1910 / 89 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 16 Apr 1910 18:00:01 GMT) scan diff

ichergestellt werden kann, darüber werden sih m. E. die Land- L untereinander zweckmäßigerweise in Ber dung zu seßen haben. Da es unterscheidende Merkmale dafür, E Kiefernsamen aus dem Jn- oder Auslande stammt, nicht gibt, wir die Gefahr des Bezuges ungeeigneter Provenienzen überall bestehen, wo nicht ganz bestimmte Garantien für den Ursprung gegeben werden können. Aeußerste Vorsicht beim Ankauf von Kiefern- samen ist daher geboten. Besteht doch sogar die_ Befürchtung, daß große Mengen ausländischen, ungeeigneten Saa Tes auf Ummwegen als inländischer Same an den deutschen Markt ge- bracht werden. Daß solche Provenienzverschleierungen mit Vorteil durhführbar sind und durchaus im Bereich der Mög- lichkeit liegen, ist bei dem großen Preisunterschied zwischen deutschem und z. B. französishem Samen einleuchtend.

Zur näheren Aufklärung über die wichtige Frage der Kiefernsamenbeschaffung empfehle ih als geeignet die in den Mitteilungen des Deutschen Forstvereins 1909 Nr. 6 im Verlag von Julius Springer, Berlin, veröffentlichte Arbeit des Ober- försters Haak, indem ih zugleih auf meine im Ministerial- blatt der landwirtschaftlihen Verwaltung vom März 1910 (VI. Jahrgang Nr. 3) veröffentlichte Verfügung an die König- lichen Regierungen vom 29. Januar d. J. 1115843 hinmweije.

Zusaß für Halle. Wie mir bekannt geworden ist, hat die Landwirtschaftskammer unlängst dem Forstwirtshaftsrat von mehreren zu Jhrer Kenntnis gelangten Fällen der Ver- schleierung von Kiefernsamenproventenzen _Mitteilung gemacht. Dem Vernehmen nah sollen in einem Falle russische Zapfen in der Mark, in dem anderen Falle französische Zapfen in Der Letßlinger Heide abgeseßt und verarbeitet und der daraus ge- wonnene Samen als einheimischer in den Handel gelangt sein.

Jch ersuche ergebenst um baldgefällige Angabe der Tat- sachen und Beobachtungen, die diesen Mitteilungen der Land- wirtshaftskammer zu Grunde liegen, tunlichst auch der näheren Umstände, unter denen sih die Fälle abgespielt haben und der Daten und beteiligten Personen.

Berlin, den 23. März 1910. L

Der Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten. von Arnim.

An sämtliche Landwirtschaftskammern.

Der Spezialkommissionssekretär Labes aus Geestemünde ist zum Geheimen Registrator im Ministerium für Landwirt- chaft, Domänen und Forsten ernannt worden.

Nichtamtliches. Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 16. April.

Der Bundesrat versammelte sih heute zu einer Plenar- fißzung; vorher hielten die vereinigten Ausschüsse für Rehnungs- wesen und für Justizwesen, die vereinigten Ausschüsse für Zoll- und Steuerwesen und für Rechnungswe}en, die vereinigten Aus- schüsse für Zoll- und Steuerwesen; sür Handel und Verkehr und für nungswesen, die vereinigten Ausschüsse für Zoll- und Steuerwesen und für Handel und Verkehr, die vereinigten Aus- schüsse für Hol und Steuerwesen und für Justizwesen sowie E Ausschu Fe Justizwesen Sißungen. / S

Der Justizminister hat unterm 8. d. M. eine allgemeine Verfügung, betreffend die Bekämpfung des unlauteren Mettbewerbes , erlassen, die, wie folgt, lautet : E

In den leßten Jahren hat das Unwesen der sogenannten wilden oder Winkelauéstellungen, deren wesentliher Zweck darin bestebt, Medaillen, Diplome und dergleichen gegen Entgelt ohne vorauf- gegangenen ernsthaften Wettbewerb zu erteilen, und im Zusammen- hanae damit der Gebrauch terartiger Scheinauszeihnungen durch geschäftlichen Reklame einen erheblichen Umfang angenommen. An der nacdrülihen Bekämpfung dieser Auswüchse, zu welcher die Bestimmungen des Reichëgeseßzes vom 7. Juni 1909 gegen den unlauteren Wettbewerb und des Straf- gesezbuchs 4 U. W.-G. in Verbindung mit § 49 St.-G.-B., ferner § 263 St.-G.-B.) die Handhabe bieten, hat die Allgemeinheit ein lebhaftes Interesse. Die Staatsanwaltschaften haben daher, wenn in solchen Fällen von Verbänden zur Förderung gewerblicher Interessen oder von Einzelpersonen ein strafrechtliches_ Einschreiten beantragt wird, regelmäßig von Verweisung auf den Weg der Privatklage Ab- stand zu nebmen, ate Ls sahlich zu erörtern und

‘eianetenfalls die öffentlihe Klage zu erheben. _ TEE e NVerbältrisse der einzelnen Ausftellungëunternehmen wird in den meisten Fällen die von industriellen Zentralverbänden ins Leben gerufene „Ständige Ausstellungskommisfion für die deutsche Fndustrie“ (Geschäftsstelle: Berlin NW. 40, Roonstraße 1), welche ih die Bekämpfung der Mißstände im Ausstellungswesen zu einer ibrer hauvtsächlihsten Aufgaben gemacht hat, unterrichtet lein. Sie iît zur fostenlosen Auskunstéerteilung an die Bebörden sowie zur De- zeichnung geeigneter Sachverständigen in Ausftellungéangelegenheiten bereit. Die Staatsanwaltshaften werden zu erwägen haben, ob in geeigneten Fällen von diesem Anerbieten Gebrauch zu machen ist.

Non allen in Strafsachen wegen Benußung von Scheinauszeich- nungen und wegen Veranstaltung von Ausstellungen der bezeichneten Art ergehenden Urteilen baben die Staatsanwaltschaften nah Eintritt der Rechtskraft 2 vollständige Abschriften unter Bezuanahme auf die)e allgemeine Verfügung, jedoch ohne Anschreiben, dem Oberstaatsanwalt bei dem Kammergerichte zu übersenden.

hange l Gewerbetreibende zur

„Loreley” am vergangenen Freitag in Jaffa, vorgestern in Hatsa einge- troffen und von dort an demselben Tage nah Smyrna in See

gegangen. S. M. S.

eingetroffen.

Laut Meldung des „W. T. B.“ ist S. M.S.

„Luchs8“ ist vorgestern in Hankau (Yangtse)

Baden.

