1870 / 105 p. 6 (Königlich Preußischer Staats-Anzeiger) scan diff

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645,000 Thlr. heraus. Denn indem man auf der cinen Seite eine Abgabenerhöhung von 1,250,000 Thlr. ins Auge faßt; proponirt man auf der andern Seite: einen Abgabenerlaß von 605,000 Thlr. Und nun, meine Herren, dieser Abgabenerlaß seßt sih zusammen theils aus Zollermäßigungen, theils aus Zollbefreiungen. Bei den Bollermäßigungen sind ja s{hou sehr Viele rasch bei der Hand ge- wesen, um den Regierungen vorzuführen, daß bei den Zollermäßigun- gen der rehnungsmäßige Ausfall niht vollständig eintreten werde. Ich hoffe, daß die Herren darin Recht behalten werden. Wenn Sie aber darin Recht behalten, was folgt dann daraus, meine Herren? Dann folgt daraus, daß der Nation nicht allein erlassen wird an Steuern der Betrag, der in der Regierungs- Denkschrift berecnet ist, sondern daß die Nation in die Lage gebracht wird, in Folge der Preisherabseßung der von dem bisherigen Zoll betroffenen Gegen- stände si billigere Genußmittel zu verschaffen und daß der Gewinn für die Nation ein bedeutend größerer sein wird, als der Verlust, der auf Seiten der Staatskasse eintritt, Außer den Zollermäßigungen aber, wo neben dem Gewinn der Nation auch ein Gewinn für die Steuerkassen , wenn ih es so nennen darf / eintreten kann, erstrecken sih die Vorschläge hauptsächlih auf vollständige ZJollbefreiungen , sie umfassen an Zollbefreiungen 390,797 Thlr., also nahezu F der ganzen in Betracht tommenden Summe. Meine Herren , bei den Steuer- befreiungen gewinnt die Nation sehr viel mehr, als wie dieser Zahlen- ausdrudck besagt. Die Steuerpflichtigen, die mit dem Grenzverkehr zu thun haben , ersparen die gesammte Belästigung , die früher mit der Entrichtung der Abgabe verknüpft war ; fle ersparen in manchen Fällen mit dieser Bclästigung etwas, was, zu Gelde veranschlagt, mehr beträgt, als die ganze, vielleicht unerhebliche Steuer. Die Nation im Ganzen erspart unbedingt den berechneten Betrag; sie erspart den Mehraufwand, den die Erhebung der Steuer in dieser Form den Steuerpflichtigen bisher verursacht hat ; sie erspart aber außerdem und sie entzieht dem Staate in dem Falle die Mehreinnahme, welche der steigende Wohlstand, welche die Zunahme der Bevölkerung nothwendig bei einem solchen Artikel mit sih führt. Es wird also hier auf der einen Seite eine Summe geopfert mit der Unmöglichkeit, an dieser Stelle den Ersaß dafür zu erlangen, während auf der anderen Seite Ihnen ein Steuerzuschlag proponirt wird, der, wie ich glaube, zur &Folge hat, daß der Nation auch nicht ein Pfennig mehr abgenommen wird, der in Folge dessen in die Zollvereinskasse fließt.

Und nun, meine Herren, indem ih Jhnen hiermit dargelegt zu haben glaube, daß doch in der That die Auffassung der Regierung auf Billigkeit beruhe, daß man in der That nicht darauf Bedacht ge- nommen hat, gleichsam die Gelegenheit benußen zu wollen, um Jhnen hohe Steuererträge gleichzeitig anzusinnen, während Sie dies Alles anerfennen müssen, glaube ih, daß Sie der Vorlage ihre unveränderte Zustimmung würden geben können. Welchen Entschluß die Regierungen zu fassen hätten, wenn diese unveränderte Zustimmung, die ja soeben schon in einem Punkte durhbrochen worden is, nicht-ertheilt werden möchte, das würde eine Frage der Zukunft sein. So wie auf der anderen Seite Eines ih möchte sagen unerbittlich ausgesprochen zu werden \cheint, daß Sie unter keinen Umständen in eine Mehrbewilligung gegen den aftuellen Zustand, so glaube ih, auf der anderen Seite davor unbedingt warnen zu sollen, die Regierung in die Lage zu Et daß ihre Stellung noch \s{lechter werden möchte, als sie zur

eit ist.

