1910 / 97 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 26 Apr 1910 18:00:01 GMT) scan diff

So außerordentlich viel s{lechter S als die Schiffahrt anderer Under ist die deutsche also doch niht. Der Entwurf sollte niht eher verabschiedet werden, als bis seine Notwendigkeit noch genauer nach- ewiefen ist; ih schlage deshalb seine Verweisung an die Budget- ommijjtion vor. L N _ Abg. Dove (fortshr. Volksp.): Wir {ließen uns diesem Vor- shlage an, stehen aber zur Sache selbst auf einem anderen Stand- punkt. Die Vorlage bringt auch einige Veränderungen des materiellen Rechts und birgt einen großen Tarif, der natürlih nur in einer Kommission genau geprüft werden kann. Es war ganz über- flüssig, uns jeyt noch mit solchen Dingen zu befassen, denn es ist ganz undenfbar, daß die Vorlage noch vor der Vertagung verabschiedet werden kann. | Abg. Dr. Semler (nl.): Jh möchte gerade diefe Gelegenheit benußen, um auch unserseits gegen diese unaufhörlichen Ueberflutungen mit Seseßentwürfen Protest einzulegen. Ein anderes Gesetz, das- jenige über den Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit, das aufs dringliste verlangt wird, kommt und kommt niht. Quousque tandem abutere . .…. .? Die jeßige Vorlage leidet an starken Mängeln. Die Schiffsgebühr hat im Laufe der Zeit und bei der großartigen Entwicklung der deutschen Seeschiffahrt sich zu einer wahren ewerbesteuer umgestaltet. Der Abg. Graf Kaniß meint, die deutsche Seeschiffahrt werde durch die Herabseßung ungebührlih bevorzugt ; andere Nationen aber geben ibrer Schiffahrt große Subventionen. (Abg. Graf Kan iß: Wir auch!) Nein, wir geben gar keine. Die S im Interesse der kleinen Segelschiffahrt ist ganz dringend geboten. Staatssekreiärdes Auswärtigen Amts FreiherrvonSchoen: Meine Herren! Der Herr Abg. Dr. Semler hat mit gewissen Zeichen der Ungeduld noch einmal nah dem Schiksal des Gesetzes über die Staatsangehbörigfkeit gefragt. Jch braucke nur daran zu erinnern, daß diese Frage hier {on vor einigen Wochen gestellt und vom Herrn Reichskanzler beantwortet worden ist. Ich muß natürli davon Abstand nebmen, die Erklärung des Herrn Reichskanzlers zu wieder- bolen, und beschränke mich auf die Bemerkung, daß der Herr Neichs- kanzler gesagt bat, das Gesetz sei im großen und ganzen fertig gestellt, es bätte sid aber über einen einzelnen Punkt noch Zweifel ergeben, über welchen neue Erbebungen notwendig geworden wären; im übrigen würde der Herr Reichskanzler sich die Förderung des Gesetzes an- gelegen sein lassen.

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Abg. Dr. Semlerx (nl.): Diese Vertröstungen von einer Session auf die andere sind das Allerunerfreulihste. Es ist kein Geseß so dringend notwendig als eins, das uns den Verlust der Reichs- angebörigfeit erspart.

Damit {ließt die Diskussion.

Persönlich verwahrt sich der

Abg. Graf Kani § dagegen, gegen die deutsche Seeschiffahrt eine unfreundlihe Haltung eingenommen zu haben.

Die Vorlage geht an die Budgetkommission.

Den leßten Gegenstand der Tagesordnung bildet die erste Beratung des Gesetzentwurfs über die Ausgabe kleiner Aktien in den Konsulargerichtsbezirken und im Schußgebiet Kiautschou.

Staatssekretär des Auswärtigen Amts Freiherr vonSchoen:

Meine Herren! Der Geseßentwurf über die Ausgabe kleiner Aktien in den Konsulargerichtsbezirken und im Schußzgebiete Kiautsbou bat dem boben Hause bereits einmal vorgelegen, ist damals an die Budgetkommissien verwiesen, aber von derselben infolge Schließung des Neickstags nicht erledigt worden. Der Entwurf liegt Ihnen in unveränderter Gestalt nunmehr wieder vor.

Bei der ersten Beratung im vorigen Sommer hier im Plenum es hoben Hauses ist der Gedanke hervorgetreten, daß es sih bei dem vorliegenden Entwurf nur um einen ersten Schritt auf dem Wege Durebbre{ung unserer bewährten Aktiengeseßgebung handele, und

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daß seine Vorschriften auf die übrigen Schutzgebiete ausgedehnt werden fönnten. Demgegenüber kann ih heute nur fagen, daß eine folhe Auêdehnung von den verbündeten Regierungen nit beabsichtigt ist. Der Gesetzentwurf ist auf Ausnabmeverbältnisse, ist aus\{ließlich auf die Konsulargerichtsbezirke namentlich in Ostasien und auf das S@utzgebiet von Kiautschou zugeschnitten. Im übrigen wünschen die verbündeten Regierungen keine Durhbre{ung des durhaus bewährten Grundsates, welcher die Ausgabe von Inhaberaktien unter dem Be- trage von 1000 4 untersagt.

sizung vom 7. Juli v. I. ist ferner bemerkt

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In der Reichstags worden, daß man zu der bier in Frage stehenden Auëenahmebestimmung nur dann die Zustimmung geben könnte, wenn das Bedürfnis nach-

¿s Bedürfnis ist

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gewiesen sei. a gewiß rihtig. Aber ein folches nach unserem Dafürhalten vorhanden, und fogar in erbeblichem

näherer Prüfung, boffe ich, werden Sie \sih

J Co i Maße vorhanden.

