1870 / 20 p. 2 (Königlich Preußischer Staats-Anzeiger) scan diff

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Ausnabm®Lweise kann jedoch auch aus einer Landgemeinde oder einem Gutsbezirke allein ein Amtsbezirk gebildet werden, wenn die Erheblichkeit des Umfanges oder der Einwohnerzahl odcr sonstige Rücksichten eine solche Abweichung von der Regel rechtfertigen. i i i

Ebenso können, wenn dies zur Herstellung ciner wirksamen Polizei-Verwaltung nothwendig ist, ländliche Gemeinden oder Gutsbezirke in Hinsicht der Polizei-Verwaltung mit einem städtishen Gemeindebezirke vereinigt werden.

Hierzu beantragte der Abg. Miquél: :

Den §. 42 so zu fassen: Gemeinden von mindestens 1500 Ein- wohnern sollen einen Amtsbezirk für sich bilden, sofern nicht die ôrt- lichen Verhältnisse die Zulegung fleinerer Gemeinden oder Gutsbezirke durchaus erforderlich machen. :

Nachdem hierüber nur der Abg. Lampugnani gesprochen hatte, wurde das Amendement des Abg. Miquél angenommen, wodurch die Abstimmung über alle anderen Amendements und §. 42 der Regierungsvorlage beseitigt war. l

Es folgte §. 43. Derselbe lautet: Neben der Rücksicht auf angemessene Größe und Abrundung ist bei der Abgrenzung der Amtsbezirke möglichst darauf zu achten , daß einerseits Ge- meinde - und Gutsbezirke, welche bisher unter einer gemein- schaftlichen Polizei-Verwaltung standen, nicht von einander ge- trennt, und anderer)eits die innerhalb der Kreise bestehenden Verbände (Kirchspiele, Schulverbände, Wege-, Baubezirke, Feuer- Iösch-Distrikte u. \. w.) nicbt zerrissen werden.

Dazu beantragte der Abg. Miquél:

Den §. 43 zu fassen: a) Absaß 1: Der Amtsbezirk \oll ein räum- lih zusammenhängendes Flächengebiet umfassen. Außerdem ist bei Abgrenzung desselben neben der Rüdsicht auf angemessene Größe und Abrundung möglichst darauf zu achten, daß u. \. w. wie im Regie- rungs-Entwurf bis zum Schluß des Paragraphen. b) als Absaß 2

inzuzufügen: Unbeschadet der vorstehenden Vorschriften und der Be- Ra, des §. 42 soll ‘der Amtsbezirk thunlichst durch Zusammen- legung von Gemeinden und Gutsbezirken gebildet werden.

Bei der Abstimmung wurde dieses Amendement ange- nommen. I

Ein Vertagsantrag wurde einstimmig abgelehnt. Der Abg. von Kardorff beantragte, die Kreisordnung mit allen Amendements in die Kreis8ordnungs-Kommission zu verweisen.

Nach einigen Bemerkungen der Abgg. Graf Schwerin und von Kardorff wurde dieser Antrag abgelehnt. ;

Zu §. 44, welcher lautet: »Die Bildung der Amtsbezirke erfolgt auf Vorschlag der Kreis-Versammlung durch Tons liche ‘Anordnung. Künsftige Veränderungen der Amtsbezirke bedürfen gleihfalls der Königlichen Genehmigung nach vor- beriger Anhörung der betheiligten Amtshauptleute und der

Kreisversammlung,« E beantragten: 1) die Abgg. Miquel und Genossen: j

Saß 2 zu fassen: »Künftige Veränderungen der Amtsbezirke er- folgen in gleicher Weise, je nah Anhörung der betheiligten Volksver- tretungen.«

4) Der Abg. v. Brauchitsh (Elbing): E

Statt der Worte »Ksönigliche Anordnungse zu seßen: »den Minister des Innern« und statt dem Worte »Königlihen Genchmigung« zu seßen »yGenchmigung des Ministers des Jnnern.« |

