1890 / 123 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 22 May 1890 18:00:01 GMT) scan diff

der Hand, daß das bisherige Zahlenverhältniß

Sc@ülern niht mehr aufrecht erhalten werden kann. Paßt dieser Ver«

gleich au nit ganz, so paßt er doŸ jedenfalls darin, daß dir unterste Klasse dicser Schule, d. b. die Rekrutenzahl sih mit einem Sélage um 50% vermehren würde, und daß- dieser Um- ftand eine sofortige Erhöhung des Etats an Offizicren und Unteroffizieren bedingen müßte, und zwar nicht, wie wir dies als dringend nöthig nachweisea könnten, Behufs Stärkung des Heeres, sondern lediglid, um nothdürftig die bisherige Ausbildungéfähigkeit zu erhalten. Aber nicht nur, daß das Lehrerpersonal an und für si unzureiGend würde, es würde uns gleizeitig der Jahrgang ge- nommen, aus weldem wir für die erste Rekrutenausbildung einen großen Theil des Lebrerpersonals zur Zeit beziehen. Jch möthte hierbei gleih auf die Schwierigkeit hinweisen, die für den Unteroffizier- ersaßz entstehen würde, und möchte wobl wünschen, daß Sie Umfrage balten könnten bei unferen vielgeplagten Compagnie-Chefs, zu deren nicht geringster Sorge diejenige gehört für die Ergänzung ibres Unter- offiziercorps. Meine Herren, es liegt in der Natur der Dinge, daß der Hauptmann sich vorzugsweise seine Unteroffiziere aus den Leuten ausfut, die er näher kennen gelernt bat, und daß somit das Be- ginnen dieser Auswahl und das allmählihe Beginnen der Erziehung für diese Charge sich vornehmlih auf die Mannschaften des dritten Jahrgangs erstreckt. VBeseitigen Sie diefen Jahrgang, fo beseitigen Sie damit die natürlichfte und beste Gelegenheit für die Ausbildung des Unteroffiziercorps. :

Die etatsmäßige Vermehrung, deren wir, wie vorhin bemerkt, soglei bedürfen würden, würde si b-i mäßigen Ansprüchen belaufen bei den Truppen niedrigen Etats auf einen Offizier per Compagnie, d. h, bei 318 Bataillonen auf je vier Second-Lieutenants, was unter Berücksichtigung aller in Frage kommenden Etatstitel eine jährliche Ausgabe von 1 956 458 M repräsentiren würde. Beziffern wir den Methrbedarf der Unteroffiziere bei allen Bataillonen auf je 20, fo würde dies die Summe von jährli 5 639 100 4 darstellen. Meine Herren, wenn Sie au vor einer Bewilligung dieser Summe nicht ¿urücks{@recken würden, so würden Sie do zurückschrecken müssen vor der Unmöalichkeit, diefe Chargen ohne Weiteres und auf cinen Swlag, wie es doch nöthig wäre, überhaupt zu beschaffen. Gegenüber den zur Zeit bestehenden Offiziers vafanzen, mit welden wir re{nen müssen, und welche wir durch eine theilweise Einstellung von Vize-Feldwebeln au8zunutzen versu(en, liegt es doch auf der Hand, daß auf eine derartige Verstärkung, welHe nicht dur Geldmittel zu erzwingen ift, wenn überhaupt, fo dot nur ganz allmählich zu rechnen ist, Meine Herren, diese Fragen sind ja aub wohl {on in früheren Sitzungen Ihrerseits erörtert worden, und darf i bierbei vielleicht anknüpfen an eine Erklärung des Hrn, Abg. Dr. Windthorst in der Plenarsitzung vom 4. Dezember 1886, welcher bei einer ganz äbnlihen Veranlassung bemerkte: „Unter keinen Umständen wünsche i, daß an dem jeßigen Stande der Armee dur eine plöße- lihe Einführung der zweijährigen Dienstzeit etwas geändert würde, E die Armee, wie sie is, will ih voll und ganz und stark er-

alten.“

Der zweite Faktor, den wir in diese Nebnung einzustellen bâtten, wäre das Fortfallen der jährlihen einmonatliden Rekruten- vakanz, denn wenn wic die Dienstzeit bes{chränken auf eine ¿weijährige, fo müßten wir naturgemäß auf den Fortfall dieser Rekrutenvakanz bestehen, was si, in Gelde ausgedrückt, auf eine jährliße Summe von 2251510 Æ belaufen würde.

Der wichtigste Ausbildungszweig ist, nächst der Erziehung zur Diszi- plin, bei der Infanterie die Schießausbildung. Drängen wir dieselbe von drei auf zwei Jahre zusammen, so müßten wir do darauf bestehen, um diese Ausbildung nicht leiden zu lassen, daß die Patronenzahl, welche jeßt in drei Jahren verschossen werden muß, alsdann in zwei Jahren zu vershicßen wäre, was eine Erhöhung der Vebungêmunition um le oder cine jährlihe Mehrausgabe von 4036 991 46 bedeuten würde.

Aus gleichen Grünten würde cine Verlängerung, beziehungêweise theilweise Wiederbolung der Herbstübungen nit zu cntbebren fein, denn, meine Herren, wir müssen den allergrößten Werth darauf legen, daß die Ausbildung des einzelnen Mannes wie die der Truppentheile hierbei nit verkürzt werde. Laffen si auch die Kosten einer derartigen Maßnabme insofern besonders \chwer veransch!lagen, als die Herbstübungen naturgemäß auf die Zeit nah der Ernte fallen und fomit bei einèr Verlängerung derselben die Schädigung der Kulturen erheblich ins Gewihht fallen müßte, so ist, um bier wenig- stens einen Minimalsaß zu konstruiren, ein Zuschlag von 25 %% der jeßigen Kosten mit einem jährlihen Betrage von 1750000 M angeseßt.

UVeberaus dringend würde in den Bordergrund das Bedürfniß treten der Bermehrung der Uebungen des Beurlaubtenstandes, Doch möchten wir die hierfür erforderlich werdenden Summen nit voll in dieses Exempel einseßen, da wir ohnehin in Bâälde genötbigt fein werden, eine Erhöhung der Mittel für diese Uebungen von Ihnen zu begehren.