Im Uebrigen kann ja die Frage einc offene sein, es kann ja die Frage entstehn, ob eine große Majorität des Hauses auf cine be- stimmte Steuerreform den Werth legt, um davon das Zustandekonm- men des ganzen Gesebes abhängig zu machen und es kann dann an die Regierungen die Frage herantreten, ob sie einem solchen Verlan- gen einen unbedingten Widerspruch entgegenseßen wollen. i

Ich hoffe und ih wünsche, daß das Hohe Haus der Vorlage der BEGerUng, des der Schlußabstimmung unverändert seine Zustimmung geben werde.

Nach dem Abgeordneten Ochmichen nahm der Präsident des Bundeskanzler-Amts, Staats-Minister Delbrü ck, das Wort:

_ Meine Herren! Der Herr Redner, der so eben die Tribüne ver- läßt, hat die fesle Ueberzeugung ausgesprochen, daß die Tarifreform zu Stande kommen werde auch ohne Erhöhung des Kaffeezolls, denn es handle sih ja {ließlich bei der ganzen Reform nur um ein Objekt, welches die Regierung berechnet habe zu 600,000 Thlr. und welches er herabmindert auf 500,000 Thlx. Der Herr Abgeordnete scheint dabei Übersehen zu haben, daß, wie im Augenblick die Dinge liegen, bei Erwägung der finanziellen Frage auszugehen is von dem Be- \{luß, den soeben das Zollparlament wegen Ermäßigung der Reis- zólle gefaßt hat, Allein durch dieses Moment würde sich seine Be- rechnung wesentlih anders stellen. Judessen, wenn ich auch diesen Beschluß mir für den Augenblick einmal wegdenken wollte, was ih freilich nicht fann; so würde ich doch mit derselben Sicherheit der Ueberzeugung, mit welcher der Herr Abgeordnete behauptet hat, die Tarifreform würde ohne eine Erhöhung des Kaffeezolls zu Stande kommen, mit derselben Sicherheit der Ueberzeugung, und vielleicht mit etwas größerer, das Gegentheil behaupten.

Ih komme nun zu einigen Bemerkungen, wélche die beiden früheren Herren Vorredner, die Abgeordneten für Dortmund und Osnabrück, in I N 4 die vorliegende Frage gemacht haben, Ich beginne damit, zwei Mißverständnisse zu berichtigen, die zum Theil in den Auffassungen der beiden geehrten Redner obgewaltet haben. Es is die Aeußerung des Herrn Finanz - Ministers, daß er Anstand nehme, den Nachweis eines finanziellen Mehrbedarfs zu führen , so aufgefaßt worden, als ob er Anstand nehme, den Nachweis über- haupt zu führen. Seine Aeußerung bezog sich ledigli darauf, daß er hier, vor dem Zollparlament, niht den Nachweis er- bringen wolle und könne, daß das preußische Budget einer Kräf- tigung durch Mehreinnahme bedürfe.

. vorhin vorgetragen hat; von den Kolonialwaarenhändlern în

Ich glaube, daß mit dieser |

Berichtigung die Folgerungen von selbst erledigt sind, welche von den Herren Vorrednern aus der mißverständlih aufgefaßten Be. merkung gezogen sind. Ein zweites Mißverständniß , welchem der Herr Finanz-Minister unterlegen, ist das, daß der Herr Abgeord- nete für Osnabrück meint, es sei von ibm als ein Vorzug der jeßt vorliegenden Reform das bezeichnet, daß die Erhebungskosten der

