1870 / 101 p. 14 (Königlich Preußischer Staats-Anzeiger) scan diff

errichtete , wurde 929 gegründet; sie liegt nahe dem Unterharz an der vom Brecken kommenden , zur Saale gehenden Bode und stcht seit 1862 durch cine Eisenbahn mit Thale und Halberstadt in Verbindung.

Unter den bürgerlichen Wohnhäusern zeigen manche noch . die im 15. und 16. Jahrtundert so reich entwickelte Holzarchi- tcftur; aber am meisten ragen unter den Bauwerken die Kirchen hervor, und neben der, einst der Pfalz Heinrichs I. zugchörig gewesenen Gruftkirhe des späteren St. Wipertiklosiers , welche der älteste Ueberrest cbrisiliwer Kunstübung in den sächsischen Landen ist , muß vornehmlich die Schloßkirche , deren Wieder- herstellung seit 1862 mit vollem Erfolge ausgeführt worden ist, als funstgescwichtli sehr bedeutend hervorgehoben werden. Dr. E. F. Rante und Dr. F. Kugler haben son 1838 in ihrer Beschreibung und Geschichte derselben, die nachdem auch in des Leßteren kleinen Schriften und Studien zur Kunstgeschichte, Theil I. von S. 540 ab, wieder mit abgedruckt worden ist, auf Grundlage sorgfältiger historisch - artistischer Forschungen alles Wesentliche zusammengesiellt, was dies wichtige Monument aus frühester Vorzeit in Norddeutschland betrifft.

Die Schloßkirche zu Quedlinburg, auf hochragendem und weit sihtbarem Sandsteinfels gelegen, ist eine ursprünglich flach- gedecktec Basilifkfa mit Querschiff und hohem Chor, und ganz so ist sie nunmehr unter besonderem Beirath des Ge- heimen Ober - Bau- und Regierungs - Rathes von Quast, Königlichen Konservators der Kunstdenkmäler in Preußen, wiederhergestellt worden. Der hohe Chor nimmt den ge- sammten Raum des Querschiffes mit in sich auf und wird durch das Gewölbe einer ausgedehnten Krypta oder Unterkirche, des sogenannten alten Münsters, getragen ; unter diesem letzteren ist 1868 noch eine Grabfirhe entdeck worden. Das Ma- terial des alten, wie des erneuerten Baues is ein harter Sand- stein, der in der Nähe von Quedlinburg selbst gebrochen wird; cs trägt in seiner feinförnigen Masse und hellen Färbung sehr viel dazu bei, den Eindruck des Ganzen zu erhöhen, und nament- lich ist der Blick in das Jnnere mit seiner s{önen Perspektive nach dem hohen Chore, zu dem an beiden Seiten Treppen an- Peigen, und A aan "u D E sich mächtig auf- auenden , rei gruppirten und voll beleuchteten Ho l wahrhaft bedeutender. E e A

Der alte Münster der Schloßkirche entspricht in Größe und Gestalt des Grundrisscs vollkommen dem A n Chor und Querschiff der leßteren. Den Hauptraum füllt eine dop- pelte Säulenstellung aus, der entsprehend in der Altarnische und an den Seitenwänden Halbsäulen angewendet wurden, denen fih dem Westende zu einige viereckige Pfeiler zugesellen. Die Säulen und Halbsäulen verdienen besonders ihrer Kapitäle wegen Beacbtung. Einige tragen Blättershmuck nah Art des Tornthischen Kapitäls, andere haben die Form eines nach unten abgerundeten Würfels und sind dabei mit verschiedenem, meist vortrefflich erhaltenem Ornament versehen, das eine mit sorg: fältig gearbeiteten Adlern, cin anderes auf phantastische Weise mit Adlern und Schlangen geschmückt. Manches is} nur roh ausgeführt, indessen läßt Einzelnes erkennen, daß es im unvoll- endeten Zustande verblieben. Gegen den Altarraum hin tragen die Gewölbe Spuren früherer Bemalung. Vor dem Altar und der Stufe, welche den Raum der UAltarnische erhöht, sind die Gräber König Heinrichs T. und nah gewöhnlicher, aber von Ranke für unhaltbar erklärter Angabe, seiner Gemahlin Ma- thilde, jenes mit ciner Marmorplatte, dieses mit einem Sand- stein bedeckt. Ein dritter Grabstein gilt als der der Aebtissin Matbilde, der Tochter Ottos I.; eine an seinem Ende befind- licve kleine viereckige Erböhung pflegt man als das Grab des Hündchens Quedt zu benennen, welches lehtere, der Sage nach, Quedlinburg seinen Namen gegeben hat. :

