1870 / 10 p. 12 (Königlich Preußischer Staats-Anzeiger) scan diff

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solchen Revision \chreiten, so werden au die kontrahirenden deuts: Staaten auf Wunsch der O daran Theil nehmen.

F: M. v. Brandt. Higashi Kuze Chujo. Terashima Tozo. Tseki Sayemon.

Die Auswechselung der Ratifikations8urkunden des vorstchenden Vertrages hat in Jedo stattgefunden.

Bekanntmachung, betreffend die Bestimmungen, unter welchen der Handel Deutschlands in Japan getrieben werden soll. Vom 20. Dezember 1869.

Mit Bezugnahme auf die, dem vorstehenden Vertrage zwischen dem Norddeutschen Bunde und den zu demselben nicht gehörenden Staaten des Zollvereins einerseits und Japan andererseits vom 20. «Februar d. J. beigefügten »Bestimmungen, unter welchen der Handel Deutschlands in Japan getrieben werden soll«, wird hierdurch zur öffentlihen Kenntniß gebracht, daß die Zollermäßigungen, welche in der ersten Abtheilung der Bestimmung 7 unter Nummer 16, 87 und 88 für baumwollene, wollene und halbwollene Unterhosen und Unter- jaen festgeseßt sind, am 1. Januar 1870 in Kraft treten werden. Der übrige Theil der Bestimmungen befindet sich bereits seit dem 20. Fe- bruar d. J. in Wirksamkeit.

Berlin, den 20. Dezember 1869.

Der Kanzler des Norddeutschen Bundes.

In Vertretung: Delbrü ck. Bekanntmachung, betreffend die Ernennung eines Bevoll- mächtigten zum Bunde®drathe des Norddeutschen Bundes und

des deutschen Zollvereins.

Vom 6. Januar 1870.

In Verfolg der Bekanntmachungen vom 8. Mai v. J. (Bundesgeseßbl. S. 130 und 133) wird hierdurch zur öffent- lichen Kenntniß gebracht, daß auf Grund der Artikel 6 und 7 der Verfassungs - Urkunde für den Norddeutschen Bund, bezic- hungdweise des Art. 8. §§. 1 und 2 des Vertrages zwischen dem Norddeutschen Bunde, Bayern, Württemberg, Baden und Hessen vom 8. Juli 1867

von Sr. Majestät dem Könige von Sachsen: an Stelle des Geheimen Nathes und Ministerial - Direk-

tors Dr, Weinlig : der Geheime Regierungs - Rath Shmalz zum Bevollmäch- tigten zum Bundesrathe des Norddeutschen Bundes und zum Bundesrathe des deutschen Zollvereins ernannt worden ist.

Berlin, den 6. Januar 1870.

Der Kanzler des Norddeutschen Bundes. Gr. v. BiS8marck-Schönhausen.

Bekanntmachung, betreffend die Ernennung von Beyocll- mächtigten zum Bundesrathe des Norddeutschen Bundes und des Deutschen Zollvereins.

Vom 12, Januar 1870.

In Verfolg der Bekanntmachungen vom 8. Mai v. J. (Bundes8geseßbl. S. 130 und 133) wird hierdurch zur öffent- lichen Kenntniß gebracht, daß auf Grund der Artikel 6 und 7 der Verfassungs-Urkunde für den Norddeutschen Bund, be- ziehung8weise des Artikels 8, §FF. 1 und 2 des Vertrages zwischen dem Norddeutschen Bunde, Bayern , Württemberg, Baden und Hessen vom 8. Juli 1867

von Seiner Majestät dem Könige von Preußen: der Wirkliche Geheime Ober- Regierungs-Rath und Ministerial-Direktor Moser, und

der Ober - Bau - Direktor und Ministerial - Direktor Weishaupt zu Bevollmächtigten zum Bundesrathe des Norddeutschen

Bundes und zum Bundesrathe des Deutschen Zollvereins ernannt worden sind. Berlin, den 12. Januar 1870. Der Kanzler des Norddeutschen Bundes. Gr. v. Bismarck-Schönhausen.

