1890 / 98 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 21 Apr 1890 18:00:01 GMT) scan diff

1. bis 15. April 1890 innerhalb des deutschen Zollgebiets mit dem Anspruch auf Steuervergütung abgefertigt und aus Niederlagen gegen Erstattung der Vergütung in den freien Verkehr zurückgebraht worden sind.

Wiesbaden, 18. April. Aus der heutigen 3. öffentlichen Sißung des Kommunal-Landtages ist Folgendes hervor- zuheben: 1) Die Spezial-Etats des Landarmenverbandes, des Nassauischen Central-Waisenfonds, des ständishen Wege- baufonds, der ständischen Hülfskasse, des Meliorationsfonds, der Adolfstiftung, des Taubstummen Jnstituts zu Kamberg, der Heil- und Pflege-Anstalt Eichberg, der Korrigenden- Anstalt zu Hadamar und der Wilhelm-August-Stiftung für das Jahr 1890/91, sowie der Verwaltungskosten der Nassauischen Landesbank und Sparkasse und der Verwaltungs- Etat der Nassauischen Brandversiherungs-Anstalt für das Kalenderjahr 1890 wurden einstimmig ohne Debatte ge- nehmigt. 2) Die mit den Städten Wiesbaden und Nieder- lahnstein abgeschlossenen Verträge wegen Uebertragung des Eigenthums und der Unterhaltung von Bezirks- straßen-Strecken werden genehmigt. 3) Die Anstellung von 20 etatsmäßigen Wegemeistern wird genehmigt. 4) Der Kommissionsantrag, die S der durch den Bau einex Eisenbahn von Langenshwalbah nach Zollhaus berührten Bezirksstraßen, soweit sie die Aufsichts- behörde für zulässig erahtet, Seitens des Bezirksverbandes unentgeltlich und ohne Entshädigung für die Dauer ves Be- triebes der Bahn zu gestatten, und dem Untertaunuskreis zu den Grunderwerbskosten dieser Bahn aus dem Wege- baufonds 25000 Æ Beihülfe zu bewilligen und die Geneigtheit zu erklären, demselben, Falls die Grunderwerbs- kosten sih gegen die bisherige Annahme bedeutend höher stellen sollten, eine weitere Beihülfe zu bewilligen, wird genehmigt.

Sigmaringen, 21. April. (W. T. B.) Se. Hoheit der Fürst von Hohenzollern is} heute nah Potsdam abgereist.

Bayern.

München, 20. April. (W. T. B.) Die Kammer der Abgeordneten genehmigte gestern die Erweiterung des Augsburger Bahnhofes mit 1 235000 #, die des Aschaffen- burger mit 2070000 Æ und die des hiesigen Central- bahnhofes mit 12574000 s, wobei vom General- Direktor Schnorr von Carolsfeld erklärt wurde, daß durh die leßtere Erweiterung dem Münchener Ringbahnprojekte nicht präjudizirt werde; der Nürnberger Bahnhofsumbau werde demnächst dem Landtage unterbreitet werden. Außerdem wurde für die Erweiterung der Passauer Donaulände Behufs Erleichterung der Dampsschiffahrt und des Bahnverkehrs die Summe von 176 000 A bewilligt.

Der diesjährige deutshe Katholikentag sol nah dem Beschlusse der gestern unter dem Vorsiß des Fürsten Loewenstein stattgehabten Hauptkonferenz in München ab- gehalten werden.

21. April. (W. T. B.) Se. Königliche Hoheit der Prinz-Regent hat das Entlassungsgesuch des kommandirenden Generals des II. bayerischen Armee-Corps, Generals der Infanterie von Orff (Würzburg) mittels sehx huldvollen Handschreibens genehmigt und dem General das Großkreuz

des Verdienst-Ordens der bayerischen Krone verliehen. Württemberg.

__ Sturtgart, 19. April, (St.-A. f. W.) Jhre Hoheit die Prinzessin Wilhelm von Schaumburg-Lippe ist gestern Nachmittag, nachdem Hochdieselbe längere Zeit bei «hren Königlichen Hoheiten dem Prinzen und der Prinzessin Wilhelm zum Besuch geweilt hat, wieder von hier abgereist, A g zunächst nach Bückeburg und später nah Dessau zu

egeben.

i (Schw. Merk.) Die Kammer der Abgeordneten irat gestern in die Berathung des Gesezentwurss, betreffend die Fürsorge für Beamte in Folge von Betriebs- unfällen, ein. Das Gesey entspriht im wesentlichen dem bekannten Unfallversicherungsge]eß, dessen Wohlthaten es in entsprehender Weise auf die von Unfällen im Dienst vornehmlich bedrohten Beamten des Staats auszudehnen bezweckt. Desgleichen soll durch dasselbe die statutarische Aus- dehnung der Unfallfürsorge auch auf die Kommunalbeamten vorbereitet und erleichtert werden. Die einzelnen Paragraphen wurden nah dem Entwurf bezw. nah den Anträgen der Kom- mission genehmigt, die Schlußabstimmung aber auf die nächste Sigzung verschoben.

Baden.

Karlsruhe, 19. April. (Karlsr. Ztg.) Gestern Mittag um 1 Uhr fand zu Ehren Srx. Königlichen Hoheit des Lan d- grafen von Hessen bei Jhren Königlichen Hoheiten dem Großherzog und der Großherzogin Hosftafel statt, zu welcher unter Anderen der Königlich preußische Gesandte von Eisendeher und Gemahlin Einladung erhalten hatten. Heute Abend ist der Landgraf nach Philippsruhe zurückgereist.

