ïhm an unsern Universitäten eine größere Fürsorge zuteil werden möge, als das bisher gesehen ist. Jch will dazu erwähnen, daß an der Universität Berlin ein Extraordinariat für Kolonialrecht und ein
Erxiraordinariat für Kolonialpolitik besteht, ersteres in der juristischen, -
leßteres in der philosophischen Fakultät. Die außerordentliche Pro- fefsur für Kolonialpolitik ist allerdings noch nit etatsmäßig, es ist aber zu hoffen, daß es-in absehbarer Zeit möglich sein werde, dafür Mittel in den Etat einzustellen. Außerdem ist ein besonderer Lehr- auftrag für Kolonialreht an der Universität Münster erteilt worden; aber auch an den übrigen Universitäten (werden Kolonialrecht und Kolonialpolitik z. Zt. in Spezialvorlesungen behandelt.
Daß die genannten Disziplinen weitere Förderung verdienen, erkenne ih ohne weiteres an, und es ist daher meine Absicht, auch noch an anderen Universitäten besondere Lehraufträge für Kolonialrecht und, soweit es erforderli ist, au für Kolonialpolitik zu erteilen. Ich glaube, daß ich damit den Wünschen nah weiterer Fürsorge für die kolonialen Wissenschaften besser Rechnung trage, als wenn ih bier in Berlin ein bestehendes Extraordinariat in . ein Ordinariat verwandle. (Sehr richtig!) Je weiter der Kreis der Universitäten ist, an denen Kolonialrecht gelesen wird, um fo besser für das Kolonialreckt, follte id meinen (sehr rihtig!), und \{ließlich ist es ja doch für die Hörer einerlei, ob der Dozierende Ordinarius oder Extraor dinarius ist. Ich glaube au gerade den Wünschen dieses hohen Hauses Zu entsprechen, wenn ih eben jeßt noch nicht in Berlin ein Ordinariat für diese Disziplinen errichte, sondern zunächst weitere Lehraufträge an den anderen Universitäten gebe. Das wird ja {ließlich dazu führen, nam entlih wenn diese Disziplinen noh größere Bedeutung erlangen, daß dann an der Berliner Universität einmal ein Ordinariat errichtet werden kann. (Sehr ridtig!) -
Bei einem früheren Titel hat einer der Herren Redner den Wuns zum Ausdruck gebraht, der Pädagogik auf unseren Universi-
täten mehr Fürsorge zu widmen. Die Professoren der Philosophie sind durch ihren Lehrauftrag verpflichtet, au die Pädagogik in Vorlesungen und Uebungen zu ver- treten. Außerdem haben wir an den Universitäten Berlin und
Halle besondere Professuren für Pädagogik, in Berlin hat sie der Professor Münch, in Halle Professor Fries. Wenn weitere spezielle Kehraufträge für dieses Fah nicht erteilt sind, so ist das nicht zuleßt auch darauf zurückzuführen, daß es an geeigneten Persönlichkeiten fehlt, welhe auf Grund eigener reiher Erfahrungen auf diesem Ge- biete mit Erfolg lohnend tätig sein kônnen. Ich werde aber die ge- gebene Anregung im Auge behalten und sehen, ob es nit möglih sein wird, weitere Einrichtungen zu hafen, um den Unterricht in der Pädagogik in der einen oder anderen Weise zu fördern. (Bravo!)
Ferner ist die Frage in die Debatte geworfen worden, eb nit ein Whrstuhl für Genossenschaftswesen zu er- rihten sei. Dazu möchte ich mir zu bemerken erlauben, daß Genofsenschaftswesen und Genossenshaftsrecht in den Vorlefungen an der Universität selbstverständlich auch heute schon behandelt werden: ersteres in der Nationalökonomie, speziell in dem sogenannten zweiten Teil dieser Disziplin, in der praktishen Nationalökonomie; das Genossen\scaftsrecht vor allem in den Vorlesungen über deutsches Recht. Aber auch außerdem wird das Genossenschaftswesen in Spezialvorlesungen erörtert, so in kleineren zweistündigen Vor- lesungen über das landwirtshaftlihe Kredit- und Genossenshafts- wesen, über die Geschichte des Genossenshaftswesens, über Erwerbs8- und Wirtschaftsgenofsenschaften usw.
Es wäre daber irrig, anzunehmen: diese Materie fände nicht bereits im Universitätsunterrißt Beachtung. Zum Teil wird dieselbe sogar sehr eingehend berüdsichtigt.
Menn nun die Errichtung besonderer Lebrstühle für Genossen- \chaftswesen gewünscht wird, so möchte ih weiter darauf hinweisen, daß es niht unbedenklich erscheint, für derartige Spezialgebiete eigene Professuren zu begründen. Wohin foll das s{ließlich führen? Mit demselben Recht könnten besondere Lebrstüble für Gewerbewesen, für Agrar-, für Versicherungswesen usw. verlangt werden, und wir würden auf diesem Wege leiht zu einer der Wissenschaft nahteiligen zu weit gehenden Spezialisierung kommen.
Genofsenschaftswesen und Genofsenshaftsreht zusammenzukoppeln, wie das nach dem Antrage, über den ja wobl auch noch verhandelt werden wird, verlangt zu sein s{eint, ist aber auch um deswillen nit wobl angängig, weil das Genossenshaftswesen, welches ja einen Teil der Nationalökonomie bildet, nah der derzeiti gen Verfassung unserer Universitäten in das Gebiet der philosophischen, das Genofsen- \haftsrecht in das der juristishen Fakultät fällt. Die Dinge liegen bier äbnlich wie im Kolonialrecht. Es wird meist übersehen, daß der Vertreter des Kolonialrechts gar nicht in der Lage ift, die Kolonialpolitik und das Kolonialwesen im allgemeinen, wie au die wirtschaftliche Bedeutung der Kolonien für das Mutterland in das Bereich seiner Lebrtätigkeit zu zieben.