Der Paragraph wurde ohne Debatte mit dem Améende- ment des Abg. Miquél angenommen. Leßteres erhielt 181 gegen 163 Stimmen. Das Amendement des Abg. v. Brauchitsch wurde abgelehnt. Ebenfalls ohne Debatte wurde statt §. 45 der Vorlage, der dahin geht: »JIn dem Amtsbezirke wird die Polizei im Namen des Königs von einem Amtshauptmann als cin Ehrenamt unentgeltlich verwaltet,« folgende von dem Abg. Miquel beantragte Fassung angenommen: i

»Der Vorsteher des Amts (Amtshauptmann) verwaltet die Po- lizei im Amtsbezirke und die sonstigen Kommunal-Angelegenheiten des Amts unentaeltlich nah näherer Vorschrift dieses Gesebes und der Landgemeinde Ordnung. « |

Bei §. 46, welcher lautet: »Der Amtshauptmann wird vom Könige berufen. Für jeden Kreis is von dem Kreistage eine alljährlih zu ergänzende und zu berichtigende Liste der zu Amts- hauptleuten geeigneten Personen aufzustellen und der Regierung einzureihen. Qu Amtshauptleuten önnen nur geachtete Männer, welche innerhalb des Amtsbezirks ihren festen Wohnfiß haben, in Vorschlag gebracht werden. Die Vorschläge find vor- zugbweise auf Besißer, Pächter, Administratoren 2c. größerer Güter oder industrieller Etablissemeyts des Bezirks zu richten, « beantragte der Abg. Miquél: Statt des §. 46 zu seßen:

»Bis zum Erlaß der Landgemeinde-Orduung gelten für die Bil- dung der Aitsvertretung folgende Bestimmungen: Jn Landgemeinden, welche einen eigenen Amtsbezirk bilden, nimmt die Gemeindevertre- tung zugleich die Geschäfte der Amtsvertretung wahr. In zusammen- geseßten Amtsbezirken besteht die Amtsvertretung: 1) aus den Ver- tretern sämmtlicher Landgemeinden, und zwar werden Gemeinden von mindestens 100 Einwohnern durch ihren Vorsteher, größere Gemeinden auf je fernere 250 Einwohner durch einen ihrer Schöffen, und wo deren Zahl nicht ausreicht, durch ein hierzu gewähltes Gemeindeglicd vertreten. Gr dic Gemeinden des Amtsbezirks von weniger als 100 Einwoh- nern wählen die Vorsteher die den Gemeinden zukommende Zahl der

Vertreter. Diese wird bestimmt durH das Verhältniß der Einwohner dieser Gemeinden zu den Einwohnern der größeren Gemeinden; 2) aus den Befißern der selbständigen Güter, welche mindestens 1000 Thlr. Grundsteuer-Reinertrag , beziehungsweise Gebäudesteuer-Nußunge werth ergeben. Die Zahl der Mitglieder darf jedoch das Verhältniß der auf diese Güter fallenden Grund- und Gebäudesteuer zu den gleichen Steuern der Landgemeinden und der kleineren selbständigen Guts, bezirke nicht Übersteigen. Jst hiernach deren Zahl geringer als die der Besißer, so bilden diesclben cinen Wahlverband ; 3) aus den Vertretern der selbsiändigen Gutsbezirke von weniger als 1000 T hlr. jährlichem Grundsteuer - Reinertrage, beziehungêweise Gebäudesteuer - Nußgungs. werthe. Die Zahl dieser Mitglieder darf gleichfalls nit das Ner- hältniß der auf diese Güter fallenden Grund- und Gebäudesteuer zu der gleichen Steuer der Landgemeinden und der größeren Güter über steigen. Jn diesem Falle jedoch sollen die kleineren Gemeinden , die Besißer der größeren Güter und die Besißer der kleineren Gutsbezirke je einen Vertreter wählen.

Nach kurzen Bemerkungen der Abgg. Scharnweber und rhr. v. Hoverbeck wurde der Antrag des Abg. Miquél ange- nommen.