In der gestrigen Sizung der Budgetkommission der Zweiten Kammer sprach fich, wie das D E B. meldet, die Regierung für die Einführung der vierten Wagen- flasse auf den badishen Bahnen nach preußischem Muster aus.

Meklenburg-Schwerin.

Im Ständehaus zu Rostock trat heute eine von Stände- mitgliedern zahlreih besuchte Versammlung zu}ammen zur

w

meldet, wurde Ie Verhandlungen \{chließlich instimmig folgende Resolution angenommen. ;

einst g Stände) a uns bereit, wenn die Regierungen den Ständen eine neue Vorlage bringen sollten, in der unter Bei- behaltung der bestehenden ständigen Vertretung weiteren Kreisen ae Mitwirkung an der Geseßzgebung und an der Bewilligung des Etats gewährt wird (jedoch unter ‘Ablehnung von allgemeinen Wahlen), auf dieser Grundlage in weitere Verhandlungen einzutreten.

Dabei geht die Versammlung vón der Vorausseßung aus, daß die bisherige Vorlage pur C Tenge wird. Dieser 2e {luß wurde gefaßt in Rücksicht auf ein Güstrower Protoko

vom 18. Januar, in dem vorgeschlagen wird, den beiden jeßt bestehenden Ständen einen dritten Stand V E und für jeden Stand 50 Abgeordnete zu wählen. : Die Nostocker Versammlung wählte nun eine Abordnung aus der Ritterschaft und aus der Landschaft. Diese soll eine Audienz bei Jhren Königlichen Hoheiten den Großherzögen erbitten und die Resolution überreihen sowie über den Verlauf der Ver-

sammlung berichten.

Oesterreich-Ungarn.

Der Kaiser Franz Joseph hat, „W. T. B.“ zufolge, gestern E A Et eren Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika Theodore Roosevelt in Privataudienz empfangen. Nach der Audienz begab sich Noofevelt in die Kaisergruft, wo er an den Särgen der Kaiserin Elisabeth und des Kronprinzen Rudolf Kränze niederlegte. ; E Bei Beginn der gestrigen Sizung des ö sterreich i] hen Abgeordnetenhauses erteilte der Präsident Dr. Pattai dem Abg. Dr. Stransky wegen einer in dessen vorgestrigen Rede enthaltenen, den Präsidenten beleidigenden Bemerkung einen Ordnungsruf. Das Haus überwies darauf die An- leihevorlage dem Budgetausshuß und begann die erste Lesung der Dienstpragmatik.

Rußland. i

Gestern abend wurde in geschlossener Sißung der Neichs- duma das Rekrutenkontingent entsprechend dem vor- jährigen in Höhe von 456 635 Mann angenommen. Wie das „W. T. B.“ meldet, erklärte der Gehilfe des Kriegs- ministers, die Regierung beabsichtige, auf dem Wege der Geseßzgebung Veränderungen in der Wehrordnung durchzuführen. Jns Auge gefaßt sei unter anderem die Abschaffung der zweiten Klasse der Freiwilligen und die Erhöhung der Dienstzeit der Freiwilligen erster Klasse auf zwei “Jahre mit der Maßgabe, daß die Freiwilligen na Absolvierung des Offiziersexamens die übrige Zeit als Offiziere abdienen. Ferner ijt bereits eine Geseßesvorlage über eine neue Landsturmordnung einge- bracht. Das Ministerium beabsichtigt, wie der Gehilfe des Ministers mitteilte, die Zahl der in der Armee verbleibenden ausgedienten Unteroffiziere zu erhöhen, und zwar bereits vom nächsten Jahre ab. Eine von der“ extremen Rechten eingebrachte Resolution, wonach die Juden zum Militärdienst nicht zugelassen iverden sollen, wurde gegen® die Nationalisten und die extreme Nechte abgelehnt, dagegen ein Antrag der Landesverteidigungs- kommission angenommen, demzufolge im Amurgebiet und in- Transbaikalie Ays Eder. u Lieferungen für die Krone und zu Kriegsarbeitew On Puonahmefällen nas vom Minister- rat ertéilter Zustimmfag zugelassen werden sollen.

Belgien.

Die Wahlen für die zu erneuernde Hälfte der Kammer- siße sind T einer Meldung des „W. T. B.“ durh König- lihen Erlaß auf den 22. Mai festgeseßt.

Australien. Das Abgeordnetenhaus des neuen Bundes- parlaments seßt sih, „W. T. B.“ zufolge, aus 30 Anti- sozialisten und Protektionisten unter der Führerschaft des Premierministers Deakin, aus 41 Mitgliedern der Arbeiter- partei und aus 4 Unabhängigen zusammen.

Parlamentarische Nachrichten.

Die Schlußberichte über die gestrigen Sißungen des Reichstags, des Herrenhauses und des Hauses der Abgeordneten befinden stch in der Ersten, Zweiten und Dritten Beilage.

Jn der heutigen (65.} Sißung des Reichstags, welcher der Staatssekretär des Reichspostamts Kraetke und der Staatssekretär des Reichsschaßamts Wermuth beiwohnten, stand zunähst der Entwurf eines Reichsbesteuerungs-

seßes zur Beratung. E N Le Bea nt as (Rp.).: Ich kann die Zustimmung meiner Freunde für die Vorlage in Aussicht stellen. „Die glatte Aufhebung der Oktrois in den bisher oftroiberechtigten Städten mit dem 1. April 1910 hat die Lage in diesen Gemeinden noch weiter verschärft, sodaß es mit Freuden zu begrüßen ist, daß durch dieses Gese) den Gemeinden ein Rechtsanspruh auf Steuerleistung des Reichs für seine die Gemeindebudgets belastenden Betriebe gewahrt werden soll. Alles Nähere m n S 1nd) A0 S O er-

i assen, an die ich die Vorlage zu verweilen | ‘age. ledigen i er eute, Die Vorlage steht auf dem Standpunkt, daß es eines Reichégeseßes bedarf, wenn von der Steuerfreiheit des Reichs abgegangen werden soll. Es wird daran festgehalten, daß es ein Eingriff in die Reichsverfassung, in die Souveranitat des Meichs wäre, das Reich dur die Bundesstaaten in irgend einer Weise zur Steuer heranzuziehen. Dieser Grundsaß wurde in cinem Gesey- entwurf von 1874 vertreten, der aber vom Reichstage gar nicht ange- nommen, vielmehr über die erste Lesung garnicht hinauêgekommen ist. Die prinzipielle Frage ist später garnicht mehr erörtert _ worden, man hat das vielmehr ängstlih vermieden. Die Verhältnisse haben sich als stärker erwiesen als die Theorie. Tatsächlih wird der Reichsfiskus schon jeßt zu Steuern für einzelne Gemeinden heran- gezogen, und das konnte nur auf Grund von Landesgefepen geschehen. Der Vorlage gegenüber ist nunmehr eher die Frage deretigt, ob niht in dieses faktisch bereits bestehende Recht der _Besteue- rung des Reichsfiskus durch die einzelstaatlichen Geseßgebungen ein tief einshneidender Eingriff gemacht wird. Ver Hinweis auf die Reichssouveränität beruht auf einer eini. des Begriffs Einheitsstaat und Bundesstaat; die Einzelstaaten sind im Reiche feine Provinzen. Die Bundeéstaaten sind selbständige Staaten u selbständigen Steuerbedürfnissen, und diesen ist jede Person ea worfen, auch das Reich, denn es ist nit eine diesen Staaten über-

eordnete juristishe Person. Wer das bestreitet, verkennt De Ver- Fifsungögrunblage des Deutschen Reichs. Vas Murr N Einzelstaaten ist ein absolutes, unbedingtes; so lange E e selbständige Aufgaben belassen werden, muß auch dieses Net respek-

