1890 / 106 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 01 May 1890 18:00:01 GMT) scan diff

Handel und Gewerbe.

Durch einen im russischen Geseßblatt vom 21./9. März d. V veröffentlihten Ukas ist das Zollamt zu Cherson aus- gehoben worden, weil ausländische Schiffe wegen des seiten Fahrwassers und der Versandung der Dniepr-Mündung nicht mehr nach Cherson gelangen können und aus diesem Grunde bis zur Vertiefung der leßteren ein Zollamt in Cherson über-

flüssig ist. Verkehrs - Anstalten.

Von dem „Reihs-Kursbuch“ (Uebersicht der Eiscnbahns-, Post- und Dampfschiffverbindungen in Deutschland, Oesterreih- Üngarn, Schweiz, sowie der bedeutenderen Verbindungen der übrigen Theile Europas und der Dampffciffverbindungen mit außereuropät- schen Ländern ; bearbeitet im Kursbureau des Reichs-Postamts; mit einer Karte von Deutshland und Skizzen fremder Länder; jede Kurébuch-Abtheilung mit besonderer Uebersichtékarte) erschien soeben im Verlage von Julius Springer hierselbst (Monbijou-Plat 3) die Ausgabe Nr. 3 für Mai 1890, (Preis 2 4)

Hamburg, 1. Mai. (W. T. B.) Der Scnelldampfer „Columbia“ der Hamburg-Amerikanischen Pacfe:fahrt- Aftiengesellshaft hat, ron New-York kommend, beute 5 Uhr Morgens Lizard passirt. s

London, 29. April. (W. T. B.) Der Castle-Dampfer „Grantully Castle“ is auf der Heimreise heute in London und der Castle-Dampfer „Durobian Castle“ auf der Ausreise gestern in Capetown angekommen. i j

—ck - 130, ‘April. (W. T. B.) Der Union-Dampsfer „Dane“ ist gestern von Capetown auf der Heimreise abgegangen.

1, Mai. (W. T. B.) Der Castle-Dampfer „War- wick-Castle*“ ist gestern von London auf der Ausreise abgegangen. Der Castle-Dampfer „Garth-Castle“ hat gestern auf der Ausreise Madeira passirt. Der Union-Dampfer „German“ ist gestern von den Canarischen Inseln auf der Heimreise abgegangen. Der Union-Dampfer „Spartan“ ist gestern von Capctown auf der Heimreise abgegangen.

Theater und Musik.

Kroll's Theater. : : Morgen findet die leßte Wiederholung von Donizetti's „Lucia di Lammermoor“ mit Sgra. Prevosti in der Titelrolle statt. Der nächste Sonntag bringt den letzten italienischen Opernabend. Philharmonie. : Gestern, am Bußtage brate der Shnöpf'\che G esangvyerein das von ihm oft gehörte Oratorium „Paulus“ von Mendelssohn zur Aufführuna. Diesmal war der Orchesterbegleitung zum ersten Mal au die Orgel hinzugefügt, welche die großartige Wirkung der Chöre wesentlich steigerte und mitunter auch in Sologeîängen, wie z. B. in dem Recitativ „Wie der Prophet sprit“ aufs Wirkungsvollste ein- griff, Die Ausführung der Chöre war eine höchst loben8werthe. Der Totaleindru& hätte vielleicht noch dur eine größere Betheiligung der Frauenstimmen erhöht werden können, zumal der Chor zwischen Orgel und Orchester aufgestellt war. Die Präzision in der Zusammenwirkung wie die tier eingehende Ausdrucksweise und die große Klangschönheit der zahlreihen Männerstimmen, die im fünften Chor des ersten Theils und in dem Chor „Sei uns gnädig“ fo wundervoll wirkten, gaben das erfreulihste Zeugniß von dem künst- lerishen Aufs{wung, den der Verein genommen hat. Den „Paulus“ fang Hr. von Milde vorzüglih. Die Arie „Vertilge sie“ und „Gott, fei mir gnädig“ bört man ret selten in solher Vollendung. Auch die sehr bedeutende künstlerishe Leistung der Fr. Shmidt-Köhne und die Betheiligung des Frl. M. Schwarz sowie des sehr begabten Tenoristen Hrn. O. Vetter trugen sehr wesentlich zum Gelingen der Aufführung bei. Die Orgelbegleitung befand sich in den be- währten Händen des Hrn Dr Reimann, der die Klangschönheiten der vortrefflichen Concertorgel stets mit der nöthigen Einsicht in das \{chöône Werk Mendels\sohn's zur Geltung brahte, Auf der sehr an- erfennenswerthen Leistung des Orchesters heben wir das gelungene Solo des Flôötisten und das des Cellisten noch ganz besonders hervor. Lebhafter und wohlverdienter Beifall von Seiten des fehr zahlrei ershienenen Publikums wurde allen betheiligten Künstlern und be- sonders dem umsihtigen und energischen Dirigenten, dem Königlichen Musikdirektor Hrn. Schn öpf, zu Theil.

Nach Schluß der Redaktion eingegangene Depeschen.

Danzig, 1. Mai. (W. T. B.) Auf den meisten Arbeitspläßen und in fast allen Fabriken wird ungestört fortgearbeitet, nur eine Oelmühle mußte den Betrieb einstellen, weil die Arbeiter feiern. Auf einigen Baupläßen verließen heute Vormittag die Maurer und Hand- langer und bei einem Festungsbau die Erdarbeiter, welche durch zunge Burschen aufgestahelt waren, ihre Arbeit. Vier der Nädelsführer wurden verhastet und eine Arbeiter- ansammlung auf einem Marktplaß dur die Polizei zerstreut. Die für heute Nachmittag geplanten Volksversammlungen im Freien sind verboten worden; die Pläße werden scharf beobachtet.

Breslau, 1. Mai. (W. T. B.) Die allgemeine Physiognomie des heutigen Tages zeigt einen friedlichen Charakter. Nur für den Mittag und den Abend ist je eine Arbeiterversammlung einberufen, um die Forderung des Achtstundentages zu besprechen.