Die Oberkirche besteht aus dem Schiff und dem ü / Unterkirche sich erhebenden hohen Chor aue Westseite blickt sich ein Thurm „von mäßiger Höhe in mehreren Absäßen an. Das Schiff zerfällt durch zwei Bogenstellungen, in welchen je zwei Säulen mit einem Pfeiler von viereckiger Gestalt wechseln, in cin Mittelschiff und zwei Seitenschiffe. Der Einbau von Priecben oder Emporen nach der Reformation hatte die Rein- heit und Schönheit dieser Anlage ganz verdeckt ; bei dem jetzigen Umbau is jedo alles Störende entfernt und so eine in fich vollkommen -flare, stylmäßige Arcbitektur dem Beschauer vor Augen gestellt, Die Kapitäle der Säulen sind zwar ursprüng- lich etwas roh gearbeitet, verdienen aber doch Beachtung. Sie sind aus der Würfelform hervorgegangen und waren meist mit vier roßen Adlern verziert. Eines trägt an seinem unteren Theile Biattwerk und darüber vicr kleinere Vögel auf den Ecken und noch kleinere zwischen diesen. Die beiden Säulen am West- ende des Sciffes haben in flahem Relief gearbeitete Figuren vierfüßiger Thiere , theilweise mit Ornamenten und fabelhaften

G

Die Fenster sind wie die Säulen durchaus rundbogig über. wölbt und mit einer gegliederten Einfassung versehen, die aus einer in eine vertiefte Ecke eingelassenen Säule besteht, wel dann in gleiher Form auch am Bogen herumgeführt ist. Ein flache Bretter- und Balkendecke ruht auf dem Mittelschiffe. Voy leßterem führen, wie son erwähnt, zwei Treppen von je h Stufen zum hohen Chor. Die Wand zwischen beiden wird von ciner in die Unterkirche führenden Thür unterbrochen; man geht aber gewöhnlich zur Krypta durch einen anderen feitlichen Ein; gang. Die Kanzel, welce stylgemäß in feinkörnigem, Blanken, burger Sandstein hergestellt wurde, hat gegenwärtig ihren ‘Plat an der Südseite des Mittelschiffs zwischen dem leßten Säulen, paar vor dem Aufgange zum hohen Chor erhalten.

In dem leßteren treten Uebergänge zum Spißbogen

durch das in großen Verhältnissen ausgeführte Bild des Heilandes

baut, mit dem neuen Chor um 1320 eingeweiht worden ist In dem sogenannten ZFitter (auch Citber, Syttere, Synter geschrieben und bei norddeutschen Hochstiftern öfters vorkom mend), einem Gemach an der Nordseite der Kirche, im nördlichen Kreuzflügel gelegen und von der anstoßenden Safkristei her zu betreten, werden eine Reihe merkwürdiger, zum Theil kostbare Alterthümer aufbewahrt, über welche wir na der Qusamtmmnen- stellung des zum Harzverein für Geschichte und AlterkhumEkunde gehörigen OrtSvereins Quedlinburg Folgendes anführen :

eine Travertinvase von 165 Zoll Höhe und 12 J. Durchmesser mit zwei s{hlangenartigen Doppelhenkeln, von denen der ein abgebrochen ist. Der Krug wurde am 2. Sonntag nach Epipha

Altar geseht, mit Wein gefüllt und dem Volk gezeigt.