Matrikularbeittäge auf diesem Wege vom

; it 30 Fahren haben wir eine Fülle vow Klagen der dur die 1 a S bele stark vorbelasteten Gemeinden erhalten

und haben diese Kla

en stets als berehtigt anerkennen müssen. Die Befürchtung, do die Meer 0 l h Meoene l i ißbräuhli ußen würden, da ì über dem Reich mißbräuchlich benuß Reid E cin. reiben könnten, ist nur in der Theorie denkbar; prafti if as solches Verfahren unmöglih. Wenn das Reich nah der Vor- lage Freiheit von allen Staatssteuern mit Ausnahme der Abgaben von Me und Bier genießen foll, so höre ih da den bayerischen Löwen. Die Auslegung des Begriffs „Betrieb“ ist namentlich hinsihilih der Militärkasinos und anderer militärischer Anstalten sehr anfectbar; vielfach wird von Kasinos ein ganz direkter Geschäftsbetrieb unterhalten, der den Offizieren und ihren Familien im weitesten Sinne zugute kommt. Es ift unerfindlih, warum hier die Besteuerung ausgeschlossen fein foll. ür Elsaß - Lothringen bedeutet die Vorlage direkt eine Ver- {lehterung; es wird Aufgabe der Kommission sèin, das zu ver- hüten. Freilich besteht in weiten Kreisen ein starker Zweifel, ob es gelingen wird, dem Reichsfiekus, - namentli aber dem Militär- fiskus, auf diesem Gebiete etwas abzuringen. Nach dem Entwurfe soll das Reich von allen direkten Steuern, also auch von der Ein- fommensteuer, befreit sein; die Gemeinden sollen nur einen Anspruch auf einen Reichszuschuß zu den Ausgaben haben, die ihnen hinsichtlih der allgemeinen Verwaltungskosten, Volkss{hul- und Armenlasten aus dem Vorhandensein von NReichsbetrieben erwachsen. Damit fommt man den berechtigten Forderungen der betreffenden Gemeinden nur unzureihend entgegen. Auch sollen die Gemeinden in Elsaß- Lothringen ein Besteuerungsreht gegenüber den Eisenbahnen nit erhalten, sie werden vielmehr auf die Gnade und Barmherzig- feit der Regierung angewiesen. Das halten wir für unrecht; sie sollen einen Rechtsanspruch erhalten, selbst auf die Gefahr hin, daß sie dann vielleiht etwas weniger erhalten. Gegenüber den Ge- meinden sollen Reichsfiskus und Landesfiskus durchaus gleichgestellt werden. Mit der Ueberweisung der Vorlage an die Budgetkommission find wir einverstanden. Vor der Vertagung wird sie nicht mehr ver- abschiedet werden können; sie ist aber auch garnicht eilig und erträgt die Verschiebung auf den Herbst ganz gut.

(Schluß des Blattes.)

Jn der heutigen (50.) Sißung des Hauses der Ab- geordneten gelangte zunächst der Geseßentwurf zur Ab- änderung des Geseßes, betreffend das Staats\schuldbuch, vom 20. Juli 1883 zur zweiten Beratung.

Berichterstatter Abg. Win ckler beantragt namens der Budget- kommission, die Vorlage unverändert in der Fassung des Herrenhauses anzunehmen, und referiert über die Kommissionsverhandlungen. Eine anch Abschluß der Kommissionsberatung eingegangene Petition des Rentiers Friy Müller aus Königsberg 1. Pr. um Vereinfachung des Verfahrens bei Benußung des Staatsschuldbuchs erklärt der Bericht- erstatter für gegenstandslos, da bereits nah den Vorschlägen des Setenten verfabren werde. z ' ; Die Vorlage wird ohne weitere “Debatte unverändert in zweiter und darauf sofort auch in dritter Lesung angenommen. Alsdann wird die Beratung des Etats der Eisenbahn- verwaltung bei den einmaligen und außerordent- lichen Ausgaben fortgeseßt. A : i

2a DA deg Maskadei für den Direktionsbezirk Cassel bringt Abg. Dinslage (Zentr.) die Klage der Handwerkskammer in Arnéberg zur Sprache, daß im Direktionsbezirk Cassel von Bahn- angestellten und Bahnarbeitern Arbeiten für Private ausgeführt würden, besonders Klempner- und Anstreicherarbeiten. Es sollien sih sogar Bahnbeamte an Submissionen beteiligen. Die Eisenbahnver- waltung möge diese Schädigung der Handwerker verhindern.

Abg. Dr. Schroeder- Cassel (nl. bringt die Wünsche ver- schiedener Vorortgemeinden Cafsels zur prache, die nicht genügende Bahnverbindungen hätten. Auch die Bahnanlagen seien hier und da nicht ausreichend, die Kosten sollten den Gemeinden auf- erlegt werden, was nicht als billig erscheine. Namentlich im Vorort Bettenhausen hätten fich verschiedene Mißstände er- geben, und aus alledem fei für die Stadt Cassel der Wunsch hervor- gegangen, in Verhandlungen mit der Staatsregierung einzutreten, um für die Zukunft derartigen Verhältnissen vorzubeugen. Dex Minister habe sich bisher ablehnend gegen diejen Wunsch verhalten. Er, der Redner, möchte ihn dringend bitten, doch zu erwägen, ob er hier nit eingreifen wolle. Die jeßigen Mißstände berührten tief die Lebensinteressen der Stadt Cassel; es wäre außerordentlih erwünscht, daß hier im Interesse aller Beteiligten Besserung geschaffen würde.

