1910 / 85 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 12 Apr 1910 18:00:01 GMT) scan diff

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Ueberzeugung nach nun nicht noh stärker in Anspru nehmen, als es bisher der Fall gewesen ift.

Nun sagt Herr Abg. Dr. Friedberg: es ist doch ganz egal, ob man von vornherein das Extraordinarium auf die Eisenbahbnanleibe übernimmt, oder ob man zwar ein hohes Extraordinarium ausbringt, dann aber den Etat mit einem Defizit abschließt, also eine Defizit- anleibe übernimmt. Meine Herren, das mag im Effekt dasselbe sein, aber psychologish ist es ein gewaltiger Unterschied. Denn eine Defizit- anleibe zu vermeiden, muß das ernste Bestreben des Finanzministers sein, und er kann alle Ansprüche der übrigen Ressorts zurückdrängen, wenn er sagt: er muß zur Befriedigung der Ansprüche fonst den Weg

‘der Defizitanleihe beschreiten, während, wenn wir ein für allemal es

für zulässig erachten, einen Teil des Extraordinariums auf Anleibe zu übernehmen, dann eben fein Halten mehr ist; dann kommen die An- sprüche der anderen Ressorts, und dann wird dem Finanzminister ge-

- sagt: du braust das Extraordinarium der Eisenbahnverwaltung nur

etwas mehr auf Anleihe zu übernehmen, dann is Plaß für die An- sprüche der übrigen Ressorts, und so wird die Stellung der Finanz- verwaltung gegenüber den Ansprüchen der übrigen Ressorts wesentlich geschwächt.

Herr Abg. Dr. Friedberg sagte dann: in dieser Ueberlastung des

Marktes läge nicht der einzige Grund für den unbefriedigenden Stand .

der Staatspapiere. Gewiß, darin kann ich ihm nur beistimmen. Ih fann aber nit anerkennen, daß wir, abgesehen vielleiht von der Staffelanleibe, wo ich zugeben will, daß sie vielleicht niht ein ganz geglückier Versuch war, ungeshickt verfahren seien, wie das aus seinen Worten herausklang. Wenn wir Anleihen herausbringen, fo be- sprechen sh der Präsident d-r Seehandlung, der Reichsbankpräsident auf das eingehendste mit den ersten Autoritäten auf diesem Gebiete, und danach wird die Entscheidung getroffen. Ich kann nicht an- erkennen, daß bei den Anleihen im allgemeinen mit Ungeschick ver- fahren worden sei.

In einem hat Herr Friedberg vollkommen recht, daß wir uns einen allgemeinen Markt für unsere Papiere suchen müssen, und ich hoffe, hier seine Unterstüßung zu finden, wenn es etwa notwendig sein sollte, mit einem Geseß an das hohe Haus zu treten wegen An- legung eines Teils der Uéebershüsse der Sparkassen in Staats- papieren, und ih freue mich über die Erklärung, die Herr Dr. Schroeder mir gegenüber getan hat, wonach er uns au auf anderen Gebieten in .der Beziehung seine Unterstüßung zu teil werden sassen will.

Wenn ih mit dem Herrn Minister der öffentlichen Arbeiten für ein hohes Extraordinarium der Eisenbahnverwaltung eingetreten bin, so habe ich, wie gesagt, ganz gegen die Interessen der Finanzj- verwaltung gehandelt, weil dadurch naturgemäß die Balanzierung des Gtats außerordentli ers{chwert wird. Aber ih habe damit im Interesse der Eisenbahnverwaltung und der wirtshaftlihen Er- \chließung des Landes zu handeln geglaubt, und wundere mi, daß gerade von der Seite Bedenken dagegen erhoben sind. Gerade die Parteifreunde des Abg. Friedberg baben immer mit Recht den Wunsch ausgesprochen, daß möglichst viel für die Ausgestaltung der Eisenbahnen geschieht, und die Situation des Ministers der öffent- lichen Arbeiten ist do eine viel bessere, wenn er mit einem hohen Gxtraordinarium renen, darnach seine Dispositionen treffen kann, als wenn er von Jahr zu Jahr sehen muß, welhe Anleihe ihm etwa be- willigt wird. Gerade in der Regelmäßigkeit eines hohen Ertra- ordinariums liegt für die Eisenbahnverwaltung ein großer Wert, und deshalb hat der Minister der öffentlihen Arbeiten mit Recht betont, daß ihm an einem hohen und gleihmäßigen Extraordinarium besonders gelegen sei. Wenn wir also unter Ershwerung der Balancierung des Etats, unter Bringung erbeblicher Opfer diese 120 Millionen als Extraordinarium der Eisenbahnverwaltung in Auésiht nehmen, und die Gisenbahnverwaltung erklärt hat, damit, foweit sie es übersehen föônne, auszukommen, so möchte ich mir die dringende Bitte gestatten, daß das hohe Haus sich bei den fünftigen Beratungen auch dieser Ansicht anschließen möge, und daß nun nicht aus dem Hause ein Drängen hervortreten möge, über die 120 Millionen bezw. 1,15 0/6 des Anlagekapitals hinauszugehen. (Sehr wahr! rets.)

Diese reihlihe Dotierung des Extraordinariums ist für die Balancierung des Etats schon ein erschwerendes Moment. Aber ih glaube, dieses Opfer pflihtmäßig bringen zu müssen im Interesse der Eisenbabnverwaltung und Verkehrsentwicklung des ganzen Landes Dann aber bitte ich Sie, daß wir über diesen Saß nicht hinaus- gedrängt werden.

