1890 / 118 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 16 May 1890 18:00:01 GMT) scan diff

unsere Militärkraft noch weiter entwickeln als bisher ? Und können wir die Mittel beschaffen, um das, was man an fih als militärish nothwendig erahten mag, auch zu bezahlen ? Leider können wir nur im Frieden leben, wenn der Nachbar au es will. Darin liegen die Grundursachen unserer ganzen Misère, daß die Welt jeßt so gespannt ist in allen Verhält- nissen, daß es mir vorkommt, als ob die ganze Thätigkeit der Nationen wesentlih darauf gerichtet sei, sich zu einem großen Kriege vorzubereiten. Könnte man nit Vorbereitungen treffen, einen dauernden Frieden zu haben? Jn der Hin- sicht könnte allerlei geshehen. Jh will darauf niht eingehen, das wäre eine Revue unserer ganzen auswärtigen Be- ziehungen, die hier zu erörtern niht nüßlich ist. Früher war ein fsolher Militarismus nicht erforderlih. Jch be- antrage, die Vorlage an eine besondere Kommission von 28 Mitgliedern zu überweisen, denn Verhandlungen über die Vorbereitungen für einen möglichen Krieg können nit hier vor aller Welt stattfinden. Jn der Kommission wird si die Regierung darauf gefaßt machen müssen, daß wir in dieser Hinsiht noch etwas mehr erfahren wollen. Wir müssen endlih larheit darüber gewinnen, wann denn dieses stete Fordern neuer Militärausgaben aufhört. Wenn wir dem Lande neue Lasten auflegen, dann müssen wir es au in anderer Weise ju erleichtern suchen. Es müßte eine ernste Gewissenserforschung arüber eintreten, ob denn in dem vergangenen Reichstage ge- nügend Sparsamkeit gewesen ist. Die Regierung sollte sih bemühen, die noch zu machenden Ersparungen allmählih ins Auge zu fassen. Mit neuen Steuern geht es niht mehr weiter. Der Abg. Richter hat dem Beispiel des Hrn. von Bennigsen folgend gemeint, daß eine neue Organisation der Reihsbehörden Und der Finanzverhältnisse nothwendig sei. Jh glaube nicht, daß irgend welche Organisation der Reichsbehörden uns auch nur einen Groschen einbringen wird. Jnt Gegentheil, sie würde uns einen Haufen Geld kosten. Eine glücklichere und bessere Prüfung der Finanzverhältnisse ist auch niht davon zu erwarten. Wir haben in anderen deutschen Ländern eine vollkommen geordnete Finanzwirthschaft mit angeblicher Ver- antwortlihkeit Und doch geht es dort niht besser wie im Reiche, und so kommt denn die ganze neue Organisation der Reichsbehörden darauf hinaus, daß man vielleiht eine Stelle schaffen will für sehr ausgezeihnete Finanzmänner. Jh erblicke in diesem ganzen Bestreben weiter nichts, als eine weitere Betonung des unitarischen Gedankens. Diese Organi- sation würde unzweifelhaft die einzelnen Städte in ihrer Be- deutung und in ihrer Einwirkung shwächen. Jh erkläre

hautement, daß ich von der ganzen Geshihte nichts wissen will, denn sie durchbricht das föderative Puirzip. Auch der Fürst Bismarck schien der Sache nicht

geneigt zu sein. Diese Vorlage hat ihrem Jnhalte nah auf mich einen deprimirenden Eindruck gemacht, aber eine Freude hat sie mir doch bereitet; sie beweist uns recht, was es mit dem ganzen Septennat seiner Zeit auf sich gehabt hat. Etwas Beschämenderes konnte allerdings Denjenigen, welche so lustig in die Trompete der Reichsfeindschaft gestoßen haben, nicht vorgehalten werden, als diese Vorlage. Wir wollten damals auf drei Jahre jeden Mann und jeden Groschen bewilligen. Kaum sind diese drei Jahre verflossen und schon kommt die Regierung mit einer Aenderung. Die Regierung \{lägt uns jeßt ein Quadriennium vor. Es wäre Zeit zu überlegen, ob wir nicht die Präsenzziffer jeßt jährlih festlegen müssen. Jch sage heute niht, daß ih das heute unbedingt verlange, aber dieser Punkt muß nothwendig in der Kommission erörtert werden. Wenn die Regierung unter dem Druck der Berathungen des Reichstages steht, so wird sie nothwendig vorsichtig sein müssen. Wenn aber jeßt wieder neue Rekruten eingestellt werden, so wird gleichzeitig au eine Erleichterung der Dienstzeit eintreten müssen und die jezt hon vorhandene Erleichterung festgelegt werden, sodaß man darauf rechnen darf. Niemand im Deut- schen Reich wird, glaube ih, die Mittel versagen, welche zur Aufrechterhaltung der Unabhängigkeit und Selbstständigkeit von Deutschland nothwendig sind. Wir werden Denen, welche die Grundlagen unseres staatlichen und gesellschaftlihen Lebens angreifen, mit Energie zu jeder Zeit entgegentreten, und wenn steh auswärtiger Feind uns angreift, wie ein Mann zusammen- stehen.

Kriegs-Minister von Verdy du Vernois:

Meine Herren! Jch bitte nur noch eine kurze Bemerkung bier anfnüpfen zu dürfen. Der Hr. Abg. Dr, Windthorst hat als Wunsch bingestellt, ins Klare zu kommen über die Forderungen und Pläne in Bezug auf das, was noch ausfteht. Meine Herren, als erste Aufgabe, welcher ich mih hiec in meinem Amt zu unkerzichen hatte, ershien mir dic, daß wir zunähst die vor- bandenen Organisationen in die normalen Verbältnisse übcr- führten. Nur auf Grund sclcher Bafis kon: te cin weiterer Ausbau erfolgen. Unter diefen Umständen habe ih mir selber gesagt: Organi- siren und wowöglih so orgarisiren, daß man nit jed:s Fahr vor neuen Ueberras{chungen steht —— wenn mözglich, auf ein Menschenalter, sobald nihts von außen binzukon:mt —, sei die erste Bedingung. In Folge dessen sind nir seit jenem Moment an der Arbeit. Ic muß diesen Wunsch, der hier auétgespreben ift, somit als berechtigt an¿rfennen. Für uns ist überdies seine Durchführung eine Notk- wendigkeit, au für diejenigen Kollegen in den verschiedenen Staaten, die mit den Finanzen sich zu besc‘äftigen baben. Es wird Ihnen daber über furz orer lang ein derartig auégearbéciteter Entnurf mit- getheilt werden. Ih werde sogar in der Kommissionésizung bereits in dir Lage sein, die Grundzüge, die wenigen Grundsäge, auf welchen er si bewegt, Ihnen vortracen zu können.