Sprottau, 1. Mai. (W. T. B.) Zur Zeit herrscht hier überall Ruhe. Jn sämmtlichen Fabriken wird gearbeitet. Dasselbe wird von den Hüttenwerken Wil- belmshütte, Eulau und Mallmig sowie von der Fabrik in Niederleschen gemeldet. Die Maurer und Zimmerleute arbeiten ebenfalls sämmtlich.

Nordhausen, 1. Mai. (W. T. B.) Es herrscht voll- -

ständige Ruhe hier; die Straßen bieten den gewöhnlichen Anblick. :

Kiel, 1. Mai. (W. T. B.) Auf aklen Wersten sowie in allen Fabriken und Werkstätten wird ausnahmslos während des ganzen Tages gearbeitet. Frgend welche Störung der Ruhe ist nicht zu befürchten.

Köln, 1. Mai, 1 Uhr Nachmittags. (W. T. B.) Bis jeßt ist hier nihts von der Feier der Arbeiter zu be- merten.

Dresden, 1. Mai. (W. T. B.) Bis jeßt haben sich die Arbeiter völlig ruhig verhalten, die meisten arbeiten. Jn Sieg's Sälen fand eine Volksversammlung von 400 Personen, an welcher der Abg. Bebel theilnahm, und im „Trianon“ eine solhe von 700 Personen, bei welcher der Abg. Singer zugegen war, statt.

Chemniß, 1. Mai. (W. T. B.) Das gemeinschaft- lihe Vorgehen der Arbeitgeber ist von glänzendem Erfolg begleitet. Bis jeßt liegen aus 30 größeren Fabriken Berichte vor, daß die Arbeiter überall pünktlich und vollzählig zur Arbeit angetreten sind; au in der Stadt herrscht vollkommene Ruhe.

Bremen, 1. Mai, 1 Uhr 30 Minuten Nachmittags. (W. T. B.) Die Stadt ist vollständig ruhig. Bis jeßt sind keinerlei Ansammlungen oder Ausschreitungen bei der Polizei gemeldet worden. Es sind alle Vorkehrungen zur Aufrechthaltung dec Ordnung getroffen.

Me L Ma (Wi) Lon Ars, Moyeuvre, D L Rosseln, Forbach und Saargemünd wird nicht gefeiert.

Mülhausen i. Elf., 1. Mai. (W. T. B.) Von der s der Arbeiter ist hier Nichts bemerkbar; es arbeitet

es.

Wien, 1, Mai, Vormittags 11 Uhr. (W. T. B.) Die Stadt hat im Ganzen ihr alltäglihes Aussehen, es ist keinerlei StockŒung des Verkehrs wahrnehmbar. Sämmtliche Läden und Magazine, mit wenigen Ausnahmen, sind offen ; die öffentlihen Märkte werden wie immer abgehalten. Kleine E von Arbeitern in Festtagskleidern begeben sich zu den Versammlungen, deren etwa 40 Vormittags stattfinden, Behufs Berathung der vom Pariser Sozialistenkongreß im vorigen Jahre beschlossenen Programmpunkte. Die dienst- freien Polizeimannschasten sind konsignirt, das Militär wird

in den Kasernen in Bereitschaft gehalten. Auf den Straßen und Plätzen befindet sich nirgends militärishes Aufgebot, nur in den aus den leßten Excessen bekannten Stadttheilen Neu-Lerchenfeld, Ottakring und Hernals patrouilliren kleine Kavallerieabtheilungen; der Prater ist durch Junfanterie und Kavallerie in voller Feldausrüstung beseßt. Morgens erschienen die Erzherzöge Albrecht, Rainer und Wilhelm, um sich über die Vorkehrungen zu informiren. Das her- fömmlice Praterleben am 1. Mai beginnt si, wie in früheren Jahren, zu entwickeln. Bisher sind in dem hiesigen Polizei- rayon nirgends Störungen der Ruhe signalisirt; alle Arbeiterversammlungen sind ruhig verlaufen. Das Wetter ist prachtvoll.

Wien, 1. Mai. (W. T. B.) Aus Lemberg wird gemeldet, daß dort vollständige Ruhe herrshe; im Hof- raume des Rathhauses findet eine Arbeiterversammlung statt. Aus Galizien wurden weder Ruhestörungen noch Demon- strationen gemeldet; in Troppau wird in allen Fabriken mit Ausnahme einèr einzigen gearbeitet; es herrscht vollständige Ruhe. Jn Brünn brach Nachts in einer Schafwollfabrik ein Brand aus, der anscheinend angelegt war und beträhtlihen Schaden anrichtete. Jn Pro ßn (Mähren) wurde bei der heute erfolgten Einliefe- rung mehrerer gestern verhasteter Personen in das Ge- fängniß leßteres Vormittags von etwa 4000 Arbeitern gestürmt. Jn Vrbovskta bekränzten die Arbeiter der dor- tigen Holzmanufaktur als Gegend: monstration die Maschinen, s{hmüdten die Fabrik mit Blumen und brachten die Fnschrift

an: Hoch die Fabrik.

Pest, 1. Mai. B.) Heute durh- zogen die Militärkapellen wie üblich am 1. ai mit klingendem Spiele bei herrlihem Wetter die Stadt. Das Aus sehen der Straßen ist das gewöhnliche, Arbeitergruppen begeben sich zu den Versammlungen nach ihren Vereinslokalitäten. Der Aufzug der Arbeiter nah dem Mechigspiaß wird erst Nachmitiags stattfinden. Das Arbeiter- comité ist sest entschlossen, jeder Demonjtration auf das Nach- drüdlichste entgegen zu treten. i

Pest, 1. Mai. (W. T. B.) Vor der Walzmühle fand ein Exzeß Seitens der Arbeiter statt, wobei das Militär genörhigt war, mit Bayonnett-Angriff ein- zuschreiten; zwei fremde Arbeiter wurden verwundet. Die Arbeiter der Walzmühle arbeiten ruhig weiter. Fn einzelnen Mühlen feiern die Arbeiter, in der Mehrzahl wird jedoch gearbeitet.