…_ Verhältnißmäßig geringer würden \sich die Mehrkosten gestalten für die Mebhreinziehung und Mehrentlassung, und eine Mehrbewegung von etwa 26 200 Mann, der Mann zu 10 4 gerechnet, glei 262 000 jährli.

Bemerktt sei bei dieser Gelegenbeit die immerhin interessante Thatsache, daß von den gefeßlich zuläsfigen Uebungen des Beurlaubten- standes, d. h. den Reserve- und Landwehrübungen, thatsächli% nur etwa ein Sicbentel mit den im Etat bicrfür aus8geworfenen Mitteln ausgeführt werden kann. Segen wir als Mindestbedarf für die vorliegende Brage nur cine Verdoppelung der jeßigen Mittel ein, fo bedeutet dies ein Plus von jährli 3935 000 e __ Vorbebaltlich eines error in calculo und vorbehaltlich dieses oder jenes vergessezen Postens würde dies an laufenden Mehrausgaben eine Summe von jährlich 19 831 957 M6 ergeben.

__ Wie immer, meine Herrren, würde auch hier das dite Ende der einmaligen Ausgaben nit ausbleiben, denn es liegt auf der Hand, daß, wenn wir unjere Ausbildung im Verhältniß von 3 auf 2 zus sammendrängen müssen, au zahlreiche äußere Einrichtungen, welche un- mittelbar „mit der Ausbildung zusammenhängen, dicfem zu folgen hâtten. Wir hätten ciwa für jedes Bataillon cinen Schicßstand mehr als zur Zeit zu beanspruchen, wir hätten zu beanspruchen eine Ver- größerung beziehungêweise Vermehrung der Uebungépläze, welche alsdann aber au, um die Zeit ausfkaufen zu können, nicht wie bisher eine Meile und darüber von der Garnison liegen dürften; a, wir würden kaum darum kommen, zur Erzielung der Di ; ziplin, welche sich bekanntlih nit auf die Stunden des äußeren Dienstes beschränken darf, eine grundsäßlihe Kasernirung aller Manu- schaften zu verlangen.

Meine Herren, diese

i : cinmaligen Ausgaben gemäß außerordentlich / h les

schwer zu berechnen, da f ¡ehi fchwer voraus zu bestimmen sind, Ae Grm E gelegten Daten dürsten sie siv auf 110 Millionen be- laufen, was niht ausfchlicht, daß Sie se auch vielleiht auf 150 Millionen berehnen könnten, und diese Steigerung des Militär- budgets, meine Herren, würde, wie ih hier wiederholen muß, ein- treten müssen, niht etwa, um damit die Wehrkraft des Reichs zu stärken, sondern um einen Zustand zu \{chafen, der wir möôgen die Sachen wenden und drehen doch immerhin eine Schwächung der- p bedeutete.

enn wir nun zu den rein militärisGen Gesi têpunkten über- geben, fo steht es doch wohl von vornherein außer h ate dreijährige Ausbildung gründlicher i als cine zweijährige. Vor Allem aver möchte ih mir hier die Frage erlauben, meine Herren, wie fommen wir überheupt zu der merkwürdigen Illusion, daß unser deutscher Durchsnittsrekrut, um daëfelbe zu leisten, was unsere Nachbarn leisten, nur zweier Jahre der Ausbildung bedürfen soll, wäh- rend unsere Nachbarn drei beziehungéweise fünf Jahre hierfür in Anspru nehmen. Noch zu keiner Zeit is bestritten worden, daß die natür- lie Begabung des Franzosen seine Ausbildung für das Kriegs- handwerk begünstigt, ebenso wenig daß der Nufse ganz außerordentli wichtige uad günstige Vorbedingungen für den Soldatenstand mit- bringt, als da ift: große Bedürfnißlosigkeit, sehr leicht herzu

natur-

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von Lehrern zu ] stellende Sukbordination und, wie aus vielerlei Berichten Üübereinflim-

mend bervorgebt, eine ganz ungewöhnlihe Begabung zur Schießfertig- keit. Allem dem gegenüber wird nun von uns ohne jede militäris{ salihe Begründung in dieser Richtung verlangt beziehungsweise erwartet, daß wir unsere Ausbildurg, die doch ih wiederhole es der unserer Nachbarn nidt na&stehen darf, bei allen Eingestellten in zwei Jahren vollziehen. :

Daß der Fortfall der Dispositionéurlauber eine natürliche Kon- fequenz der geseßlih zweijährigen Dienstzeit wäre, glaube ih {on er- wähnt zu haben, und ich möchte hier nur noch des damit verbundenen Nachtheils gedenken, daß wir alsdann außer Stande wären, alle na dem 1, Februar eintretenden Vakanzen zu decken, welhe, wie ih Ihnen aus dem Beispiele des Jahres 1884 nahgewiesen habe, sich auf rund 5000 Mann bei der Infanterie und den Jägern jährli beziffern.

Wie verhält es sich nun aber, tmeine Herren, mit dem Arbeitspensum? Halten Sie dasfelbe wirklich für. ermäßigt ? Man hält uns lobend vor, daß wir in gewissen Dienst- vorshriften erfolgreiG Vereinfahungen in gewissen militä- rischen Ausbildungszweigen beziehungêweise Formen erzielt haben. Meine Herren, ih kann hier die bündigste Versicherung abgeben, daß es feinem von den Männern, welche an diesen Dienstvorscbriften ge- arbeitet haben, auch nur in den Sinn gekommen ist, hiermit einer zweijährigen Dienstzeit vorzuarbeiten. Nein, meine Herren, wenn Vereinfachungen eingetreten sind, so ist dies geshehen, um die Möglichkeit zu schaffen, den auf anderen Gebieten ceinge- tretenen gesteigerten Anforderungen, in erster Linie denen einer gründliheren Einzclausbildung für das Gefecht genügen zu können. Meine Herren, wir drücken mit der einen Hand in diesem Augenblick der Armee cine Präzisionswaffe erster Klasse in die Hand, eine Waffe, die allerdings ers zur Geltung kommt in der Hand eines für das Gefeht ausgebildeten Schügen. Meine Hecren, beißt es nit, die großen Opfer, welche wir für diese Bewaffnung gebracht haben, geradezu in Frage stellen, wenn wir mit der anderen Hand die Möglichkeit beseitigen oder wenigstens außerordentli ers{weren, des Mann für diese Waffe auszubilden. Es ist eine gefährlihe Täus{ung, den Mann, der im ersten Jahre seine Schießbedingungen erfüllt hat, nun als einen für das Gefet aus8gebildeten Shüten anzusehen. Nein, meine Herren. eine oberflählihe Dressur ist zu allen Zeiten das arößte ÜUnglück der Truppe gewesen. Wir können keine Talmi-Ausbildung ver- tragen, wir müssen den Mann erziehen für die Stunde der Ge- fahr, für die Selbständigkeit, die uns in der Sthlacht niht im Stiche läßt, wo die Führer an vielen Stellen bald fehlen werden, für die Zukunfts\chlackt, die den wohltkätigen Schleier des Pulverdampfes niht mebr kennt und welche Nerven erfordert, die zu \täblen es ein einziges Mittel giebt, das ift die Gewöhnung zur Manneszucht, und diese (3ewöhnung kostet Zeit.

