1910 / 87 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 14 Apr 1910 18:00:01 GMT) scan diff

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des Offizierkreuzes desselben Ordens: dem Major Grafen von Moltke und A dem Major von Alt-Stutterheim im Braunschweigi- schen Jnfanterieregiment Nr. 92; des Ritterkreuzes erster Klasse desselben Ordens: dem Hauptmann von Otto und / dem Hauptmann von Voigt in demselben Regiment ; des Ritterkreuzes zweiter Klasse desselben Ordens:

den Oberleutnants Stieler von Heydekampf, von Brömbsen in demselben Regiment,

dem Oberleutnant von Finck im Braunschweigischen Husarenregiment Nr. 17: _—

des goldenen Ehrenkreuzes desselben Ordens: dem Obermusikmeister Hischer im Braunschweigischen Infanterieregiment Nr. 92; der goldenen Ehrenmedaille desselben Ordens: den Feldwebeln Meyer und Bodenstein in demselben Regiment ; der silbernen Ehrenmedaille desselben Ordens:

den Vizefeldwebeln Seydel und Koch, dem Sergeanten Müller, j sämtlih in demselben Regiment; sowie der bronzenen Ehrenmedaille desselben Ordens: den Gefreiten Otto, Kneiff, Kluge, Seeliger, oßhennig und Schirmer, dem Musketier Grünwaldt, sämilich in demselben Regiment.

Deutsches Reich.

Seine Majestät der Kaiser haben Allergnädigst geruht: den vortragenden Rat im Reichseisenbahnamt, Geheimen Baurat Diesel zum Geheimen Oberbaurat zu ernennen und

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dem Obersekretär bei dem Reichsgeriht Schul z in Leipzig den Charafter als Rechnungsrat zu verleihen.

VetranutmaGuÊnag: Der Herr Reichskanzler hat durch Erlaß vom 18. März

1910 die von dem Janus, Wechselseitige Lebens- versiherungsanstalt in Wien, vorgelegten neuen Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Normal-

versicherung, gültig -für das Gebiet des Deutschen Reichs, genehmigt. Berlin, den 9. April 1910. Das Kaiserliche Auffichtsamt für Privatversicherung. Gruner.

Königreich Preußen.

Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht:

dem Präsidenten des Eis alamis Hoff i Berlin den Charakter als Wirklicher imer Oberregierungsck rat mit dem Range eines Rates erster Klasse und

dem Eisenbahndirektionspräfidenten a. D. Taeger in Magdeburg den Charakter als Wirklicher Geheimer Oberbaurat mit dem Range eines Rates erster Klasse zu verleihen,

den bisherigen Oberlehrer an der Augustaschule zu Berlin, Professor Dr. Porg er zum Seminardirektor zu ernennen sowie

der Wahl des Oberlehrers Dr. Julius Müller an dem Kaiser Karls-Gymnasium in Aachen zum Direktor des Pro- gymnasiums in Eupen und

der Wahl des Direktors der städtishen höhereu Mädchen- schule nebst Lyzeum in Crefeld Dr. Ernst Wehrmann zum Direktor der Sophie Charlottenshule in Charlottenburg die Allerhöchste Bestätigung zu erteilen.

Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht:

dem Kaufmann Ernst Nölle in Berlin den Charakter als Kommerzienrat zu verleihen.

Ministerium für- Landwirtschaft, Domänen und Forsten.

Dem Oberförster o. R. Holtßinger in Hann.- Münden ist die Oberförsterstelle Dannenberg übertragen worden.

Der Steuersekretär Czapons in Lauknen ist zum Forst- kafsenrendanten ernannt worden. i

Der Titel Hegemeister wurde verliehen folgenden Förstern im Regierungsbezirk Trier: Hooß in Ottweiler, Oberförsterei St. Wendel, Müller in Sulzbach, Oberförsterei Fishbach, und Nicolaiy in Erlenbach, Oberförsterei Trie.

Die Oberförsterstelle Cruttinnen im Regierungs- bezirk Allenstein ist zum 1. Juni 1910 zu besezen. Bewerbungen müßen bis zum 1. Mai eingehen.

Dem Polizeitierarzt Karl Borchmann zu Berlin ist die kommifsarishe Verwaltung der Kreistierarztstelle zu Drofsen, Kreis Weststernberg, übertragen worden.

Ministerium für Handel und Gewerbe.

Die Berginspektoren Bellmann bei dem Steinkohlen- bergwerke Ver. Gladbeck und Tegeler bei der Bergwerks- direftion zu Reclinghausen find zu Bergwerksdirektoren ernannt worden.

Minisierium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten.

Dem Seminardirektor, Professor Dr. Porger is das Direftorat des Lehrerseminars in Hannover verliehen worden.

Dem Universitätsgutspächter Otto Wendt in Subzow ist e Charakter als Königlicher Oberamtmann beigelegt worden.

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Die von heute ab zur Ausgabe gelangende Nummer 9 der reu ks Geseßsammlung enthält unter

Nr. 11030 den Staatsvertrag zwischen der Königlich preußischen und der Fürstlich shaumburg-lippischen Regierung über den Anschluß der im Fürstentum Schaumburg-Lippe wohn-

haften Apo c an die Apothekerkammer der Königlich preußischen vinz Hessen-Nafsau, vom 3. Januar +1910, und unter

Nr. 11031 ‘die Verfügung des Justizministers, betreffend die Anlegung des Grundbuchs für einen Teil des Bezirks des Amtsgerichts Hadamar, vom 9. April 1910.

Berlin W., den 13. April 1910.

