1910 / 57 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 08 Mar 1910 18:00:01 GMT) scan diff

Deutscher Reichstag. 50, Sißung vom 7. März 1910, Nachmittags 1 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphishem Bureau.)

Auf der Tagesordnung steht zunächst die erste und eventuell weite Beratung des am 13. Oktober 1909 in Bern zwischen em Deutschen Reiche, Jtalien und der Schweiz abgeschlossenen

neuen Vertrages, betreffend die Gotthardbahn.

Staatssekretär des Auswärtigen Amts Freiherr vonSchoen:

Meine Herren! Namens der verbündeten Regierungen gestatte ih mir, Ihnen den Jhrer Beschlußfassung vorliegenden, am 13. Oktober vorigen Jahres zwischen dem Deutschen Reiche, Italien und der Schweiz abgeschlossenen neuen Vertrag über die Gotthardbahn zur Annahme zu empfehlen.

Was die Begründung der Vorlage anlangt, \o darf ih mi wohl auf das Ihnen unterbreitete Material, insbesondere auf die ausführlihe Denkschrift, beziehen. Der Herr Präsident des Reichs- eisenbahnamts wird noch einige Ausführungen hierzu machen; ich felbst darf mich auf folgende allgemeine Bemerkungen beschränken.

Es wird Jhnen vielleiht, meine Herren, bekannt sein, daß die neuen Abmachungen, durch welhe der uns hbenachbarten und be- freundeten Schweiz der volle und uneingeshränkte Besiß der Gott- hardbahn und die territoriale Gewalt über das Unternehmen gewähr- leistet wird, in einem Teile der \{weizerishen Presse keine günstige Beurteilung gefunden haben. Es ist davon gesprochen worden, daß Italien und Deutschland bei den Verhandlungen die Schweiz übervorteilt hätten: es seien der Schweiz oneröse Bedingungen auferlegt, man habe sogar in ihre Tarifhoheit eingegriffen. Eine ausländische, nihts{chweizerische Zeitschrift ist so weit gegangen, zu schreiben: „Les puissantes locomotives du Gothard travailleront désormais pour le Roi de Prusse“, „daß die mächtigen Lokomotiven der Gotthardbahn in Zukunft für den König von Preußen arbeiten werden". Gegenüber diesen Uebertreibungen und Entstellungen lege ich Wert darauf, zu erklären, daß die Reichsleitung ebenso wie die Königlich italienische Regierung bei den Verhandlungen über den vorliegenden Vertrag \ich von dem gleichen Geiste der Freundschaft und der Billigkeit hat leiten lassen, der seinerzeit beim Abschluß der alten Verträge über die Subventionen obgewaltet hat, einem Werke, das, wie Ihnen wohl bekannt, von dem Fürsten Bismarck ganz besonders gefördert wurde. Von der Schweiz ist unserseits nichts Unbilliges verlangt und von der Schweiz ihrerseits nichts Unbilliges zugestanden worden. Insbesondere hat uns jeder Eingriff in die interne Tarifhoheit oder in die sonstige territoriale Hoheit der Schweiz fern gelegen.

Auf der anderen Seite ist es unseren Unterhändlern in Gemäß- heit der ihnen erteilten Weisungen gelungen, die deutschen Interessen in ausreihender Weise zu wahren und einen befriedigenden Ausgleich der Interessengegensäße zu erzielen. Die uns gemachten Zugeständ- nisse, namentlih die Bindung der derzeitigen Transittarife und die Er- mäßigung der Bergzuschläge auf der Gotthardbahn, die im Endziel bis zu 50 9/0 geht, Maßnahmen, die im wesentlihen dem deutsch- italienishen Güteraustausch und damit der deutshen und italieni- schen Volkswirtschaft zugute kommen, ferner die Meistbegünstigung dex Gotthardstrecke gegenüber allen anderen bestehenden oder zu- künftigen Alpenübergängen von der Schweiz nah Italien, weiter die Meistbegünstigung der deutschen Bahnen für den deutsh-italienischen Verkehr gegenüber allen außerhalb der Schweiz gelegenen Bahnen, endlich die Beteiligung der deutshen Industrie an den zukünftigen Lieferungen und Jnvestitionen der Gotthardbahn auch für den Fall der Elektrifizierung alles dies neben dem sonst noch Er- reichten darf wohl als eine ausreihende Ablösung der uns aus den alten Verträgen zustehenden Rechte angesehen werden,

Gbenso darf wohl auch die Schweiz mit dem Ergebnis der Ver- handlungen zufrieden sein. Erhält fie doch den uneingeshränkten Be- si des wertvollen, für den deutsch-italienishen Transitverkehr fo be- deutungsvollen Gotthardnetes, eines Unternehmens, welches seiner- ¿eit mit Hilfe des deutschen Großkapitals ins Leben gerufen worden ist und an dessen Wiege, wenn man so sagen darf, Deutschland und Italien mit wertvollen Geschenken in der Gestalt von Subventionen Pate gestanden haben. Gs ist zu hoffen, daß auh in der Schweiz diejenigen Kreife, welche heute noch den Vertrag ungünstig beurteilen, fih überzeugen werden, daß er auf einem billigen Ausgleich aller Interessen beruht.

Ich möchte mir noch erlauben, kurz auf etnen Punkt einzugeben, die Frage der Nückforderung der Subventionen. Diese Seite der Angelegenheit ist von der Reichsleitung besonders sorgfältig geprüft worden. Ein von uns eingeholtes Gutachten einer Autorität auf dem Gebiete des Völkerrechts hat sih dahin ausgesprochen, daß eine reckt- liche Verpflichtung der Schweiz zur Rückzahlung der Subventionen durch die Tatsache der Verstaatlihung niht geschaffen wird.

Nachdem wir uns mit der Schweiz anderweitig verständigt hatten, konnte die Neichsleitung in Uebereinstimmung mit den deutschen Bundesstaaten, die seinerzeit Subventionsanteile übernommen hatten, und mit der italienishen Regierung von der ganzen oder teilweisen Rükforderung der Subventionen als Kompensation für die Zu- stimmung zu der Verstaatlihung Abstand nehmen. Patengeschenke pflegt man, ganz abgesehen von der Rechtslage, niht gern zurück- ¿ufordern. Die Subventionen sind seinerzeit geleistet worden, um den Bau der Gotthardbahn und damit die Schienenverbindung zwischen Deutschland und Italien zu ermöglihen. Der Zweck der Hergabe der Subventionen ist daher teils durch die Herstellung der Gotthardbahn erfüllt, teils ist er auch dann als gewährleistet zu betrachten, wenn die Gotthardbahn nicht mehr von einer privaten Gesellschaft, sondern von dem s{chweizerischen Staate betrieben wird. Es liegt daher ein begründeter Anlaß zur NRückforderung der Subh- ventionen niht vor. Jch bitte Sie, meine Herren, dem Vertrage Ihre Zustimmung zu erteilen.