überzeugen, daß dem so ist, namentlich wenn wir in der Lage sind, Ihnen bei einer ctwa stattfindenden kommissarischen Beratung Einsicht in die Petitionen zu geben, welche das Auswärtige Amt aus den

4 Wte: L i Del oto or ros G Solanlhon Cn Kreisen un?!erer Kaufleute an den großen Handelsplätzen /ianheng

erhalten hat rreinstimmend sih dafür interessieren, daß

eine sclche Maßregel, wie sie in dem Geseßentwœurf vorgesehen ist,

SFch erwähne auch in diefem Zufammenhange, daß wir im vorigen Jahre, als es draußen in Ostasien bekannt wurde, daß der damalige Entwurf nicht zur Verabschiedung ge- langt war, Eingaben erhielten, welWe uns dringend baten, den Entwurf dem Reichsíage von neuem vorzulegen und nad Möalichkeit für die Annabme einzutreten. In diesen Eingaben ist auch eine Reihe von Unternebmungen namhaft gemacht, welde von Deutschen mit deutshem Gelde in China ins Leben gerufen sind, welche aber die Gesellschaftsform nach dem Nechte anderer Staaten ge baben, eben deébalb, weil nach deutschem Necbt die Ausgabe kleiner Aktien nicht zulässig ist. Einige besondere Beispiele werden Ihnen in der etwaigen kommissarishen Beratung noch unterbreitet werden fönnen.

Es ift ferner der Befürchtung Auêëdruck gegeben worden, daß dur die Zulassung kleiner Aktien ein gewisser Ansporn zur Speku- lation für fleine Leute gegeben werden könnte. Uns erscheint diese Befürchtung difertigt; denn abgesehen davon, daß in den

Konsulargeri jederzeit kleine Aktien auégegeben werden können nah dem dort auc geltenden Neht fremder Staaten, und daß dann so wie so die Möglichkeit für die Spekulation in kleinen Aktien gegeben ist, ist doch zu beachten, daß unsere Landéleute draußen fast auss&lieilid erfahrene Leute find, die sehr wobl wissen, was fie zu tun und zu unterlassen haben, und die sich sehr wohl zu hüten wissen gegen die Gefahr, welhe in der Spekulation mit fleinen Papieren liegen könnte. Ein wesentlicher Nachteil {eint also e

in dieser Nichtung nicht zu befürhten zu sein.

Der Vorteil aber, den wir von der Regelung der Materie in der von uns vorgeschlagenen Weise erwarten, besteht darin, daß deutsche Unternehmer sich binfort niht mehr unter eine fremde Flagge begeben, sondern \ich der Form des deutschen Rechts bedienen werden. Dieser Vorteil ist aber nicht allein ideeller, sondern auch materieller Art. Es ist doch zu bedenken, daß, wie die Erfahrung zeigt, Unter- nehmungen, die sich unter den Schuß eines fremden Rechts stellen, sih auch bis zu einem gewissen Grade dem fremden Einfluß öffnen. Mit dem fremden Einfluß ist natürliG Tür und Tor geöffnet dafür, daß das Unternehmen unter fremde Leitung gelangt, und mit der fremden Leitung wird man zur Bevorzugung fremder Bezugsquellen hingeführt. Es handelt \sih hier um Gebiete, auf welchen eine starke Konkurrenz der vers{iedenen Nationen stattfindet, und auf welchen wir diesen Konkurrenzkampf unseren Landsleuten niht durh unsere Gesetzgebung erschweren sollten.

Aus diesem Grunde erlaube ich mir, namens der verbündeten Negierungen die Vorlage zur Annahme zu empfehlen.

Kommissar des Reichsmarineamts, Korvettenkapitän Brünin g - haus: Wenn das Reichsmarineamt mit dem Auswärtigen Amt den Wünschen der Kaufmannschaft in Ostasien nachgekommen ist und diesem Wunsche durch Vorlegung dieses Entwurfs Aus- druck gegeben hat, so bewegt es sih dabei auf der Linie und in der Nichtung, die verschiedentlih ‘als richtig anerkannt worden ist. Wenn demgegenüber eingewendet worden ist, daß durch die Einführung der kleinen Aktien im Kiautschougebiet eine Spekulation entfesselt werden würde, und daß diese Einführung dort um fo weniger notwendig wäre, als diese Aufgabe von Kolonial- gesellschaften erfüllt werden könnte, so möchte ich darauf erwidern, daß die Kaufleute draußen an die Gründung von Kolonial- ge]ellshaften, die die Möglichkeit hätten, solche kleinen Aktien auszugeben] sehr ungern hberangeben, weil ihnen der Gedanke, mit dem Bundesrat \ih deswegen in Verbindung zu seßen, ob mit Recht oder Unrecht, lasse ih dahingestellt, äußerst unsympathish ist. Auch ist ihnen ein Regicrungskommissar bei der Aktiengesellschaft nidt allzu angenehm. Man muß also mit der Tatsache rechnen, daß die Leute draußen Kolonialgesellshaften nicht gründen, und daß der Wunsch der Ausgabe kleiner Aktien durchaus berechtigt ist. Daß dort Unstimmigkeiten entstanden sind, die gewissermaßen eine Anomalie darstellen, kann ich Ihnen an einem Schulbeispiel zeigen. Mit deutshem Kapital ist in Tsingtau eine deutsche Brauerei errichtet worden, die sh der allgemeinen Beliebbeit erfreut, die aber unter der Flagge einer English and German Brewery fursieren muß. Ich glaube daher, daß man, auch vom Standpunkt des Neichsmarineamts, mit der Einführung dieser kleinen Aktien für Kiautshou den Bestrebungen Vorschub leistet, die hier immer eine anerfennenêwerte und dankenswerte Zustimmung gefunden haben. Deutsche Sprache, deutscher Handel und deutsche Industrie müssen eine wesentlide Einbuße erleiden, wenn man deutshe Unternehmungen nidt na Kräften fördert. Der vorliegende Entwurf ist lediglih aus einem praktishen Bedürfnis entstanden. Noch neuerdings ist uns aus den beteiligten Handeléfreisen volle Anerkennung und Befriedigung über diese Vorlage auêgesprohen worden. Ich glaube Ihnen daher namens des Reich8marineamts die Vorlage zu einer wohlwollenden Prüfung empfehlen zu dürfen.