Königliches Geseßsangnlungsamt. Ne i

Bekanntmachung.

des Geseßes vom 10. April 1872 (Geseßsamml. annt gemacht : _ i

) Erlaß vom 29. Januar 1910, betreffend die Verleihung des ungsrehts an das Wasserwerk für den Land- kreis Aachen, G. m. b. H., zur Herstellung eines Wasserwerkes für den Landkreis Aachen, dur das Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Aachen Nr. 12 S. 85, ausgegeben am 17. März 1910; :

2) das am 16. Februar 1910 Allerhöchst vollzogene Statut für die Drainagegenossenschaft Leinefelde in Leinefelde im Kreise Worbis durch das Amtsb der Königlichen Regierung zu Erfurt Nr. 13 S. Ch ausgege am 26. März 1910; f /

3) der Allerbö{ste Erlaß vom 28. Februar 1910, betreffend die Verleihung des Enteignungsrehts an den Provinzialverband der Provinz Schlesien die Anlage eines Stauweibers bei Erdmanns- dorf im Kreise Hirschberg i. SL., durch das Amtsblatt der König- lihen Regierung zu Liegniß Nr. 14 S. 101, ausgegeben am 2. April 1910.

Na Vors

S. 357) sind 1) der

Personalveränderungen.

Königlich Preußische Armee.

Offiziere, AnAuriDe usw. Pm burg v. d. H., 9. April. Füngling, U. än der Unteroff. Schule in Treptow a. R., zur Unteroff. Vorschule in Greifenberg L Pre Schnee, Li. an der Unteroff. Vorschule in Greifenberg i. Pomm., zur Unteroff. Schule in Treptow a. N., ; H

Homburg v. dHz, 12. April. Frhr. v. Vietingboff gen. Scheel, Gen. der Kay. und kommandierender General des IX. Armee- korps, in Gen seines Abschiedsgesuches, unter gleichzeitiger Stellung à 1. s. des . Regts. Königin (Pomm.) Nr. 2, mit der eseßlidhen Pension zur Disp. gestellt. Frhr. v. Plettenberg, Lt. und Kommandeur der 22. Div., zum Gen. der Inf. be- fördert und zum Tommandierenden General des IX. Armeekorvs er- nannt. v. Claer, Gen. L. und Kommandeur der 11. Inf. Brig., zum Kommandeur“ der 22. Div. ernannt. v. Trossel, Oberst und Kommandeur des Juf. Regts. Fürst Leopold von Anhalt-Defsau (1. Magdeburg.) Nr: 26, mit der Führung der 11. Inf. Brig. be- auftragt. Fr r. v. Uu. zu Eglofiletn, Gen. Lt. und Gouverneur von Straßburg & ES.,, zum Gen. der Inf., Graf v. Schlieffen, Lr und Goubérneur von Mainz, zum Gen. der Kav., be- ördert.

lglaiitec liches. h

Deutsches R e i ch. Preußen. Berlin, 14. April.

Seine Majestät der Kaiser und König nahmen heute vormittag im Königlihen Schlosse in Homburg vor der Höhe die Vorträge des Chefs des Militärkabinetts, Generals der Jnfanterie Freiherrn von Lyncker und des Kriegsministers, Generals der Jnfanterie von Heeringen entgegen.

Die vereinigten Ausschüsse des Bundesrats für Handel und Verkehr, für Rechnungswesen und für Justizwesen sowie die vereinigten Ausschüsse für Handel und Verkehr und für Justizwesen hiellen heute Sißzungen.

Bei dem gestrigen Festmahl des Deutschen Handels - tages, dem u. a. der Reichskanzler Dr. von Bethmann Hollweg, die Staatsminister Delbrück, Freiherr von Rheinbaben und Sydow sowie die Staatssekretäre Krätke und Dernburg beiwohnten, ergriff nach dem von dem Präsidenten des Handels- tags Kaempf auf Seine Majestät den Kaiser und König aus- gebrachten Hoch der Reichskanzler Dr. von Bethmann Hollweg, „W. T. B.“ zufolge, das Wort zu nachstehenden Ausführungen :

„Meine Herren! Für die freundlihe Einladung, die mir von seiten des Präsidiums des Deutschen Handelstags geworden ist, bitte ih den berzlihsten Dank entgegenzunehmen. Und wenn ih an die beredten Worte, die Ihr Herr Vorsitzender soeben an die versammelte Tafelrunde gerichtet bat, mit einem persönlihen Worte an- knüpfen darf, so soll es der Wunsch sein, daß es dem Deutschen Handelstage noch reckcht lange vergönnt sein möge, seinen Prä- fidenten als Vorbild gemeinnützigen Wirkens an feiner Spi zu sehen. Die Bedeutung des Deutshen Handels unser wirtshaftlides Leben wird durch die bald s0jährig Tätigkeit erwiesen, die er entfaltet bat, s{ärfer noch vielleiht durch den Aufshwung, den Handel, Industrie und Schiffahrt während dieses Zeitraums genommen haben. Die Verbandlungen und Beschlüsse des Deutschen Handelstags können, wie Ihr Herr Vorsitzender soeben auêgeführt hat, dem Geschichtsschreiber ein Spiegelbild von dem Gange bieten, den unfere innere unò unsere äußere Politik gewandelt ist, so sehr bildet das Gedeiben der von Ihnen, meine Herren, vertretenen Interessen eine Grundlage unseres staatlihen Lebens im Innern und Aeußern. Hand in Hand mit der Entfaltung unseres inneren Marktes isst eine gewaltige Erweiterung unseres Exports gegangen, und es ist damit, wie ih es {on einmal an anderer Stelle ausgesprochen habe, die Pflege unserer ausländishen Wirtschaftsinterefsen zu einer der wichtigsten Aufgaben unserer auêwärtigen Politik geworden. Sie selbst, meine Herren, können es aber auch am zuver- lâssigsten beurteilen, wie diese Aufgabe mit jedem Tag komplizierter und vielseitiger geworden is, je mehr für alle Völker die Wirtschaftsfragen zu Weltfragen geworden find. Und was dabei staatliher Shußz niemals erseßen fann, das ist die Organisations- kraft und Leistungéfähigkeit unserer Industrie, die Rührigkeit und Zuverlässigkeit unserer Kaufmannschaft, der Wagemut und Spürsinn ibrer Pioniere. Diese Eigenschaften in hartem Wettbewerb bewährt zu haben, ist der Ruhm unseres Handels und unserer Industrie, ibnen verdanken fie ihren Aufstieg. In. der Zuversicht, daß diese

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Kräfte auch künftig in unferem Volke wirksam sein werden, erbebe ih mein Glas auf das Gedeihen von Deutschlands Handel und Industrie. Ich bitte Sie, einzustimmen in den Ruf: Der Deutsche Handelstag, er lebe hoch!*

Hamburg.

