1890 / 82 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 31 Mar 1890 18:00:01 GMT) scan diff

Linden sowie den Weg bis zu dem Lehrter Bahnhof beseßt hielten; hier am Bahnhof hatten Tausende von Menschen sih versamme eum aus bewegtem Herzen dem Kanzler ein Lebewohl zuzurUsen. j E

Als bald nach 5 Uhr der Fürst aus seinem Palais trat und mit seinem ältesten Sohn den offenen Wagen bestieg, ertönten brausende Hochrufe und die Menge drängte an dem Gitterthor mit so unwiderstehliher Gewalt vor , daß der Wagen und die ihm vorreitenden Schußleute nur {wer sih Play schaffen konnten. Zahllose kleine Blumen- fträuße flogen dem Fürsten in den Wagen; aus den Fenstern der umliegenden Häuser, wie von den Damen, die am Wege standen, wurte der Kanzler mit Tücherschwenken begrüßt. So

ing es den ganzen Weg entlang, und da der Wagen in dem enshengedränge nur Schritt fahren konnte, wurde er fort- während von kleinen Trupps begleitet, die niht müde wurden, ihre Hurrahs dem Fürsten entgegenzurufen und die Hände na ihm emporzustrecken: so Manchem gelang és, die Hand des Kanzlers, in dessen Gesichtszügen die tiefe innere Srre- gung über die herzliche, von aufrichtiger Dankbarkeit und Ver- ehrung zeugende großartige Ovation sichtbar wurde, zu drücken. Niemand, der Zeuge dieser Abschiedskundgebungen war, blieb ungerührt, so manhe Thräne entquoll auch dem Auge ernster Männer , und allen Theilnehmern wird die Abreise des scheidenden Kanzlers unvergessen bleiben. S

So glih die Fahrt nah dem Bahnhofe einem wahren Triumphzuge. Hier angelangt, drängte die vieltausendköpfige Menge unter Hochrufen an den Wagen und nur mit Mühe konnte der Fürst die Bahnhofshalle betreten. : i

Auf dem Bahnsteige hatte auf Allerhöchsten Befehl Sr. Majestät des Kaisers und Königs eine Escadron des Garde- Kürassier-Regiments mit dem gesammten Offizier-Corps, der Standarte und der Regimentemusik Aufstellung genommen eine Ehrenbezeugung, wie sie bisher nur Mitgliedern regierender

ürstenhäuser erwiesen wurde. Zwischen diesem militärishen S lier und dem zur E bereit stehenden Eisenbahn- uge hatten sich von 4 Uhr a die Generalität, darunter der i D itnaudirendé General des Garde-Corps, die General-Adju- tanten von Wittih und von Hahnke, Graf Lehndorff u. A., die Flügel-Adjutanten Sr. Majestät des Kaisers und Königs und zahlreiche andere Offiziere, das gesammte Staate-Ministeriuum nit dem Reichskanzler und Minister-Präsidenten von Caprivi und dem Vize-Präsidenten des Staats-Ministeriums von Boetticher an der Spie, die Gemahlinnen der Staats-Minister, die Bot- schafter mit ihren Gemahlinnen, das gesammte diplomatische Corps dieses fast vollzählig —, die Chefs der Reihsämter, die Bevollmächtigten zum Bundesrath, die Direktoren und Räthe des Auswärtigen Amts und des preußischen Staats- Ministeriums mit zahlreihen Damen, außerdem aber nach vielen Hunderten zählende Freunde des Fürsten und der fürstlihen Familie, Bekannte, Verehrer und Verehrerinnen versammelt, hinter dem Spalier wiederum viele Hunderte von Glü&lichen, denen es gelungen war, bis hierher vor-

ngen. i E eue 20 Minuten nach 5 Uhr betrat Fürst Bismarck mit der Fürstin und gefolgt von seinen Söhnen und seiner Schwiegertochter den Bahnhof. Die Kürassiere „präsentirten“, die Musik intonirte die Präsentirfanfare und das begeisterte Hurrah, welches den Fürsten von der Wilhelmstraße bis zum Eintritt in die Halle begleitet hatte, wurde hier von den Ver- sammelten stürmisch aufgenommen. Der Fürst schritt die Ehren-Escadron ab, überallhin freundlih grüßend, von ihm Näherstehenden bald durch Händedruck, bald wie von Minister von Maybach, Graf Lehndorff u. A. in herzlicher Umarmung Abschied nehmend, i

Nach kurzem, ernsten Zwiegespräh mit seinem Nachfolger, General von Caprivi, bestieg der Fürst den von Blumen- spenden darunter ein Veilchenkissen mit Lorbeerkranz und ein Blumenkorb von den Kaiserlihen Majestäten, sowie ein

roßer Strauß mit einer umflorten Weltkugel in der

Mitte angefüllten Salonwagen. Von-diesem Augenblick an bis zu der etwa nah 5 Minuten erfolgenden Abfahrt des Zuges nahmen die Hurrah- und Hoch:-Rufe kein Ende. Bald mischte sich in dieselben der immer lauter, immer stürmischer widerhallende Ruf „Auf Wiedersehen“. Dazwischen dur(- brausten die Anfangsjtrophen der „Wacht am Rhein“ und des Liedes „Deutschland, Deutschland über Alles 2c.“ die weite Halle, welche von fast allen Versammelten entblößtzn Hauptes mitgesungen wurden. Endlich ein \hriller Pfiff, nohmals das Kommando „Ahtung präsentirt das Gewehr“ und untcr den Klängen des Präsentirmarsches, übertönt von den Zurufen des Publikums, verließ langsam der Zug die Halle.