Nun verkenne ih gewiß nit die große Bedeutung des Genofsen-
\haftewesens für unser heutiges Wirtschaftsleben. Ich habe in meinen früberen amtlien Sellungen ihm nabe gestanden,
und die Kreise, die im Genofsenschaftswesen steben und mit mir dabei in Berührung gekommen sind, werden mir bestätigen, daß ih jederzeit das lebhafteste Interesse für diesen wihtigen Zweig unseres Wirt- \chaftslebens bekundet und betätigt habe. (Sebr rihtig!) Ih bin daber auch gern bereit, in eine Prüfung der Frage einzutreten, ob nicht vielleiht an einer Universität ein Seminar für Genofsenshafts- wesen gegründet werden kann, ähnlih wie wir ein Seminar für Ver- Kdherungsmwesen an der Universität Göttingen baben. Vielleicht [äßt ch dieses Seminar in Göttingen mit einem solchen für Genofsen- schaftswesen verbinden, und ih hoffe, daß auf diesem Wege der Tendenz, die dem Antrage zugrunde liegt, entsproen, ja ih glaube, sogar besser entsprohen wird, als wenn wir eine Professur für Ge- nossenschaft8resen begründen. (Beifall.)
Abg. Dr. Heisig (Zentr.): Mit den Bibliotbeksgebühren kann auch ih mich nit befreunden. Bei dem Lehrplan für die landwirtschaft- lihen Hochschulen sind noch mancherlei Mißstände vorbanden. Für die tierärztlihen Hochschulen müßte eine Veterinärdoktorwürde auch für Preußen vorgesehen werden. S :
Abg. Dr. von Lis zt (fortsr. Volkêp.): Die Universität Berlin ijt „niht bloß eine preußische Landeéuniversität, sondern zugleich auch deutsche Neichsuniversität. Wenn Preußen die Universität Berlin be- sonders bedenft, so erfüllt es zugleih ein nobils officium dem Reiche gegenüber. Daß das Ausländerwesen gerade für Berlin manche Mißstände mit sich bringt, gebe ih zu. Aber man muß anderseits au bedenken, daß die jungen Ausländer, die nach Berlin kommen,
um hier deutshes Wesen und deutsche Wissenschaft kennen zu lernen, au weiterhin dauernde Beziehungen zu
Deutschland unterhalten,
die in verschiedenster Hinsicht in politisher und wirtschaft- e.
liher Beziehung uns wieder ‘zugute fommen fönnen. Die ziehungen, die während diefer Studienzeit geknüpft werden, find zum (roßen Teil werbendes Kapital für uns. Darum können wir eine
cs{chwerung des Studiums für die Ausländer nicht billigen. Um die Bedeutung der kleineren, Universitäten zu heben, wäre es erwünscht, an ihnen gewisse Zentralstellen für verschiedene Wissenschaften zu schaffen, so ¿. B. eine Zentralstelle für die skandinavische Literatur. Es müßte dann an der betreffenden Universität auch die gesamte Literatur des Faches esammelt werden. Mit Freuden begrüße ih deshalb im Interesse einer Plben Dezentralisation den Ausbau der Universität Münster. Ich hätte aber gewünsht, daß man auch dem Gedanken einer Universität in Frankfurt a. M. freundlicher seitens der Ne eung gegenüber- getreten wäre. Dur Bedenken über eine andere Grundlage für diese angestrebte Universität darf man sich nicht davon abhalten lafsen, dem Gedanken an und für \sich sympathisch gegenüberzutreten. Der Abg. Schepp hat unseren Hochschullehrern das genügende Ee an pädagogischen Fragen en, Das ist falsch. Das Interesse ist in außerordentlich (ronn Maße vorhanden; aber zur Förderung der Pädagogik sind nur besondere Ordinariate in der Lage. Zu bedauern ist, daß wir keine Professur für Völkerrecht haben wie alle anderen Nationen. Ueberbaupt wird bei uns das ganze internationale Necht stiefmütterlih behandelt. Für das Kolonialreht brauchen wir ein Ordinariat, denn ein Extraordinarius bat auf die Gestaltung des Unterrichts keinen Einfluß, weil ibm Siß und Stimme in der Fakultät fehlen. Die Bibliotheksgebühren sind in Wirklichkeit eine Kopfsteuer. Wir baben diese schle{chteste Form nur deshalb bekommen, weil der Finanzminister die kleine Summe niht zur Verfügung stellen wollte. Ih muß ma auch dagegen wenden, pas die Professoren, die gerade die Bibliothek am meisten benußen, befreit werden follen. Unsere ganzen Bestimmungen über die Universitäten müssen kodifiztert werden, ja wir fordern darüber binaus ein einheitlihes Universitätsgefeß. Mit der Be)eitigung der Mißstände in den medizinischen Fakultäten dur die Begrenzung der venia legendi auf fünf Jahre bin ih nicht einverstanden. Denn wenn ein Privatdozent weiß, daß nach fünf Jahren no einmal die Fakultät über ihn zu befinden hat, so wird er möglichst danach streben, sih in allen Kreisen bekannt zu machen und auf seine eigentliche wissenshaftlihe Arbeit weniger Wert legen. Auf diesem Wege geht es nicht, wollen wir nicht unseren wissenschaftlichen Nachwuchs degenerieren und ihn in seinem Charakter und in seinen wissenschaftlihen Fähigkeiten ruinieren. Was die Verfassung der Universitäten betrifft, so möchte ih meinerseits nur bemerken, daß, wenn das Programm der Selbstverwaltung und Selbstverantwort- lichkeit auf geseßliher Grundlage unter Würdigung des Gesichts- punktes einer rein fachlihen Aufsicht der Staatsregierung gesichert wird, sich der Kultusminister niht nur den Beifall auf verschiedenen Seiten des Hauses, sondern auch die lebhafteste Anerkennung der preußishen Hochschulen erwerben würde. ;
Prasident von Kröcher bringt nach dieser Iede um 1 Ubr Mittags dem Hause zur Kenntnis, daß er, wenn in der Tagessißung das Kapitel „Universitäten“ nicht erledigt werden follte, eine Abend- sißung vorzuschlagen beabsichtige.