Die Zweite Kammer fuhr in ihrer gestrigen Sizung mit der Berathung des Berichts der Budget- fommijsion über das Budget des Ministeriums der Justiz, des Kultus und Unterrichts, Tit. V—VI, XI und X1II der Ausgaben und Tit. 1 der Einnahmen fort. Die allgemeinen Ausgaben des ordentlichen Etats für die Rechtspflege wurden nah den Anträgen der Kommission bewilligt. Bei der Berathung des außerordentlichen Etats stieß dem Abg. Müser während einer Rede ein Unfall zu, in ¿Folge dessen die Sizung aufgehoben wurde. Jn der heutigen Sißung wurde zunächst zur Berathung des Geseß- entwurfs, betreffend einige Abänderungen und Ergän-

ungen des Gesegzes über die Liegenschafts-, ÉErhb- Bas, und Schenkungsaccise, eine besondere Kommission ebildet und darauf die Berathung des Budgets fortgeseßt. 3. 4 der Ausgaben des außerordentlichen Etats (Bauplayß zu einem Amtsgerichtsgebäude in Sinsheim) wurde abgelehnt, die übrigen Positionen angenommen. Ohne Debatte wurden ferner die Titel XT und XIT erledigt. Titel VIl der Aus- gaben (Strafanstalten) wurde nach einer längeren einleitenden Debatte genehmigt, ebenso Titel T und I1T der Einnahmen.

Hefen.

Darmstadt, 19, April. Die Zweite Kammer er- ledigte in ihren drei leßten Sitzungen, wie wir der „Darmst. Ztg.“ eninehmen, die von dem Ausschuß für die londwirthshaftliche Enquete gestellten Anträge, welche der Mehrzahl nach angenommen wurden, und bewilligte dann 350800 Æ zur Erbauung eines neuen Badehauses

u. st. w. in Nauheim. Bei dem Antrage des Abg. Vogt und Genossen, betreffend Besteuerung des Hausirhandels und der Wande rlager, entspann sich eine lebhafte Diskussion. Der An- trag der Ausschußmehrheit, hinzielend auf Veranstaltung einer Prüfung der in Betracht kommenden Tarifsäße, wurde gegen 6 Stimmen, der Antrag der Auss{hußminderheit , der eine Prüfung der Tarifsäße in dec Richtung einer Erhöhung der Steuersäße wünscht, mit 13 gegen 11 Stimmen angenommen.

Mecklenburg-Schwerin.

Schwerin, 19. April. Aus Meran erfahren die „Medckl. Nachr. “, daß JFhre Königlihe Hoheit die Groß- herzogin-Mutter seit leßtem Montag tägli an die Luft gekommen ist. Krankheitsersheinungen sind nicht mehr .vor- handen. Die Kräfte heben sih stetig, wenn auch langsam.

Meckelenburg-Strelitz.

Neustreliß, 18. April. Fhre Königlichen Hoheiten der Erbgroßherzog und die Erbgroßherzogin reisten gestern von bier nah Berlin. Wie die „Neustirelißer Zeitung“ ver- nimmt, beabsichtigen die hohen Herrschaften, sih von Berlin aus, nah mehrtägigem Aufenthalt daselbst, nah Dresden und Leipzig zu begeben.

Elsaß - Lothringen.

Straßburg, 19. April. Jn der gestrigen Sißung des Landesausschusses stand als erster Gegenstand auf der Tagesordnung die zweite Lesung des Entwurfs eines Geseßes, betreffend die öffentlihen Genossenschaften zum Zweck der Anlage von Feldwegen sowie von Be- wässerungen und Entwässerungen. §8. 1 wurde nah längerer Debatte, an welcher sich auch der Unter-Staats- sekretär von Schraudt betheiligte, genehmigt. Die folgenden Paragraphen gaben zu wesentlichen Erörterungen keinen An- laß und wurden nah den Vorschlägen der Kommission geneh- migt. Den zweiten Gegenstand der Berathung bildeten Petitionen.

Oesterreich-Ungarn.

Wien, 19. April. (W. T. B.) Se. Majestät der Kaiser und König nahm heute die Revue über die hiesige zur Frühjahrsparade ausgerückte Garnison ab. Derselben wohnten die Erzherzoge Albredt Salvator und Rainer, der Herzog von Cumberland und die Prinzessin Gisela mit Prin- zessinnen-Töchtern bei; ferner waren zugegen der Minister Graf Kälnoky, der deutsche Botschafter Prinz Reuß, die Militär-Attachés sämmtlicher Gesandtschaften, der französische Botschaster Decrais und mehrere andere Gesandten. Das zahlreih versammelte Publikum begrüßte den Kaiser bei seiner An- und Abfahrt mit stürmishen Zurufen.

Das Abgeordnetenhaus beendete heule, wie die „Presse“ meldet, die Generaldebatte über den Staats- voranshlag und trat sofort in die Spezialdebatte ein.

Budapest, 18. April. Die Unabhängigkeitspartei hielt heute Abend eine Konferenz ab, in welcher über das in der Angelegenheit des Fnkolatsgeseßes zu beobachtende Ver- fahren berathen wurde. Abg. Jrányi machte Mittheilung von der in dieser Frage mit dem Präsidenten des Hauses und dem Minister-Präsidenten stattgehabten Besprehung und unter- breitete einen Geseßentwurf, welcher die Streichung der S8. 31 und 32 des FJnfkolatsgesetzes bezweckt und zu Beginn der nächsten Session zu unterbreiten wäre. Der Entwurf wurde angenommen und beschlossen, denselben durch eine möglihst große Anzahl von Mitgliedern der Partei unter- zeihnen zu lassen.

Großbritannien und ZJrland.