Wie ih eingangs sagte, über die Frage, ob wir mit den 2,10 %/o für den Ausgleichsfonds, mit den 120 Millionen des Extraordinariums das Richtige getroffen haben, kann nur die Erfahrung der Lehrmeister sein. Wir wollen hoffen, daß uns eine günstige wirtschaftliche Ent- wicklung beschieden sein möge und damit die feste Scheidung, die hier beantragt ist, auch tatsählich in Wirksamkeit tritt. Ich glaube, die Frage der Bemessung ist aber sekundär und kann nur durch die Erfahrung als rihtig oder unrichtig erwiesen werden. Was richlia it, - Ut, day wir zu dieser grund- sätlihen Begrenzung überhaupt gelangen, und daß damit cine Barriere gegen die Ansprüche der anderen Ressorts gezogen wird- falls wieder günstige wirtshaftlihe Tage uns beschieden sein jollten, und ih freue mi, daß in dieser grundsäglichen Frage eine Ueber- einstimmung zwishen Budgetkommission und Staatsregierung erzielt ist, und nach den eben gehörten Reden darf ih annehmen, daß über diese grundsäßgliche Frage zwischen dem hohen Hause und der Staats- regierung volle Uebereinstimmung herrsht, und daß diese Ueberein- stimmung ein wesentlihes fruchtbringendes Moment für die Ent- wicklung unserer Staatsfinanzen, der Eisenbahnfinanzen insonderßbeit, darstellen wird. (Lebhafter Beifall rets.)

Abg. Gyßling (fortschr. Volkép.): Die Ziele, die sih die Budget- fommission und die Regierung gesteckt haben, sind gewiß gerecht- fertigt. Der Minister der öffentlichen Arbeiten “soll nicht, wie es sein Vorgänger einmal ausdrückte, der Goldonkel für die Staatéfinanzverwaltung sein; die allgemeine Finanzverwaltung darf nicht die Betriebsubershüsse der Eisenbahnverwaltung in Anspruch nebmen, sodaß diese nit tun kann, was sie im Interesse des Ver- fehrs und der wirtschaftlihen Entwickflung des Landes zu tun ver- pflichtet ist. Die Erniedrigung der Tarife hat der Eisenbahnminister wegen der Steigerung der Selbstkosten abgelehnt, aber bei weiterer günstiger Entwicklung dürfen wir diese volfswirtschaftlih wichtige z5rage nicht aus den Augen lassen. Die Ziele werden mit den vorge- \hlagenen Mitteln nicht er1eicht werden ; ebenso wie der Ausgleichs-

fonds, der seit 1893 gebildet werden soll, heute eine ganz wesenlose

Gricheinung ist, wird auch der neue Ausgleichsfonds nicht die er-

wartete Wirkung haben. Zum wenigsten hätte man ganze Arbeit machen

und im Gesegeswege vorgehen müsjen. Der Etatsvermerk, der jeyt aufgenommen ist, bedeutet nur eine Bindung für ein Jahr. Gewiß wird die Verwaltung versuchen, den betretenen Weg einzubalten. Aber vom Versuchen haben wir nachgerade genug. Ich will die positiven Geseßzesvorshläge, die Geheimrat Kirchhoff in seiner Schrift . nieder- elegt bat, niht ohne weiteres billigen; aber der Grundgedanke seiner Ausführungen, daß allein eine geseßlihe Regelung zum Ziele führen fann, ist rihtig. Der Finanzminister hat dargelegt, weshalb der Prozentsaß von 2,10 zutrifft. Ich halte ihn für zu hoch. Unsicher t er, wie die Regierung selbst zugegeben hat, auf jeden Fall. Die Angaben der Regierung shwankten auch. Einmal sagte der Minister, in absehbarer Zeit würde der Ausgleichsfonts aufgefüllt sein; dann hieß es wieder 1912, dann wieder 1914; bis dahin soll die Sache doch überbaupt nur gehen. A für das Extraordinarium sind zu hoh gegriffen. Wenn die Staatseisenbahnverwaltung zu werbenden Zwecken Geld brauht, so muß und wird es ihr doch bewilligt werden. Der Finanzminister würde gut tun, wenn er den von Geheimrat Kirchbof und Ministerialdirektor Offenberg in deren veAhiedenen Aufsäten geltend gemahten Gesichtspunkten mehr Rechnung trüge. Kirhbof will unterscheiden die laufende Verwaltung, den Betriebsetat und den Bauetat. Er will leßteren durch Anleihen decken, nur mit einem Zuschuß, den der Betriebsfonds zum Baufonds zu leisten bat. Der Finanzminister berechnet immer nur die Passiva, ohne die Aktiva genügend hervorzuheben. Unter Eifenbahnvermögen wird auf 90 Milliarden geshäßt. Die Reichsshulden lassen fich demgegenüber zum Vergleich gar nit beranziehen. Auch die Nebenbahnen verzinsen ih nah der Angabe des Eisenbahnministers durchaus gut. Ebenso wird eine Betriebsänderung, eine Elektrisierung der Babnen do nur dann vorgenommen werden, wenn wirtschaftliche Erfolge dadur eintreten. Was der Finanzminister über die zu starke Anspannung des Anleibe- marfktes und das Sinken des Kur}es un]erer Staatspapiere ausführte, läuft in seiner Konsequenz darauf hinaus, der Zukunft Vorteile auf Kosten der Gegenwart zuzuwenden, und das darf in diesem Maße nihl gesheben. Den Resolutionen der Kommission können wir fast durchweg zustimmen. Im übrigen aber müssen wir uns getrösten, daß es allmählih dahin kommen wird, daß wir nicht einen papiernen, sondern einen wirklichen Eisenbahnetat aufstellen können.

Finanzminister Freiherr von Rheinbaben:

Sie wollen mir einige Erwiderungen auf die eben vernommenen Ausführungen des Herrn Vorredners gestatten, meine Herren. Der Herr Abg. Gyßling hat der Meinung Ausdruck gegeben, daß die jetzige etatsmäßige Regelung nicht in Einklang zu bringen sei mit dem Gesetz vom Jahre 1903 wegen Schaffung des Ausgleichsfonds. Diese Frage haben naturgemäß sowohl der Herr Minister der öffentlichen Arbeiten wie der Finanzverwaltung eingehend geprüft, und sind nicht zu dem Ergebnis gekommen, wie der Herr Abg. Gyßling. Wir glauben nit, daß die etatémäßige Regelung, die wir vorschlagen und der die Budgetkommission sich angeshlossen hat, mit dem Gesetz vom Fahre 1903 irgendwie im Widerspru steht. Das Geseß vom Jahre 1903 will die rechnungêmäßigen Uebershüsse des gesamten Staats- baushalts bis zur Höhe von 200 Millionen Mark auffangen, um daraus den EDispositionsfonds des Eisenbahnministers zu speisen, rechnungsmäßige Minderübershüsse der Eisenbahnverwaltung aus- zugleihen und eventuell das Extraordinarium der Gisenbahnverwaltung besser auszugestalten. An dieser Bestimmung des Geseges von 1903 wird nichts geändert; denn die etatsmäßige Regelung, wie wir sie, vorschlagen, tritt zu der gesezmäßigen insofern binzu, als dur diese etatsmäßige Regelung \chon die über eine gewisse Höhe hinaus- gehenden Uebershüsse der Eisenbahnverwaltung dem gleihen Zweck zugeführt werden sollen, und zwar ganz unabhängig davon, ob der ge- samte Staatshaushalt mit einem Uebershusse oder mit einem Fehl- betrage abschließt. Es bleibt also dabei, daß nach dem Geseß von 1903 ein etwaiger Ueberschuß in der Rehnung des gesamten Staats- hauéhalts dem Fonds zugeführt wird, und hierzu tritt, daß jegt auch ein gewisser Uebershuß der Eisenbahnverwaltung selbst nah Maßgabe des Etats dem gleichen Fonds zugeführt werden soll. Wir glauben also, daß die Ordnung, wie wir sie vorschlagen, eine Ergänzung, nicht aber eine Abänderung des Gesetzes von 1903 darstellt.

Meine Herren, gegenüber meinem Hinweise, daß im Reich viel \chärfer amortisiert wird als bei uns, hat der Herr Abg. Gyßling ausgeführt, die Schulden Preußens wären mit den Schulden im Reih gar niht zu vergleihen. Darin irrt er sih; denn die Regelung, die im Reich getroffen ist, bezieht sih auch auf die Schulden für werbende Zwecke. So müssen beispieleweise die Schulden, die im Reich für Telephonanlagen und für Eisenbahnzwecke aufgenommen find, in 30 Jahren getilgt werden, und die Schulden für nihtwerbende Zwecke müssen sogar in 92 Jahren getilgt werden. Gerade auch vom Standpunkt der Er- haltung der Leistungsfähigkeit der Eisenbahnen muß, wie ih glaube, eine zunehmende Inanspruchnahme der Mittel der Gisenbahnver- waltung für den Schuldendienst hintangehalten werden.

Ih habe vorhin in Kürze in der Budgetkommission babe ih es ausführlicher getan die Bedenken bervorgehoben, die aus einer Zunahme der Verschuldung sich auch für unsern ganzen Staat, für die Allgemeinheit ergeben. Speziell würden aber auch für die Eisenbahn- verwaltung die nachteiligen Folgen naturgemäß in absehbarer Zeit hervortreten. Man würde fi für den Augenblick Luft schaffen und dann schon in verbältnismäßig kurzer Zeit eine außerordentliche Belastung für den Schuldendienst erfahren. Man würde auf diese Meise der Eisenbahnverwaltung in verhältnismäßig kurzer Zeit die Mittel entziehen, die ihr jet zur Ausgestaltung ihrer eigenen Anlagen zur Verfügung stehen. Die erheblichen Kapitalsaufnahmen, die er- beblichen Anleiben, die wir im Interesse der Eisenbahnverwaltung in den leßten Jahren haben machen müssen, haben den Schuldendienst der Eisenbahnverwaltung vom Jahre 1906 bis zum Jahre 1910 um niht weniger als 50 Millionen gesteigert. (Hört, hört!) Also all- jährli hat jeßt die Eisenbahnverwaltung wegen dieser Anleihen an Zinsen und Tilgung 50 Millionen mehr zu zahlen, die ihr natur- gemäß für ihre andern Zwedcke nicht mehr zur Verfügung stehen. Wenn man nah dem Antrag, der in der Kommission gestellt war, das Extraordinarium nicht auf 120 Millionen, sondern nur auf 60 Millionen bemessen bätte in der Absicht, die Übrigen 60 Millionen aus Anleihe zu bestreiten, so würde sich das folgende Erempel ergeben haben. Im ersten Jahre würde ein Anleihebetrag von 60 Millionen binzutreten, und zu dessen Verzinsung und Tilgung würden 2,76 Millionen erforderlich sein; im Jahre 1911 hätte sich der Betrag hon auf 5,52 Millionen verdoppelt; im Jahre 1912 hätte er \ih auf 8,36 Millionen und im Jahre 1913 auf 11,29 Millionen erhöht. Der Schuldendienst der Gifenbahnverwaltung wäre dann fo weiter gestiegen, und nach 18 Jahren hätte er schon den Betrag von 60 Millionen in Anspruch genommen. Also der Betrag, um den man jegtZdas Extraordinarium entlasten will, würde zur Verzinsung

Auh die 120 Millionen:

und Tilgung mehr erforderlich sein, und nah 28 Jahren wäre der Schuldendienst um nit weniger als 106 Millionen gestiegen. Die Sache hâtte sih dann so gestaltet, daß man der Eisenbahnverwaltung die Situation für den Augenblick erleichtert, ihr aber in Zukunft die Erfüllung ihrer eigenen Aufgabe ershwert hätte. Ich glaube, eine Staatsregierung sowohl wie ein Parlament darf bei dieser Frage nie den Blick in tie Zukunft verlieren, sondern muß sih vor Augen balten, wie eine Regelung auhch für die Zukunft wirken würte. Wenn man das aber tut, so wird man sich sagen müssen, taß eine Minderung im Extraordinarium und eine starke Beschreitung des Anleiheweges für die Staatsverwaltung wie auch. füg_die Eisenbahnverwaltung von hohem Nachteil sein würde, und deshalb fann ich nur erneut für die Bewilligung des hohen Extraordinariums eintcetenrs Die Rollen haben sih vollkommen ver- tausht. Die Linke hat immer gewünscht, daß man der Gisenbahn- verwaltung möglichst hohe Mittel zur Verfügung stellt; und in ‘dem Sinne möchte ih hier auch eintreten, indem ih bitte, der Gîsenbahn- verwaltung ein hohes Extraordinarium zu bewilligen. . Ein hohes regelmäßiges Extraordinarium, auf das eine Verwaltung rechnen kann, macht erst eine planmäßige Disposition möglich und ermögliht es erst, die nötigen Ausgestaltungen weitschauend auézuführen. Deshalb ist für die Eisenbahnverwaltung eine solche Regelmäßigkeit von der größten Bedeutung.