An Stelle von §. 47, welcher lautet: »Für jeden Bezirk wird nach den für die Ernennung des Amtshauptmanns gel- tenden Bestimmungen (§. 46) ein Stellvertreter ernannt. Is der Amts8hauptmann vorübergehend an der Wahrnehmung seiner Amtêgeschäfte verhindert, so hat der Stellvertreter die- selben zu Übernehmen. Der Landrath is hiervon sogleich zu benachrichtigen. Jngleicben liegt dem Stellvertreter die Erledi- gung solcher Amtsgeschäfte ob, bei denen der Amtshauptmann persönlich betheiligt ist. Erledigt \ich das Amt des Amtshaupt- manns, so tritt bis zur Ernennung seines Nachfolgers der Stellvertreter für ihn ein,« wurde ebenfalls ohne Debatte in namentlicher Abstimmung mit 185 gegen 164 Stimmen fol- gende, von den Abgg. Miquel und Genossen beantragte Fassung angenommen:

»Die Amt®svertretung is’ berufen , über- die Angelegenheiten des Amtsbezirks nach näherer Vorschrift dieses Geseßes zu berathen und zu beschlicßen. Zu ihren Befugnissen gehört: 1) die Wahl des Amts- hauptmanns und des Stellvercreters, sowie die des Sißes für die Be- rathungen der Amt®svertretung ; 2) die Beschlußfassung Über diejenigen Polizei - Verordnungen , welche der Amtshauptmann unter ihrer Zu- stimmung zu erlassen befugt ist ; 3) die Bewilligung und Kontrolle der Ausgaben, welche die Verwaltung der Polizei im Amte erforderlich macht ; 4) die Feststellung der Unkostenentschädigung für den Amtshauptmann, so wie der übrigen Verwaltungskosten; 5) die Beschlußfassung über solche Kommunalangelegenheiten, welche die Gemeinden und Guts- bezirke durch Übereinstimwenden Beschluß dem Amtsbezirke überwei- sen; 6) die Zustimmung zur Ertheilung der Konzessionen zum Betrieh der Gast- und Schankwirthschaft, so wie zum Kleinbandel mit Ge- tränfken (F. 51 Nr. 3); 7) die Bestellung, \o wie die Wahl besonderer Kommissionen oder Kommissarien zur Vorbereitung und Ausführung von Beschlüssen der Amtsvertretung ; 8) die Beschlußfassung über \on- stige Angelegenheiten, welche der Amtshauptmann aus dem Kreise seiner Amtsbefugnisse, der Amtsvertretung zu diesem Zwecke unter- breitet. Die Sißungen der Amtsvertretung sind öffentlich, sofern nit für einen einzelnen Gegenstand die Oeffentlichkeit der Verhand- lung ausgeschlossen wird.

Es folgte die Spezialdiskussion über §. 48. Derselbe lautet: Die Ernennung des Amtshauptmanns und dessen Stellvertreter erfolgt auf drei Jahre. . Der Amtshauptmann und dessen Stell- vertreter werden auf drei Jahre vereidigt.

Die Abgeordneten Miquél und Genossen beantragten den §. 48 folgendermaßen zu fassen:

er Amtshauptmann, sowie der Stellvertreter desselben werden unter der Leitung des Landraths von der Amtsvertretung nah Maßgabe des anliegenden Wahlreglements auf drei Jahre gewählt. Außer wegen der im §. 7 zugelassenen Entschuldigungsgründe dürfen auch diejenigen Eingesessenen des Amtsbezirks, welche nicht entweder Staats- Einfommensteuer oder mindestens 1ährlih 20 Thlr. an Klassensteuer oder 20 Thlr... an Grundsteuer (ausschlicßtich der Zuschläge) oder 24 Thlr. an Gewerbesteuer entrichten, die Annahme der Wahl ablehnen. Wegen der Bestätigung dieser Wahlen gelten die Vorschriften des F. 24. Der Amtshauptmann und dessen Vertreter werden vom Landrath beeidigt.

Nach ciner kurzen Erklärung des Abg. Graf Schwerin wurde das Amendement des Aba. Miquél angenommen.