Die Bemerkungen über die zweijährige Dienstzeit werde ih jeßt nidt weitcr berüßren, weil ein bezuügliwer Antrag aus dem Hause selbst vorliegt. J glaube, daß dies in diesem Augenblick zu weit führt. Jch fann nur sagen wir fönnen ja auch in der Kommissions- sißung uns darüber unterbalten —, daß, wenn irgend welche Erleichte- rungen für das Land. von unserem Standpunkt ous dabei anerkannt worden waren, wir jedenfalls selbst mit diesem Vorschlage gekommen sein würden. Wir baben dics nit gethan. Es gebt daraus hervor, daß die verbündeten Regierungen nah reiflicer Prüfung dieser Frage auf dem Standpunkt stehen, daß sie in dicser Richtung keine Kon- zession macen können,

Abg. Payer: Wenn wir uns einmal auf die \chiefe Ebene der Vewilligung begeben, so werden wir “a kein Ae finden. Der Kriegs-Minister hat gesagt, das Septennat würde dur diese Vorlage nicht alterirt. Jch bestreite dies. Das Septennat war eine Vereinbarung, in sieben Jahren an der L OEIEPLN Ae nicht zu rütteln, weder von Seiten des Reichstages noch Seitens der Regierung. Wenn die Regierung sih niht mehr an das Septennat gebunden hält, so sind wir es auh niht. Jch gebe ja zu, daß wir dem Kriegs - Minister feinen Vorwurf zu dba haben, er hat sih sehr vorsichtig aus- gedrückt, und wenn wir ihn seiner Zeit falsch verstanden haben, so ist das unsere Shuld. Wenn die damalige Vorlage nicht die Krönung dieses ganzen Tempels, sondern nur des Doppelhofs von zwei Armee-Corps sein sollte, so haben wir uns eben geirrt. Wir wollen in Zukunft vorfichtiger

sein; das soll uns nicht mehr passiren. Wenn in den Motiven gesagt wird, daß diese Vorlage zur Erhaltung der europäishen Friedenspolitik nothwendig

sei, so frage ih: wohin sollen wir mir derartigen allgemeinen Gründen kommen? - Wir wissen do Alle, daß von dem Heer allein die Gestaltung des Deutschen Reiches niht abhängig ist. Gewiß sind auch wir bereit, jedes nur mögliche Opfer zu bringen. Aber wenn es damit nur gethan wäre: Glauben Sie denn, daß man auf der anderen Seite nicht auch das Leßte thun wird? Wenn jeder anderen Nation nicht jedes Opfer zu groß is, dann sind wir gerade so weit, wie vor 10 Jahren. Diese Frage ist in erster Linie eine eminent wirth- schaftlihe. Das Volk selbst hat das allergrößte Jnteresse an der Erhaltung des Friedens. Niemand kennt aber besser die Grenzen der wirthshaftlihen Leistungsfähigkeit als das Volk selbst. Nachdem wir kolossale Summen auf allen möglichen Gebieten ausgegeben haben, können wir auf die Dauer kaum noch mehr leisten. Das beweist die Zahl der Schulden, die wir im Laufe der legten drei Jahre für Militärzwecke kontrahirt haben. Wenn wir reell sein wollen, dann müssen wir diese Schulden doch auch einmal bezahlen. Sollen wir unseren Nachkommen zumuthen, daß sie Schulden bezahlen für Dinge, von denen sie keinen Vortheil haben? Jch meine, daß wir thatsählih an der Grenze unserer Leistungsfähigkeit angelangt sind. Das beweist {hon die Verschlehterung der Lebens- haltung, diese zeigt sich am deutlichsten an dem Rückgange des Kleingewerbes. Man hat bei diesen Militärausgaben viel zu wenig den Umstand ins Auge gefaßt, daß der bei Weitem größte Theil der aufgewandten Mittel nach Lage unserer Steuergesezgebung von den mittleren und kleinen Leuten getragen wird. Das ist nicht die Art, wie man den Wohlsiand und das Wohlbefinden einer Nation zu heben und zu erhalten sucht. Um so vorsihtiger müssen wir jeßt bei der Bewilligung neuer Mittel sein. Denn es is mir gar- nicht zweifelhaft, daß man zur Deckung der neuen Ausgaben au neue Steuern auferlegen wird. Die leßten Wahlen sind ein deutlicher Ausdruck dessen, was das Volk über diese Steuer- geseßgebung nicht allein, sondern auch über diese militärischen Bewilligungen der leßten Jahre denkt. Das Volk hat auf legalem Wege einen kräftigen Protest gegen diese ganze Politik einlegen wollen, und wir sind durchaus berechtigt und sogar verpflihtet, dem Protest des Volkes Ausdruck zu verleihen. Damit will ih nicht erklärt haben, daß unsere Partei gegen die einzelnen Theile dieser Vorlage Widerspruch erheben wolle. Wir sind z. B. der Meinung, daß es in der Hand der Reichs- Militärverwaltung liegen soll, wenn sie eine Vermehrung der Artillerie für nothwendig hält, diese Vermehrung vorzunehmen ; aber mit der einzigen Kautele, daß sie sih bemüht, auf anderen Gebieten des militärishen Lebens diejenigen Ersparnisse zu machen, welche nothwendig sind, um diesen Mehraufwand zu deden. Ob die Verkürzung der Dienstzeit auf streng mili- tärishem Gebiet vortheilhaft ist, vermag ih niht zu beurtheilen, wirthschaftlich ist sie es sihec. Sie sind ja weit entsernt von dem Tage einer allgemeinen Abrüstung. Jh kann noch nit beurtheilen, ob der nächsle Krieg 7 oder 30 Jahre währen wird; wenn wir aber 3 Millionen im Kriege auf die Beine stellen, dann möchte ih sehen, wie lange ein Volk diese Armee überhaupt unterhalten soll. Jch bezweifle, daß selbst ein reiches Land dieses auch nur ein Jahr aushalten kann. Jch glaube auch, daß die Regierungen die ungeheure Verantwortlichkeit für einen derartigen Krieg niht werden übernehmen wollen. Die Völker wollen es auch nit und die Parteien, denen der Graf Moltke dies doch zuzutrauen scheint, ebenfalls niht. Jch glaube, daß wir am ersten in der Lage wären, Halt zu machen, und zwar weil wir im leßten Kampf Sieger gewesen sind, weil wir unbestreitbar die Stärksten sind und an unserer Friedensliebe kein ehrliher Mensch in dieser Stunde zweifeln darf, ebensowenig wie an unserer Bereitschaft, uns auch im äußersten Falle gegen einen ungerechtfertigten Angriff zu wehren. Machen wir also hier Halt, so werden wir der Menschheit mehr nüßen, als wenn wir von Neuem ein Wett- rennen aller Nationen auf diesem Gebiet hervorrufen und da auf ein halbes Jahr anderen Nationen um ein paar Kopf- längen voraus sind.