London, 19, April. (W. T. B.) Bei dem heutigen Banket im Covent-Garden-Theater hielt der General- sekretär für Jrland Balfour eine Ansprache, in welcher er einen Nückblick auf die Werke der Regierung warf und seiner Freude darüber Aus2druck gab, daß die großen Arbeiten des Ministeriums von keiner Seite ein abfälliges Urtheil erfahren haben. Die Lage der Finanzen und die Beziehungen zu den auswärtigen Mächten befähigten vor allen Dingen die Regierung, die ihr gestellten großen Aufgaben durchzuführen. Der Redner erinnerte an die Erfolge der Finanzverwaltung Goschen's und bemerkte: die auswärtige Politik Lord Salisbury's zeihne sih dur Festig- keit und Stet'gkeit aus, indem sie weder England in unnöthige Streitigkeiten verwidckele, noch das englische Nationalgejsühl verleße. Er betonte ferner die auf dem Gebiet der inneren Politik eingeleiteten Reformen und konstatirte eine wesent- liche Besserung der Lage Jrlands. Balfour O mit der Versicherung, daß die Regierung ihr Bestes für die ihr anvertrauten großen Fnteressen thun werde, daß sie aber ohne die Sympathie und die Unterstüßung des Volkes keinen Erfolg haben könne. /

Dover, 20. April. (W. T. B.) Das aus fünf Schiffen bestehende deutshe Geschwader is auf derx hiesigen Rhede angekommen. Der Aviso „Pfeil“ verließ den Hafen, um zu demselben zu stoßen und passirte unter Salutshüssen die Linien des Geschwaders. Nach einem zweistündigen Aufenthalt wurde die Reise Mittags fortgeseßt.

Frankrcich.

Paris, 19. April. (W. T. B.) Der Minister des Aeußern Ribot empfing heute Vormittag eine Delegation des Preß-Syndikats aus Anlaß der Ausweisung fran- zósischer Journalisten aus Ftalien. Der Minister ant- wortete: die Ausweisung sei nicht geeignet, zu einer offi- ziellen diplomatischen Aktion Aulagß zu bieten; der fran- zösische Geschäftsträger in Rom sei im Augenblick der Aus- führung der Maßregel davon verständigt worden. Die diplomatischen Agenten des Auslandes seien voll Fürsorge für die französishen Jnteressen und die der im Auslande befind- lichen Journalisten.

s n „Temps“ bringt, der „Fr. C.“ zufolge, folgende Notiz:

„8 ist beinahe ausgemacht, daß der Minister des Aeußern den Mitgliedern der bejden Kammern bei dem Wiederzusammentritt ein Gelbbuch, enthaltend die auf die Einberufung und die Arbeiten der Berliner Konferenz kezüglichen Dokumente, vertheilen lassen wird. Dieser Sammlung wird als Vorrede ein von der französischen Delegation auf dieser Konferenz versaßter Gesammt- beriht beigegeben werden.“

L Ein Telegramm aus St. Louis berichtet, wie man der „Köln. Ztg.“ meldet, über die günstigen Folgen, welche die Beseßung von Segu Sikoro zur Folge gehabt hat. Die hauptsächlihsten Häuptlinge, die unter dem Einfluß Ahmadou's

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standen, haben sich dem Major Archinard unterworfen.

Zahlreiche in Segu Sikoro vorgefundene Gefangene wurden

in Freiheit geseßt.

21. April. (W. T. B.) Wie der „Gaulois“ mit- theilt, hätten die Eingeborenen von Dahomey erneute Vor- stöße gegen die französishen Truppen unternommen, wobei ein französischer Lieutenant verwundet wurde.

Toulon, 20. April. (W. T. B.) Präsident Carnot empfing gestern Vormittag in feierliher Audienz den Kom- mandanten des italienischen Geshwaders Admiral Lovera, welcher einen eigenhändigen Brief des Königs Humbert überbrachte, der ihn als außerordentlichen Gesandten zur Begrüßung des Präsidenten der Republik akkreditirt. Carnot erwiderte, die Regierung der Republik shäße diesen Akt der Courtoisie der Regierung des Königs

von Ftalien als Zeugniß für die Gefühle der italienischen:

Nation gegenüber Frankreih, und gab seiner Genugthuung über die Anwesenheit des italienishen Geschwaders in franzö- sishen Gewässern Ausdruck. Bei der Audienz erwies ein

Bataillon Fnfanterie die militärishen Ehren. Admiral Lovera.

nahm hierauf an der Seite Carnot's an einem auf der See-

Präfektur veranstalteten Frühstück Theil. Gegen Mittag empfing.

der Präsident die Behörden. Der Bischof versicherte ihn hierbei des Patriotismus der Geistlichkeit, wofür Carnot seinen Dank aussprah. Sodann begab sich dieser an Bord des Panzerschiffes „Formidable“, begrüßt von den Geschützen und den Hurrahs der Mannschaften. Marine-Minister Barbey hieß den Präsidenten willkommen und gab der Versicherung der Ex- gebenheit der Marine Auzdruck. Vom Lande aus beobachtete Carnot hierauf den glatt verlaufenden Stapellauf der „Magenta“, hierbei wieder enthusiastisch begrüßt auch von den italienishen Schiffs- bemannungen. Bei dem Abends im Museums-Saale ver- anstalteten Festmahl hatte der Kommandant des italienischen Geschwaders Admiral Lovera neben dem Marine- Minisier Barbey Play genommen. Der Präsident Carnot hielt eine Ansprache, in welcher er sagte, er sei gekommen, um der Arbeit und den Kundgebungen der nationalen Thôtigkeit, von welcher die Ausstellung alänzend Zeugniß gegeben habe, seine Huldigung darzubringen. Der Präsident bemerkte weiter, ein Patriot könne niht ohne aufrichtige innere Bewegung da® stolze Geschwader sehen, in welches die Nation ihr berehtigtes Vertrauen seze. Bei der Nülkehr zum Präfekturgebäude wurde der Präsident von der Bevölkerung auf das Freudigste begrüßt. Heute Vormittag begab sich der Präsident an Bord der „Jtalia“, beauftragte den Admiral Lovera, dem König Humbert seinen Dank abzustatten, und überreichte den italienishen Offizieren Ordens - Auszeihnungen. Später wohnte der Präsident den Taucher- und anderen Manövern des unterseeishen Bootes „Gymnote“ und den Angriffs- übungen eines Panzerschiffes, welhes von neun Torpedo- booten umgeben war, bei. Das Geschwader wird um 41/5 Uhr die Weiterfahrt nah Korsika antreten.