Nichtamtliches.

t Desterreich:Ungarn. Wien, 12, Januar. Die »Wiener Zeitung« veröffentlicht auf Grund spezieller Allerhöchster Er- mächtigung Sr. Majestät des Kaisers und Königs die Memoranda der beiden Ministergruppen. Das der Majo- rität will eine strenge Durchführung der Verfassung von Seiten einer einheitlichen Regierung. Veränderungen der Verfassung seien allerdrings prinzipiell nicht abzulehnen, doch sei geltend zu machen, daß die Autonomie der Länder nicht ohne Gefahr für die Kraft des Reiches erweitert werden könne. In Betreff der angéstrebten Wahlreform stellt die Majorität kein Programm auf; die bisherigen persönlichen Vermittelung8versuche seien miß-

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langen und hätten die Kraft der Regierung wesentlich geschwächt. An demMemorandum der Minorität werden zunächst die bisherigen Gewährung®versuche unter Hinweis auf die Nothwendigkeit, die nationalen Parteicn mit der Verfassung auszusöhnen , verthei Die Minorität verwirft jede einseitige Wahlreform ohne gleichzeitige durchgreifende Aenderung der Verfassung, welche Das Memoeo-: randum cmpsiehlt die Auflösung des Reichsraths und der Land- tage, die Einberufung eines neuen, voraus\ichtlih vollständigen Reichsraths, die Revision der Verfassung und die Wahlreform,

digt.

auf verfassungsmäßigem Wege durchzuführen fei.

Beide Memoranden schließen mit Demissionsgesuchen.

Wir theilen zunächst das Votum der Majorität mit, und werden das der Minorität morgen veröffentlichen. Das erstere

lautet : | Allergnädigster Herr!

Ew. Majestät haben in der am 10. des l. M. unter dem Aller höchsten Vorsiße abgehaltenen Ministerkonferenz Allerhöchstihre Regierung

zu beauftragen geruht:

Ew. Majestät in bestimwuter und ausführlicher Weise die Mittel und Wege anzugeben, welche eine Verständigung in Beziehung auf die Verfassung und sohin eine Vervollständigung der Reichsvertretung herbeizuführen geeignet wären, auf daß die Leßtere endlich zu einer Wahrheit werde, und haben Sich sohin Ew. Majestät Allerhöchstihre

Entschliefungen vorzubehalten ertlärt.

Diesem Allerhöchsten Auftrage entsprehend erlauben sich die gef horsamst Gefertigten in aller Unterthänigkeit, aber auh mit jene Offenheit, welche ihnen die vielfah verworrene Sachlage Ew. Majestät gegenüber zur dringenden Pflicht macht, ihren Standpunkt ausführlid darzulegen , auf daß Ew. Majestät zu ermessen geruhen mögen , ob und inwieweit Allerhöchstihr Ministerium in der Lage sei, Bürgschaf- ten für die Erreichung des von Ew. Majestät gewünschten Zieles zu

bieten.

Sie müssen voranschicken, daß sie ihren Standpunkt seit den Momente, in welchem Ew. Majestät sie in Allerhöchstihren Rath zu

berufen geruht haben, unverrückt festgehalten haben.

Auch heute noch sind sie der Ueberzeugung , daß der schwierigen Lage gegenüber, in welche die Monarchie allerdings durch die sich gegen seitig widerstrebenden Richtungen ihrer Theile verseßt ist, doch nichti erübrigt, als mit Bciseitelassung aller problematischen oder gefährlichen Projefte den mindestens relativ richtigsten Weg mit Geduld und jen Ausdauer ir eiter zu wandeln, deren Mangel so sehr geeignet ist, Miß| trauen gegen die Staatëverwaltung hervorzurufen und dasselbe zu ver

größern.

Gerade die Schwierigkeit dieser Lage gestattet es nicht, ihre Erfolg mit Sicherheit zu verbürgen; am allerwenigsten aber gestattet sie, ein

solche Bürgschaft für cinen raschen Erfolg abzugeben.