Zôlle, wie sie aus den Einnahmen der Zölle durch die Regierungen |

bestritten werden müssen, sich vermindern würden. Der Herr Finanz. Minister hat das nicht gesagt und hat das nicht wohl sagen können, weil schwerlich anzunehmen ist, daß die jeßt vorliegende Tarifreform einen irgend fühlbaren Einfluß auf die Erhebungskosten ausüben könne. Was der Herr Finanz-Minister gesagt hat und was unzeifel. haft richtig ist, ist das: cine erhebliwe Erweiterung, namentli der Zollbefreiungen des Tarifs entlastet die Nation von denjenigen Aus gaben, welche sie zu bringen hat, um zollpflichtige Gegenstände zoll. amtlich abfertigen zu lassen. Das ist eine Ausgabe , die der Handel, der Einführende, zu bestreiten hat, nicht aber cine Ausgabe, die der Staat zu bestreiten hat.

Ich wende mich hierauf zunächst zu den Bedenken, welche der |

Herr Abg. für Dortmund gegen die Erhöhung des Kaffeezolls daraus hergeleitet hat, und welche, wie der Referent Jhrer Komniission e

achen getheilt werden, daß durch eine Erhöhung des Kaffeezolles der Schleich- handel im bedenklichen Maße si steigern würde. Jch glaube nicht daß diese Besorgnisse gegründet sind. Der Schleihhandel mit Kaffec ist in früheren Zeiten unzweifelhaft recht blühend gewesen; er is das auch noch gewesen, als der Zoll auf 5 Thaler heruntergeseßt war, Er hat selbst, nachdem ein indie Zwisc{enzeit fallendes Zollfartel mit den Niederlanden sein Ende erreicht hatte, in sehr er- freulicher und sehr erheblicher Weise abgenommen. Der Grund da- von liegt einfa darin, daß sich die Erwerbsverhältnisse der Grenz- bevölferung ganzungemein gebessert haben und daß, wo günstige Erwerbs- verhältnisse sind und wo der Einzelne in der Lage ist, auf ehrlich: Weise scin Brod zu verdienen , er da das Brodverdienen auf ehrliche Weise dem Brodverdienen auf unehrliche Weise vorzieht. Das is das wesentliche Moment , welches dahin gewirkt hat, dem Schleich- handel mit Kaffec, der im Uebrigen unter sehr günstigen äußeren Ver- hältnissen auch heute noch betrieben werden könnte, an der niederländi- {hen Grenze im Großen und Ganzén ein Ende zu machen, oder ihn wenigstens im Vergleih nit den früheren Zeiten auf ein sehr unbc- deutendes Maß zurückzuführen. i

Der Abgeordnete für Osnabrück hat nun sein Amendement dur die Erwägung empfohlen, daß er einerseits nicht geneigt sei, den verbün- deten Regierungen höhere Einnahmen zu bewilligen, als die Ausfälle betragen; welche von den Tarifreformen zu erwarten sind; daß er andererseits aber der Meinung sei, daß durch Annahme seines Anien- dements Ausfälle gegenüber den Zolibefrciungen und Zollermäßigun- gen, welche die Vorlage enthält, nit eintreten fönnen, "Der Herr Abgeordnete hat dics auch in der Unterstellung gethan, die gegeben ist dur die vorher statigefundene Abstimmung über die Ermäßigung des Reiszolles. Jn dieser Beziehung kann ih seine Anführungen für begründet nicht erachten und fann, nachdem die Ermäßigung des Reis- zolls hier im Hause beschlossen ist, in Folge dessen au sein Amende ment nicht für annehmbar erklären. Die Finanzausfälle, welche na der Vorlage der verbündeten Regierungen zu erwarten sind, sind red nung8imnäßig veranschlagt auf etwa 600,000 Thlr. Der Reiszoll hat im leßten Jahre eingebracht 881,000 Thlr. Eine Ermäßigung auf dic Hälfte ih will auf die Berehnungen über den Mehrkonsum später zurückkommen würde also ergeben 440,000 Thlr., und dies zu den 600,000 Thlrn. gerechnet ergiebt 1,040,000 Thlr. J