Abg. Dr. Wendlandt (nl.): Ich habe bereits im vorigen Jahre dargelegt, daß der Bahnhof Eschwege, den drei Linien berühren, nit mehr auéreiht. Jeßt ist noch eine vierte Linte vorgesehen, sodaß die Mißstände nur noch größer werden dürsten. Cine Petition der Bürger ist bedauerliherweise unberücksichtigt geblieben. Das Stations- und das Gütergebäude L aber erweitert werden, namentli im Hinblick auf die Durhführung des Werraverkehrs, die in Aussicht genommen ist. Ist cine folche Erweiterung geplant ? Nur unter dieser E E würde man es begreifen können, daß in den diesjährigen Eisenbahnetat nicht neue Mittel dafür ein-

estellt find. A ; i 6 Ministerialdirektor Wiesner: Eine Entscheidung in dieser Frage ist noch nicht getroffen. Jh muß aber sagen, daß die Eisen- babnverwaltung die jeßigen Verhältnisse für auêreichend bält.

Zu der Forderung einer ferneren Rate von 200 000 für Erweiterung des Bahnhofs Wabern und Verbesserung der Leistungsfähigkeit der Strecke Wabern—Wildungen liegt eine Yetition der Aftienzuckerfabrik Wabern um Umbau des Bahn- hofs und der anschließenden Wege- und Landstrecken vor, die die Kommission für erledigt zu erklären beantragt.

Abg. Gleim (nl.) bittet den Minister, die Wünsche der Petenten nochmals eingehend zu prüfen. a ; j;

Die Position wird bewilligt, die Petition für erledigt erflärt.

Schluß des Blattes.)

Dem Hause der Abgeordneten sind der Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Feststellung eines Na - trages zum Staatshaushaltsetat für das Etatsjahr 1910, nebst Anlage und der Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Deckung der Ausgaben in dem Nach- trage zum Staatshaushaltsetat für das Coo 1910, zugegangen. Jm ersten Geseßentwurf werden 854 500 6 zum Umbau des Bühnenhauses des Königlichen Opernhauses in Berlin gefordert. Diese Ausgabe foll nah dem zweiten Geseß- entwurfe durch eine Anleihe gedeckt werden.

Kunft und Wiffenschaft.

A. F. In ihrer Märzsißung nahm die Vorderasiatische Gesellschaft einen Vortrag von Dr. Ranke entgegen über „Altägyptische und altijsraelitishe Prophetie“. Der Vortrag fnüpfte an cinen Papyros an, der, seit einiger Zeit im Besiß der Leydener Universität und deshalb der „Leydener Papyros" ge- nannt, in jüngster Zeit durch H. O. Lange in Kopenhagen eine äußerst forgfältige Uebersetzung erfahren hat. Der sehr umfangreide Papyros -— 378 cm lang, - 18 ‘om o bat ‘beträchtlide Beschädigung erlitten, bietet indessen nur seiner Lücenhaftigkeit wegen dem Verständnis Schwierig-

Beratung weiterer Schritte, die zu einer Einigung über die Verfassungsfrage führen soll. Wie das „W. T. B;

. tiert wecten. In dieser Bezichung geht der Entwurf nicht weit

: ¿ s A C) E keiten, keincéwegs aus Gründen der hieratish-ägyptischen Schrift und

Sprache, in der er abgefaßt ist. Gleihwohl liegt sein Inhalt in den wesentlichsten Teilen der Prüfung offen. Er ergibt sih als eine Weis- fagung in dem gleihen Stil wie die altisraelitishen Prophetien und ist wegen diefer Aehnlichkeit bescnders interessant, weil ganz bestimmte Anhalte aus dem Fundorte und andern Umständen dafür gegeben sind, daß seine Entstehung auf das Jahr 2000 vor Chr. zurüdckgeht, also auf eine Zeit, die wenigstens 1000 Jahre älter ist als die ältesten altisraelitishen Weissagungen. Es entsteht hieraus die Frage: Ahmten die leßteren die Formen alt-

; ter Weissagung nah, was bei der engen Verbindung, in der

en und Palâstina, Aegypter und Juden zu verschiedenen Zeiten gestanden haben, nicht zu den Unwahrscheinlichkeiten zu renen wäre, oder ergibt sich die Aehnlichkeit aus inneren Gründen, die gerade zu dieser form der Aeußerung drängen? Auch dies hat viel Wahr- sceinlihkett für si, wenn die äußeren Umstände, unter denen Propheten erstanden, ungefähr die gleichen waren, wie sie es tatsä{lih gewesen sind, nämlich augenblicklihes tiefes Unglück der Volksgenossen, das, gleichviel, ob es vershuldet oder unverschuldet ist, die Blicke rückwärts lenkt auf vergangene bessere Zeiten, doch zugleich, Mut und Hoffnung auf den Wiedergewinn besserer Zustände belebend, nah vorwärts. Schon rofessor Cduard Meyer hat darauf aufmerksam gemacht, daß das ma der meisten Prophezeiungen dies ist: . . . Ein guter, gerechter Perrieber wird entstehen, der das Volk zur Freiheit führt. Es ergibt ih denn auch von selbst, daß, wo ein Vershulden der Volks- genossen an dem eigenen Unglück vorliegt oder vorzuliegen scheint, zur Buße und Abkehr von den Verfehlungen gemahnt wird, 1n denen der Prohet die Ursahe des eingetretenen Unglücks erblidt. Wird eingeräumt, daß hierin begründet sein mag, wenn altägyptische und altifraelitishe Prophetien Aehnlichkeiten mit- einander zeigen, obwohl nicht anzunehmen ist, daß die Provbeten späterer Zeiten die älteren Weiésagungen gekannt und als Muster- beispiele benußt haben, so bleiben immerhin gewisse Aeußerlichkeiten der feierlichen Form des Vortrages bestehen, die anscheinend eine Verwandtschaft niht verleugnen können, \ich aber kaum aus der Gleichheit des inneren Drangcs ihrer Urheber erklären lassen. Hierzu gehört z. B., wenn in dem Leydener Papyros der Sayßanfang „Wahrlich . . . .* nicht weniger als 58 mal vorkommt, und kaum weniger oft der Anfang „Denket daran . . . .* oder „Es ist. doch chên ... .“ Jedenfalls" ist der Vergleich nach Inhalt und Form zwischen den altägyptishen und altisraelitishen, ja noch weiter den altbabylonisGen Vorverkündungen sehr interessant. Dieser Vergleich bildete in der an den beifällig aufgenommenen Vortrag Dr. Nankes si anschließenden Diskussion den Gegenstand fesselnder Erörterungen, an denen sich namentlich Professor Großmann beteiligte, der die Stilform des Leydener Papyros in Vergleich stellte mit den Klageliedern Jeremias und Jesaias 14, 15 und 16. Auch die Weis- sagungen Hoseas klingen deutlih an ältere Vorbilder an. Zum Schluß erhob Professor von Luschan das behandelte Thema auf die Höhe weltumfassender Betrachtung, indem er den Drang des Menschen, in den Nöôten der Gegenwart \sih eine bessere Zukunft aus- ¡umalen und daran die Gemüter der Volksgenossen aufzurichten, als allen Völkern, felbst den niedrigsten, gemeinsam behauptete. Daß es in feierlicher, pathetischer Form geschehe, sei erklärlich und natürli.

