1890 / 116 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 13 May 1890 18:00:01 GMT) scan diff

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ari: Ü ROE: I O R S E E 2A 5 AC D N: T SSC M R A E A S Sr E pu R E E

war vielleiht ein Unglück für Deutschland, aber ein Glück für die Gesellschaft. Ohne diese Streitigkeiten wäre das Deutsche Reih \{hwerlich zu dem Kampf zu Gunsten der Gesellschaft und zu einem Eroberungszuge ins Znnere ver- anlaßt worden, Es fehlte nun! nur noch. die Brücke, um im Gegensaß zu allen bisherigen Anschauungen dazu übergehen zu können, mit bewaffneter Hand das Ausland zu erobern. Diesé Brücke bot die Frage der Sklaverei. Jch will heute zwar Niemandem einen Vorwurf machen, aber die Herren vom Centrum tragen am nächsten die Verantwortung, daß wir in die ostafrikanishe Sache hineingezogen sind. Die Herren werden ja auch heute sagen, da man einmal A gesagt habe, müsse man auch das ganze Alphabet ae bucstabiren. Unsere jegigen Kolonien in Afrika sind beinahe zu reinen Kronkolonien nach englishem Muster geworden, nur mit dem Unterschied, daß Lasten und Vortheile nicht gegen- seitig sind, sondern das Reich alle Opfer bringt und die Ostafrikanishe Gesellschaft die etwaigen Vortheile hat. Die Gesellschast hätte gar nihts Besseres thun können, als einen solchen Konflikt hervorzurufen, der ihr die Vortheile der Kronkolonien einbrahte. Jeßt hat man der Gesellschaft nach einer Zeitungsmeldung sogar ein Regal zugestanden, das eine direkte Aus- übung des Hoheitsrehtes bedeutet, während alle Lasten des- selben dem Reiche zufallen. Man hat ihr nämlih das Recht gegeben, Geld zu prägen, wovon sie recht erklecklichen Nuyen ziehen wird, denn zwischen dem wirklichen Gehalt des Geldes und dessen Nominalwerth wird ein großer Unterschied sein. Das System der englishen Charters ist bei uns völlig in die Brüche gegangen. Die englischen Gesellschaften machen dabei ihre Sache niht \{lecht, man rühmt sie ja als uns gefährlih. Die Unterdrückung des Sklavenhandels is wirksam nur möglich mit der Abschaffung der Sklaverei überhaupt. Die Ostafrikanische Gesellshafst würde sih selbst aber in die größte Schwierigkeit seßen, wenn sie versuchte, die Sklaverei zu beseitigen. Es heißt jeßt, Wissmann Ae in Verbindung mit Vohsen bestimmte Stationen zur

esebung in Aussiht genommen; und darunter sind auch diejenigen genannt, die vornehmlich mit Sklaven handeln. Die Sklaverei steht danah hier gewissermaßen unter dem Schuß des Deutschen Reichs, und andererseits sagt man, alle unsere Opfer für Ost-Afrika gelten der Unterdrückung der Sklaverei. Nein, Unternehmungen von Plantagen U. dergl. find es, worauf man ausgeht. Es wird auch schon zugemuthet, demnächst auf Kosten des Reichs eine Bahn in Ost-Afrika zu bauen. Jm Januar 1889 sind die ersten zwei Millionen für Ost-Afrika bewilligt worden; die zerschmolzen wie Butter an der Sonne; bald folgten weitere zwei Millionen; dazu kam dann die Subvention der Dampfer, die sicherlich niht für die Bedürfnisse des Handels ge- schaffen worden sind, in der Höhe von neun Millionen, das sind zusammen 13 Millionen. Nun verlangt man heute wéitere fünf Millionen, so daß wir auf 18—19 Millionen ommen, die bereits für Ost-Afrika ausgegeben sind alles das für die Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft, deren Vermögen auf ihrem Kulminationspunkt auf höchstens fünf Millionen geshäßt wurde. Es äußert sih hier ein romantischer Sinn, den wir ja bei allen Nationen mehr oder weniger vertreten finden, ein Luxus gebildeter Kreise, die sich erwärmen an dem s{hönen folonialen Gedanken, jenseits des Meeres eine große Rolle zu spielen. Wer behauptet, daß die Ausgabe aller dieser Millionen die Zerstörung eines mit saurem Fleiß erworbenen National- vermögens bedeute, den stellen sie als Philister hin. Jch habe den Ehrgeiz, nach dieser Nichtung, als möglichst großer Philister zu gelten, mögen die Dinge aus einem noch so shönen Gefühl heraus entspringen. Kolonialpolitik is Wirthschaftspolitik, und Wirthschaftspolitik muß rehnen. Wie mit dem Gelde, ist es auch mit den S{hwierigkeiten gegangen. Anfangs sagte uns der damalige Staatssekretär Graf Bismarck, 3—400 Polizeisoldaten würden genügen, um die Ruhe in Ost-Afrika herzustellen, Buschiri aufzuknüpfen und den Frieden aufrecht zu erhalten. Buschiri is nun frei- lih aufgeknüpft, aber es hat doch etwas gedauert, und die Pazifizirung ist doch nur theilweise erfolgt. Aus den 400 Mann sind aber inzwischen 1100 geworden, und für die Zukunft sind uns 1700 vorgeschlagen. Die Dinge werden fh so weiter entwickeln, und die Kolonialpolitik, die zu Nuß und Frommen des deutschen Volkes eingeleitet wurde, wird sih zuerst begnügen, einige Tausend Zulus, Sudanesen u. \. w. und deren Frauen und Kinder zu ernähren. Ebenso hat man mit Täuschungen bezüglih der Schnelligkeit der Operation ope- rirt. Es klingt sonderbar, und wäre es nicht so shmerzlich, so könnte man ole. es sei komisch, daß im vorigen Jahre der

