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gebnisse wesentlih dazu beitragen kann und wird, Zweifel wegen der Durchführbarkeit der Resolution in absehbarer Zeit, die auch in diesem hohen Hause geltend gemaht werden sollten, zu beheben.
Wir renen für das Etatsjahr 1909 mit einer Einnahme von 2 015 000 000 A. Es werden zum ersten Malle in den Einnahmen zwei Milliarden überschritten. Wir werden eine Mehreinnahme gegen das Vor- jahr von 1050000004 und eine Mehreinnahme gegen den Etatsansay von 64 000 000 Æ erzielen. (Bravo!) Wir unterschreiten die Betriebs- ausgaben sowohl im Vergleiche mit dem Vorjahre wie im Vergleiche mit dem Etatsansaz. Im Vergleihe mit dem Vorjahre unter- schreiten wir diefe um 10 000000 4 und im Vergleiche mit dem Etat8ansaß um 4 000 000 #. Der Betriebeübershuß für 1909 war veranschlagt mit 532 Millionen. Wir werden einen Betriebsübershuß von 600 Millionen erbringen. (Bravo!) Der Betriebskoeffizient finkt auf 70,22, während wir im Jahre 1908 mit“ einem Betriebs- koeffizienten von 74,62 zu rechnen hatten. Meine Herren, diese Ziffern sind noch nit als das Endergebnis des Jahres anzusehen. Es feblen uns noch für die Einnahmefeststellung die Einnahmeziffern des Monats März, und auch in der Ausgabefeststellung sind noch einige unsichere Posten. Nur soviel kann ih ausfprehen: unter- schritten werden diese Ziffern keinesfalls; im Gegenteil, es ist zu
hoffen, daß wir auf der Einnahmeseite noch einige Millionen mehr und, wie es scheint, auf der Ausgabeseite noch einige Millionen Mark weniger zu verzeihnen haben werden. (Bravo!)
Der Reinübershuß, der für das Etatsjahr 1909 mit 83 Millionen verans{chlagt war, wird nach den mitgeteilten Zahlen mit 149 Mil- lionen abschneiden. Für das Jahr 1910 ist ein Reinüberschuß von 152 Millionen in Anschlag gebracht.
Meine Herren, das Ergebnis ist nah meinem Ermessen als ein günstiges anzuerkennen, umsomehr, wenn berücksihtigt wird, daß das Extraordinarium des Jahres 1909 mit einem Betrage von 148 Mil- lionen belastet war, mit 45 Millionen -mehr als das Extraordinarium des Jahres 1908 und mit 35 Millionen mehr als der Anfayß des Extraordinariums für 1910. Der Etatsansaß für 1910 bezüglich des Extraordinariums baut \ich {hon auf auf den Beschlüssen der Budget- kommission: wenn ferner berüdsidtigt wird, daß das Etatsjahr 1909 mit 50 Millionen belastet ist, die sich aus der Besoldungsaufbesserung der Staatseisenbahnbeamten ergeben. Die Verwaltung ist ja nur in geringem Maße in der Lage, auf die Einnahmeseite des Etats im Laufe eine erbebliche Einwirkung auézuüben. Das Ergebnis des abgelaufenen Etatsjahres ergibt aber, daß die Ver- waltung in ganz hervorragendem Maße imstande war, auf die Ausgabeseite einzuwirken. Es ist zum ersten Male seit dem Fabre 1895 gesehen, daß die Ausgaben gegen das Vorjahr auch gegen den Etat einen Rückgang aufweisen (Bravo!); es ist noch niemals geschehen, daß die Ausgaben einen Rückgang aufweisen bei so stark gestiegenen Einnahmen, bei einer Einnahmesteigerung von 105 Millionen gegen das Vorjahr und 64 Millionen gegen den Etat. (Abg. von Pappenheim: Hört, hört!) Es ist ein bemerkenswerter Vorgang, der einer Aufklärung bedarf. Das wesentlihste Moment für die Aus- gabeminderung, für den Ausgabenrückgang, für das Stillstehen der Ausgaben liegt ganz zweifelsohne in der Vervollflommnung unseres ganzen Betriebsapparats. (Bravo! links.)
Meine Herren, ih bitte Sie, bei meinen Ausführungen sich zu erinnern an das Jahr 1907/1908, als ih die Ehre hatte, den Etat Staatseisenbahnverwaltung hier zum ersten Male zu vertreten. Æch habe dort der Auffassung Ausdruck geben müssen, und zwar zu einer Zeit der Hochflut des Verkehrs und der günstigen Entwicklung der Staat8eisenbahneinnahmen, daß die Staatseisenbahnen erheblich billiger zu betreiben wären, wenn unser gefamter Apparat vollkommener ausgestaltet werden würde. Diese Ausgestaltung ist unter Aufwendung außerordentliher Mittel in den Jahren 1905, 1906, 1907, 1908. und 1909 erfolgt und wird ja au in den nächsten Jahren noch fortgeseßt werden müßen. Wir können behaupten, zurzeit einen dem Bedürfnis des Verkehrs voll entsprehenden Betriebsmittelpark zu besißen. Unser Maschinenpark reiht vollkommen bin und hat an Leistungsfähigkeit er- beblih gewonnen. Auch der Wagenpark ist durhaus ausreichend. Einige Mängel haben \sich nur bei dem Park der gedeckten Güterwagen er- geben, die im Laufe des Jahres beseitigt werden werden. Sehr er- beblih ausgestaltet worden sind die gesamten Betriebs- und Verkehrs-
anlagen, und es ist der s{chlagende Beweis geführt, daß lediglich die Unvollkommenkbeiten dieser Anlagen die ungewöhnliche Steigerung der Betriebskosten in den Jahren 1906, 1907, 1908 und 1909 berbei- geführt haben, eine Steigerung, die \{ließlich dazu führte, daß die gesamten sehr erheblichen Mehreinnahmen vollständig von den Betriebs- ausgaben aufgezehrt wurden. Wir sind beute in der Lage, die Züge auf den großen Betriebsbahnhöfen so zu bilden, wie es das Interesse des Betriebes erfordert, und niht mehr genötigt, die Züge mit halber Belastung aus den Bahnhöfen herauszuschicken und durch diesen Vor- gang fast zu einer Verdoppelung des Zugpersonals beizutragen. Unsere Züge verkehren heute mit voller Belastung, der ganze Betrieb vollzieht sich in vollster Regelmäßigkeit. Im Jahre 1907 litten wir unter {weren Betriebsunregelmäßigkeiten. Das Jahr 1907 war, wenn ich vom Jahre 1909 absebe, dasjenige Verkebrsjahr, welches den größten Verkehr und die größten absoluten Einnahmen gebracht hat. Damals befand si der Betrieb in starker Unordnung, wenigstens in großen Teilen des Staatsgebiets, wie beute anerkannt werden fann. Wir haben im Etatéjabre 1909 einen Verkebr gehabt, der um mebr als 69/9 größer war als der Verkehr im Jahre 1907, und wir sind gleihwohl in der Lage gewesen, diesen Mehrperkehr obne jede Störung zu bewältigen. (Bravo! Es ist bemerken8wert, daß bei