ZU §. 49, welcher lautet: J| auch nach Anhörung ‘des Kreistages im Amtsbezirke keine zur Amtshauptmannscbaft geeignete und bereitwillige Person zu ermitteln, so hat die Re- gierung eine Boa vie Berwaltung der Stelle anzuordnen und damit thunlichst eine solche Person zu beauftragen , welche die Befähigung zum höheren Staatsdienste besißt, beantragten die Abgg. Miquél und Genossen folgende Fassung:

Wird die Bestätigung der Wahl versagt, oder die Annahme der Wahl abgelehnt, so finden die Vorschriften des ÿ. 24, Absay 3, sinn- gemäße Anwendung. i i

Dieser Antrag wurde ohne Diskussion angenommen und darauf die Sißung vertagt.

Schluß 3 Uhr 50 Minuten.

Die beutige (53.) Plenar-Sißung des Hauses der Abgeordneten wurde vom Präsidenten von Forckenbecck um 105 Uhr eröffnet.

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Am Ministertische befanden si: der Justiz - Minister Dr. Leonhardt , der Finanz - Minister Camphausen und mehrere Negierungskommissare.

Den ersten Gegenstand der Tage8ordnung bildete der Be- riht der Kommission für Finanzen und Zölle über den Geseß- entwurf wegen Aufhebung der Mahl- und Schlachtsteuer und Einführung der Klassensteuer in mchreren Städten und über die auf die Aenderung der Mabhl- und Schlachtsteuer - Geseß- gebung bezüglichen Petitionen.

Hierzu lagen vor die Abänderungs8anträge 1) der Abgg. Rohland, Schröder:

Das Haus der Abgeordneten wolle besblicßen: hinter »Cüstrin« einzuschalten: »Königsberg in der Neumark«. Hinter »Weißenfels« einzuschalten: »Naumburg an der Saale«. Hinter »Weißenfels« event. hinter eNaumburge« einzuschalten : »Zeiß«.

2) des Abg. v. Mitschke-Collande.

Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen: im g. 1, Zeile 5, Ma der Worte: mit dem 1. Juli 1870 zu seßen: mit dem 1. Juli

Außerdem wurden im Laufe der Debatte von mehreren Abgeordneten noch Anträge auf Streichung oder Hinzufügung einzelner anderer Städte gestelt. Der Referent , Abg. R hter (Königsberg), machte einige einleitende Bemerkungen.

An der Generaldebatte betheiligten sich die Abgg. von Benda, Dr. Löwe, Groschke, Dr. Virchow.

Der Finanz - Minister Camphausen griff nach dem Abg. Groschke in die Debatte ein.

Zu §. 1 des Gesezentwurfs sprachen die Abgg. von Kar- dorff, Wachler , von Mitschke - Collande , Kleist von Bornstedt, von Bötticher, Dr. Löwe, von Eichhorn und der Regierungs8- Kommissar Geheimer Ober-Finanz-Rath Burghart.

(Schluß des Blattes.)

Die Kommission zur weiteren Ausbildung der Statistik des Yollvereins hat am 21. d. Mts. ihre neunte Sißung abgehalten. Während der sechs ersten Sißungen beschäftigte sih dieselbe mit den Prinzipien der Volks- zählung. Insbesondere einigte man sich über folgende Punkte: Die Annahme fünfjähriger statt dreijähriger Zählungs- perioden wird empfohlen. Die Basis der Volkszählung soll die faktische oder ortsanwesende Bevölkerung nach dem Stande vom 1. Dezember bilden, doch sollen in die Erhebungsformulare Elemente zur Ermittlung der Wohnbevölkerung mit aufgenommen werden. Die ortsanwesende Bevölkerung soll zugleich. dem

