1890 / 139 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 11 Jun 1890 18:00:01 GMT) scan diff

wenn darin ein Rückschritt gemacht würde. Aber ih glaube, für keinen Staat sind die internationalen Beziehungen fo diffiziler Natur wie für Deutschbland, und in keinem Staat ist die Anforderung, diése Be- ziehungen rücksichtsvoll s{chonend zu behandeln, sówohl in der Prefse wie in öffentlihen Versammlungen, so stark wie für uns. Und wenn in Zukunft in irgend einer Partei, welche es au sei, der Wuns vor- Liegen sollte, Interpellationen einzubringen und Fragen zu stellen, welche die äußere Politik berühren, so würde ich dankbar sein, wenn ih vorher gefragt würde, ob ich mich darüber äußern karn, ob die Frage unfere Beziehungen stören kann oder nicht. Wäre ic von einem Mitgliede der Fortschrittspartci vor 14- Tagen im Vertrauen gefragt worden: fann das geschehen? so würde ich in ganz wenigen Worten, glaube i, in der Laze gewesen sein, den Herrn zu über- eugen, daß cs besser gewesen wäre, die Interpellation nit zu stellen. Sf sie einmal gestellt, so kann auch die Reçierung nicht zurück, sie überläft dann die Verantwortung Denjenigen, die sie aestellt baben.

Auf Antrag des Abg. Guerber tritt das Haus in eine Besprechung der Jnterpellation ein. i

Abg. Guerber: Jch danke zunächst dem Herrn Reichs- kanzler für die ruhige und würdevolle Antwort, die er auf die nterpellation ertheilt hat. Andererseits theile ih seine An-

t nicht, daß die Juterpekllation geshadet habe. Die Sperre über die Reichslande is eine Kalamität, die das Land seit Jahren aufregt und wahrhaft unglücklich mat. Die Sperre hat die Germanisirung von Elsaß-Lothringen nit befördert, sondern um viele Jahre hinausgedrängt. Man hat dadur nit den Grenzgraben zwischen Deutschland und Frankreich ver- tieft, wohl aber dem Herzen des Volks eine tiefe Wunde ge- schlagen. Dieser Paßzwang ist eigentlich eine Grenzsperre und nur wenige Sterbliche fönnen dur den Schlagbaum kommen, der zwischen beiden Ländern errichtet ist. Man wollte durch dieje Mauer den Geist der Anhänglichkeit der Elsässer an Deutsch- land stärken und den französishen Geist mildern, es ist aber nichts erreiht worden als eine Verheßzung des Volfs und N und Jngrimm über eine Behandlung, die man nit ür möglich gehalten hat. Jm Auslande hat über diese Maß- regel nur Shadenfreude geherrscht. Auch die Beamten haben keine Freude an dieser Maßregel, es is ihnen ihre Wirkfam- keit außerordentlih ershwert worden. Jm ganzen Lande und seiner Vertretung herrsht allgemein eine große Mißstimmung. Viele Familien sind aus dem Elsaß nach Frankreih ge- wandert. Wenn nun, wie der Reichskanzler bemerkte, einige von den ausgewanderten jungen Leuten bei ihrer Rückkehr nah Elsaß-Lothringen sich übermüthig betragen haben, warum hat man nicht gegen sie das Ausweisungsrecht angewandt? Gegen einige junge Burschen, die ein \rehes Maul haben oder Andere necken, braucht man doch nicht die Sperre oder den Paßzwang. Viele Familien sind dur den Pafzwang in ihren innersten Gefühlen tief verlegt worden. És wurde der Vater vom Sohn, die Tochter von der Mutter getrennt gehalten. Wie viele Thränen sind vergossen, wie viele Jammerszenen haben fich abgespielt, niht bloß an der Grenze, sondern au vielfah im Lande! Frankreich wollte man schädigen, und man hat uns geschädigt. Jh bin erstaunt gewesen, daß der Reichskanzler sagte, daß Elsaß-Lothringen einst das Schlachtfeld werden könnte, daß französishe Offiziere die Pläne von Elsaß-Lothringen nah Frankrei bringen könnten. Wer ein Spion ijt, weiß auch ohne Paß durchzukommen. Er braucht nur den Umweg über Basel und Belgien zu machen. Wer jo offen die Straße eht, ist nit gefährlih. Nur möchte ih wissen, ob nicht ganz Deutschland. talien und Frankreich durch{hspionirt wird. Dieses Uebel haftet allen Nationen der Neuzeit an, und nur Diejenigen sind schuldig, die sich ertappen lassen. Mit dem Paßzwang oder der Grenzsperre hält man dieses Geschmeiß niht ab. Woher schreibt sich denn die ganze Sperre? Aus der Zeit des Regimes des Generals Boulanger und der Barracken auf den Vogesen. Nun, beides ist beseitigt; warum jezt noch die Sperre? Es läßt sich kaum vor der Humanität rechtfertigen, ein Land * für das zu strafen, was in einem Augenblick politisher Erregung geschehen ist. Zur Beseitigung notorish s{hädliher Elemente genügt, wie gesagt, das Ausweisungsrecht. Es wird kein riede werden, als bis der Paßzwang aufgehoben ist. Nun at der Reichékanzler gesagt, man werde gnädig verfahren und reihlich Pässe gewähren. Dadurch wird die Unsicherheit nicht beseitigt, wenn niht das Recht gilt, sondern die Gunst. Der Paßzwang hat den Charakter eines Ausnahmegeseßes. Alle Ausnahmegeseze erreichen das Gegentheil von dem, was fie wollen. Die Sozialdemokraten sind die bestorganisirte Partei und das Centrum die stärkste. Darum kann ich nur Meine Bitte wiederholen, daß der Paßzwang endlich beseitigt werde.