Abg. Borgmann (Soz.): Wir stehen prinzipiell auf dem Standpunkt, daß nah Möglichkeit dahin gejtrebt werden muß, die wirtschaftlihen Unternehmungen des Staates völlig von der all- emeinen Finanzverwaltung zu trennen, da sie ja nur dann ihre wirt- schaftlichen Zwee völlig zu erreichen vermögen. Die Zustimmung zu den Kommissionsvorschlägen wird uns erleichtert dadurch, daß es sich nur um einen Versuch handein soll; es werden Erfahrungen gejamuelt, und es wird deren Ergebnis abgewartet werden müssen. Was die Höhe des Extraordinariums betrifit, so steht es allerdings fest, daß eme hohe Bemessung desselben die bessere Dotierung des Ausgleichs- fonds verhindern muß. Aber ein bohes Extraordinarium fann niemals einen Schaden, sondern stets nur eine wejentliche Verbesse- rung der finanziellen Verhältnisse herbeifuhren; da wir “außer- ordentlich niedrig amortisieren, stellt die hohe Dotierung des Extraordinariums nichts anderes als einen Ausgleich dafür dar. Wenn es fich um kommunale Ankeihen handelt, schreibt der Finanz- minister den Kommunen mindestens 2 °/o Amortisation vor. Gr müßte also doch auch mit eigenem guten Bei]piel vorangehen. Die Streitfrage, was werbende Anlage ist, was nicht, ist selbst den Finanz- tehnifern niht ganz flar. Man sollte sih dahin entscheidcn, daß das Hauptgewicht nicht darauf gelegt wird, ob die Anlage eine werbende, jondern ob sie eine Ergänzung oder ein Grsay für etwas Verbrauchtes oder der Ergänzung Bedürstiges ist. Eine Grfahr liegt in der hohen Dotierung des Extraordinariums nicht. Ander- seits empfiehlt sih ohne weiteres eine stärtere Tilgung der Anleihen deshalb, weil wir außerordentli starken Veränderungen in der Technik entgegengehen; haben wir bobe Anleiheschulden, so wird es sehr s{hwer fein, technisch notwendig gewordene Neuanlagen rasch zur Durchführung zu bringen. Aufjallenderweise ist bisher eine Aeußerung des Ministers in der Diskussion mcht beachtet worden. Er sagte, die günstigere Gntwicklung der Eisenbahneinnahmen fei erfolgt, weil es gelungen sei, die Ausgaben troy der erheblichen Fort- schritte des Betriebes einzuschränten; er nannte den Betrag von 100 Millionen. Wenn das innerhalb eines einzigen Jahres er- mögliht werden konnte, so erscheint das _doch auyerordentlih merk- würdig. Es wird mit der von deim Minister gegebenen Begründung dafür nicht recht stimmen; die Cisenbahnverwaitung dürfte vielmehr Mittel und Wege gefunden haben, troy des außerordentlich gestiegenen Verkehrs die Arbeitskräfte so übermäpig in Anspruch zu nehmen, daß diese Arbeit geleistet werden konnte. ‘Das stimmt auch mit den Klagen überein, die uns aus den Cisenbahnarbeitcr- und -Beamten- freien entgegengetreten find. Der Mumister 1ollte da doch die Ansprüche nicht zu hoh spannen, sonst fönnten die Krafte ver]agen, und was das heißt, brauhe ih angesichts der auf Ueberanstrengung der Beamten ¡uruckzuführenden Eisenbahnunfälle nicht weiter auszuführen. Im vorigen Jahre hat bei der Beratung des Cisenbahnuetats der Abg. Gröber erklärt, daß man in der Bereinheitlichung * des deutschen Eisenbahnwesens nicht über eine gemein]ame Gestellung der Wagen hbinauégehen wolle. PYèan müsse die Hoheitsrechie der Ginzel- staaten wahren, als deren Beschützer sich gerade Preußen fühlen müfse. Aus dieser Aeußerung scheint mir ein hoher Grad von Neichs- verdrossenheit zu sprehen, die ja allerdings bei den -Kon- servativen selbst bei der Gründung des Vieiches bestanden hat. Es fann fein Zweifel sein, daß unter den jeyigen Berhältnijjen die preußische Eisenbahnverwaltung die einzelnen tleinen Bundes- staaten hohnimmt, ja sogar darauf hinarbeitet, die einzel1taat- lichen Eisenbahnverwaltungen zu erdrosseln. Von diesem Standpunkt aus scheint mir die Weigerung der kleineren Staaten, ihre Hoheits- rechte Preußen zu opfern, berehtigt. Wenn wir ein einheitliches Eisenbahnwesen haben wollen, dann dürfen wir es nicht unter die

preußishen Junker stellen, sondern unter die Kontrolle des Reichs. Die meisten Mängel unseres Cisenbahnwesens find daraus