Rußland und Polen.

St. Petersburg, 21. April. (W. T. B.) Die Ver- mählung des Grafen Schuwalow, Sohnes des Bot- schafters Grafen Schuwalow, mit der Komtesse Woronz ow- Daschkow hat gestern hier mit großer Feierlichkeit statt- gefunden. Der Kaiser, die Kaiserin und andere Mit- glieder der Kaiserlichen Familie sowie der deutshe Botschafter General von Schweiniß und der General von Werder wohnten der Feier bei.

Ftalien.

Nom, 20. April. (W. T. B) Der Papst empfing heute 6000 italienische Pilger und erklärte denselben : ihr Erscheinen habe einen besonderen Werth für ihn Angesichts des großen Krieges der Sekten in Ftalien gegen die Kirche. Alsdann beglückwünschte der Papst die Pilger, welche durch ihr offenes Glaubensbekenntniß zugleih die wahre Liebe zu L bewiesen, und ertheilte s{hließliÞh ganz Jtalien den

egen. :

21. April. (W. T. B.) Der Papst begab ih heute früh 81/2 Uhr nach der Peterskirhe und wurde auf dem Wege dorthin von 20000 Pilgern und Andächtigen begrüßt. Er las sodann die Messe, ertheilte den Segen und nahm, indem ex an den Reihen der Pilger entlangschritt, deren Spenden entgegen.

Spanien.

Madrid, 19. April. (W. T. B.) Jn der Kammer fand heute eine Debatte über die Affaire Benomar statt. Silvela wies nach, daß Graf Benomar seine Pflicht niht verleßt, keine Enthüllungen gemacht und die Regierung niht angegriffen habe; die letztere sei für die ganze Sache verantwortlih. Canalejas, der frühere Justiz-Minister, lobte den Minister des Aeußern Vega de Armijo, der seiner Meinung nach stets korrekt und ohne jeden Geist der Feindseligkeit gegen den Grafen Benomar gehandelt habe. Der Minister gab hierauf eine Erläuterung der Frage und versicherte: wenn Graf Benomar wie während seines vierzigjährigen diplomatischen Dienstes gehandelt hätte, dann würde sich die Regierung niemals in die Zwangs- lage verseßt gesehen haben, die Sache dem Tribunal zu unter- breiten. Canovas del Castillo trat sodann für den Grafen Benomar ein und bemerkte: der einzige Vorwurf, welcher dem Grafen zu machen sei, sei der des Uebereifers. Der Bericht Benomar's sei eine rein geschihtlihe Darstellung der Politik Deutschlands gegenüber Spanien seit der spanischen Restauration.

Portugal.

Lissabon, 19. April. (W. T. B.) Die Kammern sind heute mit einer Thronrede eröffnet worden. Fn der- selben sagt der König: Jn der kurzen Zeit seiner Regierung sci es das dritte Mal, daß er seinen konstitutionellen Pflichten nachkomme, indem er sich in die Mitte der nationalen Vertretung begebe. Die Vertreter des portugiesischen Volkes im Gedeihen und in Unabhängigkeit zu sehen, sei stets eine Freude für den König, dessen Dynastie mit den Geschiken des Volkes eng verknüpft sei. Zwischen der portugiesishen und der englischen Regierung sei ein Streit entstanden, der das Herz des Königs und aller Portugiesen tief berühre; er hege in- dessen die Hoffnung, daß die daraus entstandenen diplomatischen Verhandlungen für beide Nationen ehrenvoll zu Ende geführt werden würden; die Regierung werde im geeigneten Moment die diese Affaire betreffenden Dokumente vorlegen. Zu allen anderen Nationen beständen gute Be- ziehungen und von mehreren seien unzweideutige Sympathie- beweise zu verzeichnen. Während die Kammern nicht ver-

sammelt gewesen, habe die Regierung außerordentlihe und dringende Maßregeln ergriffen für die nationale Vertheidi- gung, zur Aufrechterhaltung der öffentlihen Ordnung und der Ahtung vor den Geseßen, sowie flir die Lage dex Arbeiterklassen und für dez nationalen Fortschritt. Die Thronrede kündigt sodann den Bau einer Eisenbahn von Mossamedes ins rFnnere von West-Afrika und die Bildung eines Ministeriums des Unterrichts und der {hönen Künste an. Die Einnahmen des Staats seien dauernd im “A während es andererseits niht nöthig sei, die Ausgabe für den öffentlichen Dienst zu steigern. Schließlich appellirt die Thron- rede an den Eifer der Volksvertretung Behufs Lösung der- jenigen Aufgaben, welhe die Mitwirkung aller Regierungen zum Wohle der Völler erheishten, und giebt der Hoffnung Ausdruck, daß die Arbeit der Volksvertretung dem Vaterlande und der Civilisation zum Nutzen gereichen möge.

20. April. (W. T. B.) Der „Economista“ veröffent- licht einen amtlichen Protest des Gouverneurs von Quilimane gegen die Handlungen des britishen Konsuls am Nyassasee nah dem Rückzuge der portugiesishen Truppen vom Shireftuß.

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Schweiz.

Bern, 20. April. (W, T. B.) Das Bundesgericht hat beschlossen, auf das Begehren der Regierung des Kantons Tessin, den Bundesrath für inkompetent zu erklären, die anläßlich der vorjährigen Wahlen für den Großen Rath im Kanton Tessin bei ihm eingegangenen Nekurfe gegen die von der Tessiner Regierung verfügte Verweigerung des Wahl(- rehts zu entscheiden, nicht einzutreten.

Belgien.