Abg. Höffel: Jh danke dem Herrn Reichskanzler für die Zusicherung, daß in Zukunft eine mildere Praxis in der Ausübung der Paßmaßregel eingeführt werden joll, ih danke aber auch dem Herrn Kollegen, der die Jnterpellation einge- bracht, für das Wohlwollen, das er meinem engeren Vaterlande entgegengebraht hat. Wer Elsaß-Lothringen lieb hat, muß wünjhen, daß diese Maßregel in Zukunst niht bestehen sollte und nicht bestehen kann. Die wirthshaftlizhe Schädigung des Landes läßt ih zahlenmäßig an dem Rückgang des Verkehrs nachweisen. Das Deutshthum hat durch diese Maßregel auch keine Fortschritte gemaht. Durch zügellose Propaganda hätte nit erreiht werden fönnen, was die Paßmaßregel bewirkt hat. Eine mildere Praxis kann niht durch eine Aenderung in der Anwendung der Verordnung, sondern nur durch Aen- derung der Verordnung selbst erfolgen. „Es kann nur von Schaden sein, wenn ein Beamter auf diese Weise, ein anderer auf eine andere verfährt. Alle persönliche Willkür muß so viel wie möglich beseitigt werden. Hoffen wir, daß die verbündeten Regierungen zur Einsicht gelangen werden, daß die Strafe, denn eine solhe ist es —, die auf uns lastet, bald von uns abgewälzt wird. Es ist ge- sagt worden, daß Hochverrathsprozese den Grund dazu gegeben haben. Die sind in Elsaß-Lothringen nit mehr vorgekommen als in anderen Landestheilen, Die Geschichte Elsaß-Lothringens beweist, daß es die Liebe zu seiner Religion und die Achtung vor dem Gesey stets hoch- gehalten hat, und ein Volk, das diese Eigenschaften behalten

at, ist ein s, gesundes, konservatives Volk, das in fich elbst das besie Mittel 1rägt gegen alle Wühlereien von außen. Der Affimilationaprozel wird um so kürzer sein, je besser es die neue Herrschaft verstehen wird, die loka- len Eigenthümlichkeiten zu s{honen, einen gesunden, so- ialen Ausbau zu fördern und gute wirthschaftlihe HZu- ände zu schaffen. Dur die Paßmaßregel ist das Deut)ch- thum nur um etliche Jahre zurückgeworfen worden. Alle ge- sunde Entwickelung ist geschwunden, die größte Atrophie des Pfe Lebens herrsht im Lande. Die Aufhebung der aßmaßregeln liegt deshalb ebenso sehr im JFntere}sse Deutsch-

lands wie in dem Elsaß:Lothringens. Das Reichsland darf nicht wie eine Art Militärgrenze behandelt “werden, ‘das nur zur Sicherung der Reichsgrenze annektirt ist und beidem man keine Rücksiht auf die Einwohner zu nehmen hat. “Bei der Beurtheilung der reihsländischen Bie und: bei den An- forderungen an die Leistungen der Elsaß-Lothringer muß man Geduld haben. Lassen Sie uns unsere Eigenthümlichkeiten, geben Sie uns Zufriedenheit in sozialer und wirthschastlicher Hinsicht, das ist die beste Art der Gexmanisirung, L

Abg. Hickel: Die Paßmaßregel hat jämmtliche Geschäfts - kreise geshädigt und nattheilig auf das ganze Volk eingewirkt; auf diesem Wege können Sie niht weiter. Sie müssen den Paßzwang aufheben, wenn Sie niht das Land und das Volk ruiniren wollen. Sie erreihen damit auch nit, was Sie er- reihen wollen. Sie mahen mit dem Paßzwang das Volk nur unzufrieden und helfen damit bloß unserem Werke, indem Sie das Volk zu Sozialdemokraten machen. Beim großen Arbeiterstrike haben sih 20 000 Arbeiter auf der Straße be- funden, ohne daß die Polizei im Geringsten veranlaßt gewesen wäre, einzuschreiten. - Wenn das Volk so friedliebend ist, wozu solhe Polizeimaßregeln in Elsaß-Lothringen? Sie können mit Krieg und Schwertern Länder gewinnen, aber die Herzen des Volks gewinnen Sie so niht. :