Der Kanzler wird die NReichshauptstadt mit der Ueber- zeugung verlassen haben, daß er dem Herzen des Volkes theuer ist und daß es tiefgefühlter Dank für seine unsterblichen Verdienste war, der sich in den Abschiedsgrüßen der Berliner Bevölkerung offenbarte. Diese dankbare Gesinnung wird von der ganzen Nation getheilt, welhe mit s{werem Herzen den Kanzler scheiden sieht, aber fest entschlossen ift, die Güter, die fie dem großen Manne verdankt, das einige Deutschland und sestgewurzelte Königstreue, zu

flegen und zu bewahren. Einen schöneren Lohn ir sein Wirken und Schaffen wird der Fürst niht finden tönnen, als wenn er, au fern von den Ge- schäften, wahrnimmt, wie die Nation die Gefühle der Dank- barkeit und Verehrung, die sie ihm jeßt darbringt, in Thaten umseßt, treu zu Kaiser und Reich hält und sih der großen s stets würdig zeigt, die sie in und mit der „Aera ismarck“ erleben durfte. An dem morgigen Tage, an welhem der Fürst sein 75. Lebensjahr vollendet, wird die Nation ihre Gedanken und Gebete dem stillen Hain von Friedrihsruh zuwenden und einig in dem Wunsche sein, daß wie es Se. Majestät in dem Allerhöchsten Schreiben vom 20. März ausdrückte sein „für das Vaterland uner- sezlihes Leben“ fo lange wie mögli erhalten bleibe, und daß „Gott ihm noch viele Jahre eines ungetrübten und dur das Bewußtsein treu erfüllter Pflicht verklärten Alters“ schenken möge. ,

Wir fügen hieran eine Mittheilung über die Ankunft des Fürsten in Friedrihsruh, welhe Abends um 10 Uhr er- folgte. Zum Empfange des Fürsten war aus Hamburg eine E Compagnie, welche aus der ersten Compagnie L ais hen Regiments Nr. 76 bestand, mit deren sämmtlichen direkten Vorgeseßten, an der Spige General von Lesczinsky, bald nah 9 Uhr mit Extrazug auf dem Bahnhof eingetroffen, der mit Wappenschildern geschmück und mit bunten Oellampen und Papierlaternen erleuhtet war. Die freiwillige eee von Friedrihsruh hatte fich mit Fackeln am

ege vom Bahnhof na

dem Schloß aufgestellt, und auf

dem Bahnhofe hatte sich eine große Menschenmenge aus Ham- burg a aus der Umgegend eingefunden. Als der Zug einlief, spielte die Regimentsmusik den von önig Friedrih Wilhelm II[L. fkomponirten Armee- marsch Nr. 1a „Aus der Jugendzeit“ als Präsentirmarsh. Vielstimmiges Hurrah so berihten die „Hamburger Nal- richten“ weiter ertönte wieder und immer wieder, während der Fürst dem Salonwagen langsam, doch rüstig entstieg und die Front der Ehren-Compagnie abschritt. Mit dem Fürsten und seiner Gemahlin trafen Graf und Gräfin Wilhelm Bismarck, sowie Professor Dr. Schweninger in Friedrihsruh ein. Fürst unterhielt sich, soweit das immer von Neuem wieder ertönende brausende Hurrahrufen der Menge es zuließ —, am Ende des Bahnhofperrons ange- langt, eine Weile mit dem General von Lesczinsky, ihn wie die übrigen umstehenden Offiziere auffordernd, in sein aus, von dem er sreilih_ niht wisse, wie weit es zum fang in Stand gesezt sei, einzutreten. Fürst, Bismard gab seiner Ueberrashung Ausdruck, mit so hohen militärischen Ehren empfangen zu werden, mit der die von ihm angelegte Uniform in Widerspru sthe. (Der Fürst trug die Jnterimsuniform der Halberstädter Kürassiere.) Nachdem General von Lesczinsky darauf hingewiesen hatte, daß der be- \{hränkte Raum einen Vorbeimarsh der Ehrencompagnie doch nit zuließe, was der Fürst lähelnd bestätigte, erwähnte Leßterer noch die Ovationen, die ihm bei feinem Ab- schied aus Berlin vor wenigen Stunden dargebracht worden seien. Darauf legte er feinen Arm in den des Generals und schritt, die bereitstehenden Wagen vers{mähend, zu Fuß nah dem Schlosse, gefolgt von den Offi- zieren und unter beständigen Willkommensrufen des ihm diht auf den Fersen folgenden enthusias- mirten Publikums. Die Fürstin Bismarck bestieg mit ihrer Schwiegertohter ein Coupé. Graf Wilhelm Bismarck und Professor Shweninger schlossen fih den Fußgängern an. DieOffiziere verweilten nur wenige Minuten im losse, um dem Fürsten die wohlverdiente Ruhe nah den Aufregungen des bedeu- tungsvollen Tages- niht unnöthig zu kürzen, und kehrten zu ihren am Bahnhofe weilenden Yiannschasten zurück. Noch wenige Minuten und das Heim des großen Kanzlers lag in waldfriedlicher Ruhe da. : :

Heute Abend wird von Seiten Hamburger Bürger dem Fürsten zu Ehren in Friedrihsruh ein Fackelzug veranstaltet, zu welchem wie „W. T. B.“ berichtet die zahlreisten Meldungen eingegangen sind; es werden zu diesem Zwet pee 1 Extrazüge von Hamburg aus nah Friedrichsruh ab- gelassen.