Die vollkommene Ueberzeugung jedoch, daß das Einschlagen jede andern Weges einen günstigeren Erfolg auch nur in Aussicht zu neh# men unbedingt nicht gestattet, genügt ihnen, um das Verharren auf S wet gelben 1) Baden fle Don Anfante An At Unte un,

Um dies zu begründen, müssen \sich die gehorsanst Unterzeichnete] Ausfüllbare betrachtet.

dem bisherigen als eine Pflicht zu betrachten.

gestatten, zunächst nochmal3 Ew. Majestät gegenüber die Gründe

welche für ihren politischen Standpunkt, sowie diejenigen darzulegen}

welche gegen jenen ihrer Gegner sprechen.

Die gehorsamst Unterzeichneten betraten die derzeit in Kraf stehende Verfassung als das Resultat ciner Reihe von Kompromissen welche mit dem föderalistischen Standpunkte abgeschlossen worden find

Hat die Verfassung vom Jahre 1867 Unvolkommenheiten j

liegen sie für eine unbefangene Beurtheilung doch nicht in den zuf

enge gezogenen Grenzen der Länderautonomie.

Ohne jedoch selbst auch in diesem Betrachte der Diskussion übe

einzelne Fragen in Veziehung auf eine mögliche Korrektur starrsinnige

Widerstand entgegenzuseßen, müssen doch die gehorsamst Unterzeichnete

mit voller Entschiedenheit behaupten, daß cin wesentliches Ueberschre!

ten der in dex Verfassung vom Jahre 1867 gegebenen Länderautonomik

die einhei:liche Kraft des Neiches auf Kosten von Gaererungen ges den müßte, welche, weder im positiven Rechte noch in reellen Bedür] nissen gegründet, eben deshalb ihren Grund nur in Tendenzen habe! fönnen, welchen das Tnteresse des Reiches widerspricht.

Bei solcher Auffassung konnte für die gehorsamst Unterzeichnete die Beantwortung der Frage: ob der beklagenswerthen Thatsa(ß

gegenüber, daß diese Verfassung von einem großen Theile des Reiche in ihren Grundlagen bekämpft wird und in Folge dessen die Reiché vertretung eine unvollständige i|st der Kampf für dieselbe aufg! geben, zgder aber mit Entschiedenheit und Besonnenheit fortgeführ werden müsse? keine zweifelhafte fein.

Daß dieser Widerstand nicht in kurzer Frist, daß er nur allmäli und schrittweise gebeugt werden könne und auch dies nur, wen die vollkommenste Einheit der Aktion der Regierung allen extremd Forderungen die Hoffnung ihrer Realisirung benimmt, darüber fr lich fonnten sie sih nie einer Täuschung hingeben.

In dieser Richtung wurde die Frage der Abänderung des Wah modus für den Reichsrath in Anregung gebracht. Allerdings ein Aenderung der Verfassung; allein eine auf legalein Wege angebahnl Aenderung mit dem Zwecke, den Reichsrath zu stärken und insolanq! und insoweit die Verfassung in ihren Grundlagen Angriffen ausges! ist, diesen Angriffen gegenüber in seiner Existenz und Wirksamkeit u" abhängiger zu machen.

Wie diese Aenderung der Verfassung in dem Standpunkte df

auf Grund dieser Verfassung instituirten Regierung und in der fkril! schen Lage, in welche die Erstere durch ihre Bekämpfung gebra worden ist, ihre volle Rechtfertigung findet, so liegt wohl nichts w! niger als Jnkonsequenz, vielmehr nur die nothwendigste Konsequen darin, wenn diese Regierung andererseits Projekte zur Abänderun!

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der Verfassung bekämpft, welche dieser Jntention auf das Direkteste entgegentreten. ; i

Gleichwohl hat die Regierung Ew. Majestät auch diese Frage nur mit aller Vorsicht in die Hand genommen.

Sie hat für die zu gewärtigenden Aeußerungen der Landtage die maßgebenden Gesichts ¿untte sich gegenwärtig zu halten gesucht und sie wird diese Frage mit den Mitgliedern des Reichsrathes besprechen, che sie in Beziehung auf dieselbe cinen definitiven Entschluß faßt.

_Sie wird Ew Majestät keine Anträge unterbreiten, welche den verfassungsmäßigen Boden verlassen, und sie wird, für welchen An- | _geseßt.

trag fie sih au s{ließlich einigen möge, denselben einem zweifelhaften A den Verhandlungen und Beschlüssen des Reichsrathes nil aus ]ecßeiT.