Reichskanzler die Vornahme der ersten und zweiten Lesung der Forderung für Ost-Afrika an einem Tage verlangte, weil sonst die Expedition wenige Tage si verzögern würde. Die Expedition Emin Pascha's muß uns gegen die Kolonialpolitik

nur um so bedenklicher machen. Jh brauche ja nit einzu- stimmen in das Lob dieses interessanten Landsmannes, das jeßt von allen Zungen schallt; das steht auf anderem Gebiet als das der deutschen Kolonialpolitik. Wenn ih etwas sage, so möte ih es zur Warnung sagen.- Emin Pascha ist zum Theil Militär, zum Theil Reisender. Wenn diese beiden Eigenschaften zusammenkommen, so sind kühne Unternehmungen natürlih. Das ist die berechtigte Eigenthümlichkeit solher Persönlichkeiten. Ganz anders aber ist die Aufgabe der Nation, die sih zu fragen hat, wie weit sie sih dur einen solhen Mann engagirt. Das mätige England hat Gordon in Chartum im Stiche lassen müssen und tiefgehende und große Opfer gebraht. Wir müssen uns vorsehen, uns mit den Unternehmungen Emin Pascha's zu S fert und es hat mich gefreut, daß der Herr Staatssekretär einige beruhigende Versicherungen in dieser Richtung uns gegeben hat, vielleicht wird es uns vergönnt sein, darüber noch in der Kommission Näheres zu hören. Jh warne davor, daß der Enthusiasmus für die Vortrefflichkeit und Heldenhaftigkeit dieses Mannes uns zu Schritten führt, die wir wirths{haftlich nicht verantworten können. Hüten wir uns vor jeder Shwärmerei und Romantik. Stanley ist fest der Löwe des Tages in London; auch bei uns war die Begeisterung für ihn groß, er scheint aber jeßt englischen O Ube, bedenklich näher zu stehen als den deutschen, und unser Enthusiasmus is {hon niht mehr der gleiche. Aus allen diesen Gründen haben wir die ostafrika- nische Eroberungspolitik so wenig bisher mitgemaht, wie wir deren Fortseßung mitmachen wollen. Wir beginnen eine neue Aera unserer inneren Politik, und da sind vielleicht friedlihe Erklärungen mehr am Plate als je. Jndem ih in meinem und meiner Freunde Namen mit Ausnahme

freundlicher gesinnt sind die ablehnende Haltung vollständig vertrete, so müssen wir doch sagen, daß es für den Nachfolger des ersten Reichskanzlers und die gegenwärtige Regierung eine kitlige Aufgabe ist, wie sie es anders hätte machen sollen, als wie sie es Fruzg hat. en, der Reichsfag dächte übér die Kolonialpolitik gena: wie wir, so hielte ih es doch niht für durchführ- bar, daß ein neuer Reichskanzler durch die bisherige Reichs-Kolonialpolitik einfa einen Strih machte. Eine Partei kann sagen, wir bleiben ruhig auf unserem !Standpunkte stehen. Auch wenn wir die Mehrheit hätten, würde ih nicht anstehen, zu sagen, die Ehre Deutschlands ist vollkommen

ewahrt. Wir können sicher sein, daß unsere Kanonen und Sintetlader auch in Zukunft in Ost-Afrika respektirt werden. Vielleiht bekommen wir {hon jeßt für unsere Vor- siht eine ansehnliche Bic und vielleiht wachsen wir demnächst zu einer Mehrheit heran. . Die Reichsregierung aber, welche der Träger der früheren Regierung ist, kann nicht so wirthschaften, sie kann höchstens darauf hinaus- kommen, daß sie sagt: Es is wahr, in der Weise kann die Sache nicht fortgehen; wie kommen wir heraus? Wir sind engagirt, wir müssen aber eine Grenze ziehen und sehen, wie weit das Land mit Opfern gehen kann, um dann abzubrechen und die Sache in die Hand Derer zu legen, welche sie über- nommen haben, und von denen sie nit dite Übernommen werden sollen, nämlich in die Hand der Ostafrikanischen Gesell- schaft. Für diesen Standpunkt würde ih Verständniß haben und bereit sein, alle Opfer aus den Taschen des Landes dafür zu bringen; „vielleiht gelingt das noh. Am 28. No- vember 1889 haben Graf Bismarck und Hr. Hobrecht, einer der wärmsten und eifrigsten Vertreter der Kolonial- politik, eine Perspektive nah dieser Richtung hin eröffnet. Um mich kurz zu resumiren, meine Mun und ih sind der Ansicht, wenn die Regierung einen Weg zu zeigen vermag, wie wir mit Anstand und einigen Opfern aus unserer bis- herigen Politik au Bea und die Sache in die Hand der Ostafrikanishen Gesellschaft E können, daun werden wir uns nicht straf und stramm ablehnend verhalten; aber eine Kolonialpolitik, die uns unendliche Opfer auferlegen wird, werden wix niemals unterstüßen,

Reichskanzler von Caprivi:

Der Herr Vor1tedner hat sein Auge von dem engeren Kreis der Vorlage auf die Kolonialpolitik im Allgemeinen gerihtet. Jch kann zunächst mit Befriedigung konstatiren, daß er der Reichsregierung das Zeugniß auégestellt hat, sie habe die Berechtigung gehabt, \ih bei dem, was sie bisher gethan hat, mit dem Reickstage in Ueberein- stimmung zu wissen. Das ist in der That der Fall, und ih brauche die lange Reihe von Reichstagsbeschlüssen niht anzuführen, dur die der Reichstag bekundet hat, daß er gewillt war, die bisherigen Schritte der verbündeten Regierungen zu unterstüßen. Jch nehme das Bene- fizium an nit bloß pro praeterito, sondern auch pro futuro, und ih habe, wie der Mann, der vor mir an dieser Stelle gestanden hat, die Veberzeugung, daß eine Kolonialpolitik nur fo lange und fo weit ausführbar ist, als sie an dem Willen und ich füge dies abweichend von dem Hrn. Bamberger hinzu von dem Empfinden der Nation getragen und gestüßt wird.

Der Herr Abgeordnete hat auf meine Person Bezug genommen und angedeutet, daß durch deren Eintritt in das Amt vielleiht ein Wesel in den Anschauungen eintreten werde. Jch muß das ver- neinen. Ich glaube, daß es ziemlich allgemein unter Denen, die mih früher zu kennen hier Gelegenheit gehabt haben, bekannt geworden ist, daß ih nicht zu den Freunden der Kolonialpolitik gehört habe. Ich habe in meiner damaligen Stellung aus verschiedenen Gründen, und nicht bloß aus Ressortgründen, die Ein- führung der Kolonialpolitik zu jener Zeit für bedenklih gehalten. Jh bin aber jeßt der Ueberzeugung, daß so, wie die Sache heute liegt, wir nit allein ohne Verlust an Ehre, sondern auch ohne Verlust an Geld nicht zurück können, daß wir ebensowenig auf diesem Stand- punkte stehen bleiben können, daß uns also nichts Anderes übrig bleibt, als vorzuschreiten.

Der Hr. Abg. Bamberger hat wohlwollend geäußert, daß, wenn die Regierung anzugeben wisse, bis zu welhem Ziele sie vorzugehen gedenke, wenn das bescheidene Ziele wären, auch er und seine Partei- genossen geneigt sein würden, mitzukommen. Ih entnehme daraus zuerst mit Befriedigung, daß auch unter seinen Parteigenossen kein Mann ist, der etwa geneigt sein werde, die Rolle Hannibal Fischer's für die deutschen Kolonien zu übernehmen.