Bezeichnend für den Charakter der Ovationen, welche dem Kanzler bei seiner Abreise von Berlin dargebracht wurden, ist es, daß der Berichterstatter des Pariser „Figaro“ seinen telegraphishen Bericht über das Ereigniß mit den Worten einleitet:

„Was sich heute in Berlin zugetragen, spottet aller Be- schreibung; niemals hätte ih geglaubt, daß der Enthusiasmus der Deutschen solhe Höhe erreichen könnte.“

Von den Kundgebungen, welche zu Ehren des scheidenden Kanzlers in diesen Tagen (an verschiedenen Orten Deutschlands theils veranstaltet worden, theils beabsichtigt sind, liegen heute folgende Berichte vor: i

Jn Berlin fand am Sonntag Vormittag eine vor- bereitende Versammlung nationalgesinnter Männer statt, in welcher über eine Dankeskundgebung berathen wurde. Nach- dem verschiedene Vorschläge, in welher Art am besten der Dank für die Verdienste des Fürsten zum Ausdruck gelangen könnte, erörtert waren, wurde beschlossen, dem Fürsten zunächst zu seinem Geburtstage eine fünstlerish ausgeführte Adresse zu überreichen, alle weiteren Vorschläge Errichtung eines Denkmals, einer Bismarck-Stiftung, eines Bismarck-Heims aber einem Comité zur weiteren Berathung zu übergeben.

Jn Bremen ist von einer Versammlung folgende Adresse an den Kanzler beschlossen worden:

„Ew. Dur@hlauct bittet cine zu dem Zwecke berufene, überaus zahlreich besuchte öffentliche Versammlung in Bremen, ibren ehrerbietigsten und tiefstempfundenen Dark entgegenzunchmen. Mit Goîtcs Hülfe ist es Ew. Dur(blaucht Meisbeit, Thatkraft und Treue gelungen, troß unzähliger Hindernisse unser Noik zur lange ersehnten Einigung unter dem ruhmreichen Scepter vn’ercs unvergeßliben Kaisers Wilbelm T. zu führen und dur die

von Festigkeit und Me geleitete, rastlose Arbeit zweier Jahr- -

zehnte das Deutshe Reih stark und geautet zu machen bei allen Völkern als Hüter der Gerechtigkeit und des Friedens, Beim Steiden Ew Durälauck&t aus den hohen Aemtern, in welchen Sie zum Heil des Vaterlandes Unvérgleihlihes und Unvergänglihes gewirkt baben. konnten wir es nit unterlassen, unserem einmüthigen Gefühle aufrihtigster, nie erlös{hender Dankbarkeit Ausdru zu geben, und wir sind geariß, daß unsere Dankeëworte Widerhall finden bei den vielen Söbnen unserer Stadt, wele in allen Ländern und Meeren si der Herrlichkeit und des Schußes des mächtigen Deutschen Reichs erfreuen. Möge es Ew. Durhlau@t vergönnt fein, noch lange freudig das Merk Ihres Lebens in Frieden wachsen und blüben zu seben! Möge der Geift der Einigkeit und Kraft, welcher Ew. Durchlauwt in allem Thun beseelte, unser Volk stets erfüllen und in Treue fcharen um seinen geliebten Kaiser !“ A j

In Köln findet am 1. April in der Erholung ein Festmahl und im Vereinshause der Lese-Gesellschast ein Fest-Commers zu Ehren des Fürsten statt. Jm Civil

sino wird aus ree nämlichen Anlaß am 1. April ebenfalls

ein Festessen veranstaltet. h i

L en era reiste der nationalliberale Reichs- verein am Donnerstag eine Vorfeier zu Fürst Bismarck's Geburtstag. Nach einer erhebenden Ansprache des Vor- sizenden Dr. Wedemann und nach einer fesselnden Festrede von Dr. Stechele wurde ein Telegramm an den Fürsten be- \chlossen. Mit einem begeisterungsvollen Hoch auf Se. Majestät den Kaiser {loß die Versammlung. i | i

Jn Kaiserslautern fand gestern eine Vismarck-Feier statt, an welcher si die pfälzishen Abgeordneten und ein überaus zahlreiches Publikum betheiligten. Ober-Bürgermeister Miquel hielt die Festrede und gedachte in längerer begeisterter Rede der unvergleihlihen Verdienste des Fürsten Bismarck um Kaiser und Reich. Die Feier verlief aufs Glänzendste.

Jn Alsfeld findet am 1. April ein Fesicommers zu Ehren des Geburtstages des Fürsten Bismar ftatt.

Das „Armee - Verordnungsblatt“ veröffentlicht eine Allerhöchste Kabinetsordre wegen Abänderungen und Ergänzungen der Wehrordnung-

Der Kaiserliche B Graf zu Münster ist von kurzem taub Dei asser Aäglrehrt und hat die Ge- {äfte der dortigen Botschaft wieder übernommen.

Der Königliche Gesandte in München, Graf zu Ranyau hat einen ihm Allerhöchst bewilligten kurzen Urlaub ange- treten. Während der Abwesenheit desselben fungirt der Legations-Sefretär von Lindenau als Geschäftsträger.

Der kommandirende General des Il. Armee-Corps, General der Jnfanterie von der Burg und der General- Lieutenant von Seeckt, kommandirender General des V. Armee-Corps, haben Berlin nach Abstattung persön- liher Meldungen wieder verlassen ; desgleihen der G?neral- Lieutenant von Bartenwerffer, Commandeur der 34. Division, der General-Lieutenant von Blomberg, Commandeur der 5. Division, der General-Lieutenant von Fischer 1I, Gouverneur von Met, und der General-Lieutenant Sreiherr von Willisen, Commandeur der 7. Division.

Der General-Lieutenant von Kaltenborn-Stachau, Commandeur der 2. Garde Jnfanterie-Division, ist von Urlaub und der Jnspecteur der 1. Pionier-Jaspektion, General- r von Bergen, von Dienstreisen hierher zurü: gekehrt. °

Der General - Lieutenant Edler von der Planibt, bisher Allerhöhst beauftragt mit Führung der Kavallerie= Division des XV. Armee - Corps, welcher vor Kurzem zum Commandeur der Garde-Kavallerie-Division erncknnt worden, ist zum Antritt dieser Stellung hier angekommen.