Brüssel, 20. April. (W. T. B.) Stanley ist gestern Mittag hier angekommen. Der Exirazug lief, geschmüdckt mit belgischen, amerifanishen und englishen Fahnen, um 1 Uhr 40 Minuten in den Südbahnhof ein. Der Hofmarschall des Königs empfing Stanley im NamenSr. Majestät. Bürgermeister und Stadtvertreter waren ihm zur Begrüßung bis an die Grenze entgegengefahren; ein Bataillon Bürgerwehr that Ehrendienst auf dem Bahnhof; ein Hofwagen führte Stanley nah dem Königlichen Schlosse, wo er an der Hoftafel theilnahm und dann eine längere Unterredung mit dem Könige hatte. Heute fand im Rathhause das Stanley zu Ehren vom Bürgermeister gegebene Banket statt, welchem Parke, Jephson, Nelson und Wilson, ferner die Gesandien Englands und der Türkei, mehrere Minister, der Ober- Hofmarschall des Königs, hochge- stellte Beamte des Congostaats sowie zahlreiche Notabilitäten der Finanz- und Handelswelt beiwohnten. Der Bürgermeister brachte Trinksprüche auf den König und auf Stanley aus. Letzterer dankte dann für den ihm und seinen Freunoen be- reiteten {hönen Empfang und trank auf das Wohl der Stadt Brüssel und ihres Bürgermeisters. Nach dem Diner hatte Stanley im Schloß nochmals eine Vesprcchung.

Türkei.

Konstantinopel, 19. April, (W. T. B.) Der Sultan empfing gestern Abend den Herzog von Sahhsen- Meiningen in Begleitung des deutschen Botschafters von Radowiß. Der Herzog überreichte dem Sultan das Groß: kreuz des Sachsen: Ernestinishen Haus-Ordens; der Sultan verlieh dem Herzog den ODsmanie-Drden in Brillanten und dessen Sohn den Medschidje-Orden. Nach seiner Rückkehr in das Hotel begab sih der Herzog nah dem Garten-Pavillon des Yildiz-Kiosk und empfing daselbst um 71/4 Uhr den Gegenbesuch des Sultans. An dem Galadiner bei dem Sultan zu Ehren des Herzogs. nahmen, außer dem deutschen Bot- schafter, die Minister und der gesammte Civil- und Militär- Hofstaat des Sultans Theil.

Rumänien.

Bukarest, 20. April. (W. T. B.) Anläßlih des Geburtsfestes des Königs wurde heute in der Kathedrale ein Tedeum abgehalten, welhem die Minister, das diplomatische Corps, die Behörden, das Offizier-Corps und die Notabilitäten beiwohnten. E

21 April (W D V) Ihre Majestäten der König und die Königin sind aus Sinaja zurückgekehrt ; bei der Ankunst wurden die Majestäten von der Bevölkerung mit freudigen Kundgebungen begrüßt.

Amerika.

Brasilien. Nach einer Meldung des „Reuter'schen Burceaus“ aus Rio de Janeiro vom 19. April ift der bisherige Kriegs-Minister Constant zum Minister des öffeut- lihen Ünterrihts- und des Post- und Telegraphenwesens und der General Floreano Peixoto zum Kriegs-Minister er- nannt worden.

Parlamentarische Nachrichten.

In der heutigen (45.) Sißung des Hauses der Abgeordneten, welher der Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. von Goßler und der Finanz-Minister Dr. von Scholz beiwohnten, wurde die dritte Berathung des Gesegentwurfs, betreffend die Feststellung des Staatshaushalts-États für das Jahr vom 1. April 1890/91, fortgeseßt und zwtär bei dem Etat des Ministeriums der geisilihen 2c. Angelegenheiten in Verbindung mit dem mündlichen Bericht der XIV. Kom- mission über die Allgemeine Rechnung über den Staatshaushalt für 1886/87. j i

Die Generaldebatte über diesen Etat ist bereits beendet und es sind nur noch einige Spezialfragen zu erledigen.

_QU den Titeln 2— 4 des: (Kap: 120‘ „Hobhere Lehr- anstalten“ ist folgende Bemerkung gemacht: „Die einzelnen Zu- \hüfse können während der Dauer der Bewilligungsperiode, ohne RNüc{siht auf den jedeëmaligen Jahresbedarf, voll an die Ansialts- lassen gezahlt werden.“ Derselbe Vermerk befindet sich beim Kap. 113 Tit. 1 bezüglich der Zuschüsse an das Domkandidaten-Stift in Berlin und das Prediger-Seminar in Wittenberg, ferner beim Kap. 121 Tit. 45 Taubstummen-Anstalt in Berlin und Blinden-Anstalt in Stegliß. Die Regierung hat diesen Vermerk dahin ausgelegt, daß die ctwa ge- machten Ersparnisse den Anstalten verbleiben. Die Ober-Rechnungs- kammer verlangt, daß die Ersparnisse in den allgemeinen Staatsfonds zurückgefühnt werden. Vie Rechnunzskommision hatte sich dieser Anshauung aus Anlaß der Prüfung der allgemeinen Rechnung für 1886/87 angeschlossen, während die Budgetkom- mission zu dem entgegengeseßten Standpunkt gekommen ist. Die bei der zweiten Berathung des Etats eingeseßte besondere Kom- mission ist zu folgenden Arträgen gekommen: /

T. In Erwägung: 1) daß die Auslegung des Vermerks zu Tit. 2 bis 4 Kap. 120 eine zweifelhafte sein kann, 2) daß praktische Gründe

die Wiedereinziehung der angêsammelten Kapitalien nicht angebracht erscheinen lassen, den Antrag der Rehnungskommissicn auf Zurük- führung der leßteren in die allgemeinen Staatéfonds abzulehnen.