Abg. von Negelein (kons.): Wenn eine Universitätsgründung beab- sichtigt wird, ist zunächst die Frage der allgemeinen und der örtlichen Notwendigkeit zu erörtern. Es ist geltend gemaht worden, daß feit 40 Iahren a die Bevölkerung verdoppelt habe, die Zabl dec Uni- versitäten aber nur um eine, Straßburg, vermehrt sei, wozu noch die Erweiterung von Münster getreten ist. Legt man die Bevölkerungs zabl zugrunde, so_ hätten wir ja alle 10 Jahre eine neue Uni- versität haben müssen. Mit dem Wachsen der Zahl der städtischen Bevölkerung wird au die Zahl der höheren Schulen wachsen, die der Universitäten brauht dies niht. Unsere Universitäten find
niht mehr dieselben, wie sie vor 30 oder 50 Jahren waren ; sie haben fich ausgedehnt, ibre_ Institute verbessert, und auch einer weiteren Vergrößerung steht nichts entgegen. Unsere
Universitäten find entstanden in Anlehnung an die Landschaften. In Hessen-Nafsau besteht bereits cine Landesuniversität, die in den legten Jahrzehnten einen großen Aufs{hwung genommen bat ; ein Staatsinteresse für die Errichtung einer zweiten Universität für diese Provinz liegt nicht vor. Die Idee einer Universität Frankfurt ist einem lokalen Bedürfnis entsprungen. Das Bildungsbedürfnis für Franffurt und seine Umgebung wird aber in absehbarer Zeit durch die benachbarten Universitäten, besonders durch Marburg. Heidelberg und Gießen befriedigt. Wir gönnen den Frankfurtern alles Gute, aber ob eine Universität das Zweckdienliche wäre, ist zweifelhaft. Der Abg. Funck hat an die Verluste erinnert, die Frankfurt durch die Entwicklung seiner Geschichte erlitten hat. Aber die Anforderungen der Gegenwart müssen maßgebend sein, und diese sprechen doch für die bestebenden Universitäten. Er hat ferner sih darauf berufen, daß die Frankfurter Börse zurückgehe. Wenn das auch zuzugeben ist, so muß doch auch jeder Frankfurter zugesteben, daß Handel und Verkebr doch immer zugenommen haben, daß Frankfurt durch seine Vereinigung mit Preußen an Verkehr und Ausdehnung gewonnen hat. Durch dieses Steigen des Handels und des Verkehrs ijt der Nückgang der Börse im wesentlichen ausgeglihen worden. Beweis ist auch die bobe Dotierung, die einzelne Personen der freien Universität in Aus- ficht gestellt haben. Man hat nur befürchtet, daß diefe Universität der in Frankfurt vorherrshenden Richtung Ausdruck geben solle. Der Abg. Funck bezeichnet es als ausgeschlossen, daß eine folche Tendenz in dem Plane liegen würde. Aber wenn man hier eine Universität obne theologische Fakultät errihten wollte, so wäre das eine Um- wälzung des bisherigen Systems, das bisber auf allen deutschen Universitäten in Geltung gewesen ist. Man muß bier sagen : Principiis obsta! Meine politishen Freunde halten den Wert einer folchen Ein- rihtung für problematish. Nach ftonservativer Auffassung sollen Universitäten vom Staat unter vollkommener Wahrung ihrer Selb- ständigkeit verwaltet werden. Bei der Universität Frankfurt würde ein aub von anderen Faktoren mitgeleitetes Institut in die Reibe der unabbängigen deutschen Universitäten treten. Dabei würde sie einen Staatszushuß erfordern, sodaß uns dieser Gedanke nit erfreulich sein kann. Den anderen südwestdeuischen Universitäten soll damit an- geblih feine Konkurrenz gemacht werden, man hat auch gesagt, wir bätten außer Berlin und München keine großstädtishen Hochschulen, man bat dabei aber Leipzig vergessen. Db das Wachstum der großen Städte eine solhe Gründung rechtfertigen würde, erscheint immerhin ¡weifelhaft.
Abg. Brütt (freikonj.): Ich habe {on im vorigen Jahre auf die Agitation hingewiesen, die sih unter den Privatdozenten breit macht. Wir batten damals über bundert Privatdozenten der medizinischen und der vphilosopbishen Fakultät. Der Kultusminister hat in der Kommission erklärt, daß die Zabl niht mehr in dem bisherigen Um- fange zunehme. Es besteht die Befürhtung, daß die Privatdozenten der genannten Fakultäten fo, wie die Dinge jeßt liegen, nicht gerade im Interesse des Unterrichts ihre Tätigkeit begonnen haben. Diese Um- stände maten es \{ließlich begreiflich, daß man an Abhilfe dachte. Die Berliner medizinishe Fakultät hat vorgeschlagen, daß die Dozenten nur probeweise auf fünf Jahre hbabilitiert werden sollten. Dagegen bat sich der Minister ausgesprochen. Das würde auch ¡weifellos zu einer gewissen Oberflächlichkeit führen. Man könnte vielleiht die Gründe genau angeben, reêwegen eine Habilitation ge- nehmigt oder abgelehnt wird. Die größeren Fakultäten spezialisieren h fortgesczt, die meisten ihrer Mitglieder find kaum noch in der Lage, Vorschläge für die Besetzung eines Fachpostens mit Sicherheit ¡u mahen. Die Fakultäten müssen sich daher eine gewisse Zurück- haltung auferlegen. Es ist auh nit richtig, daß sie das Berufungs- recht haben. Die Anstellung der Dozenten ist Sache der Krone, die ordentlichen werden vom König, die außerordentlihen kraft Delegation vom Kultusminister ernannt. Bei ihren Vorschlägen handeln die lab zent nicht als autonome Organe, fondern in Ausführung eines ortgeseßten staatlihen Auftrages, und der Widerspruch dagegen kann aus gewissen anderen Gründen angebraht sein. Zweifellos ist das Gutachten der Fafultätémitglieder über die Anstellung von Fach- follegen eine der schwierigsten Aufgaben, die einem Menschen gestellt werden können. Daher ift das Aufsfihtsreht der Kultusverwaltung gegenüber den Vorschlägen der Universität sehr notwendig, und jede
muß sh in \{wierigen Fällen eine felbf#ändige Entscheidung vor- behalten. Der frühere R iter hat einige 160 Professóre angestellt, davon nur drei niht mit Willen oder wenigstens nicht im Einvernebmen mit den Fakultäten, und nur eine ohne ihre Genehmigung. Das beweist, daß dieses Aufsichtsreht der Verwaltungen in an- gemessener Weise auêégeübt wird. Wenn in solhen Dingen die einzelnen Herren der Fakultät öffentlih und mit gut motivierten Gründen Stellung nehmen müssen, dann ist wohl auch der Kultus. minister dazu in der Lage. In der Praxis würde sih Gelegenbeit genug finden, auch die beretigten Ansprüche der Fakultäten zur Geltung zu bringen. Wir glauben, daß fih mit diesen Grundsäßen eine große und vielleicht eine PONE Sachlichkeit als bisher noch in die Beseßung der Dozentenstellen hineinbringen lassen würde.
