1910 / 97 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 26 Apr 1910 18:00:01 GMT) scan diff

Mecklenburg-Schwerin.

Jn einem Gnadenerlaß aus Anlaß der Geburt des Erbgroßherzogs bestimmt, „W. T. B.“ zufolge, Seine König- liche Hoheit der Großherzog, daß allen Personen, gegen die bis zum 22. April d. J. diesen Tag mit eingerechnet Geld- oder Freiheitsstrafen von nicht mehr als sechs Wochen bezw. 150 # rechtskräftig erkannt ist, diese Strafen, soweit sie noch nicht vollstreckt sind, und die rückständigen Kosten erlassen werden. Hasftstrafen bleiben ausgeschlossen sofern zugleich auf Ueberweisung an die Landespolizeibehörde erkannt ijt.

Oefterreich-Ungarn.

Das österreichishe Herrenhaus hat gestern die Anleihevorlage nah längerer Debatte angenommen.

Wie das „W. T. B.“ meldet, gab Baernreiter im Laufe der Beratung der Ansiht Ausdruck, daß der von der Regierung ent- widelte Finanzplan ein Plan von der Hand in den Mund sei. Be- züglich der angeregten Ersparungskommission befürwortete er das Bei- spiel der preußischen Immediatkommission. Plener er- klärte, bei Einführung von neuen Steuern sei um so größere Vorsicht geboten, als man noch immer vor “der Möglichkeit ganz gefährliher auswärtiger Verwicklungen stehe, die die Anspannung der Steuerkraft mit \ich bringen könne, fodaß man gewisse Neserven in relativ friedlichen Zeiten nit ganz ers{chöpfen dürfe. Der Fi. nzminister Dr. von Bilinskîi verwahrte die Regierung gegen deu Vorwurf der Shwäche, weil sie auf den Nü- stellungen im Budget nicht beharrte. Die Beseitigung des Defizits durch bloße Ersparungen sei unmöglich. Seit der notwendig ge- wordenen Zurückziehung der Biersteuervorlage könne auch von einer Sanierung der Landesfinanzen nicht mehr die Rede sein. Ver Staal, dexr die + großeren Steuern füt. 1 braue, fönne die Länder nur an dem Erlöse einzelner Steuergattungen, insbesondere an den Verzehrungssteuern, teilnehmen lassen. Der Minister rechtfertigte {ließlich die Rentenbegebung durch die Postsparkasse, weil aus finanzpolitishen sowie aus staatspolitis{en Gründen eine weitere Heranziehung des gesamten Kapitals aller Banken fowie der Bevölkerung wünschenswert sei. Der Minister sprach die Hoffnung aus, daß die Notbschild-Gruvpe an den nächsten Emissionen sich wieder beteiligen werde. Von einer gleihmäßigen Behandlung aller Banken bei der Begebung der Renten durch die Postsparkasse könne jedoch nit abgegangen werden.

Großbritannien und Frland. Das Unterhaus hat gestern nah einer Meldung des

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W. T. B.“ in zweiter Lefung das Finanzgesez mit 32

E 5 gegen 242 Stimmen angenommen. Die irischen Nationalisten stimmten mit der Regierungspartei, die O'Brienisten mit der Opposition.

Im Laufe der Debatte erklärte der Schaßkanzler Lloyd George, daß seit der ersten Einbringung des Budgets der Handel zugenommen und die Beschäftigungslosigkeit abgenommen babe: er sei der festen Ueberzeugung, daß das Land sih auf dem Wege zu einem geschäftlichen Aufschwung befinde, wie es einen solchen größer selten erlebt babe.

Rußland.

Der Reichsrat hat, wie das „W. T. -B.““ meldék gestern den Geseßentwurf über Maßnahmen zur Beseitigung der Preissteigerung des Zuckers auf den Jnnenmärkten an- genommen und fih dann bis zum 11. Mai vertagt.

Türkei. q

Nach dem leßten Bulletin is der Zustand des Sultans andauernd befriedigend.

Die türkischen Vertreter haben, „W. T. B.“ zufolge, vorgestern bei den Shußmächten eine Erklärung abgegeben, nach welcher die Pforte die Eidesleistung der kretischen Abgeordneten auf den Namen des Königs der Hellenen als einen argen Uebergriff gegen die Souveränitätsrehte der Türkei betrachtet und die Mächte auffordert, dies zu verhindern. Die Pforte würde sih gegen die Eidesleistung wehren.

Die Nachrichten aus Oberalbanien lauten un- günstig. Nach Meldungen des „W. T. B.“ stehen bei Ghilan 3000, an der Drenißza 2000, in der Gegend von Lipljan 4000, bei Podrima 5000, in der Umgegend von Vriz rend bei Podgori 3000, bei Lapleseli und bei Ljuma je 6000 bewaffnete Arnauten: hierzu fommt noch der 2000 Mann starke Stamm der Ostrosops. Weitere zwölf Bataillone und vier Batterien find nach Albanien unterwegs, sodaß die Gesamtzahl der Truppen 52 Bataillone und 16 Batterien beträgt. Die Reservisten von Saloniki sind einberufen worden. Schefket Torget Pascha hat versäumt, das Defilé von Katschanik rechtzeitig zu besetzen, sodaß sich 3000 Arnauten dort festseßten und den Bahnverkehr hindern. Sie ließen nur die Post passieren, entwaffneten zwanzig einen Bahnzug begleitende Soldaten und zwangen diese, nah Uesküb zurückzukehren. Militärtransporte sind auf dieser Bahnstrecke eingestellt worden.

Amerika. C U, me Nt A s «Mavatnt tan (S ÉA Der Vizeprändent der Vereinigten Staaten Sherman hat gestern i aint Louis vor der Jndustrie- 40TOIN TA11N 511 N h 4nlto 7 ; 1 Bor Je E B 14 41 - Vereinitag1l S FLEL IeYalten, in Der L t N, ¡U- rolage, Den Euen 2Z- arl warm verte1idigie und tagte: 18zoUpoli erd n Amerika niemals aufgegeben eblbetrag wahrscheinlich

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e i vinz Urmia ist nach einer

Meldung der „St. Petersburger Telegraphenagentur“ äußerst schwierig, da weder i nischen Behörden noch die Führer der türkischen Truppenabteilung, die mehrere Gebiete besetzt (t, für Ordnung und Sicherheit sorgen. Die mohammedanische Bevölkerung zeigt offene Feindschaft gegen die Christen, ins- s die orthodoren Syrer. Die Gutsbesißer be il Leibeigenschaft befindlihen Christen,

Ueberfälle, rauben die Christendörfer

Frauen und zwingen sie, den Jslam anzu-

rei Wochen entführtes orthodores Mädchen ‘otestes des russishen Konsuls niht aus- geliefert. Ohne das energische Einschreiten Rußlands und | Englands besteht keine Hoffnung auf Wiederherstellung der | Ordnung und Erleichterung der Lage der Christen. |

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j amentarische Nachrichten.