Abg. Delles: Jch bin es meinen Wählern \{uldig, den Erklärungen der Vorredner gegen die Paßmaßregeln vollstän- dig beizustimmen, um so mehr, da dié Folgen des Paßzwanges in Metz und Lothringen noch fühlbarer find als im Elsaß. Der Gebrauch der deutshen Sprache hat sich seit einigen Jahren mehr verbreitet, aber die Gemüther sind der Germa- nisirung keineswegs näher getreten. Daran ist zum guten Theil der Paßzwang huld. So denken nicht bloß die Ein- heimischen, sondern auch die Altdeutschen selbst. Die Paß- In Hregein müssen zuerst gemildert und dann abgeschafst werden.

Abg. Richter: Der Reichskanzler hat gemeint, daß es zweckmäßig sei, wenn man eine Fnterpellation beabsichtige, die sih auf auswärtige Angelegenheiten beziehe, fich vorher durch Rückffrage bei ihm zu vergewissern, ob diese öffentlihe Er- örterung angemessen ist. Jh kann mir Fälle denten, in denen ein solhes Verfahren durhaus angezeigt erscheint, aber ih kann den Sag in der Allgemeinheit niht gelten lassen, und niht in Bezug auf den vorliegenden Fall. Es giebt wenig Fälle parlamentarischer Erörterung, in denen niht au ein Verhältniß zum Ausland in Frage kommt. Das ist z. B. bei allen zollpolitishen Erörterungen, bei allen Handelsver- trägen, vor allem auch bei allen Militärfragen der Fall. Die Regierung selbst hat bei der Militärvorlage kein Bedenken getragen, die Begründung speziell auf franzöfishe Mi- litärverhältnisse zu stüßen und hat damit den Anfang gemacht, diese Verhältnisse parlamentarish zur Erörterung zu ziehen. Wenn der Saß des Reichskanzlers rihtig wäre, fo würde ein sehr großer Theil unferer parlamentarischen Er- örterungen aus der Oeffentlichkeit überhaupt ausscheiden. Wir könnten dann keinen Titel des auswärtigen Etats diskutiren. Nun könnte man ja sagen, - hier handelt es sich um eine Interpellation. z#n meinen Augen is eine Fnterpellation gar nit ein solcher feierliher staatspolitisher Akt. Die Form der“ Interpellation is allerdings mehr und mehr außer Gebrauch gekommen. Jch bedauere das, und auch die Regierung hat Ursache, es zu bedauern, weil sie eine Form der parlamentarischen Erörterung ist, die beiderseits unver- bindlih und zwanglos is und die deshalb der Verständigung mehr vorzuarbeiten geeignet ist, als es auf anderem Wege der Fall ist. Jm vorliegenden Fall ist die Sache übrigens im elsaß- lothringischen Landesausshuß verhandelt worden, obgleich dort dieGefahr ungünstiger Berührung ausländischer Verhältnisse viel

rößer ist, und von nationalliberaler Seite ift bei der Etats- bératbuig in der legten Session von dem Abg. Petri die Frage in viel shärferer Weise zur Erörterung gestellt worden als heute von mir. Der Verlauf der heutigen Verhandlung hat auch gezeigt, daß es sih hier vorwiegend um wirthschaftliche und polizeiliche Einrihtungen im Junnern und wenig-:r um die Beziehungen zum Auslande handelt, Dann meinte der Reichs- kanzler, es wäre für die Wirkung dieser Einrichtung s{hädlich, wenn man sie hier erörtert; die Elsässer würden \sich dann noch schwerer daran gewöhnen. Es giebt Dinge, an die man sih überhaupt nicht gewöhnen kann. Die Paßmaßregel gehört zu den Einrichtungen, die in unserem Jahrhundert überwunden sind und im Widerspruh stehen mit allen modernen Einrichtungen, die sich “niemals einbüugern werden und in der Geseßgebung nux als vorübergehende Maßnahmen angesehen werden können. Jch habe an der Germanifirung Elsaß - Lothringens dasselbe Jnteresse wie die Regierung. Das sind aber nicht die Mittel zur Ger- manisirung, sondern ihr entgegenzuwirken, ebenso wie das Sozialistengeses, das die Sozialdemokraten zu unterdrücken erlassen war, eine agitatorishe Kraft zu Gunsten der Sozial- demokraten geübt hat. Auch bei dem Sozialistengeseg hat man hier bis in die leßte Zeit gesagt, man müsse nur nit so oft über die Aufhebung sprechen, damit die Sozialdemokraten niht immer von Neuem Muth bekommen, daß es fallen werde, und man hat deshalb vorgeschlagen, es dauernd zu machen. Darin ist bei der Regierung -eine vollständige Aenderung in den Ansichten eingetreten ; man hat erkannt, daß es kein taug- lihes Mittel zum Zwecke ist. Für die Zwecke der Germani- firung sind die Polizeimaßregeln auch kein tauglihes Mittel und deshalb gébe ih die Hoffnung nicht auf, daß bei der Re- gierung ähnlih wie bei dem Sozialistengeseß andere Ansichten er die Zweckmäßigkeit dieser Polizeimaßregeln durchdringen werden.