Abg. Dr. Friedberg (nl.): Die Bedenken des Abg. von Negelein gegen eine Universität Frankfurt wären von größerer Wirkung ge- wesen, wenn sie niht gerade von einem Vertreter der Stadt Max, burg gekommen wären. Die Frage der Stellung der Extraordinarien muß in etwas beschleunigterem Tempo entschieden werden ; es handelt sich ‘darum, für eine ganze Reibe von Extraordinarien veränderte Bedingungen zu schaffen, namentliche für solche, die keine Durhgangs- 1 Die Extraordinarien sind durchaus niht immer Durchgangsstellen, sondern es gibt eine ganze Menge von Extra- ordinariaten, deren Inhaber alt und grau als Extraordinarien werden und Ls in der wissenshaftlicen Welt allerersten Rang und Namen haben. Eine Neihe von Fachextraordinariaten wird in Ordinariate umgewandelt werden inden, fobald die Finanzver- hältnisse es erlauben. Durch die große Zahl der medizinischen Privatdozenten haben sich allerdings unleidliche Zustände entwidelt, aber die vorgeschlagenen Maßnahme zur Abhilfe sind nicht zweck- mäßig und wirksam. Die Abstimmung über die Personen, ehe man ihre Leistungen kennt, muß dahin führen, daß in erster Linie Assistenten von Prvstioren als Privatdozenten zugelassen werden, während andere abgewiesen werden, weil sie niht genügende Bekannt- schaft in Universitätskreisen haben. Es is ferner die geheime Abstimmung empfohlen worden, aber die Zulassung zu einer Privat- dozentur ist eine Sache, für die man als Professor in der Fakultät volle Verantwortung übernehmen muß. Ueber den Vorschlag der Zulassung auf 5 Jahre ift eigentlich überhaupt nicht zu diskutieren; in 5 Jahren ist nicht zu übersehen, ob ein Dozent eine wissen-
stellungen sind.
schaftlihe Zukunft hat. Verschiedene unserer ersten wi}sen- schaftlichen Heroen baben zuerst gar nicht das Aufseben der wissenshaftlihen Welt erreiht und sind_ dann mit einem
Schlage zu bedeutenden Männern der Wissenschaft geworden. Den Vorschlag, daß den Privatdozenten nicht der Professortitel ge- eben wird, habe i seinerzeit nur mit Rücksicht auf die inebizinisde Fakultät in Berlin gemacht, glaube aber nit, daß man diese Maß- regel unter anderen Verhältnissen auch anwenden kann. Wenn bier in Berlin zahlreiche Habilitationen nur im Interesse der Praxis er- folgen, so ist ein Mittel zur Abhilfe dadur gegeben, daß man den Professortitel nicht gibt. Die Verleihung des Professortitels an Privat- dozenten und die Verleihung des Nechts, si, solange fie an der Universität tätig sind, Universitätsprofessoren nennen zu können, find Maßregeln aus einer Periode unserer Universitätsverwaltung, die hinter uns liegt, aus einer Zeit, wo man Männer gewinnen wollte, für die etatsmäßige Stellen niht da waren. Das waren alss Schönheitspflästerhen, die für eine Universität niht zuträglich sind. Dagegen kann man heute möglihst strenge Anforderungen an die Habilitationen stellen. JIch würde allerdings niht wünschen, daß das Ünterricht8ministerium einen zu starken Einfluß auf die Habilitationen ausübt; es muß Sache der Fakultät bleiben, ob jemandem die venia legendi gegeben wird. In bezug auf ein Universitätsgeseß stimme ih dem Abg. von Liszt bei. Eine ungünstigere Behandlung der Aute länder würde mit dem' internationalen Gastrecht unvereinbar fein. Wir wünschen doch au, daß Deutsche im Ausland studieren und dort zugelassen und so bebandelt werden, wie wir die Aus-
länder bei uns behandeln. Das internationale Gastrecht ist auch eine Pflicht, die man nicht unterlassen fannu. In der Kommission ist über die Begünstigung ge- wisser operativer Vethoden der Gynäkologie geklagt worden.
Es fann zwar nit ein Lehrstubl für jede einzelne Methode gegründet werden, aber die Lebrstühle dürfen nicht nah einseitigen Rücfsichteu, namentlich nicht nah politischen oder sonstigen Gründen, die der Sache nicht entsprechen, beseyt werden. Das begrenzte Gebiet des Genofseu- schaftörechts eignet sih nicht zu einer gro es genügt, wenn an den Universitäten Herren aus der Praxis in Seminaren darüber unterrihten. Von den Bibliothekêgebühren sind wir auch nicht be- griters, aber fie scheinen do der einzige Weg zu sein, um die großen
usgaben für Neuanschaffungen bestreiten zu können. Daß für die Universität Berlin außerordentlich große Aufwendungen im Nerbältnis zu den anderen Universitäten gemacht worden find, if nicht zu bestreiten, aber selbstverständlich können - nicht alle Spezialitäten an allen Universitäten vorhanden sein. Das gilt au von der Anthropologie. Mit der Errichtung einer Kolonialprofefsur fann man warten, bis auch an den anderen Universitäten für dieten Zweig gesorgt i|t. Es kommt niht nur auf das Kolonialrecht, sondern auch auf die Kolonialpolitik an, namentlich auf die kolonial- wirtschaftliche Seite. Für diese sind noch keine außerordentlices Professuren errichtet, und darum ist es nicht so eilig, für das Kolonial- recht cine ordentliche Professur zu errihten. Den Wünschen wegen der Selbstverwaltung unserer Universitäten kann ih mich ans{ließen. Fn Súddeutsland geht das Selbstverwaltungsrecht der Universitäten weiter als bei uns; aber das Selbstverwaltungsreht hat auch gewifse Grenzen. Wenn das Vorschlagsreht der Fakultäten bei der Beseßung der Lehrstüble gewahrt wird, können einseitige Berufungen nit vor- fommen. Im großen und ganzen ist das Vorschlagsreht richtig aeubt worden. Ich verstehe unter Selbstverwaltung, daß nit alles von der Genehmigung des Ministeriums abhängt. Die Selbst- verwaltung der Universitäten muß in demselben Umfange aufreckcht erbalten bleiben.
Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten von Trot! zu Solz:
Meine Herren! Mehrere der Herren Vorredner haben eingehend den Plan der Gründung einer Universität in Frankfurt a. M. erörtert. Fh habe zu dieser Frage bereits in der Kommission Stellung g€- nommen, und ih kann dem, twas ih dort gesagt habe, hier wesent- lies nit hinzufügen. Ih wiederhole deshalb, daß ein solcher Plas in amtlicher Form an. mich überhaupt noch nicht herangetreten ift, daß mir noch alle Unterlagen fehlen, um mi zu einem solchen Plau \{lüfsig zu machen, und daß ih zurzeit eine Stellung zu der ganzes Frage nit einnehmen kann. Ich möchte aber doch meine Berührung dieser Frage damit nicht abschließen; ih möchte doh erwähnen, daß in Frankfurt reiche Institute bestehen, daß dort sowohl die Stadt wit au private Kreise reiche Mittel zur Verfügung gestellt haben, 11 sie wissenschaftlichen Zwecken dienstbar zu machen, daß dort auf diesew Wege Institute allerersten Nanges gegründet worden sind, die fd des Beifalls in aller wissenschaftlihen Kreisen im hohen Grade er freuen. Wenn nun in Frankfurt der Wunsch besteht, diese Einrichtunges ¡u konsolidieren, sie ihrem Zwecke mit Sicherheit und Dauer zu erhalten und entgegenzuführen, und wenn dann von dort aus der Staat angegangfB wird, einen Nat zu erteilen oder vielleiht au bei der Erreihung dieses Zieles mitzuwirken, dann, glaube ih, ist es allerdings die Pflicht de Staates, hier nit kurzweg nein zu sagen. (Bravo! links.) Dabei, meine Herren, wird es sich dann auch fragen, ob das erstrebte Ziel nun gerade nur und am besten auf dem Wege zu erreichen ist, daß man in Franffurt eine Universität gründet. Weiter möhte ih uber diesen Punkt heute nichts sagen. :
Herr Abg. Dr. Friedberg is, wie im vorigen Jahre, auh #
diesem Jahre auf die Stellung der Extraordinarien an unseren Uni- versitäten eingegangen. Jch habe au dazu bereits in der Kommission due Erklärung abgegeben, und ih kann sie heute dahin erweitern, aß ih beabsichtige, den etatsmäßig angestellten Extraordinarien, die ás Fach vertreten, das im übrigen an der Universität nicht vertreten #, in der Fakultät Siy und Stimme zu geben, wenn in ihr über dieses Fah zu verhandeln ist. (Bravo! links.) Damit würde au
Bedenken des Herrn Abg. von Liszt gegen die vor- Gufige Beibehaltung des Extraordinariats für Kolonialrecht
Berlin beseitigt sein. Ih denke dann daran, den Extra- eidinarien auch in gewissem Umfange das Recht zur Beteiligung an der Rektorwahl einzuräumen, und zwar derart, daß dadurch jeden- falls eine Majorisierung der Ordinarien ausgeschlossen bleibt, daß diese unter allen Umständen in der Majorität verbleiben und damit ihnen wohlerworbene Rechte nicht genommen werden.
Mit den Ausführungen des Herrn Abg. Dr. Friedberg zu der Umwandlung von Extraordinariaten in Ordinariate kann ich mich zurchaus einverstanden erklären. Sie entsprechen auch vollkommen der bisher von der Universitätsverwaltung geübten Praxis. Es wird zu- näht, wenn eine neue Disziplin aufkommt, ein Extraordinariat gegründet, und wenn diese Disziplin sih dann gefestigt hat, wenn ihre Bedeutung für die Allgemeinheit außer Frage steht, wenn namentlich au der geeignete Gelehrte gefunden ist, dann wird mit der Zeit ein solches Extraordinariat in ein Ordinariat umgewandelt. Bis zu einem nit geringen Grade ist das ja auch von der finanziellen Seite ab- Kingig; wir müssen die Mittel dazu baben und sind gezwungen, auf die allgemeine Finanzlage dabei Rüksicht zu nehmen.
Ueber die Privatdozenten uud ihre Habilitation habe ih mich vorhin {on ausgesprochen. Ich erkenne auch an, daß die von den Herren Abgg. Brütt und Dr. Friedberg bemängelte Art und Weise des Nerfahrens der hiesigen medizinishen Fakultät bei der Zulassung von Privatdozenten nicht einwandsfrei ist. Auch ih glaube, daß die Habilitation von Privatdozenten in der Fakultät genehmigt werden muß in öffentliher Abstimmung, und ich beabsichtige, die früher erteilte Grlaubnis zur geheimen Abstimmung zurückzuziehen.
Nun ist der Herr Abg. Dr. von Liszt und ebenso au der Herr Abg. Dr. Friedberg auf die Frage des Erlasses eines Universitäts- gesetzes eingegangen. Ich habe mich bisher von dem Bedürfnis zu einem solhen Vorgehen noch nicht überzeugen können. Unsere Üniversitäten haben ihre hohe Blüte auf Grund der bestehenden Be- stimmungen erreiht. Es ist nah ihnen eine gewisse Verschiedenheit bei den einzelnen Universitäten in ihren Einrichtungen vorhanden, und ich meine, das ist durchaus kein Unglück; im Gegenteil: warum sollen wir nicht in gewissen Dingen verschiedene Bestimmungen an den ver- schiedenen Universitäten haben, Bestimmungen, die aus der historischen Entwicklung, aus der Vergangenheit herausgewacsen find, durch die die Universitäten zu dem geworden sind, was sie heute sind. Ich glaube also, ein Unifizieren auf diesem Gebiete entspricht nicht den Bedürfnissen, würde vielleiht dem Bureaukraten in der Behandlung der Dinge helfen, den Dingen selbst aber unter Um- ständen fogar {chädlich sein. Auh würde es ih ja \ch{ließlich doch bei einem Universitätsgeseß nur um wenige leitende Bestimmungen handeln können, die in das Gese aufzunehmen wären. Wir könnten davon do nicht absehen, daß ein ganz erheblicher Teil der für eine
Universität erforderlihen Vorschriften dur Universitätsstatuten er-
lafsen werden müßte. Das hat auch Minister Falk erkannt; denn in zem Entwurf zu einem umfassenden Schulgeseß, der von ibm vor- handen ist, waren über die Universitäten nur ganz wenige Paragraphen, und das Wesentliche war auch nach diefem Entwurf den einzelnen Statuten zugewiesen. Ich glaube also, mindestens beute, sagen ju müfsen, daß ein dringendes, unmittelbares Bedürfnis zu dem Erlaß eines Universität8gesees nicht vorliegt.