Wenn er aber dann von mir erwartet, daß ih ein bestimmtes Programm geben, daß ih jeßt im Stande sein sollte, zu sagen: nun wollen wir noch so und so viel Millionen in die Hand nehmen, die wollen wir ausgeben, dann werden wir fo weit kommen, die Reichs- hülfe abstellen und die Sache \sich selbst überlassen zu können, so bin ih dazu niht im Stande. Bei Dingen, die sh der Ein- sit in ihre innere Natur so fehr entziehen, die so viel Zufällig- keiten unterworfen sind, wie cs die Anlage von Kolonien in Ländern ist, die bis dahin nicht allein uns, sondern auch allen anderen Leuten unbekannt waren, ist es rein unmöglich, von heute auf zwölf Monate vorauszusagen: das und das soll geschehen, so und so viel werden wir brauen. Ih kann mich nur zunächst darauf berufen, und vielleiht giebt mir das eine gewisse fides auch bei den Partei- genossen des Hrn. Bamberger, daß ich eben kein Kolonialschwärmer bin, daß ich mit ganz kaltem Verstande auch heute noch der Sache gegenüberstehe, und daß mit meinem Rath die Sache nur so weit un wird, als die Ehre und die Interessen Deutschlands es er- ordern,

Der Herr Abgeordnete sieht im Wesentlichen die Kolonialpolitik als eine Geldfrage an und sagt: Kolonialpolitik ift Wirthschafts- politik; und er hat in gewissem Umfange darin Ret, obwohl ih der Meinung bin, er seßt die Gren;e etwas eng. Er hat dann diese Wirthschaftspolitik, die die bisher in Bezug auf die Kolonien betrieben haben, in einem wenigstens niht günstigen Sinne geschildert, er hat Zahlen für die bisherigen Ausgaben genannt, die nah meinem Dafür- halten erheblich zu hoch gegriffen sind. Jh trage eine natürliche Scheu dem gewiegten Finanzmann gegenüber, auf einzelne Details einzugehen. Ih kann aber konstatiren, daß er unter die von ihm angeführten Kosten die Kosten für Dampfer- subventionen, für den Gebrauch von Kriegsschiffen, für Beamten- gehälterr in die Kolonialpolitik eingerechnet hat, Kosten, die wenigstens bis zu einem gewissen Grade auch anderen Zweken dienen und zum Theil unumgänglih gewesen wären, auch wenn man sich nicht zu einer Kolonialpolitik entschlossen hätte. Nach dem mir vorliegenden Material beläuft sich die Summe, die das Reich aus seinem Säckel bisher für Kolonialpolitik ausgegeben hat, auf noch nicht ganz 5# Millionen, und das Vermögen, welches in Gesellschaften engagirt ist, soweit ih das zu übersehen im Stande bin, noch niht auf 15 Millionen.

Es ift ja zuzugeben, daß bei dem Auftreten der Kolonialpolitik eine große Menge von unklaren Vorstellungen unterliefen. Man glaubte, daß man nur die Hand auszustrecken brauhte und in der einen Kolonie dicke Goldklumpen, in der anderen fertige Cigarren finden wür2e. Daß das Irrthümer sind, konnte jeder Mensch, der sich mit solchen Dingen ernstlich beschäftigte, voraussehen. So konnten die Dinge niht mehr laufen; die Zeiten sind niht dazu angethan. Das, was für deutshe Kolonien noch übrig geblieben war an Grund und Boden, war au nit derart, um folche Hoffnungen zu rechtfertigen. Man konnte ih also von Hause aus nur sagen, daß nur mit Arbeit

verbündeten Regierungen

von zwei oder drei Stimmen, die der Kolonialpolitik etwas

“ein Gewinn für Deutschland und für Diejenigen, welche ihr Kapital

Angenommen, der gegenwärtige

dort anlegen würden, erwachsen könnte. Wenn eine große Masse sih darin in Unklarheit befand und in Bezug auf die Kolonien, au auf den finanziellen Theil derselben Gefühlspolitik machte, so möchte ih dafür als eine Erklärung anführen, daß vielfach eben die Einsicht in diese Dinge fehlte.

Dex Herr Abgeordnete fükbrt uns das englische Beispiel vor und sagt: Macht es do wie die Engländer, deren Geséllishaften machen es allein, der Staat giebt Nichts zu. Ja, wir würden das mit dem größten Vergnügen thun, und wir geben, was ich in Bezug auf seinen Schlußpassus {on jeßt bemerken will, zu, daß das auch unser Ziel ist, und daß wir auch heute die bestimmte Hoffnung haben, dahin zu kommen, daß das Reih nicht mehr mit Geld engagirt sein wird, daß die Gesellshaften die Pflichten und die Kosten voll übernehmen, und daß denno ein Reinertrag für die Unternehmer erwachsen wird. Wir sind aber absolut nit in der Lage, dies englishe System jeßt anzunehmen: erstens, weil wir keine Männer haken, die es verstehen, dieses System an Ort und Stelle zur Durchführung zu bringen. Schon in der kurzen Zeit, wo ih hier bin, habe ich empfunden, wie s{hwierig es ist, wenn nur für eine verhältnißmäßig untergeordnete Frage einer unserer Kolonien ein Mann gesucht wird, da einen Mann zu finden, der die Erfahrungen mitbringt, ohne die er an der Stelle nihts nußen kann. Dann aber, Leun i, unterscheidet uns von England noch ein anderer Umstand.

n England ist das Privatkavital historisch geneigt, sh solchen Unternehmungen zuzuwenden. Der Deutsche kauft viel lieber das zweifelhafteste Staatspapier irgend eines zweifelhaften ausländishen Staats, als daß er sein Geld in deutschen Kolonien anlegt. Die Motive dafür sind ja bekannt, und die kennt zweifellos der erfahrene Herr Abgeordnete besser, als 1ch sie kenne.