Abg. Schwarze - Lippstadt (Zentr.): Namens meiner politischen Freunde babe ih schwere Bedenken gegen den Entwurf auszusprechen. Wie gefährlih die Ausgabe kleiner Aktien ist, hat die Ausgabe der englishen Poundsbares gezeigt. Gerade, daß man drüben Kolonial- ge!ellshaften für die hier in Rede stehenden Zwecke nicht gründen will, sollte uns stußzig machen. Jch meine, die Leute sind drüben doch reih genug, um nicht auf die Ausgabe von kleinen Aktien angewiesen zu fein, und es muß auffallen, daß man gerade den kleinen Mann be- teiligen will. Will man aber auf die Gründung von Kolonial- gesellshaften sch nit einlassen, so ließen sih ja andere Formen finden. Wir können die Befürchtung niht los werden, daß durch die Ausgabe kleiner Aktien der Spekulation Vorscub gelcistet wird.

Abg. Ortel (nl.): Nach den Ausführungen, die wir vom Bundes- ratstisch gehört baben, wundere ih mich, daß das Geseß niht auch auf andere Schußzgebiete ausgedehnt worden ist. Dem Bedenken des Vorredners fönnen wir uns nicht anschließen. Es ist ein großer Unterschied, ob solhe kleinen Aktien im Inlande aus- gegeben werden, oder ob wir dadurch unsere Unternehmungen im Auslande unterstüßen wollen. Die Befürchtung, daß durch diese fleinen Aktien ein Ansporn zur Spekulation für den kleinen Mann gegeben werde, teile ich niht, denn an folchen Sachen beteiligt n nit der kleine Mann, und gerade in den Kolonien haben wir recht erfabrene Leute, die ibr Interesse wahrzunehmen verstehen. Wenn wir dies Gefeß ablehnen, so wird davon nur England den Vorteil baben. Der Vorredner meinte, es gäbe doch dort noch andere Formen, als die der Aktiengesellschaft. Das muß ih bestreiten. Wir beantragen, um die Sache klar zu stellen, den Geseßentwurf einer Kommission von 14 Mitgliedern zu überweisen.

Abg. Freiberr von Richtbofen (dkonf.): Von dem vorliegenden Gesetzentwurf ist {on bei vershiedenen Gelegenheiten, und zwar meist mißbilligend, die Rede gewesen. Wenn man sich auf einen unvoreinge- nommenen Standpunkt stellt, so muß man zugeben, daß die Verhältnisse in den Kolonien mit unseren beimishen Verhältnissen nicht verglichen werden können. Zu einer Aenderung der Aktiengeseßzgebung in Deutschland liegt kein Bedürfnis vor, aber was Kiautschou betrifft, fo muß man ih doc fragen, ob man aus bloß theoretischen Gründen an dieser Gesetzgebung festhalten soll, was unter Umständen zu einer Schädigung des Schußzgebietes führen kann. Wir kommen aus diesen Erwägungen heraus zu einem dem Entwurf günstigen Ergebnis. Wir wollen dem Reichskanzler vorbehalten, zu prüfen, ob das Gesetz in anderen Schutzgebieten notwendig ist oder nicht. Würden wir das Gesetz niht annehmen, so bestünde die Gefahr, daß unser Kapital auswandert, und das wäre unter allen Umständen zu bedauern.

Nbg. Kaempf (fortschr. Volksp.): Ich will nicht untersuchen, ob unsere inländishe Gesetzgebung mit der Bestimmung, daß Inhaber- attien nit unter 1000 #4 auêgegeben werden dürfen, das Nichtige getroffen hat oder nicht. Dieser Bestimmung lag der Gedanke zu Grunde, den kleinen Mann davon abzuhalten, sein Geld in folhen Unternehmungen anzulegen. Nun ist es aber fehr fraglich, ob nicht gerade dur diese Bestimmungen die ungesunde Spekulation gefördert wird. Schon beute fann jeder Mann, der auch nur 200 oder 250 A hat, ich eine Aftie von 1000 4 kaufen und das übrige schuldig bleiben. In anderen Staaten bestehen viel kleinere Aktien als bei uns. Die deutschen Börsen können fi gegen das Ausland nicht abschließen, und tatsächlich sind auch ausländishe Aktien unter 1000 #4 an unseren Börsen zugelassen. Daß in unseren Konsularbezirken die Ausgabe kleiner Aktien notwendig ist, ergibt sich aus den dort be- stebenden Gewohnheiten, aus dem Vorgange (Englands. Wir müssen uns den dortigen Gewohnheiten anpassen. Die Gefahr einer Ueber- spefulation liegt vielmehr, wie bereits angeteutet, darin, daß große Aktien mit geringen Anzablungen erworben werden können. Man hat gesagt, die Einpfundaktien wären eine wahre Pest. Ich meine, es väre viel besser gewesen, diese Einpfundaktien offiziell in Deutsch- land zur Börse zuzulassen, statt daß das deutsche Publikum durch Vermittlung der englischen Agenten an der Londoner Börse diese Aktien kaufte. Wären diese Aktien bei uns zugelassen, dann wäre auch darüber ein Prospekt herausgegeben worden usw. Nun handelt es sh aber gar nit um die Einführung von Einpfundaktien in Kiauts{ou. Man foll doch die Leute, die 200 haben, nicht hindern, ibr Geld in diese Kulturaufgaben hbineinzustecken. Unser Staats- fommissar sollte nah Möglichkeit dafür sorgen, daß diefe Aktien auch an der deutschen Börse eingeführt werden. Dann wird auch die Ge- fabr eines Schwindels mit folchen Aktien beseitigt werden können. Ich meine aber, daß man die Bestimmung nicht auf Kiautschou be- \hränken, sondern sie auf alle deutshen Schußzgebiete erstrecken follte.