Die von dem Herrn Abgeordneten für Osnabrück vorgeschlagen: Erhöhung des Kaffeezolls würde ergeben, auch wenn ih eben auf dei vermindertey Konsum keine Rücksicht nehme, 800,000 Thaler, alîo 240,000 Thaler weniger, als die Ausfälle. Nun 1oird zweierlei au geführt: einmal, daß bei denjenigen Artikeln, welhe nah den Vor- lagen der verbündeten Regierungen im Zoll ermäßigt werden sollen, cine Mehreinfuhr statifind: n werde, die dazu führe, dic Ausfälle wenigstens zum Theil auszugleichen. Meine Herren, es ist gestern von dieser Seite des Hauses (rechts) ausgeführt worden, daß die wichtigste der Zollermäßigui- gen, nämli die Zollermäßigung für das Materialeisen und die Eisen- waaren cine Medreinfuhr von irgend einer Erheblichfeit nicht zur Folgt haben würde. Jh will dahingestellt sein lassen, wie weit dies richtig ist; jedenfalls beweist diese Behauptung, die von sehr sachkündiger Seite gestern ausgegangen ist, daß es äußerst gefährlih wäre, auf die vermeintlihe Mehreinfuhr in Folge der Tarifermäßigung irgendwic sicher zu bauen und eine finanzielle Berehnung darauf zu ründen. In Fragen, wie diese, wo cs sich um einen wichtigen Theil der Ein- nahmen handelt, muß man vorsitig rechnen, und Sie fönnen von den verbündeten Regierungen nicht wohl begehren, daß sie dergleichen Wechsel auf Eventualitäten accepiiren und sich für baares Geld al rechnen lassen sollen, von denen Niemand behaupten kann, ob sie ein treten werden.

Was nun die Zollernäßigung für Reis anlangt, so hat de! Herr Abgeordnete für Osnabrück darauf hingewiiscn, daß diese Er mäßigung eine sehr erhebliche Mehreinfuhr zur Folge haben, si aljo zum Theil selbst decken würde. Jh will durchaus nit bestreiten daß cine Mehreinfuhr stattfinden wird. Indessen man wird, wie id glaube, sehr vorsichtig sein müssen bei der Veranshlagung. Jh weiß sehr wobl, daß nach der Ermäßigung des Reiszolls von 2 Thlr. au! den jeßt bestehenten Saß von 1 Thlr. eine ganz außerordentli Steigerung der Einfuhr und des Verbrauchs stattgefunden hat; i? dessen, wenn man sich auf die damals gemachten Erfahrungen br ziehen wollte, so würde man sich wohl zu vergegenwärtigen haben daß die damals eingetretene Zollermäßigung begleitet wurde dur eine beinahe eben so große Ermäßigung des Preises des Reises aul den freien Märkten. Jn den leßten Jahren vor der Zollermäßigung

des Reises stand der Durchschnittspreis des Neises in Hamburg

ih bemerke dabei ausdrûdlich, die Theucrungêjahre sind bei dic’cr | Berechnung. ausgelassen auf 4,87 Thlr ; in den leßten vier Jahren, |

von jeßt an zurückgerehnet, betrug der Preis des Reises in Hamburg 3,96 Thlr., und zivar war er in den leßten vier Jahren {on eiwas