Paris, 1. Mai, Vormittags 10 Uhr. (W. T. B.) Fn den äußern Boulevards herrsht Nuhe. Die inneren Stadtviertel bieten der Anblick der gewöhnlichen Be- wegung. Die großen Läden sind offen, die Schaufenster jedo leer. Die Läden der Wasfenshmiede sind geschlossen.

Ber n, 1. Mai. (W. T. B.) Nach den genauesten Nachrichten wird in allen gewerblichen Kantonen der Schweiz heute ausnahmslos gearbeitet, Jn Bern und Zürih soll Nachmittags von einer kleinen Anzahl feiernder Arbeiter eine Feier in bescheidenem Rahmen ab- gehalten werden. Sonst beschränkt sich in allen gewerbe- reihen Kantonen, Basel, Bern, Zürich, Genf, Solothurn, St. Gallen, Glarus, Thurgau, Aargau und Neuenburg die Arbeiterfeier auf abendliche Versammlungen zu Gunsten der actstündigen Arbeitszeit. Ueberall wird nur über alltägliche Dinge gesprochen, und jede Unruhe scheint in der Schweiz ausgeschlossen.

(W. L,

früh 1

(Fortsezung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)

Uv erar zE (E

T T HE S C E E E I R D N E L A R SOHE R s ¿L X I E F U i b O O M: N SIECE E E I T. O T A C C Ih B At M D I Y f: A R die C I I MPET P C I R E T

Wetterbericht vom 1, Mai, Morgens 8 Ubr.

46 R.

Temperatur

Bar. auf 0 Gr.

Stationen. Wind. Wetter.

Meérimée.

in 9 Celsius

9°C.

u. d. Meeres\p. red. in Miliim.

1\bedeckt 3heiter 3'hetiter 2\wolfig 1 heiter

till wolkenlos | 1\balb bed. 1 heiter

Mullaghmore | 759 Nberdeen ; ;| 765 Christiansund | 768 Kopenhagen . | 764 Stocktholm . | 771 aparanda . | 763 | t. Petersbrg.| 773 |ONO Moskau .… . | 770 _|NO Cork, Queens- | | R (708 Cherbourg . | 758 elder | 762 |ONO 16 A | 764 |NO 3'halb bed. Hamburg . . | 764 |\NO 1hbedeckt!) Swinemünde | 764 |NNO 2\Nebel Neufahrwasser| 766 wolkig Memel, /-/768 halb bed. M 798 heiter A Ol wolkenlos Karlsruhe. . | 759 wolkig Wiesbaden . | 760 wolkenlos München . . | 758 beiter Chemniy .. | 762 wolkig?) Beni 0D wolkig Wien | 409 Nebel VIeSIaU (0D Nebel S D - (O8 bedeckt D N 6 758 halb bed. P l (00 bededckt

1) Dunst, 2) Thau.

Uebersicht der Witterung.

Die Luftdruckvertheilung hat sich im AUgemeinen wenig verändert. Bei {wacher nördlicher bis öft- liher Luftströmung dauert über Deutschland das vorwiegend heitere und trockene Weiter fort, die Temperatur ist meistens gestiegen und liegt jeßt viel-. fach über der normalen, erheblich, um 9 Grad, in den nordöftlihen Gebietstheilen.

Deutsche Seewarte.

W. Tavbert.

pl pan Ls i M E O

Sonnabend:

von ozart. 7 UDE:

OSL

ONO

4 halb bed. 3 Dunst

2 wolkenlos W. Taubert.

Sonnabend: Sonntag :

| | | |

a

Sonnabend: mann.) Sonntag:

Q O

(@ A

î

m N f | Do Éo A A A A Do S A O

OOO

Sonnabend: Schauspiel in Hierauf :

Sonntag: rache.

Rigobert.

Ritter. band.

74 Uhr.

Armband.

Theater - Anzeigen. Bönigliche Schauspiele.

haus. 103, Vorstellung. Carmen. von Georges Bizet. und Ludovic Halévy, nach einer Novelle des Prosper Y Tanz von Paul Taglioni. Kapellmeister Kahl. Schauspielhaus. Zauber-Komödie in 5 Aufzügen von Shakespeare. Nach A. W. L S Uebersetzung. anz gesetzt vom Direktor Dr. Otto Devrient. Musikalische Direktion: Hr. Steinmann. Opernhaus. 104, Vorstellung. Die Hochzeit des Figaro. Komische Oper in 4 Akten Text von Beaumarais.

Schauspielhaus. 108, Vorftellung. Zauber-Komödie in 5 Aufzügen von Shakespeare. | burg Nach A. W. v. Schlegel's Bee epgng, Musik von Tanz von E, Graeb. A

Deutsches Theater. Freitag: Mein Leopold. Faust's Tod.

ag: Der Sohn der Wildnif:.

Die nähste Aufführung von Göß von Ber:

lichingen findet am Montag, den 5. Mai, statt.

Wallner-Theater.

Posse in 3 Akten nah dem Franzö- sishen der Grenet-Dancourt u. Burone von Hans

Vorher: Schwank in 1 Akt nah einer vorhandenen Idee von Friy Mai und Franz Guthery. Anfang

Sonnabend u. folg. Tage:

Victoria=-Theater.

Freitag: Overn- Oper in 4 Akten Text von Henry Meilhac

von Alex,

Musik von C. A. Raida.

Mana 7* Ohr.

Dirigent onnabend:; Anfang 7 Uhr.

107. Vorstellung. Der Sturm.

Freitag: Zum 105. Male: nathan.

und Julius Bauer.

Musik von von E. Graeb. In Scene Anfang 7 Uhr. Hr. Kapellmeister Federmann.