Abg. Eichhorn (Soz.): Meine Fraktion wird gegen die Vor- lage stimmen. Wir halten streng an dem Gedanken fest, daß das kleine Kapital nicht Hineingelegt werden, daß der kleine Mann Spekulationszwecken nicht ausgeliefert werden darf. Bei der Stim- mung, die hier früher gegen solhe Pläne berrshte, batten wir eigentli gehofft, O sich heute hier eine größere Mehrheit gegen den Geseßentwurf zusammenfinden würde, als es der Fall zu sein sheint. Schon 1896 wehrte sich der Abg. von Gamp lebhaft gegen die Zulafsung ausländischer Aktien unter 1000 #. Nun joll auf einmal der Anfang gemaht werden, kleine Afïtien zuzulassen, zunähst in Kiautschou. Dies is aber natürlich nur der erste Schritt, dem weitere folgen werden. Und dabei wird cs nicht einmal sein Bewenden haben, man wird shließlich auch in Deutsch- land die fleinen Aftien zulassen. Damit aber würde das fleine Spar- kapital in die Spekulation hineingerissen werden. Wo das große Kapital etwas herauszuholen hofft, wo ein Geschäft zu machen ist, da findet sich auch das Großkfapital ein. _Man komme uns also nicht mit dem Einwand, daß dort in Kiautschou die Sache nicht anders zu machen ist. Es handelt sih hier vielmehr darum, mit dem Gelde der kleinen Sparer faule Gründungen des Großkapitals zu deden. Daß die Kollegen Kaempf und Ortel für den Gesetzentwurf eintreten würden, war zu erwarten. Für sie spielt das Großkapital eine große Rolle. Auf diesem Wege will man nun eine Ausdehnung der Jagd nah Profit, wie sie heute in den Kolonien besteht, auf das einbeimische Kapital erreihen. Seitdem der Staatssekretär Dernburg am Ruder ist, ist ganz ofen zugegeben, daß für die Kolonien nur eine groß- kapitalistishe Politik größten Stiles mgs ist. Dann soll aber au das Großkapital das MNisiko tragen. Mit dem Argument des Abg. Kaempf, wir sollten lieber Spekulationsmöglichkeiten hier s{affen, weil sonst das deutshe Geld an. die Engländer ginge, kann man auch die Forderung verteidigen, in Deutschland eine Spielhëlle zu gründen, weil sonst die Leute nah Monte Carlo gingen. / steht -ja bereits in den Kolonien die Möglichkeit, kleinere Anteile auézugeben, denn die Kolonialgesellihaften unterliegen keiner Be- schränkung binsichtlih der Bemessung ihrer Anteile. Wir lehnen nicht nur die Vorlage: ab, wir würden auch dringend wünscen, daß die Bestimmungen über die Kolonialgesellschaften geändert würden; dann wäre es nicht möglih, daß in einem Orte wie in Lüderißbuht 25 Aktiengesellschaften gegründet werden, die natürlich Geld hereinzulocken suchen, und zwar auf Kosten der leinen L:ute. Die Anlage deutschen Kapitals im Ausland hat nicht nur den Nach- teil, daß zu Gunsten einiger Spekulanten deutsches Kapital für der- artige Experimente berausgezogen _wird und vielleiht verloren gebt, sondern auch die Gefahr, daß die Reibungen ¿zwischen Deutschland und anderen Staaten verstärkt werden. Wenn eine Kommissionsberatung beschlossen wird, so werden wir dagegen nichts einwenden.

Staatssekretär des Reichsjustizamts Dr. Lisco:

Meine Herren! Es ist mehrfach der Befürhtung Autdru ge- geben worden, daß, wenn dieser Geseßentwurf zum Gesetz erbcben und damit die Möglichkeit geschaffen würte, Aktien von 200 X aus- zugeben, das zur Folge haben könnte, daß au bald-/ecin Einbruch in unsere inländishe Gesetzgebung erfolgen werde; die Entwicklung werde dabin führen, daß dann auch im Inlande von dem Nominal- betrage von mindestens 1000 A für Aktien werde abgesehen werden, daß die Ausgabe von Aktien zu einem niedrigeren Betrage für zuläsfig erklärt und damit der jeßige Zustand unserer Gesetzgebung, der sih als segensreich für unser Volkéleben erwiesen habe, verlassen würde. Meine Herren, diese Befürchtungen sind durchaus unbegründet. Jh glaube, namens der Reichsregierung Ihnen versichern zu können, daß Erwägungen, die die Verringerung des Nominalbetraçcs der Aktien zum Ziele gehabt, niemals stattgefunden haben und daß die Regierungen gar nit daran denken, unfere innere Aktiengeseßgebung nach dieser Richtung irgendwie einer Aenderung zu unterziehen. Also von tiejem

Gesichtspunkt aus können Sie, meine Herren, dem Geseyentrwourf wobl Ihre Zustimmung versagen (große Heiterkeit) erteilen. Ich wieder-

bole, daß die Neichêregierung für die Herabsezung des Nominalbetrags der inländis{en Aktien unter den Betrag von 1000 4 nicht zu haben sein wird.

Abg. Schultz (Rp.): Die Mehrbeit meiner Freunde wird den Gesetzentwurf unbefangen prüfen. Die Begründung ist eingchend und einleubtend, aber die Minderheit meiner Partei hält den Wert des Gesetzes für zweifelhaft. Diese werden in ihrem Bedenken natürlich dadur bestärkt, daß die Möglichkeit bestebt, die deutsde Aktiengesetgebung zu durhbrehen und allmählih zu Aktien unter 1000 4 überzugehen. In der Beziehung werden wir uns nicht nur durch Erklärungen sichern dürfen, sondern wahr- \deinlih durch cine Gesetzesvorshrift Vorsorge treffen müssen, damit uns späterhin kein Vorwurf trifft. Zweifellos hat unsere Kaufmann- schaft im Auëlande den Wunsch, daß kleinere Aktien zugelassen werden. Der Vorredner behauptete, daß durch faule Gründungen den fleinen Luten das Geld aus der Tasche gezogen wird; Beispiele dafür habe ich aber nicht gehört. Es ift doch zu wünschen, daß das fleine Kapital auch Nutzen von den Kolonialgründungen zieht. Was die Kolonialgesellshaften anbetrifft, so unter|tehen diefe der Aufsicht des Reichskanzlers.