höher als in den vorangegangenen vier und noch etwas höher als in |

deny diesen leßteren vorangegangencn Jahren. Jn den Jahren 1857 bis 1860 betrug der Preis des Reises 3,82 Thlr, in den Jahren 1861 bis 1864 3,91 Thlr. und in den Jahren 1865 bis 1868 3,96 Tblr. curs{nittlich. Es ist die große Zunahme der Einfuhr und Ver- zollung des Reises also eingetreten unter der QJusammenwir- fung cinmal einer Zollermäßigung um 1 Thlr. und donn ciner Preisermäßigung von beinahe auch 1 Thlr, es wurde vamit mit anderen Worten der Preis des verzolltez Reises um beinahe ein Drittel, von beinahe 6 Thaler auf beinahe 4 Thaler” heruntergeseßt. Daß eine Preis8ermäßigung von beinahe einem Drittel einen schr großen Impuls für den Sia giebt, das it gar feine Frage. Jebt, wenn der Zoll um 15 Sgr. cruläßigt wird, handelt es sich, dic leßten Durchschnittspreise zum Grunde ge- legt, vm eine Zollermäßigung von 10 pCt. sür den Preis des ver- zollten Reises. Das isst cin sehr bedeutender Unterschied in Bezug auf die Wirkung des Verbrauhs. JTch will nun keineswegs unternehmen, etwa berechnen zu wollen, wie stark oder wie gering die Vermehrung der Einfuhr, der Verzollung von Reis sein wird, Wenn der Zoll um 15 Sgr. herabgeseßt wird. Eben so wenig würde ih aber auch irgend cine Berechnung anerkennen können, die versuht- werden möchte von anderer Seite, und unter keinen Umständen, selbst im Hinblick auf die früher gemachten Erfahrungen, is} es denkbar, daß eine Ermäßigung des Preises um 10 Prozent, die Einfuhr um 50 Prozent vermehren würde und eine solche Vermehrung würde nothwendig fein, um die mchbr als 200,000 Thaler, die in der Rednung des Herrn Abgeordneten für Osnabrück übcr Einnahme und Ausgabe in der Einnabme fehlen, auszugleichen. Unter diesen Umständen werden die verbündeten Re- gierungen nit in der Lage sein, in der Annahme des Amendements des Herrn Abgeordneten für- Osnabrück die Möglichkeit der Ausfüh- rung der Tarifreform zu erkennen ; die dur die beschlossene Zoll- crmäßigung für Reis so viel größere Dimensionen angenommen hat, als sie von ihnen vorgeschlagen waren.

Bei der Vorberathung des Gesezentwurfs, betreffend die Besteuerung des Stärkezuckers 2c, erwiderte der Finanz- Minister Camphausen dem Abg. Roß: 1s

Ich hatte unmittelbar ein Paar Worte entgegnen wollen; es ist niht gerade angenehm, darauf hingewiesen zu werden, daß man nicht zu rechnen verstehe.

Meine Herren. Wenn Adam Riese rihtig rechnet, dann wird er dem Exempel, das ih- vorhin gemacht habe, glaube ih, nit entgegen- treten können, denn ih habe in dem Augenblicke JThnen nachzuweisen versucht, was die Nation gewinnt an Steuerentlastung und dem gegenüber gestellt, welche neue Belastung sie zu Übernehmen habe. Th habe Jhnen, wie ih glaube, den Nachweis geführt, daß die necuc Belastung si, wenn ih die Grundlage der Regierungsdenkschrift an- nehme, auf 645,000 Thlr. erstrecken würde, und daß dagegen die Ent- lastung eine schr viel größere sein würde. - Tch habe das im Ein- zelnen nachgewiesen bei den Steuerermäßigungen, ich habe es aber mit besonderem Nachdruckde nachgewiesen bei den vollstän- digen Steuerbefreiungen, wo der Staat für immer sich dieser Einnahmequellen -begiebt, und wenn der geehrte Herr Vorredner ja am Schluß darauf hingewiesen hat, wie segensreih es sein würde, wenn die Zahl der steuerpflihtigen Artikel auf wenige beschränkt

“zur Entscheidung gelangen muß, ob diese Jnudusirie,

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würden , so kann ih darauf nur erwiedern: es sind ja die Regierun- gen , die Jhnen vorschlagen, einen wesentlichen Schritt auf diesem Wege zu thun.