Präsident des Reichseisenbahnamts Wackerzapp: Gegenüber der von dem Herrn Staatsfekretär des Auswärtigen Amts erwähnten abfälligen Kritik des Vertrages möchte ih den Nachweis versuchen, S sih der Vertrag als ein billiger, für alle Vertragsteile gleich an- nehmbarer Ansgleich der verschiedenen widerstreitenden Interessen dar- stellt. Er legt auf der einen Seite der Schweiz niht unerhebliche Verpflichtungen auf und bringt auf der anderen Seite Deutschland und Italien Vorteile. Seit 1883, dem ersten vollen Betriebsjahre, ist die Gesamteinnahme der Gotthardbahn gestiegen von rund 104 auf rund 294 Mill. Mark im Jahre 1908. Sie hat sih also in diesem Zeitraum nahezu verdreifacht. Die Steigerung des Personen- und Güterverkehrs vollzog sich in ähnlihem Verhältnis. Die Hoff- nungen, die man seinerzeit bei der Subventionierung der Bahn an

den alten wesen ist befriedigend gecrdnet, ebenso enthält der Vertrag Be- stimmungen über die Zulaffung zum Wettbewerb bei Material- lieferungen. Demgegenüber hat die Schweiz Gegenkonzessionen von

bezeichnet werden können. Es entstand die Frage, ob die Schweiz berehtigt war, ohne vorherige Genehmigung der subventionierenden Staaten, die Gotthardbahn zu verstaatlichen. Von einer Entscheidung dieser Frage konnte abgesehen werden, nachdem die Schweiz sich zu Konzessionen bereit erklärt hatte. Auf etne Beteiligung an. dem Reingewinn der Gotthardbahn über 79/0 hinaus konnten wir um so mehr verzichten, als dieser Reingewinn im Laufe der Jahre ein verhältnismäßig geringer war. Der Hauptvorteil, den die Schweiz von dem neuen Vertrage hat, ist der, daß sie in den ungestörten Besiß und Genuß der Bahn gelangt, und damit auch in den Besitz des Aufsichtsrehts. Es ist zu hoffen, daß der neue Vertrag die Handels- AAUES zwischen Deutschland und der Schweiz kräftig fördern

rd. Abg. O von Hatfeldt (Rp.): Wir wünschen, daß bei der Verstaatlichung der Gotthardbahn die Besißer der Aktien, die heute den doppelten Wert haben und sich zum größeren Teile in deutschen L befinden, für ihren Besiß eine angemessene Entschädigung erhalten.

Abg. Dove (fortshr. Volksp.) : Es handelt sich lediglich darum, die deutshen Verkehrsinteressen zu vertreten angesihts der Tatsache, daß uns jeßt ein anderer Kontrahent gegenübersteht. Der Wunsch des Vorredners wird sih, wenn auch selbstverständlich die deutsche Diplomatie die Interessen der deutshen Aktionäre wahrnehmen wird, im Rahmen des Vertrages {wer verwirklichen lassen. Wir können M eine fremde Macht kaum auf die Höhe der Entschädigung einwirken.

Staatssekretär des Auswärtigen Amts Freiherr vonSchoen :

Meine Herren! Jch habe es absichtlih vermieden, in meinen Aus- führungen über die neuen Gotthardbahnabmachungen auf die Frage der Abfindung der Aktionäre einzugehen. Nachdem aber diese Frage von zwei Herren Rednern berührt worden ist, kann ih wohl nit vermeiden, auf sie etwas einzugehen. i

Das Auswärtige Amt hat der Frage der Abfindung der Aktionäre der Gotthardbahn seine besondere Aufmerksamkeit geschenkt, und es ist vor und während der Verhandlungen in Bern sorgsam darauf ge- achtet worden, daß die auf dem Spiele stehenden deutshen Interessen nicht vernachlässigt würden. Die Verhandlungen zwischen den Aktionären der Gotthardbahn einerseits und dem Schweizer Bund anderseits {weben zurzeit noch. Nach Ansicht der Vertreter der deutschen Aktionäre, welche, wie Ihnen bekannt, den größten Teil des in Gotthardaktien investierten Kapitals in Händen haben, sind diese Verhandlungen augenblicklich auf einem Stande, welcher ziemlich sicher zu der Erwartung berechtigt, daß sie in nicht zu ferner Zeit zu einer Verständigung zwischen dem Bund und der Bahn führen werden. Aus diesen Gründen hat die Reichsleitung zurzeit keinen Anlaß, ihre amtliche Vermittlung in der Angelegenheit eintreten zu lassen. Jch kann bin- zufügen, daß diese Vermittlung auch in den Kreisen der Aktionäre zurzeit nicht gewünsht wird Kreise, welhe uns haben wissen lassen, daß die Wahrung ihrer Interessen in den besten Händen ruht. Es ist selbstverständlih, daß das Auswärtige Amt diese Angelegenheit au fernerhin mit Aufmerksamkeit verfolgen wird, und auch wir hoffen, daß die Trage in niht ferner Zeit in befriedigender Weise

l d gelöst werden fe H. IStois Q E î bg: S d ‘dlminn (Soz.): iz werden dem Vertrag zu- stimmen, las} lid unôs/darin auch ni Prbdurch die Befürchtung irre machen, da (9 id) de Aktionäre zu kurz emen könnten. Abg. S{nUlbach (nl.): Auch wir skräämen dem Vertrage zu.

Damit Jhließt die erste Beratung,

Jn zweiter Lesung wird der Vertrag ohne Debatte im einzelnen genehmigt.