In der Aprilsißung der Gesellschaft sprah Dr. Herzfeld über „Achämenidishe Denkmäler“ unter Vorführung vieler von dem Vortragenden, zum größten Teile von Professor Friedrih Sarre aufgenommener Lichtbilder. Persien ist nit, so etwa leitete der Redner seinen Vortrag ein, das bestgekannte Land der Erde, wie man

u glauben versuht ist, wenn man in Lord Curzons klassishem

zud „Persia and the Persian Question“ von den vielen _Neisenden liest, die seit neun Jahrhunderten Persien besucht und darüber, ges{ricben haben, und wenn man sich * daran erinnert, daß |chon im 16. Jahrhundert im Abendlande die Kunde von den Denkmälern der Achämeniden verbreitet war, ja, daß im 17. Jahrhundert das große Tafelwerk des Chn. Chardin ..Voyages en Perse“ ersien, dem andere ähnlihe in den nädsten beiden Jahr- bunderten folgten. Das Gegenteil der \fih an diese Umstände knüpfenden Vermutung ift vielmehr der Fall, und hierin ändert auch die zweisellose Tatsache nichts, daß die achämenidishen Inschriften die Grundlage der Entzifferung der Keilschrift gebildet haben, woraus auf eine überaus gründlihe archäologishe Erforschung der Denkmäler zu \chließen erlaubt war. Die Ursache, weshalb troy alle- dem die Kenntnis dieser Denkmäler nicht \o verbreitet ist, als man meinen sollte, liegt wohl darin, daß ihnen der Reiz dcs bohen Alters fehlt und daß die Welt aus der gleichen Zeit (vom Ausgang des 6. bis zur Mitte des 4. Jahrhunderts) Denk- mäler der griechishen Kunst besißt, deren Studium dem Archäologen, dster die âsthetishen Werte in der antiken Welt suht, besser zusagt, als das Studium der wenig davon enthaltenden altpersishen Kunst. Der altpersiscen, wie der altorientalisben Kunst überhaupt, fehlt ein Ctwas, das den hohen Reiz und die Ueberlegenheit der griechischen Kunst bildet. Man ist bei jenen nie versucht, an den Künstler zu denken, der das einzelne Werk geschaffen. Alle Werke zeigen etwas Typisches, Frostiges, in strengen Kunstvorschriften Befangenes, eine ganz gleihmäßige Höhe des Könnens. Wie ganz anders treten dagegen aus den griehishen Kunstwerken die Persönlich- feit des Künsters, seine besondere Schaffensart dem Beschauer ent- gegen! Es ist tief im Charakter der orientalishen Völfer begründet, daß bei ihnen der Künstler niht aus der Masse seiner Nationalität herauéêtritt, daß nit er, sondern die Kultur seines Volkes als Ganzes binter dem Kunstwerk steht. Daraus erklärt \ich, wesbalb bei diesen Kunstwerken ihre historishe Bedeutung die ästhetische überwiegt, und bei ihrer funstgeshihtlihen Betrahtung vor den fkünstlerishen der geshihtlihe Standpunkt treten muß. Diese Betrachtungen zur allgemeinen Würdigung altpersiscker Kunst vorauêgeschickt, lassen sich 4 Perioden derselben unterscheiden: Die erste ist die Zeit“ des Kyros und der ält-sten Residenz des persischen Königs Pasargadae, die zweite wird durch das ersie Monument des Darius în Bisutun gekennzeichnet, die dritte durch die Bauten des Darius und des Xerxes in der neuen Residenz Persepolis, in Nag in Nustam, in Susa und an anderen Orten, die vierte endlich be- zcihnet die Auflösung der Kunst unter Artaxerxes 11. und 111.

Zu 1 zeigte Dr. Herzfeld im Bilde das mit vollem Rechte den Namen des Kyrosgrabes tragende Denkmal in Pasargadae. Alle historischen und geographischen Nachrichten des Altertums vereinigen si dahin, daß der Ort der heute Mashhad i Murghab, das Heiligen- grab von Murghab, genannten Ruinen als die Stelle der Kyrosstadt Pasargadae zu betrachten ist. Alle Ruinen von Murgbab bekunden gegenüber denen von Persepolis ihr höheres Alter. Außertem zeigen die spärlihen Reste dreier Palastbauten in Murghab fünfmal die Bauinschrift „Ich Kyros der König der Achämeniden“, hiermit den wohl zweifellosen Beweis erbringend, daß Kyros ibr Erbauer war. Daß in Pasargadae das Grab des Kyros stand, wissen wir durch Aristobulos, der auf Alexanders Befehl das geschändete Grab wieder instand seßte. Seine einleitend die Ortsangabe enthaltende Schilderung ist uns übereinstimmend durch Arrian und Strabo über- mittelt. Sie trifft in allen Stücken auf die heute noch vorhandenen Ruinen zu. Selbst die Angabe des Aristobulos, daß das ganze Heiligtum in einem „Paradeisos" gelegen, findet Bestätigung in den Spuren eines großen Baîsins in der Umgebung, das wabelibeinlich durch den dicht an der Nuine vorbeifließenden Bach bewässert wurde. Es ist bekanntlich \hwer, ein Denkmal genau zu beschreiben, noch s{werer zu verhüten, daß sih durch die mündliche oder \chriftliche MTECNOnng Ungenauig- keiten in solhe Beschreibung eins{leihen. Um so mehr darf man si über eine so vollständige Uebereinstimmung . des Denkmals mit der Schilderung des Aristobulos wundern. Noch den heutigen Persern ift das etwas über 10 m hohe Grab des Kyros ein Heiligtum ; aber sie nennen es merkwürdigerweise das Grab der Mutter Salomos, wie überbaupt alle Denkmäler hohen Altertums von ihnen entweder mit David und Salomo oder mit den Gestalten ihrer Heldensage in Verbindung gebracht werden: mit dem RNReichsgründer Djamshid oder dem Helden RNustam oder mit der großen Bauherrin Humai Cihrazadh, der antiken Semiramis. Zuweilen hat auch der böse Feind Ajdaha Beziehungen zu alten Denkmälern. (Dies