dieser erheblichen Steigerung der Verkehréleistung die Betriebéleistung nur sehr wenig gestiegen ist. Es ergibt sih dies aus den Zahlen, die ih furz hervorheben will. Bis Ende Dezember hatten wir eine
Mehreinnahme im Personen- und Güterverkehr von 5,62 %/o erzielt, und demgemäß eine entsprechende Mehrverkehréleistung aufzuweisen, wir baben aber an Lckomotivkilometern — in Lokomotivkilometern drückt ih die Betriebéleistung aus — nur ein Mehr von 0,02% aufzuweisen (bört, bört!), also nur ?/1o°/ mehr. Das Gleiche läßt
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+ H noch dur eine Reihe anderer Zahlen beweisen und befkräftigen,
zu können, in übertriebener Weise sparsam zu sein, Knauserei oder Lohndrüderei betrieben zu haben. Unser Hauptaugenmerk hatten wir naturgemäß dem Personaletat zuzuwenden, und das ist ja erklärlich, da die Aufwendungen für Personalzwecke für 1910 874 Millionen be- tragen werden, 60% der gesamten Betriebsauëgaben. Es muß an- erfannt werden, daß wir Ende des Jahres 1907 und Anfang des Jahres 1908 ein sehr erheblihes Plus an Personal hatten. Dieses entstammte einerseits dem Verkehrsrückgang und andererseits der unwirtscaftlichen Personalannahme während der Hochflut des Verkehrs, zu der wir aber durch die beengten Betriebéverhältnisse gezwungen waren. Dieses Plus an Personal ist allmählich aufgezehrt worden; wir haben für den ganzen Staatseisenbahnbereih, wie ich son wieder- bolt mitzuteilen die“ Ehre hatte, davon. abgesehen, aus Anlaß des Ver fehrrüdganges Personalentlassungen vorzunehmen, wie wir, auch keine Lobnkürzungen vorgenommen haben. Wir haben die Reduktion ledig- lih dadurch herbeiführen können, daß freiwerdende Posten nicht beseßt wurden, und daß bei tem steigenden Verkehr, wie wir ihn 1909 zu verzeichnen hatten, das Personal allmählih wieder in das Bedürfnis hineinwuchs. Im übrigen ist eine sehr sorgfältige Nachprüfung der Disposition des Personals im ganzen Staatseisenbahnbereich erfolgt. Auch ein zweites Moment hat sehr wesentlich mitgewirkt, auf das in diesem hohen Hause wiederbolt schon die Sprache gebraht worden ist, das Bestreben, jeden Beamtenposten nur mit einem Manne beseßt ¡u sehen, dessen Fähigkeit gerade für den Posten genügt, zu ver- meiden, daß wir Beamte, die eine höhere Qualifikation auf- weisen, mit Tätigkeiten beschäftigen, die minderwertig find und von geringeren Kräften wahrgenommen werden können. (Bravo!) Diese Aktion hat bei den höheren Beamten angefangen und ist bis zu den unteren Beamten durchgeführt worden. Sie hat erhebliche Etfolge erzielt, auch moralishe Erfolge, meine Herren; denn ih sehe den Vorteil niht nur darin, daß wir auf diesem Wege Ersparnisse erzielen, — diese {lage ich nit so sebr hoch an, sie stehen auch zu den Ersparnissen, die wir im übrigen erzielt haben, niht in erbeb- lidem Verbältnis — für viel wihtiger halte ih, daß der Beamte durch seine Tätigkeit befriedigt wird (lebhafter Beifall), und er wird zufrieden sein, wenn man ihm nicht eine Tätigkeit zumutet, für die seine Bildung und Ausbildung eine zu hohe ist. (Sehr richtig!) Meine Herren, wenn ich kurz auf die vorauésihtlihßen Ergebnisse des Jahres 1910 eingehe, so darf ih bemerken, daß der veranslagte Einnahmeansay fast erreiht ist unter der Voraussetzung, daß
das Jahr 1910 nur denjenigen Verkehr bringen wird, den das Iabr 1909 gebracht hat. Es fehlen nur 18 Mil- lionen an ter Einnahmeshäßung — eine Differenz, die wahr-
\cheinlih aber noch um einige Millionen sich vermindern wird. Diesem Plus, das wir zu erzielen hoffen, steht ein Plus im Ausgabeansatz gegenüber von 39 Millionen Mark. Man kann daher annehmen, daß die Ergebnisse des Jahres zufriedenstellende sein werden und recht zufriedenstellende sein können, wenn der Verkehr \sih etwa nur in der Weise weiter entwickelt wie der des Jahres 1909. Freilich ist damit zu renen, daß die Ausgaben wieder stark ansteigen werden. Die Ausgaben hinkten stets den Mehreinnahmen nach.
Ueberdies baben wir mit Lobnerböhungen zu renen, die bereits Ende des vergangenen Etatsjahres in einer ganzen Reihe von größeren Plätzen gewährt worden sind. Im allgemeinen aber meine ih, daß aus diesen meinen Ausführungen der Schluß gezogen werden kann, daß dasjenige, was die Resolution der Budgetkommission als erstrebenswert binstellt bezüglich der Grenze für die Zuschüsse der Staatéeisenbahnverwaltung für allgemeine Staatszwecke, sih inner- balb dieses fünfjährigen Zeitraumes sehr wohl erfüllen kann, ohne daß eine sprunghafte Steigerung des Verkehrs in den Verkehrseinnahmen einzutreten brauht. Wann dieser Moment eintritt, das vermag ich nicht zu sagen. Bei einer optimistishen Auffassung würde man hoffen dürfen, daß bei ruhiger Verkehréëentwicklung dieser Zeitpunkt bereits im Jahre 1912 gegeben sein könnte.
Mit dieser meiner Hoffnung möchte ih meine Ausführungen zurzeit \chließen. (Allseitiger lebhafter Beifall.)
Abg. Wallenborn (Zentr.) regt an, die Diskussion über die finanz- tenische Seite des Eisenbahnetats mit derjenigen über die wirtschaft- lie Seite zu verbinden, wie ja auch der Minister hon darauf über- gegriffen habe.
Der Referent Abg. Shmieding und Abg. Graf von Moltke (freikons.) widersprechen diefem Vassiblage ; Abg. Dr. Friedberg (nl.) hält den Vorschlag auch für der Erledigung der Debatte nicht förderlich, bittet aber den Präsidenten, bei der getrennten Erörterung eine gewisse Latitüde zu gewähren. Der Präsident sagt dies zu. Die Anregung des Abg. Wallenborn ist damit erledigt.