Nun sind die verbündeten Regierungen nit in der Lage, wie ja diese Vorlage beweist, an einem 1. April genau zu sagen, was sie am anderen 1. April verbraucht haben werden. Wir brauchen in dieser Beziehung das Vertrauen der Nation und brauchen das Vertrauen des Reichstages, daß wir niht weiter gehen werden, als unumgänglih nothwendig ist. Wir brauchen das Vertrauen soweit, daß, wenn wir mal ftatt 23 Millionen 4 Millionen ausgeben, uns das nicht so übel genommen wird. Das is einmal in diesen Dingen nicht zu ver- meiden. Man kann die Kolonialpolitik niht im Wege der Submission an die Mindestfordernden ausbieten wollen, sondern man muß sie den Leuten geben, die gewillt sind, die Sache zu übernehmen. Wir geben aber das will ich nochmals konstatiren die Hoffnung nicht auf und ih habe die Wochen, die ih hier bin, mehr Kolonialpolitisches gelesen als in meinem ganzen Leben wir geben die Hoffnung nicht auf, daß wir dahin kommen werden, daß das Reih nicht mehr Geld zu a haben wird und die jeßioen Kolonien Reinerträge abwerfen werden.

Wenn bei der heutigen Debatte das Auge sich im Wesentlichen auf Ost-Afrika richtet, so ist das natürlich, aber gerade für den finan- ziellen Theil, für die Schlußfolgerungen, die aus der Vergangenheit auf die Zukunft zu maten sind, ist Ost-Afrika insofern ungünstig, als es einmal ein unabsehbar weites Terrain ist, sehr verschiedene Verhält- nisse da obwalten, und der Aufstand die naturgemäße Ent- wickelung unterbrohen hat. Jch könnte aber doch an- führen, daß die Schutgebiete Togo und Kamerun nach etwa fünf Jahren so weit gekommen sind, daf. wenn ih wiederum von den Kosten der Marine und der Beamten absehe, sie schon jeßt das, was sie verbrauchen, selbst aufbringen. Also wir wirthscha\ten nicht überall mit einem Defizit, sondern wir sind an dieser Stelle unter einer tüchtigen Verwaltung dahin gekommen, \ch{on jeßt unsere Ausgaben und Einnahmen balanziren zu können. Jch halte es für wahrscheinli, daß der Zeitraum, bis zu dem wir so weit in Ost- Afrika sein werden, weiter zurückliegt. Um Jahre langsamer wird das gehen, aber ih habe die Hoffnung und den Glauben, daß wir au dahin kommen werden. Es ist ja ohne einen gewissen Grad von Glauben, von Vertrauen in die Sache in der Kolonialpolitik nichts zu machen. Wenn mir Jemand sagt: Ih glaube das nit, so kann ih mich vor seiner Ueberzeugung verbeugen, ich kann ihn nicht überzeugen. Ebensowenig aber kann er mich überzeugen. Ih kann Ihnen nur sagen: Ich bin ganz kalt und ganz nüchtern und viel mehr geneigt, jedes solhes Unternehmen mit \chiefen Augen anzusehen, als an die Zahlen, die man mir vorführt, willkürlihe Nullen anzubängen.

Wenn ich nun zwar der Meinung bin, daß ein bestimmtes Pro- gramm nicht vorgelegt werden kann, daß, wenn diese Erklärungen nicht genügen, ih weiter nihts zu sagen habe, so möchte ih doch den Versuch machen, auf die Entfstehungsgeshicte der Kolonialpolitik insoweit zurückzugehen, daß ih mich ftiges Was hat denn eigentlich das Reich zu dieser, nah den Ansichten der Herren leichtfertigen Politik gebracht, wie sind wir dazu gekommen? Es liegt von Hause aus die Annahme schr nahe, daß da do noch andere Gründe als die Hoffnung auf finanziellen Erwerb mitgewirkt haben müssen, denn sonst würden so viele vorsichtige, verständige Männer, wie sie hier vereinigt sind, nicht in dieses Schiff eingestiegen sein, sie würden niht mitgemacht haben in Kolonialpolitik, wenn außer der Geldfrage nicht noch das Eine oder Andere bestimmend gewesen wäre, Der Herr Abgeordnete hat die humane und religiöse Frage der Antisklaverei gestreist; welhe Bedeutung man der hier beimißt, will ih dahingestellt sein lassen; aber das, glaube ih, wird auch Jemand, der den Dingen niht geneigt ist, zugeben müssen, daß, ohne die Eingeborenen zu einem gewissen Grade von sittlicher und intellektueller Bildung zu bringen, auf die Dauer ein \{chwunghafter Handel mit ihnen, eine gangbare Industrie an Ort und Stelle, selbs eine gut getriebene Landwirthschaft kaum mögli sein werden. Wollen wir aber die Leute auf diesen Stand- punkt bringen, fo haben wir {on um unseres [eigenen pekuniären Interesses willen nach meinem Dafürhalten die Verpflichtung, die Missionen zu unterstüßen und die Gesittung dieser Menschen zu heben.

Es ist ja bekannt, das Centrum ging auf die Kolonialpolitik ein, ausgehend von der Antisklavereibewegung und von religiösen Motiven. Aber soweit ich die stenographischen Berichte habe verfolgen können, ist damals auh von Seiten des Centrums anerkannt worden, daß, wenn nebenbei deutsche nationale Interessen dabei gewönnen, dies dem Centrum nur ganz recht wäre.

Andere betonen zuerst die deutschen, die wirthshaftlihen Inter- essenz sie nehmen es aber dankbar mit, wenn auf diesem Wege christ- lihe Religion und deutshe Gesittung weiter verbreitet würden. Es muß ja Jeder mit sich abmachen, wieweit er es für seine Pflicht hält, diesen Dingen einen geren oder geringeren Werth beizulegen; aber wir sind über den Bereih unserer subjektiven Pflichten der Anti- sklaverei gegenüber hinausgekommen {hon durch die Congo-Akte. Wir sind international verpflichtet, für diese Dinge etwas zu thun, und die jeßt im Gange befindlihe Brüsseler Konferenz wird uns nach der- selben Richtung noch stärker verpflichten.

Wir werden auf die Dauer der Sklaverei nur dann nach meiner Veberzeugung entgegentreten können, wenn es uns gelingt, eine Organi- sation zu schaffen, die dem, was man in Europa einea Staat nennt, wenigstens in einigen Beziehungen nahekommt. Davon sind wir aber noch weitab. Wir müssen zunächst einzelne Stationen im Innern hafen, von denen der Missionar so gut wie der Kaufmann wirken können; und die Flinte und die Bibel müssen hier miteinander wirken, um einen Zustand zu erreichen, den auh das Centrum wünscht ; denn ohne die Sklavenhändler zu tödten, beendigen wir die Sklaverei nie. Ich glaube endli, daß der Hr. Abg. Bamberger ein Motiv nit genügend gewürdigt hat oder wenigstens, daß er es bei Seite schiebt, das ist das nationale Empfinden. Nach meiner Ueberzeugung und ich habe ja damals auch Einblick in das Eine oder Andere gehabt, was zur Kolonialpolitik führte ist die Rücksiht auf die Erhaltung einer nationalen Strömung im Volk mit maßgebend ge- wesen. Nach dem Kriege von 1870 trat eine Periode ein, in der der nationale Geist, ich will nicht sagen rüdck- us wurde, aber zu erlahmen schien. Es fehlten ihm Objekte, auf die er sih rihten konnte; der Idealismus, dessen der Deutsche zu seiner Existenz bedarf, hatte si abgewöhnt, \sich auf

und das ist nach meiner Ansicht ein GlÜck und nur langsam

geistigen Gebieten zu bethätigen. Die Kriege hatten ihm P eute Ziele gegeben, jeßt war noch ein Ueberschuß davon da, der niht wußte, wohin. Da bot sich die Kolonialpolitik, und was an warmem