Abg. Dr. Windthorst: Jh glaube, daß die Paßmaß- regel das Gegentheil von dem bewirkt und auch ferner be- wirken wird, was wir erreihen wollen. Sie greift so sehr in die materiellen und Familienverhältnisse des Landes ein, daß man immer von Neuem ihre Aufhebung erwägen muß. Es find auch in der Ausführung einzelne Fälle vorgekommen, die verleßzen und selbst empören mußten, weil man die Familien- bande nit geschont hat. Auch ohne diese Maßregel würde unsere Justiz und Verwaltung das Nöthige besorgen können. Im Landesaus\chuß, der doch fonst von A EILB Ung jeu an- erkannt wird, haben \ich alle Parteien gegen die Maßregel ausgesprochen. Das sollte doch auf die Regierung Eindruck machen. Die Maßregel kann in der Art, wie fie jeßt ist, nicht fortbestehen. Wenn sie auch. nicht {hon morgen auf- gehoben werden kann, so müssen doch die einleitenden Schritte zur Aufhebung thunlichst rasch geshehen. So lange ‘die Auf- hebung nicht erreicht is, müssen Jnstruktionen erlassen werden, welche eine shonendere Handhabung fihern. Die Agitatoren weist man einfa aus, aber wer seine regelmäßigen Geschäfte treibt oder sich auf seinen väterlihen Besißungen aufhalten

will, den soll man nicht belästigen. Maßregeln, die einmal erlassen werden, können natürlih_ niht im Handumdrehen be- [igt Werden, aber auf die Dauér können sie nicht bestehen b und sié müssen auch milde gehändhabt werden, /

Abg. von Kardorff: Es ist behauptet, diese Maßregel shade der Germanifirung, und das will ih in gewissem Gr ae ansz Das isst aber nicht die einzige t, die wir zu ne haben. Es kommt auf die militärishe Sicherung unserer Grenzen an. Diese mußte erfolgen, nachdem die Agitation in Elsaß-Lothringen so gewachsen war, daß die Sicherung nicht mehr genügend erschien. enn Hunderte von jungen Leuten für Frankreih optirten, dann ih in Elsaß permanent aufhielten, ihre Kameraden verlachten, die #0 thöriht gewesen seizn, für Deutschland zu optiren und nun Dienste leisten müßten, während sie selbst in Frankreih gar nicht oder nux acht Wochen zum Di herangezogen würden, so war das eine Gefährdung unserer Grenzen. Bei der Ausführung einer solhen, wie einer jeden anderen polizeilihen Maßregel kommen natürlich Ungeschicklihkeiten vor. Jch würde mich auch freuen, wenn wir diese Maßregel mildern oder gänzlih aufheben könnten. Man soll sie aber nit so hinstellen, als ob fie nur aus diktatorishen Gelüsten oder Vorliebe für polizeilihe Maßnahmen getroffen wäre. Wenn au der elsaß-lothringishe Landesausshuß fih ein- stimmig für die Aufhebung ausgesprochen hat, so muß die Regierung doch au auf ihre Verantwortung für die Siche- rung ‘unseres Vaterlandes Rüläsicht nehmen. Bei der all- mählihen Beruhigung der dortigen Zustände wird die Maß- regel hoffentlih gemildert und in Zukunst ganz aufgehoben werden können. Veratorisch und ungerechtfertigt ist fie aber keine8wegs. . 1

Abg. von Bennigsen: Die Maßregel ist als politische

aus ganz besonderen, zwingenden Gründen erlassen worden. Der Reichskanzler hat heute erklärt, daß die Regierung zur pen nit in der Lage sei, sie aufzuheben. Wegen der wirth- aftlichen Beschränkung und der Beeinträhtigung und Be- lästigung vieler Familien wünschen wir auch die baldige Auf- hebung. Aber die Regierung ist für die Sicherheit dieser wiedergewonnenen altdeutshen Grenzlande verantwortlih, und sie dahin zu drängen, unter solchen Umständen die Maßregel aufzuheben, muß dem Deutschen Reichstage fern liegen. Die Bevölkerung Eljaß-Lothringens muß vor der Propaganda für die Wiederherstellung der Provinzen als französi)he ges{hüßt werden. Wir haben zu dem Reichskanzler tas volle Vertrauen, daß er seiner Zeit dieser Maßregel keine längere Dauer geben wird, als unbedingt erforderlih ist. Jn der Zwischenzeit [eibt nur übrig, die Ausführung der Maßregel möglichst zu mil- dern, bis sie bei verbesserter Lage in den Grenzlanden und in ganz Europa aufgehoben werden kann. Möge sich auch die elsässiiche Bevölkerung darüber beruhigen und die Regierung unnöthige Härten vermeiden.