ollbundesrathe als Grundlage der Abrechnung unter den

ollvereinsstaaten empfohlen werden; auch soll sie in erster Linie die Basis der allgemeinen deutschen Statistik bilden. Von den einzelnen Gegenständen der Erhebung sollen als obliga- torish empfoblen werden: Vor- und Familienname, Geschlecht, Alter, Geburtsort, Familienstand, Stand oder Beruf, Art des Aufenthalts am Zählungs®ort, Religion und Staat®angehörig- keit; fafultativ sollen sein die Erhebungen über das Verhältniß zum Haushaltungsvorstand , Sprache, Kenntniß der Gegen- stände des Elementaruntecrihts (Lesen und Schreiben), körperliche und geistige Gebrechen. Bezüglich der Methode der Erhebung entschied man sich für Haushaltungslisten unter Gestattung der Anwendung individueller ZDählungskarten an Stelle derselben. Ueberdies wird empfohlen, daß die Zählung in abgegrenzten Bezirken mittelst besonderer Sählungskommissionen unter Lei- tung der Lokalbehörden und unter möglihst umfangreicher Heranziehung freiwilliger Zähler vorgenommen werde. Schlicß- lih spricht die Kommission ihre Ansicht dahin aus, daß es si empfehle, mit der Volkszählung Ermittlungen über die Woh- nungsverhältnisse zu verbinden, daß jedo weitere Erhebungen, namenflih über die Industrie und den Viebstand, mit der Bolkszählung nicht zu verbinden, sondern getrennt davon vorzu- nehmen seien. Anträge in Betreff der Listen der Volkszählung, sowie einer etwaigen Ausdehnung der Vereinskontrole auf die- selben wurden einer Subkommission überwiesen.

Nach Abschluß der Berathungen über die Prinzipien der Volkszählung wurde in der sechsten Sigzung eine Subkom- mission zur Vorbereitung der Formulare und anderen Details der Zählung ernannt. |

Dieselbe besteht aus den Herren Engel, Ma yr, Nümelin, Böckh, Fabricius, Becker, Harde und Schwabe und hat bereits drei Sißzungen abgehalten.

Gleichzeitig nahmen die Sizungen des Plenums der Kommission ihren Fortgang, welches sich zur Zeit mit der allgemeinen Berathung über die Statistik der Bewe gung der

Bevölkerung beschäftigt. Nach Abschluß derselben wird die.

Ausarbeitung der Formulare gleichfalls einer Subkommissfion Überwiesen werden. Auch zur Borbereitung der Berathungen Uber die Jndustriestatistik, sowie über die ZJoll- und Kommerzialstatistik wurden am 21. d, M. Subkommis- sionen gebildet.

Seit der scchsten Sißung wohnt den Berathungen auch ein

Kommissar der anhaltischen Regierung, Herr Regierungs-Rath Dr. Lange bei, Zu den Berathungen über Bevölkerungs- statistik ist der Vorstand des statistishen. Bureaus der Stadt Berlin, Dr. Schwabe, zugezogen. Ebenso wird an den Be- rathungen über die Joll- und Kommerzialstatistik nah Beschluß der Kommission Dr. Hirth und an den Berathungen über die Industriestatistik Regierungs-Rath Dr, Meißen Theil nehmen.

Laut eingegangener Nachricht ist S. M. S. »Hertha « am 7. d. Mts. von Aden nach Point de Galle Ceylon in See gegangen.

Vraunschweig, 242. Januar. Die Landes8versamm- lung sehte in ihrer gestrigen Sißung die Berathung der Re- gierungs - Proposition, den Verkauf der braunschweigischen Staatseisenbahnen betreffend , fort, Nach Schluß der ziemlich langen Diskussion erfolgte namentliche Abstimmung. Der Präsident stellte die Frage: »Sollen die Staatseisenbahnen über- haupt verkauft werden oder niht?« Die Frage wurde mit 33 Stimmen gegen 11 bejaht. Darauf stimmte die Versamm- lung über die nachstchenden Kommissionsanträge ab:

»Die Versammlung empfiehlt den mit dem Schreiben vom 12ten November 1869 vorgelegten Kaufvertrag abzulehnen , dagegen zu er- klären, daß die Versammlung bereit sei, in den Verkauf der Eisen- bahnen, im Wesentlihen auf Grund der Bestimmungen des der Pro- plaerny 6 uis Vertrages, vorbehaltlich folgender Bedingungen zu willigen, da

1) die von der Hohen Versammlung zu dem Kaufkontrakte und dem Statutenentwurfe noch zu beschließenden Abänderungs- und Zusaßanträge genehmigt werden,

