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Der gestrige Cours der Halle-Sorau-
Siedaction und
Rendbdantur :
Schwieger.
Berlin, Druck und Verlag der Königlichen Geheimen Ober - Hofbuchdruderei
Folgen zwei Beilagen |
(R. v, Deer).
4557 Erste Beilage zum Königlich Vreußischen Staats - Anzeiger.
Landtags- Angelegenheiten. 18
Berlin, 26. November. Jn der gestrigen Sihung des auses der Abgeordneten ergriff der Minister des Innern, Lu Eulenburg} über den Antrag, betreffend die Ausgaben für die Königliche Polizeiverwaltung in 7 Städten, und die dazu gestellten Amendements nah dem Abg. von Hennig, das
Wort:
Meine Herren! Jn der Regel wird die Debatte über Polizei damit begonnen, daß man sagt, die Polizei sei ein nothwendiges Uebel. Jch bestreite dies. Die Polizei inkommo- dirt viele Leute, wenn sie sie nicht brauchen; aber wenn sie sie brauchen, rufen sie dieselbe do, und sind böse; wenn sie nicht gleich vorhanden is, Jch gebe daher diesen Grundsaß nicht zu; ein Uebel kann eintreten, wenn sie sich in Dinge mischt, die ste nichts angehen; aber im Allgemeinen beruhen die tadelnden Aeußerungen auf falschen Ansichten. Nun müßte ich vor allem das festzustellen suchen, daß nach preußischem Staatsreht, was auch dagegen gesagt werden mag, die Polizei ein Theil der Königlichen Exckutive, ein Ausfluß der Königlichen Gewalt is; und wenn man früher über diesen Begriff cinigermaßen zweifelhaft war, so stellen die Be- rathungen seit 1848 dies außer Zweifel, indem die geseßgebenden Faktoren diesen Begriff dahin haben festitellen wollen, daß die Polizei ein Ausfluß Königlicher Gewalt sei oder von der Königlichen (Hewalt übertragen merden könne. Die Verfassungsurkunde von 1848 sprach ausdrücklih aus, daß die Gemeinde das Recht der Verwaltung ein- hließlih der Ortspolizei habe; diese Beschränkung is aber ian Geseß von 1850 eliminirt worden, daraus geht doch hervor, daß man das Recht der Gemeinde dazu nicht auffommen lassen wollte; es kann also aicht gesagt werden, daß der Staat sich gewisse Eingriffe in die kom- munale Thätigkeit vorbehalten habe, sondern der Sinn des 6. 3. ift nur der, daß der Staat ih seïne unmittelbare Einwirkung auf die Polizei vorbehalten hat; ih bin weit davon entfernt und finde auch feine Spuren in der Verwaltung seit 1850, die darauf hindeuteten, daß der Staat mit großer Eifersucht von diesem Recht Gebrauch ge- macht hätte, ih finde niht, daß man à tout prix gesucht hätte, die Kosten der Polizei-Verwaltung in den einzelnen Städten im Land- tage bewilligt zu erhalten, ich finde nur, daß man da, wo die Polizei-Verwaltung früher bestand, sie auch hat bestehen lassen und nur eine oder die andere größere Stadt ist mit Königlicher Polizei- Verwaltung ausgestattet worden. Meine Herren, ih finde nun ein staatliches Interesse, namentlich nach der Mo hin begründet, daß ih cinen großen Werth darauf lege, cine fönigliche Polizei-Verwal- tung in jeder Provinz zu haben. Die Polizei einer großen Provin- zialstadt kommt leiht in die Lage, ihre Thätigkeit niht bloß auf den einzelnen Raum, auf den sie eigentlich begrenzt ist, auszudehnen, fon- dern wirksam zu sein für die ganze Provinz. Es muß nun der Staats- regierung doh daran gelegen sein / geschickte Polizeibeamte zu haben, die namentli \sich nicht in Dinge mischen, die sie nichts angehen), und die die unangenchmen Funktionen mit möglichster Schonung für das Publikum ausführen. Í Schule haben, der Staat aber hat feine Garautie dafür, daß für die Polizei solche Schulen errichtet werden, wenn er nicht selbs die Einrichtung in die Hand nimmt und das Unter- richtspersonal selbst freirt Jch gebe zu, daß in Städten geschite Polizeibeamte sein können, doch ih habe feine Garantien dafür, daß man sie so anleitet , wie ih es wünsche und fie haben muß. Wie oft kommt es auch nit vor, daß bei irgendwie hervorragenden Ver- brechen, die aber schr heimlich und verschlagen unternommen find, die Ortspolizeibchörde sich ganz außer Stande erklärt, dem Ursprung auf den Grund