1890 / 104 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 28 Apr 1890 18:00:01 GMT) scan diff

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“müssen, nah Maßgabe der nachfolgenden Vorschristen eine Entschädi-

Allgemeine Bemerkungen.

1. In obiger Zusammenstellung {ind die Militär-Eisenbahn, die bayerishen Bahnen, die Georgsmarienhütte- und die Peine - Ilseder Eisenbahn, e die unter eigener Verwaltung stehenden {chmal- spurigen Bahnen nit enthalten. |

. Von den mit * bezeichneten Bahnen werden einzelne Strecken als Bahnen. untergeordneter Bedeutung betrieben. f s

TII. Während der Inhalt der Spalten 5 bis 13 größtentheils auf provisorischen Angaben beruht, enthalten die Spalten 14 bis 22 nur insoweit provisorishe Angaben, als die früheren provisorishen Añgäbeu inzwischen 44 dur Ermittelung der definitiven Einnahmen Berichtigung gefunden haben.

IV. Die in den Spalten 11 und 20 verzeichneten Angaben enthalten auch die dem event. vorhandenen Erneuerungsfonds zufließenden Antheile.

Besondere Bemerkungen.

1) Eröffnet wurde 1888/89: am 15. November die Strecke Hagendingen—Gr. Moyeuvre (10,18 km). 1889/90: am 1. April die Strede Düdelingen—Reiteshkopp (0,76 km) (für Güter), an demselben Tage kamen für die Linie Hagenau—Saargemünd 0,99 km Geleise in Zugangz am 16. Dezember die Strecke Buchsweiler—Ing- weiler (6,58 km). T 0

2) Eröffnet wurden 1888/89: am 1. April in Folge Linien- verlegung durch Umbau auf Bahnhof Halle (13,44 km) und die Verbindungsstrecke Dorstfeld Rh.—Marten B. M. (3,22 km), am 1. April Soldau—Illowo (11,73 km) in Mitbetrieb genommen, am 16. April Styrum—Oberhausen neue Linie (2,91 km), am 1. Mai Löwenberg—Templin (33,08 km), am 15, Mai Wehbah—

reudenberg (10,50 km), am 1. Juli Stralsund—Ribniß (43,33 km), elgast— Barth (11,42 km) und Laasphe—Feudingen (9,80 km), am 15. Juli Altenahr—Adenau (17,21 km). Durch Umbau des Bahnhofes Karthaus sind ferner 053 km hinzugekommen. Am 1. August die Umgehungsbahn bei Staßfurt (2,49 km), am 11. August Birnbaum—Pinne (28,47 km), am 16, Rugust Hildes- heim—Hoheneggelsen (17,40 km), am 1, September Dt. Krone— Callies (44,47 km) und Terespol—Schwehz (6,19 km), am 9. Sep- tember Sachsenhausen (Güt. Stat.)—linksmainischer Hafen (1,46 km), am 1. Oktober Lissa—Jarotschin (68,61 km), Kankel——Dstrowo (86,98 km), Gleiwiß—Orzeshe (21,93 km), Hohenstein i. Pr.— Soldau (52,98 km), Hilhenbach—Erndtebrück (18,80 km), Fulda— Gersfeld (23,21 km), Bleialf—St. Vith (15,79 km), am 6. Ok- tober durch Aenderungen auf dem Bahnhofe Halle 0,48 km, am 22, Oktober Teutschenthal—Salzmünde (8,57 km), am 1, November Wülfrath—Velbert (8,55 km) und Dahlerau—Beyenburg (5,00 km) am 1. Dezember Rogafen—Wongrowißz (18,94 km), Emden—Schiffs- liegeplay (2,16 km), am 10, Dezember Staffel Limburg (4,71 km), am 20. Dezember Erndtebrück—Leimstruth (5,90 km), am 1. Januar Montwy Krushwiß (8,50 km), am 15, Ja- nuar Lauchhammer—Lauhhammer Werk (0,89 km), am 1. Fe- bruar Hoheneggelsen Gr. Gleidingen (16,90 km). 1889/90: am 1. April ist die Fröttstedt—Friedrihrodaer Eisenbahn (8,92 km) in

Vemerfkungen.

das Eigenthum des preußishen Staats übergegangen; durch Neu- vermessungen, Regulirungen u. \. w. hat die Länge der preußischen Staats-Eisenbahnen um 5,38 km zugenommen; es treten hinzu am 1, April Montwy—Montwy Fluß (1,08 km) und Küstriner Vor- stadt—Warthe Fluß (0,65 km); am 1. Mai Hochneukirh—Greven- broih (10,22 km); am 1. Juni Ribniß—Rostock (28,54 km), Wongrowiß—Inowrazlaw (77,67 km) und Gößenhof—Bieberstein (12,87 km); am 1. Juli die Apenrader Hafenbahn (0,97 km); am 1. August Wrift— Itzehoe (21,40 km) u. Oppeln—Nams- lau für Güter (57,00 km); am 15. August Bergen—Putbus (9,74 km) und Trier r. Hermeskeil (50,30 km); am 3, Sep- tember dur B egus der Linie von Barmen—Rittershausen über Langerfeld nah Ronsdorf 0,39 km; am 18. September Danzig D. Thor nach dem Weichselufer bei Neufahrwasser (4,44 km) für Güterverkehr; am 1. Oktober Nordshleswigshe Weihe—Niebüll (40,50 km), Neusalz a./D.—Freystadt (9,61 km), Königsberg i./Pr.— Labiau (50,32 km), Leimstruth—Feudingen (8,50 km), Erndtebrück— Birkelbach (3,590 km) für Güterverkehr, Naumburg— Artern (55,52 km) und am 7. Oktober Langenlonsheim—Simmern (37,00 km); am 1. November Schee-Silshede (8,90 km), Krebsöge—Radevormwald (8,40 km), Mocker—Katharinenflur (2,29 km), Wulften—Duderstadt (20,59 km), Gifhorn—Triangel (7,85 km), Oebisfelde—Salzwedel (5916 km), Baalberge—Cönnern (11,30 km); am 4, November St. Vith—Ulflingen (23,30 km); am 15. November Schmallenberg— Fredeburg (5,90 km), Wiesbaden—Langenshwalbach (21,37 km); am 15, Dezember Ballstädt—Herbsleben (16,72 km); am. 21. Dezember

burg— Langerfeld (6,40 km); am 12, Februar Solingen—Wald (6,09 km); am 15, Februar Glöwen—Havelberg (8,91 km). Es gehen ab: 1888/89: am 1. April Elsterwerda—Oresden (55,37 km), am 16. April Styrum—Oberhausen alte Linie (3,00 km), Dur die am 18, August stattgehabte Eröffnung des Haupt-Personen- bahnhofes zu Frankfurt a. M. is die Betriebslänge um 0,44 km vermindert. Am 1. Oktober von der Grubenbahn Gleiwiß— Morgenroth die Strecke von Gleiwitz bis km 4,37 (4,37 km). Am 10, Dezember Staffel—Limburg alte Linie (1,81 km). 1889/90: am 1. Oktober durch Schließung des Bahnhofes Rheydt-Morr 2,99 km; am 1. Februar durch vorläufige Außerbetriebseßung der Strecke Kray—Wanne 8,81 km.