Die Bürgerschaft hat den Antrag des Senats auf Be- willigung von 1 339 300 # für Erbauung eines Jnstituts für Shiffs- und Tropenkrankheiten, „W. T. B.“ zu- folge, gestern einstimmig angenommen.

Elsaß-Lothringen.

Jn der gestrigen Sißung des Landes3ausschusses wurden, „W. T. B.“ zufolge, die Disziplinaruntersuchungsaften des Prozesses Gneiße-Wetterlé weiter verlesen. Dann erklärte der Unterstaatssekretär Dr. Petri die völlige Unhalt- barkeit der von Dr. Pfleger gegen die Colmarer Richter er- hobenen Beschuldigung der Parteilichkeit. Die nun folgende Debatte verlor sih in persönliche Einzelheiten und wird heute fortgeseßt werden.

Oefterreih-Ungarn.

Auf einem anläßlih der in Wien tagenden Konferenz der Präsidenten der Landeskulturräte und landwirtschaftlichen Gesell- schaften Oesterreihs gestern veranstalteten Festmahl hielt der Ministerpräsident Freiherr von Bienerth eine Rede, in der er, den Wiener Blättern zufolge, ausführte :

Die Regierung stehe den auf die Förderung der vaterländischen Landwirtschaft gerichteten Bestrebungen mit warmer Sympathie gegenüber und sei bereit, ibr Möglichistes beizutragen, damit die an- geitrebten Ziele wirfkflih erreiht würden. Das eigene Land bleibe immer der beste und sicherste Markt für die Produkte des beimischen Bodens. „Ich kann“, fuhr der Ministerpräsident fort, „mi selbst zwar nicht einen der Ihrigen nennen, ih bin vielmehr ein Mann obne Ar und Halm, wie ein großer Staatsmann gesagt hat; troßdem fehlt mir aber nicht das Verständnis für die Empfindungen und Anschauungen, die durch die Bewirtshaftung der heimischen Scholle ausgelöst werden. Vaterlandsliebe und Heimatgefühl, die in dem Besitze eigenen Grund und Bodens wurzeln, ruhen auf der festesten Grundlage und machen den Landwirt zu einem staatserhaltenden Element, dessen Treue die Probe stets rühmlih bestanden bat.“

Großbritannien und JFrland.

Wie das „W. T. B.“ meldet, hat Lord Rosebery gestern im Oberhause folgende Resolutionen zur Erörterung in der Kommission eingebracht :

1) In . Zukunft foll das Oberhaus aus Lords des Parlaments bestehen, die a. durch die gesamte Körperschaft der erblichen Peers aus ihrer Mitte gewählt und dur die Krone ernannt sind, b. Site kraft ibres Amtes und ihrer s\onskigen Qualifikationen innehaben, c. von ten Peers nit angebörigen Kreisen gewählt sind.

2) Die Zeit der Berechtigung foll für alle Lords des Parlaments dieselbe sein, ausgenommen für diejenigen, welche infolge ibres Amtes einen Siß innehaben. Diese sollen ja lange Mitglieder des Ober- bauses sein, als sie das Amt innehaben, das ihnen diese Berechti- gung gibt.

Ein Zeitpunkt für die Erörterung dieser Resolutionen ist noch nicht festgesezt_ warden.

_— Im Unterhause fragte gestern der Abg. Graf Winterton (Kons.) an, ob das Abkommen zwishen England und Deutschland, betreffend die deutshen Interessen auf der Schantung-Halbinsel und die englishen Jnter- essen im Yangtjegebiet, im vorigen Jahre auf das Ver- langen von Deutschland hin für veraltet oder unwirksam erklärt worden sei, und ob infolge dessen Deutschland mit Erfolg das Recht in Anspruch genommen habe, an dem Projeft der Hankau—Canton-Bahn einen Anteil zu erhalten. Der Unterstaatssekretär Mc Kinnon Wood erwiderte, obiger Quelle zufolge, hierauf :

Das Abkommen sei im Jahre 1898 von englischen und deutschen Finanzgruppen für Bahnen in den beiden erwähnten Distrikten ver- einbart worden. Es sei feine förmliche Vereinbarung seitens beider Regierungen. Das Abkommen sei niht aufgehoben worden, aber die deutsche Gruppe babe im Verein mit der englischen erklärt, daß es im Falle einer Anleibe für die Hankau—Canton- und die Hankau— Szehuan-Bahn keine Anwendung finde, und man babe es nit für ratsam gehalten, diesen Anspruch zu bestreiten, da dies nur zu einem scharfen Wettbewerb zwishen den vershiedenen Gruppen geführt

haben würde. Nußland.

In der Reichsduma wurde gestern ein vom Finanz- minister eingebrahter Geseßentwurf, betreffend Maßregeln zur Beseitigung der künstlihen Preiserhöhung des Zuckers, beraten. Die Finanzkommission {lug, „W. T. B.“ zufolge, vor, im Falle des Steigens der Zuerpreise außer einer zeit- weiligen Einstellung der Rückzahlung der Steuer für den exportierten Zucker die Einfuhrzölle eine Zeit lang so- weit herabzuseßen, daß der Preis des aus dem Aus- lande eingeführten Zuckers dei vom Ministerrate für den inländishen Markt festgeseßten Normalpreis nicht übersteigt. Als Endtermin für die Gültigkeit des Geseßes wurde der 14. September 1912 festgeseßt. Die Duma nahm die Vorlage in der Kommissionsfassung mit einem von dem Okftobristen Lerche beantragten Zusaß an, nah dem der Einfuhrzoll für NRaffinadezucker, falls der erhöhte Preis des Raffinadezuckers den seitens des Ministerrats festgeseßten äußersten Preis für Rohzucker um mehr als einen Rubel übersteigen sollte, zeit- weilig so herabgeseßt werden muß, daß der Preis des aus dem Auslande eingeführten Raffinadezuckers den äußersten Vreis des Rohzuckers um nicht mehr als einen Rubel übersteigt.