Wieviel Zeit geht uns aber ohnehin für die eigentliche Fachausbildung_ verloren? Bezügliß der zahlreichen Abkomman- dirungen, der Stellung von Arbeitern, Burschen, Ordonnanzen find wir ja, wie Sie wissen und wte wir dies dur Anforderungen im Etat nachgewiesen haben, ständig auf das Eifrigste auf Einschränkungen bedacht, aber, meine Herren, es exübrigen immer noch eine solche Masse von unvermeidlihen Kommandos, fei es zu den bezeihneten Zween, sei es zu Spezialausbildungen, daß ein gut Theil der Dienstzeit hier- durch in Anspruch genommen wird.

Ich darf beispielsweise erwähnen, daß wir bei einer Mobilma@ung fofort einen Bedarf von 1700 auz3gebildeten Tele- graphisten zu decken haben, welche sih sofort an ihren Apparat zu be- geben und denselben zu bedienen haben. Ja, meine Herren, wie follen diese und ähnliche Sonderzweige unserer Ausbildung anders gedeckt werden, als kaß wir die betreffenden Mannschaften Monate lang hierzu und zu demnähstigen Wiederholungskursen verwenden. Alle diese Abkommandirungen deken wir jeßt nah Möglichkeit aus dem dritten Jahrgange. Wird uns diefer genommen, so müßten wir in den zweiten Jahrgang hinübergreifen, und die Truppe würde ih aus dem Rest dicses zweiten Jahrganges und Rekrutcn zusammenseßen.

Die Rückwirkung hiervon, namentlich in Beziehung auf das un- zureihende Offizier- und Unteroffizierpersonal, würde nit ausbleiben, sie würde sich {on bei der ersten Nekrutenausbildung bemerkbar machen, von Jahrgang auf Jahrgang vererben und alle die traurigen Erfahrungen in dicser Beziehung si wiederholen lassen, die, wie ih im Eingang meiner Ausführungen bemerkt habe, wir ja bereits mit derartigen Experimenten gemaht haben.

Wir brauchen. meine Herren, einen Stamm alter Soldaten : im Frieden für die Erziehung der jüngeren Kameraden, im Kriege als Kern für den anschließenden Beurlaubtenstand. An eine Truppe von nur zwei Jahren einen Beurlaubtenstand von vier bis fünf Jahren anf{ließen wollen, käme fast einer Desorganisation glei. Wie sähe aber bereits im Frieden ein Bataillon von rund 600 Köpfen bei zweijähriger Dienstzeit in seiner Ausrückestärke in gewissen Zeiten aus ?

Nehmen wir beispielsweise dea 1. Dezember, es braucht ja nit immer der 1, Mai zu sein. Zunächst fallen aus 300 Re- kruten, dann rund 60 Mann Lehrpersonal und \chließlickch, mäßig berechtigt, 60 Kommandirte, Kranke u. \. w., bleiben netto 180 Mann. Meine Herren, das ist eine Ausrücckestärke, mit der wir niht rechnen möchten. Die Mischung von drei Iahr- gângen hat sich im Frieden und in drei Feldzügen glänzend bewährt. Mit dem System der Diépositionéurlauber find wir an die zur Zeit militärisch zulässige Grenze getreten, um uns noch die gründliche Einzelausbildung, dieses Fundament jeder ge» sunden Heereseinrihtung, zu sihern. Diese Grenze überschreiten, hieße nit nur die Vortheile diescs Systems verlieren, sondern diese Vor- theile in ihr Gegentheil verkehren.

__ Nun, meine Herren, zu der Idee der zweieinhalbjährigen Dienst- zeit, das heißt der sechsmonatlichea Rekrutenvakanz. Zugegeben, daß ein Theil der geschilderten Nachtheile fortfiele, indem drei Iahrgänge verblieben und damit die Unteroffizierfrage niht mehr in voller Schärfe entstünde. Wir würden aber dadurch neue Uebelstände in den Kauf nebmen müssen,

_ Die Hâlfte des Jahres hindur einen vollen Jahrgang entbehren, heißt nichts Anderes, als während der Hälfte des Ncbungsjahres auf die Ausbildung der Truppentheile als solcher verzichten, denn Compagnien und Bataillone von rur ¡weidrittel ihrer jeßigen Friedens\tärke sind füglid nicht mehr als Truppentheile auszubilden. Hier etwa die Ausbülfe suchen, daß man mebrere Einheiten zusammenlegte, hieße wiederum auf die Ausbildung der Führer und Chargeu verzihten, wäre in leinen Garnisonen ohnehin unmöglich. Vor Allem, meine Herren, verlören wir aber den jeßigen systematischen Ausbildungs- gang, welcher si aus dem Einzelnen in das Ganze, aus dem Leichten in das Schwere entwickelt, Die Einstellung im November gewährt uns die Möglichkeit einer Einzelausbildung in einer Jahreszeit, welche zur Ausbildung der Truppentheile ohnehin ungünstig ift, und der systematishe Aufbau der weiteren Ausbildung bis zum Manöver gewährleistet uns, daß der Nekrut in diesen Höhepunkt des Ausbildungsjahres mit der nöthigen Vorbereitung eintritt; ihn am 1, April einstellen, im August aber bereits ins Manöver nehmen, würde mehr einer Verbildung als einer Ausbildung gleihkomtnen