3) Die hierfür in Betracht zu ziehende Bahnlänge beläuft \ich auf 23 577,83 km.

5) Am 26. Mai 1888 ist die Strecke Nidda—Schotten (14,18 km), am 1. Oktober Stockheim—Gedern Che km) eröffnet. 6) Die Angabe in Sp. 25 bezieht sih auf 175,82 km.

7) Eröffnet wurden 1889: am 1. Juli Grünstädtel—Ober- rittersgrün (9,36 km) und Grünstädtel—Schwarzenberg (2,67 km), am 15. Juli Stollberg—Zwöniß (16,59 km), am 1. Dezember O non (21,44 km), und Waltersdorf—Obercrottendorf D, m).

Stolberg (Hammer)}—Walheim (7,27 km); am 3. Februar. Beyen- '

__‘) Eröffnet wurde am 2, Oktober 1889 die Strecke von Leutkirch bis zur Landesgrenze 24,97 km. y

8s) Die Angabe bezieht sih auf 2381,14 km.

9) Die Angabe bezieht \sich auf 1355,68 km. /

10) Am 1. Oktober 1889 i} die Strecke Holthusen—Ludwigslust Sa am 29. Dezember 1889 Dömiß—Lübtheen (32,90 km) eröffnet.

11) Die hierfür in Betraht zu ziehende Bahnlänge beläuft #ich auf 388,37 km.

12) Die Angabe bezieht sich auf 313,57 km.

13) Die hierfür in Betracht zu ziehende Bahnlänge beläuft \sich auf 683,19 km.

14) Am 1. Oktober 1889 i} die Strecke Orlamünde—Pößneck (11,66 km) eröffnet.

15) Am 1. August 1889 i} die Zweigbahn Immelborn—Lieben- stein—S{ch{weina (6,41 km) eröffnet,

16) Die Angabe bezieht sich auf 198,95 km.

17) Die Bahn ist am 31, Dezember 1888 eröffnet.

18) Das Anlagekapital ift von der Gemeinde Löningen aufgebracht.

19) Die Bahn is für Rehnung des Bankhauses Erlanger u. Söhne in Frankfurt a. M. erbaut, nah Eröffnung des Betriebes ist das Eigenthumsreht des Bankÿauses an die Jever - Carolinensieler Eisenbahn-Gesellschaft übergegangen.

9) Ausfchließlich 87 400 #4 für Betriebsmittel und Werkstatts- einrihtung, welhe dem Betriebspächter gehören.

21) Vom 1. Januar 1890 ab findet auf der Strecke Eisern— Eiserfeld (5,00 km) auch Personenbeförderung statt.

tut Das Anlagekapital if von der Stadt Osterwieck aufgebracht worden,

2) Die Bahn ist am 14. April 1888 eröffnet.

N) Die Bahn is vom Hessischen Eisenbahn-Konsortium (Darm- städter Bank und Hermann Bachstein) für eigene Rechnung erbaut.

2) Wie zu 24, ;

2) Die Bahn ist am 11. Oktober 1888 eröffnet.

27) Wie zu 24.

2) Außerdem sind 195 488 M für die Dampffähr-Anlage zwischen Karolinenkoog und Tönning verwendet.

29) Das Anlagekapital ist von der Stadt Perleberg aufgebracht.

30) Wie zu 24. :

31) Die Bahn is vom Mitteldeutshen Eisenbahn-Konsortium (Darmstädter Bank und Hermann Bachstein) für eigene Rehnung erbaut.

82) Hiervon entfallen auf das Jahr 1889 5% und als Nach- zahlung rückständiger Dividenden aus früheren Jahren 3 9%.

83) Die Bahnen sind Eigenthum der Firma H. Bachstein, Berlin. B) Für die Jahre 1889 und 1888 hat aus dem Betriebs-Ueber\chuß eine Dividende nicht gezahlt werden können. Die Zinsen für die St.-Aft, Litt. A sind in Höhe von 3 v. H. von der Lokaleisenbahn-Betriebsgesell- schaft in Hamburg garantirt, während für die Zinsen der Pr.-St.-Akt. die Emissionshäuser die Garantie bis zu 4 v. H. übernommen haben,

35) Die Bahn bildet einen Vermögensbestandtheil der Stadt Schmalkalden.

Parlamentarische Nachrichten.

Dem Herrenhause ist der nachstehende Antrag des Grafen von Frankenberg zugegangen:

Das Herrenhaus wolle beschließen:

Unter Ablehnung der Position 111 Nr. 3 in dem Gesetzentwurfe, betreffend die Erweiterung und Vervollständigung des Staatseisen- bahnnetes, von 19 950 000 4 die Königlihe Staatsregierung zu er- suchen, die Ausführung einer Eisenbahn von Liegniß über Canth E Oolen) Strehlen nah Oppeln oder Groschowitz in Ausführung zu bringen,

Dem Hause der Abgeordneten is folgender Antrag von den Abgg. Graf und Gen. zugegangen :

Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen:

Dem nachstehenden Gesetentwurf die verfassungëmäßige Zu- stimmung zu ertheilen:

Gesetzentwurf, betreffend die Entschädigung für an

Milzbrand gefallene Thiere.

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Pceußen 2c. verordnen für den Umfang der Hohenzollernschen Lande, unter Zustim- mung beider Häuser des Landtages der Monarchie, was folgt:

Artikel T. p

Der Hohenzollerns{{“Kommunalverband kann beschließen, für an Milzbrand gefallene oder wegen Milzbrand getödtete Pferde und Rindviebstücke oder für solhe Thiere dicser Sattung, welhe gefallen oder getödtet worden sind und deren Kadaver wegen Verdawts des Milzb-randes nah §. 33 des Reichsgesezes vom 23. Juni 1880 auf Afordnung der Polizeibehörde sofort unschädlih beseitigt werden

gung zu gewähren:

1) die Entschädigung darf einschließlich des Werths derjenigen Theile, wel@e dem Besitzer nah Maßgabe der polizeilihen Anord- nungen zur Verfügung bleiben, niht den durch Schäßung festgestellten gemeinen Werth des Thieres übersteigen;

2) feine Entschädigung wird gewährt in den Fällen der §SS. 61, 62 Nr. 2 und 63 des Reichsgesetzes;

3) zur Bestreitung der Entschädigung sowie der Kosten der Er- hebung und Verwaltung der Beiträge und der Schäßung wird inner- halb des Verbandes, nah Maßgabe des vorhandenen Pferde- und Rindviehbestandes, von den sämmtlichen Pferde- und Rindviehbesitzern ein verhältnißmäßiger Beitrag aufgebracht

Hierzu können auch die in Gemäßheit der §8 15 ff. von den Pferde- und Rind viehbesitzern bereits wegen Rotzes und Lungenseuche erhobenen und angesammelten Fonds Verwendunz finden,

Der Beitrag wird niht erhoben für Thiece, welche dem Reih oder den Einzelstaaten gehören, oder in Schlachtviehhöfen oder in öffentlichen Schlachthäusern aufgestellt und erkranft woaren ;

4) die näheren Vorschriften über den Betrag und die Auszahlung der zu gewährenden Entschädigung und über die Erhebung und Ver- waltung der Beiträge, sowie über die Schäßung der gefallenen Thiere werden von der Vertretung des Hohenzollernshen Kommunalverbandes dur ein Reglement festgestellt, welhes der Genehmigung der Minister des Innern und für Landwirthschaft, Domänen und Forsten

bedarf, i Ls : Ale l Dieses Gesetz tritt mit dem Tage seiner Verkündigung in Kraft.