ür die nationale Ehre und Größe da war, das richtete f e 4, jun Le blind und ohne den Verstand zu Rathe ‘ieben, auf dieses Gebiet. “50 | ; E ti eine E es liegt doch aud eigentlich im Wesen desDeutschen, der auf der eiren Seite fo starf zum Partikularismus neigt, daß er eines Idealismus bedarf, wenn er leistungsfähig bleiben soll. Dieser Zdealismus, wenn er si konzentriren soll und nur dur Kon- ¡entration bleiben Gefühle auf die Dauer in den Mafsen warm und stark bedarf eines gewissen Brennpunkts, und ein solher Brenn- punkt wurde ibm in der Kolonialpolitik gegeben; er wurde von der Nation, soweit ich habe beurtheilen können, dankbar aufgenommen. _ Der Herr Abg. Bamberger nennt das einen romantishen Sinn und spriht ihm wenig Bedeutung zu. Ih möwte mir aber toch mal die Frage erlauben, ob ohne tiefen romantischen Sinn, ob ohne den Instinkt des Gefühls im Volk der Deutsce Reichstag heute hier sißen würde, wo er sit! Ich glaube um- gekehrt. Einem folchen nationalen Instinkt, dem Unbewußten in der Volks\eele, erkenne ih eine gewisse Kraft zu, und ih würde. mich auch an meiner Stelle für verpflichtet halten, wenn ih wahrnähme, daß eine solhe Kraft da ist, ihr nachzugehen und zu versuchen, wie sie nußbar zu machen und in brauchbare Wege zu lenken ift. j i Nun hat ja der Herr Abgeordnete darin ganz Recht, es ist mit diesem Enthusiasmus insofern nit viel anzufangen, als er si sehr {wer in klingende Münze überseßt, und mit dem deutschen Kolonial- enthusiasmus, von dem man mit Recht sagt, er macht meist vor dem Geldbeutel Halt, Indessen habe ih gerade, was Oft - Afrika angeht, den bestimmten Glauben, daß, wenn das, was da jet im Werke is, durchgeführt, wenn die Pacifikation vollendet, wenn geordnete Zustände da hergestellt sein werden, gerade Ost-Ajrika eine Stelle sein wird, die für das Privat- favital mehr Anziehungskraft haben wird, als der cine: oder der andere Ort, und ih gebe mich der Hoffnung hin, daß das, was an Kolonial- enthusiasmus in der Nation noch vorhanden ist, die Barrière über- winden und auch zum Ren Ausdruck bei dem ostafrikanischen nternehmen kommen wird. : : N Mit der nationalen Frage hing für Viele eine Art Matfrage zusammen, und ih muß auh hier zugeben, diese Machtfrage, die in der Kolonialpolitik lag, ist mit einem großen Aufwand von Mangel an Sacverständniß, ih will sagen: in der Menge behandelt worden, Denn man glaubte wenn wir nun Kolonien hâtten und fauften einen Atlas und da malten wir Afrika blau an, dann wären wir große Leute geworden. Ja, davon konnte keine Rede sein. Der Beginn einer Kolonialpolitik arbeitet in Bezug auf Machtverhältnisse zweifellos mit negativen Vorzeichen. Menschen und Geld werden an einer Stelle ausgegeben, wo sie fürs Erste nit rentiren, Wenn die Kolonialpolitik eine Politik des Glau- bens und der Hoffnung ist, sowohl finanziell als in Bezug auf die ethishen Gesichtspunkte, so ist sie das auch in Bezug auf die Macht, und vielleicht sind die Anforderungen an den Glauben der Menschen hier die stärksten. Ih glaube au hier unverdächtig zu sein. Es können Zeiten in Deutschland kommen, wo jeder Mann im Glied und jede Mark in der Kasse uns willkommen sein wird, und ih kann dem Hrn. Abg. Lamberger versichèrn, daß, was mich angeht, kein Mann mehr in Ost-Afrika eingeseßt und keine Mark mehr ausgegeben werden wird, als eben um das zu erhalten und in den Bahnen, die einmal vor- gezeichnet sind, auszubilden, was jeßt da ist.

Fh würde mih nicht dazu entschließen, große Summen, zahl- reiche Deutse nah Ost-Afrika zu ziehen, nur etwa, um mir da den Luxus ciner Truppe, einer gewissen Matentfaltung zu gewähren.

Der Herr Abgeordnete hat auch den Krieg gestreift und gesagt : wenn es zum Kriege kommt, sind solhe Kolonien eine bedenkliche Sache. Ich will ihm das zugeben, daß cs mir zweifelhaft ist, aber vielleicht glaubt er mir als altem Soldaten: es ist ein militärish anerkannter Grundsaß, daß die Entscheidung auf dem Hauptkriegs- \hauplay immer über die Nebenkriegs\{chaupläße mit entscheidet, und wenn es nun, was Gott verhüten wolle, zu einem Kriege in Curopa käme, und wenn wir in Europa siegen, so hat es keine Noth, selbst

wenn inzwishen die eine oder die andere Kolonie in üble Lage gerathen sein sollte. Der Friedens\{luß giebt uns das reichlich wieder. i a