Vor Allem aber, meine Herren, würde mit einer Ein- stellung am 1. April die Ausrückfähigkeit und damit die Mobilmachung ein haibes Jahr lang alljährlih kompromittirt. Wir würden drei Monate länger als jeßt genöthigt sein, die mobile Truppe ungünstiger zusammen zu seßen, d. h. einen älteren Jahr- gang mehr für die Linie einzuziehen, wir würden damit die Trans- porte vermehren und die Mobilmachung verlangsamen, und das Alles in einer Zeit, wo wir die Mobilmachung niht nach Tagen, sondern na Stunden aufbauen, und wo wir in keiner Weise mehr darauf renen können, unsere Gegner darh Schnelligkeit in dieser Beziehung

zu überflügeln.

Meine Herren, zum S{luß noch den Versu, einen Irr- thum zu bekämpfen, welchen ih als ein Swesterkind “der Idee der zweijährigen Dienstzeit bezeihnen möhte; es ist die Illusion, daß wir durch eine gewisse militärische Vorbildung auf den Schulen eine Verkürzung der Dienstzeit erzielen können. Wir

hegen allen Respekt vor jeder Uebung, die sich auf körper-

liche Gewandtheit, auf \traffe militäris&ße Form, Haltung in Reih? und Glied, Gewöhnung an Kommando und Gehorsam bezieht, und Sie werden {chwerlich eine Bejörde finden, welchbe derartigen Bestrebungen auf unseren Schulen sympathischer gegenüberftebt, als die Militärverwaltung. Aber, meine Herren, als Ersatz für das Pensum, welhes wir in unserer großen Volksschule, d. h. in der Ae, bewältigen müssen, können uns derartige Vorkenntnisse nicht gelten.

Ich resumire mich dabin, daß die Anforderungen an die Einzelausbildung des Infanteristen gesteigect sind, daß: die Vortheile, die eine geseßlihe Verkürzung der Dienstzeit zur Folge hätte, in keinem Verhältniß zu den militärishen Nachtheilen \tchen, daß wir somit nach gewissenhafter Prüfung und Ueberzeugung zur Zeit eine Verkürzung dur die geseßliche Einführung einer zwei- oder zwei- einhalbjährigen Dienstzeit bei der Infanterie für unzulässig erahten.

Sollten si die Zeiten ändern und die Verhältnisse erlauben, diesem Gedanken näher zu treten, wozu ja in erster Linie eine außer- ordentlihe Verstärkung des Offizier- und Unteroffizier-Corps gehören würde, fo zweifeln Sie nit an unserer Initiative! Dann werden wir es fein, welche die materiellen Opfer für eine Verkürzung ter Dienstzeit von Ihnen fordern.

Auf Allerhöchsten Befehl nimmt die Parade in Pots- dam am Sonnabend, den 24. Mai, Vormittags um 9 Uhr, ihren Anfang.

Zur Vereinfahung des Geschäftsganges und Sicherung der Kontrole über die aus dem Fonds Kap. 96 Tit. 6 des Etats an Unterstüßungen und Remunerationen aus den einzelnen Regierungs - Hauptkassen gezahlten Summen hat der Minister des Jnnern beschlossen, die seither dur

ermittelung der Ober - Präsidenten zur Verfügung gestellten Beträge zur Gewährung von Beihülfen an Unterbeamte der Strafanstalts - Verwaltung fortan den Königlichen Regierungs-Präsidenten direkt zu überweisen.

Zur Beseitigung von Zweifeln darüber, ob die nah 8. 4,

Ziffer 2 der Bekanntmahung vom 5. Juli 1889, betreffend die Prüfung der Zahnärzte, Behufs Zulassung zur Prüfung nachzuweisende mindestens einjährige praktishe Thätigkeit bei einer zahnärztlichen höheren Lehranstalt oder einem approbirten Zahnarzte auch innerhalb des nah Ziffer 3 erforderlihen zahnärztlihen Studiums von mindestens vier Halbjahren auf einer deutschen Universität ausgeübt werden darf, hat der Bundesrath sich dahin ausgesprochen, daß diese praktische Thätigkeit außerhalb der vorgeschriebenen Studienzeit statt- finden muß.

Der Königliche Gesandte von Derenthall ist von dem ihm Allerhöchst bewilligten kurzen Urlaub nah Weimar zurück- gekehrt und hat die Geschäfte der Gesandtschaft wieder über- nommen.

Der General der Jnfanterie von Fransecky, Chef des Jnfanterie - Regiments Prinz Moriz von Anhalt - Dessau (5. Pommerschen) Nr. 42 und à la suite des Jnfanterie-

Regiments Fürst Leopold von Anhalt-Dessau (1. Magde- -

burgischen) Nr. 26, ist nach einer Meldung des „W. T, B.“ gestern Abend in Wiesbaden gestorben.

Der Königlih bayerishe Bevollmächtigte zum Bundes- rath, Ober-Regierungs-Rath Landmann ist hier eingetroffen.

Der Regierungs - Assessor von Lucke zu Münster is an die e Regierung zu Gumbinnen und der Negierungs- Assessor Behrnauer zu Gumbinnen an die Königliche Re- gierung zu Posen verseßt worden.

Der neuernannte Regierungs-Assessor Dr. jur, Scheibel ist der Königlichen Negierung zu Arnsberg überwiesen worden.

S. M. Kreuzer-Korvette „S ophi e“, Kommandant Kor- vetten-Kapitän Herbing, ist am 20. Mai in Amoy ein- getroffen und beabsichtigt, am 23. Mai die Keise fortzuseßen.

Vaden.

