der Herr WundedlatUlee unterm 12. Juli d. J. den Justiz- inister gebeten hat, die Ausarbeitung zu veranlassen. Sofort nach dem Eingange dieses Schrei

und einer Straf-

einer H rasprozeß-Ordnung

ens find in

Sonnabend den 23. Oktober

Preußischen Staats - Anzeiger. 1869.

ne und seit

dieser Beziehung die erforderlichen Anordnungen mehreren Monaten wird bei der Ausarbeitung des Entwurfs der Strafprozeß - Ordnung eifrigsie Thätigkeit entfaltet J| Jhnen dieser leßte Umstand unbekannt gewesen ich muß das annehmen, denn ih habe denselben in öffentlihen Blättern weder erörtert, noch au nur angedeutet gefunden so fann ich mir denken, daß viele der Herren, welche den Antrag unterstügt haben, ihm jebt diese Unter- fellernf versagen werden, und daß vielleicht selbst der Herr Antrag- steller sih gemüßigt sieht, seinen Antrag zur Zeit zurüczuziehen.

Nach dem Abgeordneten Lent :

,_ch fann selbstverständlich eine solche Versicherung nit ertheilen, wie sie der Herr Abg. Lent als wünschenswerth hingestellt hat, denn wie der Entwurf ausfallen wird, fann ih in diesem Augenblicke nit wissen, zumal da der Entwurf, bevor er an den Reichstag gelangt, wahrscheinlich kommissarisch wird geprüft werden. Uebrigens siehe ih mit dem Herrn Abg. Lent nicht auf gleihem Standpunkte, denn ih wünsche gerade, daß die Reichsgeseßgebung frei sei, ih wünsche durch- aus nicht, daß irgend eine Landesvertretung Deutschlands dem Reichs- tage sage : \o sollst du es machen, oder: wir wünschen, daß es so ge- macht werde. Mit demselben Rechte wie Sie hier beschließen, was Ihnen erwünscht ist, fann eine andere Landesvertretung beschließen, was Ihnen nit erwünscht ist.

Wenn da von verschiedenen Seiten, von der einen Landesvertre- tung diese und von einer andern wieder andere Ansichten geltend ge- macht werden, so finde ih dadur die Reichsgeseßgebung in ihrer freien Bewegung gehindert. Uebrigens mache ih darauf noch aufmerf- sam, daß die Sache auf das S(leunigste gefördert werden wird; sie muß \{leunig gefördert werden aus dem einfahen Grunde, weil meines Erachtens die Civilprozeß-Ordnung, die Strafprozeß-Ordnung und die Gerichtsverfassung an einem und demselben Tage ins Leben treten müssen. Diese Geseße stehen im engsten Zusammenhange. Die Strafprozeß-Ordnung wirkt auf die Organisation in gewaltiger Weise ein. Jh mache nur aufmerksam auf die Frage, ob die Berufung in Streitigkeiten zugelassen werden soll. Je nachdem man die Frage be- u oder verneint , bekommt man eine ganz andere Organisation.

lso in dieser Beziehung brauchen Sie niht Noth zu haben. Die Strafprozeß-Ordnung wird eben so rasch gefördert werden , wie das Strafgeseßbuch. : i

Nach dem Abgeordneten Dr, Virchow:

Herr Präsident! Jch habe mich deutlich und flar genug über den Standpunkt ausgesprochen, den ih zu dem Antrage einnehme; in dieser Beziehung dem leßten Herrn Redner etwas zu erwiedern, halte ih nicht für nöthig; ih stehe zur Reich8geseßgebung auf einem ganz anderen Standpunkte als er.

Jh möchte mir nur einige furze, mehr persönliche Bemerkungen erlauben. Jch habe mi zur Sache überall nicht ausgesprochen, will das auch nit, und thue es aus prinzipiellen Gründen nit. Tch habe mit feinem Worte angedeutet; gegenüber dem Herrn Abge- ordneten Lent, daß ih gegen den Antrag wäre.

Nur einen Punkt berühre ich noch. Der Herr Abgeordnete Dr. Virchow hat bemerklich gemacht: die Sache würde wohl recht lange dauern; es scheine auh jeßt so mit der Bundes- fommission für das Strafgescßbuch zu gehen, die Kommission habe erst neulich aufgefordert , Material cinzuschicken. Es i} dieser Vorwurf oder Tadel so unbe ründet, wie nur irgend etwas sein kann. Die Kommission is erst seit dem 1. Oftober zusammengetreten, meine Nis Wenn die Kommission ih will hier nicht sagen, wie weit

le in ihren Arbeiten vorgerückt is jene Aufforderung erlassen hat, wie kann man der Kommission daraus einen Vorwurf machen? wie kann man vermuther.,, wenn man sih nur einigermaßen nah der Sache erkundigt, daß die Kommission nicht mit äußerstem Eifer vor- geht. Sie werden wohl finden, daß zur Zeit, wenn der Reichstag zu- jammenkommt , die Sache reif sein wird, Wenn aber die Kommis- sion gebeten hat, man möge ihr nur Material zusenden, man wolle das prüfen, und wenn sie das aus dem Grunde gethan hat, weil sie zu der Annahme Veranlassung hatte, daß Material zurückbehalten werde in dem Glauben , es könne nit mehr berücksichtigt werden, weil die Kommission die betreffende Materie {on erledigt habe #so, meine Herren, folgt daraus nur für die Kommission, daß fie eifrig bemüht is, verschiedene Stimmen zu bôren und danach ihr Urtheil zu berihtigen. Das verdient in keiner Weise einen Tadel oder auch nur die Andeutung eines Tadels.

E E E O R

Die Arbeiten der historischen Kommission bei der K. bayer. Akademie der Wissenschaften.

München. Jn den Tagen vom 29. September bis 4. Ofk- tober d. Js. hielt die historische Kommission ihre statutenmäßige Plenarversammlung. Vor 10 Jahren, am 29. September 1859, hatte die erste Plenarversammlung stattgefunden. Beim ersten diesjährigen Zusammentritt der Kommission stellte deshalb der Vorsißende, Geheimer Regierungs-Rath von Ranke aus Berlin, die in den vergangenen 10 Jahren vollendeten oder begonnenen Arbeiten derselben in ibrem On enDange unter einander dar. In dem leßtverflossenen Jahre ind, wie aus dem Geschäftsbericht des Sekretärs, des Professors von Giesebrecht in München, zu ersehen ist, von den dur die Kom- mission herausgegebenen Schriften in den Buchhandel gekommen : 1) Deutsche Reichstag8aften. Bd. 1. enthaltend: Deutsche Reichstags- aften unter K. Wenzel: Erste Abtheilung 1376—1387. Herausgegeben

914