Läßt man sein Auge nun etwas weiter in die Zukunft gehen, so halte ih es do niht für unmöglich, daß die Entwickelung, die die Welt im Ganzen nimmt, auch Deutschland dazu nöthigen wird, mit transoceanishen Staaten in einen engeren Verkehr _hoffentlich immer nur friedlihen zu treten, als bisher. Das Phâäakendasein eines kleinen europäischen Staats hat ein Ende, wir werden mit Mächten jenseits des Meeres rechnen müssen, die über ganz andere Schäße an Menschen und Geld verfügen wie wir, und, wenn man überhaupt nur zugiebt, daß Zeiten kommen werden, wo deutsche Macht und deutsher Geist fich stärker außerhalb Deutschlands dokumentiren müssen. als bisher, so folgt weiter, daß wir dann zur See cine gewisse Kraft zu entwickeln im Stande sein müssen, Die Jahre, in denen ih die Ehre gehabt habe, Chef der Admiralität zu sein, hat mir als das für die Marine zu erreichende Ziel immer vor- eshwebt, die Marine in eine Lage zu bringen, daß, wenn ein Mal eine solche Erweiterung unseres Wirkungskreises nothwendig wäre, sie dazu befähigt wäre. Giebt man nun das als eine Möglich- keit wenigstens zu, giebt man zu, daß wir in Zeiten kommen können, wo eine Thätigkeit der Marine in ausgedehntem Maße im Frieden und Krieg in außerdeutschen , außerheimishen Gewässern erfordert wird, sc muß man sih unumgänglich die Frage vorlegen: Woher bekommt denn die Marine das, wovon sie lebt und ohne das sie weder bewegungs- noch gefehtsfähig ift, die Kohlen? Wenn wir jeßt în etnen Krieg mit einer fremden Macht verwidtelt werden, so haben wir ja einige, aber \{chwierige Mittel, unsere Schiffe im Auslande mit Kohlen zu versorgen: Wir find im Ganzen auf das Wohlwollen neutraler Staaten angewiesen, und wer cinmal dazu neigt, sich für die Marine zu begeistern, ihr eine große Zukunft zuzuerkennen, der muß zugeben, daß eine solche Rolle in außerheimischen Gewässern für die Marine auf die Dauer nicht durchzuführen | sein wird. Wir müssen selbst in den Besiß wenigstens einiger Punkte gelangen, in denen deutsche Kohlen von deutshen Be- hörden an deutshe Schiffe gegeben werden können. Das Dasein von Kohlenstationen ist für cinen zukünftigen Krieg die Bedingung jeder Wirksamkeit der Marine. Also, wenn wir au im Augenblick Aus- gaben, und es find sehr unbedeutende Ausgaben, für unsere Kolonien machen, so möchte ih doch die Hoffnung nicht aufgeben, dae auch dieses Kapital einmal rentiren und auch hier das, was wir jeßt aus- geben, in erhöhtem Umfang uns wieder zufließen wird.

Jch kann also nun noch einmal zusammenfassen : Wir werden das Bemühen haben, daß, wenn der Reichstag uns weiter unterstüßt, wir \hrittweise vorgehen, daß wir uns auf keine gewagten Unternehmungen einlassen, daß wir dana trachten, die Gesellschaften wieder dahin zu bringen, wo sie ursprünglich gestanden haben, fie so selbständig, als es möglich sein wird, zu machen. Ich muß hier die Einschränkung machen, daß eben das von der Leistungsfähigkeit der Gesellschaften ab- hängen wird und daß sih heute noch niht mit Bestimmtheit über- sehen läßt, wie weit sie dazu geeignet sein werden. Wir haben {on jeßt in Ost-Afrika einen Zustand, indem eine Truppe durch die lex Wissmann geschaffen worden ist, von der eigentlich Niemand recht weiß, wessen Truppe sie ist, und ih halte es nit für unmögli,

daß, da die Diktatur und der Kriegszustand in Ost-Afrika voraus- sihtlih noch Jahre lang fortdauern wird, wir in die Lage kommen können, aus dieser jeßt lediglich von Major Wissmann nach alter Landknechts\fitte geworbenen Truppe eine Reichstruppe zu ge um mit geringen Kräften wirksam mehr leisten zu fönnen, als ieg geschieht, wo die Sache eben auf kontraktliche Werbungen basirt ist. Wir werden das Bestreben haben, fremde Rechte überall zu respektiren, wie es der Herr Staatssekretär ausgeführt hat, und das Beute Reich zu s{ützen; ih glaube, die verbündeten Regierungen werden zu Stande sein, die Kolonialpolitik so zu führen, daß die (gemeine Politik Deutschlands darunter keinen Schaden leidet und daß der be-