Sn dem, was, der Herr Abg. Dr. Friedberg über die Be- sezung der Lehrstühle gesagt hat, kann ich ihm vollkommen bei- stimmen; es ist das durchaus die Ansicht der Universitätsver- waltung, die er hier wiedergegeben hat, und danach wird au in Zukunft zu verfahren sein. Wenn dabei ein Professor kurz erwähnt worden ist, der eine neue Erfindung von großer Bedeutung auf gynäkologishem Gebiet gemacht hat, und der Wunsch, dem auch in der Kommission Ausdruck gegeben worden ist, dahin ging, daß von solchen wertvollen Erfindungen auch der wissenschaftlihe Unterricht auf unsern Universitäten Gebrauch machen solle, so kann ich mitteilen,
daß diese fraglihe Operation in einer unserer hiesigen Kliniken nicht
weniger als 185 mal angewandt worden ist, und zwar von einem andern Professor als demjenigen, der ihr Erfinder ist. Dadurch ist der Nachweis geliefert, daß auch in der wissenschaftlihen Anwendung von dieser Operation der gebührende Gebrau gemacht worden ist. Das, was \cließlich der Herr - Abg. Dr. Friedberg über das Seminar für Genossenschaftswesen ausgeführt hat, ist gewiß der Prüfung wert, und es wird \sih fragen, wo ein solches Seminar ein- zurihten sein wird, ob bei einer Universität oder an einer landwirt-
\chaftlihen Hochschule.
Abg. Dr. Liebknecht (Soz.): Unter der Herrschaft des Kapitalismus und des Klassenstaates is die ganze Universitätsfrage nur eine Klassenfrage. Durch die lex Arons hat man die Universitäts- lehrer zu Beamten machen wollen, hat man unjeren Parteigenossen Arons von der Dozentur ausgeshlossen, weil er Sozialdemoktrat {st. Wer in Preußen an die Freiheit der Wissenschaft glaubt, auf den kann man das Tertullianishe Wort anwenden: credo quia absurdum. Gegenüber dem Eintritt in den Hocschullehrerverein sheint man auf die Lehrer der freien preußischen Universitäten einen Druck von der Regierung auszuüben. Man fürchtet den freieren Geist, der in Süuddeutschland herrscht. Jn Preußen wird an den Universitäten zu viel reglementiert. Das sagen alle Hochschullehrer, die etwas eil die Freiheit der Wissenschaft und auf die Erhaltung der Unabhängigkeit ihres Charakters geben. In diese Richtung fällt die. Berufung der Professoren Bernhard und Maling, ferner das Streben, Professoren für gewisse materielle Interessen ¡u berufen, Flotten- und Börsenprofessoren, Professoren für landwirtschaftliche Interessen. Diese Amerikanisierung würdigt
Geist der deutshen Hochshulen s{nöde herab. Auf den Universitäten muß die republikanische Freiheit der Geister herrschen. Diese seit 1878 herrshende Tendenz, die Universitäten materiellen Interessen dienstbar zu machen, hat au ungünstig auf die geistige Selbständigkeit der Professoren zurückgewirkt. Nur die vollkommene Freiheit fann hier helfen. Ein Universitätsgeseß, das_ an sich wünshenswvert ist, würde nur beweisen, daß der Verfassungssah: die Wissenschaft ist frei, in renen niht gilt. Auch dem Cliquenwesen würde die freie Demokratie der wirklich urteils- ühigen, rüdcksihtslos ausgesprochenen Meinung des wissen- aftli gebildeten Volkes entgegenwirken. Für diefen Kampf gegen ie freiheit der Wissenschaft in Veèußen ist auch die Feindschaft gegen die Berliner Universität charafkteristisch, deren weltstädtisches Leben den Studenten die Augen öffnet, und ähnlich steht es mit der Feindselig-
keit gegen eine Frankfurter Universität. Wir haben wohl ein ge- bildetes Proletariat, aber die Vorteile sind größer als die Nachteile, und diese Erscheinung ergibt sich aus dem gewaltigen Bildungsdrang der breiten Massen. Auch der Geist der Studentenschaft hat sich vershlehtert. Keine freidenkende, sondern eine randalierende Jugend ist auf unseren Universitäten. Kein Wunder, denn das Ziel der jeßigen Universitätsbildung ist, den Charakter zu brechen, das Nükgrat zu biegen. Professuren für moderne Wissenschaften, Luftschiffrecht usw. sind erwünscht, ebenso Vertretung der Minderheiten in den Fakultäten. Hinsichtlih der Bibliotheken heißt es: Preußen in Deutschland niht voran, sondern hinter allen deutschen Staaten hinterher. Der Frage der Volkshohschulen steht man in Oesterreih viel vor- urteilsloser gegenüber als bei uns, wo man nur Angst vor der Sozialdemokratie hat. Auch die Universitäten müßten für die Volks- bildung mehr tun. Süddeutschland zeigt uns, L es auch ohne die preußische Engherzigkeit und den preußischen Polizeigeist geht. Wenn man gegen ein Universitätsgeseß einwendet, daß es bisher ohne Universitätsgeseß gegangen sei, fo erinnert mi das an das im Herrenhaus vorgebrahte Argument, daß es in Preußen bisher noch immer mit dem Dreiklassenwahlrecht gegangen sei. Wir brauchen ein nee geen um mit den alten mittelalterlihen Mauern und dem Gerümpel aufzuräumen. Das Interesse der Arbeiterschaft an den Universitäten is sehr lebendig, der Drang nah Bildung ist roß, die Bildungsvereine wachsen mehr und mehr. Ein Volk mit a em Wifssensdrang darf nicht verhindert werden, zur Sonnenhöhe der Kultur aufzusteigen. | |
Abg. Dr. Gyߧßling (fortschr. Volksp.): Das Bildungsbedürfnis des Volkes is allerdings groß, der Abg. LUebknecht will aber umstürzen, wir wollen reformieren. Ueber die Frage einer Universität in Frankfurt hat der Minister in der Kommission nur erklärt, daß er dazu noch keine Stellung nehmen könne, da
die Sache noch nicht an ihn herangetreten sei. Daß die Universität Berlin zu Unrecht bevorzugt werde, kann