Das VI, Verzeichniß der bei dem Hause derx Ab- geordneten eingegangenen Petitionen ist zur Vertheilung gelangt. Dasselbe enthält 98 Nummern, von denen 14 der Kommission für Petitionen, 13 der Kommission für die Agrar- verhältnisse, 14 der Kommission für das Justizwesen, 25 der Kommission für das Unterrichtswesen, 10 der Kommission zur Prüfung des Staatshaushalts, 3 der Kommission zur Vor- berathung des Antrages des Abg. Broemel, betreffend die Reform der Personen-, Gepäck- und Gütertarife, und 19 dex Kommission zur Vorberathung des Antrages des Abg. Conrad (Pleß) auf Annahme eines Geseßentwurfss, betreffend den Schuß der Landwirthschaft gegen Wildschaden, zugewiesen worden sind.

Statistik und Volkswirthschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

Wie der „Elbf. Ztg.“ aus Saarbrücken geschrieben wird, ift die Bergarbeiter - Massenversammlung auf bayerischem Boden, welche für den 30, April geplant war, vershoben worden. Zahlreibe Bergarbeiter-Versammlungen des oberen und unteren Saargebiets erklärten sih dahin, daß von einem neuen Strike nichts zu erwarten sei. Man solle vielmehr alle friedlihen Mittel versuchen, um die in Dudweiler am 16. März aufgestellten Forderungen durchzuführen, Aus Dudweiler wird der „Rh.-Westf. Ztg.“ unter dem 25. d. M. geschrieben: Am Mittwoch ertlärte sih eine Versammlung de Wendel*scher Arbeiter mit der angebotenen Theuerungs- zulage von monatlich 6 4 für Verheirathete und 3 #4 für Unver- heirathete niht zufrieden; der größte Theil der Arbeiter legte die Ar- beit nieder. Dieselben beabsichtigen, nach der „Dudweiler Zeitung“, die Arbeit nit eher wieder aufzunehmen, bis die in der ersten Ver- sammlung verlangten Normallöhne und kürzere Arbeitszeit bewilligt sind. Ueber die Lohnbewegung unter den Arbeitern in Mül- hausen i. E. berichtet die „N. Mülh. Ztg.“ vom 25, April : Mit dem Ausstand ist es nunmehr vorbei. Gestern feierte noch eine Anzahl von Gießereiarbeitern; auh fehlten hier und da noch Arbeiter in den Spinnereien und Webereien; aber nah und nah wurden fast Alle des müßigen Umherstehens müde und sehnten sich wieder nah der gewohnten Arbeit und nah dem Verdienst zurück. Aus den weiteren Mittheilungen sei erwähnt, daß den Arbeitern der Gießerei der 14 tägige Za hltag bewilligt worden ift. Auch soll den bislang am \{lechtesten gestellten Tagelöhnern der Gießerei der Lohn aufgebessert werden, worüber natürli*ß große Freude herrscht. Für die Arbeiter der Textilbranche ist eine Weadung zum Wesseren eingetreten. In den Baumwollspinnereien und Webereien wird von 6 bis 6 gearbeitet mit anderthalbstündiger Mittagspause. Auch den Arbeitern der Wollenindustrie ist die andertbalbstündige Mittagépause zugestanten, indeß mit dem Unterschiede, daß in denselben bis halb 7 Uhr Abends gearbeitet werden muß. Die Bezahlung ist, wie das Blatt hört, üÜberallso geregelt, daß die Arbeiter bei der jeßt verkürzten Arbeitszeit ebenso viel verdienen wie früher. Vom Sonnabend berihtet das Blatt, daß der Ausstand der Zimmerleute und Schreiner, die bei den bicfigen Unternehmern angestellt sind, fortdauert, Ihre Arbeitseinstelung hat nun {hon eine ganze Woche gewährt, und wie es heift, find diese Arbeiter nicht gesonnen, nachzugeben. Aus Gebweiler schreibt man der 26. d. M: Die vom Kreisdirektor hierselbst eifrig be- triebenen Vermittelungen haben dahin geführt, daß heute die Schlumberger’scchen Arbeiter der Maschinenwerkstatt, ebenso die der Fabrik Ad. Grün sich mit den von Seiten der Fabrikanten gemachten Zugeständnissen (welche auf Lohnerhöhungen hinausgehen, da die hiesigen Arbeiter an der elfstündigen Arbeitszeit keinen Anstoß nehmen) zufrieden erklärten und die Arbeit wieder aufnahmen. Ebenso haben die Straczewißshen und Weber- hen Spinner und Ansetzer heute fast vollzählig wieder zu arbeiten angefangen. Der Firma Bourcart ift es gelungen, ihre Weber gän;lih vom Ausstande abzuhalten; auch mit den Spinnern war bereits ein Einvernehmen erzielt, welhes jedoch an einer Fo.ma- lität scheiterte, sodaß gestern Morgen nur die Hälfte der Arbeiter antrat, als die Glocke zur Arbeit rief. Diesen wurde nicht gestattet zu beginnen. Die Spinner und Ansetzer der Firma N. Schlum- berger stehen noch aus; es ist aber anzunehmen, daß au sie bis spätestens Dienstag wieder zu arbeiten anfangen. In den Bühler Fabriken steht eine Beilegung des Ausstandes noch niht in Aussicht. In Thann war demselben Blatte zufolge die Lage am 25. dem Vortage gegenüber unverändert, der Ausftand ein fast allgemeiner, Die Jour- dain’\he Fabrik feiert ebenfalls, und man befürchtet, daß die Sceurer-Rott’sche, welche 700 Arbeiter beschäftigt, die heute Löhnung haben, sih anschließt. Gewöhrlih wird der Zahltag noch ab- gewartet. Gestern Abend i} der Ausstand auf der Fabrik in Wesfserling, die etwa 3000 Arbeiter beschäftigt, ausgebrochen. In Niederbruck stellten am 24. alle Arbeiter des Atelier Vogt frères die Arbeit ein. Die Arbeiter verlangten 11 ftündige Arbeitszeit bei gleihem Lohn. In Mas8münster dauerte am 25, April der Ausstand in der Fabrik Nap. Köchlin & Cie. fort; es haben sich die Arbeiter aus folgenden Fabriken angeschlossen : zuerst 150 aus der Gießerei Vogt frères hier, dann die Filature de Masevaux, Spinnerei V. Erhard, die Weberei André père et fils, die Gerberei Chagué père