Sonnabend: Anfang T

Der Sturm.

Freitag: Zum 82,

von Robert Buchholz,

7 Uhr. nfang 7 Uhr Sonnabend: Marquise.

Freitag: Vorlehte

7 Uhr.

Berliner Theater. Freitag: Julins Caesar. duo uer Die wilde Jagd.

A tempo. Der We Fenster. Gewitterschauer. (Hedwig Niemann.)

Lessing - Theater. Schauspiel in 4 Akten von Hermann Sudermann. Zum 1, Male: 2 Akten von ierauf: Zum 1. Male: spiel in 2 Akten von Eduard Bauernfeld. Ein Besuch. Hierauf:

(Hedwig Nie- durckch’s

Belle-Alliance-Theater. 62. Male: Der Nautilus. tück mit Gesang und Tanz

Freitag: Die Ehre.

Der Besuch. Eduard Brandes. Mädchenrache. Lust-

Mädchen-

der Residenz):

Sonnabend:

Freitag: 13, : Freitag: Zum Male Benefiz “für

Freitag : Der Goldfuchs.

82. Male:

Zum 13. Male: Das Arm-

Franz Roth. Anfang 74 Uhr. Sonnabend : Der Sommergarten is geöffnet.

Rigobert. Das

Freitag: Zum 255. M.: Stanley in Afrika. Zeitgemälde in 10 Bildern Moszkowski und Richard Nathanson. Ballet von C. Severini.

Dieselbe Vorstellung. Ea E

Friedrich - Wilhelmfstädtisches ( Der arme Jo- Dperette in 3 Akten von Hugo Wittmann L Musik von Carl Millôer. In Scene geseht von Julius Fritsche. Anfang 7 Uhr. Der arme Jonathan.

Residenz-Theater. Direktion: Sigmund Lauten-

i Male : Lustspiel in 3 Akten von Victorien Sardou. Anfang 74 Uhr.

Kroll’s Theater. Italienishe Opern-Saison.

Vorstellung. Lammermo\oor mit Sgra. Prevosti.

Freitag : Großes Ausftattungs- t in 4 Akten und 13 Bildern nach Jules Verne von Carl Pander. Musik von E. Christiani und A. Wicher.

Im prachtvollen glänzend renovirten Sommergarten (vornehmstes und großartiastes Sommer- Etablissement Großes Doppel-Concert. J[lumination des ganzen Etablissements. des Concerts 6 Uhr, der Theaters 74 Uhr. Dieselbe Vorstellung.

Adolph Ernst-Theater. Dresdenerstraße 72. Elly Bender. Gesangspofse in 4 Akten von Eduard Jacobîon und Leopold Ely. Couplets theilweise von Gustav Görß. Musik von

Dieselbe Vorstellung.

Urania, Invalidenstraße, 57/62. Geöffnet von 1211 Uhr. Freitag, um 54 Uhr: Hr: Dr. Potonié: Was find Blumen? und um 8 Uhr: Die Geschichte der Urwelt.

Familien-Nachrichten

Verlobt: Frl, Marie Streichan mit Hrn. Oeko- nom Otto Zieten (Berlin). Frl. Maria Ort- win mit Hrn. Dr. med, Georg Winter (Wien— Berlin). Frl. Margarethe v. Wallersbrunn mit Hrn. Friß Herpih (Inowrazlaw—Berlin). Fel. Adele Scotti mit Hrn. Dr. med Max Küll (Berlin). Frl. Dora Grivp mit Hrn. Friedr. Schoen (Kander b. Bolkenhain). Frl. Frieda Goebel mit Hrn. Karl Beringer (Siegen), Frl. Sophie Behrmann mit Hrn. Johannes Sellin (Eckernförde—Stettin).

Verehelicht: Hr. Dr. Gustav Dobbert mit Frl. Therese Becker (Elbing). Hr. Bankdirektor Louis Arioni mit Frl. Hanna Strauß (Barmen). Hr. Emil Jung mit Frl. Liddy Dänrver (Chemniß). Hr. Friß Wegener mit Frl Anna Scheer (Charlottenburg). Hr. Dr. Ernst Engel- mann mit Frl. Elisabeth Sachse (Magdeburg— Berlin). Hr. Georg Grüßmann mit Frl. Marie Tetzshke (Plagwig).

Geboren: Ein Sohn: Hrn. Hauptmann a. D. Lancelle (Xanten). Hrn. Otto Choné (Berlin). Hrn. Georg Berju (Berlin), Hrn. Paul Dafe (Berlin). Hrn. Prof. Richard Börnstein (Berlin). Hrn. Theodor Beckert (Chemniß). Brn Emi! Paupitz (Leipzig). Eine Tochter:

ren. Leonhard v. Geldern (Köln). Hrn. Dr. C. Gade (Hannover). Hrn. Gotthard Sachsen- berg (Roßlau a. d. Elbe). Hrn. Königl. Re- gierungs-Bauführer Baehr (Berlin), Hrn. Rechtsanwalt Ehrlich (Kottbus).

Gestorben: Hr. Kaufmann Iohann Georg Tiede (Bernau). Hr. Wilhelm Springer N, —- Hr. Kaufmann Nudolf Schulze (Berlin). Hr. Hotelbesißer Reinhold Werner (Torgau). Frl. Wilhelmine Koh (Berlin).

Theater.

Dirigent :

Marquise, Deuts

Lucia di Anfang

Zum

Brillante Anfang

Redacteur: J, V.: Siemencoth.

Berlin: Verlag der Expedition (Schol z).

Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlags- Anstalt, Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32.

Acht Beilagen (eins{ließlick Börsen-Beilage).

Zum

22 Aptil 1870,

Erste Beilage

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staals-Anzeiger.

„é 106.

Parlamentarische Nachrichten.

Schlußbericht der vorgestrigen (51.) Sißung des Hauses ‘der Abgeordneten. Fortseßung der ersten Berathung des Gesetzes zur Ausführung des §. 9 des Geseges vom betreffend die Einstellung der Leistungen aus Staatsmitteln für die römish- katholishen Bisthümer und Geistlichen.