Die Ber die gestrigen Sißungen des Rei hs- tags und do |Bauses der Abgeordneten befinden sich in der Ersten un) “Zweiten Beilage.

Das ‘5aus der Abgeordneten seßte in der heutigen (58.) Sißung, welher der Minister der geistlihen 2c. Än- gelegenheiten | von Trott ae Solz beiwohnte, die zweite Beratung des Etats des Ministeriums der geistlichen, Unterrihts- und Medizinalangelegenheiten im Kapitel „Uni/3ersitäten“ fort.

Als Zv\cuß für die Universität Münster werden 541 518 f, [62787 M mehr als im Vorjahre, gefordert. Hierzu liegt folgende Resolution der Budgetkommission vor:

„die Staatsregierung zu ersuchen, zur besseren Ausgestaltung und Ausstattung der philosophishen Fakultät der Universität Münster in dén nächsten Etat erheblihere Mittel einzustellen“.

Abg. Haarmann (nl.): Ueber den Wunsch eines vollständigen Ausbaues der Universität Münster sind sih alle Parteien des Provinzial- landtages in Westfalen einig. Die Provinz Westfalen hat früber eine Volluniversität gehabt, es erklärt sih deshalb ihr Wunsch, daß fie nicht hinter anderen Universitäten in diefer Beziehung zurückstehen möchte. Mit Neid sehen ndir Westfalen auf das Blüben der Universität in Bonn, namentlich was } die wissenschaftlihe Förderung der Landwirt- schaft betrifft. Jn der Generaldebatte ist aid ein rheinisher Abgeordneter , dex Abg. Eickhoff, für ten Ausbau der Uni- versität Münster} eingetreten, Abgeortnete anderer Provinzen haben sich ihm| angeschlossen, sodaß wohl Einmütigkeit in dieser Frage besteht. ir find ja der Negierung dankbar für das, was -. sie bisher“ getan hat, auch dafür, daß der Minister dem Abg. Schmedding gegenüber ein Entgegenkommen gezeigt hat. Der Minister wükde sih den Dank der Previnz Westfalen er- werben, wenn er dem berechtigten Wunsche nachkäme. Vor allem ist notwendig die Schaffung einer eigenen medizinishen Fakultät und einer evangelisch-theologishen Fakultät. Münster ist eine moderne Stadt, und wer da sagt: in Münster ist es finster, versündigt sh an der Wahrheit. Widerwärtige Gehässigkeit und Unduldsamkeit in religiösen Dingen wollen wir niht aufkommen lassen. Heute sollten alle West- falen sich einig zeigen.

Abg. von Gescher (kons.): In dem Wunsche der Ausgestaltung der Universität Münster sind sh alle Bewohner und Vertreter West- falens einig; das käm ich nur aus vollem Herzen bestätigen. Der Grund für diese auffallende Einigkeit liegt in dem ausge\prochenen Nechtegefühl des Westfalen. Das bäumt sich dagegen auf, daß seine Pro- vinzialuniversität ungleich \{lechter behandelt werden soll als alle übrigen Universitäten des Landes. Man sagt, daß das jüngste Kind meistens verzogen wird; von dem jüngsten Kinde unter den preußischen Uni- versitäten kann man dies beim besten Willen nicht behaupten ; im Gegenteil, die Universität Münster hat sich bereits den Namen des Aschenbrödels unter den preußischen Universitäten zugezegen, und wie sehr sie diesen Namen “verdient, illustriert {on die eine Zahl, daß von den Gesamtaufwendungen für die 10 preu- ßishen Universitäten Münster nicht etwa !/;», sondern nur '/25 Und von den außerordentlihen Ausgaben sogar nur !/;54 befomint. Immerbin zeigt der gegenwärtige Etat ein freundliheres Bild für diese Universität, und die Provinz Westfalen weiß die wohlwollende Erklärung des Ministers voll zu würdigen. Die Negierung bat die moralische Verpflichtung, Münster zu einer vollen Universität aus- zubauen; vor allem muß die Universität eine voll ausgestaltete medizinische Fakultät haben.

Abg. Shmedding (Zentr.): Jch kann mi den Wünschen der Vorredner nur anschließen. Münster steht den übrigen preußischen Universitäten in jeder Bezöhung. na. Auch wir legen besonderen Wert auf den vollen Ausbar" de& medizinishen Fakultät, da die Zahl der Medizin Studierenden stetig im Wachsen begriffen ist. Dem Minister ist die westfälis{e Bevölkerung für seine wohlwollende Hal- tung dankbar. Die Stadt Münsler hat nahezu 400 000 46 für die Universität aufgewendet; deshalb erwarten wir, daß auch der Staat mit größeren Mitteln fich betätigt.

Abg. Haarmann - Altena (nl.): Auch ih boffe, daß die be- rechtigten Wünsche der Provinz bald in Erfüllung gehen, und daß aus dem Aschenbrödel eine \{öne, blübende Jungfrau werden möge. Wir haben keine Ueberproduktion an Universitäten. Seit der Gründung von Bonn im Jahre 1818 ist keine neue Universität errihtet worden, und doch hat sih die Bevölkerung seitdem verzehnfacht.

Der ordentliche Zuschuß für die Universität Münster wird darauf bewilligt und die Resolution der Budgetkommission an- genommen, ebenso ohne Debatte der Zuschuß für das Lyceum in Braunsberg.

Der Zuschuß für das Charité - Krankenhaus in Berlin ist in Höhe von 794791 ä, d. #. 107515 4 mehr als im Vorjahre, in den Etat für 1910 eingestellt: im Ertra- ordinarium sind für die Charité 1 149 420 A ausgeworfen. Darunter befindet sih ein Posten von 427 000 6 zur Deckung des Fehlbetrages bei den sächlichen Fonds der Charité.

Referent Abg. Dr. von Savign y führt aus, daß diese Fehl- beträge offenbar der unzureihenden Dotierung dieser Fonds ihre Ent- stebung verdankten.

Ein Kommissar des Finanzministers bestreitet dies. Der ordentliche Zushuß für die Charité habe \ich seit 1897 mebr als verdreifal;t und babe noech im leßten Jahre eine sehr beträchtliche Erböbung erfahren. :

Abg. Busch (Zentc.) tritt für die Anstellung eines katholischen Seisilichen im Hauptamt am Charité-Krankenhause cin. Ein Naum zur Abhaltung des Gottesdienstes müsse dort vorhanden sein.