dessen nächster Umgebung eine Anzahl Perser, die von den Vor- bereitungen der ufnahme hberbeigelock# und dann eingeladen worden waren, sih am Fuße des Denkmals aufzustellen. Es wurde bon dem Vortragenden darauf aufmerksam gemacht, daß man Frisur und Kopfbebeung dieser Perser des 20. Jahr- hunderts sehr ähnlich mit den auf den Reliefs von Persepolis noch zu zeigenden finden werde. Eigentümlih berührt fand sich Dr. Herz- feld auch durch. den Umstand, daß nur wenige Schritte vom Grabe des Gründers des ‘ersten persischen Weltreihs der Draht des indo- europäischen Telegraphen vorbeiläuft, die Lebensader des beutigen roßen Weltreichs England-Indien.) Neben dem Grabe steht als eßtes, weithin sihtbares Wahrzeichen von Pasargadae cine einzige glatte Säule von 12 m Höhe aus drei ungleichen gelben Kalkstein- trommeln zusammengesetzt; sie ist außer ein paar niedrigen, \kulptierten Nestenalles, was von einemder großen Paläste übriggeblieben ist. Sie ruht auf einer breiten Grundplatte von \{chwarzem, bituminösem Kalkstein. Diese Zweiteiligkeit ist eine sich in Persepolis nicht wiederholende Eigenheit der älteren Architektur von Pasargadae. Spärlicher noh als die hier §eschriebenen sind die Reste eines zweiten Palastes. Es steht vdn ihm bauptsählich noch eine Leibung seiner vier Türen auf- recht, welhe Neste eines Reliefs trägt. - An dessen oberem Teil ist bis 1874 noch die vorher angeführte Beuinschrift des Kyros zu lesen gewesen, sie ist mit dem oberen Ende des Kopf- \{chmucks der im Nelief dargestellten Person seitdem ver- shwunden ein Wink, die Arcitekturreste auf dieser 1850 m bo gelegenen Hochebene besser und wirksamer als bisher zu \{üßen. Die Figur des Reliefs, eines vierflügeligen Genius, weist auf nord- syrishe ähnliche Darstellungen, Tracht und Frisur auf den letzten 655 von Asurbanipal besicgten König von Elam hin, wie \ich dieser im Palast des Siegers in Niniveh abgebildet findet. Kyros aber tritt in den babylonischen Inschriften zuerst als König von Elam-Anzan auf, die Genien an den Toren seiner Paläste in der Tracht der ebe- maligen Herrscher von Elam und Anzan geben somit einen deutlichen Hinweis auf die Entstehungszeit der Skulptur. i

Das die Periode 2 kennzeihnende berühmte Monument des Darius, das Felsrelief von Bisutun, liegt auf der großen Heerstraße, die im Altertum von Babylon nach Egbatana führte und später Bagdad und Hamadan verband. In seiner großen Inschrift, aus deren Entzifferung die Assyriologie erwachsen, \{childert Darius, wie er der Aufstände nah dem tragishen Tode des Kambyses Herr wurde und sein Großkönigtum begründete. Es ist sehr bezeichnend für den Einfluß, den ein überragendes Denkmal aüf die Volfsseele übt, daß schon fehr zeitig die iranische Heldensage mit diesem Denkmal verwuchs. Schon Ktesias7 der griehishe Leibarzt Artarerres? I1., bezeichnet es bei Diodor, hiermit wohl nur die Volkêmeinung wieder- gebend, als Werk der Semiramis; er wie Isidor von Charar nennen den Ort, übereinstimmend mit der früheren arabischen Ueberlieferung, Baghistan, entstanden aus Bagastana, d. h. Götterort, Berg des Mithras, womit wahrscheinlih angedeutet ist, daß dieser in hohem Grade malerisch gelegene Fels der Platz eines uralten Kult des Mithras war; und vermutlih ist das der Grund für Darius gewesen, gerade diesen Berg, einen der \{önsten in dem an shönen Bergen reihen Iran für sein Monument auszuwählen. Bestimmend für die Wähl des Plaßes war wohl auch die Lage an der großen und einzigen Heerstraße und seine Nachbarschaft mit den Schauplägen zweier großer, von Darius gegen \cine Widersacher ge- wonnener Schlachten. Die Ebene, die man von der Höbe des Monuments überschaut, ist vermutlich das Feld, auf dem cine dieser Schlachten ausgefochten wurde. Auf ihr tobte au später einmal ein Entscheidungskampf im Jahre 49 unter Kaiser Claudius zwischen Gotarzes und Meherdakes, dem römischen Bewerber um den parthis{hen Thron. Zur Erinnerung an diesen- Sieg des ersteren sieht man am Fuße des Berges das durch eine moderne Bildtafel stark verstümmelte Relief des Gotarzes, das einzige große Fel8srelief parthischer Herkunft. Das Darius-Monument liegt in einer Kluft der fteilen Felswand etwa 300 Fuß über ver Ebene ; es fonnte von Professor Sarre, der es auf- nahm, nur mit dem Teleobjektiv photograpbiert werden: aber die Aufnahme hat vor allen anderen den Vorzug, das Dénkmal in seiner Gesamtheit zu zeigen. Einzelaufnahmen, die im Winter 1903/4 dur King und Thomp}jon vom British Museum mit einem Gerüst gemacht worden sind, ergänzen die Aufnahme Sarres. Das Gesamtmaterial ge- stattet zum ersten Male eine kunstgeshi{chtlihe Würdigung des Denkmals. Gegenstand der Darstellung ift der Triumph des Darius über die 9 „Lügenkönige". Darius seßt den Fuß auf den zu Boden geworfenen Pseudosmerdis, den Gaumata, die Linke hält den Bogen, die Nechte ist abwehrend, Gnade versagend, erhoben; die anderen 8 Empörer stehen an Hals und Händen gefesselt vor ihm. Hinter dem König stehen sein Bogen- und sein Lanzenträger. Es hat wahrscein- lich nun feinen Augenblick gegeben, wo Darius so trium- phierend vor seinen Gefangenen stand: Das Bild ist deshalb nur symbolisch aufzufassen, die Sprache, die es durch seinen Aufbau und durch die Gesten redet, ist aber unmittelbar ver- ständlich und eindringlih. Hiermit errciht das Werk auch eine ästhe- tishe Wirkung, die es als das künstlerisch reiste Werk der persischen Kunst erscheinen läßt, zugleich aber au durch seinen redenden Sym- bolismus als harafkteristisch für die versishe und die altorientalische Kunst überhaupt, die sich gern in dieser Form offenbart. Auf Grund seiner Inschrift ist die Herstellung des Monumentes in das dritte, viel- leiht noh das ‘vierte Jahr des Darius zu setzen, also auf 520/519. Es ist somit älter als der Beginn des Baues von Persepolis, der in das Jahr 518/517 fällt. Es enthält in seiner Auéführung eine deutlihe Vorstufe der persepolitanisGen Kunst. Das geht. z. B. daraus hervor, daß die Köpfe der Meder, Perser und auch der Achâmeniden felbst in Persepolis immer nah einem und demselben Typus gebildet sind, der aber recht abweihend von dem älteren Typus in Bisutun ist, welcher auf keiner späteren Darstellung vor- fommt. Es folgt hieraus, daß die persishen Künstler sih angewiesen fanden, in diesen Dingen, in der Abwebslung von Moden, Trachten, Haar- und Bartschnitt die äußerste Treue der Wiedergabe walten zu lassen, und daß die Sorgfalt, die in diesem Punkte in Bisutun geübt wurden, bestimmend wirkte auf die Künstler von Persepolis.