Abg. Lattmann (wirts{ch. Vgg.): Wir stimmen dem sozialdemo fratisden Redner vollkommen zu. Auch uns würde es am liebsten sein, wenn das Geseß ohne Kommissionsberatung abgelehnt würde. Aber nachdem folche beantragt ist, wollen wir uns ihr n:ht widerfeten. Die Vorlage sicht so harmlos aus, sie spridt nur von den Konsular gerihtsbezirfen und von Kiautshou. Das Publikum, das in Frage fommt, sind meist unsere Matrosen. Sie mögen einen weiteren Vlüidck haben, weil sie viel berumgekommen sind, aber deshalb können sie die Rentabilität eines Unternehmens doch nit beurteilen. Das Bedürfnis ist für Kiautschou angeblich nachgewiesen, für die anderen Länder und Konfulargerichtsbezirke beißt es in der Begründung aus drücklich, ein gleihes Bedürfnis ist bislang niht hervorgctreten. Die beutigen Verhandlungen haben s{chon ergeben, wie nabe ein Einbruch in unsere heimische Aktiengeseßgebung gerückt wird, und es werden {on Wünsche laut auch von außerhalb des Hauses, daß man den Entwurf auf die anderen Kolonien ausdehnen möge, ferner wird auch son eine weitere Herabseßung von 200 auf 100 verlangt. Daß auch der Staatssekretär Dernburg für die vor geschlagene Mafinahme sich erklärt, interessiert uns um so mehr, als cr in der Kommission den Kolonisten vor gar niht langer Zeit eine Auskunft erteilt hat, die auf die entgegengesekte Meinung {ließen läßt, die aber nahber in dem offiziellen Protokoll nicht mehr eut alten war. Gerade vom folonialfreuntlihen Standpunkte aus möchte ich die Annahme des Entwurfes widerraten. Wenn ein kleiner Kapitalist an unseren Kolonien was verliert, so hat dies eine folonialfeindlihe Wirkung.

Aba. Dr. Heckscher (forts{hr. Volksp ): Ich finde im Gegenfaß zum Abg. Schultz, daß die Begründung von auffälliger Knappheit ist. Der Entwurf ist aber von weittragender Bedeutung. Man soll si do fragen, ob wir ein altbcewährtes System unserer Aktien geseßgebung durchbrechen sollen und damit eine Entwiälung an babnen, die für unser deutshes Wirtschaftsleben umgeitaltend wirken fann. Auf einer Versammlung von Kolonialkennern, die si mit dieser Frage beschäftigt hat, hat sih, soweit ich die Berichte durblättern fonnte, ein einziger von all den mit allen Kolonien vertrauten Rednern für das System der kleinen Aktien ausgesprecken-.

(Sc({luß in der Zw-iicn Beilage.)

Leider be-

(S(luß aus der Ersten Beilage.)

Einer der Herren aus dem _Reichskolonialamt, der an der Be- ründung und Schöpfung dieses Gefeßentwurses mitgearbeitet hat, at auf jener Vérsammlung, wenn er sich auch __nicht direkt gegen den Grundgetanken dieser leinen Aktien erklärt hat, doch sehr viele Bedenken ausgesprochen und mit Recht darauf hingewiesen, daß es sehr bedenklih ist, ‘wenn die heimische Geseßgebung ch von der der Kolonien entfernt oder umgekehrt. Man ift gar nit in der Lage, die Entwicklung, wenn sie einmal einge]eßt hat, aufuhalten. Verfolgen Sie die Geschichte der englischen kleinen Aftien, so werden Sie beobachten, wîe sie ‘auch dort ganz allmählich vor fnch gegangen ist. Ich weiß, daß ganz ausgezeichnete Nolkswirte, ein Mann wie Schulze - Gäverniß, mit Ueber- ¡eugung und großer Lbhasftigkeit für das englische System eintreten, und deutsche Kausleute, die von ‘dem Verdacht des Spekulationsfiebers frei sind, halten es für notwendig. Troßtem muß ich mit allem Ernst gegen dtefen Geseßentwurf vrotestieren. Gerade in dieser Zeit, wo man bei uns den neuen Schritt tun will, ist in England wieder eine wilde Spekulation auégebrohen, es hat sich aber gezeigt, daß mancherlei Grün- dungen auf \{windelhafter Basis beruhen. Wir haben die Ehren- vilicht, den Sinn unseres Volkes auf ernste, tüchtige Arbeit zu leiten, wir müssen alles bekämpfen, woraus wir befürchten müssen, daß die Spielleidenschaft angeregt wird. Wenn wir die Gewiß- heit hätten, die uns aber fein Kaiser und fein Staatsfekretär geben kaun, daß es bei diesem ersten Schritt bleibt, fo läge di Sache auch mo anders. Aber sehen wir niht in unseren Kolonien auch ohne diese kleinen Aktien ein kraftvolles und erfreuliches Fortschreiten ? Feder Kenner englischer Verhältnisse hat gesehen, zu welcher Ver- wüstung gerade dicse Spekulation geführt hat. Ich danke meinem Freunde Kaempf für seine Ausführungen, weil sie zeigen, wohin die Entwicklung führen muß. Ich meinerseits muß den Entwurf ablehnen.

Abg. Dr. Arendt (Np.): Ich bin in der erfreulichen Lage, mit dem sozialdemokratishen Redner und dem legten Redner durchaus übereinstimmen zu können, und fann nur danfbar dafür sein, daß diese offenherzigen Auslassungen auch diejenigen meiner Freunde, die der Vorlage geneigter sind, aufzuklären wesentlich beigetragen haben. Es wird hier nur der Stein ins Rollen ge- bradt: alles anderc ergibt sih dann von selbst. Deshalb gilt bier mebr als je das gute alte principiis obsta! Die Eingaben der Kolonialgesellshaften und der Berliner Handelskammer find ein aus- ezeichneter Beweis dafür, daß man an anderen Stellen anderer Meiaung binsichtlih der Ausdehnung dieser Gesetzgebung ist als bei der Regierung. Es würde ja ein Miderspruch în sich selbst sein, wenn man naher anderen Konsularbezirken und anderen Kolonien das gleiche Recht versagen wollte. Es wird ein Markt für feinere Aftien ges{afen und das Publikum daran gewöhnt werden. Die Hauptsache ist ja bei diesen Papieren, daß bei der Be- gründung solher Gesellschaften Kreise herangezogen werden, die davon durchaus ferngehalten werden müßen. Ich lege das eritschiedenste Gewicht darauf, daß diese Vorlage niht Gesey wird. Fh bedauere aufs lebhafteste, daß die Deutsche Kolonialgesellshaft eine Cingabe zugunsten der Maßnahme gemaht hat. Im Interesse unserer Kolonien wünsche ih, daß ihre jeßige Volkstümlichkeit nicht dur ein Gründungsfieber aufs Spiel gejeßt werde. Die Kon- Iurrenz mit England aufzunehmen mit Zweihundertmarkaktien, ist ja urilogi\ch, weil diese 20 -Aktien haben; und bei dem jeßigen Summishwindel gibt man dort {on 2 4 - Anteile aus. Immer werden die leßten bei diesen faulen Gründungen hängen bleiben: den leßten beißen die Hunde. Ih widerstrebe alfo durhaus der Zumutung, diesen ersten Schritt mitzumachen. Gerade die Ausführungen der Abgg. Ortel und Kaemp]| haben gezeigt, welche gefährliche Straße hier einges{lagen werden soll. Vielleicht können wir der Kommissionsberatung überhaupt ent- râten: denn nach der Debatte wird man in Deutschland durchaus wimscen, daß diese Vorlage fällt. Ih will mich niht gegen ein Begräbnis erster Klasse aussprechen, beantrage aber die Verweisung an die Budgetkommission.