Abg. Freiherr von Erffa: Wir hoffen, daß über die Vor- lage eine Verständigung, eventuell in einer Kommission er- reiht werden wird; doch wollen wir den Katholiken, wenn das, was Graf Strachwiß ausgeführt, die einstimmige Meinung der Herren vom Centrum sein sollte, das Geseß niht aufzwingen. Wenn Graf Strahwiz uns so beweglich gebeten hat, diese Vorlage abzulehnen, so kann uns das ja gar nicht so überaus {wer fallen, denn wir wollen ja doch einen weiteren Schritt auf dem Wege zur Herstellung des firhlichen Friedens und zur endgültigen Beseitigung der Reste des Kulturkampfes thun. Wie man bei einem derartigen Gesey von einem höchst bedauerlihen Ereignisse, von einem \chweren Unrecht, von der Zühtung der Sozialdemokratie sprechen kann, is mir unerfindlih, solche Uebertreibungen fönnen doch der Sache nur shaden. Jh kann Fhnen nur rathen, nah meinem Beispiel die Sache geschäfts- mäßiger zu behandeln. Aus den Schlußworten des Grafen Strachwiy klang auch heraus, daß Sie mit Fhrer totalen Ablehnung noch nicht so ganz sicher sind. Bestehen Sie darauf, nun, so wird die Sache, auf ein Jahr zurückgestellt werden, und dem Vaterlande wird daraus kein großer Schaden erwachsen. Wir fassen die Vorlage als die Gewährung ciner Dotation auf; diesen Charakter it sie schon dadurch, daß sie eine ewige feste Rente festseßt, welche vom Landtage budget- mäßig nicht beseitigt werden kann. Wir acceptiren diesen Charakter, hoffen aber bestimmt, daß endlih auch die lang- jährigen Wünsche der evangelischen Landeskirche erhört, daß die durch Friedrich Wilhelm IV. gegebenen Versprechungen endlich eingelöst werden. Jn weiten evangelischen Kreisen ist über diese Vorlage eine große Beunruhigung verbreitet, und wir können den Vorwurf der stiefmütterlihen Behandlung der evangelischen Kirche niht eher zurücknehmen, bis diese Wünsche befriedigt .sind, bis eine finanzielle Stärkung und Kräftigung der Kirche eingetreten ist; wir wünschen nament- lich, daß endlih, der Verheißung im §8. 54 des Civilstands- geseßes entsprechend, die Ablösung der Stolgebühren erfolgt. Wir bitten die Regierung, die von der Generalsynode ein- stimmig als Pauschquantum für diesen Zweck bezeichnete Summe von 750 000 M bereits in den nächstjährigen Etat einzustellen. Die Form der Rente acceptiren wir, geben aber zu erwägen, ob nicht die 31/2 Proz. Verzinsung vielleicht etwas zu hoch gegriffen sind. Jh bin ja gar nicht darüber zweifelhaft, daß Sie auh 5 Proz. nehmen würden; aber Sie müssen doch anerkennen, daß bei dem heutigen Zinsfuß der Staat, wenn er die 16 Millionen zu seinen Einnahmen nimmt und 31/5 Proz. Rente gewährt, einfa ein halbes Prozent drauflegt. Indessen ist dies für uns von sekundärer Bedeutung. Die Jhnen den meisten Anstoß erregende Ver- einbarung der Regierung mit den kirchlihen Organen über die Verwendung ist die ganz naturgemäße Konsequenz der Rentenform; wurde diese gewählt, so kounte die Regierung die Verwendung nicht aus der Hand lassen. Die Vereinbarung braucht ja niht auf einen kurzen Zeitraum sich zu erstrecken ; wir halten längere Perioden für richtiger, damit nicht Streitigkeiten entstehen fönnen, die wir niht wünshen. Noch weniger befreunden können wir uns mit dem in nationalliberalen Blättern aufgetauchten Vorschlag, daß dabei eine Mitwirkung des Landtages stattzu- finden habe. Diesen Gedanken halten wir für äußerst unglüdlich; es würde sih über die Verwendungszwecke immer von Neuem unerquickliche Streiterei entspinnen und solche öffentlichen Dis- kussionen können dem Frieden niht dienlich sein. Wir sind bereit, die Sache im Plenum zu berathen, werden uns aber einer Kommissionsberathung auh nicht widerseßen. j

Abg. Dr. Windthorst: Jch hatte gehofft, die Diskussion über dieses Gesey würde sich in ruhigerer Weise vollziehen, als sie durch den Abg. Freiherrn von Zedliy und Neukirch eingeleitet worden ist. Der Schlußakkord seiner Rede er- innerte mich lebhaft an die bösen Tage des Kulturkampses. Nach Ansicht der Regierung soll das Gesey ein weiterer Schritt zur Versöhnung sein, und die Herren, die hier ge- sprochen haben, scheinen dieser. Ansicht zuzustimmen. Die Re- gierung hat in der Vorlage ausgesprochen, daß die Gelder für Zweckde der fatholischen Kirhe zu verwenden seien; damit hört der wüste Lärm in den Zeitungen auf, welche gemeint haben, hier handle es sich um eine Summe, welhe zur freien Verfügung