zurückzuführen, daß wir fein einheitliches Neichseijeubahnwesen be- jigen. Nicht die angebliche Aufgabe Preußens, die Hoheitsrechte der Einzelstaaten zu schüßen, ist es, die den eigentlihen Grund für den Widerstand der Konjervativen gegen etne Neichseijenbahn bildet, sondern vielmehr die Befürchtung, daß dann eme Korper|chaft mit dem allgemeinen, gleichen Wahlrecht uber die Eisenbahnen versügen würde. Hat doch der Abg. von Oldenburg von Januschau angesichts der Bestrebungen nah einein allgemeinen Wahlrecht in Bayern und der Worte eines Angehörigen des bayeri]chen Königshauses gesagt : „Wenn die Dinge so_ weiter fortgehen, 10 muyen die preußischen Bajonette da unten Ordnung schaffen.“ Bon unjerer CEisenbahn- verwaltung ist die Unterhaltung der ersten und ¡weiten Klajje auf Kosten derjenigen, die die dritte und vierte Klaye benuyen, nicht fauf- männish gedaht. Die erste Klasse müßte auf jeden Fall gänzlih beseitigt werden, das Beste wäre aber die Einführung einer einheit- lihen Wagenklasse. Auf jeden Fall dürfte den Scynellbahnen in den Städten, wie z. B. der Berliner Hoch- und Untergrundbahn, nicht das Zweiklassensvstem aufoktroyiert werden. Es geht doch bei den Straßenbahnen mit einer einheitlichen Klasse. Ich möchte den Minister fragen, wie es fommt, daß ih die Eijen- bahnverwaltung der Anordnung der Landespolizeibehörde Berlin betreffs Sperrung des Treptower Bahnhofs anläßlich des Wahlrechts- \pazierganges ge[ügt hat. Man fann doch nichr aunehmen, day der Minister gezwungen worden war, sich dieser Anordnung - zu fugen. Unverständlih ist die Vaßnahme, day Arveiterruckfahrkarten nicht mehr für Entfernung von mehr als 50 Kilometer ausgegeben werden sollen. Tausende von Aubeitern sind dadurch _ in ihren wrirt]chastlichen Verhältnissen {wer ge|chädigt worden. Die Folge ist doch nicht die, daß die Arbeiter nun die höheren Fahrpreije zahlen, jondern vielmehr, daß sie nun niht mehr Sonntags zu thren Familien zurudck- kehren. Durch diese Verfugung trägt der Véinister indirekt dazu bei, daß das Familienleben noch mehr, als es schon durch unjere ganze Wirtschastsordnung geschieht, zerstört wird.

(S@luß in der Zweiten Beilage.)

M S.

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Minifter der öffentlihen Arbeiten von Breiten bach:

Meine Herren! Jch glaube, innerhalb des Verhandlungspkanes mich halten zu sollen und in meiner Antwort mich auf folgende Nichtigstellung beschränken zu können. ° ;

Der Herr Abg. Borgmann wollte aus den Worten des Herrn Finanzministers henausgehört haben, daß die Betriebsergebnisse des laufenden Jahres zu einer Ersparnis von annähernd 100 Millionen gegenüber dem Vorjahre geführt hätten. FIch glaube, Herr Abg. Borgmann ist bei meiner Aufklärung nicht zugegen gewesen, die ih über die Betriebsergebnisse des vorigen Jahres gegeben habe. Ich hatte festgestellt, daß gegen das Vorjahr eine Mehreinnahme von 105 Millionen und eine Minderausgabe von 10 Millionen Mark er- zielt worden sei. /

Herr Abg. Borgmann war der Meinung, die von ihm voraus- gesetzte erhebliche Minderausgabe wäre erzielt worden dur eine un- angemessene Ausbeutung der Arbeitskräfte; mit der Feststellung des Frrtums fällt dieses Argument in si zusammen.

Dann hat der Herr Abg. Borgmann, anknüpfend an eine Aeußerung des Herrn Grafen von der Groeben, Preußen die Absicht unterstellt, die süddeutshen Eisenbahnen zu verpreußen; er wandte sogar den Ausdruck an, sie zu erdrosseln. (Zuruf links.) Meine Herren, ih ftelle fest, daß die preußische Regierung, daß Preußen nit die Absicht und den Ehrgeiz hat, sein eisenbahnwirts{aftlihes Einflußgebiet über die bisherigen Grenzen auszudehnen. (Sehr gut! rets.)

Die Ausführungen des Herrn Abg. Borgmann, die niht inner- halb des Verhandlungsplans erfolgten, behalte ich mir vor, gelegentlich der weiteren Erörterung des Etats zu beantworten.

Damit {ließt die Besprehung.

Die sämtlichen Anträge der Kommission werden mit den

Stimmen aller Parteien angenommen.

Die Diskussion wendet sich hierauf zu der wirtschaftlichen Seite des Eisenbahnetats. : L O E