Jn ihrer Abendsizung seßte die Duma die Debatte über die Interpellation, betreffend das Reglement vom 6. September 1909, fort, nach dem der unmittelbaren Sanktion des Kaisers als des obersten Kriegsherrn alle legislativen Fragen hinsihtlih der Organisation der Land- und Seestreitkräfte unterliegen, sowie betreffend die Anwendung des 8 96 der Grundgeseße.

Im Laufe der Debatte erklärte der Ministerpräfident Stolypin, es sei niht s{wer, die Interpellation aus formellen Gründen zurück- zuweisen. Das Reglement vom 6. September sei eine genau den Grundgeseßen entsprehende Willensäußerung des Monarchen und eine Weisung des Kaisers an seine Regierung. Er lasse die juristische Frage beiseite, wolle aber die während der Debatte geäußerten Meinungen über die Tätigkeit der Regierung nit unbeantwortet lassen. Die Opposition meine, die Regierung habe ungeseßlih ge- handelt und verfolge konsequent den Grundsaß, die Rechte der Duma zu beeinträchtigen. Da die Regierung wirklich streng gegen die Revolution und die Taten der Revolutionâre vorgebe, werde ihr von den Anhängern der Revolution eine reaktionäre Tendenz zugeschrieben. Auf dem Gebiete der Verwaltung szien wobl Fehler und Mißbräuche

möglich, aber die Regierung rotte solhe aus und werde fie ausrotten. Im Laufe der leßten drei ibe habe die Regierung den Ausnahme- zustand in 135 Ortschaften abgeschafft; wo jedoch der Revolutions- item fortdauere, dort werde die Regierung mit Gewalt die Ordnung aufrehterhalten, ungeachtet des Geschreis über die Reaktion. Ruß- land habe den toten Punkt {on überschritten, und- allmählich würden sich normale Verhältniffe einbürgern. Nah den erlebten {weren Zeiten könne Rußland nicht umhin, sowohl mit der Regierung als auch mit der Duma und dem Reichsrat unzu- frieden zu sein, doch werde sih die Unzufriedenbeit legen, sobald das russishe Staatsselbstbewußtsein sich gekräftigt habe, was nur durch regelmäßiges Zusammenarbeiten der Mars mit den geseßaebenden Körperschaften zu erreichen sei. Zum Schluß sprach der Minister- präsident die Ueberzeugung aus, daß die Duma die Rechte des obersten Kriegsherrn hochahte.. ie Regierung habe nie«versucht, die Rechte der Duma zu s{mälern. Zur Verteidigung des Vaterlandes müßten alle ihre Kräfte vereinigen, um das höchste Recht Rußlands, das Necht, stark zu fein, zu verteidigen. i

Serbien.

Dex König Peter ist, „W. T. B.“ zufolge, gestern vor- mittag in Begleitung des serbischen Gesandten in Konstantinopel und des serbischen Generalkonsuls in Saloniki von seiner Reise zurüctgekehrt und festlich empfangen worden.

Afien.

Nach einer Meldung der „St. Petersburger Telegraphen- agentur“ aus Teheran verhandelte der Medschlis gestern über die unerwarteten Folgen des in den leßten Tagen ge- nehmigten Salzmonopols, uy das der Preis des persi- schen Salzes bis zu 80 Kran für das Karwar gesteigert wird. Das russishe Salz kostet in den Häfen des Kaspischen Meeres 12 Kran für das Karwar. San ed Daulehs Salzmonopol droht infolge der verstärkten Einfuhr russishen Salzes das persishe Salz aus Nordpersien zu verdrängen.

Parlamentarische Nachrichten.

Die Schlußberichte über die gestrigen Sißungen des Rei chs- tags und des Hauses der Abgeordneten befinden fich in der Ersten und Zweiten Beilage.

Auf der Tagesordnung der heutigen (63.) «Sißzung des Reichstags, welcher der Staatssekretär des Reichsjustiz- amts Dr. Lisco beiwohnte, stand zunächst die Jnterpellation der Abgg. Bassermann und Genossen, betreffend das Mül- heimer Eisenbahnunglück. Auf die Anfrage des Präfsi- denten Grafen von Schwerin-Löwiß erklärte der Unter- ftaatssekretär im Reichsamt des Jnnern Richter, daß der Reichskanzler bereit sei, die Jnterpellation in der zweiten Hälfte der nächsten Woche zu beantworten. Damit fiel die Verhandlung dieses Gegenstandes für heute fort.

Das Haus seßte darauf die Generaldiskussion der Geseß- entwürfe, betreffend die Zuständigkeit des Reichsgerichts und Aenderungen der Rechtsanwaltsordnung, fort.