2) Pergamenthandschriften: a) ein Evangelistarium in gr, &olio , Im 10. Jahrhundert vom Priester Samuhel in Gold: schrift geschrieben, enthaltend die vier Evangelien nach der Vul- gata , davor eine Harmonie der Evangelien, dahinter ein Ka lendarium Servatianum. Der aus dem Ende des 12. Jahr, stammende, 145 Zoll hohe Deckel ist mit einer vergöldeten Silberplatte belegt, in der Mitte vertieft und. mit breiten Rahmen umgeben. Die Vertiefung enthält über zwei Bischöfen die Maria mit dem Kinde. Jn die mit Filigranarbeit un

Mosaikbilder eingelassen; Þ) ein Evangelistarium in kl. Voli0,

Tabellen der Harmonie vorangehen. Die Handschrift gehö dem Ende des “10. geh Handschrift gehört 12. Jahrh. an.

mit vergoidetem Silberblech Üüberzogenen Rahmen , der mit E g N geschmücdckt ist ; rlum 1n ¿Folio , die evangeliswen Texte nach der Vulgata ent L S aen Ende des 15. è i i ijt mit Silberblech überzogen, worauf in getriebener Arbeit di: Gestalt Christi. Der Rand zeigt in den Eten die Sinnbilder

Kirchenlehrer.

wird als der Heinrichs I, bezeichnet und if 11

breit, 65 Z. hoch, aus Holz, belegt mit Elfenbei geschnißte Reliefs a g fenbeinplatten, wel

am Grabe Christi, und Christi, Chrifti, —- an den

des 11. Jahrhunderts die Gestalt Chri ti auf dem Dee! 1d die Brusibilder der Heiligen , einer Maas del u!

45 Z. br., 5 Z. h.; Wände und reichem Goldzierrath und den aus einer Silberplatte bestehend. schrift auf dem Boden ist der Kasten hunderts angefertigt. vatius, der Jungfrau Maria und der Heiligen.

Menschenköpfen verziert.

Die Darstellungen der Figuren, welcbe den

Kästen ist von Holz, 14 J. L, 8: S.

gen von vortrefflicher Arbeit aus der nämlichen Zeit.

Endlich find noch verschiedene Gegenstände des Mittel |

alters vorhanden, nämlich der sogenannte Bartkaunn

Heinrichs I, 65 J. h., 37 J. br,, aus Elfenbein geschnigt, mi! geziert dur geshnißtes Rankcn, |

hohem doppelgehörntem Griffe,

hervor; allein die hochgewölbte Nische des Hochaltars wird erfüllt|

und der Heiligen der Kirche, die vornehmlich den Petrus und| den Servatius als Patrone hatte und, von 997 bis 1021 er

| eingelassen, daß fie offen daliegen.

| tinishen Zeit sind mit Formen geprägt. —- Ein 7 Z. h. Kru-

1) Der sogenannte Wasserkrug von der Hochzeit zu Kana darüber die Bilder von Sonne und Mond

nias8, wo das Evangelium zu Kana erklärt ward, auf den

zogene Umrahmung sind rohe Edelsteine, Perlen und kleine enthaltend die vier Evangelien nach der Vulgata, denen di

, der 105 ZoU hohe Deckel dem Ende dei Er besieht aus einer Elfenbeinplatte mit via Reliefdarstellungen aus der Geschichte Jesu, umgeben von cinen

c) ein Evangelista-F

Jahrh. Der 18 J. hohe Dee

der vier Evangelisten und zwischen ihnen die Gestalten der via k

3) Reliquienkästen. Ihrer sind drei vorhanden. Der ein Zoll lang, 6 Zk

; und mit getriebenen Darstellungen | in vergoldetem Silberbled. Die Darstellungen der a Marie j l d Cl die Jünger segnend, auf} dem Deckel —, die Fußwaschung Petri , sowie die Verklärung / | ren schmalen Seiten gehören dem 10. Jahr | bundert, die Langsciten mit den 12 Aposteln der ersten Hälfte F