Abg. von Hennigs- Techlin (fkonsf.): Wir begrüßen die erfreulichen Mitteilungen des Eisenbahnminijters über die günstigen Ergebnisse des Betriebsjahres 1909 und über die Aussichten des Jahres 1910. Diese Besserung ist im wesentlichen zurückzuführen auf Ver- besserungen in unseren Betriebseinrihtungen. Es muß zugestanden werden, daß diese Einrichtungen notwendig und nüßlih gewesen find nicht allein zur Sicherstellung, Tondern _auch zur Ver- einfahung und Verbilligung des Betriebes. Besonders erfreulich ift es, daß ein relativer Rückgang in der Zahl des Beamtenheeres durch Verlangsamung bei Neuanstellungen mögli gewesen ift, ohne die Betriebssicherheit zu gefährden. Wenn die Betriebskosten stetig steigen, fo fann man nicht die Tarife ermäßigen, wie es von mancher Seite gewünjGe wird. Ich kann nur davor warnen, dur eine sol%e Ermäßigung unfere Einnahmen zu s{chmälern. Wir müssen Grsparnisse eintreten lassen, wo dies möglich ist, und auf der anderen Seite unsere Einnahmen |teigern. Jn dieser Beziehung ist in der Kommission angeregt worden, ob vielleicht dadurch eine Besserung eintreten könnte, daß das Postaversum ermäßigt wird. Das Neich geniert sich auch gar nicht, die Einzelstaaten bei der Be- messung der Rückvergütung der Ausgaben für die Grhebung von Zöllen und indirekten Steuern zu drücken. Mit Recht hat der Eisenbahn- minister es als einen Non}ens bezeichnet, daß die preußische Eifenbahn-- verwaltung die kleineren deutschen Cisenbahnbetriebe erdrofsele oder so etwas anstrebe. Diese Behauptung ist o völlig aus der Luft gegriffen, daß sie eine Widerlegung kaum verdient. Wir müssen ihr aber widersprehen, damit man uns nicht vorwirft, wir hätten ein \{chlechtes Gewissen. Alle Verwaltungen Preußens stellen fich in den Dienst deutscher Interessen. Die Eisenbahntarifgemein- schaft und Wagengemeinschaft hat gerade den anderen deutschen Staaten erhebliche Vorteile gebraht. Die sozialdemokratishen Aus- führungen müssen von den anderen Parteien mit aller Entschiedenheit zurückgewiesen werden. Wer hat denn Reichseisenbahnen empfohlen ? Bismarck, der zugleich Ministerpräfident von Preußen war, und fein Vorschlag begegnete dem Widerspruch der anderen Bundesstaaten. Abg. Borgmann hat auch die Frage der * ersonenwagenklassen gestreift. Man kann hierüber verschiedener Ansicht sein. Andere Länder, auch Süddeutschland, fühlen sich obne IV. Klasse wobl, aber wir haben nun einmal die I. bis 1V. Klasse, und es würde nicht nüßlich sein, die I. und IV. Klasse zu streichen. Das Prinzip der Gleichheit läßt Kch nicht so allgemein durhführen; indem man die eine Klasse zu- frieden mat, maht man die andere unzufrieden. Wenn wir einmal diese Einrichtung haben, so müssen wir auch dafür forgen, daß fie gut funktioniert. In dieser Beziehung find wir in der leßten Zeit fal)che Wege gegangen. Die Hälfte der Reisenden 1. Kla)e bezahlt, wie ih hôre, nihts, die Tarife müsjen 1o bemessen werden, daß die I. Klasse auch tatsählich ausgenußt wird. Die Fahrkartensteuer kann nur da- dur gerecht wirken, daß auch die [V- Klasse herangezogen wird. Der mißbräuchlichen Benußung der Spet]ewagen mußte ein Niegel vorgeshoben werden; ob das angewandte Mittel das Richtige war, oder ob es nit vielleicht besser wäre, cinen Zuschlag für die Be- nußung des Speisewagens zu erheben, will ih nicht entscheiden. Sollte aber die getroffene Maßregel nicht auêreihen, so muß sie weiter ausgebaut werden. Unj}ere Zustimmung möchte ih dazu aus- sprechen, daß der elektrische Betrieb nur dann in groyerem Maßstabe eingeführt werden darf, wenn die Verzinsung sichergestellt worden ist. Wir müssen bei allen solchen Maßnahmen mit der größten Vorsicht vorgehen.

Minister der öffentlichen Arbeiten von Breitenbach:

Meine Herren! Mehrere der Herren Vorredner haben sich mit der Fahrkartensteuer befaßt. Ih habe bereits im vorigen Jahre und diesjäbrig in der Kommission meiner Auffassung dahin Ausdruck ge- geben, daß, da eine Aufhebung der Steuer nicht zu erreichen ist, eine Aenderung angestrebt werden müsse. Der Zeitpunkt ist aber zurzeit einer Aenderung ungünstig, und es muß vermieden werden, fi einem Mißerfolg auszuseßen.

Fn Verbindung mit der Erörterung der Frage, ob und in welcher Weise die Fahrkartensteuer umzuformen wäre, ist nun in der Budget- kommission angeregt worden, da die I. Klasse erweislih eine schwere Schädigung dur die Fahrkartensteuer erfahren hat, diejenigen Fahr- preise der 1. Klasse wiederherzustellen, die vor der Personentarifreform für Rüfahrkarten 1. Klasse erhoben wurden. Diese Anregung trat zum ersten Male an mi heran, und ich habe zu derselben nicht Stellung genommen, sondern nur erklärt, daß sie nahe liege, weil ja die 1. Klasse die einzige ist, die bei der Reform der Perfonentarife m den Einheits\äßen erhöht wurde.

Zweite Beilage

Berlin, Dienstag, den 12. April

Herr Graf von der Groeben gab anshließend der Sorge Ausdruck, daß, wenn diese Anregung etwa verwirklicht werden fönnte, zu be- fürchten sei, dann weitergehend eine Ermäßigung auch der Tarife der übrigen Klassen verlangt wÄden könnte; ih habe ihn so verstanden: Meine Herren, an eine solhe Konsequenz denke ih nicht: id würde diese Frage, falls sie verfolgt würde, auf die erste Klasse beschränken wollen.

Dann hat Herr Graf von der Groeben darauf hingewiesen, daß eine Vereinheitlihung der Fahrplanperioden wir haben heute zwei, eine Winterfahrplan- und eine Sommerfahrplanperiode in Aussicht genommen sei. Dieses trifft zu. Es handelt sich aber um eine rein formale Angelegenheit, die im Interesse der Vereinfachung und der Verbilligung des Geschäftsganges durchgeführt werden soll. Die umfänglichen, Zeit und Geld kostenden Vorarbeiten, die der Fahrplanaufstellung vorhergehen, sollen eben nur einmal ausgeführt werden. Materiell würde nichts geändert werden; das verkehrtreibende Publikum würde dadur also nicht geschädigt, die Zahl der Züge bleibt ganz genau dieselbe.

Herr Abg. von Dewitz und auch Herr Abg. Gvßling haben der Sorge Ausdruck verliehen, daß die geplante finanztehnishe Regelung des Gisenbahnetats, wie sie jeßt beschlossen werden soll, die Frage einer Ermäßigung der Gütertarife in aeternum vertagt habe. Meine Herren, wir renen noch heute, obwohl die Verhältnisse si günstiger gestaltet haben, mit dem hohen Betriebskoeffizienten von 7009/0, und es ist wohl in solchen Zeitläuften nit angebraht, über Tarifermäßigungen Erwägungen anzustellen, wenigstens nicht .in dem Sinne, daß sie alsbald in die Praxis überseßt werden mögen. Ich könnte mir aber do denken, daß die Regelung, welche durch die Be- \{lüsse des hohen Hauses für den Etat der Eisenbahnverwaltung in Geltung gesezt wird, im Endergebnis die Frage einer Ermäßigung der Gütertarife nicht ungünstig beeinflufsen wird, wenn nämli die Hoffnung, daß der Ausgleichsfonds nachhaltiger und kräftiger auf gefüllt wird, auch über diejenigen Beiträge hinaus, die demselben bereits nah der jeßigen Geseßgebung zugewiesen werden konnten, zur Wabrkheit wird; denn dann würde dem Ausgleihsfonds ja nicht allein die Aufgabe zufallen, Defizite oder Mindererträge auszugleichen, sondern auch \{ließlich Ausfälle ausgleichen zu helfen, die die Folge von Tarifermäßigungen sind. Mir \{eint also diefe Perspektive keine

ganz günstige und die Schlüsse, die aus der Neuregelung in dieser Be- ziehung gezogen werden, nit ganz zutreffende zu sein.