Abg. von Puttkamer: Die Auffassung des Abg. Guerber ist vollständig verfehlt, daß man mit dieser Maßregel glaubt, Frankrei zu s{lagen, während wir geprügelt würden, und daß fie nur eine Strafe für das Elsaß sein solle. Die Maß- regel hat keineêwegs irgend einen aggressiven Charakter gegen unseren Nachbarstaat oder die elsässishe Bevölkerung. Sie ist einfah eine Maßregel der Selbstvertheidigung der nationalen Interessen. Allerdings hat der Paßzwang für die Be- völkerung der Reichslande shwere wirthschaftliche und für die Familien nachtheilige Folgen, und ih finde es erklärlih, daß man aus Humanitätsgründen die Maßregel aufheben moe aber mein Standpunkt ist das niht. Es ist sehr leit, i auf diesen Standpunkt zu stellen, aber die Regierung wird si bei ihrer Verantwortung für die Sicherheit und nationale Ordnung im Reich immer fragen müssen: wiegen die Nach- theile der Fortdauer eines Zustandes, wie ihn die Paßpflicht beseitigen soll, niht sehr viel s{werer als jene humanen Be- denken? Jch bin auch Jahre lang amtlich in den Reichslanden thätig, gewesen, und erkenne an, daß es mir niemals leiter ge- worden ist, zu verwalten, als gerade dort. Denn die Bevölkerung ist in allen Schihten von einer Legalität der Gefinnung durch- drungen, die ich manchem alten deutshen Volsstamm wohl gönnen möchte, und aus dem Zustande des Volksgefühls in den Reichslanden heraus ist die Maßregel niht nöthig gewesen. Aber wir haben uns gegen das Eindringen der Fremden, wir haben die nationale Sicherheit und die Sicherheit der Be- völkerung gegen die störenden Agitatoren zu {üßen. Wir erkennen die Nothwend:gkeit der Maßregel für die Vergangen- heit und auch für die Gegenwart völlig an und vermögen den Reichskanzler nicht zu einer vorzeitigen Aufhebung zu drängen. E Erleichterung würden aber auch wir mit Freuden be- grüßen.

Die Interpellation ist damit erledigt.

Schluß 45/4 Uhr.

L Ls Schlußbericht der gestrigen (15.) Sißung des Herren- auses.

Nach Erledigung des Geseßentwurfs über das Notariat und über die gerichtlihe oder notarielle Beglaubigung von Handzeichen, worüber wir gestern berihtet haben, wird in einmaliger Schlußberathung der Gesegentwurf, O die Fürsorge für die Waisen der Lehrer an öffentlihen Volksshulen, dem Antrage des Refe- renten Ober-Bürgermeisters Bötticher auten gemäß, unverändert genehmigt; die dazu eingelaufenen Petitionen erklärt das Haus durch diesen Beschluß für erledigt.

Ueber die Denkschr ¿l betreffend die Ausführung des Geseßzes vom 13. Mai 1888 bezüglih der Bewilligung von Staatsmitteln zur Beseitigung der durch die Hochwasser im Frühjahre 1888 herbeigeführten Verheerungen, referirt Ober-Bürgermeister Reichert (Görliß).

Ohne Diskussion wird die Denkschrift durch Kenntniß-

nahme für erledigt erklärt. Dem Gesetzentwurf, betr. die Vetpflihtung der Ge- der Rheinprovinz zur

meinden in den Landkreisen Bullenhaltung, ertheilt das Haus nach dem Antrage des Referenten Freiherrn von Solemacher- Antweiler in der vom Hause der Abgeordneten beshlossenen Fassung die Zbstinuling:

Der Gesetzentwurf, betr. die Abänderung einiger Be- stimmungen über die Wahl von Stadtverordneten, welcher im Hause der Angeebdueen auf Antrag der Abgg. Langerháns und Zelle zur Annahme gelangt ist, wird vom Ober-Bürgermeister Friedensburg (Breslau) nah aus- führliher Darlegung des Sachverhalts zur Unveränderten Annahme empfohlen. , ;

Ober-Bürgermeister Boie (Potsdam) macht bei dieser Gelegenheit auf die Schwierigkeit aufmerksam, welche die bestehende Praxis hinsichtlich der Ergänzungs- und Ersaßz-