Bru späteren Zeit an. Der ff zweite ist der sogenannte Reliquienkasten Otto's I. 9D. M ind Deckel ganz aus Elfenbein mit} fostbaren Edelsteinen beseßt, der Bo}

Nach Inhalt der Jn F am Schluß des 12. Jahr: f Er bewahrte die Reliquien des h. Scr}

| Kasten s{mücken, ] geben Zeugniß von dem Aufschwunge, den um jene Zeit die Kunst in Deutschland genommen bat. Der dritte dier b E br., G5 D. H, mit ver gol i detem Silberblece überzogen, worauf getriebene Reliefdarstellun-

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und Blätterwerk und dur Einfassungen von Gold und Edel- steinen. Ein geistlicher Hirtenstab, 27 Elle lang, 1 J. stark, oben einfa gekrümmt, der für ein Geschenk Otto8 I1II. an die Aebtissin Adelheid vom J. 999 gehalten wird, jedoch zwei Jahr- hunderte jünger zu sein sheint. Drei Bergkrystallflaschen aus dem 10. Jahrhundert mit Reliquien. Die 4% J. hohe in der sinnbildlichen Form des Fisches is nach der Jnschrift der aus vergoldetem Silber gearbeiteten Umfassung ein _Weihgeschenk Kaiser Otto’s IIT. Die zweite, in der Gestalt eines Herzen®, 35 Q. h., 2% J. br, zeigt gut gezeichnete aber noch ungeschickt eingeshliffene Verzierungen; die Jnschriften auf dem Un fasjsungsstreifen nennen die Namen der Heiligen , deren Ueber- reste in der Flasche bewahrt wurden. Die dritte , durch seltene Größe des Steins bervorragende, beschädigte Flasche in Gestalt einer 7 J. h. Phiole ist von ähnlicher , jedoch reicher ausgebildeter Arbeit, indem die Seiten in Form zweier Vögel ausgeschliffen find. Die unbeschriebene Fassung is jüngeren Ursprungs. Eine 8. h. Reliquientafel von Holz mit Silber- blech überzogen. Auf der Vorderseite sind 18 Heiligthümer so Das Blech if hier vergol- det und mit der Bezeichnung der Reliquien beschrieben. Die Reliefverzierungen der Rückjeite im Charakter der spätest byzan-

zifix von Holz mit vergoldetem Silberblech überzogen, mit der Figur Christi in byzantinishem Style, Über welcher ein fleines Goldkreuz mit einer Reliquie. Ein 3 J. h., 25 Z. br. Kreuz von vergoldetem Kupfer, worauf das Bild des gekreuzigten Heilands in Gold und Emaille im frühen byzantinischen Styl,

Von bedeutendem Belange für die Kenntniß der Kunst des Mittelalters und cin anderweiter Beleg für den Aufschwung der Geistesbildung in Deutschland um das Ende des 12. Jahrhunderts sind die Bruchstücke der unter Lei- tung der Aebtisfin Agnes I. (1184—1203) in Wolle gewirkten Teppiche. Jhr bildlicher Inhalt verdient sowobl in Rücksicht auf die shwierige Technik als auf den Styl der Zeichnung und ihren eigenthümlichen Vorwurf vorzügliche Beachtung. - Die Motive siad dem Eingange von des Martianus Kapel!a aus Madaurus (um 461) Encyklopädie der sieben freien Künste entnommen, einem Werke, welches im Mittelalter als Lehrbuch ersten Ranges angeschen und auf die Bildung des Klerus von größtem Einfluß gewesen ist; sie stellen die Vermählung des Merkur mit der Philologie dar. Die Figuren sind 2—3# &F- hoh. Endlich sind noch vorhanden eine größere Anzahl von Reliquienbehältern in Form von Monstranzen , von runden Kapseln , Kreuzen und größeren Holzkasten. An Kunstwerth ragt dabei unter allen die getriebene Darstellung des Leichnams Christi in den Armen von Maria und Johannes auf der Kap- sel von 24 J. Durchmesser hervor , welche der Zeit um 1400

angehört.