Abg. Buhl: Jch glaube, daß ein folher Appell an die Friedenspolitik in anderen Ländern für uns außerordentlich gefährlih sein würde. Der Vorredner hat ihn an eine falsche Adresse gewendet. Wenn wir abrüsten, so würde nicht der Friede Europas erhalten, sondern im Gegentheil gefährdet werden. Es ist anzuerkennen, daß die Abgg. Richter und Dr, Windthorst den Schwerpunkt der Verhandlung in die Kommission verlegt haben. Wir werden der näheren Dar- legung der Regierung in der Kommission mit Aufmerksamkeit folgen, und wenn wir eine weitere Erhöhung der Friedens- präsenzstärke für nothwendig halten, nur um unseren Nachbarn zu folger, dann werden wir uns gezwungen fühlen, die For- derungen, soweit es nothwendig erscheint, zu bewilligen. Auch ih erkenne an, daß eine Verkürzung der Dienstzeit in Bezug auf die persönlichen Verhältnisse der Mannschaften von großer Bedeutung sein und eine gleihmäßigere Vertheilung der Lasten herbeiführen würde, wenn ih allerdings auh zugebe, daß jede Dienstzeit in erzieherishem Sinne von Vortheil ist. Wenn wir nah den Erklärungen, die wir in der Kommission zu er- warten haben, uys gedrängt fühlen, der Forderung nach- zukommen, so werden wir dies thun, nicht um der Fürsten willen, sondern um der Sicherheit und des Friedens unseres Vater- landes willen.

Staatssekretär Freiherr von Malßahn:

Ich würde in die heutige Diskussion nit eingegriffen haben, wenn ich nit den Wunsch bätte, cinem Mißverständniß zu begegnen, welches aus einer Aeußerurg des Hrn. Abg. Richter entstehen könnte. Tie Leußerung, welche ih meine, entsprah vollkommen dem that- sädliden Hergang ; sie war aber in einer Form gegeben, daß Diejenigen, welche ven Dingen niht näher stehen, vielleicht ¿zu einem irrthümlicen S@&luß gelangen können. Der Hr. Abg. Richter wies auf die Schwierigkeit hin, welche die Beschaffung ter Mittel für militärische Zwecke haben würde. Er erwähnte dabei, daß im Laufe der leßten Monate ein Anleibebetrag des Reichs von 129 Millionen bei der Subskription nicht vollgezeichnet sei.

_ Diese Thatsae ist, wie id annehme, richtig; aber das Reich hat seine Anleibe voll von denjenigen Häusern ausgezahlt bekommen, denen es sie übergeben bat. Die Häuser ihrerseits haben die Anleihe zur Zeichnung aufgelegt, und bei dieser Zeichnung is nur etwas über die Hâlfte sofort übernommen worden von den Kapitalisten im Lande. Der übrige Theil des Anleihebetrages hat sch längere Zeit in den Hânden der Emissionshäuzer befunden. Ob und inwieweit derselbe jeßt untergebracht ist, vermag ih nicht zu sagen. Das aber möhte i ausdrüdlich feststellen, daß die 129 Millionen, welhe für Rehnung des Reichs untergebraht werden mußten, um für eine Reihe von Monaten hinaus das Bedürfniß zu decken, an den vereinbarten

lungen Feld- Artillerie, Bataillone In besonderer Lineatur sind die Eisenbahnen, Hauptrouten,

Saiten Bismarck“

_ Abg. Graf Stolberg - Wernigerode: Jh freue mich, daß der Abg. Richter niht unbedingt sih gegen die L2orlage erfíärt hat, es steht also zu hoffen, daß die Vorlage

Daß das Septennat nit jede Mehrforderung der Regierung über den Rahmen des Septennats ausschließen sollte, hat auch der Aba. Bamberger anerkannt. Kein Patriot, sagte er, würde es wagen, daß die Militärverwaltung sich mit ciner geringeren Ziffer begnüge, als es noth- wendig sei. Nun spigt sich allerdings die Sache zu einer Vertrauensfrage zu. Es ist zwar notorisch, daß die französische Artillerie einen Vorsprung vor der unserigen hat, ob aber die Details in der Vorlage begründet sind, müssen wir der Re- gierung glauben. Zur “Kompensation dieser Neuforderungen fordert man die zweijährige Dienstzeit. Das Rekrutenmaterial hat sich allerdings in Bezug auf Jntelligenz gebessert; in gleicher Weise hat sich das Ausbildungsmaterial, Offiziere und Unteroffiziere, gebessert, auch das ganze Ausbildungssystem is rationeller geworden. Auf - der anderen Seite sind aber auch die Anforderungen gestiegen; und zwar in stärkerem Ver- hältniß, als sich das Material gebessert hat. Ein Vergleich des Gewehrs, wie es früher war und wie es heute ist und