wahlen mit si geführt habe. Es sei /jeit lange eine Art O bfeeva den Städten gewesen, die Ersaß-- mit den Ergänzungswahlen zu verbinden; dieses Verfahren sei aber neuerdings durch das Ober-Verwaltungsgeriht für unstatthaft erklärt und zuglei eine große Zahl derart vollzogener Wahle für ungültig erklärt worden. Jn Konsequenz n werde man zu einer sehr großen Zahl einzelner Ersaßwahlen kommen müssèn, ein- sehr unangenehmer Uebelstand. Der Minister des neR sei vor Gericht in dankenswerthester Weise den Städten esprungen ; möge er dem Landtage eine entsprechende Vor- lage machen. er würde eine derartige Anordnung bezw. Abänderung der Städteordnung nit sein. Staats-Minister Herrfurth giebt zu, daß das be- treffende Erkenntniß eine Praxis untersagt hat, welche bisher fast allgemein unter Zustimmung der Aufsichtsbehörden beob- achtet worden ift; die dauernden Nachtheile einer derartigen Rechtksprehung liegen in der Vermehrung der Wahlen. Ander- seits sind aber diese Na®htheile so sehr erheblih nicht, und die Vermehrung der Wahlen is jedenfalls nicht ‘ein so über- wiegender Nahtheil, daß unverweilt durh Geseß Abhülfe ge- troffen werden müßte. Die Verbindung mehrerer Ersa wahlen mit einander sei jedenfalls zulässig. Ein Spezialgetes lasse sih A R a uh in Aussicht stellen. egentwurf wird darauf angenommen. Séluß nah 31/5 Uhr. [900

S@&luß des Berichts der gestrigen (71.) Sißun des Hauses der Abgeordneten. Scathurt f Petitiones von Fr. Krupp in Essen und vou dem Hörder Bergwerks- und Hüttenverein wegen Erstattung von Eisenbahn- rat én G

Wie wir aus dem gestrigen Bericht wiederholen, hatte die

Petitionskommisfion beantragt, über die Petit L Tages- ordnung überzugehen, weil geseßlihe Bestimmungen der ei Pie zur Berücksihtigung entgegenstehen.

_ Abg. Lückhoff hatte dagegen beantragt:

über die Petitionen zur Tagesordnung überzugehen, weil geseßliche

Bestimmungen der Empfehlung zur Berücksichtigung entgegenstehen;

zugleich ater die Erwartung auszusprehen, daß in solhen Fällen,

wo es si darum handelt, durch Ermäßigungen von Koblenfrahten die _Weiterbesäftigung zablrei&er Arbeiter fiherzuftellen, die Ent-

\chließung der Königlichen Staatsregierung in der Folge mit solcer

Beschleunigung herbeigeführt werden möge, daß etwaige Fracht-

ermäßigungen diesen Vaits auch wirklich fördern.

: n der Debatte hatte der Abg. Berger ausgeführt, daß eine f)ofortige Ermäßigung für Kohlen in den ersten Tagen des Mai 1889 die Folge gehabt haben würde, den Strike, welcher von sozialdemokratishen Agitatoren angeregt und unter Kontraktbruch erfolgt war, sofort seiner Energie zu berauben. Es sei zu bedauern, daß der Minister damals, als man die Striker noh als unglückliche Verfolgte betrachtete, mit einer solhen, durhgreifenden Maßregel zurückgehalten habe.

Hierauf nimmt das Wort

_der Regierungs-Kommissar Geheime Ober-Regierungs-Rath Höter: Jh weiß nicht, woher der Abg. Berger seine Jn- formationen hat, daß der Minister die Strikenden an- fängliG mit großer Rülsicht behandelt habe. Es handelt sich bei dieser Frage um eine Abweichung von dem Geseße, um die Ee Oeffentlichkeit und Gleichheit der Tarife für Alle. on diejem geseßlichen Grundfag kann der Minister unter keinen Umständen ab- weichen, und wenn es die Absiht sein sollte, der Regierung in dieser Beziehung irgend welche Befugnisse zu Ausnahmen von der geseßlichen Regel zu geben, so Han ih erklären, daß die Eisenbahnverwaltung ein zu großes Gewicht auf die Auf- rehterhaltung dieses Grundsaßes legt, als daß sie eine solche Aenderung unterstüßen könnte.

Abg. Schmidt (Marburg) bedauert, daß, nachdem die weitergehenden Anträge in der Kommission mit so großer Mehrheit abgelehnt sind, dieselben hier wiederholt würden. Herr Krupp habe durchaus keinen Anspruch, daß ihm für irgend welche Frachtermäßigung rückwirkende Kraft gewährt werde.

_ Abg. von Rauchhaupt: Der Abg. Berger hat dem Minister den Vorwurf gemacht, daß er mit allzu großer Rück- siht auf die strikenden Arbeiter verfahren jei. Ein solcher Vorwurf gegen einen abwesenden Minister ist bisher im Hause ganz unerhört gewesen. Hrn. Krupp ist ausdrücklich {hon am 9. Mat eröffnet worden, daß den ihm etwa zustehenden Tarifermäßigungen keine rückwirkende Kraft gegeben werden könne. Was will ? Ha Hr. Krupp? Hat er allein unter

dem Strike gelitten? Haben wir nitt Alle darunter gelitten, die wir Kohlen oder Eisen aus Westfalen beziehen wollten und nicht erhalten konnten ? :

Abg. Graf Kanit bedauert . ebenfalls lebhaft, daß der Abg. Berger einen so {wer wiegenden und nah seiner Meinung ungerechtfertigten Vorwurf gegen den Eisenbahn- Minister erhoben hat. Von einer Unsicherheit in den leitenden Kreisen den Strikenden gegenüber habe er nihts bemerkt; die Regierung habe im Gegentheil mit großer Umsicht und Energie die nothwendigen Maßregeln gegen die Strikenden getroffen. Redner hebt hervor, daß die G der Eisenbahntarife doch nicht genügen werde, die rheinish-westfälishe Eisenindustrie im Falle des Strikes der Bérgarbeiter mit den nöthigen Kohlen zu versehen, da dazu die gesammte Kohlenproduktion Ober- \hlesiens kaum ausreichen werde.