Dann habe ih noch , was decn Reiszoll betrifft ; darauf hinzu- weisen , daß die Angaben, die der Herr Staats-Minister Delbrück vorhin Jhnen gemacht hat, sich auf cine Quelle stüßen, die dem

| geehrten Herrn Vorredner besonders zugänglich sein muß; es find die

hamburger Preisverzeichnisse. Jh zweifle nicht daran, daß mein Herr Kollege sehr“ genau gerechnet haben wird, und wenn er es gethan hat, 48 ondelt es sih um eine Herabsezung von 10 pCt., und nicht on Y

Nach dem Abgeordneten von Sänger nahm der Finanz- Minister nochmals das Wort: G s ;

Meine Herren! Ein wesentlihes Moment des Herrn Vorredners bestand darin, daß erst im vorigen Jahre von einem Regierungs- Kommissarius die Erklärung abgegeben worden sci, daß der Besteuerung des Kartoffelzuckers sehr gewichtige national-wirthschaftlihe und tech- nische Bedenken entgegengestanden und zu dem Entschlusse geführt hätten, diese Vorlage zurückzulegen. Jene Worte hätten allerdings einer kleinen Ergänzung bedurft, zu welcher mi derjenige, der diese Worte ausgesprochen hat , ausdrücklich autorisirt hat. Nämlich hätte er ahnen können, daß man seinen Worten eine solche Auslegung geben würde, dann würde er vorsihtiger Weise gesagt haben: »für jeßt« zurückzulegen. Denn, was damals geschehen ist, und was die wirk- lihe Sachlage war, das war, daß bei der preußischen Regierung, die sich mit der Vorbereitung der Gescpesvorlage beschäftigte, die VPrage noch uicht entschieden war, in welcher Weise technisch die Besteuerung am zweckmäßigsten auszuführen sei. Es handelte sich hauptsächlich um diese tehnishen Bedenken. * Weit entfernt aber, daß man in jener Zeit den Gedanken aufgegeben hätte, so haben, meine Herren, die technischen Ermittelungen unausgeseßt fortgedauert, und diese Ermittelungen haben demnächst zu der Ueberzeugung geführt, daß wir in der Lage sein werden, mit einem einfachen Besteuerung8modus den Zwec, den wir erstreben, aucl) wirklich zu erreichen.

Der Auffassung, die der Herr Vorredner eingenommen hat, daß man erst abwarten solle, bis daß diese vielleicht nur auf Kosten der Steuer vom indis{chen und vom Rübenzucker zu crhaltende Industrie einen großen Umfang angenommen habe, der Auffassung kann ih durchaus nit beitreten. Wenn durch eine verkehrte Geseßgebung die Industrie in falshe Bahnen geleitet worden is, dann is es nachher

immer eine sehr bedenkliche Sache, die in dieser Jndustrie angelegten Kapitalien durch einen radikalen Umschwung der Geseßgebung vernich-

ten zu wollen; wenn man aber in dem Stadiunr ist, daß die &rage auf eigene Süße gestellt, lebensfähig is, dann glaube ih, daß man gerade damit eine im volfkswirthschaftlichen Jnteresse weit mehr richtige Maßregel trifft, als wie im finanziellen Jnteresse. Daß ja die verbündeten Regierun- gen auf den finanziellen Ertrag, den diese Maßregel {on jeßt in Ausficht stellt, kein üÜbertriebenes Gewicht legen, das kann si ja Jeder sagen. Man hat angenommen , cs wird etwa cin Betrag von 200,000 Tblr. herausforumen er“mag auch etwas größer oder ge- ringer ausfallew; daß es sich aber dabei hauptsählich um das volks- wirthschaftlice Prinzip handelt, eine Judustrie nicht in irrige Bahnen leiten zu lassen, das is dabei die Hauptsace; und wenn man nun die Behauptung aufstellt, die ih nicht als begründet anerkennen IwÜrde, die Industrie vermöge diese Besteuerung nicht zu ertragen, nun dann würde ih den Antrag gerechtfertigt finden, man möge den Versuch machen mit einer etwas geringeren Besteuerung für den Anfang, aber niht zu dem Schlusse gelangen: unterlassen wir diese Besteuerung.