Zur Abstattung persönliher Meldungen bei Sr. Majestät dem Kaiser und König sind hier eingetroffen der General- Lieutenant Weinberger, Commandeur der 28. Division, und der General-Lieutenant von Lindeiner genannt von Wildau von der Armee, bisher Commandeur der 56. Jn- fanterie-Brigade.

Am heutigen Tage findet die Verlegung der Artillerie Schieß-Schule nah der neuen Garnison Jüterbog statt.

Bauern. y

München, 29. März. (Allg. Ztg.) Heute Mittag fand unter dem Vorsiß Sr. Königlichen Hoheit des Prinz- Regenten eine Staatsrathssizung über den Geseß- entwurf, das Justizgebäude in München betreffend, statt. Der Voranschlag beträgt annähernd 6 Millionen.

Bei dem Herzog und der Herzogin Max Emanuel sollte heute Abend eine größere Tafel stattfinden, zu welcher sämmtiihe dem Civil angehörige Minister zugesagt hatten; auch Dr. Freiherr von Luß, welcher seit seiner Genesung zum ersten Male wieder an einer Tafel außer seinem Hause ershienen wäre. Allein dur die so plößliche, aber keineswegs gefährliche Erkrankung des Herzogs die Masernerkrankun nimmt ihren natürlihen Verlauf wurde die Tafel bis na Ostern verschoben.

Sachsen.

Dresden, 29. März. (Dresd. Journ.) Jhre Hoheit die Prinzessin Karoline Mathilde zu Sleswig- Ho l- stein-Sonderburg-Augustenburg, Höchstwelche sich einige Tage bei Jhrer erlauchten FuN Mutter, Jhrer Hoheit der Herzogin Adelheid zu chleswig-Holstein hier au}- gehalten, ist heute Vormittag über Leipzig nah dem Schlosse Grünholz bei Eckernförde abgereist. Se. Durchlaucht der Fürst Heinrich RX1IV. Reuß j. L. hat fih heute Vormittag na Berlin begeben und wird von dort aus nah Gera weiter- reise.

Vadenu.

Karlsruhe, 28. März. (Karlsr. 38 Jhre König- lichen Hoheiten der Großherzog und die roßherzogin find heute Mittag gegen 11 Uhr von Weimar in Karisruhe eingetroffen. :

Jn der Zweiten Kammer wurde heute bei der Generaldebatte über das Finanzgeseß die Fin anzlage von allen Seiten als eine besonders günstige anerkannt. Der Finanz-Minister sprah sih gleichwohl mit Rücksicht auf die Unsicherheit der Reichsüberweisungen und die steigenden Anforderungen des Landes gegen die vorge- \hlagene Steuerermäßigung aus.

Sachsen-Weimar-Eisenach.

Weimar, 29. März. (Weim. Ztg.) Der Landtag des Großherzogthums ist nah Erledigung der Arbeiten heuie dur den Vertreter der Regierung mit einer Ansprache ge - \hlossen worden, in welher den Abgeordneten Dank und Anexkennung gezollt wird. /

Sachsen-Coburg-Gotha.

Coburg, 30. März. (W. T. B.) Heute Vittag 12 Uhr fand in der hiesigen Va iber Hoskirhe, welche sich in einem Flügel des Herzoglichen Refidenzschlosses „zur Ehrenburg“ befindet, die feierlihe Prüfung und Konfirmation des Sohnes des Herzogs von Edinburg, Prinzen Alfred, Herzogs U Sachsen, statt. Der- selben wohnten der Herzog Ernst von Sachsen-Coburg- Gotha, der Herzog und die Herzogin von Edinburg, der Prinz von Wales mit seinem Sohne Prinzen Georg in Vertretung der Königin Victoria von England und der Erb- großherzog von Hessen bei. Ferner waren eingeladen: der Staats-Minister von Bonin, der General-Superintendent Kretshmar von Gotha, sämmtlihe Staats- und Hofbeamtze von Coburg, der Commandeur - des Infanterie-Regiments (6. Thüringischen) Nr. 95 von Usedom, der Commandeur und die Hauptleute des hier garnisonirenden Bataillons desselben Regiments. Endlih waren die Städte a Neustadt, Rodach, Königsberg (Thür.), Gotha, Ohrdruf, Waltershausen und Zella durch Deputationen vertreten. Die Einsegnung vollzog der General-Superintendent D, Müller unter Assistenz der Hof- und Stadtgeistlichen. Der Ein- segnungsrede war als Text zu Grunde gelegt: Offenb. Joh. 2 10 „Sei getreu bis in den Tod 2c.“ Beichte und Abend- mahl hielt Dr. Hansen. Abends fand Galatafel bei dem

og statt. :

E 31. März. (W. T. B.) Herzog Ernst is heute Vormittag nah Nizza abgereist. Anhalt. G

Dessau, 29. März. (Anh. St.-A.) Der Landtag erledigte in seiner gestrigen Ss die zweite Lesung des Haupt-Finanz-Etats für 1890/91.

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Elsaß; - Lothringen. Straßburg, 29. März. Die Referendare Jlse, Scheid, Scholz, Bohnenberger und Stempel sind auf Grund der bestandenen Staatsp:üfung zu Gerichts- Assessoren ernannt warden.

Großbritannien und Jrland.

London, 29. Is (A.C.) Jm Oberhause beantragte e Lord Granville die Suspension eines gewissen aragraphen der Geschäftsordnung, um einer Reihe von Pairs E atten, den Protest der liberalen Partei im Ober- e gegen den den Bericht der Parnell-Kommission genehmigenden Beschluß des Hauses vom 21. d. M. nahhträglih zu unterzeihnen. Die erwähnten Pairs waren während der Debatte über den Antrag, der zu dem Beschluß des Hauses führte, niht zugegen. Mehrere kon}ervative Pairs beanstan- deten den Antrag Granville's, der s{hließlich aber mit Zu- stimmung der Regierung mit 34 gegen 23 Stimmen zur An- nahme gelangte.