Abg. Sauermann (Zentr.): Das Pflegepersonal in der Berliner Charité sollte höhere Löhne und kürzere Arbeiszeit baben.

_Der Zuschuß für das Charité-Krankenhaus wird ge nehmigt und darauf der Rest des Kapitels „Universitäten“ ohne Debatte bewilligt.

(Schluß des Blattes.)

Statiftik und Volkswirtschaft.

Ausgaben für alkobolishe Getränke im Hausbalte minderbemittelter Familien.

J om Kaiserlichen Statistisben Amt im Märzheft des „Neichsarbeitsblatts“ (S. 189—202) veröffentlihten „Beitrage zur Alfoholfrage“, auf den {on in Nr. 77 des „Neichs- und Staats- anzeigers“ hingewiesen wurde, ist auch zahlenmäßig festgestellt, welche Rolle der Alkohol Ir i Diese Frage ist von besondere ] besteht, daß bei der Begrenztheit des Arbeitereinkommens der Anteil der Aufwendungen für alkoholisde - Getränke unter den Aus- gaben für den Lebersunterhalt überhaupt \#o groß wird, daß der Vest der Einnahmen nicht mehr ausreiht, um eine Lebens- haltung zu gewährleisten, wie sie zur Erhaltung cines gesunden und arbeitsfähigen Geschlechts erforderlih ist. Eine neuere Untersuchung, deren Ergebnisse ein Urteil über jene Frage gestatten, liegt für das Jahr 1907 in der vom Kaiserlichen Statistisden Amte angestellten (Srhebung von Wirtschaftêrechßnungen minderbemittelter Familien im Deutschen Reiche vor. Bei dieser hat für 155 Arbeiter- und 60 Beamten- und Lekbrerfamilien eine Sontcrermittlung hinsichtlich des Verbrauchs alkoholisher Getränke stattgefunden, bei der niht nur die Ausgaben für alfkoholishe Getränke gesondert aus- gezählt wurden, sondern auch von den Ausgaben für Vergnügungen, Uluêgänge u. dgl. s{äâßungeweise ein gewisser Prozentsaß als |

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im Arbeiterhaushalte sxielt. Withtigkeit, da die Gefahr

für Alkohol ausgegeben angesehen wurde. I heraus: Sämtliche 155 Arbeiter familien wandt

ei einer durdscnittlihen jährlihen Gesamtausgabe von 1789 S 86,30 Æ oder 4,896 für alfoholishe Getränke auf, sämtlich 50 Beamtenfamilien bei einer Gesamtausgabe von 2850,89 4 n : 71,44 Æ oder 2,59/0. Nah der Wohlhabenheit gegliedert, er x ih, daß bei den Arbeiterfamilien mit einer jährlichen Gesamtaus von 1600 bis 2000 4 auf alfoholishe Getränke 83,87 4 ob, 4,6 %/0, bei den Beamtenfamilien von der gleichen Gesamtausgabe hingegen nur 47,54 4 oder 2,59/6 auf alfoholishe Getränfe ent. fielen. Bei einer beiderseits gleihen Gesamtausgabe von 2000 bis 3000 Æ wurden von den Arbeiterfamilien 98,12 oder 4 3 0/

von den Beamtenfamilien 70,72 4 oder 2,7% für den gleidhen Zweck aufgewendet. : :

Die Erbebung gibt gleichzeitig einen Anhalt für die Beantwortung der Frage, in welchem Verhältnisse die Ausgaben für Alkohol zu denen für Nahrungs- und Genußmittel überhaupt stehen. Im Durcb\chnitt sämtlicher Arbeiterfamilien (nit nur der bei - der vorerwähnten Sonderuntersuchung betrachteten) mit unter 2000 6 Jahresausgabe wurden für alfkoholische Getränke im Hause oder im Wirtshause jährlih 62,46 A ausgegeben gegenüber 23,50 4- bei \ämtliGen Beamtenfamilien. Das sind tm ersteren Falle 8,02 9%, ‘im leßteren Falle 3,18 % sämtliher Ausgaben für Nahrungs. und Genußmittel (aus\{ließlich von Tabak, aber ein\licßlid alkfoholfreier Getränke wie Umonade u. dgl.). Bei einer beiderseits gleiden FJahresausgabe von 2000 bis 3000 M entfielen auf die beiden Familiengruppen 93,58 M bezw. 68 12 M das sind bei den Arbeitern 9,18 9%, bei den Beamten 7,3 0 0 der Nahrungs- und Genußmittelausgaben. In Wirklichkeit dürfte der Anteil der Alkoholausgaben an den gesamten Nahrungs- und Genuß. mittelauësgaben noch etwas höher sein, da cin Teil des Berbrauchs außer dem Hause, der ja nicht nur im Wirtshause stattfindet, bier nicht erfaßt, sondern in den Auëgaben für Vergnügungen u. dgl. mit: enthalten sein dürfte. Auch geben die _mitgeteilten Zahlen kein Bild von dem Alkoholverbrauch im allgemeinen. Dazu ift einmal die Zahl der untersuhten Familien zu gering: andererseits stellen diese Familien, die ein Jahr hin. durh regelmäßige Anschreibungen ihrer täglichen Ausgaben vorzunehmen imstande waren, eine Auslese dar, die in ihrer ganzen Lebensführung wohl über dem Durchschnitt stand. Immerhin aber geht aus den Berechnungen hervor, daß der Alkoholverbrauh in den Arbeiterfamilien ziemli beträhtlih war, und daß er sich wesentli über denjenigen erhob, der in Familien anderer Berufszweige, die über die gleihen Einkommen verfügten, festzustellen war.