Deffentlicher Anzeiger.

Steckbriefe und Untersuchungs : Sachen.

Bekanntmachung. Der Knecht Schellin, angeblih aus Wangerin herstammend, welcher vor einigen Jahren in Diensten des damaligen Chaussece-Aufsehers Kühl zu Neumark stand, soll wegen Theilnahme an ciner von dem 2c. Kühl verübten Unterschlagung verantwortlih vernommen werden. Alle diejenigen, welche über dessen gegenwärtigen Aufenthaltsort Auskunft geben können, werden ersucht, dieselbe dem unterzeichneten Gericht zu den Akten wider Kühl 56 deo 70 baldigst zu ertheilen. Greifenhagen , den 2, Mai 1870.

Königliches Kreisgericht. Der Untersuchungsrickter.

Steckbrief. Gegen den Kaufmann Heinrich Christian Theodor Bender von hier is die gerichtliche Haft wegen betrüg- lihen Bankerutts beschlossen worden.

Seine Festnahme hat nicht aus-

geführt werden können. Es wird ersucht, den unten näher bezeichneten

A. Bender im Betretungsfalle festzunehmen und mit allen bei ihm sich vorfindenden Gegenständen und Geldern an das unterzeichnete Gericht abzuliefern. Beschreibung. Alter: geb. 18. September 1843, Geburtsort: Greifswald, Größe: 5 Fuß 7 Zoll, Haare: s{chwarz, Augen: braun, Augenbrauen: {warz, Nase und Kinn : gewöhnli, Mund: gewöhnli, Gesichtsbildung: länglich, Gesichtsfarbe: frisch, Zähne: gut, Gestalt: \{lank, Sprache: hoch- und plattdeutsch, be- sondere Kennzeichen : keine. Bekleidung. Rock: bläulicher Ueberzicher, Müßge: Pelz. Greifswald, den 30. April 1870. Königliches Kreisgericht. 1. Abtheilung.

Steckbrief. Der mehrfach bestrafte Kammmacher, auch ZJink- arbeiter Joseph Komperra aus Kempen, zuleßt in Breslau, ist wegen Unterschlagung festzunehmen und mir umgehend davon Nad-

riht zu geben. Signalement: Alter: 41 Jahr, Größe: 5! 5/1! 241, Haare: blond, Stirn: frei, Augenbrauen: blond, Augen: blau, Nase und Mund: gewöhnlick, Bart: rasirt, Zähne: defekt, Kinn: rund, Gesichtsbildung: länglih, Gesichtsfarbe: blaß, Gestalt: {chwäwlich, Sprache: deuts, besondere Kennzeichen : keine. Derselbe führt msg- licherweise noch den unterschlagenen preußischen Staats\{huldschein über 100 Thaler Littr. F. Nr. 127,824, welcher den Jncoursseßungs- Vermerk des Königlichen Kreisgerihts zu Glaß vom 28. September 1869 trägt und N desscn Vorkommen man achten wolle, bei \ich. Vranfkenstcin, den 30. April 1870. Der Königliche Staats-Anwalt.

Steckbriefs-Erledigung. Der hinter den Arbeitsmann Johann Wilhelm Koehler, aus Nieste bei Liegniß gebürtig, unterm 7. Juli resp. 6. September 1869 erlassene Steckbriet ist er- ledigt. Berlin, den 29. April 1870.

Königliches Stadtgericht. Abtheilung für Untersuchungssachen. Deputation V. für Verbrechen und Vergehen.

Handels- Negister.

Handels-Register des Königl. Stadtgerichts zu Berlin. N An E a Firmenregister des unterzeichneten Gerichts ist unter r. die Kauffrau Wittwe Bertha Ernestine Anna Lehnert geborne Jen- nerich zu Berlin, Ort der Niederlassung: Berlin, jeßiges Geschäfts- lofal : Gneisenaustraße Nr. 1, Firma: Berth. Lehnert, zufolge heutiger Verfügung eingetragen.

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