Frankreich.

Paris, 29. März. (W. T. B.) Der Ministerrath beshäfstigte fih heute wiederum mit der Frage der Ein- führung lebenden Schlachtviehes aus dem Aus- lande. Der Handels-Minister theilte mit, daß gegen den 10. April algerishe Schafe eintreffen würden, von denen bereits 32 000 unterwegs seien. Seit dem Verbot der Einfuhr von lebendem Vieh babe die Einfuhr von Fellen beträhtlih zugenommen. i

_ Jn der Deputirtenkammer rihtete Ferroul an den Minister des Jnnern Constans die Frage, ob er die staat- lihen Arbeiter ermächtigen werde, sich am 1. Mai an der aar r Kundgebung zu Gursten der achtstündigen Arbeit zu betheiligen. Con stans erwiderte, die staatlihen Arbeiter seien überhaupt nur 7 Stunden in Thätigkeit, es sei also au kein Grund vorhanden, ihnen am 1. Mai für etwas Urlaub zu

eben, das sie gar niht wünshen. Der Minister betonte seine Fürsorge für die Arbeiter, deren Besonnenheit er vertraue,

agegen mißtraue er den Parteileuten, welche si an ihre Spiße stellten; {ließlich gab er die Erklärung ab, seine Meinung in dieser Sache habe sich niht geändert, er werde die Mani- festation am 1. Mai nicht dulden.

__ Der Senat und die Deputirtenkammer haben si bis zum 6. Mai vertagt.

Heute’ Mittag versammelten sich etwa 2000 Arbeiter in La Villette und zogen unter Führung einer Deputation von fünfzehn Mitgliedern durch den Faubourg Saint Martin nah dem Hôtel de Ville. Die Polizei suchte die Menge zu zerstreuen, was ihr aber nit gelang. Die Deputation wurde vom Bureau des Munizipalraths empfangen und ver- langte, der Munizipalrath solle den Ackerbau-Minister auf- focdern, die Einfuhr lebenden Viehes zu gestatten, welches in den Schlachthäusern zu La Villeite zur Observation gestellt werde. Das Burcau des Munizipalraths versprah, am Montag dies- bezüglihe Schritte zu thun. - Von hier seßte sih die Menge nach der Deputirtenkammer in Bewegung. An der Brücke L aar wurde der Zug aber von der Polizei mit Erfolg aufgehalten und durste nur die Deputation passiren. Jn der Kammer be- sprach sih dieselbe mit mehreren Abgeordneten. Als die Dep utation das Palais Bourbon wieder verließ, beabsichtigten die zurück- gehaltenen Manifestanten, welche auf der Place de la Con- corde inzwijchen gewartet hatten, ihr zu folgen. Die Polizei zerstreute jedoch die Menge ohne Widerstand. Die Wieder- aufnahme der Arbeit in den Sclachthäusern wird in den nächsten Tagen erwartet.

31. März. (W. T. B.) Einer Meldung der Morgen- blätter aus Kotonu zufolge haben die französischen Truppen fünf Dörfer am Fluß Onemé eingenommen und verbrannt.

Rußland und Polen.

St. Petersburg, 29. März. (W. T. B.) Das „ournal des Finanz-Ministeriums“ veröffentliht die pro- visorishen Ziffern der wirklihen Einnahmen und Ausgaben des Jahres 1889.

Die ordentlihen Einnahmen baben tarach die Höbe von 922 564 000 Rubeln erreicht, d. h. 57101 000 Rubel mebr als der Budget-Voranshlag ausführt, und 24 356 000 Rubel mehr als die Einnahmen tes Jabres 1888. Im Verglei zu diesem Iahre 1888 sind die bauptsählihsten Mébreinnab men folgende : 11 525 000 Rubel aus den Staatêeisenbahnen, 9 773 009 Rubei Covpons Einnahmen, 3140 000 Rubel aus der Grundsteuer, 2691 000 Rubel aus dem Petroleumzoll, 2 484 000 RbI. ars Kapitalcinkünsten des Trefors und der Staatétkank, 1894 0C0 Rbl. aus den Forsten, 1 767 000 Rubel aus Hilféfonds, 1764000 Rbl. aus dem Zündböslzerzoll, 1 060 000 Rekl. aus Hand:i- und Industriesieuer, 1 045 000 Rbl. aus dem Posftbetricb. Gegen ten Voranschlag weisen von 29 Kapiteln 23 Mehreinnahmen auf. Ueber die durch das Ordentlide Budget von 1889 eröffneten Kredite, welche in Summa 860 955 000 Rbl. be- tragen, ift gegenüber diesem Budget nur eine einzige Mehr- ausgabe von 7 Millionen Rubel für die neuen konfolidirten Obligationen geleistet worden, deren einer Coupon zum 20. Dezember a. St. und nicht mehr am Anfange des neuen Jabres, wie vor der Konversion, zablbar ist. Der Gesammtbetra der ordentlihcn Ausgaben des Jahres 1889 kann daher 867 955 000 Rbl. niht überschreiten und wird au diese Summe nur erreichen, wenn alle durch das Budget bewilligten Krediie vollständig in Anspru ge- nommen sind. Die ordentlihen Einnahmen - weisen gegenüber den ordentlihen Auéêgaben einen Ueberschuß von wenigstens 54 609 000 RbI. Pud Die außerordentlihen Esniabimén, welhe auf 9379000 Rbl. veranschlagt waren, haben si auf 61032000 Rbl. erböht, ergaben also eine Mehreinnahme von 51653000 Rbl. In dieser Ziffer sind 36 171 000 Rbl. als Saldo der Goldanlcihe von 1889 enthalten, ferner 15 073 000 Rbl. Rückzahlung der von den Eisenbahngeselshaften aufgenommenen An- leihen und 4 961 000 Kbl. Kriegéentschädigung. Die außerordentlichen Ausgaben betrugen 102 207 000 Rbl., wovon 34 207 000 Rbl. durch das Budget vorgesehen sind und 68 Millionen zur Awortisirung der 5 9% Goldrente im Betrage von 50 Millionen und sämmtliche anderen Anleihen des Staatsshaßes im Betrage von 18 Millionen ver- wendet werden. Die außerordentlichen Ausgaben werden die außerordent- lichen Einnabmen um 41 175 000 Rbl. bersteigen. Diese Differenz ist jedo vollständig gedeckt durch den Ueberschuß der Einnahmen des ordentli&en Budgets, welches nah Abrehnung dieser 41 175 000 Rbl. noch einen disponiblen Uebershuß von 132 Millionen Rubel ergiebt, welcher für die Erfordernisse des Jahres 1890 verwendbar ift. Dieser Ueberschuß wird sich noh dur diejenigen Kredite des Jahres 1889 vermehren, welhe niht in Anspru genommen und annullirt werden sollen. L, /