Vergleicht man mit den Ergebnissen der deutschen Erhebung die der leßten allgemeinen Uutersuhung des Arbeitsamts der einigten Staaten von Amerika, die sich auf 2567 Familien erstreckte, so findet man, daß die nordamerikanishen Arkbciter, deren Lebens- haltung als die zurzeit höchste angesehen wird, im Durchschnitt nur 1,620/, ihrer Gesamtausgaben auf alkcbolishe Getränke verwandten. Allerdings waren von diesen Familien 1265 oder 49,5% abstinent. Werden nur die nicht abjlinenten berücksichtigt, so crhöt si der Prozentsag auf 3,19 9% der Gesamtausgaben, Auch dieser Satz ist noch niedriger als der oben erwähnte für die beobachteten 155 auëgesuchten deutschen Arbeiterfamilien. j

Eine neuere nordamerikanishe Erhebung von Wirtschaftsrechnungen New Yorker Arbeiterfamilien (The Standard of living among Workingmen's Families in New York City by Robert Coi! Chapin [New York 1909]) hat bezügli des Alkoholverbrauchs zu folgenden Ergebnissen geführt: Von 361 Arbeiterfamilien wurden, nah dem Einkommen gegliedert, für Alkohol in und außer dem Hause durchschnittlih ausgegeben : i :

Einkommen

Alsdanu stellte si

BVer-

Ausgaben für Alkohol in 9/0 des Dollar Dollar Einkommens A D 18,47 2,7 600— 699. . 27,25 42 O O 32,52 4,4 800— 899 . 37,65 i 900 I A, 36,65 3 1000—1099. 50,76 4, 1100 —— T 6 O2. Ueber die Beteiligung der verschiedenen Nationalitäten am Alkoholgenuß ergab die Untersuhung, daß von den unter- suchten Familien überhaupt Ausgaben für im Hause genossenen Alkohol verzeichneten : j 46,3 9/9 der Familien nordamerikanisher Herkunft L: L deutscher 70,8 z irischer G farbiger 100,0 ¿ i böhmischer 89 4 2 russischer S4 4 Ó österrethischer P u italienischer L Auch diese Teilerhebung \priht für einen stärkeren Alkoholverbrauch 4 Mig deutschen Arbeitern im Vergleih mit den nordamerikg- nischen.

Die Bewegung der Bevölkerung in Elsaß-Lothringen im Jahre 1908.

Nach dem Statistishen Jahrbuch für Elsaß-Lothringen ([11. Jahr- gang) wurde die Gesamtbevölkerung Elsaß-Lothringens um die Mitte des Jahres 1908 auf 1 863 200 geshäßt, d. i. auf 18 400 mehr als um die Mitte des Vorjahres und auf 309 200 mebr als vor 30 Jahren. Bei der Volkszählung vom 1. Dezember 1905 varen, einschließlich von 81 109 Militärpersonen, 935 807 Bewohner männlichen und 878 757 weiblihen Geschlehts, zusammen 1 814 564 Bewohner festgestellt. Lebendgeboren wurden im leßten Berichts jahre 50 887 Kinder, totgeboren 1479, sodaß auf je 1000 Bewohner 28,1 Geburten entfielen; diese Geburtsziffer hatte i. F. 1901 noch 31,8 °/0o betragen und ift seitdem fast ununterbrohen von Fahr zu Fahr gesunken. Außereheliher Abkunft waren von den 52 366 neu- geborenen Kindern 3771, d. #. 720%: von den 1325 Kindern, die bei Zwillings- oder Drillingsgeburten zur Welt kamen, waren 64 außerehelich und 77 tot geboren. Gestorben sind im ganzen 94 365 Personen (auss{ließzlich der Totgeborenen), darunter 12 752, d. f. 37,1%, nach Ablauf des 60. Lebenétjahres und 206 sogar erst nah 90 und mehr Lebensjahren. Im 1. Lebensjahre starben 8767 Kinder, d. #. 172 auf je 1000 Lebendgeborene, daneben kamen 28 totgeborene Kinder auf je 1000 Lebendgeborene. Im Alter von 1 bis 5 Jahren starben 2644 Kinder, sodaß etwa ein Drittel aller Sterbefälle (33,2 9/6) Kinder der ersten 5 Lbensjahre betraf. Von den 247 Selbstmördern waren nur 165 Elsaß-Lothringer, 64 gehörten anderen deuts{chen Staaten an, 13 waren Ausländer und 5 unbekannter Staatsangehörigfkeit: durch Vergiftung hatten 7 Selbstmörder geendet. Von den 964 „tödlichen Verunglückungen“ waren 49 durch Mord oder Totschlag herkteigeführt, 151 durch Ertrinken, 141 dur Ucberfahren usw., 17 der Verunglückten waren dur Un- vorsichtigkeit erschossen, 23 dur Tiere verleßt, 13 waren einer Ver giftung erlegen. Der Ueberschuß der Geburten über die Sterbe- fälle betrug im Berichttjahre 16 524, d. \. 89 °/,5 der mittleren Be- völkerung, und war geringer als in den beiden Vorjahren. Die Zahl der Zugewanderten unter der Zivilbevölkerung war in den Jahren 1900 bis 1905 um 3954 höher als die Zahl der Abgewanderten gewesen, nahdem bis 1900 für alle 6 Jahrfünfte seit 1871 ei Veberwiegen der abgewanderten Personen über die zugewanderten fest- gestellt worden war.

Zur Arbetterbewegung. Bon der Lage im Baugewerbe gibt der Deutsche Arbeit- geberbund für das Baugewerbe in einer Zuschrift folgende

Darstellung: „Die dem Deutschen Arbeitgeterbund für das Vaus- gewerbe nahestehenden baugewerblidhen Fahblättecr seßen in dieser J