Abg. Dr. Heinze (nl.): Darüber, daß die Zivilsenate über- lastet jind, besteht niht der geringste Zweifel. Die Richter dürfen niht bis zur Grenze ibrer Leistungsfähigkeit angespannt werden, sie müssen auch Zeit übrig behalten, die Erscheinungen des öffentliden LÆbens nah Möglichkeit zu verfolgen. Wie foll nun das erstrebte Ziel erreiht werden? Cine Vermehrung des Nichter- personals wird vielfach vorgeschlagen und vielfah bekämpft. Die Gegengründe mêödte ih niht ohne weiteres für durchs{lagend balten; allerdings liegt die Gefahr vor, daß dadurch der oberste Zweck des Reichégerihts, die Rechtéeinheit aufrecht zu erhalten, verfehlt wird. 7 Senate kênnen die Rechtseinheit besser aufrecht erbalten, als 9 oder 11, und es ist daber durhaus begreiflih, daß das Neichëgeriht selbst vor diesem Mittel der Vermehrung der Senate und der Plenarentscheidungen zurückschreck. Die einheitliche Fortführung der Rechtsentwicklung is weséntlich leihter, wenn nh das Geriht auch nah der persönliden Seite tonzentrieren fann. Die großen interessantesten Fragen des bürgerlihen Rechts lassen ih auch nicht nach Materien sondern. Bleibt also für die Entlastung des NReichégerihts nur die Verminderung des von ibm zu bewältigenden Stoffes. Mit einigen der vorgeschlagenen fleinen Mittel find wir durchaus einverstanden; nur darf das Reichs- geriht in diesen Punkten niht durch oberste Landesgerichte erseßt werden. Unter den größeren Mitteln, die zur AbhUfe ergriffen

werden sollen, stebt die Einführung des Difformitätsprinzirs obenan. Die Zahl der Revisionen bei konformen und difformen Entscheidungen der Vorinstanzen ist seltsamerweise fast genau die gleihe. Wird dieses Prinzip eingeführt, so ersheint mir die Sicherung der Rechtseinbeit gefährdet, es können in verschiedenen Landes-

teilen zwiespältige Entscheidungen derselben Frage _ eintreten. In gewissen Fällen entscheidet {on heute das Oberlandes-

iht Hamburg anders als das Oberlandeëgeriht Dresden. Wir en dagegen das fernere Bedenken, daß dann auf alle Fâlle nach judizien gesucht werden wird und ältere Reichsgerihteentsheidungen ngezogen werden, sodaß wir zu höchst verwickelten und ebenso chtlosen Entscheidungen kommen fönnen. Aber niht bloß

Reichéeinheit kann durch dieses neue Prinzip gefährdet verden; es fann auch die Rechtseinheit innerhalb des}elben Landes- aebiets leiden, wenn dessen versbiedene Oberlandesgerihte verschiedene Entscheidungen fällen. Jedenfalls muß in der Kommission versucht werden, wirksame Kautelen zur Verhütung so unerwünschter Folgen des Difformitätsprinzips zu finden. Bei den kleinen Mitteln wird es \{ließlich darauf binautfommen, was als das kleinste Uebel anzu- seben ist. Vor der Vertagung läßt sih diese so wichtige Vorlage nicht mebr erledigen ; boffentlih können wir fie im Herbst verabschieden. __ Abg. Stadthagen (Soz.): Bei den Zivilsenaten hat man das Personal des Reickégerihts nur um einen einzigen Richter vermehrt, bei den Strafsenaten ist eine Vermehrung fast auf das Doppelte eingetreten. Sollte da nit in erster Linie eine Verminderung der Arbeit bei den Strafsenaten ins Auge gefaßt werden? Könnte niht das über- flüssige Reht der Staatsanwaltschaft auf unbeschränkte Revisionen eingeengt werden? Dann würden fehr bald zwei bis drei Strafsenate entbehrlih. Die Gefahr eines Durhbruhs der Rechtseinheit in Zivilsachen liegt gar niht vor. Mit dem Difformitätsprinzip wird lediglih die Rechtsprehung der Oberlandesgerihte vers{lecbtert und die Rechtseinheit erheblich gefährdet. In den Reichsgerichts- entsheidungen mat sich übrigens eine zunehmende Weltfremdheit bemerkbar, besonders in Arbeitersahen, ich erinnere nur an die Gntscheidung, die das Verbot des Koalitionsrechts für die Angestellten des Bremer Lloyd als rehtégültig anerkennt, sodaß man dazu kommen muß, ein oberstes Gericht für Arbeitersachen zu fordern. Die Hinweise auf oberste Gerichtshöfe anderer Länder, wie auf den französishen Kassationshof, sind ganz verfehlt. Wenn dre Laien in allen Instanzen stärker herangezogen werden, werden die Revisionen ganz von selbst abnehmen. Die Reichsverwaltung sollte von diesen Gedanken der Reform des Reichégerichts ganz Abstand nehmen und täte vielleiht am besten, die Vorlage zurückzuziehen. Per richtige Weg der Abhilfe wäre in einer anderen Vorbildung der Kichter zu suhen. Ob im Reichsgeriht mehr oder weniger Richter iben, ist absolut gleihgültig; es Tommt lediglich darauf an, was sie leisten. Warum joll die Vershlehterung gerade bei den Zivilsachen stattfinden, warum wird die Strafjustiz ignoriert? In die Justiz mussen Leute von Kopf hinein, aber mit der philologis- dialektishen Kunst ist es auch nit getan. Die Hauptsache ist, daß Ne für die wirtsaftlihen Verhältnisse und für die soziale Struktur

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des Volkes Verständnis besißen. Hier muß der Hebel angeseßt werden. Die Regierung faßt die ganze Sache am falshen Zipfel an und haft nur me. Wandel kann s{on durch eine Verminderung der Strafsachen beim Reichsgericht geschaffen werden. _

Abg. Dr. Varenhorst (Rp.): Wir sind an dieser Vorlage mit- zuarbeiten freudigst gewillt und find dafür, daß die Vorlage noch in dieser Tagung vor Pfingsten verabschiedet wird. Eine langsame Justiz ist stets eine \{lechte Justiz. Es steht zahlenmäßig fest, daß das Reichsgericht überlastet ist und langsam arbeitet, weil die Zahl der zu erledigenden Sachen eine zu große is. Zur Abbilse dieses Uebelstandes hat nun die Regierung die Dur{führung des sogenannten Difformitätsprinzips vorgeshlagen, wodurch die Sachen beim Reichsgeriht auf die Hälfte reduziert werden würden. Dieser Grundsaß dürfte aber in vielen Fällen ein zweishneidiges Schwert sein, weil die beiden Gerihte von ganz verschiedenen Gesichts- punkten zu demselben Resultat kommen fönnen. Wir werden diese frage in der Kommission eingehend prüfen und eventuell nah einer

rgänzung dieser Bestimmung suchen müssen. Wir legen das Haupt- ewicht auf eine gute Ausbildung der Richter, nicht auf ihre große Zahl.

ir hoffen, daß die Vorlage möglichst bald erledigt wird, und können nicht damit einverstanden sein, daß thre Erledigung bis zur Reform der Zibilprozeßordnung vershoben wird.