Veränderung der Feuerwaffe, namentlih des Jnfanteriegewehrs urückzuführen bildet einen rihtigen Beurtheilungspunkt für das, was früher verlangt wurde und heute verlangt werden muß. Zu der Frage des Septennats stehen wir noch so, wie wir immer dazu gestanden haben. Wir sind der Meinung, daß die dauernde Festseßung der Friedenspräsenz den Bestimmungen der Verfassung entspricht; wir sind aber auf das Kompromiß von 1874 eingegangen und halten n daran fest. Der Abg. Richter nimmt auf das französische Po Bezug, welches er niht mit Unrecht als Parlamentsheer bezeihnet. Es ist rihtig, daß in Frankrei die Bewilligung jährlich ausgesprochen wird; aber gerade in Bezug auf militärishe Verhältnisse herrscht zwishen uns und Frankreih ein Unterschied, der nicht zu unseren Gunsten \priht. Wenn Sie die Debatten in den französischen Kammern verfolgen, so werden Sie finden, daß di Militärvorlagen dort niht nur bereitwillig bewillig: werden, sondern daß die Kammern häufig noch über die ursprünglichen Forderungen Se während bei uns das Gegentheil der Fall ift. eit der Konfliktszeit hat sich bei uns leider die parlamentarische Sitte erhalten, daß wir gerade die Armeefrage als Kraftprobe im parlamentarischen Leben betrahten. So lange dies der Fall ist, halte ih es für bedenklich, die Armee auf diese Basis zu stellen. Jch {ließe mit dem Antrage, die Vorlage an eine Kommission zu ver- weisen, und dem Wunsche, daß es gelingen möge, dort eine möglichst große Uebereinstimmung herbeizuführen; denn dem Auslande gegenüber is es niht unwichtig, daß die Vorlage mit möglihst großer Majorität angenommen wird.

Gegen 5 Uhr wird die weitere Berathung auf Freitag 1 Uhr vertagt.

Literatur.

Im Verlage von E. S. Mittler und Soha in Berlin ift eine von dem Major z. D. und Bezirks-Offizier zu Züllichau von Puttkamer herausgegebene Anciennetäts-Liste der Offiziere des deutschen Heeres für das Jahr 1890 erschienen, welche nach dem Stande vom 12, April 1890 zusammengestellt if und \ich eng an die Ranglisten der einzèlnen Armeen anschließt. Das mit vielem Fleiße und großer Sorgfalt hergestellte Werk führt sämmtliche Offiziere der preußischen, bayerischen, sächsischen und württem- bergischen Armee auf, und zwar zunächst nah den einzelnen Ländern die Generalität, die niht regimentirten Offiziere, die Offiziere von der Armee und à la suite der Armee, sowie die sämmtlihen Regimenter, wobei bei jedem Einzelnen das Datum des Patents der gegenwärtig bekleideten Charge und das der Ernennung zum Second-Lieutenant aufgeführt ist. Außerdem enthält es eine dur die ganze deutsche

offiziere, welhe bis zum April d. J. fortgeführt if, der Hauptleute und Rittmeister bis ult. Dezember 1884, der Premier-Lieutenants bis ult. Dezember 1886 und der Seconde Lieutenants bis ult. Dezember 1883 Wie si aus derselben ergiebt, ist der jüngste General (Preußen) Lieutenant

der jüngste General-Major (Preußen) Lieutenant von 1860, Andererseits giebt es in Preußen noch 27 Majors, welche im Jahre 1860 zu Lieutenants ernannt wurden.

sind noch vier Majors Offiziere von 1861.

verhältnisse fich günstiger gestaltet haben. In der Armee ist noch ein Premier-Lieutenant mit einem Second-Lieutenants- Patente von 1871, in der preußishen sind noch zwei Premier-Lieute- nants, welche 1873 Offiziere geworden sind. In Bayern giebt es

älteste Second-Lieutenant ein Patent von 1882 hat. Dem Werke ist

verschiedenen Armeen beigefügt. Für Jeden, der sich für die Avance- mentsverhältnisse der deutschen Armee interessirt, ist das Buch als ein ganz unentbehrliches zu bezeichnen.

Aus dem Verlage von Georg Lang, Leipzig und Met, er- hielten wir eine „Neue Militärkarte des Deutschen Reichs“

Bezirke vom 1. April 1890 ab, bearbeitet von Gustav Müller, Kartograph der Königli preußishen Landesaufnahme; mit er- läuterndem Textheft. Diescs leßtere bietet unter der Aufscrift „Das deutshe Reichsheer vom 1. April 1890 ab* ein alphabetishes Ver- zeihniß des Quartierstandes, dann eine Uebersiht der Landwehr- bezirke des Deutschen Reichs, beides in militärisher Kürze, Knapp- beit und Klarheit. Die „Militärkarte des Deutschen Reis“, im Maßstab 1: 1750000 forgfältig, genau und sauber hergestellt, veranschaulicht in deutlich hervortretenden Farbenbildern die Gebiete der einzelnen Armee- Corps: in rother Umsäumung die Bezirke der Infanterie-Brigaden und der Landwehr-Inspektionsbezirke, in kleinen mehr oder minder dunklen Quadraten den Sit der General-Kommandos, des Infanterie-Divi- sions-Stabes und des Infanterie-Brigade-Stabes, sowie den Gar- nisonort, in kleinen rothen, blauen, grünen, roth- und blauen, und

Jäger oder Schüßen, Pioniere oder vom Eisenbahn-Regiment, die verschiedenen Eêcadrons Kavallerie, Train, die verschiedenen Abthei- uß-Artillerie und Magi enia. aupt-

straßen und Kanäle angedeutet, auch die Höhenmessungen in Metern

angegeben und der Ortslage Rechnung getragen.

Von den „Denkwürdigkeiten aus dem Leben des des Verfassers von „12 Jahre deutscher

olitik“ (Leipzig. Verlag der Renger’s{en Buchhandlung, Gebhard

und Wilisch), it soeben die zweite Lieferung erschienen, welche die Zeit von 1848 bis zu der Thätigkeit des Herrn von Bismarck als Ge- sandten am Bundestage umfaßt, Wir werden nah Vollendung des Werkes noch einmal darauf zurückommen.

Terminen richtig zur Reichskasse eingezahlt sind.

mit möglichst großer Majorität angenommen werden wird.

alle Veränderungen der Taktik u. st. w. sind {ließli auf die

Armee laufende Anciennetätsliste der Generalität und der Stabs- |

von 1849, der jüngste General-Lieutenant (Preußen) Lieutenant von 1857, |

_In Sachsen und Württemberg sind die | Lieutenants von 1863 {hon sämmtlich Oberst-Lieutenants, in Bayern | 3 Unter den Hauptleuten | befinden sich in Preußen noch 14 mit einem Lieutenantspatente von | 1865, während in Bayern, Sachsen und Württemberg die S s, j; ayerishen !

noch 17 Second-Lieutenants von 1879, während in Sachsen der |

ferner ein Verzeichniß der Standorte sämmtlicher Truppentheile der *

zur UVebersiht des Quartierstandes und der Landwehr-Inspektions- |

roth: und weißen Monden die verschiedenen Bataillone Infanterie, *

Zweite Beilage

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlih Preußischen Staats-Anzeiger.