„Strbg. Post“ vom

et fils. Am Freitag Nachmittag wurden die Arbeiter der Weberei

Isidor André bewogen, si dem Ausstande anzushließen. Jn Colmar hatte sich der „Kolm. Ztg.“ zufolge der Ausstand bis zum 24. d. M. weiter ausgedehnt auf die Weberei von B enk- hard fils und Köhler, von Riegel und Borocco, auf die Färberei Scheurer und Tempé, aufdie Zwirnerei Herzog, jowie auf cinen Theil der Spinnerei Haußmann, wo ein Drittel der Arbeiter die Arbeit niederlegte. Die Weber striken alle, Die alten Forderungen, Verkürzung der Arbeitszeit und Er- höhung des Lohnes, wurden in einer Versammlung, welche mit einem „Hoch“ auf Se. Majestät den Kaiser geschlossen wurde, auf- recht erhalten.

Die „Hamb. Börs. H.* berichtet: Eine sehr große Zahl Ham- burgischer Vereine und Innungen, Firmen, Rhedereitien, Großbetriebe, sowie Inhaber und Direktoren industrieller oder gewerbliher Etablissements und Werkstätten unseres Platzes haben sich zu dem Beschluß vereinigt, Arbeiter, die aus Anlaß sozialdemokratischer Demonstration am 1. Mai von der Arbeit fortbleiben oder sie vorzeitig einstellen, als kontrakt- brüchig zu entlassen und am 2, Mai abzulohnen. Wer wegen glaub- würdig nachzuweisenden Wohnunçgswechsels für den 1, Mai Urlaub wünscht, hat solchen spätestens bis zum 28. April nahzusucben.

Der Maler- und Lackirer-Gehülfen-Ausstand in Hannover kann, wie der „Rh.-Westf. Ztg.“ geschrieben wird, als thatsächlich beendigt und vollständig zu Ungunsten der Gehülfen ver- laufen angesehen werden. Er scheiterte an dem einmüthigen Zusammen- halten der Arbeitgeber, welche sih gegenseitig in Erledigung der drin- gendsten Arbeiten beistanden.

Aus Erfurt schreibt man der „Magdb Ztg.*": Die hiesigen Maurer und fogar die zum größten Theil strikenden Zimmerleute beschlossen, den 1. Mai nicht zu feiern.

In Kassel wurde gestern in einer Versammlung sozial ifsti- \cher Arbeiter, wie „W. T. B.* meldet, beschlossen, am 1. Mai die Arbeit nicht auszuseßen, dagegen am Abend eine Festlichkeit zu veranstalten. j

In sämmtlichen Militärwerkstätten Spandau's ist, einer Meldung des Wolff'shen Bureaus zufolge, den Arbeitern angekündigt worden, daß jeder am 1, Mai ohne Urlaub oder erheblichen Grund Ausbleibende entlassen werde. Der Strike der Säure- arbeiter in der Pulverfabrik in Spandau ist dadur beendet, daß ncue Arbeiter unter den alten Bedingungen die Arbeit über- nommen haben, Die früheren Arbeiter wurden sofort entlassen. Eine Ruhestörung hat nicht stattgefunden.

Die Kreis-Direktionen des Herzogthums Braun- schweig verbieten, wie ,W. T. B.“ mittheilt, mit Genehmigung des Ministeriums die Abhaltung von Versammlungen unter freiem Himmel sowie die Veranstaltung öffentlicher Aufzüge und öffentlicher Tanzmusiken am 30. April und 1. Mai, Ferner wird aus Braunschweig berichtet, daß der Verein deutscher In- dustrieller beschlossen hat, die Fabriken am 1. Mai in vollem Umfange in Betrieb zu halten.

In Hildesheim haben sämmtlihe Jnnungsvorstände in Berbindung mit dem Gewerbeverein und dem Fndustrieverein für den Regierungsbezirk Hildesheim eine Bekanntmachung erlassen, in welher unter Anerkennung des Umstandes, daß die Feier des ersten Mai von der Hildesheimer Arbeiterschaft noch wenig erörtert worden ift, doch vorbeugend darauf hingewiesen wird, daß die Arbeitgeber die am 1. Mai eigenmähtig feiernden Arbeiter unnach- sichtlich die Strafmittel in Anwendung bringen werden, welche Gesetz und Arkeitsvertrag an die Hand geben.

Aus München meldet ein Telegramm des „Wolff'\{en Bureau“, daß das Arbeitercomité beschlossen hat, am 1. Mai Vormittags Versammlungen abzuhalten; die Metallarbeiter und Holz- arbeiter werden sich im Bürgerbräu-Saale, die Erd- und Steinarbeiter im Franziskaner, die Arbeiter der Leder- und Papierbranche im Lale- Saale, die Scchmiede- gesellen im Kreuzbräu-Saale versammeln, und sollen hier Vor- träge gehalten werden, an welche sih jedoch keine Debatte {ließen wird. Nachmittags soll die Ordnung streng aufrecht erbalten werden ; die Gewerke beabsihtigen Ausflüge zu machen. Abends sollen Familienfeste stattfinden. Den Arbeitern in Staatsbetrieben ist es verboten, den 1. Mai als Feiertag zu betrachten.

Aus Dresden berichtet „W. T B,“, daß das Ministerium des Innern die Abhaltung aller Versammlungen unter freiem Himmel sowie die Veranstaltung öffentliher Auf- und Um- züge am 1. Mai verboten hat (f u. Sahhsen). Die Ver- bände der Metall- und Holz-IFIndustriellen in der Kreishauptmannschaft Dresden find übereingekommen, alle Arbeiter, welhe am 1. Mai feiern, zu entlassen und vor dem 15, Juni

nit wieder anzunehmen. Für diejenigen Arbeiter, welhe am 1. Mai arbeiten, soll gegen etwaige Terrorisirung derselben der Schutz der Regierung erbeten werden. /

Aus Leipzig wird vom heutigen Tage telegraphirt, daß die dortigen Arbeitgeber der Musikinstrumenten - Industrie sowie die Pianoforte - Fabrikanten _beshlossen Haben, die- jenigen Arbeiter, welche am 1. Mai feiern, zu entlassen. íFn einer öffentlihen Versammlung der Tapezierer, Posamen- fiere und Sattler, sowie in einer zu gleicher Zeit abgehaltenen Versammlung der Steinmetzen Leipzigs wurde, wie das „Chemn. Tgbl mittheilt, beshlossen, die früher gefaßten Beschlüsse, am 1, Mai d. I. die Arbeit gänzli ruhen zu lassen, aufzuheben und si darauf zu beshränken, am Abend dieses Tages einen gemeinsamen Kommers zu veranstalten. : i 7

In Glauchau haben die Arbeiter sämmtlicher In- dustriezweige beschlossen, die am 1. Mai feiernden Arbeiter als entlassen zu betrahten. Die Fabrikanten werden jedo ihre Betriebe am 1. Mai nit einstellen, sondern dieselben den einsichtigen Arbeitern ofen halten. Dieser Beschluß wird in den Fabriken dur Anschlag veröffentlicht.