Woche die Veröffentlihung der Zahlen der ausgesperrten Arbeiter

fort. Danach sind u a. bisher als entlassen gemeldet worden: im Königreih Sachsen 28 000, in Elsaß - Lothringen 6000, in Baden 2500, im Frankfurter (mitteldeutschen) Bezirk 12000, in Posen 4100, in Mecklenburg 4800, in Pommern 2500, in der Lausitz 1000, in Ostpreußen 2800, Westpreußen 4500, im bergischen Bezirk 3100, Braun]hweig 2200. Diese 12 Bezirksverbände haben demnach zu- sammen 70 000 Mann ausgesperrt. Die übrigen 15 großen Bezirks- verbände (darunter ganz Nord-, Nordwest-, in Westdeutschland, Bayern, Württemberg, Thüringen, Provinz Sachsen, Brandenburg, Schlesien) werden ihre Zahlen noch im Laufe der Woche bekannt geben, ebenso die dem Bund direkt angeschlossenen Ortêsverbände.“ Vie in den Lagerbierbrauereten, Malzfabriken. und Bierniederlagen Groß - Berlins beschäftigten organisierten Arbeiter und Handwerker nahmen, wie die „Voss. Ztg.“ be- richtet, am Sonntag in einer von mehr als 5000 Perfonen besuchten Versammlung Stellung zu den zwischen der Lohnkommission der Gewerkfshaften und der Kommission des Vereins der Brauereien geführten Tarifverhandlungen. Der alte Tarifvertrag ist am 1. April abgelaufen und vorläufig verlängert worden. Die Arbeiter fordern einen zweijährigen Tarifvertrag mit einer Lohn- erhöbung von 3 X die Woche für die meisten Arbeiterkategorien. Weiter fordern sie eine Verkürzung der Arbeitszeit um eine Stunde bei Tag- und Nachtschicht, sodaß die Arbeitszeit bei Tage 84 Stunden netto und 10 Stunden brutto, bei Naht 8 Stunden netto und 9 Stunden brutto beträgt. Gegen eine erheblihe Minderheit wurde folgende Erklärung angenommen: „Die Versammlung lehnt mit Entrüstung die minimalen Zugeständnisse der Unternehmer ab. Ins- besondere hält die Versammlung an der Forderung einer Verkürzung der Netto- und Bruttoarbeitszeit bei Tag- und Nachtschicht fest. Auch eine Lohnerhöhung ist notwendig, die der Belastung der Arbeitnehmer entspriht. Die Zugeständnisse der Unternehmer sind auch in dieser Hinsicht nicht ausreihend. Die Kommission wird beauftragt, die Verhandlungen zu beschleunigen und das Resultat einer sofort einzuberufenden Versammlung zu unterbreiten." Die Minder- heit wollte fofort in Ausftand treten. Bei der Gerüstbau- firma L. Altmann, deren Arbeiter sich zum Teil im Ausstande befinden, wollten gestern, wie dasfelbe Blatt meldet, etwa 20 Arbeits- willige ihrer Beschäftigung nahgehen und befanden sih zu diejem Zweck auf einem Gerüstwagen der Firma, der friedlich die Bismarck- straße in Charlottenburg entlang fuhr. Da tauchte plößlich ein Tr u pp Streikender auf und warf sih auf das Gefährt. Einige versuchten die Pferde aufzuhalten, ließen indessen sofort davon ab, da der Kutscher aus einem Revolver einen Shuß abgab, der einen Strei- fenden nicht unerheblih verlegte. Die Schutz mannschaft, die sich inzwischen eingefunden hatte, mußte sich fehr anstrengen, um die Menge auseinanderzubringen. Einige Sistierungen wurden vorge- nommen. Die Arbeitswilligen derselben Firma hatten auch an den Terrassen in Halensee sowie auf dem Shinkelplatze, wo sie arbeiteten, viel von den Streikenden auszustehen. i:

Eine Lohnbewegung in den Gießereien des Bezirks Hagen- Schwelm hat, wie die „Rh.-Westf. Ztg.“ mitteilt, bereits weitere Kreise gezogen. Wegen des Ausstandes der Former der Firma „Gevelsberger Stahlwerk“ hat der Arbeitgeberverein die Arbeit der Firma an ‘andere Firmen des Verbandes überwiesen. In -mehreren Betrieben is nun die Ausführung dieser sogenannten „Streikarbeit“ von den Arbeitern verweigert worden, sodaß Arbeiterentlassungen vor- genommen werden mußten. Bei der Firma Nentrop in Milspe haben 19 Former die Arbeit unter Kontraktbruch verlassen.

Aus Paris wird dem „W. T. B.“ telegraphiert: Bei den Erdarbeiten an der Bahn nach Saint - Denis griffen 150 streikende Arbeiter die Polizei und die Soldaten an, welche die Arbeiten überwachten. Es fam zu einem heftigen Zusammenstoß, bei dem mehrere Polizeibeamte verwundet wurden. Ein Polizist verwundete einen Streikenden durch

einen Nevolverschuß. A (Weitere „Statistishe Nachrichten“ f. i. d. Zweiten Beilage.)

Kunft und Wissenschaft.

Die Ausstellung der Sézession. H:

Die drei durch Sonderausstellungen geehrten Künstler sind Haber- mann, Zorn und Trübner. Habermann beherrscht das Handwerks8- mäßige seiner Kunst zweifellos ausgezeichnet. Diese Beherrs{ung ist eine gute Münchener Tradition. Der alte Wilhelm von Diez wußte es seinen zahlreithen Schülern ebenso bei- zubringen wie ODesfregger, Wf und andere. Viele gute Früchte entwuchsen diesem goldenen Boden, aber vielen auch ward es zum Verhängnis, daß sie zu {nell mit sich und der Kunst fertig wurden ; zu ras dur öffentliche Anerkennung verwöhnt, verfielen \ie der Manier. Habermann ist einer von diesen. Seine Ausstellung. ist tunstgeschichtlich recht interessant, weil sie den Gang seiner Ent- wicklung, von seinen Anfängen im alten Münchener Atelierstil mit der dunkeln Palette, über die Anfänge seiner Manier in den neuniziger Jahren und deren geringe Schwankungen bis heute zeigt. Gewiß Be. darf es keines geringen Talents und tüchtiger Arbeit, um bis zu diesem Grad von Pinselfertigkeit und Beherrshung der Farben und Formen vorzudringen. Schade nur, daß sich dieses Talent mit Oberflächlich- feit gepaart hat und an so billigen dekorativen und andern Effekten seine Freude und sein Genügen findet! Man soll sich jedoch nicht an den Grenzen einer Persönlichkeit stoßen, die innerhalb dieser ihr Gleicbgewicht gefunden hat und darüber hinaus ins Uferlose geriete. Mit dem Durchschnitt der Bildnismaler hat Habermann noh lange nihts gemein, wenn et au) meistens Posen malt, die man ihm und einen Heldinnen nicht glaubt. Vereinzelt begegnet man seiner ge- würzten ‘Art recht gern aber mit Sonderausstellungen größeren Umfangs tut man weder ihm noch dem Publikum einen Gefallen. Der zweite ist Anders Zorn. Eine Enttäushung. Vor wenigen Monaten erst zeigte er \ich in der grapbishen Ausstellung als einen der glänzendsten und bedeutendsten Radierer unserer Zeit. Das Los, als Maler nicht annähernd Gleichwertiges hafen zu können, teilt er mit manhem andern Meister der Griffelkunst. Troßdem er hat auh als Maler viel mehr versprochen und weit Besseres ge- leistet, als diesmal zu sehen ist. _Das tatt betonte solkloristishe Moment, das in seinen Volkstypen wie bei einigen Ungarn stark betont ist, wirkt im Ausland naturgemäß fremd. as Bild „Weibliche Akte im Freien“ zeigt den Nückgang der Zoxn- [hen Kunst ganz besonders. Das grelle Grün des Laubes und die völlig lofalfarbig behandelten Mädchenkörper könnten ih niht mehr wider)prechen, und die Ueberwindung der herkömmlichen Modellhaltung i gar nit versucht. Das Porträt des Königs Gustav von Schweden is elegant gemalt, läßt aber keinerlei tieferes Interesse aufkommen. Recht fein ist die Beleuchtung im „Kirchenhaus“", und das „Kari“ be- nannte Mädchenbildnis zeigt Zorn in feiner sonst gewohnten sarbigen Frishe und übersprudelnden Sinnlichkeit. Neues ist auch von Wilhelm Trübner für die nicht _zu finden, die die Sammlung seiner Bilder auf der leßten großen Dresdner Kunstausstellung gesehen haben und die seither neu hinzugekommenen Pilder im Salon Gurlitt. Doch sieht man seine kernige deutsche

erl Immer wieder gern, wenn es auch viele geben mag, denen sie zu .