„2 10S,

Berlin, Freitag den 16. Mai

1890.

L

Parlamentarische Nachrichten.

Schlußbericht der vorgefirigen (59.) Sißung des Hauses der Abgeordneten. Zur ersten Verathung stehi der Antrag des Abg. Graf (Hohenzollern) auf Annahme eines Geseg-

s entwurfs, betreffend die Entschädigung für am Milz-

brand gefallene Thiere in den Hohenzollernschen Fürsten-

thümern. i ; v Der Aniragsteller Abg. Graf (Hohenzollern) führt in seiner Begründung aus, daß der Gesegentwurf ledigli eine

Nachbildung des §. 22 des preußischen Geseßes über die Aus-

| führung des Reichs-Seuchengesezes vom 12. März 1881 sei

in seiner Anwendung auf an Milzbrand gefallene oder wegen

| dieser Krankheit getödtete Pferde oder Rinder.

Minister für Landwirthschaft 2c. Dr. Freiherr Lucius [llhausen: i 4 e Sai Der Milzbrand ift eine Krankheit, die verhältniß- mäßig nur örtlich beshränkt vorfommt in allen Provinzen der Mon- arie. Die Krankheit is cffenbar an örtliche Schädlichkeiten ge- bunden. In den Ortschaften, wo Milzbrand vorkommt, sind die Verluste wiederkebrend sehr bedeutend; die Zahl diefer Ortschaften, ie Zahl der getroffenen Viehftände aber ist eine geringe Diese Gesichtépunkte sind es wefentlih, welche die Königliche Staatsregierung bei der Reichs-Seuwengefetgebung sowohl wie bei der reußischen Seuchengesezgebung davon abgehalten haben, den Milzbrand unter diejenigen Krankheiten zu subsummiren , „für die _Zwangé- | versiherungsverbände gebildet sind. Es handelt si hier überhaupt nibt um eine Entschädigung, die der Staat als solher dem Vieh- besiger leisten würde, sondern es handelt fich um Bildung von Zwangsverbänden sämmtlicher Viehbesißer, die denjenigen shadlos Jalten sollen, welher von Seuchen betroffen wird. | Diesen Gesihtépunkt, daß verhältnißmäßig die Zahl der Ort- in denen sie vorkommen, eine beschränkte ift, glaube ih be- gründen zu müssen dur tie Mittheilung der ftatistiscen Uebersicht der lchten 10 Jahre über die konstatirten Milzbrandfälle. Danah “sind im Staat Preußen in den Jahren von 1884 bis 1889: 758 707 818 806 650 630 879 Gehöfte betroffen Ÿ worden. Die Zahl des Rindviehes, was an Milzbrand eckrankt und gestorben ist und das ist au cine Gigenthümlichkeit dicfer Kranfk- heit, daß sie fast immer tödtlih und schr rapide verläuft, gewöhnlich innerha b 24 Stunden, bäufig in noch kürzerer Zeit, sodaß der Fall,

der bei den anderen Seuchen vorkommt, daß auf polizeiliche An-

ordnung einmal der Charafter der Seuche festgestellt werden kann, und dann die pvolizeilihe Tödtung des Viehbestandes oder wenigstens des erkrankten und seuhenverdächtigen Viehes angeordnet werden kann,

nicht vorliegt und praktish unausführbar ist ih sage also: die Zahl

S der gefallcnen Stücke Rindvieh hat in dieser Zeit betragen: 11 027, S 1043, 1232,