Karlsruhe, 20. Mai. (Karlsr. ?tg.) Se, Königliche

Hoheit der Großherzog verließ gestern früh 3t Uhr Karls- ruhe, um die neu zum XIV. Armee-Corps hinzugetretenen Truppen zu besichtigen. Jn Schlettstadt nahm der Groß- Bros gegen 61/, Uhr die Parade über das F U äger - Bataillon Nr. 8 unter Major Gissot ab, be- grüßte sodann das Offiziercorps der Jäger mit einer Ansprache und ließ sich die anwesenden Landwehr- und Reserve - Offiziere sowie den versammelten Kriegerverein vorstellen. Nach eingehender Besichtigung der Kaserne prjalate die Weiterfahrt nah Mülhausen. Daselbst hatten die Ba- taillone der 58. Jnfanterie-Brigade General-Major Girschner nämlich das Jnfanterie - Regiment Prinz Wilhelm unter Oberst Bene und das 1. und 3. Bataillon des 7, Badischen Zunfanterie-Regiments Nr. 142 unter Oberst Bérgemann auf dem Hofe der Kaiser Wilhelm-Kaserne Aufstellung genommen und erfolgte hier die Abnahme der Parade. Hierauf begrüßte der Großherzog die Offiziercorps der genannten Negi- menter, besichtigte die Kaserne und die anstoßenden Noth- quartiere des Regiments Nr. 142 sowie das Garnison- Lazareth. Nach einem kurzen Besuch bei Frau General Girshner nahm Se. Königliche Hoheit in den Kasinoräumen des neuen Badischen Regiments das Frühstück ein. Um 12% Uhr erfolgte die Weiterfahrt nah Colmar, woselbst auf dem Hose der neuen Kaserne die Besichtigung und Begrüßung der Jäger - Bataillone Nr. 4, 10 und 14, unter Oberst - Lieutenant von Alvensleben und von Brauchitsh beziehungsweise Major von Bonin, statt- fand. Se. Königlihe Hoheit nahm auch hier eingehend die Kaserne in Augenschein, besuhte hierauf noch Frau von Jordan, Gemahlin des Bezirks - Präsidenten von Ober- Elsaß, und fuhr sodann nah 4 Uhr nah Neubreisach. Hier hatte auf dem Exerzierplaß das 2. Bataillon des 7. Badischen FJnfanterie - Regiments Nr. 142 Aufstellung genommen und fand die Parade über dasselbe etwa um 9 Uhr stait. Nah der Begrüßung des Offiziercorps nahm Se. Königlihe Hoheit auch die Vorstellung der Unteroffizier-Vorschule und des Kriegervereins entgegen und besuhte in der Stadt die Jnfanterie-Kaserne. Um 6 v fuhr der Großherzog nah Le den weiter, wo Allerhöchst- derselbe von dem Erbgroßherzoglihen Paar am Bahn- hofe empfangen wurde und im Palais das Diner einnahm. Um . Mitternacht traf Se. Königlihe Hoheit wieder in Karlsruhe ein.

Jn der Zweiten Kammer stand heute der Geseß- entwurf, betreffend die Ergänzung der Gehalts- ordnung, zur Berathung. Die Budgetkommission bean- tragte, ven vorliegenden Geseßentwurf unverändert anzunehmen, welhem Antrage die Kammer einstimmig beitrat. Hierauf gelangte der Bericht der Budgetkommission über das Budget der Eisenbahn-Bauverwaltung zur Berathung. Die Gesammt - Ausgaben des Eisenbahn - Baubudgets mit 20 447 000 M. und die Gesammt:-Einnahmen mit 8 250 690 wurden bewilligt.

Mecklenburg-Schwerin.

Schwerin, 20. Mai. (Meckl, Nachr.) Se. Königliche Hoheit der Großherzog hat. dem in hiesiger Stadt zu- jammengetretenen Lokal Comité für Errichtung eines National- denkmals für den Fürsten Bismarck durch das Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten mittheilen lassen, daß er mit größter Freude bereit sei, an diesem Unternehmen des Patriotismus und der Dankbarkeit sich zu betheiligen, und mit einem Beitrage von 500 M an die Spitze des hiesigen Comités treten werde.

Oesterreich-Ungarn.

Wien, 21. Mai. (Wien. Abdpost.) Jhre Kaiserliche und Königliche Hoheit die Kronprinzessin Stephanie ist mit der Erzherzogin Elisabeth nah sechswöcentlichem Aufenthalt in Gries bei Boten gestern hier wieder cingetroffen.

Die außerordentliche Session des oberösterreihischen Landtages wurde gestern von dem Landeshauptmann Abt Achleuthner mit begeistert aufgenommenen Hochrufen auf Se. Majestät den Kaiser eröffnet. Nach der Konstituirung des Hauses nahm dasselbe den Antrag des Landesaus\chusses an, wonach aus Anlaß der Vermählung der Frau Erzherzogin Marie Valerie eine Landesstiftung gegründet werden foll. Hierauf erfolgte die Wahl des Ausschusses zur Berathung des Statuts der Landes-Hypothekenbank.

Der Feldzeugmeister Freiherr von Rodi, ehemals Statthalter von Dalmatien, ist, wie „W. T. B.“ meldet, gestorben.

Budapest, 21. Mai. (W. T. B.) Heute wurde im Unterhause die von der äußersten Linken eingebrachte Abänderung des Fnkolatsgesetzes berathen. Minister- Präsident Graf Szápáry führte aus, die Regierung stehe noch auf demselben Standpunkt, welchen der frühere Minister-Präsident von Tisza vor seinem Rütritt genau gekennzeihnet habe, daß nämlih seine Erklärungen in Betreff der Bestimmungen des Jnkolatsgeseßes nur für ihn allein, nit aber au für feine Minister-Kollegen bindend gewesen seien; Kossuth erkläre die ganze staatliche Lage, den ganzen Bestand für ungeseßlich und rectlos, die Legislative Nea doch nicht ihm zu Liebe eine besondere Verfügung treffen.

Das Unterhaus wird na dem „Prag. Abdbl.“ bis Anfang Juni tagen, um die Geseße über die Son ntagsruhe, das Schankregal und die Siße der Königlichen Gerichts- se zu erledigen.

Grofßbritanuien und ZFrland.