fühl ist. Seine Pferde- und Neiterbilder zeigen ihn ebenso wie die seinen Landschaften vom Starnbergersee als markige Persönlichkeit, und er verdient es, beute als cine der Säulen deutsher Malerei ge- eirt zu werden. Von den Figurenbildern Lovis Corinths ist die eMalerfamilie“ das weitaus beste. Es ist eines seiner humorvollen, leben- | roßenden Bilder und außerdem ein Meisterwerk origineller Komposition.

Ur im [inks stehenden Jungen ist die Modellpose nicht ganz über- unden. Dagegen ist in den „Waffen des Mars“ alles im ersten Ciadium der Konzeption s\tecken geblieben und keinerlei Einheit reiht. Man staunt über die Naivität, mit der hier verschiedene Tiguren zusammengestellt sind. Auf Corinths großen Wurf müssen

2) Vergl. Nr. 93 d. Bl.

wir also noch warten. Max Slevogt dagegen hat einen voll- bracht. Nicht als ob man seinen „Hörselberg“ restlos bejahen könnte aber ein wohldurchdachtes Meisterwerk ist dieses Kolossalgemälde. Nicht parfümierte Wollust herrscht in dieser Lebeshölle, sondern ewige Leidenschaft. Hinreißend wirkt dieser, seine Hüllen ab- streifende, sch von aller Weltenqual mit einem Ruck be- freiende Tannhäuser, der sich Venus in die Arme stürzt. Störend wirkt vorläufig die rosige Beleuchtung, doch dürfte die Zeit ihren etwas faden Ton dämpfen. Jedenfalls ist es zu begrüßen, daß Slevogt mit diesem Bild ältere Bahnen, die er in den leßten Jahren scheinbar niht gepflegt hat, wieder betritt und an die Erfüllung dessen schreitet, was er {on vor anderthalb Jahrzehnten versprochen hat. Die zweite freudige Ueberraschung sind Serdinand Hodlers Studien „Holzhauer“ und „Mäher“. Nicht als für \ich abgeschlossene Bilder, fondern als Bewegungsstudien für eine größere Kom- position. Die Bewegungsmomente dieser beiden Arbeiter sind in ihrem Rhythmus so restlos zwingend erfaßt, daß sie den Eindruck reinster Schönheit auslösen. Hodler scheint mit diesen Werken in ein neues Entwicklungsstadium getreten zu sein, das zu den größten Hoffnungen berechtigt. Seine dekorativ behandelten Land- schafts\tudien wären indessen wohl besser weggeblieben, da sie in dieser fragmentarishen Schaustellung höchstens Mißverständnis erregen. Gute Beispiele ihrer Kunst sind auch von den alten Meistern Hans Thoma und Friß von Uhde zu sehen, die gewohnte, uns längst vertraute Bahnen wandeln. D! D;

Bauwesen.

Im Architektenverein in Berlin hielt am Montag der Architekt Jansen als Erster Sieger im Wettbewerb einen Vortrag über den Wettbewerb um einen Grundplan für Groß- Berlin. Dieser Vortrag sollte in erster Linie den Fachleuten eine Anleitung bieten zum Studium der vielen, zum Teil nicht leicht ver- ständlichen Wettbewerbspläne, die vom 1. Mai bis 15. Juni auf der hiesigen Städtebauausstellung weitesten Kreisen zugänglich sein werden. C8 erschien erwünscht, um s{neller und sicherer in die selbst den meisten Fachleuten fremde Materie cindringen zu können, über die Wichtigkeit der einzelnen hier gelösten Aufgaben Aufschluß zu erhalten, vor allem zu zeigen, welhe Aufgaben als die dringlihsten anzusehen sind. Als solche bezeichnete der Nedner, der jahrelang diese Fragen eingehend s\tudierte, vor allem die Notwendigkeit einer günstigeren Ansiedlung der Großstadtbewohner in und um Berlin. Dies könne nur geshehen dadurch, daß endlih den Bebauungsplänen erhöhte Wichtigkeit von allèn verantwortlichen Behörden beigemessen und daß ferner für eine gerechtere und zum Teil, zumal was die Bebauung mit 4- und 5 stöckigen Zinshäusern angeht, menschenwürdigere Bauordnung gesorgt werde. Schlimmer könne der Bodenspekulation gerade bei den Bauklassen 1, 11 und A nicht Vorschub geleistet werden, als es jeßt geschehe. Seiten- und Hinterbauten seien zu verbieten, die rückwärtige Bauflucht sei vor- zuschreiben, ebenso daß der Abstand der Rükfronten mindestens gleich der Höhe der Hinterhäuser sei und möglichst durchgehende Höfe und Gärten gewahrt würden. Das 4. Geschoß sei aus den Vororten, die hon über Gebühr hiermit vollgepfercht feien, zu verbannen. Gerade dieses verschandele er Umgegend meilenweit und gebe ihm sein berühtigtes Aussehen. Aehnliches gelte von den anderen Baufklassen. Sehr erwünscht, wirtschaftlih und ästhetisch, sei die g e- mischte Bauordnung; sie sei bisher u. a. daran gescheitert, daß es den Geseßesmachern nicht leiht gewesen, dem Gesetz entsprechende Fassung zu_ geben: eine finngemäße Gestaltung der Bebauungspläne erleihtere fie wesentlich. Verkehrt sei es nur, den Bebauungéplan des gesamten Geländes statt vorläufig nur in großen Zügen zu ge- nehmigen und gleichzeitig die betreffende Bauordnung auf die einzelnen Quartiere und Straßen zu legen. Am wichtigsten für Groß-Berlin sei die erweiterte Einführung des Bauverbots für zusammen- hängende große Flächen, zum allermindesten für die nähsten 30 Jahre und das nachdrücklichste Eintreten aller Kreise der Bevölkerung be-