885, 830, 1129 Stück per Jahr. Das repräsentirt E noch niht voll 1 Stück Vieh auf 10000; ein Beweis, Ÿ dak die Verbreitung dieser Krankheit keine sehr zahl- | reiche ift. Jch gebe dabei zu, daß die konstatirten Fälle keineswegs alle umfassen, die vorgekommen sind, weil der Viehbesißer in der Regel sehr verständiger Weise den Kadaver ciligst vernichtet, tief eingräbt, mit Säuren oder Kalk begießt und auf diese Weise die Quelle künftiger Ansteckung zuschüttet. Diese Zahl wird also wahr- \ceinlich thaisälich überstiegen, aber, ob in einem erheblichen Maße, das entzieht fich unserer Beurtheilung. N Diese Gesichtspunkte sind es gewesen, welhe dazu geführt haben, bei der Viehseuchengeseßgebung diese Krankheit niht mit einzubeziehen. Es handelt sich daher mehr um den Schuß der Majorität der Vieh- besißer gegen eine derartige pekuniäre Zumuthung, als wie um irgend ein Staatsinteresse, oder um fiskalisce Rücksichten. i Wenn nun diese Thatsachen auh fo liegen, so kann ih doch demgegenühver nit die Thatsache, die auch der Herr Vorredner an- geführt hat, in Abrede stellen, daß einzelne süddeutsch?: Staaten, in denen die Verhältnisse ähnlih liegen wie in Hohenzollern, geseßlich den Milzbrand mit zu den entshädiaungspflihtigen Seuchen gezogen haben, und daß auch dort niht der Staat, sondern der Verband der Viehbeßter eine Entschädigung leistet, In den süddeutschen Staaten, wo es sich um sehr diht bevölkerte Gegenden handelt, wo vielfach in den Gemeinden noch ein gemeinsamer Weidegang des Viehes statt- findet, wo die Veterinärbeamten leit erreihbar sind, liegen die Ver- hältnisse allerdings derartiz, daß die Durchführung eines solhen Gesepes weniger Schwierigkeiten bietet wie in den östlihenProvinzen der Monarchie, welche durchaus verschiedene Verhältnisse bieten. Mit Rücksicht auf den Umstand, daß das Land Hohenzollern von den Staaten Württemberg und Baden eingeschlossen ist, die diese Entschädigungspflicht in ihre Gesetzgebung aufgenommen haben, würde ih daher Namens der Köô- niglihen Staatsregierung keinen Anlaß haken, einem solchen Antrage, wie dem hier vorliegenden also örtlih beschränkt auf eine be- stimmte Provinz oder einen Regierungsbezirc entgegenzutreten. Es würde allerdings darin ein Präjudiz liegen für cine Ausdehnung dieser Form der Entschädigungspfliht auf ondere Provinzen, Falls deren Provinzialvertcetang entsprechende Anträge stellen würde. Thatsäcblich kann ih in dieser Beziehung konstatiren, daß von sämmtlihen Pro- vinzialverbänden und landwirthschaftlihen Vereinen bisher nur von dem Provinzialverband der Rheinprovinz wo ja ähnliche Verhältnisse obroalten: parzellirter Besiß, dichte Bevölkerung u. dgl, ein analoger ähnlicher Antrag an die Königliche Staatsregierung gekommen ist, um auch dort die Möglichkeit, eine Entschädigung für Milzbrand- seuhenfälle zu gewähren, einzuführen. Ich glaube, aus dieser That- fache ist zu schließen, daß von der Fakultät, die also hier für eine exklarirte Provinz von dem Umfange eines kleinen Regierungsbezirks gewährt wird, niht ohne Weiteres generelle Konsequenzen für andere Provinzen gezogen zu werden brauwen. In jedem Falle würde ich lauben, wenn die beiden Häuser des Landtags der Meinung find, daß für Hohenzollern dieser Gesezentwurf annehmbar ift, daß Seitens der Königlichen Staattregierung der Sache keine besondere Schwierigkeiten entgegengestellt werden. i Abg Friten (Borken) beantragt die Ausdehnung des Geseßes auf die ganze Monarchie. Fn der Rheinprovinz trete die Milzbrandkrankheit nicht sporadisch, sondern geradezu epidemisch auf; der rheinishe Provinzial-Landtag habe in diesem Sinne s{chon mehrere Male __resolvirt. Weshalb hätte man auch sonst diese Geseze in Württemberg, in Baoen, „in Elsaß-Lothringen gemacht ? Die Lungenseuche trete jeden- falls in der Rheinprovinz viel sporadischer auf, als der Milz- brand; gleihwohl bestehe für jene längst die Entschädigungs- pfliht. Aus allen Theilen des Hauses sei die Bitte an ihn gebraht worden, seinen Ausdehnungsantrag niht auf die Rheinprovinz zu beschränken, sondern ihn, auf den ganzen Staatsbereich zu erstrecken. E O Abg. von Jagow: Die konservative Partei wird für den Antrag Graf stimmen, dagegen muß sie Bedenken tragen, den Antrag Frißen schon heute anzunehmen, so sehr er der allgemeinen Stimmung innerhalb der Partei entgegenkommt. Wollte man dem Antrag näher treten, so würde eine Kom- missionsberathung unumgänglich sein, bei der Unsicherheit der Ge- schäfts!age aber sei die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß

dann aus der Sache in dieser Session nihts mehr werden würde. “Der hohenzollernshe Kommunal-Landtag habe si schon geäußert, die übrigen Provinzial-Landtage noch nicht.

Minister für Landwirthschaft 2c. Dr. Freiherr Lucius von Ballhausen:

Meine Herren, ich habe mich über den Antrag Fritßzen vorher niht geäußert, weil er erst zur zweiten Lesung gestellt war ; nachdem er aber bereits diskutirt und begründet worden ‘ist, glaube ich, im Anschluß an die lettgehörten Aeußerungen, meine vorherigen Aus- führungen no ergänzen zu müssen. E j

Die Versicherungspfliht für die anderen Seuchen ist keine kom- munale Pflicht, sondern der Provinzial-Kommunalverktand ist bloß der administrative Träger dieser Versicherung, und der Versicherer und die Versicherten sind eben lediglich die Rindviehbesizer. Insofern ift auch jeßt {hon der Provinzialverband nicht derjenige, wie bereits au8ge- führt, der die Sadloshaltung leistet, sondern er zieht nur die Beträge ein von den Vicehbesißzern und vertheilt sie aa diejenigen Viehbesißer, die geschädigt worden sind dadur, daß auf polizcilihe Anordnung Thiere getödtet worden sind. Beziehungsweise ist Entschädigung auch zu leisten für Thiere, die in der Zwischenzeit zwishen der Anordnung der Tödtung und der Ausführung gefallen sind. Es ist also neu in dem vorliegenden Antrag, daß für Vieh, was an Krankheit gefallen ift, überhaupt eine Entschädigung und Schatloshaltung dem Besißer geleistet werden soll; das bitte ih festzuhalten. Es würde daher auch niht thunlih sein, daß ein Kreis-Kommunalverband sich zu einem Versicherungsverband als sfolcher als Kommunalsahe konstituirt, sondern ich würde nur glauben, daß innerhalb eines Kreises ih gerade so wie die Viehladen, die ja in der Rhein- provinz und in Süddeutschland in großer Ausdehnung existiren, ein freiwilliger Versiherungs8verband der Viehbbesißer bildet. Jn einer O Form halte ich das für den Kreis-Kommunalverband als solchen niht für zulässig. L E

Dann mötte ih noch einen Irrthum, zu dem i vielleiht Anlaß gegeben, aufklären Es sind über diese Frage niht sämmtliche Pro- vinzialverbände gehört worden, sondern ih habe gesagt: es sind bisher bloß Anträge von Seiten der Rheinprovinz gekommen und von Seiten

er Hobenzollern\chen Lande, die sich in der Richtung bewegt haben, wie hier der Antrag Graf. Ich würde daraus aber allerdings die Sclußfolgerung ziehen, daß bisher in dea übrigen Provinzen eine Neigung zur Ausdehnung der Versicherungspflicht nicht vorliegt, sondern eher das Gegentheil. Infofern scheint mir auch der Antrag des Hrn. Fritzen verfcüht und, wie mir scheint, selbst übercilt. Es würde die Annahme desfelben zur Folge haben, daß der Gesetzentwurf für die Hobenzollernshen Lande in dieser Session nicht zu Stande kommt. Das, glaube ih, würde der einzige prattische und unmittelbare Effekt sein. Er würde aber, meine ih, auch in anderer Richtung förderliher handeln, wenn er diesen Antrag jeßt zurück- ziehen wollte, um den Gesetzentwurf für die Hohenzollernschen Lande zu Stande kommen zu lassen. Denn das ist klar, wenn für einen Provinzialverband, wo allerdings homogenetre Verhältnisse, wie in den meisten östlihen Provinzen, der Gesetzentwurf eingeführt würde, fo würde die Konsequenz allerdings {wer abzulehnen sein für andere Provinzialverbände, welche ähnliche Geseße beantragen. Es würdt dann in der That \{chwierig sein und für die Königliche Staatsregierung au meines Erachtens gar kein Anlaß vorliegen, sich dagegen zu wehren, wenn in anderen Provinzen diesem Vorgange gefolgt wird.