(Schluß des Blattes.)

Nr. 29 des Zentralblatts der Bauverwaltung“, heraus- egeben im Minifterium der öffentlihen Arbeiten, vom 9. April, at folgenden Inhalt: Amtliches: Dienstnachrihten. Nichtamt- liches : Die neuen Museumsbauten auf der Museumsinsel in Berlin. Karl Tbeodor Müller {. Ueber den Wert des Wassers zur Krafterzeugung und Bewässerung. Die Hebung der Oderbrüe bei Zädkerick. Vermischtes : Allgemeine Städtebauausftellung in Berlin 1910. Keilbremse für Eisenbahnfahrzeuge. Sprengwagen, bei welchem das Sprengmittel durch Preßdruck ausgetrieben wird.

Statiftik und Volkswirtschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

In den meisten deutshen Städten soll am 15. d. M. die Aus- sperrung der Bauarbeiter (vgl. Nr. 86 d. Bl.), erfolgen. Nur in Magdeburg haben die zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern des Baugewerbes durch Vermittlung eines Stadtrats geführten Ver- handlungen in den Hauptpunkten zur Verständigung geführt. Diese Verständigung soll nach der „Magdeb. Ztg.“ als Grund- lage für die Einwirkung auf die großen kämpfenden Ver- bände benußt werden. In den oberrheinischen Städten mat sich das Bestreben der Bauunternehmer geltend, diejenigen Arbeiter niht auszusperren, die keiner Organisation an- geböôren und dieses \criftlich bestätigen. Jn mittel- und nieder- rbeinishen Städten dürfte die Aussperrung am Freitagabend erfolgen. In zablreihen Arbeiterversammlungen wurde bes{lofsen, die bekannten Bedingungen des Arbeitgeberverbandes niht anzunehmen. Die Ziegeleibesißer des Münsterlandes bes{lofsen, wie der „Voß. Ztg.“ gemeldet wird, einstimmig, die Bauunternehmer bei der Ausfperrung zu unterstüßen und Steine nur zu liefern, wenn diese während der Aussperrung nicht verarbeitet werden, an nicht organi- sierte Unternebmer aber überhaupt keine Steine zu liefern. Die Holz - und Baumaterialienhändler beabsichtigen einen ähnlichen Beschluß.

Eine Generalversammlung der Steinmeßzen und Grabstein- arbeiter Groß-Berlins, die am Dienstag stattfand, erklärte sich, wie die „Voss. Ztg.“ berichtet, mit den zwischen den beiderseitigen Kommissionen dem Verband der Steinmeßgeshäfte von Berlin und Umgegend und der Lohnkommission gettoffenen Vereinbarungen in gebeimer Abstimmung mit 163 gegen 77 Stimmen ein- verstanden. Die Vereinbarungen lauten in den Hauptpunkten : „Die bisherige Arbeitszeit von 84 Stunden auf Bauten und 8 Stunden auf den Werkpläßen bleibt bestehen. Der Stunden- lohn für Steinmeßen wird vom 1. April 1911 ab um 5 S, von 85 auf 90 4 die Stunde erhöht. Ueberstunden 25 4 Zuschlag, Nachtarbeit 45 -Z Zuschlag, Sonntagsarbeit 1,30 X die Stunde vom 1. April 1911 ab 1,50 #. Der Afordtarif bleibt unverändert be- steben, dagegen wird bei allen Vereinbarungsarbeiten der Stundenlohn garantiert, mit Ausnahme der Versegzerarbeiten von Fassaden. In den Grabsteingeshäften werden alle Arbeiten, die fih nah dem Afkord- tarif berechnen lassen, nah diesem bezahlt, ausgenommen davon find Felsen, Baumstämme und andere Mafsecnartikel. Kommt dagegen ein Neichsakfordnormaltarif zustande, so soll dieser Geltung baben. Tarif- vertragédauer drei Jahre, bis zum 1. April 1913.“

Bei Hermann Schött (Aktiengesellshaft) in Rbevydt haben, wie die „Köln. Ztg.“ meldet, gestern fast sämtliße Drucke: und Litbographben gekündigt.

Zur Tarifbewegung im Leipziger Kürschnergewerbe teilt die „Lpz. Ztg.“ mit, daß in einer Versammlung der Kürschnergehilfen berihtet wurde, daß die Arbeitgeber zwar den zwischen den Vertretern der Prinzipalität und der Gebilfenschaft vereinbarten Tarifvertrag mündli anerfannt bätten, daß aber ein großer Teil die schriftliche Unterzeichnung verweigere. Daraufhin bes{chloß die Versammlung, bei diesen Geschäften die Kündigung einzureihen und, wo eine solche nit bestebt, die Arbeit sofort einzustellen. :

Der in Paris tagende Kongreß der französischen Eifen- babnarbeiter nahm, wie ,W. T. B.“ meldet, geîtern eine Tages- ordnung an, daß eine Kommission ernannt werden foll, um den Generalstreif vorzubereiten, damit die hauptsächlihsten Forde- rungen der Arbeiter, insbesondere die Erhöhung der Löhne, durcgeseßt werden.