Abg. Berger bestreitet, den Minister von Maybach an- gegriffen zu haben. Er habe nur gesagt, daß auf die s{hließ- lihe Entscheidung des Ministers vielleicht allerlei Reflexionen und Meinungen höherer Kreise eingewirkt hätten. Er bleibe dabei, daß ohne diese Reflexionen der Strike sih rascher und anders entschieden hätte. Die Entrüstung des Abg. von Rauch- haupt, der übrigens andere Minister ganz anders angegriffen, als er (Redner) dies angeblich gethan, sei ihm ganz unbegreif- lich. Einen persönlichen Vorwurf gegen. den Minister habe er niht erhoben. Der Minister hätte nur seine Pflicht und Schuldigkeit gethan, wenn er auf seine Kollegen im Minister- rath und auf die Ansichten und Meinungen vielleiht noch höherer Personen Rücksiht genommen hätte.

Der Antrag der Kommission wird darauf angenommen.

__ Veber die Petition der Lehrer Deckert und Genossen wird gemäß dem Antrage der Petitionskommission zur Tages- ordnung übergegangen. , Die Petition der Grundbesißer B üßer und Genossen in Köthen u. a. O. des Oderbruchs wegen Bewilligung von 6 M aus Stadt ns zur Erbauung eines Schöpf- werkes bei dem Hohensaatener Wehr wird nah dem Antrage der Budgetkommisfion der Königlichen Staatsregierung zur Berücksichtigung dahin überwiesen, daß in den Etat des nächsten Rehnungsjahres zur Förderung des in der Petition

Uéber die Petitionen des Notars Dr. von Gordon in Oeynhausen und der Notare Linkermann und Gen. wird, soweit sie eine erweiterte Befugniß der Notare Ur Beeidigung von onen befürworten, zur Tagesordnung

gegangen; im Uebrigen werden sie dur die zum Geset- entwurf über das Notariat gefaßten Beshlüsse für erledigt

Gemäß dem Antrage dér Kommission wird über die Petitionen des La R Tien Eisenbahnschaffners Ritter IT. in Breslau und an Eisenbahnbeamten, sowie von Wittwen von Eisenbahnbeamten, betreffend die Versorgung Ver- unglückter und deren Hinterbliebenen, ferner der im Eisenbahndienst verunglückten Lokomotivführer Brodtke, Burkert und S@lott, betr. die Entschädigung von im Dienste verunglückten Beamten zur Tagesordnung übergegangen.

Ebenso wird nach dem Vorschlage der Kommission für Gemeindewesen über die Petition des Kreisausshusses des Kreises Kleve, betr. die Ungültigkeitserklärung der Er- nennung des Bürgermeisters zu Griethausen, nah kurzer Debatte zur Tagesordnung übergegangen. :

Darauf vertagt sih das Haus. luß 33/, Uhr.

Archiv für Poft und Telegraphie. Beiheft zum - blatt des Reichs-Postamts“. Herausgegeben im Auftra, ivi Rribo: Postamts. Nr. 10. Inhalt: 1. Aktenstücke und Aufsäye: Die Vorschläge Deutf&lands auf der internationalen Telegraphenkonferenz in Paris. Erkenntnis des Reihsgerihts über den Begriff „ex- prefser Bote“ im §. 2 des Postgeseßes. Der erfte Jahresbericht des italienishen Post- und Telegraphen-Minifteriuums (S&luß). Vortrag des Hrn. Regierungs-Präfidenten Rothe in Kaffel über den Kanzleistil. .— Veber die Entstehung von Wegen in Südwest-Afrika. 1II. Kleine Mittheilungen: Wiederbeseßung der Direktorstelle des internationalen Telegraphenbureaus. Londons Verkehrsmittel vor 150 Jahren. Seilbahn Paradiso. San Salvatore bei Lugano. Der Spalten-Drucktelegraph. Ergebniß der höheren Tele- L D An Jahren 1877 bis 1888. ewesen in Italien. Der Telegraph in Brasilien i 1888, Die größten Brücken. 0 Y A

Der Ernte-Ertrag des Jahres 1889 in Preußen. (Aus der „Statist. Corresp.*)