man nit behaupten. Wenn man von den Studenten Bibliotheks- gebühren nimmt, muß man fie auch von den Professoren nehmen. Die durch die Bibliotheksgebühren auffommenden Mittel werden noch nit ausreichen, um die Bibliotheken genügend auszustatten. In Königsberg besteht die Befürchtung, daß die aus Stiftungen dem Bibliotheksfonds zufließenden Mittel auf den staatlichen Zuschuß für die Bibliothek angerehnet werden follen; es wäre wünshenswert, in dieser Hinsicht eine beruhigende Erklärung von der Regierung zu er- halten. Daß nach der Erklärung des Ministers die Extraordinarien in der Fakultät Stimmreht für die Angelegenheiten ihres Faches erbalten follen, is mit großer Freude zu Aen: Der Redner wünscht \ch{ließlich die Errichtung einer Professur für die slawische Literatur in Königsbero G E r E S L
Abg. Dr. Bell -Essen (Zentr.): Die prinzipiellen Ausführungen des Ministers baben bei allen bürgerlihen Parteien Zustimmung ge- funden. Eine Bevorzugung der Universität Berlin ist. nicht an- gebracht, aber man muß anerkennen, Ph die Regierung gerade dieser Universität ihre besondere Aufmerksamkeit \{chenkt, weil Berlin die Reichshauptstadt ist und die größte Anzahl von Studierenden hat. Darum brauchen die kleineren Universitäten niht zurückzustehen. Man fann für diese kleineren Universitäten eintreten, ohne damit einen Vorwurf für die Universität Berlin zu verbinden. Den veränderten Verhältnissen der Neuzeit tragen jedenfalls unsere Studenten dadur Rechnung, daß sie sowohl an den großen wie an den kleinen Uni- versitäten um so fleißiger arbeiten. Den Ausführungen des Abg. von szt über das Völkerreht und das internationale Privat- recht stimme ich gern zu, aber alle diese Wünsche haben doch eine Kehrseite, und die ist, daß die Anforderungen an die jungen Juristen immer mehr gesteigert werden. Es ist uns in Aussicht gestellt worden, daß die Frage der Neform des juristisGen Studiums von einer Kommission geprüft werden foll. Es wäre zu wünschen, daß diese Prüfung möglichst beschleunigt wird. An einer Erweiterung {des Trienniums auf sieben Semester werden wir niht vorbeikommen; es könnte dafür aber vielleicht die vierjährige praktische Vorbereitungszeit verkürzt werden. Auch eine Neform des philologishen Studiums is unbedingt notwendig; wer jeßt das Staats- eramen bestehen will, braucht wenigstens ein ahtsemestriges Studium. Ich gebe zu, daß die große Zahl der Studenten das allgemeine Bedürfnis nah weiterer Bildung zu erkennen gibt. Die praktische Frage ist demgegenüber die, wie diese aus dem akademischen Studium hervorgehende Bewerberzahl noch untergebraht werden soll bei der außerordentlihen Ueberfüllung der akademischen Berufe. Fch will keinen Mahnruf ergehen lassen, aber ih will doch die An- iht aus\prehen, daß nur Leute mit mehr als Durchschnittsfähig- feiten und Durchschnittsleistungen sich dem akademischen Studium zuwenden sollen. Mehr als bisher muß auf den Universitäten, besonders in den Seminaren, Wert a den mündlihen Vortrag und überbaupt auf die deutshe Sprache gelegt werden. Unsere deutschen Studenten müssen daran gewöhnt werden, nicht bloß deutsch zu fühlen, sondern au ein gutes Deuts ¡u schreiben.
Damit ließt die allgemeine Besprechung Universitäten.
Bei dem Zuschuß für die Universität Berlin wird entsprehend dem Kommissionsantrage beschlossen, die Forderung von 7100 4 für die Errichtung eines Ordinariats für Anthropologie als künftig wegfallend zu bezeichnen.
Bei dem Zuschuß für die Universität Breslau bemerkt
Abg. Strosser (kons.) : Auf meine Wünsche bezüglih des Zahn- ärztlichen Instituts der Universität Breslau hat im vorigen Jahre der Ministerialdirektor zugesagt, daß diesem Institut weitere Räume zur Verfügung gestellt werden würden. Das ist bis jeßt nicht geschehen. Vielleicht wird aber jeßt dieser Wunsch erfüllt werden. Die Räume des Landwirtschaftlichen Instituts sind ebenfalls durhaus unzureichend. Nur ein Neubau kann den großen Uebelständen abhelfen. i:
Abg. Graf Henckel von Donnersmarck (Zentr.) {ließt ih dem Vorredner bezüglich des Landwirtschaftlihen Instituts an.
Bei dem Zuschuß für die Universität Kiel wünscht
Abg. Wentorp (freikons.) eine bessere Unterstüßung des zahnärzt- lien Instituts, das sich unter seinem jeßigen Leiter Dr. Henze zu einem der größten zahnärztlihen Institute ausgebildet habe.
Abg. Hoff (fortshr. Volksp.) {ließt sich diesem Wunsche an. Das beste wäre es aber, wenn der Staat sich entschließen würde, ein staatlihes Institut zu errichten. Die neue Prüfun rens für die Zahnärite sei vollflommen unhaltbar. Hier müsse sofort Abhilfe 6 ruhe werden, wenn nicht die größten Unannehmlichkeiten entstehen ollten.
Bei dem Zuschuß für die Universität Göttingen führt
Abg. Heine (nl.) in eingehender Begründung Beschwerde über ungenügende Ausstattung der Universitätskliniken in Göttingen. Von aligemeinem Interesse heine aber eine Beschwerde zu sein, die Ende vorigen Jahres in verschiedenen Universitätsstädten laut ge- worden sei. Die Oberrechnungskammer habe bei den Universitäts- behörden angefragt, ob es sich aus wirtschaftlichen Gründen nicht empfehlen würde, künftig sämtliche Drucksachen tunlichst gemein- \chaftlich aus einer Quelle zu beziehen. Die Anfrage hat große Beunruhigung hervorgerufen. Die Gewerbetreibenden, die bisher der- artige Lieferungen machten, hätten sih bemüht, sie prompt, sorg- sam und au preiswert auszuführen, hätten dafür Maschinen Personal usw. beschafft. Die Gesamtlieferungen würdén wahrscheinlich einem großen Händler in Groß-Berlin übertragen werden, das würde viele Cristenzen des gewerblihen Mittelstandes der Universitätsstädte empfindlih schädigen. Diese Städte hätten, um den Charakter einer Universitätsstadt zu wahren, laute Industrien von sich ferngehalten, die Verwaltung sollte ihnen in diesem Bemühen entgegenkommen.
Bei dem Zuschuß für die UniversitätBonn beschwert sich
Abg. Dr. Hauptmann (Zentr.) über den angeblich schlechten Zustand des dortigen physikalishen Instituts, namentlich seines Ma-
über die
geschichten sei es tatsählich zu bedauern, daß gebildete junge Leute so Vene Geschmack entfaltet hätten, wie es hier gesehen fei.