Abg. Graf von der Gröben (konfs.): Wir sind uns voll bewußt, daß gerade beim Eisenbahnetat so viele unsihere Faktoren mit-
spielen, daß eine völlig sichere Etatëaufftelung nicht mögli ist; anderseits hat nach unserer Ansicht die Staatsregierung den Etat nach bestem Wissen und Gewissen aufgestellt.
Mit der vorjährigen Resolution wegen wirksamerer Gestaltung des Ausgleihsfonds und anderweiter Abgrenzung des Ekxtraordinariums haben wir lediglih einen Wegweiser geben können ; inzwischen ist die Frage der Gestaltung der finanztehnischen Seite des Etats auch dur verdienstvolle Arbeiten namhafter Mitglieder des Cisenbahn- und Finanzressorts gefördert worden, die bedeutungsvolle Anregungen gegeben haben, für die wir nur sehr danfbar sein können. Wenn jeßt das statistishe Anlagekapital zugrunde gelegt wird, fo ist auh dieser Weg, dessen sind wir uns voll bewußt, niht einwandsfrei, aber jeder andere Weg würde zu noch weit größeren Schwierigkeiten führen. MNatürlih hat über den zu wählenden Prozentsay, der für die wirk- samere Ausstattung des Ausgleichéfonds maßgebend sein foll, eine ge- wisse Diskrepanz zwishen der Finanz- und der Eisenbahnverwaltung bestanden; die erstere stebt auf dem Standpunkt : „was brauche ich ?“ Die andere siebt die Sache von dem Standpunft an: „was foll ih abgeben ?“ Beide beteiligten Nefsorts haben darüber ein Kompromiß geschlossen, wobei na unserer Ansicht die Finanzverwaltung durchaus nicht rigoros auf dem Standpunkt des „was brauche ih?“ bebarrt hat. Denn es werden nur 210 Millionen für die übrigen Ressorts von der Eisen- bahnverwaltung verlangt. Das Wichtigste ist, wie sih die Eisenbahn- verwaltung damit abfindet. Nach den Andeutungen, die soeben der Eisenbahnminister gab, fönnte der Termin s{neller eintreten, als die Kommission angenommen hat. Wir halten es aber nit für zweckmäßig, das Ziel verhältniémäßig weit zu stecken. Dadurch wird die Eisenbahnverwaltung gezwungen, durchaus wirtscaftlich zu verfabren, überall an Ausgaben zu sparen, um diefes Ziel zu erreichen; sie wird selbst daran interessiert dadurch, daß dann die übershüssigen Einnabmen ibr selbst wieder zugeführt werden. Bei der Berechnung des Reinübershusses wird nun auch das Extraordinarium mit in Rechnung gezogen, und zwar mit höchstens 120 Millionen. Hier müßen nach
nzmentlich dadur, daß die Belastung aller Züge, der Eil-, Güter- und Personenzüge größzr geworden ist. Die Vervollkommnung des gmzen Apparates hat dieses günstige Ergebnis sebr m«sentlih bezinflußt.
Éin anteres Memcnut mar tie kereits Erte des Iakres 1907 einsetende iche ter Verwaltung, eine vollständige | Du Ramalturnag rach allen Nichtungen. Auch hier |
u ga o ot Ab L, 2 So M urt 25 0 es errciht, ohne uns dem Vorwurf aus]eßen !
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unserer Meinung zwerst und vor allem materielle und erst in zweiter Linie zfermäßige Nücksichten entscheiden. Wir ftellen uns troß unserer Zedenken aub in dicfei Lunfte auf den Boden der Borlage, daß der über 120 Millionen hinaus jeweilig ecrrorderlide Betrag auf
weiterhin beibehalten werden und den Charakter eines Baufonds haben. Nur dann wird es möglich sein, dem Ansturm der übrigen Ressorts wirksamen Widerstand zu leisten. Wir wissen, daß jeßt die Dotierung des Extraordinariums ungenügend ist, wir wissen ferner, daß die Staatscisenbahnen im Gegensaß zu den Privatbahnen weder einen Reserve- noch einen Erneuerungs- fonds haben; es muß also eine Neserve geschaffen werden, und die fann nur durch ein großes Extraordinarium geschaffen werden, In das Ordinarium sollen also Kosten für Bauten bis zu 100 000 bineingenommen werden, alle übrigen Bauten werden ins Extra- ordinariuum geseßt. Wenn wir nun jeßt diese ziffermäßige und materielle Abgrenzung für 5 Jahre vornehmen wollen, so joll das nicht beißen, daß wir nach 5 Jahren zu der jezigen Ordnung oder Unordnung wieder zurüdckehren wollen, sondern wir wollen nach diesen 5 Jahren auf dem betretenen Wege weiterschreiten, um den Schäden, die \sich in - erkfennbarer Weise in der Eisen- bahnverwaltung eingeshlihen haben, energisch abzuhelfen. Was am meisten auf unjere Eisenbahneinnahmen [chädigend eingewirkt hat, ist die Fahrkartensteuer. Wir halten diese an fich für daraus verwerflih, es widerspriht dem Charakter des Staates, daß das Reich den Einzelstaat befteuert; wenn aber jeßt angedeutet wird, es sollen die Unbilden, welche diese Steuer mit sich bringt, dadurch beseitigt werden, daß man den Tarif durch Rückgängigmachung einzelner Sage in gewisser Weise umgestaltet, so kann das nicht genügen; es sei denn, daß der neue Tarif auf alle Klassen ausgedehnt wird. Tun wir das nicht, so würden wir lediglih den bisherigen Schädigungen eine neue hinzufügen. Wir haben stets gewünscht, daß der „Minister Wünschen nach Tarif- ermäßigungen gegenüber möglichst zurückhaltend sei; denn einmal ift es flar, daß nah der Erhöhung der Löhne und Materialienpreije eine indirekte Tarifermäßigung bereits jeßt vorhanden ist, und ferner müssen wir in Rechnung ziehen, daß die Wirkung fingulärer arif- ermäßigungen auf andere Gewerbe unübersehbar ijt und perniziós sein kann. Jh möchte speziell noch fragen, ob die Zeitungsmeldung rihtig ist, daß in Zukunft nicht mehr Sommerfahrpläne und Winter- fabryläne auêgegeben worden follen, fondern im allgemeinen nur ein Fahrplan. Das könnte für die Interessenten doch von großer wirtschaftliher Bedeutung sein. In erster Linie müssen wir dasür sorgen, daß unsere Eisenbahnverwaltung gute finanzielle Erträgnisse liefert, und eine dabin gebende Politik werden wir stets unterjtüyen. Abg. von Dewitz -Oldenburg (freikons.): Wir sind dem Minister dankbâr für sein erfolgreihes Wirken auf allen Gebieten der Eisen- bahnverwaltung. Wenn der Vorschlag der Budgetkommission an und für sih auch unsere Zustimmung findet, so haben wir doch in formeller