Der Herr Abg. Borgmann hat si lebhaft über die Verteilung der Klassen in den Zügen und die Zusammenseßung der Züge auf- gehalten und hat von einer Verekelung des Reisens gesprohen. Jch glaube, diese Wendung {loß er an die Schilderung eines Vorganges an, der si heute naht auf dem Bahnhofe Hamm zugetragen hat. Ich fenne die Gründe nit, die zu einer Aus\eßzung eines Wagens, der in einem D-Zug läuft, geführt haben; ich könnte mir denken, daß reine Betriebsgründe, z. B. das Heißlaufen einer Achse, das Aus- seßen veranlaßt haben. Ih würde es aber mißbilligen, wenn diese Aus\sezung aus anderen Gründen erfolgt wäre, da nah den bestehenden Plänen eine Ausfeßung in Hamm nicht er- folgen soll. Ich werde über diese Frage näbere Ermittlungen an-

stellen. : Was die Frage der Klassenzahl in unseren Personenzügen an-

wert wäre, in jedem Zuge in maximo drei Klassen zu führen: in den Personenzügen die zweite, dritte, vierte Klasse, in den Schnell- zügen und Eilzügen die erste, zweite und dritte Klasse. Dieses Ideal, möchte ih sagen, läßt fih für die Personenzüge nicht rein durchführen ; wir werden aus bestimmten Gründen veranlaßt sein, auch in den Personenzügen in beschränktem Maße die erste Klasse weiterzuführen. Ich glaube aber, daß wir an der Klasseneinteilung, an der Zahl der Klassen im großen und ganzen auf den preußischen Staatsbahnen bis auf weiteres werden festhalten müssen. Sie entsprechen den Gepflogen- heiten des reisenden Publikums, und ih bin feft überzeugt, daß, wenn wir nur daran denken wollten, die erste Klasse auszuschalten, wir auch, obwobl es nicht ganz zwei Millionen Reisende sind, die die erste Klasse benutzen, lebhafte und vielfältige Beschwerden bekommen und voraussichtlich genötigt sein würden, sie wieder in diesen oder jenen Zuglauf einzuführen. Dagegen werden wir, falls die Minderbenußzung der ersten Klasse anhält, auch eine weitere Einschränkung der erften Klasse, der Zahl der Abteile na, unter allen Umständen vornehmen müssen. Die zweite Klasse ist star? ausgenüßt (sehr richtig !); sie ist eine geldbringende Klasse. Der Herr Abg. Borgmann hat bei seinem Vergleich vollkommen vergessen, daß der Passagier der ersten Klasse 35 mal so viel zahlt als der Passagier der vierten Klasse und 7 mal so viel wie der Arbeiter, der mit einer Arbeiterwochenkarte oder Nüfahrtkarte zu 1 4 pro Personenkilometer fährt ; das übersieht er, und darum ist seine Rechnung unzutreffend.

Dann hat der Herr Abg. Borgmann eine Beschwerde vor- gebracht, die an den Wabhlrechtsspaziergang an einem der leßten Sonntage anknüpft. Es ist von ihm behauptet worden, der Polizei- präsident von Berlin hätte die Schließung des Bahnhofs Treptow angeordnet. Ich bin heute nit in der Lage, auf diese Behauptung eine Erklärung abzugeben; es ist mir und allen Herren von der Eisenbahnverwaltung, die mit mir hier fißen, von dem Vorgang nichts bekannt geworden.

Ueber die Frage der Arbeiterrückfahrkarten, die ja eine grund- sägliche ist, behalte ih mir vor, nachdem ich das Aktenmaterial cin- gesehen habe, eine weitere Aufklärung zu geben. (Bravo !)

Hierauf wird gegen 1/5 Uhr die Weiterberatung des Eisenbahnetats auf Dienstag 11 Uhr vertagt (vorher no ch- malige Abstimmung über die Wahlrechtsvorlage).

betrifft, so ist au diese in der Budgetkommission eingehend erörtert | 5 e - - A j worden. Ih habe mich zu der Auffassung bekannt, daß es erstrebens- |

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zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußishen Staatsanzeiger.

1910.

Hande! und Gewerbe.

(Aus den im Reichsamt des Innern zusammengestellten „Nachrichten für Handel und Industrie “.)

Portugal. Erhöhung der Zölle für Zigarren und bearbeiteten

T abak. Durch Königlidde Verordnung vom 24. Februar 1910 find

die Zölle für Zigarren und sfonstigen verarbeiteten Tabak und ge- \chnittene Tahakstengel (Tarifnummer 521 und 582) bei der Ginfükr in das Festland des Königreihs vom Tage der Veröffentlihung der Verordnung ab auf 5000 Réis für 1 kg erhöht worden. (Diario da Governo vom 2. März 1910.) ;

Bericht der Handelskammer von Harlingen (Niederlande) für 1909.

Der Bericht der Kammer für Handel und Fabriken in Harlingen für das Jahr 1909 liegt während der nächsten drei Wochen im Bureau der „Nachrichten für Handel und Industrie“, Berlin NW. 6, Luisenstraße 33/34, im Zimmer 241, für Interessenten zur Einsichtnahme aus, und kann nach Ablauf dieser Frist deutschen Interessenten auf Antrag für kurze Zeit über- sandt werden. Die Anträge sind an das vorgenannte Bureau zu richten.

Aenderung des koreanishen Berggeseßyes.