Die Gesamtkomposition des Reliefs in Bisutun ist keine persische Erfindung. In derselben Landschaft, au an der großen Heerstraße, nur weiter westlich bei Sarpul, steht boch auf einem Felsen das be- rühmte Siegesdenkmal der Annbanini aus der Zeit um 2000 v. Chr. Auch da seßt der Herrscher, den Bogen in der Linken, den Fuß im Triumph auf den besiegten Feind. Eine Göttin mit dem Istar- sterne führt ihm zwei andere Feinde gefesselt zu, fünf weitere sieht man auf einem unteren Streifen. Hier besteht somit Ueberein- stimmung s\sogar bis auf die Zahl. Es is also alte, ein- beimishe Kunst, die in dcm Monumente des Darius fortlebt, und es ist ferner bezei{nend für den etwas einförmigen Symboliêmus, der zu den hervorragendsten Zügen dieser Kunst ge- hört, daß sih ähnliche Darstellungen aus der Zeit der Blüte persisher Kunst auch noch an anderen Stellen finden. Gar nit fern von Bisutuy, auf der entgegengeseßten Seite des Felsentores, durch das der Aliban-Fluß bricht, findet man ein solches, gleihe Züge auf- weisendes Relief am Felsen. Die Haltung des Siegers ist hier die leihe, der Bogen und der zu Boden getretene Feind sind er- ennbar. Noch einige andere ähnlihe Siegesdenkmäler des gleichen Typus in derselben Landschaft wären namhaft zu machen. Es muß an dieser Stelle leider darauf verzihtet werden, den Darlegungen Dr. Herzfelds weiter im einzelnen zu folgen. Seine von Uchtbildern er- läuterten Schilderungen betrafen zunächst die vier ahämenidischen Königéëgräber weit im Süden, am Wege von Pasargadae nah Per- sepolis an dèr Felswand von Nagsh i Rustam. Sie gehören Darius T., dem II., Xerrxes und Artaxerxes I. an, während Arta- rerres Il. und III. in den Prachtgräbern beigesegt sind, die Fe _sih zu Lebzeiten selbst in Persepolis erbaut haben. Auch ezüylih dieser Felsengräber ist dem großen Darius und seinen Architekten und Künstlern die Originalerfindung abzusprehen. Es gab deren viel ältere in Medien, u. a. in der Nähe des Urmia -Sees, und wahrscheinli waren die paphlagonischen Felsengräber noch älter. Eine Anzahl der Gräkter wurde im Bilde vorgeführt. Sie stehen

von Dr. Herzfeld aufgenommene Lichtbild des Kyrosgrabes zeigte in

an Pracht der Ausführung naturgemäß den Königsgräbern erheblih na.

Das Grab des großen Darius war das Vorbild aller anderer Könizs- räber. Sie sind ausgezeihnet dur die Darstellung eines von 30 Per- onen, 30 in den Inschriften benannte Völkerstämme versinnbildlichend, etragenen Thrones. Diese Throndarstellungen haben in Persepolis Wiederholung gefunden und zwar auf 4 Türleibungen. Sie haben

je 14 Träger, und die gegenüberliegenden Tore ergänzen fih immer

zu 28 Trägerfiguren. Ein Thron mit 28 Figuren fommt auch am sogenannten Zentralgebäude von Persepolis, einem inneren Torbau vor. Hier erscheint auf dem Throne das auffallende Relief zweier

Großkönige in vollem Ornat. Offenbar is Xerres als

designierter Thronfolger noch zu Lebzeiten des QDarius

der Baul-iter von Persepolis gewesen, - dem Schauplay der 3. und 4. Periode persisher Kunst. Was er hier geschaffen, ist zu einem beträhtlihen Teil noch erhalten und an erster Stelle durch seine Größe Bewunderung erregend. Es entspricht, soweit es den Bildhauer zum Urheber hat, der einleitend gegebenen Charakte- ristik persischer Kunst. Hierfür typisch ist die Darstellung eines Tribut- gee mit einer Relieflänge von 200 m. Das Relief hat bisher noch nicht vollskändig aufgenommen. werden können. Die einzelnen Völker- schaften mit ihrgn verschiedenen Tributgaben sind durch Nosetten- rahmen und Zyßressen voneinander “geschieden. Aus dem Vergleide mit den Figuren am Dariusgrabe läßt \ich eine Anzahl der Völker bestimmen. Es gibt auch sfolhe, die - dort niht vorkamen, also neu unterworfen waren. Die ganze riesige Fläche ist von diesem Tributzuge gleichmäßig geschmüdckt. Die Bewegung der

Szene richtet sich nah der Mitte. Links halten Krieger, als Leib-

garde des Herrschers zu denken, den von rechts beranziehenden Völkern

die Wage. Vier Treppenabsäßze gliedern die Relieffolge. Die

Treppenwangen sind von Reliefs erfüllt, die je einen Löwen darstellen,

ter ein Tier überfällt. Deutlich lag darin ein \ymbolischer Sinn.

Einen ganz ähnlihen Shmuck zeigt eine Treppe, auch von

Xerres angelegt, die vom tiefer gelegenen Südost-Palast

zum Xerxespalast „Apadana“ hinaufführt. Diesmal betrifft die

figurenreiche Darstellung aber die Vorbereitung eines Gastmahles.