ul Ein Tagesbefehl des Kriegs - Ministers vom 26. Februar d. J. veröffentliht das neue, vom Kaiser be- stätigte Reglement über die Verwaltung der

Truppen im Felde. Dasselbe wird, der „St. Pet. Ztg.“

zufolge, dadurch motivirt, daß das bisherige Reglement vom Jahre 1876, welches zur Zeit des lezten Orient- Krieges zur Anwendung gelangte, verschiedene ernste Mängel gezeigt habe; lei wird angeführt, daß dur die in letzter Zeit stattgefundene Vermehrung der Truppen- zahl, die die Bestimmung hat, auf einem Kriegsshauplaß verwandt zu werden, es nothwendig wurde, niht mehr eine Armee mit einem Ober-Kommandirenden zu bilden, sondern einige Armeen, deren Befehlshaber dem allgemeinen Ober- Kommandirenden unterzuordnen wären. Das frühere Regle- ment wurde daher auf Allerhöhsten Befehl, den gegen- wärtigen Bedingungen der Kriegführung entsprehend, einer totalen Umarbeitung unterzogen und neu redigirt. Das neue „Reglement über die Verwaltung der Truppen im Felde in Kriegszeiten“ zerfällt in drei Abschnitte und neun Beilagen und behandelt die Vorschriften des Stabs:Chefs, des Oberst-Kommandirenden, die Regeln für die Zusammen- stellung der Ausgabesummen für die Truppen in Kriegszeiten, die Genfer Konvention, die Thätigkeit der Feldkontrole, die Etappenverwaltung, die Feldpost- und -Telegraphen, die Ver- waltung der einzelnen Truppenközrper 2c. und schließt mit der Bemerkung, daß in Zukunft die ganze Verwaltung des Militär-Sanitätswesens einem Dujour-General der Armee unterstellt wird. :

Die „Pet. Wed.“ erfahren, daß im Finanz- Ministerium alle Vorarbeiten zu einem neuen Zoll- tarif für die europäisde Grenze beendet sind und daß das Projekt nunmehr einer Anzahl Experten zur Begutachtung in redakttioneller Hinsicht überwiesen werden foll.

Ftalien.

Rom, 29. März. (W. T. B.) Das „Armee- blatt“ veröffentliht die Ernennung des Generals San Marzano, früheren Kommandanten von Massovah zum fommandirenden General des 1X. Armee-Corps. Ferner find 10 General-Majos zu General: Lieutenants, 16 Obersten zu General-Majors und 13 Obersten zu Brigadiers ernannt worden.

Die Deputirtenkammer hat sich heute bis zum 24. April vertagt.

30. März. (W. T. B.) Die „Agenzia Stefani“ dementirt die in einigen Journalen immer wieder auf- tauchenden Nachrihten von bevorstehenden Aenderungen im Ministerium.

Portugal.

Lissabon, 30. März. (W. T. B.) Nach den bis jeßt vorliegenden Ergebnissen der heute stattgehabten Wahlen für die Deputirtenkammer hat die Regierung den Siß für Oporto, wo der Minister der Kolonien gewählt worden is, gewonnen. -Die Republikaner sind in Madeira geschlagen worden und haben die Kandidatur in Lagos zurückgezogen; voraussihtlich werden sie, mit Aus- nahme von Lissabon, keinen Gewinn zu verzeichnen haben. Die aus den Provirzen eingegangenen Meldungen lassen eine große Majorität für die Regierung erwarten. Von den 134 Deputirten, welche auf dem Festlande und Madeira zu wählen sind, rechnet das gegenwärtige Kabinet auf etwa 100, welche seine Politik unterstüßen werden. Auf den Azoren sind 10 und in den sonstigen Kolonien 13 Deputirte zu wählen. Ruhestörungen sind nirgends vorgekommen.

Serbien.

_ Belgrad, 29. März. (W. T. B.) Das neue Ka- binet ist, wie folgt, rekonstruirt: Gruic Präsidium, Aeußeres und Krieg, Vuic Finanzen und provisori) Kultus, Tauschanovic Jnneres und Handel, Gjorgjevic Justiz, und Professor Jossimovic Bauten. Das Amtsblatt ver- öffentliht ferner die Ernennungen zum Staatsrath. Die Skupschtina votirte mit Akflamation die Handels- konvention mit Rumänien. Hierbei brachten einzelne Deputirte Hohrufe auf Rumänien aus.

Amerika.

Vereinigte Staaten. Washington, 27. März.