Abg. - Dr. Hintzmann (nl.): Der sogenannte Studentenulk in das geri;tliche Verfahren erledigt. Aber auch wir be- daß in Kreisen unserer gebildeten Jugend niht mehr Sinn für das vorhanden ist, was als wohlanständig gelten muß. Es ist sehr bedauerlih, daß für das Bonner physikalische Institut bisher nichts geschehen ist. Der Hinweis auf Marburg kann nicht befriedigen. Wenn es dort auch noch trostloser aussehen soll, so sind do die Zustände in Bonn \{lecht und unwürdig. Der Minister möge sein Augenmerk darauf rihten und auf den Finanzminister einzuwirken suchen, daß diese Mißstände beseitigt werden.
Gegen 5 Uhr vertagt das Haus die Weiterberatung des Kultusetats auf Dienstag 11 Uhr.
Bonn ist ja dur Z dauern auf das lebhafteste,
Statistik und Volkswirtschaft.
Ein- und Ausfubr einiger wichtiger Waren in der Zeit vom 11. bis 20. April der beiden leßten Jahre.
Ginfuhr | Ausfuhr im Spezialhandel Warengattung — dz = 100 kg 1910 1909 1910 1909
Baumwolle . . . .} 142346} 166137 1985| 11996 Flachs, gebrochen, ge- |
\{wungen usw. . 14 051 1 967 5 032! 2 139 Hanf, gebrochen, ge- |
\{hwungen usw. . 11 261 7 807 1 759) 2 229 Jute und Jutewerg . 28 205 31 008 519! T1 Merinowolle im Schweiß 24 821 27 449 369) 479 Kreuzzuhtwolle im |
Schweiß ; 38431| 31024 114! 769 Eisenerze . 956 633] 3 715 291| 1 109 341| 576 134 Steinkohlen . 9 229 948) 3 258 695} 6 666 944| 4 250 564 Braunkohlen . . 9 175 137] 2 297 749 18 306] 6 659 Erdöl, gereinigt . 197974| 176371 39| I Ghilesalpeter . 180 991| 226 406 16791) 20/747 N 48096) 26687] 164709| 132788 Rohluppen,Robschienen, |
Rohblöce usw. . . 1 620 2834| 186070| 123 909 S Ss 13! — 145 968! 76 005 Cisenbahn-, Zahnrad-, | |
Plattichienen . . 143! 138] 133666) 85819 Eisenbahnshwellen aus | |
Eisen S E 21 314 6 627 atr sa S E E 39 818; 24 663 1 523 1 637 Feingold, legiertes Gold 65,59) i 4,83) Deutsche Goldmünzen . 22,98 i 4,183! Fremde Goldmünzen 8,37! : 24A
Berlin, den 25. April 1910. Kaiserliches Statistishes Amt. van der Borght.
Handel und Gewerbe.
Nach der Wochenübersicht der Reichsbank vom 23. April 1910 betrugen (+ und — im Vergleih zur Vorwoche):
Aktiva: 1910 1909 1908 Metallbestand (Be- h fb bb stand an r- | | fähigem deutschen | Gelde und an Gold | in Barren oder aus- | ländisWenMünjzen, | das Kilogr. fein zu 2784 #4 berechnet) | 1 153 171 000 | 1 104 846 000 967 548 000 (4- 37 683 000)|(+ 50 953 000) (4+ 52 060 000) darunter Gold 860 512 000 Bestand an Reichs- kafsenscheinen . - 68 891 000 71 523 000 69 206 000 (4 2181 000)((+ 2 633 000)|((+ 2 863 000) Bestand an Noten : anderer Banken 37 083000 | 33 623 000 39 071 000 5 424 000)|(4 5 333 000)(4 5 610 000) Bestand an Wechseln | 925 547 000 | 807 647 000 914 988 000 (— 45 212 000)|(— 48 937 000)|(— 53 752 000) Bestand an Lombard- : forderungen 59 383 000 59 516 000 96 404 000 (— 22 867 000)|(— 20 802 000)|(— 16 892 000) Bestand an Effekten 76 663 000 | 344786 000 | 146 821 000 (— 20 202 000)|(— 17 445 000)|(— 7 530 000) Bestand an sonstigen Mien, « | 158767000) 131015000 108 137 000 (— 6 789 000)|(— 8 177 000)(— 8598 000} Passiva: Grundkapital . 180 000 000 | 180 000 000 | 180 000 000 (unverändert) | (unverändert) | (unverändert) Reservefonds . 64 814 000 64 814 000 64 814 000 (unverändert) | (unverändert) | (unverändert) Betrag der um- : : laufenden Noten . | 1538 283 000 | 1 508 922 000 | 1 450 622 000 (— 57 818 000) |(— 71 969 000)|(— 67 123 000) sonstige täglich fällige Verbindlichkeiten . 668 187 000 772 754 000 609 292 000 - 8316 000 |(+ 40 128 000)|(+ 39 211 000) sonstige Pasfiva . 28 221 000) 26 469 000 37 447 000 (— 280 000)|(+ 399 000)|(4- 1 673 000)
(Aus den im Reichsamt des Innern zusammengestellten „Nachrichten für Handel und Industrie.) Ausschreibungen.
Bau einer Salztrans3portanlage usw. in Desterreich- Ungarn. Am 7. Mai 1910, 12 Uhr, vergibt die K. K. Salinen- verwaltung Ebensee den Bau einer Salztransportanlage mit elek»
trisGem Antrieb, automatisher Salzabwage_ und MUMGLAE Sackfüllung. Näheres bei der genannten Dienststelle und beim „Reichsanzeiger“.
Lieferung von 100000 Blatt Kartonpapier, Gummi- platten, Kanevassäcken und SFnstrumenten (Bohrer, Feilen u. a.) für Maschinisten nah der Türkei. Angebote in verschlossenem ie d bis zum 4. Mai 1910 an das Bureau für telegraphishe Ange!egenheiten bei der Generaldirektion der Posten, Telegraphen und Telephone in Konstantinopel, woselbst nähere Bedingungen.
Konkurse im Auslande.
Bulgarien.
Ueber das Vermögen der offenen Handelsgesellschaft G. u. T. T\chirpanlieff (Mühlenbetrieb und Handel in Mühlenprodukten) ist dur Beschluß des Varnaer Kreisgerihts das Konkursverfahren eröffnet worden. Einstweiliger Massenverwalter: Advokat Dr. V.
\chinenhauses; das gleihe Institut ¿z. B. in Freiburg in der Schweiz stehe turmho liber bei Bonner. Hinsichtlich der bekannten Studenten-
Paraskoff. Erste Gläubigerversammlung: 5. Mai 1910. Anmeldefrist