Zum allgemeinen Ausstand in Marseille (vgl. Nr. 86 d. Bl.) erfährt „W. T. B.“, daß die eingeschriebenen Seeleute in einer gestern abend abgehaltenen Versammlung beschlossen, den Ausstand allein fortzuseßen, die übrigen Verbände aber aufzufordern, die Arbeit wieder aufzunehmen. Die Straßenbahnwagen sind gestern zum Teil wieder in Betrieb gestellt worden. Die Dock- arbeiter, Fubrleute und Gasarbeiter befanden \sich aber nos im Ausstande. Fünf Dampfer sind gestern mit gemishter Besaßung na: Algier und Tunis in See gegangen. Am Abend waren die Straßen militärish beseßt. L

Auch in Spanien sind jeßt verschiedene Lohnkämpfe im Gange. Nach den Hafenarbeitern von Gijon und den Arsenal - arbeitern von Ferr2l sind, wie der „Frkft. Ztg.* gemeldet wird, un auch die Hafenarbeiter von Coruña auêständig geworden. Beim Ausladen eines Schiffes wurde der Kapitän mißhandelt und ein Streikbrecher tödlih verwundet.

Auf den Zechen vvn Bracquegnies bei Charleroi ist der Ausstand jeßt vollständig (vgl. Nr. 84 d. Bl.). 2200 Berg- leute baben, wie die „Köln. Ztg.“ berichtet, dort die Arbeit eingestellt und einstimmig die Fortseßung des Ausstands für die Dauer eines Monats beshlossen. Im Becken von Mons bat eine große Anzahl Arbeiter ibre Kündigung gegeben. Am 24. d. M. wird in Quaregnon ein Regionalkongreß der Bergarbeiter des Beckens von Mons stattfinden, der sih mit der Lobnfrage befassen soll. Eine Lohn- oder vielmehr Ausstandsbewegung soll sich auch in der Eisenindustrie Belgiens vorbereiten. Bei den Konstruktionsanstalten Nicaise, Charleroi, sind 200 Zuschläger in den Ausstand getreten.

Die Delaware, Lackawanna and Western Eisenbahn- gesellschaft kündigt, einer Nahriht des „W. T. B.“ aus New York zufolge, eine sechéprozentige Lohnerhöhung für 6500 Angestellte der Transportabteilung an sowie eine rtrena des Stundenlohns um 3 Cents für 1500 Weichen- Teller.

(Weitere „Statistishe Nachrichten“ f. i. d. Zweiten Beilage.)

Kunft und Wissenschaft.

Das Zentralbureau der Internationalen Erdmessung in Potsdam veröffentliht den Bericht über seine Tätigkeit im Jabre 1909 und seinen Arbeiisplan für das Jahr 1910. Das Heft 4 der Lotabweihungen“ wurde danach im Dru herausgegeben, es führt den Titel: „Verbindung der russish-skandinavishen Breitenmessung mit dem astronomis- geodätishen Ney in Norddeutschland“. Die Arbeiten für die Längengradmefsung in 48° Breite von Brest bis Astrachan, die sich über 524 Lingengrade erstreckt, wurde weiter- gefördert. In diesem Jahre soll auf dem Gebiet der Berehnungen für das europâishe Lotabweihungésystem die Bearbeitung der Längen- gradmefsung in 48° Breite fortgesezt werden. Der inter- nationale Breitendienst auf dem Nordparallel in + 399° 8“ Breite hat auH im Jahre 1909 obne Unterbrechung gearbeitet.

Die Station Ts@ardjui mußt *wegen Sommerüberflutungen des 1 B g D g

Amu-Darja 7 km nach Osten verlegt werden. Im ganzen sind auf den sechs Stationen im Berichtsjahre 12 025 Sternpaare beobachtet worden. Der Band Ill der „Resultate des Internationalen Breiten- dienstes* wurde im Dru fertig gestellt ; der 1V. Band soll im Jahre 1911 ersheinen. Die Beobachtungen auf dem Südparallel in 31 ° 55‘ Breite wurden nur auf der Station Oncativa an 2092 Sternenpaaren auëgeführt. In diesem Fahre wird eine neue Station in Johannesburg (Transvaal) hinzukommen. Kooperative Beiträge für den Breitendienst lagen für 1909 nur aus Pulkowo vor: für dieses Jahr sind Beiträge in laufenden Beobachtungen von Zenitsternen auch aus Odessa und Liffabon, voraussihtlich auch aus Christiania und Upfala zu erwarten. Die Reduktionen der Schwerkraft- bestimmungen, die an Bord des von der russishen Marine zur Verfügung gestellten Schiffes „Pruth“ auf dem Schwarzen Meere ausgeführt wurden, sind so weit fortgeschritten, daß zux Ab- [leitung der endgültigen Nesultate nur noch die Ausgleihung der Be- obactungsergebnisse erforderlich ist. Die unausgeglihenen Werte ergaben bereits, daß man im allgemeinen das Schwarze Meer als annähernd fompensiert betrahten kann, daß alîo auch bei diesem im Vergleich mit den Ozeanen kleinen Meere die Prattsche Regel von der ifostatishen Lagerung der Massen der Erdkruste zu- trifit. Für die früher auf dem Indishen und dem Großen Ozean auégefübrten Schwerebestimmungen is eine Neuausgleihung im Gange. Für die Bestimmung der Lotbewegung unter dem Einfluß von Sonne und Mond sind die instrumen- talen Hilfsmittel so weit vorbereitet, daß mit den Be- obachtungen begonnen werden fann, fobald die Beobachtungs- äume von den betreffenden Bergwerksbebörden zur Ver- fügung gestellt sein werden. Die sächsishe Regierung bat die Errichtung einer vom Geodätishen Institut zu unterbaltenden

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tal y R h ) i 2 i Station îim Bergwerk zu Freiberg im Prinzip genehmigt: für die Ie : j P e La tag f U? Ss Errichtung einer weiteren Station in Pribram (Böhmen) sind - ein-

leitende Schritte getan; die Bearbeitung der in der Potédamer Brunnenkammer angestellten Beobachtungen wird demnächst beendet sein. Die Einnabmen des Zentralbureaus im Jahre 1909 be- tiefen sih auf rund 140 306 4, denen an Ausgaben 71 801 Æ gegen- überstanden.