Hierauf seßt das Haus die Spezialberatung des Etats für die Verwaltung der Kaiserlichen Marine fort und nimmt die allgemeine Diskussion, die an den ersten Titel des Ordinariums der Ausgaben „Staatssekretär 44000 4“ ge- knüpft ist, wieder auf. i

Abg. Dr. Struve (fortschr. Volksp.): Der Reichskanzler hat in der leßten Sißzung ausgeführt, unsere Flotte diene nit aggressiven Zwecken, sonden nur dem Schuße der Küsten und des Handels, und es komme Deutschland auf ein gutes Verhältnis zu England an, und nicht nur zu England, sondern auch zu allen anderen Staaten. So sehr wir den preußischen Minislerpräsidenten bekämpfen müssen und werden, so sehr freuen wir uns des offenen Bekenntnisses des Reichs- kanzlers zur planmäßigen Förderung guter Beziehungen zwischen allen Kulturvölkern. Er will au, daß die Volksstimmung zugunsten dieser Auffafsung gefördert wird. Das gleiche sehen wir als unsere Aufgabe an, und auch wenn wir die Marine kritisieren, geschieht es zu keinem anderen Zweck. Auch die Absicht, unsere moralische Macht- tellung zur See zu stärken, soll dem Frieden dienen, wie die Marine ein Instrument des Friedens sein soll. * In der Kritik werden wir uns nit irre machen lassen, au nit durch irgend eine noch so wohl- ftilisierte Verfügung des Berliner Polizeipräsidenten, der mit seinem Worte „übergenug“ doch sehr bedenklih daneben gehauen hat. (Abg. von Gamp: Marineetat!) Ich freue mich, daß auch von konservativer Seite endlih auch bei der Marine möglihste Sparsamkeit gefordert wird. Aber platonische Bekenntnisse zur Sparsamkeit nüßen uns nichts; wenn man sparfam sein will, muß man streichen, ein anderes gibt es nicht. Im sten Jahre sollten niht nur auserlesene Kapitel, sondern der ganze Marineetat der Kommission überwiesen werden. Der Abg. zu Putliy sprach davon, daß der ehemalige Oberst Gaedke vom „Berliner Tageblatt“ von keinem verständigen Menschen ernst ge- nommen wird. (Abg. Gothein: Nur die Herren da drüben haben Verständnis!) Wir müssen gegen eine solche Charakterisierung Wider- \spruh erheben. Mit der Bemerkung über den englischen Marinsetat hat der konservative Redner die Unklarheit und Unübersichtlichkeit des deutschen implicite zugegeben; und wie er dazu kommen konnte, von diesem Gesichtspunkte aus gegen das parlamentarische System zu polemisieren, ist uns gänzlih unerfindlich. Unklar und unüberfichtlih ist vor allem das ganze Besoldungssystem der Offiziere. Insbesondere für die Verhältnisse an Bord muß die Gliederung und Spezialisierung organischer dur{geführt werden. Eine Statistik über die Havariefälle ist uns wenigstens für das nächste Jahr versprochen worden; darin muß nach unserer Meinung au eine Angabe über die Kosten der Havarien enthalten sein, sodaß wir übersehen können, ob ein besonderes Konto für die Havarien aufzustellen sein wird. Eine Reibe von unseren Spezialwünschen fönnte die Marineverwaltung leiht erfüllen. Die Handwerker in Kiel sind direkt in ihrem Erwerbe gestört worden durch eine neue Ver- fügung des Stationskommandos, welches das Tragen von Grtrazeug durch die Angehörigen der Marine sehr erschwert und sie im übrigen auf das Bekleidungsamt als die beste und billigste Bezugsquelle verweist. Die Handwerker und Geschäftsleute, die sih mit großer Mühe ihre Gristenz eingerihtet haben, sehen sich dadurch ernstlich bedroht. Die Konkurrenz des Offiziervereins ist für diese Leute {hon ohnehin {wer genug. Das Kommando der Marinestation der Ostsee hat

diese Bahn geknüpft hat, sind in Erfüllung gegangen. Der Betrieb ist

dauernd sichergestellt gegen Unterbrehungen aller Art, und es ist Vorsorge getroffen, daß die Bahn in Zukunft als inter- nationales Verkehrsinstitut voll genügt. Durch den neuen Vertrag erhalten Deutschland und Italien das Recht der Meistbegünstigung. Die Ohcstsäpe für Personen- und Güterverkehr erfahren gegenüber

äßen eine erheblihe Ermäßigung. Auch das Zuschlag-

unserer Seite erhalten, die wohl als ein annehmbares Aequivalent

einen Pafsus enthält, der einshärft, daß verheiratete Untero fiziere au der e zunächst ihre Vorgeseßten zu grüßen und A ali M die von ihnen im Straßenverkehr efübrten Kinder zu achten haben. Es ist doch nur recht und billig, wenn die Betreffenden im Straßen- gewühl zunächst auf die Sicherheit ihrer Kinder achten. Die Deck- offiziere möchten sfih niht wie die Mannschaften oder Rekruten be- handeln lassen, wie es vielfach noch der Fall ift ; gewisse Formalitäten sollte man ihnen doch erlafsen. “Sie haben eine Zwitterstellung zwischen den Feldwebeln und den Offizieren; sie sind aber bezüglih des d is der Bivilkleider höchst lästigen Beschränkungen unter- worfen; alte verheiratete, 40jährige Dekoffiziere müssen z. B. in Uniform bleiben, wenn sie ihren Garten bestellen oder sonst land- wirtschaftliche Dinge zu erledigen haben. Die Denkschrift über das Zulagewesen wird uns n Material darüber zu geben haben, wie es angestellt werden muß, unsere Deckoffiziere länger bei der Stange zu behalten; heute ist der frühe Abgang eines Dekoffiziers ein direkter Schaden für die Marine. Die Rechte hat inzwischen einen Antrag eingebracht, die geringen Abstriche, die die Kommission an den Verpflegungszula en vorgenommen hat (271500 #6 von einem Betrage von 5 Millionen) wieder rückgängig zu machen. Wie sollen wir vorwärts kommen, wenn die Nechte derart ihre Spar- samkeitsabsichten dokumentiert? Es ist {on angeführt worden, daß die Marineoffiziere 7,8 Millionen Gehalt beziehen, daß aber die Zulagen dazu sich auf niht weniger als 4,3 Millionen belaufen. Ich verstehe nicht, wie der Staatssekretär bestreiten kann, daß ein regelmäßiger Dampferverkehr zwischen Wilhelmshaven und Bruns- büttel besteht. Der Staatssekretär hat die Angaben des Abg. Leonhart L der Tafelgelder bestritten. Er kennt offenbar die Besoldungs- vorschristen nicht. Die schlechten Informationen sind bisher nur auf Seite des Staatssekretärs gewesen, nicht bei uns. Die Werftarbeiter in Kiel wünschen die Beschaffung von Badegelegenheit.

Staatssekretär des Reichhsmarineamts, Admiral von T ir pig:

Meine Herren! Der Herr Abg. Struve hat eine Reibe von dankenswerten Anregungen gegeben, denen die Marineverwaltung, soweit es’ ihr möglich ist, nachkommen wird. Ih möchte auf einige Punkte hier auch meinerseits eingehen.

Was zunächst die Badegelegenheit für die Arbeiter in Kiel be- trifft, so werden wir nach Möglichkeit diese Frage fördern, und es kann uns nur erwünscht sein, daß den Arbeitern eine gute Gelegenheit in dieser Beziehung gegeben wird.