Dagegen aber müssen sih die gehorsamst Unterzeichneten anderer-

seits allen denjenigen Projekten, welche auf eine veränderte staatsrecht- liche Stellung der Königreiche und Länder zam Reiche abzielen, beharr-

lih widerseßen.

In Beziehung auf Galizien könnte eine Politik gedacht werden, welche in der Gewährung einer selbständigen Stellung dieses Kron- landes freie und darum fräftigere Hand für die Besiegung der ander- weitigen Schwierigkeiten des Reiches zu gewinnen suchte.

Eine solche Politik aber müßte sich mit der Konsequenz vertraut machen ; daß eine Provofation Rußlands cine fernere Berbindung Galiziens mit Oesterreich ernstlih in Frage stellen könnte.

Kaum aber 1wäre zu erwarten, daß selbst mit den weitestgehenden Konzessionen, namentlich wenn sie einseitig für Galizien ausgesprochen wären, die Parteien befriedigt werden könnten.

Dagegen würden dieselben den Widerstand in anderen Ländern nothwendig verstärken , weil die Regierung dem Vorwurfe nicht ent- gehen würde, verschiedene Länder nach verschiedenem Maße verfassungs- mäßigen Rechtes zu behandeln.

Ohne deshalb in wirklich individucllen Vérhältnissen begründete

Anforderungen der administrativen Ordnung in Galizicn im vor- hinein ablehnen zu wollen , glauben doch die gehorsamst Unterzeich- neten darüber hinaus auch Galizien gegenüber eine feste und ablehnende

Politik um so mehr allein befürworten zu können , als die Lage des

Landes , die Gefahr, in der si die exfklusiv polnischen Forderungen den Übrigen Nationalitäten desselben gegenüber befinden, die Gefahr, in welche Galizien gerathen müßte, wenn es die Kraft und den Wil-

len des Reiches, es nach außen zu {üßen, auf eine zu harte Probe |

stellen wollte, von dem besonnenen Theile der Bevölkerung selbst be- griffen werden muß.

Mehr indeß noch als diese Frage hat diejenige der sogenannten [0a egen Opposition in Böhmen der Regierung Schwierigkeiten ereitet.

Die gehorsamst Unterzeichneten waren sich über deren Bedeutung,

aber eben so schr über deren Wesen und die aus demselben folgenden

Gebote für die Regierung keinen Augenblick unklar. Die Kluft zwischen der Verfassung und der sog. Deklaration, von welcher die Opposition bis zum heutigen Tage auch nicht einen

Nichts, was im Kreise der Regierung selbs in der Richtung zur Sprache fam, um dieselbe auszufüllen, hat irgendeine greifbare Hand-

| habe dazu geboten; Alles, was außerhalb desselben zu diesem

Zwecke in der Presse und durch persönliche Vermittlungsversuche ge- shah, hat jedesmal nur zu dem fkläglichsten Mißlingen geführt, aber auch jedegLinal die zur Besieguzg eines solchen Widerstandes unerläfß- liche Kraft der Regierung um ein Wesentliches geschwächt, diejenige des Widerstandes selbst aber nußlos gestärkt, ein Stand der Dinge, welcher bis in die Anfänge der Thätigkeit der jeßigen Regierung zurüc- reicht und es unmöglich gemacht hat, zu erproben, welchen Erfolg das feste und ruhige Beharren einer in sih cinigen Staatsverwaltung auf dem Boden der Verfassung erzielen kann.

__ Bei allem dem aber hat Niemand das Programm der Gegner für annehmbar erkannt; eben so wenig haben diese selbst die Hand zur Verständigung geboten oder haben diejenigen, welche dieselbe in die Hand nehmen zu müssen erachteten, cin Programm zu Tage ge- fördert, welhes auch nur in ihrem eigenen Kreise als durchführbar, viel weniger als geeignet hätie betrachtet werden fönnen, von decn Gegnern angenommen zu werden.