stände und auch zu staatlihen Zwecken verwendet werden könnte. Das beweist, wie völlig irrig das Beschlagnahmegeseß auf- gefaßt wird. Wer meint, die Sperrgelder seien reines Staats- eigenthum, der vertritt die Philosophie der Sozialdemokraten, welche das Eigenthum zum Staatseigenthum machen wollen, um es von Neuem zu vertheilen. Wenn das Kapital nicht den rechtmäßigen Eigenthümern zurückgegeben werden soll und diese AkiGauwia vertritt ja auch der streng fkon- servative Abg. Freiherr von Erffa, so erkläre ich: Wer für dieses Gesey stimmt, stimmt für die Sozialdemokratie. Jch bin mir in diesen Dingen klar, und ih weiß nit, ob ih es niht noch erlebe, daß Jhnen Jhre neuen Theorien von Anderen auf Jhrem Rücken werden klar gemaht werden. Wir haben das Recht, die Herausgabe des Kapitals zu ver- langen, es handelt sich darum, ein begangenes Unrecht wieder gut zu mahen. Wir verlangen die Herausgabe des Kapitals und zwar mit Zinsen. Von den Zinsen war nie die Rede; obwohl ich F danach gefragt habe, hüllten sich die Herren stets in Stillschweigen, wie sie stets thun, wenn sie ihr Unrecht verbergen wollen. Jh glaube nicht, daß heute noch Jemand das Beschlagnahmegeseß materiell rechtfertigen wird. Nur im äußersten Kampfe der Revolution finden wir etwas Aehnliches. Jh bedauere, ‘daß ein solhes Geseß in einem t Staate hat rehtsfrästig werden können, und wenn in Preußen der Grundsaß Suum

Berlin, Donnerstag, den 1. Mai

cuique gilt, so ist das Geseß auch nit preußisch. Die Be- \hlagnahme is auch rigoristish ausgeführt worden. Selbst Leistungen aus Familienstistungen, zu religiösen Zwecken wurden mit Beschlag belegt. Es hieß: es geht gegen die Katholiken! nur weiter! Jh verlange eine detaillirte Nach- weisung über all das, was in den 16 Millionen enthalten ist, auch eine genaue Zinsenberechnung verlange ih. Erst dann werden Sie im Stande sein, Jbr Unrecht zu erkennen, und ih hoffe, auch bei dem Abg. Freiherrn von Erffa wird si dann das Gewissen rühren. Am einfachsten wäre es, das Kapital an die Diözesen zurückzugeben ; diese werden die Sache dann schon ordnen. Der Staat hat hierbei nichts zu sagen, denn es handelt sich um ein Restituendum, Nun sfagen die Herren, die evangelische Bevölkerung sehe in dieser Vorlage eine Bevorzugung der Katholiken. Eine Bevorzugung der Katholiken unter dem Ministerium von Goßler? Jch glaube: das) 1b: Jrome. ZGO bin dex Erste, be rehtigte Ansprüche der evangelishen Kirhe zu unter- uben (W trete gen zu Gunsten einer Sn schädigung für den Stolgebührenausfall ein; auch für eine Dotation natürlih verlange ih dann auch für die katho- lishe Kirhe eine Dotation. Mit dem gegenwärtigen Geseß hat aber diese Sache gar nihts zu thun. Es ist das eine bedauerliche Begriffsverwirrung, für welche leider au der Abg. Freiherr von Erffa eintrat. Jch habe die Prätension, zu behaupten: eine Beunruhigung der evangelishen Be- völkerung existirt gar niht. Wenn diese wüßte, daß es si hier gar nicht um neue Zuwendungen han- delt, so würde kein ruhig denkender Protestant seine Forderungen mit dieser Frage in Verbindung bringen. Als das Geseg erschien, kam mir zu Ohren, daß die katholischen kirhlichen Behörden und namentlih der heilige Stuhl die Vorlage gut geheißen hätten. Jh stelle das in Abrede, ih konstatire zur Aufklärung und Beruhigung des katholischen Volkes, daß die kirhlihen Behörden, namentlich auch die Bischofsversammlung in Fulda, nichts Offizielles gethan haben, was der Nückgabe des Kapitals an die Berechtigten präjudizirte. Das Gesetz, wie es vorliegt, können wir nicht annehmen, wenn es uns auth {wer wird, gebote1e Vortheile zurückzuweisen. In solchen Fällen aber müssen Prinzipien höher stehen als Ütilitätsrücfsichten. Gerade in einer Zeit, in der Rechtsgrund- säße so oft wenig geachtet werden, muß man sih hüten, dieses oder jenes aus Opportunitätsrücfsichten zu thun, und hierin sollte uns auch die konservative Partei unterstüßen. Jh habe mich gefreut, daß Widerspruch aus unseren Kreisen von dem Abg. Grafen Strahwiß, einem Manne erhoben ist, der in vielen Beziehungen zu Jhnea gehört. Er gehörte lange der Armee an, in der mehr Rechtssinn zu Aben b als n C SO vetenne, noO on feinem preußishen General solhe Grundsäße gehört zu haben, wie Sie sie hier geäußert haben, aber ih sage aus- drücklich von keinem General. Wenn Fürst Bismarck länger in der Armee geblieben wäre, so würde er ein noch größerer Mann sein, als er heute ist. Uns ist es unmöglich, dem G-sete zuzustimmen. Gleichwohl bin ich für Kommijsions- Berathung, weil es räthlich ist, in engerem Kreise alle Gesichtspunkte zu erwägen, und weil ih hoffe, dort manche irrige Anschauung korrigiren zu können. Das Gesez macht einen neuen Versuch, mit katholischen Geldern forrumpirend auf unsere kirhkichen Verhältnisse einzuwirken. Jn der Kommission muß eine genaue Spéezifikation der ge- sparten Gelder erfolgen. Hr. Falk unglückseligen Angedenkens hat 2 Zahre, bevor das Sperrgeseß gegeben war, das Gehalt des Bischofs von Ermeland gesperrt. Sind diese Gelder hier auf- geführt? Jst es nicht geschehen, so sind sie mit einem Ent- \chuldigungsshreiben dem Herrn Bischof auszuzahler Dann ist eine ganze Anzahl von Anstalten und Stiftungen gesperrt worden, und wenn das Detail dieser Sperrungen voll und ganz bekannt gegeben ist, dann werden Sie auch die Summe des verübten Unrechts erkennen. Der Minister will die Sache fo einrichten, daß der Staat das Kapital einsteckt. Das nenne 1h mit dem Grafen Strachwiß einen Akt gegen das siebente Ge- bot. Man will der Kirche eine Rente geben, die monatlich oder jährlih fällig sein soll. Jedenfalls wird dadurch ein fortwährender staatlicher Einfluß auf die Kirche ausgeübt, den wir nicht dulden können. Der Minister hat diskretionäre Ge- walt genug. Wir wollen lieber kein Geld, aber Freiheit. Der Abg. Freiherr von Zedliß und Neukirch sagt mit leichtem Sinne: wenn Jhr das Gute nicht wollt, dann behalten wirs. Auch der Abg. Freiherr von Erffa, was ih nicht von ihm erwartet hätte, hat ähnliche Laute von sich gegeben. Wenn diese Anschauung allgemein bei hnen Ver 0 würde das beweisen, daß man sich bei «Fhnen über Recht und Geseg cavalièrement hinwegseßt. Das fönnen Sie in Hoppegarten thun, aber hier nicht. Jch gebe die Hoffnung nicht auf, daß in der Kommission etwas Befriedigendes zu Stande kommt, aber Drohungen werden auf Männer von Prinzip keinen Eindruck machen, und wir werden niht aus Utilitätsgründen das Prinzip aufgeben. Lieber hungern, als das Recht aufgeben! Schließlich bin ih der Ueberzeugung, daß, wenn Sie unjere Vorschläge ablehnen, die Sperrgelder ein Pfahl in Fhrem Fleish fein werden. Wir werden nicht anstehen, s{ließlich unsere Ansprüche an den Stufen des Throns zu begründen, und ih glaube, daß bei den Königen Preußens das Rechtsgefühl \{härfer ausgebildet ist, als bei hnen. H