Der sozialistishe Abg. Stolle hielt in gehabten Volfsversammlung eine Rede, in welcher er dazu aufforderte, den 1. Mai, soweit die Einstellung der Arbeit auf friedlihem Wege möglih sei, durch Ausflüge und gesellige Vereinigungen zu feiern, hauptsählich aber dur Kund- gebungen die Annahme der Anträge des Pariser Arbeiterkongresses, insbesondere die Einführung des actstündigen Arbeitstages zu ordern. i j j | In Limbach erhielten die Fabrikanten von der Kommission für die Feier des 1. Mai ein Rundschreiben, in welchem fie ersucht werden, am 1. Mai die Arbeit ganz ruhen zu lassen, Falls ihre Arbeiter ein folches Verlangen stellen. Sollte jedoch die Antwort verneinend ausfallen, so würde das Personal ruhig weiter arbeiten.

Der Centralrath der deutschen Gewerkvereine erläßt folgenden, von der „Voss. Ztg.“ mitgetheilten, Aufruf an die Ver- bandsgenossen: „Mit voller Cinmüthigkeit und Entschiedenheit haben si alle Theile unserer Organisation gegen die von anderer Seite be- absihtigte Arbeitsruhe am 1. Mai d. J. als ein gänzli verfehltes Mittel zur Erreichung _vermindcrter Arbeitszeit erklärt. Ebenso cin- müthig aber ist das Streben der deutshen Gewerkvereine (Hirsch- Dunker) und ihres Verbandes auf eine umfassende Verkürzung der Arbeitszeit im Interesse der Gesundheit, Sittlichkeit und geistigen Bildung gerichtet. InSsbesondere hat {hon der leßte Verbandstag zu Düsseldorf allen Verbandsvereinen ein thatkräftiges Vorgehen in dieser Richtung anempfohlen. Wir halten die gegenwärtige Zeit dazu für vorzugsweise geeignet und fordern daher, im Einverständniß au mit der jüngsten kombinirten Sitzung der Generalrä!he, unsere Verbandsgenossen in allen Gauen Deutschlands auf, in den nächsten Wochen zu diesem Zwecke Versammlungen abzuhalten und Nesolutionen zu fassen, um deren Zufendung mit Angabe der ungefähren Zahl der es an den mitunterzeihneten Verbandsanwalt wir ersuchen.“

Hier aus Berlin berihtet die „B. Börs.-Ztg.*": In der Ludwig-Loewe*’schen Fabrik ist den Arbeitern der 1. Mai nicht freigegeben worden; în Folge dessen legten am Freitag sämmtlihe Arbeiter, mit Ausnahme von aht Werkzeug- \chlossern, die Arbeit nieder. Aus demselben Grunde haben auch die Arbeiter der Maschinenfabrik von Julius Knappe die Arbeit eingestellt. Wegen Aushängen der Plakate des Unternehmer- Verbandes in den Arbeitsräumen legten am Freitag 115 Arbeiter der Fabrif von Mix u. Genest die Arbeit nieder.

In Lemberg ladet, wie ,W. T. B.“ vom 26. d. M. meldet, ein Arbeitercomité die Arbeiter zu einer am 1. Mai abzu- haltenden Versammlung ein. Aus Kozy wird eine bedenkliche Arbeiteransammlung signalisirt. In Czaniec sind Gruppen fremder Arbeiter bemerkt worden; in Folge dessen wurden Militär- patrouillen dorthin entsendet. In Biala ist Alles ruhig, die dortige Garnison wurde verstärkt. :

Aus P eft berichtet das „Wolf’\{he Bureau“: Das Comité für die Arbeiterkundgebung am 1. Mai hat die Abhaltung einer Versammlung zur Berathung der Arbeiterschutz-Gesetz- gebung angemeldet. Die Arbeiter wollen sich in ihren Fabciken versammeln und sih unter dem Schuße eines Hauptordners na dem Versammlungêplayz begeben.

Die Schuhmachergesellen der Stadt Bern haben in Folge Differenzen mit den Meistern über den Lohntarif die Arbeit niedergelegt. 0

Aus Rom wird gemeldet: Der Minister des Innern hat an die Präfekten den Befehl crlassen, am 1. Mai keinerlei Auf- mars\ch oder gemeinscaftlihen Zug über Straßen und Pläße fowie an öffentlichen Octen keinerlei Bersammlungen, welche Mani- festationen bezwecken, zu dulden. „Fanfulla“ zufolge, hätte der Kriegs-Minister an die Divisions-Commandeure besondere Weisungen betreffs einer eventuellen Mitwirkung der Truppen an der Aufrecht- eahaltung der Ordnung erlassen. Eine von dem Bunde der römischen Arbeiter einberufene Versammlung der Delegirten der Arbeitervereine beschloß gestern, am 1. Mai zu feiern. Die Arbeitervereine von Como und Umgegend haben eine Petition, in welcher die Einführung* des achtstündigen Arbeitstages und andere Reformen verlangt werden, beschlossen und eine Kommission beauftragt, mit dem Präfekten Maßregeln zur Aufrechterhaltung der Ruhe während der am 1. Mai ftattfindenden Kundgebungen zu vereinbaren. Die Ar- beitervereine gaben dabei einmüthig dem entshiedenen Willen Aus- druck, daß die Kundgcbung einen friedlihen Verlauf nehme. Der Unterpräfekt von Rimini hat eine Verfügung der Regierung bekannt gemacht, Aufzüge und Anfammlungen auf öffentlichen Plätzen am 1, Mai nicht zu dulven.

Die verbündeten Arbeitervereine von Turin und der Provinz Turin beschlossen, am 1. Mai nicht zu feiern, sondern am Abend dieses Tages einen friedlihen Umzug zu veranstalten mit Tafeln, auf denen geschrieben steht: Achtstündige Arbei18zeit, gerechte Lohnerhöhung. In Monza bes@loß eine Privatversammlung von 700 Arbeitern, am 1. Mai die Arbeit ruhen zu lassen und die Arbeitgeber hiervon zu verständigen.

Aus Dublin berichtet „W. T. B.“ vom heutigen Tage: Der Strike der Cisenbahnbediensteten der Süd- und West- Eifenbahn dauert fort. Der Betrieb der Linie Killarney— Fermoy ruht heinahe vollständig. Man befürchtet, daß in diesen Orten Mangel an Lebenêmittely und Kohlen eintreten werde. In Lime ri& ist der Betrieb gestern aänzlih eingetellt worden.