Diesem Vorschlag gemäß beschließt das Haus, nachdem der Antrag Ortel auf Einseßung einer besonderen Kommission zurücgezogen ijt.

Damit ist die Tagesordnung erledigt.

Schluß 61/2 Uhr. Nächste Sißung Dienstag 2 Uhr. (Wahlprüfungen, darunter diejenigen der Abgg. Kleye, Wehl Sievers (nl.), von Kaphengst, Arnstadt, Henning (dfonf.) und Meyer-Pfarrkirchen (Zentr.), wo die Wahlprüfungskommifsion Ungültigerklärung beantragt.)

Prenfßischer Landtag.

Haus der Abgeordneten. 57. Sigung vom 25. April 1910, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphishem Bureau.)

Das Haus sezt die zweite Beratung des Etats des Ministeriums der geistlichen, Unterrichts- und Me- dizinalangelegenheiten bei dem Kapitel „Universi- täten“ fort.

Abg. Dr. Kaufmann (Zentr.): Wir freuen uns über jede örderung der Universitäten und sind darum über die Erhöhung der tatssumme- befriedigt. Nicht einverstanden find wir dagegen mit dem Vorgehen der Bibliotheksverwaltung. Wenn, um unsere Bibliotheken den wissenshaftlihen Anforderungen entsprechend auszugestalten, jährli 190000 # mehr nötig sind, so bâtte diese Summe im Etat gefordert werden müssen. Statt dessen ist nur eine Mehrforderung von 62750 # vorbanden, während die übrigen Gelder durch eine neue Art von Steuern aufgebraht werden sollen. Wir halten diese Belastung, vor allem der Studierenden, für durhaus rückständig, zumal da von dem Studenten \{chon für die Benugzung der Seminarbibliotheken d Æ und auch noch eine Auditoriumsgebühr von 5 4 gesordert wird. Das Studium von Ausländern an unseren Universitäten gereicht dem Deutshtum doch nur zur Ehre. Wir können es deshalb nicht billigen, wenn den Ausländern der Zutritt zu den preußischen Universitäten erschwert wird. Die Zahl der Drdinarien für katholische Theologie ist zu gering. Besonders zeigt si dies daran, daß die Zahl der Seminare für katbolishe Theologen zu beschränkt ist. Für das olonialrecht muß mehr als bisher geshehen. Darum bat auch mein Parteifreund Dr. von Savigny die Umwandlung des Berliner traordinariats für Kolonialrecht in ein Ordinariat_ beantragt. Der Universität Berlin, die sih glänzend entwickelt hat, sprechen wir ju ihrem bevorstehenden Jubiläum unsere besten Glückwünsche aug. Die Universität Berlin ist besonders gut ausgestattet, und ih möchte

M den Minister bitten, die anderen Universitäten nicht zurütck- elen.

Zweite Beilage

zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.

Berlin, Dienstag, den 26. April

Minister der geistlihen, Unterrichts- und Medizinal- angelegenheiten von Trott zu Solz:

Meine Herren! Wenn i zu den bisherigen Ausführungen zum Etat der Universitäten mir jeßt das Wort zu nehmen erlaube, so werde ih mich bemühen, in meiner Rede mir gegenwärtig zu halten, daß wir uns in der General#ebatte befinden, und auf Punkte, auf die voraussihtlich in den speziellen Erörterungen zurücfgegriffen wird, nur da, wo es unbedingt nötig ist, auch meinerseits einzugehen.

Der Herr Abg. Winler hat ebenso wie der Herr Abg. Graf Clairon d’Haussonville an die Spitze seiner Ausführungen die Be- merkung gestellt, daß es eine Freude und ein Stolz für mich sein müsse, einen solchen wohldotierten Etat hier zu vertreten. Das ist ganz gewiß zutreffend, und ih glaube, mich Ihrer Zustimmung ver- ficert halten zu können, wenn ih dem Herrn Finanzminister dafür Dank weiß, daß er troy der bedrängten finanziellen Lage des Staates sich bereit gefunden hat, nit nur die bisherigen Mittel für fulturelle Zwecke zur Verfügung zu stellen, sondern sogar noch darüber nicht unerbheblich hinauszugehen.

Freilih, meine Herren, manhe “Wünsche und manche Bedürfnisse baben unerfüllt bleiben müssen. Auh ih habe mi als Staats- minister mit meinen Anforderungen beshränken und habe auf manches wegen der finanziellen Lage des Staats verzihten müssen. Das werden auch Sie zu berücksichtigen geneigt sein, wenn Sie den Etat für die Universitätsverwaltung beurteilen. Die Anforderungen für wissenshaftlißhe Zwecke sind mit der rapiden Fortentwicklung der Wissenschaft, namentlich auf naturwissenscaftlichem Gebiete, von Jahr zu Jahr gestiegen, und es besteht gar kein Zweifel, daß das auch in Zukunft vielleiht noch in erhöhtem Maße der Fall sein wird. Wenn wir daber mit unsern Universitäten die Stellung, die wir bisher in der Welt eingenommen Haben, behalten wollen, dann wird es nicht zu vermeiden sein, daß au in Zukunft noch sehr erheblihe Mittel für Universitätszwecke, für wissenschaftliche Zwecke aufgewendet werden.