(A. C.) Das Repräsentantenhaus genehmigte heute eine Vorlage, welche Wyoming in den Staatenverband der Union aufnimmt. Die republikanishen Mitglieder des Finanzausschusses haben Häute wieder auf die Freiliste geseßt und den Zoll auf Jutesäcke erhöht. Der Senat hat eine Resolution angenommen, wonach das Pulvermagazin, welches si bisher auf der Ellis-Jnsel, im Hafen von New-York, befand, von dort verlegt und die Insel als Landungsstation für die Einwanderer benußt werden soll. Jn Folge der Enthüllungen über die Mißwirthschaft im Sheriffsamte und einer gegen ihn selbst gerichteten Ne hat der Sheriff von New-York, Flack, sein Amt niedergelegt.

28, März. (R. B.) Der Staatssekretär Blaine hat der argentinishen Republik einen auf Gegenseitigkeit begründeten Handelsvertrag angeboten.

_ Brasilien. Rio de Janeiro, 30. März. (W. T. B.) Ein Regierungsdekret untersagt die Veröffent- lihung falsher Nachrichten und alarmirender Gerüchte Mea die Verbreitung derartiger Depeschen. Zuwiderhandelnde ollen vor ein Kriegsgericht gestellt werden.

Usien.

Japan. Der Mikado eröffnete am 27. d. die Jndustrie-Aus stellung in Yokohama.

Parlamentarische Nachriéthten.

Jm 1. Frankfurter Reichstags-Wahlbezirk Arnswalde, Friedeberg N.-M. ist an Stelle des Ober: Bürgermeisters von Forckenbeck, welher für diesen Wahl- bezirk das Mandat abgelehnt hat, der Landrath a. D. von Meyer- Helpe (kons.) mit 6740 von 13 002 abgegebenen gül- tigen Stimmen zum Mitglied des Reichstages gewählt worden ; von Reibnig (freis.) erhielt 6258 Stimmen.

Im 7. Arnsberger Reichstags - Wahlbezirk

Hamm, Soest ist an Stelle des Freiherrn von Schorlemer-Alst, welher das Mandat für diesen Wahlkreis abgelehnt hat, der Landgeri Las chneider zu Essen national-liberal) mit 11979 von 23096 abgegebenen gültigen timmen zum Mitglied des Reichstages gewählt worden. Kaufmann Racké in Mainz (Centrum) erhielt 11117 Stimmen.

Zeitungsstimmen.

: Zur Abreise des Fürsten Bismarck von Berlin schreibt die „Vossische Zeitung“:

„G-stern klang im Herzen des Volkcs eine Saite für nationale Größe vernehmlih. Das Auge blickte zurück in die Vergangenheit : wie war es, als er kam, wie ift es, da er geht? Wer wolite beute verkennen, welchen großen periönlichen Anibeil er an der Erfüllung des nationalen Sebnens, an der Verwirklihung der Träume unserer Altvordern ge- babt hat? Dem Werkmeifter an dem großen Bau des deutschen Staats, dem erften Mitarbeiter an dem neuen Reich wollte die baupt- städtishe Bevölkerung noch einmal ihre Huldigungen darbringen .

Und noch Eines ist es, was die deutsce Bevölkerung zu dem Fürsten Biêsmarck zieht. Es iff niht nur die An- erkennung feirer großen Thaten, nit nur die Bewunderung seiner markigen PerfönliGleit, es ist jenes Gemisch von Willens- kraft und Humor, von Weltverahtung und Weltliebe, welhe das deutsche Gemüth besonders anzieht. Einft schrieb Fürst Bismarck an seine Frau: „Es ift mir, als wenn man an einem s{öônen September- tage das gelb werdende Laub betrachtet; gesund und beiter, aber etwas Webmuth, etwas Heimweb, Sebnsu&t rach Wald, See, Wüste, Dir und Kindern, alles mit Sonnenuntergang und Beethoven vermis@t.“ Das ift echt deutsche Stimmung und Empfindung, und von ibr ift nit selten aud die óffentlide Wirksamkcit des eisernen Kanzlers beseelt gewesen. Und diefe Stimmung bat gestern die Tausende erfüllt, die seinen Wagen umdrängten und noc einmal Hoc riefen wie bei dem Einzage nah dem großen Kriegsjabr und nochb einmal Tücher \{@wenkten, bis er den Blicken ents{wunden war. Wehmuth erfüllte seine Freunde, Wehmuth feine früheren Gebülfen, und mit Webmuth konnten au scine Gegner gestehen: Ein gewaltiger Mens, ein erbitterter Feind, aber ein echter Deutscher !“

Eine Betrachtung der „S@&lesishen Zeitung“ über den „Fürsten Bismark als Begründer und Festiger des Reichs“ schließt mit folgenden Worten:

»VeberktTiden wir den Gang der Ereignisse der leßten 12 Iabre bis auf den beutizen Tag, so ist das volle Maß unauslös{lichen Dankes, welchen Deutsland dem Fürsten Bismarck für seine Friedens- thaten in diefer Zeit [chuldet, gewiß nicht geringer als dasjenige, auf welches er als Begründer des Reichs Anspruch hat. Seine weitaus- schende äußere Politik hat es mögli gemacht, daß wir mit Oesterreich und Jtalien zu einem festen Defensivbündnisse vereinigt sind, ohne daß darum unser Verhältniß zu Rußland ein \{lechteres geworden ist, als es im Jahre 1878 war. Im Gegentheil muß gesagt werden, daß grade in den legten Jahren dieses Verhältniß, welches unser jeyiger Kaiserliber Herr glei bei seinem Regierungsantritt pflegen zu wollen erklärte, sid wesentli gebessert hat, Nicht minder groß- artig sind die Leistungen unserer vom Fürsten Bismarck inaugu- rirten sozialpolitishen Geseßgebung gewesen. Auf doppelte Weise suhte Biêmarck der sozialdemokratishen Volksverführung zu feuern. Durch ein \chars\cs Polizeigeseß wurde die \sozialdemokratische Agitation erschwert, während gleichzeitig den berechtigten Wünschen der von ibrer Hände Arbeit fich nährenden Bevölkerung durch Schaffung einer Versicherung8geseßgebung, wie sie in solcher Ausdehnung nie und nirgends bestanden hat, Rehnung getragen wurde. Wie die deutsche Politik BVismarck's zu Anfang der 60er Jahre den nationalen Inhalt der damals berrshenden großdeutschen Ideen ers griffen, sie ibres radikalen Beiwerks entkleidet und dem nationalen Gedanken in der Folge dur ein starkes preußishes Königthum zum Siege verbolfen hatte, so setzte er jeßt dem demokratischen Sozialismus das soziale, Kaiserthum entgegen, welches dadurch zum Vertreter ailer berechtigten sozialcn Reformen wurde. Damit bra Biêmarck freilih mit dem Prinzip des wirtbschaftlihen Liberalismus, welcher die per- sönliche Arbeit wie eine käufliche Waare unter die Gesetze des Marktes gebeugt wissen will.

Die letzten Jahre haben Kummer und Sorge dem deutschen Volke in reilihem Maße gebraht. Wilhelm der Siegreiche, der vielgeliebte erste Deutsche Kaiser im neuen Reich, bettete sein ruhmes- müdes Haupt zur ewigen Ruhe, ihm folgte ins Grab sein Sohn, Kaiser Friedrich IIL, welcher, bereits den Tod im Herzen, den Thron seiner Väter bestiegen hatte. In dieser trüben und bewegten Zeit s die gewaltige Gestalt des eisernen Kanzlers als der einzige feste Punkt, auf welchen die Nation hinblicken und an welchem ih die deutshen Herzen aufrihten konnten.

Wieder stehen wir an der Schwelle einer neuen Zeit. Möge das, was sie uns bringt, dem Vaterlande zur Ehre und zum Segen gereilhen. Möge das Band der Einheit, das die deutshen Stämme umsclingt. immer fester und unzerreißbarer werden, möge die Stimme Deutschlands im Rathe der Völker das Ansehen und Ge- wit behalten, welches sie dur den Fürsten Bismarck erlangt hat. Vertrauensvoll blicken wir zu unserem jugendlichen Kaiser emyor. Wir wissen, daß er seine ganze Arbeits- und Schaffenskraft dem Wohle des Reichs und Preußens zu weihen entschlossen ist. In die neue Zeit hinein aber ragt noch die mähtige Gestalt des greisen Kanzlers. In alter Treue \chlägt sein Herz für das geeinte Vaterland. Den Dank, den wir ibm s{chulden, vermögen wir in Worte nit zu fle!den. Wir können ihn nur bethätigen in heißer Liebe zum Vater- lande, in unershütterliher Treue zu Kaiser und Reich,“

Die „Pall Mall Gazette“, welche schon wiederholt der Jnitiative Kaiser Wilhelms II. zugejubelt hat, schreibt in ihrer Nummer vom 29, März:

„Der Kaiser hat durch seine Initiative in dieser Arbeitershußkonferenz etwas gewonnen, was mehr gilt, als alles Murren hogestellter Per- sönlihkeiten, nämlih die Daxkbarkeit der Leidenden. Jn England scheint man vielfa zu glauben, daß diese Dankbarkeit stark enttäusht werden und der Erfolg des Kaisers höchstens ein Achtungserfolg sein wird. Diese Ansicht is sehr kurzsichtig und unüberlegt. Die Konferenz ift ein großer Erfolg geworden, sowohl was die augenblick- lihen wie die künftigen Ergebnisse anlangt. Der Kaiser hat es ers zwungen, daß die Sozialreform als Gegenstand internationaler Ab- machungen anerkannt wird.“ 5

Die meisten heutigen Londoner Morgenblätter be- sprechen, wie „W. T. B.“ meldet, das rgebniß der Arbeitershuß-Konferenz in sehr \ympathischer Weise und versprechen sich davon heilsame Folgen. Die „Mornin g- Post“, die „Times“ und der „Daily Telegraph“ be- glückwünschen den Deutschen Kaijer in der wärmsten Weise, die Jnitiative zu diesem humanitären Werke ergriffen zu haben.

Theater und Musik.

Deutsches Theater. 4 Am Sonnabend gelangte „König Midas*, ein Schauspiel in vier Akten von Gunnar Heiberg zur ersten Aufführung. G. Heiberg ehört jener Reihe nordisher Dramend.chter an, deren Auserwählte, - bsen und Björnson, auch bei uns in Deutschland längst gewürdigt sind und großen Einfluß auf die Entwickelung der dra- matishen Produktion gewonnen haben. Heiberg hat von den ers- wähnten beiden Vorgängern gelernt, seinen Bühnenstoff wirkungsvoll zu entwickeln und aufzubauen, sodaß in den Zuschauern das Gefühl fieberhafter Spannung nit nur er- regt, sondern dauernd erhalten wird; er strebt, wie Ke, dem starken Realiêmus in der Sprache nah und behandelt, wie sie, den Konflikt mit shonungsloser Aufrichtigkeit; und do trennt ibe! troß dieser äußeren Aehnlihkeiten, ein tiefer Abgrund von der Welt- anshauung der Häupter jener, wenn man fo sagen darf, pessimistishen Scule. Heiberg kämpft in cffener Empörung gegen die düstern Geisteshelden, welche allein die sittlihe Wahrheit zu besigen glauben, welWe mit grausiger Härte jede Schwätdbe des mens\chlichen Herzens, jeden Fehlbetrag an Geist und Gemüth

bloßlegen und Niemandem zum Nuyen, Vielen zum Verderben den