Karl Wilhelm Gropius. Nekrolog.

Am 20. Februar d. J. verstarb zu Berlin der Professor K arl Wilhelm Gropius, Chef des Dekorationsmaler-Ateliers der

Königlichen Schauspiele. Es war nicht diese Stellung und seine Thätigkeit in derselben allein, was seinem Namen den weitver-

breiteten und populären Ruhm verschafft hat, dessen er fic zu

erfreuen hatte. Die Art seiner Begabung war eine so vielseitige, sein Unternehmungsgeist ein so lebhafter , _sein Geschick in der praktischen Verwirklichung seiner Jdeen so sicher, daß im Laufe seines langen thätigen Lebens höchst Mannigfaltiges durch ihn ins Dasein gerufen werden konnte, das fast in allen Sichten

des Volkes Beifall und Freude erweckte und nach verschiedenen |

Seiten hin bildend und anregend gewirkt hat. Gropius war am 4. April 1793 in der Stadt Braun-

{weig geboren. | | seinen Eltern nach Berlin. Weder seine Jugendneigung;, noch der Lebensberuf, für welchen er bestimmt wurde, war die Kunst. Als Lehrling in einer Blumen- und Strod)- hutfabrik hatte er sih unter andern freilih auch im Koloriren von Blumen und Blättern zu üben. Aber nicht diese halb- künstlerische Nebenthätigkeit war es, die ihn seinem eigentlichen Beruf zuführte , sondern eine Bekanntschaft , welche er im Hause scines Prinzipals Ehrig zu machen Gelegenheit fand. Das war Schinkel. Es is bekannt, daß dieser Meister den künstlerishen Ausdruck seiner Jdeenfülle ebenso

gern in der Malerei, der landschaftlichen wie der figürlichen, In jenen Zeiten, am Ende

als in der Arcbitektur suchte.

Erst im neunten Lebensjahr kam er mit

des ersten bis zur Mitte des zweiten Jahrzehends dieses Jahr-

hunderts , als die weltgeschichtlihen Geschicke die größere bau- fünstlerishe Thätigkeit unterbrahen, fand Schinkel eine 1hn poetisch fast dafür entschädigende , seine reiche Phantasie beschäf-