zu fommen. Ganze Regierungsbezirke werden oft durch Räuberbanden heimgesucht; durch Diebstähle erschreckt;, dur einzelne Personen, die man ihren Thaten nach fennt, beunruhigt, und keine Polizeiverwaltung ist im Stande, den Verbrechern auf die Spur zu kommen. Da fommen dann die Gesuche an mi: Schick…e uns mehrere gewandte Polizeikommissare her! Ja, wo soll ih dann das Personal hernehmen, wenn ih nit die Polizei in der Hand habe; wollte ih dann ein derartiges Ansinnen an die Städte stellen, mir Beamte vielleicht darauf eingehen, aber eben so gut auch | : die Beamten selbst. Jh muß in Königsberg, Cöln, Stettin 2c. cin Beamtenpersonal zu meiner Disposition haben, das ih jeden Augen- blick dahin \chicken fann, wo es nüßlich ist und von der Dringlichkeit erfordert wird. Somit lege ich en auf in jeder Provinz wenigstens in einer Stadt eine Königliche Polizei- verwaltung zu haben. Wenn dies in _Westfalen und Schleswig- Holstein noch nicht der Fall ist, so hat sich l Bedürfniß dafür herausgestellt. Jh komme zu cinem zweiten Punkt. Darüber ist kein Zweifel, wenn das Geseß dem Minister des Innern das Recht zuspricht, die P 8 einzurichten, er in Bezug auf das Geld dazu auf das Abgeordnetenhaus angewiesen ist. Es ist ja verfahren Wenn aber der Minister des
sagen: wir brauchen
auh nie anders worden.
Innern an Sie die Forderung um Geldmittel zur Einrichtung von | Yolizeiverwaltungen stellt, und Sie haben das Geld bewilligt, so wird |
dies ein stehender Posten, der eben nur von beiden Seiten aufgehoben werden kann. Sie wollen dies nun Jes! aufheben und wird dies ein Fingerzeig für mich sein, mich um diese Angelegenheit mehr zu küm- mern und zuzusehen, ob es möglich sei, Jhrem Wunsch nachzukom- men. Aber, meine Herren, zu sagen,
deshalb mußt du das Polizeiwesen zwischen heut und morgen aufgeben, da-
¿Freitag den 26. November
Für solche Beamte muß sie eben eine
1869.
zu haben Sie das Recht nicht. Tch glaube, ¡daß es nichtrichtig ist, an ei ne Be-
rehtigung des Staates soglei eine Verpflichtung zu knüpfen und daß eine Auslegung des Geseßes in diesem Sinne eine Auslegung ist, von der man wenigstens sagen fann, daß sie für den Staat äußerst unbe- quem ist. Jch habe früher, als die Prozesse anshwollen und als ich die Lawine von Polizeifosten vor mir sah, gesagt, es muß mit ciner Deklaration geholfen werden , ih habe aber nit die Absicht gchabt, dieselbe vorzubringen, ih fann mi aber prinzipaliter mit dem An- trag v. Brauchitsh einverstanden erklären. Was den Antrag des Abgeordneten Reichensperger betrifft, so glaube ich, daß eine Tren- nung der Polizei durch Geseß ein für alle Mal festzustellen, eine äußerst schlimme Sache sein würde Das stimmt in der Theorie schr gut, aber ich glaube, es is in der Praxis unausführbar. Nach den alten Begriffen von Polizei haben allerdings die Straßenreinigung; das Feuerlöshwesen u. a. Branchen, von der Sicherheitspolizei ge- trennt werden können, das isst auch in vielen Städten geschehen, aber doch immer mit bestimmter Berücksichtigung der Verhättnisse der einzelnen Städte. Nichts scheint mir aber unzuträglicher, als gewisse Branchen wirklicher Polizei derart zu trennen, daß man sagt, dies is Sache der Königlichen und dies Sache der städtischen Verroaltung. Denken Sie, es werden O vollständige Polizeiverwaltungen einge- richtet, die eine für die Sicherheitspolizei mit einem vollständig aus- gebildeten Personal, die andere für Sanitätspolizei 2c. und eine Un- zahl von Beamten, wovon die Hälfte ganz gut dasselbe leisten könnte; oder denken Sie, Sie behalten die eine Polizeiverwaltung bei, stellen aber zei Dirigenten an ihre Spiße, dann fommen wir in eine ebenso shlimme Lage, denn ein Körper von Polizeimannschaften kann nur von Einem Dirigenten befehligt werden. Diejenigen außer- preußischen Städte, in denen ein solches Verfahren besteht, haben nach von mir eingezogenen Erkundigungen unter diesen Verhältnissen sehr zu leiden. Jch bin deshalb der Ansicht, daß man cinfach die Frage stelle, unter