und materieller Beziehung Bedenken. In erster Linie erscheint es uns zweifelhaft, ob es richtig ist, das statistische Anlagekapital zum Gradmesser für die Festseßung einer prozentualen Abgabe für die allgemeine Staatsverroaltung zu nehmen. Die Ansicht, daß im Extraordinarium nicht werbende Anlagen stehen, vermögen wir nicht zu teilen. Es ist ehr gut möglich bei einer Defizitwirtschaft, da die validierende Schuld ebenso stark steigt wie das Anlagekapital, wie dies zum Beispiel in der Richtung zu 1907 und 1908 sichtbar in Erscheinung trat. Schwerwiegender ist schon die Berechnung des Anlagefkfapitals. Es sollen außer den 200 Millionen, die nach dem Geseß von 1903 in den Ausgleichsfonds fließen, noch die weiteren - ÜUebershüsse ohne weiteres herangezogen werden. Nach dem E von 1903 ist es aber zweifellos, daß die Ueberschüsse im Staatshaushaltsetat zur Schuldentilgung verwendet werden sollen. Darin liegen aber auch die Uebershüsse aus der Cisenbahnvermaltung. Der Finanzminister beruft \sih darauf, daß er berechtigt sei, durh Etatsgeses oder Spezialge!)es über einzelne Einnahmezweige zu verfügen. An und für sich ist das unbestreitbar rihtig; wenn aber einmal wie 1903 durch Spezialgesez unter Mitwirkung des Herren- hauses festgestellt ist, in welcher eise die Uebershüsse verwendet werden sollen, so kann es zweifelhaft sein, ob eine Abänderung durch Etatsgeseß möglih ist. Ob der Saß, den die Budget- kommission gewahlt hat, richtig ist, läßt sich schwer beurteilen. Die Vorausseßung is jedenfalls, daß die Eisenbahneinnahmen einen Uebershuß von 6,25 9% des statistishen Anlagekapitals aus- machen werden. Nah dem Durchschnitt der leßten Jahre betru der Ueberschuß 6,48 9%, tatsählich fehlen aber für 1910 58 Millionen an der für den Staatshaushalt ausgeworfenen Ueber- \{ufsumme von 210 Millionen. Bei einem Betriebskoeffizienten von 70 9% müßten sch also die Einnahmen für 1910 zur Deckung des Defizits um 199 Millionen vermehren. Die Steigerung muß 39/0 betragen, während die von 1908 auf etwa 79/9 angenommen ist. Daß dies niht wahrscheinlich ist, liegt klar auf der Hand. Der Zuwahs am Schuldendienst beträgt immerhin 21 Millionen, die ihrerseits wieder 70 Millionen Mehreinnahme vorausfegzen. Tatsächlich hat ja im Durchschnitt der leßten 10 Jahre die Mehreinnahme 77 Millionen ergeben, aber bei dieser Rehnung würden für den Aus- gleichsfonds nicht genügend Mittel vorbanden sein. Noch der von der Eisenbahnverwaltung in der Budgetkommission aufgemachten Rechnung wurde untekstellt, daß wir mit einer Steigerung von 7 9/g rechnen können, und daß dann schon 1911 der Ausgleichsfonds bedacht werden fönnte.
Ob das zutreffen wird, ist außerordentlich shwer zu sagen. In der Budgetkommission wurde der Vorschlag gemacht, das Extra-
ordinarium um die Feblsumme zu kürzen, ih balte diesen Vorschlag nicht für annehmbar. Keine große Industrie kann vermeiden, wenn sie neue werbende Kräfte ins Leben rufen will, auf Anleihen zurück- zugehen. Wenn ter Staat ein fo großes Unternehmen wie die Eisen- babn in die Hand genommen hat, jo kann er an folhem Verfahren auch nicht ohne Rücksicht vorübergehen. Die immer vorgeführte Ve- bauptung, das Extraordinarium enthalte nichtwerbendes Kapital, ift eine Schanze, binter die man \sich stets mit der Wirkung zurück- ziehen fann, daß jede Berechnung für die Zukunft unmögli wird. Diese Behauptung muß beseitigt werden. Die Ausgaben für Sicherheitsanlagen z. B. bilden eine Risikoprämie für sonst aus den Mitteln des Staates zu leistende Ausgaben. Nachdem aber der Minister erklärt hat, daß er jedem Luxus entgegentreten wolle, bleibt dem Cisenbahnetat faum noch etwas übrig, was als nichtwerbende Anlage anzusehen wäre. Winde ein Industrieller, der seine Werkstätten vergrößert, um neue Arbeiten zu übernehmen, das dafür aufgewendete Kapital niht als werbend auffassen, oder würde, wenn in der Landwirtschaft ein Weg angelegt wird, das nicht auch als eine werbende Anlage betrahtet werden? Der Minister der öffentlihen Arbeiten hat im vorigen Jahre selbst hier erklärt, daß
auch er das Extraordinarium im wesentlichen als werbend ansieht.
Heute hat er uns gerade wie in der Budgetkommission den Nach- weis geführt, daß gerade auch die sogenannten Bahnhofsanlagen, die immer als nihtwerbend bezeihnet wurden, diejenigen sind, die die Ersparnisse berbeiführen. Eine Tilgung nah dem Geseßz von 06 9/9 ist gewiß unzulänglih, aber wir Li von 1895 bis 1910 von 10,8 Milliarden 2.7 Milliarden getilgt, das find genau 25 9/0. Wenn wir die Tilgung in dieser Weise fortseßen würden, so wäre sie in 48 Jahren beendet. Wir tilgen auch durch das Ordinarium, wo 60 bis 70 Millionen Vermehrung der Substanz bedeuten. Man wird sih au jedenfalls nicht davon überzeugen können, daß für den. Ausgleichsfonds in nicht zulängliher Weise gesorgt wäre. Wenn man bedenkt, daß der Finanzverwaltung nur 70 Millionen an Steuern zugeführt find, daß sie ungefahr 70 Millionen mehr an Schuldendienst zu leisten hat, daß fie 200 Millionen mehr aufzu- bringen hat für Beamtenbesoldung und ihr die Anwartschaft auf
ungefähr 200 Millionen verloren gegangen ist durch den Unterschied
im Betriebskoeffizienten, so wird man -fih wundern müssen, wie der Finanzminister alle wachsenden Forderungen in Zukunft decken will. S kann mir ein Bild davon niht machen, und wenn der Minister der öffentlihen Arbeiten eine Tarifermäßigung durch Einführung von Staffeltarifen in Aussicht gestellt hat, so weiß ih nit, wie ibm das bei der Lage seines Etats möglih sein wird. Unsere Industrie wird sicher in den nächsten Jahren mit weiteren Ansprüchen auf Er- mäßigung von Tarifen hervortreten. Jch stehe auf dem Stand- vunkt, daß der Staat die Eisenbabhncn nicht ?ur Erzielung eincs bvben Ueberschusses gebaut bat, sondern, ohne Nückficht auf Gewinn und Verlust, um den Verkehr und Wohlstand des Landes zu beben.