tigende Arbeit in Entwürfen und Ausführungen zu künst-

lerishen Dekorationsmalercien. Ein Theil derselben kam der

Königlichen Bühne zu gut. Für diese sind mit den Deko-

rationen zur Zauberflöte, zur Vestalin, zur Olympia

und zum Cortes Musterbilder charakteristishen und in

künstlerischem Geist fkonzipirter Theaterdekorationen durch

Schinkel geschaffen. Gleichzeitig aber verschmähte er es auch

nicht, durch seine Kunst Schaustellungen der Art in® Leben zu

rufen, wie fie später Gropius selbst mit so großem Erfolge

durch die errociterten Mittel einer vorgeschrittenen Technik in

Berlin entstehen ließ. Der »Brand von Moskau« , »die sieben

Wunder der alten Welt« und Aehnliche, wie sie Sczinkel in

jenen Jahren ausführte, sind die Vorläufer der späteren viel-

bewunderten, zum täuschenden Effeit der Natur gesteigerten Bil-

der des Gropiusschen Dioramas. Die Dekorationsmalerei war

damal8 eine verhältnißmäßig junge Kunst in Preußen. Erst König

Friedrich 11. hatte ihr in dem unter seiner Regierung erbauten

Opernhause ein Feld der Thätigkeit eröffnet und den bekannten

Meister dieses Genres, Gagliari, aus Turin hierher berufen,

von dessen großem Sinn, Talent und reicher Phantasie heut

noch in freilich sehr geringen Resten des von ihm Geschaffenen

die üÜberzeugenden Spuren vorliegen. Auch nach ihm trat

ein Italiener, Verona, in dieses Amt cin, der anfangs einen

tüchtigen Schüler und Nachfolger an Prof. Burstath fand,

dann an Gerst eine noch begabtere jüngere Kraft. Dieser,

nach Beendigung des Krieges neben Burnath als Hülfsmaler

im Atelier der Königlichen Bühnen angestellt, versiand es vor-

treffflih , auf Scbinkels reformatorische Bestrebungen in Be-

zug auf die etwas verfallene Dekorationskunst einzugehen, und ihn bei ihrer Durchführung aufs Wirksamste zu unter- flüßen. Eine ähnlih geeignete und berufene Kraft crkannte Schinkel bald in dem jungen Wilhelm Gropius, und es wurde ihm leiht, denselben für die. Hingabe an solchen Beruf zu gewinnen. Er studirte und übte die Kunst des Dekorationsmalens dann auch mit so viel Eifer und Er- folg, daß er bald neben Gerst in gleichem Amt und 1819 selb- ständig als Königlicher Dekoration8maler und Theatcrinspektor angestellt, 1823 zum Mitgliede der Akademie der Küntte er- nannt wurde. Die erste Neudekoration, bei welcher der Name Gropius als Autor genannt und mit Beifall begrüßt wurde, war die zu Grillparzers Ahnfrau. Graf Brühl, der General- Intendant der Königlichen Schauspiele, verwendete bekanntlich besondere Sorgfalt auf die möglichst zeitgetreue und cte Inscenirung aller historischen Stücke. Diese Bestrebungen wendeten sih ebenso auf die Kostümirung als auf alles Dekorationswesen , und für Gropius wurden sie gerade cin Sporn , in seinem Gebiet auch nah dieser Seite hin dur immerwährende Vervollkommnung den höchsten Anforderungen zu genügen. Er besaß neben seiner eigenen künstlerischen Be- gabung und Einsicht auch das in solcher Stellung wichtige Talent, das Beste, was die Jeit hervorbringt, auch für seinen Zweck zu verwerthen, Überall die geeignetsten, verständnißvollsten und rüstigsten Kräfte zu finden und im Dienst und zum Nugzen der Sache zu verwenden. Reisen nach Paris, an dessen Opernbühne die Kunst der Dekoration immer eine besonders hohe Stufe behauptet hatte, wurden für ihn vielfach befruch- tend. Junge Künstler neben Gropius längst bewährter zuverlässiger Kraft, wie Beckmann, Biermann, später Gräb, Pape, die fernerhin sich zu den bcdeutendsten Land- " schafts- und Arcbitekturmalern heraus8gebildet haben, zog er heran, und ihr Talent, ihr Wissen , ihre technische Uebung halfen ihm, die Berliner DekorationSmalerei zu einem immer \{önern künstlerishen Niveau zu erheben, die Ateliers der Königlichen Bühnen den ersten der Welt gleichzustellen. Aus Gropius’ Privatwerkstätten wurden gleichzeitig eine Menge von au8wärtigen und Provinzialbühnen mit Entwürfen und aus- geführten Dekoxationen versorgt.

Aber gleichzeitig mit dieser immer urfangreiher anwach- senden Thätigkeit arbeitete er unablässig an der Ausführung azderer in ähnlicher Richtung liegender künsileriser Pläne. Diese betrafen zunächst das in Berlin zu errichtende Dio- rama, für welches eben damals Paris besonders glänzende Musterbilder aufgestellt hatte, deren außerordentlicher Erfolg mit ziemlicher Sicherheit auf die Erreichung eines ihm ähn- lichen in Berlin hoffen ließ. König Friedrich Wilhelm TII. schenkte dem ihm persönli und in seinen Bestrebungen werthen Unternehmer den bekannten Bauplaßg an der Ecke der Artillerie- und Georgenstraße, auf welchem das Gebäude des Diorama's

entstand, das am 29. Oktober 1827 zum ersten Mal eröffnet | wurde, an diesem Tage nur für die Königliche Familie aus- | \chließlich. Der Beifall, welcher die Schaustellungen von Seiten