Die beiden im Jahre 1906 erlassenen koreanishen Minengeseye für Bergwerke und Erzwäschereien nebst Ausführungsbestimmungen baben im Laufe der Zeit einige Aenderungen erfahren. Seitens der Generalresidentur ist soeben ein Neudruck der amtlichen eng- lishen Ueberseßungen unter Berücksichtigung der Aende - rungen herausgegeben. Neu hinzugekommen ist das Geseß Nr. 21 vom 19. August 1908, betreffend Befreiung einiger für den Betrieb von Gold-, Silber- oder Kupferminen nötiger Artikel vom Einfuhrzoll. Den Schluß; bildet eine Liste der vormals Kaiserlihen Minen und Erzwäschereien, welche dem Handelsministeriuum abgenommen und dem Minister für Ackerbau, Handel und Industrie unterstellt worden sind.

Für fremde Konzessionäre ist als wichtigste Gesetzesverbesserung hervorzuheben, daß der neue Artikel 10 des Bergwerksgeseßes Ver- fauf, Uebertragung und Verpfändung von Minenrehten ganz all- gemein zuläßt und nur Registrierung der Eigentumsveränderung vorsieht, während früher die Genehmigung des Ackerbauministers dazu nôtig war, was die Realisierbarkeit von Minenkonzessionen beeinträchtigte.

Weiterhin sei bemerkt, daß Artikel 21 des nämlichen Gesezes mit seiner eigenartigen Negierung jeder staatlichen Schadenztersfaßpfliht für Maßnahmen des Ackerbauministers ganz gestrichen worden ist.

Nach dem neuen Artikel 4 der Ausführungsbestimmungen haben in Zukunft Ausländer ihre Konzessionsgesuhe nicht mehr der General- residentur, sondern direkt dem Ackerbauministerium einzureichen.

Ziemlih viel Umstände hat das Zusatzgeseg Nr. 21 vom 19. August 1908 verursacht, welches bis auf weiteres die zollfreie Einfuhr von vier Klassen von Waren, falls leßtere für den Betrieb von Gold-, Silber- oder Kupferminen bestimmt sind, zuläßt. Die zweite Klasse bilden „instruments“. Das im fkoreanischen Tert gebrauchte Wort lautet „Kiku“, welches aber die Generalrefidentur anfänglih nit wie jeßt mit: „instruments“ oder „tools“, fondern mit dem ganz allgemeinen Ausdruck „mining implements“ überseßt hatte. Durch diese Fassung verleitet, verlangten die Minenbesißer Zollfreiheit für alle möglihen importierten Minenbedürfnisse, wie Kerzen, Oel für Grubenlampen, Maschinenöl, Kalk, Oelfarbe, ja selbst Steinkoblen und fühlten sch benahteiligt, als die Zollverwaltung folches ablehnte, was dann weitläufige Auseinanderseßungen und Reklamationen zur Folge hatte. i

Schließlich wurde festgestellt, daß in der foreanishen Sprache „Kiku“ das „gebrausfertige Handwerkszeug* bedeutet, wozu Kerzen und Oele usw. sicher niht gehören. Da indessen manche Bergwerks- instrumente als Halbfabrikate eingeführt und erst an Ort und Stelle fertig gemaht werden (z. B. Stahl in Stangen für die Herstellung von Meißeln verschiedener Längen je nah dem augenblicklichen Be- darf), so ist die Zollverwaltung dazu bestimmt worden, eine erweiterte Auslegung des Ausdrucks „Kiku“ zuzulassen und darunter auch halb- fertige Werkzeuge zu verstehen, vorausgeseßt, daß nur noch eine geringe Ueberarbeitung zur Instandsezung nötig ist.

Die betreffende Zollentsheidung von Anfang September v. T hat folgende Fassung:

„The term: „ymining implement“ as mentioned in Law 21 means all the implement necessary for mining purposes and shall be applied to all implements fully made or to their constituent parts or accessories.

But material for implements which can not necessa- rily be imported as fully made implements, but which can be made s0 by the application of a little work shall be regarded as implements."

In dem vorliegenden Neudruck ist die gescilderte Schwierigkeit dadur wesentlih behoben worden, daß fh wie gesagt „Kiku“ mit dem präziseren Ausdruck „instruments" übersetzt findet als Ver- besserung und Ersa für das verleitliche Wort: „mining imple- ments“, welches noch in der mitgeteilten Zollentsheidung vorkommt.

Ein Exemplar des Neudrucks liegt während der nächsten drei Wochen im Bureau der „Nachrichten für Handel und Industrie“, Berlin NW. 6, Luisenstraße 33/34, im Zimmer 241 für Interessenten zur Einsichtnahme aus. Ein zweites Eremplar desselben kann sofort, das erstere nah Ablauf der erwähnten Frist, deutschen Inter- essenten auf Antrag für kurze Zeit übersandt werden. Die Anträge sind an das genannte Bureau ju richten.

(Nach einem Bericht des Kaiserlichen Generalkonsulats in Sóöul.)

Aus\chreibungen.

Anlage einer Trinkwasserleitung in Santa Cruz de Tenerifa (Canarische Inseln). Anschlag: 564 630 Pesetas; Kaution: 28 231,50 Pesetas. Verhandlung am 16. Mai bei der Alcadía Constitucional, Sala Consistorial, in Santa Cruz. Ver- tretung am Orte notwendig. (Commercial Intelligence.)

Bau einer Markthalle im Hafen von La Luz (Canarishe Inseln). Anschlag: 189 172 Pesetas. Kaution: 59/0. Verhandlung : 3. Mai, 3 Uhr, bei der Stadtverwaltung in Las Palmas. (Moniteur des Intérêts Matériels.)

Oeffentliche Arbeiten in Transvaal. Dem Noodeport- Maraisburg Town Council ift die Genehmigung erteilt worden, zur Ausführung städtisher Arbeiten eine Anleibe von 20 000 Pfd. Sterl. aufzunehmen. Hiervon sollen u. a. verwendet werden für : Schlacht- haus 2000 Pfd. Sterl. ; Ausdehnung der Wasserleitung 1250 * fd. Sterl. ; Anlage elektrisGer Beleuchtung 5000 Pfd. Sterl. : ampfwalze 800 Pfd. Sterl. : Eisenbahnbrücke 1000 Pfd. Sterl. (Commercial Intelligence.)