Anleiben übernommen wird: im übrigen aber muß das Grtraordinarium
Abg. S medding (Zentr.): Der Resolution liegt die Absicht zu
reilzlih boch gezogen
Grunde, den Staatshaushalt, dessen Rükhalt die Eisenbahneinnahmen bilder, gegen die Störungen zu schüßen, die mit den D »wanfungen der («itfenbahneinnahmen verbunden sind. Alle früheren Versuche nach dieser Richtung haben ñichts gefruchtet. Ob der neue Versuch alücken wird, fann mit Bestimmtheit niemand sagen, selbst nicht der isenvahnminister, da der Versu von ganz unberechenbaren wirt- scaftlihen Konjunkturen abhängt. Das Wichtigste bei den Bor- ihlagea der Kommission ‘ijt die Abgrenzung der extraordinaren Aus- aben. Bisher haben in diefer Hinsicht große Schwankungen be- standen, jeßt soll als Mindestgrenze der Betrag von_ 120 Millionen estgcießt werden. Wir billigen diese Festseßung, obschon wir nicht verkennen, daß vom fauftnännishen Standpunkt diee Grenze ist, weil viel werbendes Kapital in den træsrdinâren Ausgaben steckt. Allein man darf das Staats- eisenbahnunternehmen niht lediglih. vom kaufmännischen Stand- punkte betrahten. Der Eisenbahnetat stebt in inniger Verbindung mit dem gesamten übrigen Staatskörper. Man - hat daher nicht lediglih auf die Wünsche der Eisenbahnverwaltung Nücksicht zu nebmen, sondern das ge]amte Staatswohl ins Auge zu sa}jen und nicht mehr auf Anleihen zu nehmen, als_ unbedingt notwendig ist. Das ECisenbahnunternehmen hat feinen Reservefonds hinter sich und ist außerdem außerordentlichen Schwankungen ausgeseßt. Gine Schuldentilgung von ?/s%% genügt nicht, da das CGisenbahn- untecnehmen außerordentlich vielen NRijiken ausgeseßt ist. Zur Erzielung einer höheren Schuldentilgung könnte 1a einmal das Geseß von 1897, das diese ?/s 9% festsegt, abgeändert werden. Leichter um Ziele führt aber der Weg der möglichst hohen VBelajtung des Ertraordinariums. Würde man, wie es in der Kommission von anderer Seite vorgeschlagen worden ist, das Extraordinarium nur mit 60 Millionen belasten, jo wäre die Folge die, däß nach 28 Jahren der Betrag für die Verzinsung und Tilgung si auf 110 Millionen, das heißt auf die Hälste des jeßigen Extraordinariums belaufen würd?. Dann würden mit Bestimmtheit die Zinsen und Tilgungsquoten auf- gebracht ‘werden müssen und eventuell den Steuerzahlern zur Lait allen. Nah dem Vorschlage - der Regierung sollen 2,10 °/o des fiatistisGen Anlagekapitals für den Etat zur Verfügung gestellt werden, während* der überschießende Betrag in den Ausgleichsfonds fließen soll. Es ‘ist \hwer, u über die Grenze zu einigen. Aber je niedriger dieser Prozentfaßz bemessen wird, desto eher konnte die Mödglichfeit einer stärkeren Heranziehung der Steuerzahler eintreten. Veswegen sind meine Freunde der Ansicht, daß nicht eine tiefere, sondern die von er Regierung vorgeschlagene Grenzlinie zu billigen sei. Jch empfehle deshalb die Beschlusse der Kommi}hon. S Abg. Di, Friedber (nl.): Den Ansichten, . die ih in der Generaldebatte auêgesprohen babe, ist die Kommissioa erfreulicher- weise jetzt gefolgt. Ich bedauere aber, daß der Finanzministec reichlich spät auf unsere Anregungen eingegangen ist, denn die vorgeschlagene Regelung wird erst nach funf Jahren wirksam werden. o lange wird 6 wobl dauern, wenn au der Eisenbahnminister heute etwas optimistisher war, bis in den Ausgleichsfonds etwas fließen fann. Anters zu beurteilen ist die hohe Abgrenzung des Cxtraordinarums®. Nath den Ausführungen des Ministerialdirefktors Offenberg in der Zeitunig des Vereins deutscher Eisenbahnen ijt über die Natur des Ertxaordinariums das mit Sicherheit zu behaupten, daß es voll- kommen unrihtig ist, daß die Aufwendungen des Extraordinariums nicht * rentbat seien. Bei Erweiterung von Bahnhofsanlagen find ‘4. ‘B. die Empfangsgebäude nur ein fleiner Teil, das meiste entfällt auf die Betriebsanlagen, die als rentbar anzu- sehen sind. Herr Offenberg nennt die)e Ausgaben nachträgliche Kapital8aufwendungen, die erjt bei steigendem Verkehr für die BVer- vollkornmnung der Anlagen gemacht werden. Vie)er Ausdruck ist durchaus angemessen. Diese Ausgaben fönnen aljo aus Anleihe übernommen werden, weil es fih um eine Erweiterung, des Uniter- nebinens handelt. Wenn diese Kosten in das Extraordinarium ge- nominen werden, so ist das, finanziell betrachtet, eine Abschreibung, und es spizt fi die ganze Streitfrage darauf zu, ob solche Ab- schréibungen notwendig sind oder nicht. Das Extraordinarium darf vor allen Dingen nicht so hoch sein, day wir dadurch direkt in ein Defizit des Etats-hineingezwungen werden, sonst kommt die Defizit- anleibe. An sich ist es dasfelbe, ob wir einen Teil des Ertraordinariunts auf Anleihe nehmen oder nachher eine_ Defizitanleihe machen, aber der Staatskredit leidet unter einem Defizit, und aub sür die inanzgebarung selbst ist das ein wesentliher Unterschied. îr eine Cisenbahnanleibe muß die Eisenbahnverwaltung _selbst aus ibken Erträgnissen die Zinsen zahlen, und