Abg. Graf Udo Stolberg: Wenn die Kolonialpolitik auf dem romantischen Sinne der Deutschen beruht, ist es?auh romantischer Sinn, welcher die Engländer dau treibt, Kolonien zu gründen? Das einzige Neue in der Rede des Abg. Bam- berger war, daß er meinte, der jevige Reichskanzler werde den Frieden vielleiht niht aufreht erhalten können und Deutsch- and müsse on jedem Konflikt ängstlih aus dem Wege gehen. Jh sehe die Sache niht so s{limm an; ih habe mehr Vertrauen zur Stärke des Deutschen Reichs. Der bis- herige Verlauf der Beruhigung Ost-Afrikas is ein so günstiger gewesen, als wir ihn nur irgend wünschen können. Die Truppe Wissmann's ist entschieden die beste, welche in ganz Afrika besteht. Wir haben jeste Pläge an der Küste, die Sklavenausfuhr hat aufgehört, die Missionsanstalten befinden sich in voller Blüthe, und die Eingeborenen nehmen mehr und mehr Partei für die Deutschen gegen die Araber. Man pflegt den Deutschen vor- zuweisen, daß sie im Ausland ihre Nationalität leicht ver- gessen. Emin Pasha hat davon eine rühmliche Ausnahme gemacht; er hat sich der deutshen Politik anges{hlossen und dafür gebührt ihm der wärmste Dank. Wir wollen fer daß es ihm gelingen möge, seine shwierige Aufgabe zu lösen, daß er niht nur feste Stüßpunkte finde, sondern auch weitere Gebiete in den Kreis unserer Jnteressen hineinziehe. Es würde jet wünschenswerth sein, wenn die Truppe des Majors Wissmann zur Reichstruppe gemacht würde und wenn die Kolonie finanziell auf eigene Füße gestellt würde. Der spe- ziellen Vorschläge enthalte ih mich, weil ih der Sache eher {haden als nügen könnte. Jh beantrage die Ueberweisung der Vorlage an die Budgetkommission. j ; Abg. von Vollmar: Meine Partei hat die Kolonial- politik von Anfang an bekämpft. Wir hatien es deshalb nit nöthig, bei der ostafrikanishen Krise unsere etwaigen früheren Hoffnungen herabzuspannen, wir brauchen fie jeßt, wo die Sache etwas besser zu gehen scheint, nicht wieder zu beleben. Nicht als ob ih kein Jnteresse an der Aufschließung Afrikas oder keine Theilnahme oder Achtung habe für die kühnen Männer, welche sie durchführen. Aber es. kommt darauf an, daß das deutshe Volk nicht mit derartigen Unternehmungen belastet werde. Ob die Kolonialpolitik in anderen Ländern berechtigt ist, lasse ih dahin- gestellt, obwohl auch dort darüber die Meinungen getheilt sind. Für Deutschland ist sie vom Uebel, der Mili- tarismus und das nicht näher zu qualifizirende Gewaltregiment hat uns die Lösung vieler wichtigen Aufgaben entzogen, welche andere Länder bereits gelöst haben. ir haben noch viele alten und neuen Ruinen einzureißen, manches Versäumte nach- zuholen. Man sollte olso die Kräfte konzentriren und nicht zerstreuen, wie es dur die Kolonialpolitik geschieht. Zunächst wird durch die Kolonialpolitik der Eroberungs-, der Abenteurergeist, der Chauvinismus noch mehr verstärkt und die Gelegenheit zu Konflikten aufs Aeußerste ver- mehrt. Jch will ja zugeben, daß die maßgebenden Mächte in Deutschland, zu denen wir leider nicht gehören, wesentlich von dem Standpunkte ausgehen, den Frieden auf- reht zu erhalten das Gegentheil wäre auch ein Ver- brehen —; wenn man aber sih als eine Friedensmacht hin- stellt, dann ist die erste L und Pflicht, au den klein|ten Funken von den aufgehäusten Pulverfässern fern zu halten. Jn der Thronrede heißt es, daß jede Verschiebung der Macht- verhältnisse die Gewähr für die Aufrechterhaltung des Friedens gefährden würde. Jh finde, daß jeder Schritt vorwärts in einer amtlichen Kolonialpolitik eine unberehenbare Ver- shiebung der Machtverhältnisse bedeutet. Nah einem autorita- tiven orte hat Deutschland in der Welt leider wenig oder gar keine Freunde; wir werden gefürchtet, aber niht geliebt; um so mehr sollte man jede Gelegenheit benußen, an die Stelle dieser Furht Zuneigung zu bringen. Jm vorigen Jahr war eine Gelegenheit, wo die Zuneigung der rechtlich denkenden Menschen und Völker in Europa für Deutschland zu gewinnen war. Das war der portugiesish- englische Konflikt. Wenn damals Deutschland frei von der- artigen Unternehmungen, die ihm leider die Hände gebunden haben, gewesen wäre, dann wäre es 1m Stande gewesen, wirklich \sich hier Sympathieen zu erwerben. Diese Ge- legenheit ist verpaßt, und wir müssen nun sehen, daß wir nicht in größere Verlegenheiten kommen. Das nationale Prestige, das Wort von der engagirten Fahne, die wir nicht im Stich lassen dürfen, sind Schlagworte, die uns unmer tiefer in den Sumpf hineinführen. Der Herr Reichskanzler, der so ruhig und kalt die Dinge beurtheilt, hat selbst den Beweis dafür geliefert, daß, wer auf diesem Gebiet einmal A sagt, bis zum Schluß kommt, daß er die Verfügung und Selbstbestimmung über demnächst vorzunehmende Schritte mehr und mehr verliert. Er, der ursprünglich ein Gegner der Kolonialpolitik gewesen, ist shließlih über- gegangen zu einem Phantasiegemälde dessen, was in Zukunft geshehen muß. Er spra {hon davon, daß die Wiss- mann’\{he Truppe eine Reichstruppe werden soll, vielleicht später ein Garde-Regiment. Der Herr Reichskanzler sagte, die Ehre und die Jnteressen Deutschlands dürfen nicht im Stich gelassen werden. Es fragt sich nur, wie man die Ehre und das Interesse des Volks auffaßt. Der Reichskanzler hat ein sehr bemerkenswerthes Wort gesagt, das nicht unbemerkt bleiben kann: „Das nationale Empfinden hat eine große Rolle gespielt und spielt sie noh, das ist freudig zu begrüßen, weil nah dem Kriege von 1870 und 1871 das [nationale Empfinden nach und nach zurückgegangen isk. Die Kolonialpolitik ist ein geeignetes Mittel, das Nationalgefühl wieder zu entzünden“. Wissen Sie, wohin diese Theorie führt? Zu der Politik Napoleon's ITI, Aug Ae erwärmt sich das Nationalgefühl an Ost-Afrika. Jst Ost-A rika pazi- fizirt, was soll dann werden? Wird man dann vielleicht in Europa einen geeigneten Anknüpfungspunkt finden? Das Napoleonishe Regime hat auf diesem Wege stets neue Ableitungspunkte für das nationale Empfinden, bezw. ur Beschwichtigung der Unzufriedenheit gesucht. Jh inde, daß im Gegentheil das nationale Moment durch die Kolonialpolitik geshädigt wird. Jede Thorheit irgend eines Beamten in unseren Kolonien ist im Stande, uns zu kompromittiren und die früheren Berehnungen über den Haufen zu werfen. Und nun frage ih, ist Deutschland so rei, um sich den Luxus zu gestatten, Millionen für fremde Zwecke wegzugeben ? Hat man doch viel geringere Summen für viel dringlichere und. bessere Zwecke nicht her- geben wollen, weil wir dazu fein Geld haben. Wurde nicht aus demselben Grunde unsere Forderung auf Errichtung von Arbeiterkammern zurückgewiesen, die an- geblih 3 bis 5 Millionen kosten sollten? Schlimmer aber als der Geldverlust sheint mir der Umstand, daß wir durch

rechtigte Aufschwung deutshen Nationalgefühls niht verleßt werden wird.