Ich möte nur auf einen Punkt hinweisen, den ih vorher nicht näber ausgeführt hatte, daß nämli bei dem Milzbrand ganz befondere Verhältnisse auch infosern vorliegen, als es in hôöchstem Maße un- erwünscht ist, den Milzbrandkadaver längere Zeit _unverscharrt liegen zu lassen, um durch Herbeiführung eines Sachverständigen konstatiren zu lassen, daß der Todesfall Milzbrand gewesen ist. Gerade der Kadabver in allen seinen Theilen und die Ausflüsse find die Träger der Sporen, die si in unglaubli{ shneller Weise vermehren und die an dem Orte, wo ein Kadaver gelegen hat, haften, wie man annimmt, Iahre lang, viele Jahre lang. Es ist die Pasteur'she Theorie bekannt, der an- nimmt, daß selbst durch die Bewegung der Regenwürmer in dem Boden \chon diese Milzbrandsporen wieder zum Vorschein kommen können, an Pflanzen und Futter haften, was von dem vorübergehenden Vieh wieder aufgenommen wird, so daß sih dadurh \{chädliche In- tekftiontherde von fast unbegrenzter Dauer entwickeln können, Die Kehrieite der Sache liegt also für die nit so eng bevölkerten Pro- vinzen einmal darin, daß die Kadaver länger aufbewahrt werden, um den Seuchefall zu tonstatiren, fodann auch darin, daß jeder Fall einer plötzlichen Erkrankung und sch{nellen Todes eines Thieres von dem Betresfenden als Milzbrandfall liquidirt werden wird, daß also sehr wohl au hierin Täushungen vorkommen fönnen zu Ungunsten der übrigen Viehbesizer. Ich sage also, es liegen hier die Dinge pro- vinziell ayßerordentlid verschieden und das spricht für eine provinzielle Regelung, die in diesem Fall mehr angezeigt ist, wie bei irgend einer anderen Materie. | : j

Dennoch kann ich nur wiederholt dazu ratben, die heutige Dis- kussion auf den Antrag Graf zu beshränken und von der Ausdehnung auf andere Provinzen oder gar auf die ganze Monarwie abzusehen, denn einem solchen Beschlusse würden erheblihe Schwierigkeiten entgegenstehen.

Der Abg. Friten zieht hierauf seinen Antrag zurü.

Jn zweiter Lesung wird darauf der Antrag des Abg. Graf angenommen, desgleichen eine von den Abgg. von Jagow und von Eynern eingebrachte Resolution, in welcher die Staatsregierung aufgefordert wird, den Provinzial- verbänden die Frage der eventuellen Ausdehnung dieses Ge- seßes auf die gesammte Monarchie vorzulegen und dem Land- tage in der nächsten Session eine bezüglihe Vorlage zu Ves folgen Wahlprüfungen

s folgen Wahlprüfungen. L /

Die Wahlen der Abgg. von Nathusius und Kiepert (3. Posen), von Oerten, Gohlke undvonBorn-Fallois (2. Bromberg) werden ohne Debatte für gültig erklärt; die Wahl der Abgg. von Hergenhahn und Meßler beschließt das Haus zu beanstanden und eine Neihe von der Wahl- prüfungsfommissionbeantragter Erhebungen vornehmen zu lassen.

Die Beanstandung wird von der Wahlprüfungskommission auch bezüglih der Wahlen der Abgg. von Koerber und von Puttkamer (Gr. be D beantragt und Ermittelungen über einzelne Vorgänge bei diesen Wahlen gefordert.

Ueber diese Vorgänge entspinnt sih zwischen den Abgg. von Puttkamer (Plauth) und Rickert eine längere Dis- kussion. - : N Abg. Str uh beantragt, die Wahl des Abg. von Koerber für gültig zu reen und nur die Wahl des Abg. von Putt- kamer zu beanstanden.

Abg, Fritzen (Recs) ersuhte den Abg. von Puttkamer und den Abg. Riert, ihre Stzeitsache dort auszutragen, wohin sie gehöre, nämlih im Reichstage. Dem Antrage Struß könne er nicht tuen U vorgeschlagenen Erhebungen doch sämmtlich stattfinden müßten. ; i i

"Abe reiherr von Zedliß und Neukirch tritt für die Gültigkeit der Wahl des Hrn. von Koerber ein.

Ein Schlußantrag wird angenommen.

In persönlicher Bemerkung weist der Abg. Ricker t die während der Debatte von dem Abg von Puttkamer aufgestellte Behauptung zurück, daß er den Kaiser Friedrih für einen Freisinnigen Ses und erklärt habe. Er sei niemals dieses Glaubens gewesen. / d /

Abg. von Puttkamer (Plauth) : Die freisinnige Partei und also doch auch der Abg. RNickert hat fich 1888 an der Verbreitung den, Ms m Volke betheiligt, daß Kaiser

riedrich Einer der hren jet. i F Aba. Rickert: SUAR bleibt mir nichts Anderes übrig, als die Behauptung des Abg. von Puttkamer als eine bewußte Unwahrheit zu bezeichnen. i / rider N F duter ruft den Abg. Rickert wegen dieser Aeußerung zur. Oxdnung. :

A Puttkamer (Plauth): Daß der Abg. Riert das persönlih nicht gethan hat, bezweifle ih niht. Aber die ganze Haltung seiner Partei und seiner Presse damals beweist, daß ih Recht habe. i i: : L

Der Antrag Struß wird verworfen, die Kommisfions- anträge gelangen mit großer Mehrheit zur Annahme.

(Schluß 41/5 Uhr.) .