das ergibt eine Solidarität in der Richtung der Sparsamkeit. Aber für eine Defizitanleibe werdén ‘die Zinsen aus allgemeinen Staatsfonds genommen. Er Eisenbahnverwaltung kann aljo eine Defizitanleibe nur angenehmer sein als eine Cisenbabnanleihe. Deshalb ist es erfreulich, daß der Eisenbahnminister doch den Beschlüssen der Kommisston zugestimmt hat. Der Standpunkt, das Extraordinarium nicht so hoch zu bemessen, wie die Kommission vorschlägt, ware richtig, aber wir wiederholen unsere L Anträge aus der Kommis}ton nicht, weil wir uns davon feinen Erfolg versprechen; jedenfalls ist die hohe Dotierung des Ertra- orditfariums vom finanziellen Standpunkt aus nicht zu empfeblen. Im Herrenhause hat der Finanzminister merfwürdigerwei}e ge)agt, Daß er der Forderung, Mehrausgaben auf Anleihe zu übernehmen, Wider- stand geleistet habe, der Versucher sei im Abgeordnetenhause an ihn berangetreten, das Defizit mit emem Swlage durch Anleihen zu beseitigen, indem Ausgaben, die aus laufenden Mitteln gedeckt werden müßten, auf Anleihe übernommen würden. Wenn der Finanzminister dabei etwa meine Fraktion gemeint hat, so müßte ich das auf das entschiedenste zurückweisen. Gr hat ja damit im Herrenhause eine \chöône' Pose annehmen fönnen, aber er hat. doch keinen Grund, sich als ben ftarfen Mann hinzustellen; er 1st jahrelang nicht der starfe Mann gewesen gegenüber den Ansprüchen der anderen Ressorts, sondern wir waren bemüht, die Finanzen in Vrdnung zu bringen. Wenn der Minister jeßt unseren Anregungen folgt, 10 erkennen wir das ‘allerdings danfbar an. In die Erweiterung der Cisenbahnen müssen wir das nötige Kapital hineinstecken, und das können wir nur durch Anleihen. Für den niedrigen Kurê\tand un]erer Staatsanleiben hat der Finanzminister den Hauptgrund nicht angeführt, daß nämlich bei unseren Anleiheemissionen ein wentg geschicktes Verfahren geübt wird. Man sollte für eine fonstante Kundscbast orgen, aber da mat man ein so unglücklihes Experiment wie die Staffelanleihe, die man erst als großen Sieg binstellt, die sih aber nachher als verfehlt erweist. Die Emissionen von Hypothekenpfandbriefen 1nd beinahe ebenfo groß, wie die Staatsanleihen, und diese Pfandbriefe finden gialt, thren Absatz, weil die Institute sich mit den Bankiers in Verbindung zu seßen wissen. Der preußishe Staat gönnkt aber den Bankiers nicht die kleinste Provision. Wenn der Finanzminister eine bessere Verbindung mit den Banken berstellt und das Preußenkonfortium nit zu umgehen sucht, dann wird sih ein regelmäßiger Markt für Anleihen herausbilden. Ein großes Extraordinarium 1st ein wirtschaft- licher und finanzpolitisher Fehler. Offenberg hat flar nachgewiesen, daß die Erweiterungen der Eisenbahnen unabhängig von den ]e- weiligen Üeberschüssen sein müssen, weil sie ja für zukünftige An- forderungen gemacht werden. Einen großen Teil von Bahnerweiterungen im Rahmen des Etats zu machen, ware wirtschaftlih und finanziell verfehlt. Entschieden müßte ih den Gedanken abwehren, als ob der Finanzminister auf Grund der vorgeschlagenen Regelung des Etxtra- ordinariums berechtigt sein würde, mit neuen Steuervorschlägen zu kommen. Wir müssen dagegen einen Riegel vorschieben, daß das Gxtraordinarium boch gebalten wird, und dann, um den Etat zu balancieren, Steuern erhoben werden. Mit den Kommi|}1ons- resolutionen sind wir einverstanden. Der Etat it bisher nicht immer den Wirklichkeitsverhältnissen entsprehend aufgestellt worden. Mit Rücksicht auf das Extraordinarium und die Notwendigkeit, den Etat zu balancieren, sind vielmehr die ordentlichen Ausgaben fo gering angeseßt worden, daß Etatsüberschrcitungen vorauszusehen waren. Das hat der Finanzminister vershuldet. Wir hoffen, daß jeßt eine Grundlage für cine bessere Finanzierung gefunden wird. Ich erhoffe das noh nicht für 1912, aber wenn dann schon die Besierung ein- treten sollte, so würde ih mich freuen, daß der Eisenbahnminister recht
Finanzminister Freiherr von Nheinbaben:
Meine Herren! Ih will auf den Vorwurf, daß die früheren Etats unrichtig aufgestellt seien, niht ausführlich eingehen; ih habe die Ansäte für die Etats von 1907 und 1908 in der Kommission ganz genau erörtert, habe insbesondere darauf bingewiesen, daß weder den Herrn Arbeitsminister noch den Finanzminister die Verantwortung dafür treffen kann, daß im Jahre 1908 plößlich eine scharfe wirt- schaftliche Depression einseßte und infolgedefsen die Eisenbahneinnahmen um nit weniger als 135 Millionen binter dem Etat zurückblieben. Dazu kamen die großen Aufwendungen für die Beamten, die bekannt- lich rückwirkende Kraft bis zum April 1908 erbielten, und so ist es ohne irgend ein Verschulden unsererseits _ zu erklägen, daß_das Jahr 1908 mit einem erbeblihen Defizit abs{loß. Im übrigen farin ih bier nur wieder zusagen, was ih auch son in der Kommission getan habe, daß wir nah wie vor die Etats nah bestem Wissen und Ges wissen aufstellen und von jeder Färbung absehen werden.