__ Bei diesem Mangel jedes greifbaren Ausgangspunktes einer poli- tishen Aktion erreichte man nichts, als daß die öffentliche Meinung

in die ganz falsche Bahn der Annahme gebracht wurde, als widerseße

sih ein Theil der Negierung halsstarrig dem Gedanken der Versöhnun und praktisher Schritte, welche zu derselben führen könnten, und daß von einer Seite her, von welcher es am wenigsten zu erwarten stand, ein Skurm gegen dieselbe hervorgerufen und mit allen Mitteln der Preßagitation wachgehalten wurde, der ihre Stellung bereits nahezu unhaltbar gemacht hat.

Und doch kann sich eine Regierung wohl nie mehr in ihrem Rechte fühlen, als wenn siïe einen festen, wenngleich {wer zu ver- theidigenden Boden insolange nicht verläßt, als ihr nicht auf einem andern cin flares Ziel und verläßliche Mittel zu dessen Erreichung gezeigt werden.

Eine Abweichung von den Grundlagen des bisher eingehaltenen Systeins, welche die gegncrischen Parteien zu befriedigen vermöchte, ist den gehorsamst Gefertigten überhaupt nur unter folgenden drei Vorausseßungen verständlich :

__ entweder in der Absicht, an die Stelle der heutigen Verfassung ein föôderalistisches System zu seßen ;

oder in der Absicht, mit Konzessionen, welche noch nit der ore | in welchen sie zum Föderalismus führen muß, über denselben gleichwohl hin-

rali8mus selbst sind, aber die Macht in jene Hände legt

auszufkomumen ;

oder endlich in dex Erwartung, man werde durch die zu machen- |

den Konzessionen über die Schwierigkeiten des Augenblickes hinüber- gekominen , in der Folge aber die entfesselten Mächte wieder in die

* nothwendigen Grenzen bannen fönnen.

Den ersten Standpunkt halten die gehorsamst Unterzeichneten für einen der Monarchie absolut verderblichen ; den zweiten für eine bedauerlihe Selbsitäuschung ; __den dritten für ein gewagtes Spiel, welches die Lage der Monarchie nicht gestattet. Wenn der Föderalismus niht ganz und ehrlich durchgeführt würde, wäre dem Kampfe mit den nationalen Bestrebungen kein Ziel

Ganz und ehrlich dur{Wgcführt aber wäre er niht nur eine Auf- opferung der Minoritäten in den einzelnen Ländern zu Gunsten eines partikularistischen Strebens, welches selbst in den Zeiten höchster Ge- fahr nah außen feine Bürgschaft des Zusamimenwirkens böte; er würde nicht einmal vorübergehend den Frieden im Jnnern herstellen.

Denn es träte dann lediglich an die Stelle des gegenwärtigen Zu- standes eine neue Regierung mit einer neuen Opposition.

Wenn es aber in Oesterreich nach scinen eigenthümlichen Verhält- nissen keine cigentlichen Majoritätei, sondern nur je nach der Frage des Tages wechselnde Summen von Minoritäten giebt, so hätte dann die Regierung jene Minorität gegen si, welche an geistiger und mate- rieller Kultur die stärkste und durch die politischen Verhältnisse des Stammes, dem sie aagehört, die bedenktlichste wäre die deutsche.

Die Absicht aber, die ohnehin bercits künstlich gesteigerte Macht der söderalistischen Elemente in einer späteren Zeit wieder cinzudämmen, liefe darauf hinaus, cine schivere Nufgabe erst dann lôsen zu wollen, nachdem man die cigene Kraft zu ihrer Lösung gebrochen hat.

Erscheint nun in allen drei Richtungen der Nachweis gegeben, daß man sich mit denselben nur auf eine gefährliche oder verderbliche Bahn begiebt, so können auÿ die gehorsamst Gefertigten keinen der konkreten Borschläge acceptiren, welche über den modus procedendi dort und da aufgetaucht sind und welche ihnen zu beweisen scheinen, daß man cntweder die Tragweite derselben nicht Übersieht oder aber eine Konsequenz acceptirt, welhe zu acceptiren die gehorsamst Unterzeichneten nie mit ihrer patriotischen Ueberzeugung für vereinbar halten fönnten.