2) cin Käufer-Konsortium, dem wo möglich die Eisenbahngesell- {haften angehören, welche unter dem 27. und 28. Dezember 1869 die vom Herzogl. Staats - Ministerium der Landesversammlung dur Schreiben vom 3. Januar 1870 mitgetheilten Kaufgebote abgegeben haben, fich ents{löôsse, neben der stipulirten 64jährigen Annuität von 875/000 Thlr., statt der gebotenen Zahlung von 10,000,000 Tblr. eine solhe von mindestens 11,000,000 Thlr. gzu leisten; dabei der zu bilden- den Aktiengesellschaft 1,000,000 Thlr. zu Bahnzwecken zu überweisen, pie das Aktienkapital über die Summe dieser beiden Beträge zu er-

öhen,

3) Herzogl. Staats - Ministerium \î\{ damit einverstanden erklärt, daß von der sofort zu zahlenden Summe 4,000,000 Thlr. an die Kreise oder Kommunen des Landes zu gemeinnüßigen Zwecken nach, E auf diesem Landtage, festzustellenden Grundsäßen veriheilt werden ollen.

4) ein besonderer Fonds gebildet wird, der nur zu bestimmten, durch Verabredungen zwischen der Herzoglichen Landesregierung und der Landesversammlung genau festzustellenden Ausgaben verwandt werden darf und in Beziehung auf welchen Fonds Bestimmungen getroffen werden, wie solche in den §§. 216, 217, 219 225 der neuen Land- schaft8ordnung vom 12. Oftober 1832 rücksihtlich des Vermögens der Stiftungen und des Kloster- und Studienfonds gegeben sind, und Herzogliche Landesregierung \ich verpflichtet, noch während der Daucr des jeßigen Landtages eine Proposition, durch welche das eben ge- dachte Verbältniß geordnet wird, nebst den etwa erforderlichen Geseßen zur verfassungsmäßigen Zustimmung vorzulegen. «

Die Versammlung genehmigte die Pofitionen 1 und 2. Qu der Position 3 wurde ein Antrag des Abg. Ernesti: »ecine Nillion Thaler zu Entschädigungen bei Abschaffung der Stol- gebühren zu verwenden«, angenommen, und mit diesem Zusatze die Position 3. Die Position 4 ward angenommen.

Bei der sodann namentlich erfolgenden Abstimmung über die LommissionSanträge in ihrer Gesammtheit wourden dieselben mit 34 gegen 10 Stimmen angenommen.

Sachsea. Meiningen, 21. Januar. Die Herzogin ist von den Masern so weit genesen, daß Krankheitsberichte von nun an nicht mehr ausgegeben werden.

-—— Sicherem Vernehmen der »Weim. Ztg.« nach wird der Landtag in der nächsten Zeit einberufen, um über die Be- schaffung des aus Staatsmitteln zu gewährenden ZJuschusses für den Bau der Eisenbahn von Meiningen nach Schweinfurth zu berathen. Jn Betreff der Gera-Eichichter Eisenbahn wird seitens des Staats-Ministeriums zur öffentlichen Kenntniß ge- bracht, daß die Baupläne in ihren Einzelheiten von den be- theiligten fünf Staat8regierungen genehmigt worden ‘sind und die landespolizeilihe Prüfung der einzelnen projektirten An- lagen bezüglih der Vorfluths- und egeverhältnisse 2c. im hiesigen Territorium stattgefunden hat, mit Ausnahme des dem Bahnhofe zu Saalfeld zu gebenden Anlageterrains, wor- Über weitere Erörterungen und Festseßungen vorbehalten blei- ben. Soweit von der zu erbauenden Bahn innerhalb des Herzogthums die Fluren von Jüdewein , Pôsneck , Lausnigt, Bickigt, Ober- und Unter - Wellenborn, Röbliß, Göndorf, Altsaalfeld, Saalfeld, Ködiß und Oberniß berührt werden, wird der Direktion der Thüringischen Cisenbaÿngesell schaft zu Erfurt die Befugniß ertheilt, nach Maßgabe der genehmigten und noch genehmigt werdenden Baupläne das Jwangßsenteig- nungsreht auszuüben und auf Grund des Gesehes vom 18. Juni 1867 über die bei Anlegung von Eisenbahnen erfor-

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