welchen Bedingungen die Königliche Polizeiverwaltung irgendwo einzuführen sei oder nicht, daß man aber geseßlich nicht unter- scheide zwischen den Branchen, die den Städten, und denjenigen, die der Re- gierung überlassen werden, sondern ich bin dafür, daß man der Regierung überläßt, sih mit den einzeinen Städten zu einigen und der Regie- rung zutraut, daß sie hon der Kostenersparniß halber nicht woeiter ihre unmittelbare Einwirkung ausübt, als unbedingt nothwendig ist. Ich persönlich halte den Antrag Nr. 1 des Abg. Reichensperger füc rechtlich und praftisch unausführbar. Zu den andern Anträgen will ih mich nicht in der Art ablehnend aussprechen; wenn ih aber unter den Amendements zu wählen hätte, so würde ih Sie bitten, dem Amendement des Herrn v. Brauchitsch zuzustimmen, da ih dies für das einfachste halte und da dassclbe unserer bisherigen Geseßgebung am meisten entspricht. | :
— Nach dem Abg. Reichensperger nahm der Minister noch einmal das Wort:
Ich muß dem Abg. Reichensperger gegenüber wiederholt erklären, daß nach der Anschauung der Regierung das Haus nicht dazu berech- tigt ist, einen solchen Beschluß zu fassen, und daß man sich nicht da- mit trösten kann, die Sache werde sich auf die cine oder andere Weise machen lassen. Darum handelt es si hier niht. Es handelt sich hier um eine sehr wichtige Frage, die man nicht so im Detail ab-
zur Versügung zu slellen, so könnten diese |
prinzipaliter großen Werth darauf, |
eben bis dahin noch feîn |
wir geben es niht mehr und
machen fann. Die Regierung is nun einmal der Ansicht, daß das Haus nicht dazu berechtigt ist, einen solchen Beschluß zu fassen. Was | die Acußerungen des Abg. v. Unruh beirifft, fo würde ich mich ganz | gern mit ihm einmal darüber privatim unterhalten. Jch beschränkte | mich auf einen Punkt. Es fann Jemand cin vortrefflicher | Polizei-Jnspeftor sein, aber darum is er noch fein Polizei- | Direftor. Voa diesem leßtern habe ih nicht gesprochen. Jch | gebe dem Abg. v. Unruh seh? wohl zu, daß die Berliner Polizei noch | viel zu wünschen üdrig läßt, ich hatte sie auch eben nur für rclativ | gut erflärt gegenüber den andern großen Städten. Was die Schlä- | gereien betrifft, so beziehen sich diese wchl auf einen in der leßten zeit | sehr befannt gewordenen Fall. Jn diesem war das hiesige Polizei | Präsidium in einer ganz eigenthümlichen Lage. Es wurden zwei Ver- sammlungen, die eine eine Stunde später als die andere, in demselben | Lofal angescßt. Die Polizei konnte doch von vornherein nicht an- nehmcn, daß es dort Prügel geben werde. Sie hatte nur die Beschei- | nigung der Anmeldung auszustellen und konnte diese nicht verweigern. " Aus demselben Grund hat sie auch nur den gewöhnlichen überwacben- | den Beamten in dem Saale aufgestellt. Nach dem Verein®êgeseß hat | die Polizei nur einen überwachenden Beamten hinzuschicken, | und in der Aussicht, daß ctwas pasfiren könnte, fann fie | vielleicht vor der Thür ein Reservekommando aufstellen , weiter | aber nichts. Die Theilnebmer der zweiten Versammlung erschei- nen, und die Polizei fann ibnen den Eintritt niht verweh- | ren ; sie treten ein, man hôrt nur dumpfes Getöse; es wird gemel- | det, sie prügeln si, aber der Saal ist so voll, daß ein Eindringen der Polizei gar niht möglich ist; es müßte eine neue Prügelei losgehen, | um si Eingang zu verschaffen. In dieser Beziehung kann sich die | Polizei nur abwartend verhalten, bis der Lavastrom nh ergießt und bis die Unordnung droht aus den Grenzen des Versammlungslofals
auf die Straße sich auszudehnen und die Passanten zu belästigen. | Das sind die Gesichtspunkte, von denen die Polizei auszugehen hat, wenn sie ihre Geseße befolgt, und man fann unmöglich jagen, daßdie
Polizei ein Vergnügen hatte, sich voreilig in die Angelegenheiten ein- | zumishen. Was der Abg. von Unruh in Betreff des Fahrens gesagt ' hat, so stimme ich ihm bel, es wird bei uns sehr \{lecht gefahren ; es [läßt unser Fuhrwesen noch viel zu wünschen übrig, was endlich der-
5705