IL. Dem Tit. 2 Kap. 129 (höhere, vom Staat allein zu unterhaltende Lehranstalten) folgenden Vermerk hinzuzufügen :

„Die einzelnen Zuschüsse körnen während der Dauer der Bewilli- gungéperiode ohne Rücksicht auf den jedesmaligen Jahreébedarf voll an die Anstaltskassen gezahlt werden, die daraus erzielten Er- sparnisse sind jedoch nach Ablauf der Bewilligungs- periode in die allgemeinen Staatsfonds zurückzu- führen.

Die ekenfalls vom Staat allein unterhaltene Taubstummenanstalt in Berlin und Blindenanstalt in Steglitz (Kap. 121 Tit. 45) sollen ebenso bebandelt werden.“

IIT, Dem Titel 3 und 4 Kap. 120 (vom Staat und Anderen zu unterhaltende, bezw. von Anderen zu unterhaltende vom Staat zu unterstüßende Anstalten) folgenden Vermerk hinzuzufügen:

„Die einzelnen Zuschüsse ks..nen nährend der Dauer der Bewill:- gungsperiode ohne Nücksiht auf den jedesmaligen Fahresbedarf voll an die Änstaltskassen gezahlt werden. Bei Ablauf der Bewilligungs- periode vorhandene Ersparnisse aus den Bedürfnißzushüssen verbleiben den Anstalten, sind jedoch für die einmaligen und außerordentlichen Ausgaben der Anstalten an erster Stelle heranzuziehen.“

Ebenfo sollen das Domkandidatenstift in Berlin und das Prediger» Scminar in Witteuberg (Kap. 113 Tit. 1) behandelt werden.

Endlich beantragt die Kommission folgende Resolution :

„Die Könialiche Staalsregieruna aufzufordern, auf thunlichste Abkürzung der Bewillizungsverioden Bedacht zu nehmen.“

Der Berichterstatter Abg. Francke (Tondern) begründete diese Vorschläge der Kommission.

Der Finanz-Minister Dr. von Scholz sprah \ich gegen diese Beschlüsse und dafür aus, daß die Ersparnisse den Anstalten verbleiben, Das bisherige 1878 getroffene Ver- fahren habe sich durchaus bewährt und die früheren Mißstände beseitigt. Gewähre der Staat eine Summe Geldes zur Er-cihung eines Zweckes, so müßten, wenn es sich um eine Staatswirthschast handele, die Ersparnisse zurückgegeben wer- den; handele es fich aber um eine fremde Wirthschaft, so könnte dies niht geschehen, weil der Staat nicht so tief in die fremde Wirthschaft hineinsteigen könne. Nach dem Landrecht hätten die Schulen den Charakter einer Korporation; deshalb sei es prinzipiell richtig, daß der Staat sih in die Wirthschaft der Schulen nichl ein- mische, außer auf Grund des Gesezes2, aber nicht bei jedem Pfennig Unterstüßung, der gewährt werde. Es würde doch auch Niemandem einfallen, etwa in die Privat- wirthschaft der Beamten einzugreifen und ihre Erfparnisse für die Staatskasse wieder einzuziehen. Zudem sei es wirth- \chaftliÞh richtiger, die Ersparnisse den Anstalten zu belassen. Es rege dies einmal die Sparsamkeit an und be- lebe andererseits das Jnteresse der Bürger einer Stadt, wenn diese wüßten, daß ihre Zuwendungen der An- stalt und damit der Stadt verbleiben. Niemand werde Lust haben, in seinem Testament eine Anstalt zu bedenken, wenn dadurch lediglich die Staatskasse erieichtert werde. Einen Unter- schied darnah zz machen, ob die Anstalt unter Verwaltung des Staats derStädte oder vonStiftungen stehe, sei nicht angängig ; für alle diese Anstalten gelten dieselben Gesichtspunkte. Sonst sei die Regierung dem Hause immer niht weit genug gegangen in Bezug auf diese Anstalten, jeßt wolle das Haus hinter der Regierung zurückbleiben und es würde wahrscheinlich bald seinen Beschluß bereuen. —— 7

Abg. Broemel bekämpfte die Unterscheidung zwischen Aufwendungen in der Staatswirthschaft und staatlichen Auf- wendungen in einer fremden Wirthschaft; es handele sih hier um den Unterschied zwischen Bedürfniß und festen Zuschüssen. Das Beispiel der Staatsbeamten sei unzutreffend; denn diese erhielten ihr Gehalt, nicht bloß um ihre Be- dürfnisse zu befriedigen, sondern als Gegenleistung für ihre Leistung an den Staat. Die Kommission stehe grundsäßlih auf dem Standpunkt der Ober-Rehnungskammer. (Schluß des Blattes.)

(Der S&lußbericht über die vorgestrige Sißung des Hauses der Abgeordneten befi:det sich in der Ersten Beilage.)

Verkehrs - Unfstalteu.

Eisenbahn-Unfall bei Werbig am 18, d. M.

Als der um 6 Uhr 58 Minuten Morgens von Küstrin nah Berlin abgelassene, aus Lokomotive und 11 Wagen bestehende Personenzug Nr. 10 am 18. d. M. die Ein- gangsweiche der Station Werbig durchfuhr, trat eine Zug- trennung dadurch ein, daß, soweit sih nachträglich noch er- kennen ließ, der dritte Wagen des Zuges aus einer bisher noch nicht ermittelten Ursache in das Nebengeleise abgelenft wurde. Während von den beiden ersten Wagen des Zuges nur der zweite, ein Personenwagen, ohne erhevlih beschädigt zu werden, entgleiste, rannte der abgetrennte Theil des Personenzuges auf einen im Nebengeleise haltenden Arbeits- zug, in dessen leztem Wagen die Bahnarbeiter, welche diesen Zug begleiteten, sich aufhielten. Obwohl der Personenzug, der auf der S:ation Werbig anzuhalten hatte, die fraglihe Weiche mit nicht mehr volier Geschwindigkeit durchfuhr, war der Anprall der abgetrennten Personenwagen gegen den Arbeiterwagen do noch so stark, daß sowohl der leßtere als auch der vordere Personenwagen nahezu zertrümmert, die folgenden Wagen mehr oder weniger beschädigt wurden. Die dadurch einge- tretene Sperrung der beiden Geleise war bis zum Nachmittag des Unfalltages wieder beseiligt. i