fonders auch der Architektenkreise für Erbaltung der Wälder und Er-

holungspläße. Um diese mit niht zu großen Opfern zu erzielen, empfehle sih eine bedeutende Einschränkung des in den Vororten üblichen und z. T. vorgeschriebenen teuren Straßengeländes. Es brauchte nicht jeder Bau und jede Häusergruppe eine eigne breite und teure Straße. (Es sei gerade das Verdienst architektoni\ch durhgeführter Be- bauungspläne, die {weren Opfer, die dieser Straßenüberfluß den Ansiedlern auferlegt, wesentlih einzus{hränken. Als Beispiel hierfür führte Redner seinen preisgekrönten Plan für die Aufteilung des Tempelhofer Feldes vor, der bei großer Ausnutzungsmöglichkeit durch Vermeidung unnüß breiter Straßen eine verhältnismäßig sehr große, zusammenhängende Parkflähe vom Vikftoriapark bis zum Bahnhof Tempelhof gewährt, die für Spiel und Sport reihlich Platz bietet. Weiter wurde auf die großen Durchbrüce eingegangen, die weniger eilig seien und nur allmählih von den Gemeinden vorbereitet werden sollen. - Die Erzielung künstlerisher Städtebilder sei hierbei erste Bedingung, desgleichen eine Mindestbelastung des Gemeindesäels. Daß ein erstklassiges Plaßbild geshaffen werden könne ohne die geringste Ausgabe, zeigte die von dem Nedner durchgeführte Plat- gestaltung am Köllnischen Park, für deren Gelingen er die Verwaltung von Berlin verantwortlich machte. Analog wurden an Hand zahl- reicher Lichtbilder die s{wierigen Eisenbahnfragen, die Kanäle, Hafen- anlagen usw. besprochen bezw. angedeutet : denn das Thema sei fo un- erschöpflih, daß nur wiederholtes Studium, möglichst unter Führung der verschiedensten Fachleute, hier einigermaßen weiter helfe, und diese Führung sollen die zahlreichen Einzelvorträge auf der Städteausstellung bieten, sowie besonders die Besichtigung der vielen dort ausgestellten, höchst lehrreihen Pläne und Modelle des In- und Auslands. Eine gleih wertvolle Sammlung sei bisher noch nicht zusammengebracht worden; ihr Besuch sei jedem, der im öffentlichen Leben an ver- antwortungsvoller Stelle stebe, eine Pflicht und ein Genuß: sie werde manchem die Augen öffnen.

Land- und Forftwirtschaft. Saatenstand in Numänien. Kaiserliche Generalkonsul in Bukarest berichtet unterm .: Dem rumänischen Staatsanzeiger sind folgende Nachrichten n Stand der Saaten im Monat März entnommen.

, Die trockene und warme Witterung der ersten Hälfte des Monats März war sowobl für die Fortseßung der Frühjahrsfeldarbeiten, als auh für die Entwicklung der Vegetation so vorteilhaft als nur irgend möglih. Infolge der milden Witterung im Winter, der

Wärme im Monat Februar und cinem großen Teile des Monats März entwielten . sich die Herbstsaaten und Knospen der Obst- bâume zu stark. Schneefall, Neif, kalte Witterung und _der Frost der leßten Dekade des Monats März waren von großem Nußen, da dadur die Entwicklung etwas aufgehalten wurde; außer- dem wurde dadurch die allzu starke Verdunstung der Feuchtigkeit der Erde aufgehalten, sodaß die Erde in der Tiefe nicht zu trocken wurde. Während des ganzen Monats März ist überall mit dem Ackern und der Ausfaat von Noggen, Hafer, Luzerne, Erbsen usw. ‘fortgefahren worden : an vielen Orten wurden au Zukerrüben und teilweise auch Kartoffeln angebaut. Gegen Ende des Monats begann man in einigen Gegenden der Ebene der Bezirke Mehediny, Dolj, Nomanat, Buzeu und Covului mit der Aussaat von Mais, Der Regen und der Schneefall der leßten Tage haben viel zur weiteren Entwicklung der Saaten beigetragen. Die Herbst- saaten stechen im ganzen Lande so s{hön wie nur irgend möglih. Sie haben sich so stark entwickelt, daß sie allerorts die Erde bedecken, ja, man ließ, damit sie niht zu hoh wachsen und sich lagern, das Vieh darauf weiden oder {nitt sie au. Der Raps ist, troßdem er gut überwintert hat, an cinigen Gegenden in Gefahr, zugrunde zu gehen, da er von Jnsekten und Larven angegriffen wird. Die Frühjahrs- ausfaaten vom Monat Februar und Anfang März haben gekeimt und sih gut entwickelt; die später gesäten sind noch nit aufgegangen, da die Witterung in der letzten Dekade des Monats März etwas kühl war und die Erde nicht genügend Feuchtigkeit enthielt. Roggen und besonders

Hafer gelangen noch in vielen Gegenden zur Aussaat, mit Ausnahme der Moldau, wo infolge der kühlen Witterung der leßten Märztage die Feldarbeiten an vielen Orten eingestellt werden mußten. Die W einreben sind ausgegraben und an - vielen Stellen auf Spalier gelegt worden; die Weinstöke sind gut entwickelt, und bei einigen Arten haben \ih bereits Knospen gezeigt. Die Wiesen haben im ganzen Lande zu grünen begonnen; man läßt das Vieh bereits darauf weiden.

Im Verlage von Paul Parey, Berlin, erschien der fünfte Jahresberiht über die Tätigkeit der Kaiserlichen Biologischen Anstalt für Land- und Forstwirtschaft, der sich auf das Jahr 1909 bezieht und von dem Direktor, Professor Dr. Behrens erstattet ist. Er enthält zunächst Mitteilungen zur Geschichte der Anstalt und behandelt sodann deren wissenschaftliche Untersuhungen über die Aufnahme von gelösten Salzen dur Wurzeln, über die Brandkrankheiten des Getreides, über die Biologie des Antherenbrandes von Melandryum album. über die Kartoffelpflanze, über Kartoffelfusarien, über die Ursachen der Herz- und Trockenfäule der Nüben, über Anbauversuhe zur Bekämpfung der Herz- und Trockenfäule der Nüben, über Infektionsversuche mit Plasmodiophora Brassicae Woronin, über Magenuntersuchungen beimisher Raub- vögel, über Gewölluntersuchungen, über Versuche mit Insektengiften, über die Biologie der Maulwurfsgrille (Gryllotalpa vulgaris L), über Chermiden, über Phylloreriden, über den Einfluß einer Schwefel- fohlenstoffbehandlung des Bodens auf das Pflanzenwalstum, über das Verhalten der Bakterien in einer Stickorydulatmospbäre, über die Frage der Anwendbarkeit von Arsenpräparaten als Pflanzenschut- mitteln, über die Verteilung von Schwefelkohlenstofdampyf in einem großen Desinfektionskasten, über den Einfluß von bleihaltigem Boden auf das Wachstum der Pflanzen, über die Gpidemiologie der sogenannten Faulbrut der Bienen und über die Nuhr der Bienen. Zum Schluß wird über die Organisation zur Beobachtung und Bekämpfung der Pflanzenkrankheiten und Auskunftserteilung über Schädigungen der Kulturpflanzen berichtet,

Gesundheitswesen, Tierkraukheiten und Absperrungs- maßregeln.