London, 21. Mai. (A. C.) Anläßlich der heutigen offiziellen Feier des Geburtstages der Königin veröffentlicht ein Extrablatt der „London Gazette“ eine lange Reihe von Ordensverleihungen und Standeserhöhungen. Die Generale Sir Lintorn Simmons und Sir Fred. Haines sind zu Feldmarschhällen ernannt. Lord Vivian, der britishe Ge- sandte in Brüssel, erhielt den St. Michaels- und Georgs- Orden 1. Klasse, Mr. Petre, der britishe Gesandte in Lissabon, Mr. Crowe, der Handels - Attahé der bri- tishen Botschaft in Paris, und Sir Albert Woods, der Wappen - König des Hosenband - Ordens, den St, Michaels- und Georgs - Orden II. Klasse. Mr. Calcraft, der ständige Sekretär des Handelsamts, empfing ‘den Bath- Orden IT. Klasse, während Mr. Macdonell, der britische Ver- treter in Kopenhagen, sowie Mr. Biliotti, der britische Konsul in Kreta und Mr. George Bullen, der frühere Hauptcustos der Bibliothek des Britishen Museums, mit demselben Orden IIT, Klasse bedaht wurden. Sir Henry Acland, Professor der Medizin an der Universität von Oxford, ist zum Baronet ernannt worden. : (

Jhre Königlichen Hoheiten der Prinz und die Prin- zessin Heinrich von Preußen kamen heute von Windsor nah dem Buckingham-Palast. Der Prinz wohnte darauf der Truppenparade sowie später dem anläßlich des Geburtstags der Königin bei dem Marine-Minister veranstalteten Galadiner und dem Empfange bei Lady Salisbury im Auswärtigen Amt bei,

Die Königin Fsabella von Spanien, welche, unter dem Namen einer Gräfin von Toledo reisend, vorgestern hier eingetroffen ist, stattete gestern Nachmittag der Königin in Windsor einen Besuch ab. Î i:

Jm Buckingham-Palast fand gestern Abend der erste Hofball dieser Saison statt, zu dem etwa tausend Ein- ladungen ergangen waren. Unter den Gästen befanden si der König von Belgien und die Königin Fsabella von Spanien. Der Prinz und die Prinzessin von Wales erschienen, begleitet von den übrigen Mitgliedern der Königlichen Familie, um 11 Uhr im großen Saale, worauf der Ball sofort begann.

Frankreich.

Paris, 21. Mai. Der Senat hat nah der „Köln. Ztg.“ in seiner gestrigen Sißung das Gesetz, betreffend die Unfallversiherung der Arbeiter, in zweiter Lesung mit 167 gegen 7 Stimmen angenommen. :

Nufß;land und Polen.

St. Petersburg, 22. Mai. (W. T. B.) Der bisherige serbishe Gesandte Simitsch ist gestern von hier ab- ereist. g L General à la suite Puschkin und der Flügel- Adjutant Pashkoff haben fih zur Begrüßung des Kron- prinzen von Ftalien nach Odessa begeben. i

Sebastopol, 21. Mai. (W. T. B.) Der Kronprinz von Ftalien ift heute an Bord des russishen Kriegsschiffes „Eriklik“ nach Odessa weitergereist.

Jtalien.

Rom, 21. Mai. (W. T. B.) Die Deputirten- kammer H in ihrer heutigen Sißung den von Cava- lot ti eingebrahten Antrag gegen die Ernennung von Deputirten für vom Staate oder von staatlich subventio-

nirten Verwaltungen honorirte öffentlihe Dienstposten mit 176 gegen 46 Stimmen ab, nahdem der Minister-Präsident Cri 8p i gegen die Jnbetrachtnahme des Antrags gesprochen hatte. Auf eine Anfrage Caldesi's in Betreff des heute in Navenna aus- gebrochenen Kon flikts zwishen den Truppen und der nothleidenden Bevölkerung bestätigte der Minister-Prä si- dent, indem er seinem Bedauern über die Vorkommnisse Ausdzuck gab, daß sowohl auf Seiten der Truppen als auc auf Seiten der Bevölkerung mehrere getödtet und verwundet wurden. Die Truppen seien unausgeseßt mit Steinwürfen empfangen worden. Es sei eine Kommission zur Unter- suchung abgesandt, auch seien Unterstüßungen vertheilt wor- den und andere würden folgen; er hoffe, die Konflikte würden sih nit erneuern.

Nach einer Meldung der „Agenzia Stefani“ häite Ras Mangasha am 17. d. M. im Namen des Königs Menelik und im Beisein der Grafen Antonelli und Salim- beni sowie mehrerer italienishen Offiziere Meskiaf cha Workié zum Gouverneur von Adua und des Gebiets bis zum Marebflusse ernannt. Der neuernannte Gouverneur schwor auf das Kreuz und das Evangelium, daß er niemals den Frieden mit Ftalien stören und alle vom Negus ge- troffenen Einrichtungen respektiren wolle.

Niederlande.

Haag, 21. Mai. (W. T. B.) Na einer hier ein- gegangenen amtlichen Meldung haben die Atchinesen am 14. d. Benting (in der Nähe von Edi), welches gänzlich verlassen worden war, genommen. Die Niederländer versuchten vergeblich mit 300 Mann den Ort wieder zu nehmen und verloren dabei 3 Todte und 24 Verwundete; die Verluste der Atchinesen betrugen 14 Todte und 15 Verwundete.

Belgien.

Brüssel, 20. Mai. Jn der Deputirtenkammer haben die liberalen Abgeordneten Janson, Houzeau und Hanssens einen N gent wurt eingebracht, welcher folgende Bestimmungen enthält:

1) Die Leiter der industriellen Werke sind verpflichtet, alle ihre Arbeiter, ob Männer oder Frauen, gegen die bei Uusübung ihres Berufes möglihe Beschädigung zu versibern. 2) Die Versicherungen erfolgen durch die Vereiniaung der Arbeitgeber einer und derselben Kategorie, deren nähere Bestimmung der Regierung vorbehalten bleibî. 3) Die Versicherung kann au bei den bestehenden gewöhnlichen Versicberungégesellshaften ges{chehen, wofern dieselben eine Kaution von 1060000 Fr. leisten. 4) Jede Berufsvereinigung muß mindestens 10 000 Arbeiter umfassen. 5) Die Werke, welche mehr als 2009 Arbeiter beschäftigen, können selbst die Versicherung über- nehmen, wofern sie eine Kaution von 50 000 Fr. leisten und, im Falle sie mehr als 5900 Arbeiter beschäftigen, 20 Fr. per Kopf. 6) Jede Berufsvereinigung bestimmt selbst die Versicherungsprämie, von der 7 Zehntheile Seitens der Arbeitgeber, 1 Zehntheil Seitens des Staates und 2 Zehntbeile Seitens der Arbeiter zu entrichten find. 7) Der Arbeiter verliert das Schadenersaßzrecht, sobald nahgewiesen wird, daß seine eigene Nachlässigkeit den Schaden hervorgerufen hat. 8) Wurde der Schaden durch ofenbare Shuld des Arbeitgebers hervorgerufen, fo kann bie Berufsvereinigung von ihm vollen Scha den- erfaß begehren. 9) Die ärztlihe Hülfe ist dem Beschädigten immer unentgeltlih zu leisten. 109) Die Entschädigung beträgt für den Ver- wundeten 80 Prozent seines Lohnes bis zur vollständigen Herstellung, für die Wittwe des Getödteten 35 Prozent und für jedes feiner Kinder bis zum Alter von 14 Iahren je 10 Prozent.

Der Entwurf wird wegen der inzwischen erfolgten Ver- tagung der Kammer erst in der Herbstsession zur Berathung gelangen.

Amerika.

Vereinigte Staaten. Washington, 21. Mai. (W. T. B.) Das Repräsentantenhaus hat in seiner heutigen Sißung die Tarifbill nebst einigen Amendements mit einer Majorität von 20 Stiminen angenommen.

Parlamentarische Nachrichten.

In der heutigen (65.) Sizung des Hauses der Abgeordneten, welher der Vize - Präsident des Staats- Ministeriums, Staats-Minister Dr. von Boetticher, der Minister für Landwirthschaft 2c, Dr. Freiherr Lucius von Ballhausen und der Minister des FJnnecn Herrfurth beiwohnten, wurden S Debatte in dritter Berathung der Gesezentwurf, be- treffend die Abänderung einiger Bestimmungen der Wegegeseße im Regierungsbezirk Wiesbaden, und der Geseßentwurf, betreffend die Verpflich- tung der Gemeinden in den Landkreisen der Rheinprovinz zur Bullenhaltung; in zweiter Be- rathung der Gesetzentwurf, betreffend die Fest- stellung eines Nachtrags zum Staatshaushalts- Etat für das Fahr vom 1. April 1890/91 angenommen.

Es folgte der fünfte Beriht der Kommission für die Agrarverhältnisse über die Petition von Domänen- pächtern wegen Abänderungen in den Domanial- pahtverhältnissen zu Gunsten der Domänen- päter. is

" Der Berichterstatter Abg. Freiherr von Grote beantragte Namens der Kommission :

Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen :

I. Der Königlichen Staatéregierung die Petition IT Nr. 163 zu überweisen i

1) zur Berücksichtigung in der Richtung, daß thunlichst auf Ermittelung und Feststellung der Pachtgelderminima unter Zu- ziehung „landwirthschaftliher Sachverständiger Bedahßt genommen werde;

2) zur Berücksichtigung dahin, daß in den allgemeinen Pacht- bedingungen anderweite, dem abziehenden Pächter günstigere Be- stimmungen getröffen werden bezüglich der Uebergabe des Inventars und der Uebernahme desselben dur den anziehenden Päwter ;

3) zur Berücksihtigung dahin, daß die dur die neueste Ver- fügung des Ministers für Landwirthsckaft, Domänen und Forsten binsihilich der Baubedingungen (§8. 12, 13, 14 der allgemeinen Pachtbedingungen vom 12. April 1888) und der Tragung der Lasten (§. 17 eod.) eintretenden Erleihterungen von jeßt ab auc für die vor Erlaß jener Verfügung abgeslofsenen Pachtverträge Anwendung finden ;

,1I. im Uebrigen über die Petition 11 Nr. 163 zur Tagesord-

nung überzugehen,

Abg. von Meyer (Arnswalde) beklagte die ungünstige Lage der Domänenpächter und hob im Besonderen hervor, daß dieselben unter der hohen Versiherungssumme, mit der der Staat die Gebäude versichere, zu leiden hätten; das leßtere sei au ungeseglih, da Niemand eine Sache über den Werth hinaus versichern dürfe.

is

Der Regierungs-Kommissar, Gebeime Ober-Regierungs- Rath Jäger bestritt, daß Ungeseßlichkeiten bei den Versiche- rungen vorkämen; die Beiträge der Domänenpächter beruhten auf kontraktlichen Verpflihtungen. Nach unerheblicher weiterer Debatte, an welcher sich noch die Abgg. Seer a Sr zere von Huene, Graf zu Limburg-Stirum und Sombart be- theiligten, wurde der Antrag der Kommission angenommen.

Hieran schloß sich der vierte Bericht der Kommission für Petitionen über verschiedene Petitionen, betreffend das Bernsteinregal in Ostpreußen. . i

Der Antrag der Kommission ging dahin, über die Pe- titionen zur Tagesordnung überzugehen. / E

Abg. Dr. Krause erkannte an, daß ein großer Theil der Be¡hwerden durch die entgegenkommenden Erklärungen der Regierung in der Kommission beseitigt worden; nur den Wunsch der Petenten, bei dem Verkauf des Rohbernsteins in milderer Weise als bisher zu verfahren, scheine die Regierung niht berüsihtigen zu wollen. Rednec beantragt, die Petitionen, soweit sie sich auf das Monopol der Firma Stantien und Becker os der Königlichen Staatsregierung ur Erwägung zu überweisen. ;

? Der Regierungs-Kommissar Geheime Regierungs-Rath Tetlaff hielt diesen Antrag für überflüssig, weil die freie Konkurrenz schon bisher stattgefunden habe. E

Abg. Nidckert tat“ für den Antrag des Abg. Dr. Krause ein, ja, er würde niht anstehen, die Petition, soweit sie von diesem Anirage berührt werde, der Staatsregierung zur Be- rücsihtigung zu überweisen. : !