Minister der geistlichen 2c. Goßler:

Meine Herren! Mit dem geehrten Herrn Vorredner bin ih darin einverstanden, daß das vorliegende Gefeß auf dem Wege der Ver- \söhnung, einen weiteren Schritt thun soll, daß das Gesetz bestimmt ist, nicht Wunden aufzureißen oder gar neue zu schlagen, sondern vor- handene zu heilen. Ich versage es mir deshalb, auf einen großen Theil der Ausführungen des anderen Redners seiner Fraktion einzugehen, welcher den Muth gehabt bat, die Königliche Regierung des Bruchs des siebenten Gebotes zu beschuldigen und ihr mittelbar zu imputiren, die Verbreitung der Sozialdemokratie zu fördern. Ich erkenne an den Muth dieses Urtheils, aber ih erkenne damit nit an, daß ich von dem Standpunkt aus, von dem ih die Debatte führen werde, irgend wie einen Anlaß oder eine Verpflihtung habe, auf das Maßlose einer

derartigen Beschuldigung einzugehen,

Angelegenheiten Dr. von

1890.

Der Hr. Abg. Dr. Windthorst legt seinen ganzen Ausführungen eine juristishe Theorie zu Grunde, die wohl, wie ich annehmen kann, die meisten Mitglieder dieses Hauses, jedenfalls die Juristen und namentlih die Juristen, welhe \sih mit staatsrehtlihen Fragen be- \chäftigt haben, niht anerkennen werden. Der Hr Abg. Dr. Windt- horst stellt sih die Sache so vor: diejenigen Persönlichkeiten, seien es physische, seien es juristishe, welhe aus Kap. 115 und 116 des Staatehaushalts um diee handelt es sich hier Ansprüche an den Staat batten, hätten diese Ansprüche gewissermaßen wie ein Eigenthum. Er geht davon aus, daß sie ein klagbares, rechtmäßiges Eigenthum gehabt hätten, und konkludirt nunmehr so: daß der Staat im Jahre 1875 in seiner Gesetzgebung dieses Cigenthum mit Beschlag belegt habe, daß, nahdem die Beschlagnahme aufgehoben worden, der alte Zustand wiederhergestellt sei, und das bes{lagnahmte Eigenthum in die Hände der rechtmäßigen Eigenthümer übergebe.

Meine Herren! In allen wefentlihen Punkten ist diese Theorie niht richtig. Wir haben es nah dem Geseß von 1875 nicht mit einer Beschlagnahme von Eigenthum zu thun, sondern mit der Ein- stellung von öffentkih“ rechtlihen Leistungen des Staats. Der F. 9 des Gesetzes stellt das ganz klar. Er unterscheidet zwei Abtheilungen in diesen Staatsleistungen; die der cinen Abtheilung werden ohne Weiteres zu Gunsten der Staatskasse erspart, die der anderen dagegen aufgesammelt. Und dann wird weiter \ daß ein

nur bestimmt, Gesetz darüber entscheiden werde, was mit den aufgesammelten Be- trägen werden solle. Der Wunsh hat {on damals die Staats- regierung beseelt. Sie werden das sehen aus den Motiven und den Erklärungen in diesem hohen Hause, daß ein Zeitpunkt kommen möge, wo diese Leistungen zu Gunsten der katholischen Kirche andere Ausdrücke sind niht gebraucht verwandt werden möhten, und durch meinen Mund erst hat die Staatsregierung wiederholt ihre bestimmte Absiht hier ausgesprochen, daß zu Gunsten der katholischen Kir{e diese Staatsleistungen verwandt werden würden, soweit sie aufgesammelt worden. Die Staatsregierung is in dieser Absicht selbstverständlih auch überall verleumdet worden, wo überhaupt die Verleumdung vordringen kann. Niemals aber, versichere ih, hat in der Staatsregierung, so lange ich ihr anzugehören die Ehre gehabt babe, die Absicht bestanden, anders als zu Gunsten der tatho- lishen Kirhe und ihrer Zwecke diese eingestellten aufgesammelten Staatsgelder zu verwenden.