Was die Frage betrifft, daß zu viel Ertrazeug von den Be- Éleidung8ämtern bezogen würde und zu wenig von den Geschäfts- leuten, fo liegt die Sache so, daß die Bekleidungsämter nur ungern Ertrazeug anfertigen, weil es den ganzen Betrieb stört. Auf der ‘anderen Seite werden sie von der Front dazu ge- drängt, weil die Preisdifferenz eine außerordentlich große ist. Ich möchte einige Einzelheiten anführen. Die Jake kostet beim Be- kleidungsamt 20 4 Unkosten eingerechnet —, während sie bei den Zivilgeschäftsleuten in Kiel 42 4 kostet. Der Neberzieher kostet bei den Bekleidungsämtern 24,60 41, bei den Zivillieferanten 50 A, und fo geht es weiter. Aber das ist nicht der einzige Grund, fondern die Kommandos haben noch einen anderen Grund gehabt, weshalb sie im allgemeinen den Wunsch haben, daß das Ertrazeug von den Be- Éleidungsämtern genommen wird, und dieser Grund liegt darin, daß die Geschäftsleute in Kiel einen viel zu reichlichen Kredit gewähren, und daß auf diese Weise die Unteroffiziere in Schulden gekommen sind. Diese Kreditgewährung ist natürlih bei den Befkleidungs- ämtern niht angängig, dort muß bar bezahlt werden. Das ist der Grund gewesen, weshalb die Frontkommaüdos gewünsht haben, daß die Bekleidungsämter stärker herangezogen werden, in- dessen werde ih sehen, ob man den Bezug von den Bekleidungs- ämtern troßdem beschränken kann. JIch muß aber erwarten, daß die Geschäftsleute in Kiel den Mannschaften gegenüber, was die Preise betrifft, auch eine erheblihe Reduktion der Preise eintreten lassen.

Was dann den Punkt betrifft, daß Unteroffiziere rektifiziert

worden sind, weil sie, wenn sie im Gedränge in der Stadt ein Kind an der Hand gehabt haben, dies beim Grüßen nit losgelassen haben, so kann ih mir das gar nit vorstellen. Das wird ja kein ver- ständiger Offizier tun! Es kann nur vorgekommen lein, daß ein Unteroffizier in dieser Beziehung zur Verantwortung gezogen worden ist, weil er in salopper Weise gegrüßt und das Kind beim Grüßen nicht losgelassen hat, wo kein Gedränge und keine Notwendigkeit dazu war. Wenn ih früher einen Vorgeseßten grüßte, so habe ich auch das Kind losgelassen; ih stehe da niht anders als ein Unteroffizier, es ist eben die Vorschrift maßgebend, und danach muß verfahren werden. Was die Meldungen der Deckoffiziere bei den Bezirksämtern der Armee betrifft, so handelt es sich da um allgemeine Armeevorschriften, auf welche die Marine einen maßgebenden Einfluß nit bal Jch bin übrigens über diesen Punkt mit meinem Herrn Kollegen vom Kriegs- ministerium in Verbindung getreten, daß für die Deoffiziere in dieser Beziehung eine Erleichterung geschaffen wird. Die Dedkoffiziere fteben nach unserem Marinebegriff höher als die Bezirksfeldwebel, das ist rihtig, man hat in der Armee niht den Begriff des Dekoffiziers Ferner möchte ih doch sagen, daß, soweit mir bekannt, älteren De- offizieren, wenn sie den Antrag gestellt haben, außerhalb der Garnison in Zivil zu gehen, z. B. bei Ausflügen usw., dies stets erlaubt ift, im Auslande ist es ihnen von jeher immer erlaubt, und es wird ihnen, wie gesagt, im Inlande außerhalb der Garnison auch nit verwehrt werden. Ganz bestimmt wird ihnen gegenüber keine andere Praxis gehandhabt als den Fähnrihen und jungen Offizieren gegenüber, im Gegenteil, diesen jungen Herren gegenüber tun wir alles, um das Inzivilgehen zu beshneiden. Es glückt niht immer, aber die Absicht ist vorhanden.

Was nun die Frage. des regelmäßigen Verkehrs zwischen Curhaven und Brunsbüttel anbetrifft, so ist es rihtig, wie der Herr Abg. Dr. Struve ausgeführt hat, daß jeßt ein Verkehr existiert insofern habe ich mich geirrt —, aber die Intendantur hat berihtet und daraufhin hatte ih in der Budgetkommission meine Angaben gemacht —, daß die Dampfer als ungeeignet zur Beförderung von Offizieren und Beamten bezeichnet werden müßten. Es sind Viehdampfer, auf denen eine enge allgemeine Kajüte ist, in welcher Offiziere in Uniform mit den Viehknechten zusammenfahren müssen, und das ist denn doch nicht ganz gehörig. Infofern ist Herr Dr. Struve also formell im Recht, in der Sache habe ih nihts Unrichtiges gesagt.

Was ferner die Frage anbetrifft, daß die Reserveformationen Zafelgelder bekommen, fo muß ih aufrecht erhalten, was i gesagt habe: nur die in Dienst befindlißben Stamm- schiffe der Reservedivisionen bekommen Tafelgelder. Was die Torpedobootsreservedivisionen anbetrifft, so bekommen diese nur dann Tafelgelder, wenn sie 24 Stunden in See fahren, dann

eine Verfügaung erlassen, die die Straßendisziplin fördern soll und

müssen die Besaßungen natürli Schiffsverpflegung bekommen. Es

| bedienen wollen. Es handelt sch um zwei große ragen,

sind das aber nur einzelne Boote, die wirklich aktiviert sind, nicht (imtliche Boote der ganzen Reserveformationen, die zu Dugtenden daliégen., ;

Was nun die Stellenzulagen betrifft, so habe ih für das nidhste Jahr eine entsprehende Denkschrift zugesagt. Jch habe aud vorgestern zugegeben, daß im Laufe der Zeit durch Auf- yfropfen von Bestimmungen und Veränderung der Verhältnisse die Angaben im Etat bezüglih der Stellenzulagen etwas unübersichtlih

| eworden sind, und daß wir eine größere Klarheit schaffen werden.

V

Ia hoffe, daß wir dann auch zu einer gewissen Neduzierung kommen

werden.

Bezüglich der Stellenzulagen Tafelgelder sind keine Stellen- ¡lagen! —, die wirklih im Etat ausgeworfei sind, hat Herr Dr. Struve, wenn ih ihn recht verstanden habe, sich dahin ausgesprochen,

| 1s ob namentlich die Offiziere von den Stellenzulagen viel profitierten.