Der 1V. Internationale Kongreß zur Fürsorge fün Geisteskranke wird in Berlin in der Zeit vom 3. bis 7. Ok- tober d. J. im Abgeordnetenhause abgehalten werden. Er wird si nicht aus\chließlich mit den Fragen und Aufgaben der zeitgemäßen Behandlung und Unterbringung Geisteskranker befassen, vielmehr alle Untersuchungen, Maßregeln und Einrichtungen vereinigen, die dem Schutze der geistigen Gesundheit in jeder Nichtung dienen. Mit dem Kongreß wird eine Ausstellung der Fürsorge für Gemüts-, Geistes- und Nervenkranke verbunden sein und darin eine Uebersicht über die in den leßten 3 Jahrzehnten auf diesem Gebiete in Deutschland gemachten Fortschritte und ein Ueberblik über die in anderen Kulturstaaten geschaffenen Einrichtungen gewährt werden. Unter den für die Be ratungen ausersehenen Referaten und Vorträgen sind verschiedene au für weitere Kreise bemerfkenswert, z. B.: „Ueber den Zusammenhang zwischen Zivilisation und Geisteskrankheit“; „Läßt sih eine Zunabme der Geisteskranken feststellen?“ : „Die Schlafkrankheit": „Die Be- deutung einer geordneten Säuglings- und Kleinkinderfürsorge für die Verhütung von Epilepsie, Jdiotie und Psychopathie“ : „Psychopatho- logishes in moderner Kunst und Literatur“. Anfragen und Mit- teilungen sind zu rihten betreffs der Ausstellung an Professor Dr. Alt, Uchtspringe (Altm.), betreffs der Referate und Vorträge, an Professor Dr. Boedecker, Schlachtensee-Berlin, betreffs sonstiger Angelegenheiten an Oberarzt Dr. Falkenberg, Uchtenberg-Berlin, Herzbergstraße 79.

Hinterindien.

Die durch Verordnung der Kolonialregierung in Singapore von? 12. Oktober 1907 wegen Auftretens von Cholera über den Hafen von Manila verhängte Quarantäne ist dur Verordnung vom 12. März d, J. aufgehoben worden. (Vergl. „N.-Anz.“ vom 13. November 1907, Nr. 271.)

Der Hafen von Moulmein ist wegen Auftretens von Beulen- pest durch Verordnung der Kolonialregierung in Singapore vom 12. März d. F. für verseucht erklärt worden.

Verkehrsanftalten.

Am 1. Mai tritt bei der Försterei Saatwinkel eine Telegraphenhilsf\telle mit öffentliher Fernsprechstelle in Wirksamkeit. g

Verdingungen im Auslande.

(Die näheren Angaben über Verdingungen, die beim „Reichs- und

Staatsanzeiger“ ausliegen, können în den Zan in dessen

Expedition während der Dienststunden von 9 bis 3 Uhr eingesehen werden.)

ODesterreih-Ungarn. “Sputeslens 4 Mal 1910 10 U K K. Bauleitung, neues Gerichtsgebäude, Wien : Arbeiten für den Zubau zum Gerichtsgebäude Innere Stadt Wien. Näheres bei der vorgenannten Bauleitung, 1, Niemergasse 7, 4. Stock, Tür Nr. 158, und beim „Reichsanzeiger“.

Bulgarien

Gemeindeverwaltung der Stadt Nustschufk. 15./28. Mai 1910, 10 Uhr Vormittags, im Nathause daselbst. Geheime Konkurrenz be- hufs Vergebung folgender Arbeiten: 1) Herstellung des Wasserrohr neßes der Stadt RNustshuk, und zwar: a. Erdarbeiten, b. Maurer arbeiten, c. Lieferung und Montage der Nöhren, Zubehör und Arma- turen. 2) Herstellung des Wasserhochbehälters, und zwar: a. Erd arbeiten, þb. Maurerarbeiten, c. UÜeferung und Montage der Röhren, Zubehör und Armaturen des Hochbehälters. 3) Ueferung der Neserveteile. Ungefährer Wert der auszuführenden Arbeiten und Lieferungen insgesamt 1 141 000 Fr. Kaution zur Teilnahme an der Submission 57 050 Fr. Schriftlihe Offerten werden bis 1114 Uhr Vormittags am selben Tage entgegengenommen. Die Bedingungen, Kostenanshläge, Pläne und andere Submissionsunterlagen stehen den Interessenten zur Einsichtnahme jederzeit in der Wasserabteilung der städtishen Verwaltung in Nustshuk (Bulgarien) zur Verfügung. Das Heft, enthaltend die Einheitspreise, Kostenanshläge und Bedin- gungen, kann gegen Erlegung von 4 Fr., die Kopien der Pläne önnen gegen Erlegung von 16 Fr., insgesamt sür 20 Fr. vom Magistrat der Stadt NRustschuk bezogen werden.

Theater und Mufikf. Kammerspiele.

Als Schlußneuheit dieser Spielzeit tischte man am Sonntag Feinshmeckerpublikum der Kammerspiele eine nah orientali- Märchenmotiven entworfene Pantomime „Sumurlin“

Freksa auf. Sie unterschied sich von anderen man sie häufig im Zirkus und Ballett ge-

sehen hat, nur dadur, daß die stummen Rollen der agierenden

Figuren der diskreteren Kunst von Schauspielern anvertraut

waren, und daß der Negievirtuose Max Reinhardt das Werk

in Szene gesetzt hatte. Ein neuer Erfolg dieser uralten Kunstgattung war es niht. Vier Stunden lang stummes Spiel anzusehen wirkt immer ermüdend. Wer aber wacker aushielt, wurde dadurch belohnt, daß die besten Szenen, in denen auch die anmutigen Schw estern

Wiesenthal ihre Tanzkunst entfalten konnten, zuleßt famen. Es han-

delt sich um eine Art Entführung aus dem Serail. Ein junger arabischer

dem fchen von Friedri ihrer Art, wie