Alle öffentlich-rechtlichen Leistungen, meine Herren, stehen unter anderen Gesezen und unter anderen Vorausseßungen und Grundlagen als die Forderungen des Privatrechts. Es handelt si nicht um Eigenthum, auch niht um Konfiskation, sondern es bandelt sich um Staatsleistungen, welche auf öffentlih-rechtlicher Basis beruhen und unter gewissen Voraussetzungen gewährt werden und nur gewährt werden können, welhe ich hier niht weiter erörtern will; wir würden uns dabei weit hinaus verlieren. Aber jedenfalls trifft die Analogie oder Parallele des Privatrechts absolut nicht zu; der §. 9 muß Sie darüber cines Besseren belehren, wenn Sie anderer Meinung sein sollten.

Ich erkläre also ganz bestimmt, daß in der Staatsregierung nie- mals di Auffassung obgewaltet hat, als ob ihr gegenüber ein Recht im technischen Sinne bestanden habe, sei es eines einzelnen Empfangs- berehtigten, sei es eines einzelnen Geschädigten, oder einer sonst zu fonstruirenden Persönlichkeit juristister oder natürlicher Art.

Nachdem ich dies vorausgeschickt habe, komme ih unmittelbar natürlih zu der Frage: auf welche Weise die Absicht der Staats- regierung der katholishen Kirhe gegenüber zu erfüllen ist. Es fragt ih zunächst, ob es überhaupt möglih ist, das, was ein- gestellt war, demjenigen zu geben, welher in friedlihen Zeiten einen Anspru darauf gehabt hätte? Ih möchte, ehe ih ia diese Deduktion eintrete, noch kurz darauf hinweisen, daß, als die Vorausseßung des Geseßes von 1875 unter der die Einstellung der Staatsleistungen aufhören sollte, d. h. als ein friedlicher oder friedensähnliher Zustand eintrat, die ferneren Staats8- leistungen unmittelbar zu Gunsten der dann Empfangsberechtigten auflebten, daß aber niemals die Rede davon sein konnte, den auf- gelaufenen Rest den leßteren auszuzahlen. Als nun die Königliche Staatsregierung vor der Frage stand, wie es mit der Verwendung zu halten, da war sie sih darüber klar, daß fie keinen Fonds hinter fi habe, sondern, wie ich das mindestens {on fünfmal in diesem Hause ausgeführt habe dem Abg. Dr. Windthorst muß augen- blicklich sein sonst vortrefflihes Gedähtniß nicht ganz treu geblieben fein einem Conto gegenüberstand; d. h. die Königliche Staats- regierung hat die eingestellten Beträge niht m.assirt, sie auch nicht zinsbar angelegt, sondern hatte die Staatsleistungen cinfad dem Bestande der General-Staatékasse oder den sonstigen Kassen, die ja nur abgelegte Theile der General-Staatskasse sind, übergeben. Vie Frage wegen der Zinsen u. \. w. ist wenigstens {on 5 mal vor uns gebracht worden, und wenn sie in der Kom- On nochmals erörtert werden soll, so bin ich dazu natürlih gern vereit.

Die Königliche Staatsregierung war si darüber klar, daß, wenn sie an eine Verwendung der eingestellten Leistungen ging, sie nur folche Berwendungsarten der Landesgesetzgebung vorschlagen könnte, welche überhaupt möglich wären möglih vom rechtlihen, mögli vom thatsählihen, möglih vom politishen Standpunkte, Nun ift es ja ganz rihtig, wenn der Abg. Dr. Windthorst sagt, die Herren Bischöfe haben in ihrer leßten Fuldaer Versammlung den Antrag gestellt, man möge die aufgesammelten, gesperrten Staatsleistungen in natura, in folle' zurückgeben. Ja, meine Herren, das ist ja selbstverständlich, daß man, wenn man heute als Bischof eine Forderung stellt, die in der öffentlichen Diskussion steht, natürclich den prinzipiell s{ärfîten Anspruch erheben mußz aber ih glaube nicht indiskret zu sein, wenn ih sage, es ist keiner der Herren wenigstens habe ih keinen ge- \prochen —, der nicht der Meinung gewesen wäre, eine Ausführung der Restitution an die sog. Empfangsberechtigten sei politisch und rechtlich unmögli.

Faßt man die etwaige Rückgabe an die einzelnen, dur die Ein- stellung ter Staatsleistungen betroffenen Bischöfe ins Auge, fo tritt diese Unmöglichkeit sofort zu Tage. Wir haben unter den Bischöfen in unserem Vaterlande nur noch einen einzigen, der dieselbe Stelle einnimmt, wie vor den Zeiten des Kulturkampfes; ein zweiter ist in eine andere höhere Stelle übergeführt; 2 andere Herren leben außer- halb des Vaterlandes, 7 sind gestorben, auch son einige Nachfolger derselben. Von den 4 Bischöfen, welche nicht unmittelbar zu Preußen gehörten, ist inzwischen einer durch Vereinigung seines diesseitigen Diözesanantheils mit einer preußischen Diözese aus Preußen aus- geschieden, übrigens glei 2 anderen gestorben.

Wenn Sie die Domkapitel ansehen, so werden Sie finden, daß die Hälfte oder mindestens ein Drittel der Herren au {on dahin gegangen ist. Bei den Seminarien und sonstigen Bildungsanstalten würden in Anbetraht der zahlreihen Lehrer hunderte von sog. Empfangsberechtigten hinzukommen, und wenn Sie gar auf Kap. 116 ein- gehen, wo im Etat Geistliche zu vielen hunderten stehen, also die Empfangs- berechtigten wären, dann werden Sie sagen müfsen, \{on der Herr über Leben und Tod hat eine reine Herausgabe an die sog. Be- rechtigten unmöglich gemacht. Jede Unterfuchung einer fog. holländi- {hen Erbschaft ist ein Kinderspiel gegen den Versuch, der Empfangs- berechtigung nahzugehen,

Und dann würde man irren, wenn man mit einzelnen der Herren Vorredner glaubte, daß „Empfangsberehtigt“ und „Geschädigt“ das- selbe ist. In meinen Akten befinden sih zahlreiche Anträge von Ge-