Leider is es bei diesem Unfalle niht ohne Opfer von Menschenleben abgegangen. Von den Bahnarbeitern ist einer getödtet, zwei sind {wer und zehn leiht verleßt. Von den im Zuge befindlihen Reisenden sind nah den bisherigen Berichten sieben zum Theil nit unerheblich be- schädigt worden. Die sofort eingeleitete Untersuhung is noch nicht zum Abschluß gelangt, bisher ist dabei indessen kein Anlaß hervorgetreten, das Verschulden eines Bahnbediensteten an dem beklagenswerthen Unfalle anzunehmen.

Hamburg, 21. April. (W. T, B.) Der „Hamb. Börsenh.“ zufolge hat sich die Gesellschaft für die Errichtung einer Deuts c- Ostafrikanishen Dampferlinie mit einem Grundkapital von 6 Millionen Mark, wovon zunächst 259/06 eingezahlt werden, konstituirt. : i

21. April. (W. T. B.) Der Postdampfer „Holsatia“ der Hamburg - Amerikanishen Padetfahrt - Aktien- gesellschaft ist, von Hamburg kommend, gestern in St. Thomas eingetroffen, und der Postdampfer „NRugia“ derselbea Gesellschaft hat, von New-York kommend, gestern 7 Uhr Abends Scilly passirt.

Breit, 20 Ul, W, L. B) Vie Lloodbamprer „Euterpe“ und „Berenice* sind, ersterer gestern, letzterer heute Nachmittag hier eingetroffen.

London, 21. April. (W. T. B.) Der Union - Dampfer „Arab ist auf der Heimreise am Sonnabend in Southampton angekommen.

Theater und Musik,

Königliches Schauspielhaus.

Die zum Besten des unter dem Protektorat Jhrer Majestät der Kaiserin und Königin stehenden Paul Gerhardt-Stifts von Mitgliedern der Hosgesellshaft veranstaltete Aufführung lebender Bilder hatte om Sonnabend Abend im Königlihen Schauspielhause eine zahlreihe, äußerst distinguirte Gesellschaft versammelt. Jhre Majestäten der Kaiser und König und die Kaiserin und Königin beehrten die Aufführung mit Llerhöchstihrem Besuch und wurden beim Eintritt in die große Hofloge von einem Trompeterhor mit dem „Kaisergruß“ empfangen, während das Publikum si erhob und gegen die Loge gerichtet sich ehrfurWtëvoll verneigte. Nach- den die von Julius Kosleck für mittelaltierlihe Trompeten und Pauken komponirte, festlich imposante Fanfare verklungen war und die Majestäten mit Ihren Königlichen Hoheiten dem Prinzen Alexander und der Erbprinzessin von Sacbsen-Meiningen in der Hofloge Plaß genommen, trat Herr Georg von Hülsen (in altdeutsher Ede! manns- trat) vor den Vorhang und spra einen von ibm selbst gedichteten \{roungvollen Prolog, der in flüssig gereimten fünffüßigen Jamben dem Gedanken Ausdruck gab, wie si» Wohlthätigkeit und Kunst hier zu {önem Zusammenwirken verbanden, em den Frühling, der jctzt alle Herzen erfreue, auch den Armen und Elenden zu bereiten. Dann begann die Vorfülæxunç der-9 prachtvollen Bilder, welche unter der Munificenz von im Programm bei jed:r einclnen Nummer nam- haft gemachten Ladies Patronesses von den Malern Professoren Beer, Sfarbina, Friedri, Ehrentraut und Hrn Bürck nach älteren und neueren Gemälden oder eigenen Skizzen gestellt worden waren, wäh- rend der Königlihe Maschinerie-Ober:Inspektor Brandt die scenische Einrichtung besorgt hatte. Die Darsteller gehörten auss{@ließlich den vornehmsten, dem Hofe nabestehenden Kreisen an. Ein aus dem Musifcorps des 4, Garde-Regiments z F. gebildetes Orchester unter Leitung des Hrn. Roßberg begleitete jedes Bild mit einem passenten Mußikftück Den Anfang machte eine von Professor Skfarbina zusammengestellte Scene aus einem an den Wänden und auf Staffeleien mit Bildern ge\s{chmüdckten Atelier, in welchem der Maler im Begriff ist, das Porträt einer ihm sitzenden Dame zu vollenden. Sämmtliche Gemälte, darunter Tüztan's „Lavinia* und „Philipp TI.“, das Porträt zweier Knaben von van Dyck, das „Chokoladenmädchen* von Liotard, Herkomer's „Miß Grant“, das „Moselblümchen“ von Lieck und die „Yum Yum“ von Sichel, waren [-bend: ebenso das Biidniß der Dame, an welches der Künstler soeben die leßte Hand legte, und zwar wurden Vorbild und Konterfei in origineller Weise von zwei Com!essen dargestellt, die als Schwestern durch thre Achnlichkeit die vollkommenste Täuschung ermöglichten. Dann folgten ein Bild immer \{öôner und prächtiger als das ar.dere, sodaß es {wer zu entscheiden war, welchzem der Preis gebühre „Maria Stuart und der Sänger Nizzio" nach Neal, „Das Fest der Shloßh:rrin“ nah Adrien Moreau (beide voa Prof. Ebrentraut gestellt), ferner „Othello und Desdemona“, das „Gnadengesucch beim Dogen“ und „Die Dichterkrönung Ulrich's von Hutten durch Kaiser Marirnilian", sämmtlich ven Prof. Carl Becker nah seinen eigenen Gemälden angeordnet, Zwiscden iese dret Bilder eingeschaltet waren eine Gruppe vornehmer indisher Frauen, die fich mit Tanz und Mußk belustigen, betitelt „Bei der Maharana von Lahore“ (von Pref. Friedrih nach eigener Skizze gestellt) und ein nach einem reizenden Lanccect’shen Gemälde „Le Moulinet“ (von Prof. Skarbina) komponirter ländlicher Meigen von Damen und Kavalieren im Watteau*'schen Stil. Den Swhluß bildete die Scene aus dem Eudrunliede, in welcher Her- wig zund Octwvin die in Gefangenschaft \{machtende Heldin nebst ivren Sefährtinnen zu befreien kommen (nah eigener Skizze von Bür). Nach jedem Bilde ersck&oll anhaltender lauter Beifall und mußte si der Borhang stets 7 och zweimal wieder heben; die größte Bewunderung aber erregte das prachtvolle Belker’\{che Bi!d des , Gnadengesuches beim Dogzen“.