Was die Aufstellung fester Grundsätze für den Cisenbahnetat wie für den allgemeinen Staatêhaushalt8etat betrifft, so befinden sich die Budgetkommission wie die einzelnen Parteien dieses - hohen Hauses und die Regierung im Grundgedanken erfreuliherweise in voller Ueber- einstimmung. Es handelt sich nur darum, den Grundgedanken nah den einzelnen Richtungen bin auszugestalten. Es kommen im wesent- lichen zwei Fragen in Betracht. Erstens: wie soll der Ausgleihsfonds bemessen werden, bis zu welhem Betrage sollen also die Eisenbahn- übershüsse für die allgemeine Staatétkafse zur Verfügung stehen und darüber hinaus in den Ausgleichsfonds fließen? und zweitens: wie ist das Extraordinarium zu bemessen ? äIcch darf in dieser Beziehung gegenüber den Ausführungen des Herrn Abg. Dr. Friedberg sagen, daß sowobl der Herr Arbeitêminister wie ih der Hoffnung sind, daß der Erfolg der neuen Regelung nit erst nach fünf Jahren eintreten wird, sondern daß wir son früher zur Speisung des Ausgleichsfonds gelangen werden. Wann das eintritt, das bängt ganz von der Gestaltung der wirtschaftlichen Verhbältnisie ab; irgend eine Zusicherung nah der Richtung können wir nicht geben. I betrachte mit dem Herrn Abg. Grafen von der Groeben die Sache so, daß seitens der Regierung eine grundsägliche Uebereinstimmung mit dem Abgeordnetenhause über den Grundgedanken erzielt wird, und daß der Versuch sih auf die ziffernmäßige Bemessung erstrecken soll. Meine Herren, was zunächst diefen Autglei{sfonds betrifft, so haben wir vorgeschlagen, die Grenze auf 2,10 °/6 des statistischen An- lagekapitals zu bemessen, und da das s\tatistishe Anlagekapital 10 Milliarden beträgt, so würde die Grenze 210 Millionen sein. Bis zu 210 Millionen sollen also die Eisenbahnübershüsse zur Deckung allgemeiner Staatébedürfnisse verwandt werden fönnen, darüber hinaus aber werden sie den anderen Staatsbedürfnissen verschlossen und fließen in den Ausgleihsfonds. In. dieser Beziehung bestanden auch in der Kommission keine wesentlihen Differenzen; es war nur ein Antrag gestellt, die Grenze nicht auf 2,10, sondern auf 2 °/o zu bemessen. Wir haben uns dagegen aus\prehen müssen; denn, meine Herren, je tiefer Sie die Grenze ziehen, je mehr Sie also die Eisenbahnüberschüsse den übrigen Ressorts verschließen, um so eber tritt die Notwendigkeit, neue Steuern zu bewilligen, in die Erscheinung. (Sehr richtig!) Wie gesagt 210 Millionen ist die Grenze; der“ Etat der Eisenbahn- verwaltung für 1910 sieht einen Ueberschuß von 152 Millionen vor, sodaß noch 58 Millionen bis zur Erreichung der Grenze für die all- gemeinen Staatsbedürfnisse verwandt werden könnten; selbst wenn aber diese Grenze erreicht würde, fo blieben, da wir bekanntlih im Etat für 1910 ein Defizit von 92 Millionen vorgesehen haben, noch 34 Millionen anderweitig zu decken, sodaß man also mit der Be- grenzung sehr vorsichtig sein foll, wenn nit das eintreten foll, was der Herr Abg. Friedberg vermieden zu sehen wünsht und was wir alle vermieden zu sehen wünschen, nämlich die Notwendigkeit, neue Steuern zu bewilligen. Es hat sih ja au bier, soweit ih den Ver- bandlungen gefolgt bin, ein Widerspruch gegen die Grenze von 2,10 °/o, also 210 Millionen, nit erhoben.
Meine Herren! Wie sind wir zu dieser Grenze von 2,10 9/6 ge- kommen? Wir haben uns dabei zunächst an die Vergangenheit ange- \{lossen und haben darauf Rücksicht genommen, daß wir einen solchen Zuschuß der Eisenbahnverwaltung zu den Staatsausgaben in Höhe von 210 Millionen bereits vor einem Fahrzehnt gehabt haben, und daß sih der Ueberschuß der Eisenbahnverwaltung in vielen Jahren über diesen Saß von 210 Millionen erhoben hat. Bereits im Jahre 1899 lieferte die Eisenbahnverwaltung zu den allgemeinen Staats- ausgaben einen Betrag vori 215 Millionen ab. Im Jahre 1900 von 909 Millionen. Dann kamen einige ungünstige Jahre mit einem ge- ringeren Uebers{uß. Dann stieg der Uebershuß im Jahre 1903 auf 941 Millionen, im Jahre 1904 auf 226 Millionen und im Jahre 1905 sogar auf 259 Millionen. Meine Herren, wenn wir also von diesen ganz besonders günstigen Fahren absehen und den Betrag nur auf 210 Millionen festseßen, so ist das schon für die Finanzverwaltung eine ungünstige Regelung, die naturgemäß die Aufstellung des Etats ers{wert. Wir wollen ja aber nur mit gewissen regelmäßigen Größen renen und die Spißen abschneiden, um zu verhüten, daß auf diese besonders günstigen Jahre nicht Ansprüche der anderen Ressorts basiert werden. Im Durchschnitt dieser ganzen zehn Jahre haben sih die Ueberschüsse der Eisenbahnverwaltung sogar auf 2,27 9/6 des statistishen Anlage- fapitals gestellt, während, wie ich eben ausführen durfte, wir nur 2,.109%/6 zu Grunde legen, und dabei muß doch sehr wesentlih mit in Betracht gezogen werden, daß bisher die Eisenbahnverwaltung ein böberes Extraordinarium aufzubringen hatte als in Zukunft. Wir baben bekanntlich das Extraordinarium durch Uebernahme der zweiten und dritten Gleise, der Elektrisierung der Bahnen, der Anschaffung der Betriebsmittel über den laufenden Bedarf hinaus auf Anleihen sebr wesentlich entlastet, und daher stellt sich die Rehnung ncch günstiger als in der vergangenen Zeit. In den vergangenen 10 Jahren hat die Eisenbahnverwaltung ein Extraordinarium von 1,37 °/6 gehabt, während wir das Extraordinarium nur auf 1,15 9% festzuseßen vor- \{lagen. Also, meine Herren, im Laufe der leßten 10 Jahre hat die Eisen- babnverwaltung durchschnittlih 2,27 °/o des statistischen Anlagekapitals abgeliefert bei einem Extraordinarium von 1,37 9/0, und wir {lagen vor, die Grenze nur auf 2,10 zu segen bei einem Extraordinarium von L415. Wir glauben also, daß die Erfahrungen der Vergangenheit tafür sprechen, daß die Grenze rihtig gezogen ist. Und nun, meine Herren, fommt es doch hauptsächlich darauf an: auf welche Mehreinnahmen fann von einem Jahr zum anderen gerechnet werden? In dieser Be- ziehung darf ih darauf hinweisen, daß beispielsweise i. I. 1902 gegen 1901 eine Mehreinnahme von 24 Millionen erzielt ist, i. J. 1903
eine Steigerung um 73 Millionen! —, dann fommen Steigerungen
von 30 Millionen und ähnliche vor.
Nun, meine Herren, kann man sfagen: das sind alles Dinge, die
in der Vergangenheit liegen, es kommt darauf an, wie die Ueberschüsse
in der leßten Zeit sih gesteigert baben. Der Herr Minister der
öffentlihen Arbeiten hat vorhin schon ausgeführt, daß die Mirklichkeit
des Jahres 1909 einen Reinüberschuß der Eisenbahnverwaltung in
Höhe von 149 Millionen Mark ergeben wird gegen 97,8 Millionen
nach der Wirklichkeit des Jahres 1908. Also, meine Herren, in einem
Jahre ist eine effektivé Mehrleistung der Eisenbahnverwaltung
von 51,2 Millionen erzielt, und wir sind damit auf den Betrag
von 149 Millionen gekommen. 210 Millionen sollen bekanntlich er-
reiht werden, um den Ausgleichsfonds zu speisen, sodaß von 149 zu
910 Millionen nur noch 61 Millionen Mark fehlen. Wenn si also
in einem Jahrè wie in dem legt abgeflossenen die Einnahmen der
Eisenbahnverwaltung um nicht weniger als 51,2 Millionen Mark gesteigert haben, so ist, glaube ih, die vom Herrn Minister der öffent-
lichen Arbeiten und mir gehegte Hoffnung, daß es schon in cinégen
Fahren gelingen wind, auch die fehlenden 61 Millionen noch einzu-
bolen und. damit den Ausgleichéfonds zu speisen, nit allzu optimistis,
sondern in den tatsählichen Verhältnissen begründet. Wie gesagt, der
Moment, wann das eintreten wird, hängt ganz von der wirtschast-
lihen Entwicklung ab. Aber wir glauben annehmen zu fönnen, daß er durchaus nicht so fern liegt, wie Herr Dr. Friedberg eben aus- geführt hat.