__ Aus Paris theilt das „Wolff’\{che Bureau*® mit: Der Muni- ztpalrath von Toulon habe, wie die Morgenblättec berichten, den Wunsch geäußert, daß das Parlament den actstündigen Arbeitstag festsezgen möge. Cie in Dijon stattgehabte Ver- sammlung von Sozialisten, an welher ca. 1200 Per- sonen theilvahmen, darunter mehrere Deputirte, nahm eine Resolution an, in welher die Regierung aufgefordert wird, eine internationale Konferenz einzuberufen Behufs Aus- arbeitung eines Arbeiterschußgeseßes mit einem achtstündigen Arbeitstag und garantirtem Minimallohn als Grundlage. Die Arbeiter - Syndikate von Lyon und Marseille beschlossen, am 1. Mai eine Kundgebung zu veranstalten; die Syndikate von Marseille fordern die Mitglieder der autonomen Korporationen auf, an der Manifestation theilzunehmen. Der Generalrath der Rhonemündungen foll den Wunsch ausgesprochen haben, bie Regierung möge si etwaigen friedlihen Demonstrationen am 1. Mai nicht widersetzen, und dic Kammern möhten sofort nah ihrem Wiederzusammentritt den acht- stündigen Arbeitstag votiren. Der Präfekt hätte gegen diesen Beschluß Vorbehalte gemacht.

einer hier ftatt-

Nach Mittheilung des Statistishen Amts der Stadt Berlin sind bei den hiesigen Standesämtern in der Woche vom 13, April bis inkl, 19, April cr. zur Anmeldung gekommen;

659 Eheschließungen ,

974 Lebendgeb 0B 715 Sterbefälle. E

Todtgeborene,

Geographischer Monatsbericht.

Auf Grund von Dr. A. Petermann's Mittheilungen. 36. Band. 1890. IV. (Gotha, Justus Perthes.)

Geschlossen am 5. April 1890.

Asien.

An der Schwelle einer neuen Zeit steht gegenwärtig Bu chara, welches hinsihtlich seines Schulwesens, seiner religiösen Einrichtungen meist europäifche3 Gepräge aufweist: Kultus und Unterrichtswesen bilden ein Ministerium. Die Berührung mit der europäischen Kultur \heint hier Anregung zu neuem Leben zu geben. Volks\chulen sind avßerordentlih zahlreich in der Hauptstadt und haben große Aehnli- keit mit den europäishen, auch im Uebrigen sind sie so verbreitet, daß wenigstens ein Viertel aller Bucharen \{reiben und lesen kann. Religion, Lesen und Schreiben find freilich die einzigen Lehrgegen- stände. Die vollkommneren unter diesen Schulen haben eine 7 Jahre um- fassende Lehrzeit, in welher Periode Viele den Koran au8wendig lernen. Es fehlt aub niht an Mädcthenshulen. Die Hochscvule zu Buhara , von alten Zeiten her als Sitz großer Gelehrsamkeit be- rühmt, zieht heute junge Musensößne aus den benahbarten Ländern, vielfah auch aus russishen Provinzen, aus Turkestan, Orenburg, Kasan an. Leider ist die alte Gelehrsamkeit zu einem geistlosen \cholaftishen Treiben in Lesen, Auslegen des Koran und etwas Mathematik und Metaphbysik herabgesunken und bedarf der Belebung durch den Geist europäischer Wissen\chaft. Haupt- und Schutz- herr der Religion i der Emir, der zuglei absoluter Herrscher über seine Unterthanen is Sein Beamtenheer bildet eine genau gegliederte Hierarhie. Un der Spitze der Geist- lihkeit steht der Scheich ul Islam, welden acht Stufen derselben untergeordnet sind. Die Zahl der Geistlihen foll 10- bis 12 000 be- tragen. Sehr entwidelt und gut organisirt ist das Polizei- wesen, Die öffentlihe Ordnung und das Verhalten der Massen darf als musterhaft bezeihnet werden. Spione und geheime Agenten sind zahlreich. Die fkirhlide Polizei üben die Reiss, das Gerichtswesen die Kasi (ia der Stadt) und die Mullah's (auf dem Lande) aus. Viel Krackheiten haften den Bucharen an. Aber eine medizinishe Schule is niht vorhanden, gelehrte oder auh nur gelernte Aerzte gi:bt es nicht. Ein gut Theil der Behandlung der Kranken besteht in Zauber und abergläubishen Gebräuhen und Rathshlägen. Die in Buchara errichtete europäishe Apotheke fett zu ihrem Gedeihen die Anwesenheit mehrerer europäischer Aerzte und die allmäblihe Er- ziehung der Bucharen zu regelmäßiger Benußung der medizinischen Hülfe voraus So unermüdlich fleißig die ackerbautreibenden Bucharen sind, so forgfältig sie drei- bis viermal im Jahre ihr Feld bestellen, bewäsjern, ernten und wieder bestellen, so geshickt sie im Sticken, Weben und Färben sind: innerhalb der Familie erscheinen sie als be- baglihe Nichtsthuer, so Mann als Weib. Die Kinder werden mit Liebe, Nachsiht und Sanftmuth behandelt, aber \{chlecht gepflegt, un- hygienish ernährt und so zu sagen nicht erzogen. Es wird interessant sein, zu beobackten, wie auch auf diesem Gebiet europäischer Einfluß neuen Wandel schaffen wird.

M

Aequatorial-Afrika. Dr. Emin Pascha's Aufzeich- nungen sind gerettet. Bald kann nun mit der Veröffentlichung seiner für die Kunde des äquatorialen Seengebietes so hochwichtigen Beiträge begonnen werden. Die Meldung in Zeitungen, daß Emin sein baldiges Erscheinen in Deutschland in Aussiht gestellt habe, t unrichtig.

__ Einem Sw(reiben Emin Pascha's, datirt Tunguru, 24. März, ist zu entnehmen, daß derselbe am 9. Januar von Wadelai nah Süden ging, wo er erfuhr, Kapitän Cafati sci gefangen ge- nommen, aller seiner Habe beraubt, mit dem Tod bedroht, {ließli freigelassen und fortgejagt worden und wandere nun, von den Negern bedroht, halbnackt und bungrig im Walde am Oft- ufer des Sees herum, ohne cinen Ausweg finden zu können. Berichterstatter sei nun aufs Gerathewohl mit einem Negerkanoe quer über den See herbeigeeilt, und es sci ihm geglückt, Casati und seine Leute zu finden und nah Tunguru in Sicherheit zu bringen, wo er gegenwärtig noch krank sich befindet. Leider konnte Emin in derx

Sache nichts 1hun, weil seine Verbindungen mit Unjoro und fo mit Uganda neuerdings aufgehört hatten. Am 25. Februar damvsfte er von Station Msva ab nah Süden, mußte aber wegen des un-

glaublih niedrigen Wasserstandes am Südende des Sees zurückfahren

und diesen Ausflug als Rekognoëzirung gelten lassen. Dte Auf-

nahme des Westufers bis nach Kivali und Mason’'s Mágala,

eine Aufnahme, welche die Mason’sche vielfah ergänzen, be-

zichungsweise abäudern wird (da seit 1876 bedeutende Veränderungen

im See vorgegangen sind), darf als Resultat dieser Fahrt bezeichnet

werden. Zudem hat unter der Gunst der Umstände auch so viel

Petailwerk aufgenommen werden können, daß die neue Karte des

Sees wesentlich bereichert erscheinen wird. Selbstverständlich ist dabei

der Bevölkerung, der Fauna und F'ora die nöthige Beachtung ge-

schenkt worden. Die Weiterführung ter Aufnahme um den Süd nah

Oft und Nord bleibt einer zweiten glücklichen Fahrt aufbehalten.