Hie Sache liegt aber do etwas anders : Von den ganzen Stellenzulagen im

| tat kommen 80 9/9 auf das Maschinenunterpersonal aus Gründen, die Ih jeßt nicht des näheren darzulegen brauche. 6 9% kommen auf das übrige Unterpersonal, also im ganzen 86% auf das Innterpersonal! Es bleiben an Stellenzulagen für Offiziere, | Ingenieure und Beamte 14 9%/% übrig, und von diesen 14 9% {ommen nur 3 9/06 auf die Sceoffiziere, 7 9/06 auf die Ingenieure, [30/0 auf die Zahlmeister und 1 9/9 auf die Aerzte. h fiziere sind also außerordentlih gering bedaht. Soviel ih mich er- | innere und aus dem Kopf sagen kann, sind es überhaupt nur 2 Offi- iere, die Stellenzulagen an Bord bekommen, nämlih der Erste Offi- l jer und der Gerichtsoffizier. Der Gerichtsoffizier bekommt 20 [nb der Erste Offizier 3 4. Also die Behauptung, daß Stellen- | lagen in der Marine derart eingerichtet sind, daß Offiziere viel be-

Die See-

fommen, sind nach den Angaben, die ih eben gemacht habe, nicht ganz zutreffend.

Abg. Freiherr von Gamp-Massaunen (Rp.): Ich beabsichtige nit, dem Abg. Dr. Struve auf das Gebiet der lokalen Wünsche

u folgen. Darin A ih ihm allerdings recht gehen, daß der

Abg. Edler Herr von Putliß sih mit dem früberen Oberst Gaedke

ubiel beschäftigt hat. Er hat dadur dem Herrn zuviel Ghre angetan.

6s wäre viel besser gewesen, fich mit diesem Herrn nicht weiter u beschäftigen. Ich bedauere lebhaft, daß die Abgg. Dr. Südekum ind Graf Oppersdorff es nicht für rihtig gehalten haben, in die Budgetkommission einzutreten. Sie haben eine Reihe von Punkten vorgebracht, die viel besser dort eine Beratung gefunden hätten. Graf Oppersdorff hat troß des guten Willens, den er zweifellos

} gehabt hat, der Marineverwaltung die befriedigende Lösung der | hwierigen Frage der Panzerplatten nicht erleichtert, sondern ihr

(were Hindernisse bereitet. Er leitete seine Ausführungen mit der

| Bemerkung ein, es finde eine Vernachlässigung und stiefmütterliche | Behandlung großer Firmen statt. Er muß also bestimmte Firmen im INuge gehabt haben, die eine, Ehrhardt, hat er ausdrüdcklih ge-

nannt. Die andere ist die Firma Thyssen. Er hat an den Marineminister die Aufforderung gerichtet, er möchte seinen Kollegen, den Kriegsminister, freundlichst „animieren“, die Firma

| Ehrhardt mehr zu beahten. Jch möchte den Staatssekretär dringend

warnen, diesem Nate zu folgen. Die Antwort vom Kriegsminister

I würde keine sehr freundliche sein. Der Staatss\ekretär hat mit seinen y i: S E L [El | Marineangelegenheiten zu tun. Wenn Graf OVppersdorff Wünsche

hat, die sih an den Kriegsminister rihten, muß er sich an diesen wenden und sh niht des Marinestaatssekretärs als Briefträgers

die die Budgetkommission {hon einige Dezennien beschäftigt hat, die Panzerplattenfrage, der jeßt diejenige der Kanonen hinzu- getreten ist. Es ist bekannt, daß bis 1877 England ausschließlich die Panzerplatten für unsere Flotte lieferte. Damals veranlaßte der Marineminister von Stosh die Dillinger Hütte, die Panzerplatten- fabrikation aufzunehmen. Sie wies darauf hin, daß sie keine Er- fahrungen hätte und die Patente von England kaufen müsse. Es gelang ihr aber, in wenigen Jahren ihre s{hwierige Aufgabe zu lösen. Da empfand es die Marineverwaltung als einen großen Nachteil, auf einen einzigen Lieferanten angewiesen zu sein, und regte 1hrerseits Frupp 1900 an, die Fabrikation von Panzerplatten aufzunehmen. Jh weiß aus sicherster Quelle, daß Krupp sich damals gesträubt hat ; e wünschte einen solhen Geschäftszweig niht aufzunehmen. Er folgte \{ließlich den dringenden Wünschen und Bitten der Marine- verwaltung. Was jeder verständige Mensch voraussehen mußte, trat ein: Dillingen und Krupp vereinigten si, die gewünschte Konkurrenz war niht mehr vorhanden, und das war das verständigste. Durch diese gemeinsame Arbeit der beiden hervorragenden Institute gelang es, ata Panzerplattenfabrikation so vorwärts zu bringen, daß sie in der Welt den ersten Rang einnimmt. Krupp erfand den Nickel- stahlpanzer und hat damit der Firma Dillingen den Dank abgestattet dafür, daß diese ihm ihre Patente zur Ausnußzung mit überließ. Der Abg. Erzberger brauchte den Ausdruck, wie sehr müßte die Marine- verwaltung übers Ohr gehauen sein, wenn es jeßt möglich wäre, 58 Millionen zu ersparen. Damals handelte es fh bei den Ver- handlungen in der Budgetkommission über die Panzerplattenfrage um eine Differenz von un efähr 400 6 für die Tonne. Man kann zweifelhaft sein, ob nicht dieser Vorteil innerhalb angemessener Grenzen liegt. Ich bin der letzte, der nicht mit voller Anerkennung hervorhebt, daß es cin Verdienst des Abg. Müller-Fulda war, zu einem Vergleich mit den Auslandspreisen anzuregen, um auf eine Herabseßung der Preise zu dringen. Aber das tun wir alle Augenblicke, und man kann der Marineverwaltung keinen Vorwurf machen, wenn sie entsprehend dieser Anregung vorgeht. Wir haben jeßt die besten Platten der Welt. Wenn aber, was ih nit für tonen halte, eine große Firma sih findet, die an diesem Geschäft teilzunehmen wünscht, wird sicherlich die Marineverwaltung ihr keine Schwierig- keiten machen, sondern im Gegenteil ihr so entgegenkommen wie irgend möglih. Nun ist es ja gelungen, eine Firma ausfindig zu machen, die zur Aufnahme der Panzerplattenfabrikation bereit ist. Thyssen steht im Ruhm eines hervorragenden Geschäftsmannes. Selbftverständlich hat er sich diese Situation zunuße gemacht, indem er sagt, wenn der ganze Reichstag durchaus ein drittes Werk haben will, so telle ich mich zur Verfügung, aber meine Interessen dürfen dabei in keiner Weise verletzt werden. Die Bedingungen Thyssens würden, wenn Krupp sie gestellt hätte, wahrscheinlich eine ganz andere Be- urteilung seitens des Grafen Oppersdorff gefunden haben. Er gab zu, daß die Bedingungen Thyssens außerordentlich harte find. Das Reich müßte die Patente aufkaufen und allen Werken ur Verfügung stellen, Thyssen hätte ja diese Forderung auch gestellt. Es ift wirkli eigentümlih, daß Graf Oppersdorff, der doh niht so in dieser Fabrikation steht, genau auf denselben Gedanken gekommen ist wie Thyssen. Ich halte diesen Gedanken für einen außerordentlih unglüdcklihen. (Zuruf des Abg. Grafen Oppersdorff: Troy Thyssen ?) Sie können sogar sagen, troß des Grafen Oppersdorff. Krupp sind allerdings für eine Reihe von Jahren die Lieferungen zugesagt, aber niht umfonst, sondern er hat auf die vertragsmäßigen hohen Säße, die er für drei Jahre noch zu fordern hatte, verzichten müssen. (Zuruf des Abg. Erz - berger: Mehrlieferungen !), Gewiß, es kommt doch gar kein anderer in Frage. Wenn Krupp-Dillingen nicht loyal gewesen wäre, hätte er einfah auf dem Vertrag bestanden. Er hätte die hohen Preise doch bekommen müssen, mindestens bis ein neues Werk in Tätigkeit treten konnte. Zweitens hat Krupp die Verpflichtung übernommen, den Vertrag sofort aufzuheben, sobald ein Staatspanzerplatten- werk gebaut wird. Hat Thyssen diese Verpflichtung übernommen ? Nach meinen Informationen hat er sie als eine große Ungerechtigkeit bezeichnet. Ferner hat Krupp zugestanden, daß er, wenn durch andere