Jn der vorgestrigen Sißung des Hauses der Ab- geordneten bemerkte bei der Berathung des Geseß- entwurfs, betreffend die Abänderung einiger Be- stimmungen wegen der Nee R Stadtverordneten, der Minister des Fnnern Herrfurth:

Meine Seiteit Ah den Artikel IT. ift auf Antrag des Hrn. Abg. Zelle die Bestimmung aufgenommen worden, daß die Vorschrift des Artikels I. auch Anwendung finden folle auf diejenigen Städteordnungen und Gemeindeverfassungsgeseße, welche gleihlautende Bedingungen wie die Städteordnung vom Jahre 1853 enthalten. Jedoch ist in Betreff der §8 13 und 20 der Städteordnung für die Rheinprovinz eine Maßgabe hinzugefügt, welche dajin lautet: :

Diese Bestimmungen werden abgeändert, mit der Maßgabe, daß in der Rheinprovinz an die Stelle des Magistrats der Bürger- meister tritt. : L : i :

Nan enthält die Städteordnung für die Rheinprovinz die Be- stimmung, daß unter gewissen Kautelen an Stelle der BVürger- meisterverfassung die Magistratsverfassung eingeführt werden kann, und der §, 74 der Rheinishen Städteordnung bestimmt, daß alsdann in einer Reihe von Fällen die Befugnisse, die der Bürgermeister nah dieser Städteordnung hat, auf den Magistrat übergeht. Darunter sind au genannt die §§. 13 bis 20. Ich glaube deshalb annehmen zu sollen möwte allerdings aber au gern Seitens des Herrn Antragstellers das Einverständniß hiermit konstatirt sehen, daß, wenn nun in einer Stadt der Rheinprovinz, wo nach Maßgabe des Artikels IT. an Stelle des Magistrats der Bürgermeister treten soll, von der Befugniß der Einführung der Magistratsverfassung Gebrauch gemacht wird, dann wieder ex lege an Stelle des Bürgermeisters der Magistrat eintritt.

Bei der Berathung des Antrages der Abgg. Lassen und Johannsen, betreffend die Wiederaufnahme Eee Angehöriger des Herzogthums Schleswig in den preußischen Unterthanenverband, erklärte der Minister des Jnnern

errfurth: : : 9 n Hs den der Abg. Lassen im Verein mit dem Abg. Fohannsea gesteüt und den er soeben in einer mir leider größtentheils unverständlih gebliebencn langen Ausführung erläutert hat, ift nicht gerade ganz neu. Denm er ist fast wüörtlich gleih- lautend bercits in der vorigen Session gestellt worden, damals aber nicht zur Diskussion gelangt. Und das war eigent- lich für diefen Antrag recht günstig, denn dîe gründliche Prüfung, welche der Abg. Lassen für diesen Antrag verlangt, kann derselbe absolut nicht vertragen, Der Antrag enthält wenig Neues, Gutes enthält er aber überhaupt nicht. Was an dem Antrage neu ist, das ist das Wort „bedingungslos.“ Es ist das Glanzliht, was die Herren ihrem Antrage aufgesett haben, indem fe fordern, daß jedem der dänishen Optanten, Jedem, der vor 1878 aus Nordschleswig nah Dänemark ausgewandert ift, auf seinen Antrag bedingungslos die Naturalisation ertheilt werden foll. e

Meine Herren, das ist ein Glanzlicht, welhes die Unzulässigkeit dieses Antrages noh viel \{chärfer hervortreten läßt, Es ist wirkli eine etwas eigenthümliche Zumuthung, welche die Herren Antragsteller und Diejenigen, welhe den Antrag unterstüßt haben, an die Königliche Staatsregierung stellen. Sie verlangen von ihr, daß fie an die Regierung in Schleswig nebenbei gesagt eine falsche Adresse, denn die Ertheilung der Naturalisationen gehört niht zur Kompetenz der Regierung, fondern des Regierungs-Präfidenten eine Anweisung rihten foll, welche niht etwa nur mit den maßgebenden Verwaltungsgrundsäßen, sondern au mit klaren Bestimmuagen der in rechtliher Giltigkeit bestehenden Gesetze in direktestem Widerspruch stehen würde. A! L /

Meine Herren, na dem Reicbsindigenatsgeseß hat kein Aus- länder ein Recht auf Naturalisation. Die Frage, ob die Ehre und der Vortheil einer Aufnahme in den Staats- verband, einer Verleihung der Staatsangehörigkeit und damit einer Verleihung der Reichsangehörigkeit einem Ausländer zu Theil werden sollen, liegt in dem Ermessen der höheren Verwaltungsbehörden. Das Geseh bestimmt aber gewisse Fälle, in denen sie von dieser Ermäch- tigung nicht Gebrauh machen darf, in welchen die Aufnahme in den Unterthanenverband geradezu untersagt wird. Der §8. 8 des Indigenatsgeseßes untersagt die Ertheilung der Naturalisation an Personen, welhe niht dispositionsfähig sind, an Personen, welche bescholten sind, an Personen, welche {ih kein Unterkommen zu verschaffen vermögen oder welche sih und ihre Angehörigen niht zu ernähren vermögen. Ueber die beiden leßteren Fragen soll die betreffende Gemeinde oder der Ortsverband gehört werden. / di s

Urd in direktestem Widerspruch mit diesen reih8geseßlihen Bestimmungen verlangen die Herren Antragsteller, daß ohne Rücksich: auf die Erklärung der Gemeinde, ohne Rücksiht, ob Jemand be- \cholten sei, ob er dispositionsfähig sei oder niht, sofern er nur zu diesen Optanten gchört, sofern er nur vor 1878 ausgewandert ist daß ihm die Naturalisation ertheilt werden müsse!

Meine Herren, nun kommt noch ein zweiter Punkt hinzu ; die Antragsteller verlangen, daß alle militär- pflihtigen Naturalisirten den Altersklafsen gleichzustellen seien,

denen sie angehören, und dies steht wiederum in direktestem Wider- spruch vi Bd 8. 11 des Reichs-Militärgeseßes Und dem S. 21 der Wehrordnung und ist für die innere Bedeutung dieses Antrages sehr bezeihnend. Denn gerade von Denjenigen, welche vor 1878 aus- gewandert sind, ist ein großer Theil nur aus dem Grunde aus- gewandert, um si der Militärpfliht zu entziehen, und jeßt stellen die Herren den Antrag, diesen- Personen eine Prämie dafür zu er- theilen, daß sie sich der Militärpflicht entzogen haben.

Der Antrag ist, so wie er gestellt ist, absolut unzulässig, denn