Ob man nun da an dem bisher von Preußen mit Stolz be- folgten Grundsaß, daß diese Aufwendungen Sache des Staats seien, und daß es seine Pflicht sei, hier allein die Sorge zu tragen, ohne jede Einshränkung auch in Zukunft unbedingt festhalten kann, das steht allerdings dahin. In anderen Ländern ist es anders. Ich er- innere an England und seine altberühmten Universitäten, die rei dotiert sind, die reihe Stiftungen haben, aus denen sie ihre Unkosten bestreiten können; ich erinnere an Amerika, wo überaus erhebliche Mittel aus privaten Händen für wissenschaftliche Zwecke zur Ver- fügung gestellt werden. Bei uns geshieht das, wie ih gern anerkenne, ja auch; aber wenn man die Summen, die in Amerika jahraus, jahrein für solche Zweckte fließen, in Vergleich stellt mit dem, was bei uns von privater Seite geschieht, so ist das außerordentlich wenig. Ih glaube, es wäre in hohem Grade ‘erfreulih, wenn der Sinn des Gebens auf diesem Gebiete auch in unseren wohlhabenden Kreisen noch weiter \sich verbreitete (sehr rihtig! schr wahr!) und auf diese Weise private Freigebigkeit dem

Staate, der im Prinzip und in der Hauptsache gewiß diese Aufgabe nicht aus der Hand geben wird, sich hilfreih zur Seite stellte. Des- halb, meine Herren, wird man vielleicht doch nicht umhin können, dieses Prinzip, von dem ih sprehe, und an dem auch ih festhalten will, einigermaßen zu modifizieren. In dieser Richtung liegt auch die Absicht der Erhebung von Bibliotheksgebühren.

Ih begreife vollständig, daß die Sache für Sie, meine Herren, „etwas unsympathisch ist, weil sie eben mit dem bisher festgehaltenen Prinzip niht mehr in vollem Einklang steht. Aber ih glaube und ih habe das ja auch aus den bisherigen Ausführungen entnehmen können —: Sie werden sh doch in der Sache niht ablehnend verhalten; Sie werden das um so weniger zu tun brauen, weil wir ja mit der Erhebung dieser Gebühren zuglei die Absicht verbinden, von der Erhebung dieser Gebühren Ausnahmen zu machen : bedürftige Studenten davon zu entbinden.

Sn ähnlicher Richtung liegt, meine Herren, die aus diesem hohen Hause wiederholt gestellte Forderung, daß den Ausländern, die an unseren Universitäten studieren, erhöhte Gebühren auferlegt werden möchten. Meine Herren, die preußischen Universitäten haben es stets als eine ibnen hocherfreuliche Pflicht angesehen, den Ausländern Gast- freundshaft zu gewähren, ihnen ebenso wie unserer Jugend die Hör- säle zu öffnen, damit sie dort aus den Quellen der Wissenschaft {öpfen fönnen, deutsche Wissenschaftlichkeit kennen lernen und mit den hier erworbenen Kenntnissen und Eindrücken in ihr Vaterland zurückehren, wo fie uns sehr oft beständige, treue und wertvolle Freunde geworden sind. Daran, meine Herren, wollen wir festhalten; das entspricht der alten Tradition, das entspricht der hohen Stellung, die unsere Uni- versitäten au heute noch in der Welt einnehmen, der hohen Stellung, in der sie ih glaube, daß au jeßt noch aus\prehen zu dürfen jedenfalls in ihrer Gesamtheit von feinem anderen Lande überflügelt werden. (Zustimmung rechts und im Zentrum.) Immerhin könnte man do daran denken, daß da, wo für Universitätseinrichßtungen von dem Staate besonders hohe Ausgaben gemaht werden müssen, bei der Einrichtung von wissenschaftlichen Instituten, von folhen Instituten, wo namentli die Plaßfrage eine große Rolle spielt, wo eben, dem Zwecke des Instituts entsprechend, nur ein beschränkter Zuhörerkreis mögli is, daß man bei solchen Instituten, wo ja sowieso eine besondere Gebühr erhoben wird, vielleiht für die Ausländer eine Erböhung der Gebühren eintreten läßt. Ich würde das nicht für unbillig halten. Ih erwäge eben diese Frage und kann Ihnen vielleicht im nächsten Jahre hier das Ergebnis mitteilen.

Meine Herren, verschiedene Herren Nedner haben warme Glück- wünsche an die Universität Berlin zu ihrem bevozstchenden 100 jährigen äubiläum gerihtet. Es wird das in den hiesigen Universitätskreisen gewiß äußerst sympathisch berühren, und ich glaube, im Namen der

Universität ihren Dank dafür hier aussprechen zu dürfen. Mit diesen -

treundlihen Glückwünschen ist aber bisher, glaube ich, von allen Herren Rednern wieder der Besorgnis lebhafter Ausdruck gegeben worden, daß wir die Universität Berlin in ungebührliher Weise vor