eine Verbesserung der Fabrikationsmethoden erreiht würde, auf seinen Vertrag verzihten wird. Thyssen Ene das als unerhörte Ungerechtigkeit. Ich bitte, zu der Frage Stellung zu nehmen, was der Marine blüht, wenn sie den Vertrag mit Thyssen abschließt. Wenn ein anderes Werk eine Fabrikationsmethode herausfindet, vermöge deren die Panzerplatten noch einmal so lange halten, würde die Marineverwaltung diese Platten gar nicht nehmen können, weil sie an Thyssen gebunden ist, während sie den Vertrag mit Krupp sofort lösen fönnte. Jh möchte den Staatssekretär fragen, ob diese Mitteilungen, die ih von sachverständiger Seite bekommen habe, zutreffend sind oder nicht. Krupp is darauf eingegangen, auf seinen Vertrag zu verzichten, wenn jemand erheblih billigere Preise stellen sollte, Thyssen hält das für eine große Nücksichts- losigkeit und Brutalität. Es gibt viele Geschästszweige, in denen die Verträge auf Grund der Pifferenzkläusel zustande kommen. Wenn Krupp und Dillingen jeßt erfahren, was Thyssen will, so werden sie uns etwas husten, die Preise zu ermäßigen. Das haben Sie erreiht, Herr Graf Oppersdorff! Ich ‘will abwarten, ob es auch dem Kolonialstaats\ekretär gelingen wird, aus den Diamanten 98 Millionen auf den Tish des Hauses niederzulegen, wie es dem Staatssekretär des Reichsmarineamts seinerseits gelungen ist. Ein Staatswerk zu errichten, halte ich doch für bedenklih, denn in einigen Jahren werden wir weniger brauchen, die beiden Werke haben bisher v-llständig genügt. Käme ein drittes Werk, so würde es doch nicht etwa Krupp unterbieten, sondern sich mit Krupp verständigen, und der Staatssekretär und wir wären die Leid- tragenden. Nun ein Wort über die Geschüßfabrikation. Bekanntlich hat sich eine Reihe von Firmen an der Fabrikation kleinkalibriger Geschüße beteiligt. Aber der Protégé des Grafen Oppersdorff, Ehrhardt, ist doch darin sehr rückständig. Er hat bisher einem Grsuchen, ein 18 kalibriges Geschüß zu liefern, niht entsprochen. Der Abg. Erzberger irrt, wenn er meint, daß im Auslande dieselben Kanonen um 3099/9 billiger geliefert werden. Krupp liefert unbestritten ein ganz anderes Material als das Ausland. Die Geschüßfabrikation ist eben Krupps Geheimnis. Die Engländer haben 25 °%/9 Reserve für ihre Kanonen einstellen müssen. Es ist ein Aft des Patriotismus, wenn Krupp darauf verzichtet, sein Fabrikationsgeheimnis an das Ausland abzugeben. Sollte eine Firma Krupp übertreffen, so werden thr die Leferungen übertragen werden. Die Verhältnisse des Kriegsministeriums und des Reichsmarineamts hinsichtlih der Beamten und der Bezahlung kann man nicht mit- einander vergleichen, wie es Graf Oppersdorff getan hat. Was die Werftverwaltungen betrifft, so handelt es sh hier um einen Staats- betrieb. Es ist nicht notwendig, daß der Staatsbetrieb teurer wirtschaftet als der Privatbetrib. Ich will aber zugeben, daß das tatsächlih der Fall ist. Woran liegt das? Der Privatbetrie