Meine Herren, etwas größer als hinsichtlih dieser Fragen, mit wel@em Moment der Ausglei sfonds gespeist werden soll, war die Differenz hinsichtlich der Bemessung des Extraordinariums. Wenn ih gelegentlih der Verhandlungen über die Novelle zum Staats- \{uldbuhgesey im Herrenhause; gesagt habe, daß der Versucher an mich hberangetreten sei, - das Extraordinarium geringer zu bemessen und den entspre(enden Betrag auf Anleihe zu nebmen, so habe ih weder än eine Partei noch an irgend einen Antrag gedacht, sondern die Sache war, glaube ih, durch dat, was ich ausgeführt habe, vollständig flargestellt. Wenn man, wie wir, 1908 mit einem Defizit von 202 Millionen abgeschlossen hat, wenn ih genötigt cewesen bin, 1909 einen Defizitetat von 156 Millionen vorzulegen und 1910 von 92 Millionen, so ist es in der Tat eine starke innere Versuhung für den Finanzminister, \fich aus all diesen Schwierigkeiten herauszuhelfen, indem er einfach das Extra- ordinarium niedriger und dafür die Anleibe böber bemißt. Diese Versuchung trat .an mich heran, und ih babe es für meine Pflicht gehalten, troy der enormen Erleichterung, die sih damit für den Augenblick für mih und für ten Etat ergeben hätte, dieser Vers suchung nicht zu entsprechen, weil cine solche stärkere Beschreitung des Anleibeweges nah meinem Ermessen für die Zukunft die größten Gefahren mit sich bringt. (Schr wahr! rechts.) Ich muß abweichend von den Ausführungen des Herrn Abg. Friedberg der Ansicht sein, daß eine solde stärkere Beschreitung des Anleihe weges die allergrößten Bedenken gegen sich hat aus den ver- \chiedensten Gründen.
Herr Abg. Schmedding hat schon mit Necht darauf hingewiesen, wie unzulänglih unsere Schuldentilgung ist, und wie nur in dem starken Extraordinarium, das wenigstens zum Teil einen werbenden Charakter hat, die Ergänzung dieser unzulänglichen Schuldentilgung zu finden ist. (Sehr richtig!) Andernfalls müßten wir unsere Schulden- tilgung um einen erheblihen Saß erböben. Herr Abg. Schmedding hat mit Recht darauf hingewiesen, daß die Provinz Westfalen jeßt mit 30/5 tilgt — und, meine Herren, wie tilgen wir? Selbst wenn ih mich auf den Standpunkt stellen wollte, daß das ganze Extra-
ordinarium werbenden Charakters ist, so haben wir im Durch- shnitt der Jahre seit 1880 nur 1,68 9/9 getilgt; das be deutet eine Tilgung in 60 Jahren. Meine Herren, sehen
Sie ih die Vorgänge im Reiche an: dort ist jeßt beschlossen
worden, die Anleihen nicht werbenden Charakters in 22 Jahren zu
tilgen und die Anleihen werbenden Charakters in 30 Jahren. Selbst
wenn Sie das ganze Extraordinarium als werbend anfehen, so würde
sih bei uns immer erst eine Tilgung in 60 Jahren ergeben, die weit
binter dem zurückbleibt, was der Reichstag ih glaube unis0no -—
wegen der Tilgung der Reichs\hulden beschlossen hat. Meine Herren,
auch in der Kommissionsberatung ist der Besorgnis, möchte ih 1agen,
Ausdruck gegeben worden, daß wir mit unserer Schuldentilgung zu
stark vorangingen und infolgedessen der Moment eintreten fönnte, wo wir unsere Schulden getilgt bätten und dann dem kolossalen Vermögen der Eisenbahnen gegenüberständen. Nun, meine Herren, viel stärker als unsere Schuldentilgung ift leider immer noch die Schchuldenzunahme gewesen. Wir haben für die größeren Bedürfnisse der Eisenbahnverwaltung und für Kanalbauten u. dergl. Schulden in einer höchst bedenklichen Höhe aufnehmen müssen. (Sehr rihtig! rechts.) Ich habe son in der Kommission ausgeführt, daß seit 1906 unsere Schulden von 7,3 Milliarden bis 1910 auf 9,4 Milliarden gestiegen sind, also in 4 Jahren eine Schuldenzunahme von mehr als 2 Milliarden! Fst denn das noch nit genug? Mir ist es jedenfalls hon viel zu viel. Und der jährliche Schuldendienst ist in diesen vier Jahren von 997 auf 390 Millionen gestiegen, also beinahe um 100 Millionen. Meine Herren, wir werden ja nie davon absehen können das ist vielleicht zu viel gesagt —, aber wir werden jedenfalls in absehbarer Zeit nit umhin können, für produktive Bedürfnisse unseres Staatslebens, namentlich für die Errichtung von Nebenbahnen u. dergl., auch künftig den Anleibeweg zu beschreiten. Umsomehr meine ih, muß man davor warnen, nun auh noch für andere Zweckte, die wir bisher aus dem Etat befriedigt haben, den Anleiheweg zu beschreiten. Ich kann in der Tat diese Dinge nicht so optimistish auffassen wie Herr Dr. Friedberg. Meine Herren, die ganze Schwierigkeit der Placierung unserer Anleihen folgt, neben dem Umstande, daß es uns an regelmäßigen Abnehmern fehlt, vor allem daraus, taß wir zu oft und mit zu großen Summen an den Anleihe markt herantreten. (Sehr richtig! rets.) Diese Schwierigkeit wird naturgemäß noch erhöht werden, wenn wir einen Teil dessen, was wir bisher aus laufenden Mitteln bestritten haben, auf Anleihen über- nehmen. Wenn unser Publikum an unsezn Staatsanleihen, an den dreiprozentigen beispielsweise 18 9/6, verloren hat, wenn diese von 100 auf 82 gefallen sind, weil wir eben den Anleihemarkt allzu oft in Anspru nehmen, so ist das ein Umstand der allergrößten Sorge für das Publikum wie für unsern Staat. Infolge der Verluste des Publikums hat sich die Gunst desselben von unsern Staatspapieren
gehabt hat.
gegen 1902 fogar von 73 Millionen — also in einem einzigen Jahre
abgewandt, und wir dürfen den Anleihemarkt meiner pflihtmäßigew