Es ist ¿u wünschen und na) der großen Betheiligung aus allen vornehmsten Kreisen auch wohl nicht zu bezweifeln, daß das Comité, bestehend aus den Damen Gräfin Fritß Hohenau und Gräfin Alfred Dohna, sowie den Herren Prinz Eduard zu Salm- Horstmar, Freiherr von Schrader-Bliestorf, und S. von Hülsen, ebenso wie die Ladies Patronesses, Frau Grâfin Széck(ényi, Frau Gräfin von Hohenthal und Bergen, Prinzessin Georg Radziwill, die aufgewen- dcten Mühen und Opfer für das so {öôn und prächtig gelungene Unternehmen aud) durch einen reihen Ertrag für den edlen mild- thätigen Zweck belohnt sehen werden.

Deutsches Theater.

Am Sonnabend gelangte zum Besten des Vereins „Berliner Presse* und der Géenossenshaft Deutsher Bühnenangehöriger Adolf LArronge's Volksstüud „Mein Leopold“ auf diefer Bühne zur ersten Aufführung. Es war noch zu den glänzenden Zeiten des Wallner-Tbeaters, als unter der sieghaften Führung Velmerding's und Ernestine Wegener's L'Arronge mit diesem Volks\tück einen ebenso kräftigen wie dauerhaften Erfolg erzielte und damit den Grund zu der Beliebtbeit bei dem Publikum legte, deren sih der Dichter noch heute erfreut und die er durch seine späteren Arbeiten, namentlich aber durch „Der Compagnon“ und „Doktor Klaus* erweitert und vertieft hat. Der behaglihe Humor und das ungekünstelte Wesen, welche alle seine aus dem Bolksleben und der bürgerlichen Gesellschaft entnommenen Charaktere durhwärmen und beleben, machen einen tiefen Eindruck auf die Zuschauer, welcher durch den sittlichen Ernst und die gesunde Einfachheit der Gedanken und Empfindungen noch erhöht wird. Diese freundlichen, anheimelnden Seiten der dramatischen Arbeiten L’Arronge's traten bei der Erstaufführung von „Mein Leopold“ zu Anfang der fsiebziger Jahre noch fkräfiiger hervor, als vorgestern im Deutschen Theater; denn niht nur überraschten sie damals dur die Neuheit, sondern manche wirkungsvollen Zuthaten, wie Couplets und Lieder, welche damals auf der Wallner: Bühne wesentlih zu dem durchschlagenden Erfolge beigetragen hatten, waren an der neuen Kunststätte ausgemerzt und durch monologischea und dialogishen Text erseßt worden, Aber nihts desto weniger fand die Comödie von der überzärtlihen Vaterliebe und dem undankbaren Sohne au vorgestern ungetheilten Beifall und emvfindsame Herzen wurden durch die Schicksale des alten „We gelt“ nicht weniger gerührt als früher.

Die Dorstellung erfreute sich verdientermaßen lebbafter An- erkennung. Den alten Shuhmacher Weigelt ehemals cine Glanz;- rolle Helmerting's gab Hr. Engels, der in den ersten Akten durch die komische Berckörperung des reichen, stets mit der Grammatik im Kampf liegenden Schusters ebenso große Heiterkeit erregte, wie er dur) die Darstellung demüthiger Ergebung und des pflichttreuen Ausharrens unter allen Schicksals\{lägen in den späteren Scenen ernstere Wirkungen hervorbrahte. Frisch und derb spielte Hr. Kadelburg den Weriführer Starke und mit volksthümlicher Leben- digkeit, welche diese Leistung zur hervorragendsten des Abends machte. Hr. Sommerstorff, hatte in der komischen Rolle des Klavier- lehrers Meblimneyer abgeschen von einigen Ucebertr:ibungen in der Antrittsscene cinige sehr erhciternde Momente. Frl. Meyer gab die einfache biedere Handwoerkeréfrau Clara trefflih; die muntere Rolle der lustigen Emma fand in Frl. Sorma eine ausgezeichnete Vertreterin, sowohl in den Scenen, in welchen sie thren Beinamen eDanewurst* zu rechtfertigen bat, wie in den ernsten Auftritten, in denen Herz und Gemüth zu ihrem Recht kommen müssen. Das Publikum erschien vom Anfanz bis zum Swchluß der Vorstellung gut gelaunt und spendete den Darstellern und dem Verfasser reihen Beijall, welcher letztere si) auch den Zuschauern zeigte.

Frl, Ortwin, welche sih demnächst zu verheirathen gedenkt, scheidet bereits mit Ende dieses Monats aus dem Verbande des „Deutschen Theaters“ aus und wird nur noch in dieser Woche zweimal auftreten, und zwar am Mittwoch als Georg in „Göß von Berlichingen“ und am Sonnabend als Anna, Birkmeyer in „Der Pfarrer von Kirchfeld.“