sucht sih für seinen Betrieb die günstigste Stelle aus. Das kann die Werft niht. Sie arbeitet ganz überwiegend im Winter, wo die Arbeitsleistung eine sehr viel geringere ist als im Sommer. Die Anforderungen an die Werft sind außerdem großen Schwankungen unterworfen. Die Verwaltung sollte hier mehr kaufmännischen Geist betätigen. Eine gleichmäßige Arbeitsleistung ist notwendig, dann werden auh nicht so viele Arbeiterentlassungen stattfinden. Die Anlagen sind für den Kriegsfall geschaffen, das muß berüdfichtigt werden, wenn man ihre Bilanz mit der der Privatbetriebe vergleicht. Dann lasten auf den Werften unsere Bestimmungen über das Rechnungswesen. Wir müssen zu einer sachgemäßen Kontrolle kommen ; die Kontrolle muß von erstklassigen Leuten vorgenommen werden. Wir haben ja versucht, die Verwaltung von alten Fesseln freizumachen. Hoffentlich erleben wir bald die günstigen Erfolge dieser Maßregel. Die Beschassung des Verwaltungspersonals bei der Werft erfordert besondere Vorsicht. Man darf nicht glauben, daß die Privatbetriebe immer gut geleitet werden. Es gibt auh bei Kaufleuten nicht ledigli Uebermenshen. Einen Nachteil hat die Werftverwaltung R die Art der Beschaffung des Verwaltungspersonals. Die cifenbahnverwaltung hat seit ihrem Bestehen die Praxis befolgt, sich aus dem Heere der Assessoren die Geeignetsten heraus- zuwählen. Die Marineverwaltung befolgt dieses Prinzip leider nicht. Dem Staatss\ekretär müssen die betreffenden Bewerber aus dem Justiz- dienst mindestens 2 Iahre zur Probe zur Verfügung gestellt werden. Es follte auch niht der älteste Beamte Betriebsdirektor werden, fondern der tüchtigste. Man legt überhaupt bei uns vielzuviel Wert auf akademishe Grade und Prüfung. Der Abg. Leonhart hat ge- fragt, warum für die Küstenverteidigung nichts geschehen sei. Sollen etwa noch soundsoviele Millionen für die Küftenverteidigung aus gegeben werden außer für den Schiffsbau? Sollen etwa die Aus- gaben für die Flotte eingeschränkt werden zu Gunsten der Küsten- verteidigung? Ich glaube, und mit mir wohl die ganze Nation, daß der Staatssekretar auf dem richtigen Wege ist. Was hätten wir denn, wenn wir 100 Millionen für die Küstenverteidigung aus- gegeben hätten? Als wir die Marinereise machten, sagte ih dem Abg. Semler, die Städte, die die Küstenverteidigung wollten, sollten mindestens die Kosten dafür tragen. Da sagte mir der Abg. Semlex, die Hamburger pfiffen an die Küstenverteidigung, fte brauchten keine. Wir brauchen unser Geld für die Flotte, das ist die Meinung des Landes. Lassen Sie doch kleinliche lokale Wünsche aus dem Spiele! (Zuruf.) Jeder Preuße hat das Recht, seine Meinung frei und offen zu äußern. (Zuruf: Jagow!) Der Abg. Leonhart sagte, ohne neue Steuern sei eine Balancierung des Etats in den nähften Jahren niht möglih. Dagegen muß ih entschieden protestieren. Wir brauchen keine neuen Steuern, wir wollen sie auch niht haben. Der Abg. Leonhart hat auch in der Kommission keine Anträge auf Abstrihe gestellt. Wir haben in der Kommission den Mearineetat so eingehend geprüft wie nie zuvor. Der Abg. Leonhart hat kein Recht, die Kommission anzugreifen, nahdem er selber, obwohl er Mitglied der Kommission ist, niht höhere Abstrihe empfohlen hat. Ich konstatiere, daß alle Abstriche bei der Marineverwaltung ein- stimmig beschlossen worden sind bis auf einen. Dieser, der die Messe- gelder betraf, ist nur mit geringer Mehrheit beschlossen; ein Antrag aus dem Hause will ihn wieder beseitigen. In diesem Ausnahmefa

bin au ich als Vorsißender der Kommission für diesen Antrag. Wir lauben, diesen Beschluß uiht mitmachen zu sollen, weil es uns un- billig ersheint, am 20. Dezember zu beschließen, daß am 1. April In welche Lage bringt man damit die Offiziere, die sch mit ihrem ganzen Standard bereits darauf eingerihtet haben ? (Buruf . des Aa, Grzberger: Zum 1. Juni!) So, das ist etwas anderes, dann muß ich das übersehen haben. Der Beschluß wurde nur mit 12 gegen 11 Stimmen gefaßt; wäre ein Kollege, der häufig zu spät kommt, nicht au diesmal zu spät gekommen, so wäre Stimmengleichheit ein- getreten. Auch die Hälfte der Freisinnigen hat mit uns ge- stimmt. (Zuruf links: Vertraulih!) Namen" nenne ih auch nicht. Ich bitte das Haus, den Antrag anzunehmen. In der Einführung der getrennten Arbeitszeit erblicke ih eine sehr glüdcklihe Anordnung und wundere mich sehr, daß gerade Vertreter aus Kiel dagegen sind. Gegen einige Gntgleisungen des Abg. Südekum muß ih noch kurz Verwahrung einlegen. UÜnsere Ausgaben für Sozialpolitik foll sic der Abg. Südekum ansehen und sih dann fragen, ob er die naive Auf- fassung noch rechtfertigen kann, daß die Marine die Sozialpolitik zum Verdorren bringt. Deutschland nimmt im auswärtigen Handel die zweite Stelle ein, und es ersheint niht unbillig, wenn es dann auch mit seiner Flotte die dritte oder .vierte Stelle einnimmt. Die Auffassung, daß die Engländer glauben könnten, unsere Flotte richte sich gegen England, ist längst widerlegt.

Staatssekretär des Reichsmarineamts, Admiral von Tirpiß:

Ich möchte in bezug auf die Ausführungen des Herrn Abg. Dr. Struve meiner besonderen Befriedigung Ausdruck geben über die loyale Erklärung, die er in der Angelegenheit des Umbaues „Marie“ gemacht hat, wodurch festgestellt ist, daß kein höherer Beamter des Reichs- marineamts den einen Eilbrief mit den falschen Angaben an ihn ge schrieben hat. Ich betone, daß ich für diese loyale Erklärung sehr dankbar bin.

diese Messegelder fortfallen sollen.

Nach den Ausführungen des Herrn Abg. Freiherrn von Gamp- Massaunen brauche ih auf die Panzerplattenfrage meinerseits nicht weiter einzugehen, ih habe mi ja ganz ausführliÞ am Sonnabend darüber ausgelafsen, und ich fann nur das bestätigen, was der Herr Abg. Freiherr von Gamp über diese ganze Frage hier in so klarer Weise zum Ausdruck gebracht hat.