Eine Auflösung des böhmischen Landtages hat keinen Sinn, außer wenn fie von einer Regierung erfolgt, welche die heutige Majorität desselben zu verrücken die Absicht hat, um hiedurch den gegnerischen Tendenzen zum Siege zu verhelfen. Dieses Ziel mag dann viellcicht

" erreicht werden, weil sih ein Theil des verfassungsfreundlihen Groß-

grundbesißes aus Unwillen über die Unstätigkeit der öffentlichen Zu- stände zurückziehen werde. :

Die Regierung aber würde in diesem Falle wie in dem anderen einer von manchen Seiten projektirten Notablenversammlung zum Behufe der Verständigung einfach in die folgende Lage kommen :

Entveder das Resultat derselben is keines und dann war sie überflüssig, oder es entspricht den Wünschen der Gegner nicht, dann war sie abermals nußlos; oder endlich es entspricht denselben, dann muß sie die Regierung bekämpfen.

Denn ein diesen Wünschen cnisprehendes und gleichwohl für die Regierung acceptables Resultat bedarf dieses Apparates nicht, es braucht nur ausgesprochen zu werden und die normalen Wege zur Verständigung über dasselbe reichen vollkommen aus.

Eine Regierung, welche auf diesem Standpunkte steht, kann die Hand nicht bieten zu Wegen, über deren Resultat sie sich nur selbst täuschen müßte, wenn sie nicht gesonnen ist, Andere durch dieselben zu täuschen.

Sie kann dies um so weniger, als für Bestrebungen, welche nicht auf die Negation der Verfassung und eine Abänderung der staats- rechtlichen Grundlagen ; sondern auf eine Verständigung über die Bedürfnisse und Wünsche des Landes gerichtet sind der legale Weg durch die Theilnahme an der verfassungsmäßigen Thätigkeit im böh- mischen Landtage und im Neichsrathe eröffnet 1st.

So fest die gehorsamst Unterzeichneten von dem eben Gesagten überzeugt sind, so gestehen fie gleichwohl zu, daß in so großen und hwierigen politischen Fragen cine Verschiedenheit der Anschauungen möglich ist und beachtenswerthe Gründe für sih haben kann.

Worüber nach ihrer Ueberzeugung eine Verschiedenheit der An- sichten nicht bestehen kann, das ist dies, daß in keinem Staatc, am wenigsten in Oesterreich, die Leitung der öffentlichen Angelegenheiten ohne die ernstesten Gefahren den Händen einer Regierung anvertraut bleiben kann, welche nicht in ihren Gliedern über den einzuschlagen- den Weg vollkommen einig ist und vor allem nah außen hin als cinig erscheint.

Denn hierdurch muß ihre Autorität fortschreitend untergraben werden, ohne daß die Last der Verantivortung- für Mißerfolge, welche bei einer getheilten oder geshwächten Aktion unvermeidlich sind, von ihr abgewälzt werden kann. i

Die Schvierigkeiten, welche jede Regierung in Oesterreich zu über- winden hat, müssen pflihtgemäß übernommen werden. Aber die gehorsamst Unterzeichneten sind der Ueberzeugung, daß jencs Maß von Schwierigkeiten, welches sich ihnen heute cntgegenstellt; nicht bestehen würde, wenn die Regierung mit cinheitlicher Kraft ihren Weg zu

verfolgen in der Lage gewesen wäre.

Diese Schwierigkeiten sind heute so weit angewachsen, daß nur noch aus dem ernstesten Pflichtgefühle der Muth zu ihrer weiteren

Bekämpfung geschöpft werden kann.

Aber er kann es nur, wenn ihn das Bewußtsein begleitet, un- gelähmt mit der ganzen, ohnehin begrenzten Macht an dicselbc her- anzutreten, welche die konstitutionellen Einrichtungen der Regierung zu handhaben gestatten. 1 ;

Die gehorsams| Unterzeichneten sind überzeugt, daß die Erkennt- niß dieser Wahrheit auch Ew. Majestät in Allerhöchstihrer Weisheit bestimmt hat, die Aufforderung an die Regierung zu richten, durch ein flares Programm diesem Zustande ein Ende zu machen.