den Erben des verstorbenen Professors der Philosophie igwart gehörende Ublandhaus in Tübingen, in dem de von seinem fünfzigsten Lebensjahre bis zu seinem To at, und das bisher pietätvoll in seinem alten Zustande [ten wurd : uf in andere Hände über- ugeben und vielleiht zu geschäftlichen Zwecken ausgebaut zu werden. Vie die „Köln. Ztg.“ mitteilt, hat es jedoch den Anschein, als ob ese Gefahr noch rechtzeitig abgewandt werden könnte. Die Tübinger Stadtverwaltung erwägt den Gedanken, das Haus zu erwerben und äter ein städtishes Museum daraus zu inachen. Auch der Schwäbische Schiller-Verein und der Bund für Heimatshuy haben Schritte getan im Sinne der Erhaltung der denkwürdigen Stätte. Das Haus liegt an der Neckarbrücke und hat einen terrassenförmig aufsteigenden, ausfihtsreichen Garten.

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Unsere Kenntnis der antiken Kleinkunst, insbesondere des Prunk- eräts der römischen Kaiserzeit, bat sh durch den Silberfund von

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Boscorea le bei Pompeji aus dem Jahre 1895 mannigfach erweitert. Das realistishe Storchennest auf einem Henkelbecer, der Totentanz

antiker Philosophen und Dichter auf einem Trinkgeschirr zeigen uns zwei neue Motive, deren leßteres sh weiterhin in der bildenden und Dichtkunst auf das reifte entfalten sollte. Andere Bestandteile des kostbaren Fundes baben vorwiegend hbistoristes Interesse, und der Geschichtsshreiber der rômishen Kaiserzei Alfred von Domaszewski hat sich, wie die „Frankf. Ztg.“ mitteilt, im leßten Sitzungsberiht der neuen Heidelberger Akademie der Wijsen- schaften Verdienste um die Deutung dieser geschichtlihen Beziehungen erworben. Einer der Silberbe{her von Boëscoreale ist mit Szenen geschmüdt, die die Herrscergröße des Augustus verberrlihen. Die eine Seite zeigt ihn als Beberrscher des Crdkreises auf dem Thron- sessel, in einer Hand die Weltkugel, in der anderen jene Urkunde, in der er nah seiner Nücckkebr aus dem Orient im Jahre 29 vor dem versammelten Senat die Befreiung der Erde bekannt gab. Die Sieges- göttin des Julishen Hauses, Venus Genetrix, geftennzeihnet durch den ihr folgenden Amor, führt ihm die Victoria zu, die ihn bekränzen soll. Von der Rechten begrüßt ihn Mars UCltior an der Spiße der befreiten Provinzen. Die andere Seite des Bechers zeigt Augustus als Mehrer des Reichs im Feldlager. Dem Herrscher zu Füßen liegen drei ausländische Fürsten, die von findlihen Söhnen begleitet werden. Domaszewskfi deutet fie als die Beherrscher der von Augustus persön- lih unterworfenen, spanishen Stämme. In dem fpanischen Feldzuge aber begleiteten ibn zwei Prinzen des Kaiserlihen Hauses, Marcellus und Tiberius; auf diese deutet der Erklärer die beiden Bewaffneten boben Ranges, die binter dem Thbronsessel des Kaisers Play ge nommen baben. Auch der Schmuck eines anderen Bechers aus Bos8- coreale wird auf Augustus gedeutet, obwobl der Triumphator die Züge des Tiberius trägt. Es handelt \sich vielleiht um eine späte, unter der Regierung des Tiberius vorgenommene Nachbildung der Reliefs, welche die Quadriga des triumphierenden Augustus auf dem rômischen Forum s{mückten.

Literatur.

Christlihes Kunstblatt für Kirhe, Schule und Haus. Herausgegeben von D. David Koh, München, Georg D. W. Callwey. Preis vierteljährlich 2 . Die Durchsicht der bis jeßt vorliegenden drei Hefte des Jahrgangs 1910 gewährt einen besonderen Genuß. Es ist erstaunlich, welde Mannigfaltigkeit des Inhalts der Herausgeber bei steter Betonung der Grundgedanken in seiner Zeit- \chrift zu entfalten weiß. Den Auftakt bildet die „Programmrede für christlide Volkskunst und religiöse Kunsterziehung“ von David Koch (2 Nummern). Ergänzt werden die Ausführungen dieses Aufsaßtzes durch einen Beitrag von C. Sattler: „Christlihe Kunst im Konfirmandenunterriht“, sowie durch einen Beitrag von Immanuel Friz: „Förster und die Kunsterziehungsfrage“. Erinne-

rungen an die Düsseldorfer Kunstausstellung werden ge- weckdt durch die kunstkritishen, gründlihen Bemerkungen des Herausgebers über die genannte Ausstellung. Unter den

dem betr. Aufsaß beigegebenen Abbildungen fallen die wuchtigen Ent- würfe Franz Brantzkys zu einer Totenhalle sowie die leichteren gefälligeren von Peter Behrens (zu einem Krematorium in Hagen), endli die originellen Entwürfe des jedenfalls hohbegabten Kirchen- baumeisters Max Benirschke auf. Den im Schwabenlande rühmlihst bekannten Martin Elsäßer führen uns Kopp und Rieger in zwei seiner neueren Schöpfungen: dem Betsaal und dem traulichen Pfarr- hause in Kirhheim, vor. Die Kunst der JIllustration ist in zwei stimmungsvollen Bildern von Franz Stassen (aus der Menge-Stassen- Bibel) und in zahlreichen anheimelnden Bildern von Rudolf Schäfer (aus der Shmuckausgabe des Sächsishen Gesangbuchs) berücksichtigt. Das Kunstgewerbe ist vertreten durch Abbildungen von Kirchengeräten,

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