Meine Herren, die weitere Anregung des Herrn Abg. von Gamp, die Werften gleihmäßig das ganze Jahr hindurch mit Arbeit zu versehen, die MReparaturzeiten nicht bloß in den Winter zu legen, sondern auch in den Sommer, ist s\ehr beahtens- wert. Die Erwägungen der Marineverwaltung gehen, wie ih sagen kann, nach derselben Richtung. Aber wir sind etwas behindert, und zwar einmal dur unsere kÉlimatishen Verhält- nisse. Wie die Herren ohne weiteres übersehen werden, ist es für uns vorteilhafter, im Winter die Instandseßungen vorzunehmen und den Sommer mit seinem langen Tagesliht zum Dienst und den Uebungen auszunüßen. Wir sind zweitens etwas behindert durch das Prinzip der allgemeinen Wehrpflicht, welhes wir in der Marine haben und von welchem wir auch nicht lassen können. Ferner werde ih versuchen, der Anregung des Herrn Abg. Freiherrn von Gamp Folge zu geben, nah Möglichkeit Assessoren mit Urlaub von dem Justizminister mir überweisen zu lassen und die Besten von ihnen, für unseren Verwaltungsdienst auszusuhen. Das ist natürlich insofern \hwierig, als man hier keine Kommandierung eintreten lassen kann, sondern im allgemeinen auf freiwillige Meldungen angewiesen ist. Darin stimme ih durchaus mit Herrn von Gamp überein, daß die Anciennitätsfrage keine oder nur eine sehr mäßige Nolle bei der Be- seßung der Stellen überhaupt spielen darf. Jch bin durchdrungen davon, daß man alles tun muß, um die leistungsfähigen Köpfe sich auszusuchen und nah oben zu bringen und an diejenigen Stellen, wo sie wirklich etwas leisten können. Ich habe das, soweit das irgend möglich ift, auch immer getan.

Bezüglich der Küstenverteidigung werden diejenigen Herren, die in der Budgetkommission gewesen sind und meine Ausführungen über diese Fragen gehört haben, mir das Zeugnis niht versagen können, daß ih mich immer sehr eingehend über unseren Standpunkt und unser Vorgehen in dieser Angelegenheit ausgesprohen habe. Ih möchte bitten, mich zu dispensieren, hier im Plenum über diese Materie sahlich etwas auszuführen. Ich möchte nur sagen, wenn die Marineverwaltung im ganzen genommen in der Zeit, während der ih die Ehre habe, an ihrer Spie zu stehen, eine ge- wisse Neserve nach der Nichtung hin geübt hat, so liegt das namentlich daran, daß wir der Ansicht sind, daß die Küsten- verteidigung an sih nichts beitragen kann, den Frieden zu erhalten. Von verschiedenen Rednern des hohen Hauses ift ja betont worden, daß die Ausgaben, die wir für die Marine anlegen, im wesentliben nach der Richtung angewendet werden sollen, uns den Frieden zu erhalten, die reine Küstenverteidigung und wenn wir die Küste von Memel bis Emden herunter mit Kanonen spicken wirkt nach dieser Richtung nihts. Im übrigen aber ist die Küstenverteidigung in Wirklichkeit doch nicht fo vernachlässigt worden, wie es nach den Auslassungen mancher Marineschriftsteller scheint. Ich möchte nur ein paar Zahlen an- führen, um dieser meiner Behauptung auch einen metallishen Hinter- grund zu geben. In der ganzen Periode des Generals von Stosch, von Caprivi, der darauf folgenden Chefs der Admiralität und Staatss\ekretäre bis zum Admiral Hollmann einschließlich, also von 1873—1897, find für Küstenverteidigung insgesamt 22 000 000 ausgegeben worden, dagegen in meiner Amtsperiode 1898—1909 29 000 000 M, und ih glaube, das Geld, was hier für die Küsten- verteidigung angelegt ist, ist an den Stellen angelegt, auf die es besonders ankommt und die besonders unsere Flotte unterstüßen können.

Der Herr Abg. Freiherr von Gamp ist dann so gütig gewesen, die Wiederherstellung eines, Teils des Abstriches bei den Tafelgeldern anzuregen. Wegen der großen Bedeutung dieser Frage für unser ganzes Personal, für die Offiziere, die Portepéeunteroffiziere, die Deck- offiziere usw., möchte ih dazu noch einige Ausführungen machen. Das Tafelgeld an sih bedeutet weiter nihts als die freie Verpflegung an Bord. So lange es Schiffe gibt, so lange es eine Marine gibt, ist die freie Verpflegung an Bord immer ein Grundsaß gewesen; bei unseren

Kauffarteischiffen ist sie durch die Seemannsordnung sogar geseßlich vorgeschrieben. Es liegt das in den. natürlihen Verhältnissen der Schiffe, besonders der Kriegsschiffe. An Bord eines Kriegs\chiffes besteht ein gemeinsamer Tisch, der in einer gewissen anständigen Art und Weise geführt werden muß, auf den aber der einzelne gar keinen Einfluß hat; der cinzelne muß sich nach der Gesamtheit richten. Nun ist für jeden, der einmal an Bord gewesen is, klar, daß das Wirtschaften an Bord ein besonders teures und unrationelles ist. Das kann man an Bord eben nicht anders machen. Da sind der Steward und die Stewardsmaate, die mitefsen. Speisekammerwirtshaft is unmöglih; die Einrichtungen, die es besonders auf den Woydschiffen usw. gibt, haben wir deshalb nicht, weil jene großen Passagierdampfer ja für die Menschen gemacht, unsere Schiffe aber für die Waffen gemacht find; da fallen für uns die Einrichtungen zum bequemen und rationellen Wirtschaften fort. Eine Hausfrau gibt es nicht, die Sachen verderben. Die Tisch- wäshe ist teuer, Geschirrbruch kommt sehr viel vor. Stellen Sie ih einmal vor: abgesehen davon, daß der Boden mit- unter wackelt, müssen die Speisen und Geschirre durch dunkle Gänge getragen werden, wo alle möglihen Ecken und Bolzen sind; ein ungeshickter Mann fällt darüber und wirft die ganze Geschichte hin. Es ist also an Bord in jeder Beziehung etn unrationelles und teures Wirtschaften. Wir können das aber nicht ändern.

Zu berücksichtigen ist auch, daß die verheirateten Herren doppelte Wirtschaft führen müssen. Ob ein verheirateter Offizier, der Familie an Land hat, selbst mit ißt oder nicht, ist für die Kosten ganz gleich; er muß seiner Frau gleihviel Haushaltungsgeld geben, ob er selbst da ist oder niht. Uebrigens werden auch bei der Armee überall da, wo außerhalb der Garnison Dienst getan wird, bei Manövern, auf Truppenübungsplätßen us:v.,, folhe Erxrtravergünstigungen gewährt. Man kann das Bordleben nicht einfah vergleichen mit dem ben in einer festen Garnison, wo man seinen ständigen Aufenthalt hat.

Nun ift besonders die Notwendigkeit der Höhe der Tafelgelder für den Geshwaderchef und Flottenhef bestritten worden. Aber es ist für diese Herren doch dringend notwendig, eine gewisse Re- präsentation zu üben. Es kommen beständig Klagen an die Marine- verwaltung, daß die Herren im Auslande mit den Geldern nicht

auskommen. Die Herren, die in fremden Häfen sind, z. B. kei einer

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