Nach erfolgter Rückkehr von Süden bot ein Auferthalt in Station

Msva (das Mason’ide Mahagi), weil sehr günstig gelegen. gute

Gelegenheit, mit Vortheil zoologishe und botanische Studien betreiben

zu können.

Endlich wird in einem ferneren, ebenfalls aus Tunguru, 25. März, gesendeten Schreiben berichtet: Chef Mpigua habe cine Allianz an- gebcten: Emin folle Mpigua's Land Njzmssanssit gegen die Ueber- macht von O.-Lentú schützen, und Mpigua wolle ihm dafür einiges Elfenbein zur Deckung der Kosten geben und ihn obendrein zum Danke durch seine Leute zu den Fremden führen lasscn, nah welchen Emin suche, und die sih jeßt in Ndussuma, nicht gar weit hinter den Bergen, befänden. Sofort habe Emin um Verstärkungen nah Wadelai gesandt, um demnächst weiter nach Süden vorzudringen. Indessen erfuhr er zu seincm Leidwesen, daß bald nach seiner Rüdck- keyr von Süd-Kabrega ein Heer unter Brabedango und JIrete nach dort aufgebrochen sci, um die Chefs zu züchtigen, daß sie mit ihm verkehrt hätten.

Nordwest - Afrika. Das unter Leitung von General Derrécagairx stehende Service géographique des franzôsishen General- stabes hat von der großen 18 blâätterigen Karte von Tunis in 1 ; 200 000, welche unmittelbar nah der Besitzergreifung des Landes in Angriff genommen und mit außerordentliher Schnelligkeit in der Zeit von kaum 3 Jahren, allerdings in einer provisorischen zinko- graphischen Ausgabe, vollendet wurde, eine Reduktion in 2 Bl. und im Maßstab von 1 : 800 000 herausgegeben (,„Carte de la Tunisie“, 1889, 1 Fr.). Durch diese hübschen Blätter (Situation und Schrift : \d;warz, Terrain: braun, Meere, Flüsse, Seen: blau) sind alle Unbequemlichkeiten, welche mit der proviforishen Ausgabe verbunden find, namentlih die s{chwere Entzifferung der Nomenklatur, vollständia beseitigt; zudem ist die Uebersetzung der in der provisorishen Aus- gabe niht immer erkennbaren Höhen\hihten in Terassenshraffen ge- lunzen, fo daß diese Karte von der Terafsengestaltung von Tunis cin von den bisherigen Karten gänzlih abweichendes Bild bietet,

Abessinien. Zwischen Jtalien und dem Negus Menelik von Abessinien ist durch den am 29.. September 1889 ratifizirten Vertrag die Grenze zwishen der Kolonie Ecythros und Abessinien in ihrem allgemeinen Verlaufe festgestellt worden. Sie fällt i. a. mit dem Hochlande zusammen; im N. wird sie so verlaufen, daß, von Arafali ausgehend, die Orte Halai, Saganeiti und Asmara, in Bogos die Orte Adi Nefas und Adi Joannes auf italienishem Gebiete liegen, von welchem leßteren Orte die Grenze eine ostwestlich verlaufende gerade Linie bildet. Das auf italienishem Gebiete liegende Kloster

wird eine gemeinschaftlihe aus je zwei Vertretern gebildete Kommission vornebmen (f. italienisches Grünbuch XV). i

Ost-Afrika. Dies Gebiet betreffende neue direkte Berichte von der Dr. Peters’s{hen Expedition sind nicht eingelaufen. Doch steht tur die von dem Führer des Nachtrabes, O. Borchert, von der Station von der Heydt-Haus am obern Tana bei Odo-buru-ruva überbrahten Nachrichten fest, daß die angebli%e Niedermeßelung der Expedition durch Somalis Mitte Oktober v. I unrichtig sein muß, da Peters erst zwischen 10. und 15. November v. I. in Begleitung von Lieutenant Tiedemann mit 8 Kameelen, 6 Eseln, 1 Pferd und 60 Trägern die Station verlassen, um am Kenia vorbei nah dem Baringo-See zu ziehen. Dur Krankheit gezwungen, trat auch Borchert wieder den Rückmarsch au und traf Ende Januar cr. wieder in Lamu ein. Also hat Dr. Peters die Nachricht von der Anku-ft Emin Pascha's an der Ostküste, wie au den Befehl zur Rückkehr niht mehr erhalten. Da die beiden leßten Abtheilungen seiner Exp-:dilion unter Kapitän- Lieutenant Rust und O. Borchert den Rückmarsch antreten mußten, so bliet Dr. Peters auf die Hülfsmittel allein angewiesen, welche seine kleine Karawane mit sich führte. Nach Mittheilungen, welche O. Eblers am Kilimandscharo erhielt, soll Dr. Peters die Landschaft an der Ostküste des Victoria-Sees erreiht haben; über den Zeitpunkt giebt das Telegramm keinen Aufs{chluß. L 0!

Aus Dr. Peter's Berichten über seine Reise Tana aufwärts ward bekannt, daß wenige Monate vor ihm bereits eine englische Erpedition, geführt von I. R. W. Pigott, ausgeführt von

ebruar bis Juni - 1889, denselben Weg verfolgt batte: eine förmliche Ol S von Mombas, längs der Küste, dann den Tana aufwärts bis oberhalb ÖOdo-Bororuva und zurück durch die Landschaften Ukambo und Ulu, eine Strecke längs Sabafa und endlih nah Mombas. Ergebnisse dieser Reise sind: die Kenntniß eines weiteren Theils des Tana-Laufes und die Erschließung ausgedehuter Landstrihe von Ost- Afrika ; wesentlihe Verschiebung der Route des Missionarë Krapf nach Osten hin (Proc. R. Geogr. Soc., London 1890, S. 123 m. Karte) und die Bestätigung, daß der Kenia wesentlih weiter östlich liege, als bisher angenommen wurde.