den übrigen Universitäten unseres Staats bevorzugen. Diese Be-

1910,

A N T T T

sorgnis geht ja {hon seit Jahren durch die Verhandlungen dieses hohen Hauses, und ich will ganz ofen erklären, daß ich selbst eben nach diesen Verhandlungen unter dem Eindruck ge- standen habe, daß Berlin doch sehr stark bevorzugt würde, und daß ih mit diesem Eindruck an eine nähere Prüfung der Frage in meinem Ministerium herangetreten bin. Ih habe aber, um mir ein klares Bild über die Frage zu \{chafen, schr eingehende Ermittlungen dort anstelleu lassen, und das Ergebnis ist ja zu dem Protokoll der Budgetkommission in einer statistishen Zusammen- stellung von mir gegeben worden. Daraus muß ih doch den Schluß ziehen, daß die Besorgnis nah der bisherigen Art und Weise der Verwaltung nicht begründet ist. Ich wüßte niht, welchen anderen Maßstab man bei der Beurteilung dieser Frage anlegen könnte, als eben die Frequenz der verschiedenen Universitäten. Man kann dagegen meines Erachtens auch mit Recht niht einwenden, daß von der Zahl der Schüler nicht unbedingt die Kosten der Aufwendungen „in steigendem Maße abhängig wären. Das gilt do nur bis zu einem gewissen Grade. “Wenn die Unterschiede in der Frequenz aber so bedeutend sind, wie es bei Berlin und den anderen Universitäten der Fall ist, wenn es dadurch hier in Berlin erforderlich ist, Parallel- professuren, Parallelinstitute zu begründen, und wenn Berlin bei diesem Vergleih an so später Stelle steht, wie cs tatsählih der Fall ist, dann glaube ih, kann man do gegen den angewandten Maßstab mit Recht Einwendungen nicht erheben, und man wird da zu dem Ergebnis gelangen, daß Berlin in der Tat nicht ungebührlih vor den übrigen Universitäten bevorzugt worden ist. (Sehr richtig!) Dabei, meine Herren, stelle ich mich durchaus auf den Standpunkt, den soeben der Herr Abg. Kaufmann vertreten hat: wir müssen Berlin würdig ausgestalten, soweit es nah der Finanzlage irgend möglich ift, würdig der Stellung, die die Universität Berlin als die Universität der Hauptstadt hat. Dabei dürfen wir aber keineswegs die anderen Universitäten etwa vernahlässigen und glauben, daß wir genug getan baben, wenn wir nur Berlin gut ausgestalten. Ich halte auch die Dezentralisation unseres Unversitätswesens und -Lebens für einen großen Vorzug unseres Landes (sehr richtig !), und ih werde durchaus bestrebt sein, soweit die Mittel dazu flüssig gemaht werden können, in demselben Maße auch die übrigen Universitäten zu fördern und zu pflegen. (Bravo!) Ich glaube, dafür auch s{chon einen gewissen Beweis gegeben zu haben. Als in der Budgetkommission sehr ein- gehend die Verhältnisse der Universität Münster erörtert wurden, und namentli der Herr Abg. Schmedding als Bürger dieser Stadt in warmer und überzeugender Weise dafür eingetreten war, daß an der Universität Münster Mängel beständen, die dringend der Abhilfe bedürften, habe ih aus diesen Verhandlungen den Anlaß genommen, alsbald nach ihrem Beschluß Kommissare nah Münster zu entsenden, um \ich dort über die tatsächlichen Verhältnisse eingehend zu informieren. (Bravo!) Auf Grund des Ergebnisses dieser Unter- suchung bin ih zu der Ueberzeugung gelangt, daß in der Tat für Münster etwas Durchgreifendes ges{hehen muß. (Bravo !) Ich bin auch in der glücklichen Lage, bereits heute mitteilen zu Tönnen, daß der Herr Finanzminister grundsäßlih derselben Auffassung ist (leb- hafter Beifall), und ich kann der Hoffnung deshalb Ausdruck geben, daß die weiteren Verhandlungen die Wönsche, soweit fie jeßt erfüllbar sind, zur Erfüllung führen werden. Allerdings wird dies ganz wesentlich davon abhängen, daß auch die Stadt Münster, entsprechend ihrer Verpflichtung, si nit zurüchaltend verhält (Heiterkeit. Sehr rihtig!) Wenn aber alle Faktoren, ich will mal sagen, ihre Pflicht tun, dann, hoffe ih, kommen wir für Münster zu einem guten Grgebnis. Sollte dann die Stadt Münster sich entschließen, ihrem Bürger, Herrn Abg. Schmedding, für seine Verdienste um die Universität ein Standbild zu errichten (Heiterkeit), dann wird unten am Soel in der Legende vielleiht auch mein Name genannt werden. (Heiterkeit.)

Meine Herren, aus den Ausführungen, die bisher gemacht worden find, möchte ih zu einer Frage übergehen, die wohl auch von all- gemeiner Bedeutung ist; es ist das Institut der Privatdozenten. Schon in der Kommission und dann auch hier im hohen Hause sind sehr erheblihe Bedenken gegen den Vorschlag geäußert worden, deu die hiesige Medizinishe Fakultät gemaht hat, um gewissen Miß ständen, die sih bei diesem Institut in ihrer Fakultät gezeigt haben, Abhilfe zu hafen. Dieser Vorschlag geht bekanntlich dahin, die Zu- lassung als Privatdozent periodish nachzuprüfen und ih dann noch einmal darüber \{chlüssig zu machen, ob der früher zugelassene Privatdozent auch ferner als Privatdozent beibehalten werden foll. Fh erkenne an, daß dieser Vorschlag niht unbedenklih ist, daß dagegen sehr erheblißhe Einwände mit Met êls hoben werden können. Aber auf der anderen Seite muß ich doch sagen, daß die Zustände auf diesem Gebiet dringend der Abhilfe bedürfen, und daß es sehr angezeigt ist, auf Mittel und Wege zu sinnen, wie die Abhilfe herbeigeführt weden kann. Es sind schon die verschiedensten Vorschläge gemaht worden; alle sind biéher für ungangbar gehalten worden. Jh würde mih freuen, wenn auch einmal aus dem Kreise der Privatdozenten, die ja natürlich, dem Zuge der Zeit folgend, auch organisiert find, Vorschläge gemacht würden, wie diesen Mißständen, die ihnen selbst auch nachteilig sind, abgeholfen werden könne.

Sn der Kommission wurde mir als ein sehr zweckmäßiges Mittel in Vorschlag gebracht, ih möge do nur keinem einzigen Privatdozenten mehr den Titel Professor verleihen; das würde das beste Mittel sein. Vielleicht ist das ein Weg? Ich will es mir überlegen. (Heiterkeit und Beifall.)

Der Herr Abg. Kaufmann hat den Wunsch ausgesprochen, daß auf eine Vermehrung der katholischen Theologieprofessoren Bedacht genommen werden möge. Jch erkenne an, daß die Zahl der katholische Theologie Studierenden in den leßten Jahren erheblih zugenommen hat, und es deshalb wohl angezeigt ist, in eine Prüfung der von dem Hecrn Abg. Kaufmann angeregten Frage einzutreten. (Bravo im Zentrum.)

Meine Herren, hier im Hause ist dann eingegangen worden auf

das Kolonialrecht, und es ist der Wunsch ausgesprochen worden, daß

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