Der Regierungs-Kommissar Geheime Regierungs-Rath Tetlaff bekämpfte x ¡reti den Antrag des Abg. Dr, Krause, welchen der Abg. Pleß seinerseits befürwortete.

Der Minister für Landwirthschaft 2c. Dr. Freiherr Lucius von Ballhausen erflärte, daß das Wohlwollen der Regie- rung gegen die Firma Stantien und Becker sich auf ‘die that- sählihen Ei1folge derselben auf diesem Gebiete gründe; einer mißbräuchlihen Ausbeutung des Monopols aber würde die Regierung unter allen Umständen entgegentreten.

Das Haus {loß sich dem Antrage der Kommission unter Aufnahme des Antrages des Abg. Dr. Krause in den- selben an und vertagte fih darauf bis zum 3. Juni.

(Schluß 11/, Uhr.)

(Die SYlußberichte über die gestrigen Sißungen des Reichs- tages und des Hauses der Abgeordneten befinden sih in ver Ersten Beilage.)

Von den Abgg. Richter und Gen. ist im Reichs- tage nachstehende Fnterpellation eingebraht worden:

Wie denkt der Herr Reichskanzler über die Fortdauer der in den leßten Jahren für Elsaß-Lothringen erlassenen besonderen Bestim- mungen in Betreff der Paßpfliht und der Aufenthaltsbes{ränkungen ?

Der nawstehende Antrag der Abgg. S iegle u. Gen, ist dem Reichstage zugegangen:

Der Reichstag wolle bescbließen: den Reichskanzler zu ersuchen, statistishe Aufnahmen über die Lage der arbeitenden Klassen, insbesondere über Arkcitszeit, die Lohnverbältnisse und Kosten der Lebcnébaltung der Arbeiter in den vershiedenen Berufézweigen vor- nehèaen zu laffen.

Die Militär-Kommission des Reichstages hat sih gestern bis zum 6. Zuni vertagt.

Im 4. Lüneburger Wahlkreise (Uelzen) ist an Stelle des verstorbenen Senators Pline der Landrath von Tz\choppe zu Oldenstedt, freikonservativ, mit 102 Stimmen zum Mit- gliede des Abgeordnetenhauses gewählt worden. Der Guts- besißer Voigts in Oldendorf, nationalliberal, erhielt 52 Stimmen.

Sanitäts-, Veterinär- unnd Quarantänewesen.

Portugal.

Durch eine im „Diario do Governo* Nr. 104 vom 9. Mai 1890 veröffentlihte Verfügung des Königlich portugiesishen Ministeriums des Innern is der Hafen von Pará seit dem 1. April für von gelbem Fiekter verseucht erklärt worden.

Handel und Gewerbe.

Die nätste Börsen-Versammlung zu Essen findet am 27. Mai 1890 im „Berliner Hof* statt. :

Der „Verein für Rübenzucker-Industrie des Deutschen Rei hes hielt gestern in Hamburg scine Gencral- versammlung ab. Der Vorsitzende Stengel (Staßfurt) widmete dem verstorbenen largjährigen Vorsißenden Grafen Hake Worte des An- denkens. Nach eingehender Debatte über das Zuckersteuergeset vom 9. Juli 1887, während welcher der Geheime Math Kiechke (Berlin) die Mittheilung machte, der Vorstand habe am 22, April d. I. eine Eingabe an den Reic(étkanzler gesandt, um gegen die etwaige Aufhebung der Materialsteuer zu protestiren, ward folgende Resolution ein- stimmig angenommen 1, Der Verein in der Ueberzeugung, daß die Aufhebung der Mater ialsteuer, bezw. der Fortfall der damit verbundenen mäßigen Ausfuhrprämie die deutsche Zuckerindustrie auf dem Welt- markt fonkurrenzunfähig machen würde gegenüber der Industrie anderer Länder. welche sehr viel größere Ausfuhrbegünstigungen genießt. erklärt seine Zustimmung zu den vom Ausschuß unternommenen Schritten gegen die beabsichtigte abermalige Abänderung der Zuckersteuer-Gesetz- gebung und ersucht - den Ausschuß und die Direktion, die Lebens- interessen der deutschen Zukerindustrie auch ferner in derselben Rich- tung zu vertreten.“ Die nächstjährige Generalversammlung foll in Köln stattfinden. S

Bei den 298 km langen Lokalbahnen der österreihishen Lokal-Cisenbahn-Gesellschaft betrugen die provisorisch er- mittelten Einnahmen für den Monat April 1890 112 562 F[., und für die Zeit vom 1. Januar bis Ende April 1890 489 112 Fl. Im Vorjabre betrugen die definitiven Einnahmen bei einer Betriebslänge pon 234 km im April 85 701 Fl, und für die Zeit vom 1. Januar bis Ende April 1889 373 273 Fl. 4 S

Breslau, 22, Mai. (W. T. B,) Der „Sthlesishen Ztg. zufolge genehmigte der Reichskanzler die Einfuhr lebender ungarisher Schweine aus Steinbruß auch in die Schlacht- häuser von Oppeln und Rybnik, sowie die Einfuhr lebender galizisder Schweine aus Bielitz in die S{lachthäuser von M ys1o- wiß, Ratibor, Beuthen, Gleiwiß, Oppeln trnd Rybnik.

Halle a. d. S., 22. Mai. (W. T. B) In der heutigen Auf- sihtsrathsfißung der A. Riebeck’ schen Montanwerke, Aktien- gefellshaft, legte die Direktion diz Bilanz und die Gewinn- und Verlust- rechnung für das abgelaufene Geschäftsjahr vor. Der Bruttogewinn beziffert ich nah Abzug sämmtlicher Geschäftzunkosten auf 2 371 259,64 4 und wird der Generalversammlung vorgeschlagen werden, nah _Ab- schreibungen und nach Dotirung des Reservefonds zusammen in Höbe von 679 569,10 4 eine Dividende von 15% zur Vertheilung ge- langen zu lassen. Die Gencralversammlung findet am 16. Juni d. I. hierselbst statt. ; :

Ea a. d. Ruhr, 22. Mai. (W: T B.) Der „Rheinisch- Westfälischen Zeitung“ zufolge ist Seitens d-r Imperial Con-

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