Die Aufnahme des Albert-Sees, welch: Dr. Emin Pascha in Ausficht gestellt hatte, ist bewirkt und eingetroffea, Allerdings umfaßt sie nicht eine planmäßige Aufnahme sämmtlihe.r Ufer des Sees, vielmehr die zahlreihen Peilungen, welche Emin namentlih an der West- und Südwesiküste, an einem Theile der Ostküste in der Begend von Kibiro, dem Hafen von Unjoro, in den leßten Jahren ausgeführt hat, sowie eine vollständige Aufnahme der Strecke des Nil zwischen Wadelai und Albert-See, von welher eine Vermessung now) uit existirt. Vorliegende Serie von Peilungen ist in der bei Emin be- währten peinliten Sorgfalt und Genauigkeit ausgeführt, und sie wird solchergestalt cinen interessanten Beitrag zur Kartographie des Sees bieten, indem durch ihre Konstruktion die Veränderungen fest- geftelli werden, welche seit Mason’'s Aufnahme im Zahre 1877 statt- gefunden baben.

Guineaküste. Die Fahrt des französishen Kanonenbootes „Esmerando* im November 1888 beweist, daß die Ausdehnung der von M. Foa im Mai 1888 auf dem Wheme untcrnommenen Fahrt bedeutend überihäßt worden ist. Auf Grund der durch diese Fahr erfolgten Aufnahmen ist von dem Kolonie-Administrator V. Baliot, welcher an der Fahrt Theil nahm, eine im Hinblick auf die Ver- wickelungen zwishen Dahome und der französishen Republik sehr braubare Carte des établissements français du golfe de Benin (Paris, I. P. Trouiüet) im Maßstab 1: 400 000 hergestellt; doch ift die Ausdehnung des Flusses Whem- eine ganz unsihere; mit Aus- nahme einiger Küstenpunkte und des unrichtig eingetragenen Ortes Agome-Sera ist kein Ort fest bestimmt; die relative Lage der einzelnen Ortschaften, Flüsse 2c. s{chwankt. Reicher ist die Carte du Bas Dahomé von Al. L. d’Albéca in 1 : 200 000 (Paris, Boudoin, 1889): dieselbe erweckt jedoch wegen ihrer flühtigen Ausführung wenig Vertrauen

Im Hinterlande von Kamerun darf der Thätigkeit des Lieutenants Morgen, welcher als Nachfolger von Hauptmann Kund die Leitung der betr. Expedition Übernommen, ein höchst erfreulihes Re- sultat zuges{rieben werden: die Sprengung der H1ndelssperre in Folge Zurülegung des direkten Weges von der Jecúndo-Station na der Küste längs des Saunaga-Flusses. Für den vortheilhaften Einfluß, welchen genannte Station auf die Bevölkerung ausübt, dürfte wobl

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Debra Bizen bleibt Eigenthum der ab.ffinishen Regierung, darf aber nicht militärisch beseßt werden. Die formelle Absteckung der Grenze

die Thatsache der beste Beweis fein, daß Lieutenant Morgen den Mars von der Batanga-Küste nah der Station und von dort nah Kamerun in 2 Monaten zurückgelegt hat.

Madagaskar. Zum ersten Mal erscheint auf der fart over Viadagasfar“, entworfen von N. Landmark auf Grundlage von Lännoy de BVissy's Karte in 1: 2000030, die Route, auf welcher die bahnbrehende Reise des norwegishen Missionars Nielsen-Lund dur das füdlihe Madagaskar im Jahre 1887 zurücgel-gt worden, als Bild dortiger Missionsthätigkeit und deren Grfolze. Es ist aber ent- schieden cin Mangel, daß die katholishen Stationen unberücksichtigt geblieben sind. i

Misstons8s

A merika. Canada. J. W. Redway hat in Anlaß der neueren Eatdeckung (richtiger; Aufnahme) des Mistassini- Sees, bewirkt dur die Mitglieder der Canadian Geolog. Survey, eine Zusammenstellung der

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Daten über die frühere Kenntniß des Seebeckens vollführt (Science 1889, XIV., S 321. m. 2 Kartensfizzen). Neuere durch die Pro- fessoren W. J. Loudon aus Toronto u. G. S. Macdonald aus Montreal im Sommer 1889 ausgefübrte Untersuchungen des Mistassini- Secs befähigten dieselben zu dem Nachweis, daß die Aufnahmen von Low i. J. 1884 i. a, zutreffend seien, daher unberechtigt die abfällige Kritik seines Reisegefährten Bignell, (New-York Herald, 18. Sep- tember 1889.) j

Vereinigte Staaten. Die Lage des Mount Hamilton in Kalifornien, auf welhem sih bekanntlih das berühmte Lik Observa- torium befindet, ist laut telegraphisher Bestimmung vom U. 8 Coast and Geodetic Survey zu 1219 38' 4210“ w. L. v. Gr. ermittelt worden.

Mexiko. Die geologise, zoologishe und botanise Erforschung von Yukatan hat eine von Professor Angelo Heilprin aus Phila- delphia geleitete Expedition, die am 15. Februar cr. von New-York abgedampft ift, sib zum Ziel geseßt. Die Kosten trägt die Academy of Sciences in Philadelphia. :

Westküste. Dr, A. Hettnzer hatte in Fortseßung seiner Neije in Peru und Bolivia vom August bis November 1889 über Abancay, durch das Thal des Pachachaca, über die öde Puna der Westfkordillere die Küste bei Chala erreiht, auf dem Nückwege den fast ausgctrockneten Salzsee Parinacoha abermals berührt, den 9000 m hohen Sarasara, den nördlihsten der erloschenen Vulkane ti den Westfordillere, von Pauza aus bestiegen und ist am Solimana und Coropura vorb:i nach Arcquipa gelangt, welhen Namen fälschlich auch cin Berg trägt, der weiter östlich im Quellgebiet des Nio Siguas liegt, ein 6950 m hoher zuckerhutartiger Schneeberg, von den Indianern Sahuancay benannt. Von Arequipa aus bestieg Dr. Hett- ner den über 6000 m hoben Charcbaui, dessen vulkanishe Natur er feststellen fonnte; auf der höchsten Spitze desselben befindet si in Inkarbeit ein wohlgemauertec Brunnen. (Verh. Ges. f. Erdkunde. Berlin 1890.)

La Plata-Staaten. Dr. Bodenbender hat über seine gemein \haftlich mit Dr. Kur 1887—88 in dem Dreieck zwischen Neuquen und Limay ausgeführte Reise einen Bericht veröffentlicht, welczer ih vorwiegend mit der Ausführung der topographi\hen Aufnahme be- \{häftigt, vor der namentlich die geologischen Studien zurückstehen mußten, weil für diese sih die bisherigen Karten als völlig unzu- reichend erwiesen. Der See Nahuel-Huapi, das ursprüngliche Reije- ziel, kTonnte wegen \{chlechten Zustandes der Transportthiere nicht erreicht, vielmehr mußte am Lago Lancar, welcher dem Collon-Cura am Hauptfluß des Làmay tributär ist, zurückgekehrt werden, Die be- wirkten Aufaahmen haben den Vorzug, daß sie die Darstellung des Ostabhanges der Kordilleren wesentli berihtigen, was bei dec Karte des Gouvernements Neuquen im Atlas von Argentinien bereits ver- werthet worden ist, (Bol, Inst. Geogr. Arg, 1889 X. S. 311 m. Karte.)