Die 4 Paläste, die dieser Treppe nahe liegen, sind im Gegensag zu dem großen „Apadana“ und dem Hundert-Säulen-Saal nur Wobn- paläste, was sih im Gegenstand der Darstellungen deutlih auésdrüdt. Cs handelt sih da offenbar um die Vorbereitung zu dem großen Fest- mahl, das mit dem Tributempfang am Neujahrs-, d. i. am Früblings- nachtgleichentage verbunden war. An diesem einzigen Tage durfte sich der Großkönig öffentli betrinken, eine Gelegenheit, die sih \. Z. Darius mit seinen 6 Mitverschworenen zur Ermordung des Pseudosmerdis nußbar machte. Zum Schluß führte der Vortragende noch das Bild eines Reliefs vor, einer Darstellung, wie sich die Dinge im riesigen Audienzsaale der 100 Säulen für einen Empfang vorbereiteten. Der König thront im Hiñtergrunde der Halle. In den Säulenschiffen stehen die Leibgarden in dihten Reihen aufgepflanzt mit präsentierter Lanze, immer wechselt ein Perser mit einem Meder ab. Die 6 äußeren Gestalten, Flügelmänner, halten mit der linken Hand je einen gewaltigen Nundschild. Was sih in dieser eine große Audienz dar- stellenden Versammlung begeben wird, blieb der Phantasie überlassen, ih vorzustellen. Eigenartig ist daran jedenfalls die Behandlung des perspektivischen Problems der Szene, ihre Zerlegung in dekorative Felder. Es ift aber merkwürdig, daß au diese Darstellungsweise ihre âlteren Vorbilder in elamishen Neliefs im Gebirge, östlich von Susa. besißt. Also auch hier, wie in Bisutun und bei den Gräbern

Anknüpfung an altorientalishe, doch immer an einheimische Vorbilder.

Genau betrachtet, bleibt eine Lücke zwischen der Kunst von Persepolis

als einer völlig entwickelten und den ältesten Leistungen persischer

Kunst. Die sicher vorhandene Uebergangsstufe dürfte in der medischen Kunft zu suchen sein. :

__ Man fann als das Ergebnis dieser Schilderungen altpersischer

Kunst zusammenfassend sagen: Jhr bervorstechender Charakter ist der redende Symbolismus im Aufbau der Szenen wie in den Gebärden und allen Einzelheiten, das „epishe“ Erzählen der nebeneinander ge- stellten Einzelszenen. Im Gegensatz hierzu ist die griechische Nelief- kunst „dramatisch“. Sie kennt keine \ymbolishen Hand- lungen, fondern nur Wirklichkeiten, kein Nebenecinander einer in Wahrheit einheitlihen Szene, sie erfaßt vielmehr den für die Handlung ausdrucksvollsten Augenblick des Geschehens. So erklärt es fih, warum, verglichen mit griechischen Kunstleistungen, die persischen als unlebendig, ja als tot ersheinen, warum sie fast immer falt lassen. Auch mit der ägyptischen zeigt die altpersishe

Kunst wenig Verwandtschaft. Man würde ihr aber Unrecht tun, sie etwa als aus griehis{en, ägyptishen, babylonishen und assyrischen Glementen erwachsen und der Originalität entbehrend zu betrachten. Sie ist vielmehr eine selbständige organische Weiterentwicklung der

altorientalischen Kunst. Daß auch in ihr Entwicklung herrs{t, sogar eine ziemlich {nelle Entwicklung, wie der „Fortschritt

der Kunst von rgadae zu der von Persepolis in ver- hâltnismäßig ; Zeit zeigt, scheint unleugbar. Ihr schneller Verfall, zeitlih mit dem Untergang des Perserreihs übereinstimmend, findet die einfache Erklärung darin, daß das politis in dem mazedo en Weltreih triumphierende Griehentum, von dessen

Kunfstleistungen s{on vor ihrer Geburt die persishe Kunst übertroffen

war, auch in der Kunst einen entscheidenden Sieg über den Orient

davontrug. Wenn auch gesagt werden muß, daß für das abendländische

Altertum die persishe Kunst bedeutungslos gewesen ist, so rettete

sie doch die Tradition des alten vorderasiatischen Orients, die bier

dem Griechentum unterlegen war, in das Mittelalter und ermöglichte in der Folge die allmählich einseßende Neaktionsbewegung des Orients gegen den Ofzident. Für dies große Problem der Kunstgeschichte ist die Beschäftigung mit der persishen Kunst von nicht zu untershätzender Wichtigkeit.

Theater und Musik.

Im Königlichen Opernhause wird morgen, Sonntag, „Der fliegende Holländer“, mit Herrn Bischoff in der Titelrolle, gegeben. Die Senta singt Fräulein Nose, den Erich Herr Kraus, den Daland Herr Mödlinger, die Margarete Frau von Scheele- Müller, den Steuermann Herr Nietan vom Hérzoglichen Hoftheater in Dessau als Gast. Dirigent ist der Generalmusikdirektor Dr. Muk. Am Montag wird „Figaros Hochzeit“, mit den Damen Kurt, Hempel, Artôt, von Scheele, Gates, den Herren Hoffmann, Knüpfer, Lieban, Bachmann, Krasa und Philipp in den Hauptrollen, aufgeführt. Dirigent ist der Kapellmeister Blech.

Im Königlihen Schauspielhause spielt wegen plößlicher Erkrankung des Herrn Sommerstorff in der beutigen Aufführung bon Shakespeares „Hamlet“ Herr Staegemann die Titelrolle. Morgen wird H. Sudermanns Schauspiel „Strandkinder“ wiederholt. Am Montag geht „Maria Stuart" von Schiller, mit Frau Willig in der Titelrolle, in Szene; die Elisabeth spielt Fräulein Lindner, außerdem sind die Herren Sommerstorff, Nesper, Kraußneck, Mannstädt und Geisendörfer in den anderen Hauptrollen beschäftigt. Die Vorstellung beginnt um 7 Uhr.

Im Neuen Königlichen Operntbheater wird morgen „Die Fledermaus" in der bekannten Beseßung (Herr Philipp, Fräulein Hempel 2c.) wiederholt. Dirigent ist der Kapellmeister Dr. Besl. Näcbsten Sonntag, den 24. d. M., wird E. von Wildenbruchs Schau- spiel „Der Deutsche König“ aufgeführt. Der Billettvorverkauf zu diefer Vorstellung findet von morgen ab täglih an der Tageskasse des Königlichen Schauspielhauses statt. e

Im Deutschen Theater gebt morgen sowie am Dienstag, Donnerêtag und Sonnabend nächster Wohe Scbillers „Braut von Messina* îin Szene. Am Montag und Mittwoch finden Wieder- holungen von Hebbels „Judith“ statt. Am Freitag und Sonntag wird „Der Widerspenstigen Zähmung“ aufgeführt. (Bein der Vor- stellungen 74 Uhr.) Der Spielplan der Kammerspiele des Deutschen Theaters wird von Eduard Stuckens „Gawün“® beherrs{t, und zwar ist dieses Stück für morgen, Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerétag und Sonnabend nächster Woche angeseßt. Am. Freitag wird zum ersten Male die Pantomime „Sumurün“, unter Mit- wirkung der drei Schwestern Wiesenthal, aufgeführt. Sie wird am

Sonntag wiederholt.