die Kolonialpolitik von dringenden Bedürfnissen des Volks,

von den sozialökonomischen Bestrebungen wenigstens zum Theil abgezogen werden. Welche ungéheure Mühe und Ueberwindun von Haß und Vorurtheil hat es uns, die wir hier so zahl- reih, nit zu unserm Vergnügen, vorhanden sind, gekostet, um weiteren Kreisen der Bevölkerung die Ueberzeugung zu geben, daß die Lage der Arbeiter verbessert werden muß! Wir müssen alle unsere Krast vi um das Volk zu warnen und zu hindern, in diese Falle zu ehen. Jch eifere keineswegs gegen eine Kolonisation Ost Afrikas oder anderer Länder au durch die Deutschen. Einmal wäre das ein Windmühlenkampf, und dann gereichen zweifellos solche Unternehmungen sließlich, wenn au [eider unter sehr schlimmen Begleiterscheinungen, der Kultur zum Vortheil. Abec solche Unternehmungen müssen der privaten Jnitiative und der privaten Spekulation überlassen werden. Die Britishe Ostafrikanische Geselishaft ist auch ein Privat- unternehmen. Man sagt, die Engländer seien auch reih genug dazu, unser Kapital sei aber zu schwa und daher müsse bei uns das Reich zuerst eintreten. Unter den seiner eit erlassenen Aufruf zur Befreiung Emin Paschas befanden ih die Unterschriften von 11/4 Dußend Millionären, und man erstaunt, wie diese reihen Leute bei Anderen betteln ehen fonnten. Mögen diese doh mit ihrem Kapital herausrüden. Den Herrn Reichskanzler mache ih darauf aufmerksam, daß eine leistungsunfähige Gesell- schaft in England“ überhaupt keine royal charter bekommt. Rechnet man in Oft-Afrika überhaupt auf einen Gewinn, so mag man auch das Risiko den Herren überlassen. Mögen nah Afrika Forscher gehen, wir werden sie mit unjerer Sympathie begleiten und ihnen auch Zuwendungen geben; mögen Missionare dorthin gehen, um den Schwarzen be- reiflih zu machen, daß unsre Religionsauffassung eine bessere ei, wir lassen sie ohne Neid ziehen, können auch Einige davon entbehren, mögen Pflanzer und Händler nach Afrika gehen, um zu versuchen, Gewinn zu erzielen, aber ausscließlich auf ihre Rechnung und Gefahr. Daß sih die Regierung niht des Aufsichtsrehts und der Kontrole gänzlich entschlägt, dazu läßt sih nichts sagen, aber Alles muß auf Kosten und Gefahr der Gesellschaft geshehen, ohne Verbindlichkeit für das Reich. Man \spriht auch von der Befreiung der Sklaven in dieser Sache. Wir auf dieser Seite shmeicheln uns, auf allen Ge- bieten Befreier zu sein, wir brauchen dazu nicht nah Afrika zu gehen. Es giebt auch hier aus- beutende und tyrannisirende Herren. Nur kommen sie bei uns niht auf. Nach einem englischen Sprüchwort jagen wir, die Befreiungsmission Deutschlands würde bei uns an- fangen. Hierauf möge die Regierung ihren Fleiß und ihr Studium richten, dann wird sie auch auf dem sozialen Gebiet ein Verständniß an den Tag legen, wie jeßt in den afrika- nischen Dingen. Dann werden auch die Ungeschicklichkeiten, die, wie Hr. von Boetticher sagt, in der Sozialpolitik vor- gekommen seien, endlih einmal ein Ende nehmen. Die höchste Zeit wäre es dazu. Jh werde gegen die Vorlage stimmen. Abg. von Kardorff: Gerade die Abneigung der Sozial- demokratie gegen die Kolonialpolitik ist mir ein Beweis dafür, daß in derselb:n ein guter Kern stecken muß, daß dadurch der deutsche Gedanke gestärkt wird. Die Herren fürchten Kon- flikte in Folge unseres Kolonialbesißes. Wie kam denn vor einigen Jahren Hr. Liebknecht dazu, die Regierung zum Kriege gegen Rußland aufzufordern ? Deutschland soll nit reich genug seinzur Kolonialpolitik; sind nicht andere Kolonien besizende Länder ärmer als Deutschland? Erst soll in Deutschland gebessert werden. Sind denn unsere Zustände so \chlecht © Jch denke, wir fönnen uns überall sehen lassen ; freilich Hrn. von Vollmar gefallen die Zustände nicht. Die Regierung hat die sozialen Fragen in die A genommen und braucht deshalb nicht durch die Kolonialpolitik die öffentlihe Aufmerksamkeit davon abzulenken. Wir werden die in so nüchterner Weise vom Reichskanzler dargelegte Kolonialpolitik unterstügen; aber ih wünsche au, daß die Kosten, welche das Reich aufwendet, einmal von der ostafrikanishen Gesellschast erseßt werden, und der Besiß diefer Gesellschast ist ein fo guter, daß ich hoffe, dieser Ersaß wird baldigst erfolgen können. Wir müssen den Eingeborenen von Ost-Afrika die Leuchte i O aufstecken, das ist unsere Pflicht als christliche Nation. : j | Sb Dr. Windthorst: Jh hätte gewünscht, daß der aus Afrika zurückgekehrte Major Liebert das Wort genommen hätte, um uns Aufklärung zu geben. Jedenfalls bitte ich, wenn nicht besondere Gründe ihn am Sprechen verhindern, daß ex noch vor dem Schluß der Debatte heute oder morgen das Wort ergreift. Daß ih kein großer Freund der Kolonial- politik bin, ist allgemein bekannt; aber der Reichskanzler hat uns versichert, daß er nur soweit gehen will, als es die Ehre und das JÎnteresse Deutschlands erfordert, und die Gesellschast die Kosten tragen soll, welche erforderli gewesen sind. Den Auslassungen des Reichskanzlers bin ih mit großer Auf- merksamkeit gefolgt. Aber was in Afrika Jdeales sein soll, selbst wenn Kohlenstationen da angelegt werden, kann ih nicht begreifen; die Kommission wird die Aufgabe haben, zu sehen, ob festere Grenzen für die Bewilligungen und ihre Zwecke gefunden werden können. Das Reich muß jedenfalls baldmöglichst von diesen Kosten befreit werden, und diejenigen müssen sie übernehmen, die den Hauptnußen davon haben, Unsere Besizungen dürfen wir nicht weiter ausdehnen, als absolut erforderlich ist. Weitere Eroberungen dürfen nicht ge- macht werden. Zn der Kommission wird man uns über den Zustand der Finanzen der ostafrikanischen Gesellschaft und über ihre ganze Lage einige Auskunft geben müssen. Man hat das Centrum für die Unternehmungen in Ost-Afrika ver- antwortlih gemacht: die Verantwortung dafür trägt die Mehrheit des Reichstages, niht das Centrum L allein. Deutschland hat sich immer begeistert für die Freiheit, o haben sich alle Parteien begeistert für die VBe- s der Sklaverei. Wenn wir dieses Ziel erreichen und dabei auch für Deutschland wirthschaftliche Vortheile erreichen, dann kann uns das nur willkommen sein. Wenn die Missionen gefördert werden sollen, dann müssen Missionare auf deutschem Boden erzogen werden, was jeßt gehindert e Es ist eine wunderbare Blindheit, daß man die Mittel nich hergiebt, um die Forderungen, die man verlangt, zu erfüllen. Der Reichskanzler muß seine Kollegen im preußischen Mini- sterium anweisen, anders zu agiren, als es bisher geschehen ist. Jch kann nicht schließen, ohne der ausgezeichneten E keit des Majors Se und seiner Leute zu gedenken. hoffe, Niemand im Reichstage ist, der nicht ebenjo U uh Um 5 Uhr wird die weitere Debatte bis Dienstag r

vertagt.