__ Gleichwie in den Vorjahren hat in Preußen nach Maßgabe der bezüglichen bundesrät:lichen Bestimmungen zu Ende Eee d. Fi die Erhebung über den Ausfall der Ernte des verflossenen Jahres in den einzelnen Gemeinden_ und Gutsbezirken stattgefunden. Bei Er- mittelung der Anbauflächen ift dabei insofern eine bedeutsame Aenderun eingetreten, als im 1889 er Erbebungéformulare für die mit den bezügliwen Früchten bestellten Flächen zwei besondere Spalten einges{altet worden sind, während früher nur die ziffermäßige Angabe der eingetretenen Veränderungen nachri{htlich verlangt wurde. Dieser gegen das bisherige Verfahren mehr in die Augen springenden und bequemeren rageweise entsprehend, find denn au vielfach von den bisberigen Mittheilungen abweichende Zahlen über den Umfang des Anbaues eingegangen. Jn einzelnen Erhebungsbezirken sind zwar die alten Flächen einfach übernommen worden; doch glauben wir nach den vorliegenden Erfahrungen {on jeßt mit Sicherheit annehmen zu dürfen, daß das in Preußen erftmals angewandte Verfahren der Ermittelung der jährlichen Anbauverschiebungen erziehlich wirken und mit der Zeit zu einer immer genaueren Feststelung derselben führen wird.

Na dem jolhergeftalt gewonnenen Material waren nun 1889 zur Gewirnung von Körnern bezw. von rut und Heu nachstehende Sein bestimmt, denen wir zur Vergleihung die Zahlen des Vorjahres bezw. die ihm gegenüber für die Mehr- bezw. Minder- erträge berechneten Prozentziffern angereibßt haben. Es wurden an-

gebaut ;

1889 gegen 1888 mebr(+) od.weniger(—)

a + 6 064 + 15 814 -+ 24 + 38 20 103 9537 7696

a. mit Getreide- u. Hülsen- 1888 1889 früchten : ha ha

L i 1019737 1025801 Sommerweizen .. 79 553 95 367 Winterspelz und -Emer. . 17 462 17 486 Sommerspelz und -Emer . 7 45 Wintereinkon. . . 606 586 Sommereinkorn . . 126 23 Winterroggen . 4318597 4309060 Sommerroggen 97 743 90 047 Wintergerste 19 808 17 688 Sommergerste . 907 906 881 910 Das 122 2499250 2549 891 Buchweizen . 188 995 181 685 Erbsen 342 708 332 991 Ackerbohnen. 102 519 103 014 Wien 125 893 125 540 Lupinen . .. 147 974 141 124

b, mit Hackfrüchten: U T p t 1 994 224 1 991 209

Kartoffeln . MOLSLO ; 195 688 202 092 obrrüben . 26 681 26 894 Weißrüben . 132 354 130 514 Koblrüben . E 85 402 86 516 c mit Handelsgewächsen : Winterraps 2. ; Sommerraps 2. . E ante d. mit Futterpflanzen : E ige I Esparsette . .. andere Futterpflanzen. . e als Wiesen 3286737 3293 224 f. als Weinberge . . . 17 100 17182 + 82. Die für 1889 bervortretende bemerkenswerthe Zunahme im Anba von Sommerweizen, Hafer und Klee bezw. der Wiesen dürfte im Wesentlichen dem Umstande zuzuschreiben sein, daß 1888 in Folge des Hochwassers mehr als 20500 ha der Aerfläche landwirth- \caftlich nicht benußt werden konnten. Ob in dem Rückgange des Kartoffelbaues um etwa 3000 ha und in der R RDe des Futter- rübenbaues um 6400 ha ih bereits der Einfluß der anderweiten Besteuerung des Branntweins geltend mat, wird sich erft in den näbsten Jahren sicher beurtheilen lassen. Der Rückgang der Raps- kultur um mehr als 6400 ha scheint durch einen annähernd gleichen Mehranbau von 6000 ha Winterweizen Ersaß gefunden zu haben. Die auf Grund der Oktober-Ermittelung des vorigen Jahres gehegten Erwartungen über den 1889er Ernteausfall ergeben mit der end- gültigen Ernte-Ermittelung im Februar 1890 bei den einzelnen rühten im Vergleih zwar theils Ueber- theils Untershäßungen, ommwen denselben aber bei Winterweizen, Winterroggen, Sommer- gerste, Hafer, Erbsen, Wicken, Lupinen und Kleeheu ziemli nahe und zeigen auch bei den übrigen Früchten, abgesehen vom Hopfen, niht fo auffallend große Abweichungen wie früher. Es wurde nämli angenommen, daß der Ausfall der 1889er Ernte nah den im Oktober dieses Jahres vorgenommenen Schäßungen gegen das Vorjahr betragen würde: beim Winterweizen 10,0 9%, beim Wintertodgen 0,4 9%, bei der Sommergerste ia 15,2, beim Ha er 13,2

Winterweizen .

T1 555 3216 3 905

1119 074 74 038 37100

310 027

TT 977 3 059 4 341

1111 338 75 695 38 285

319 766

Kartoffeln + 37,0, beim Winterraps und -Rübsen 31,2 bei Hopfen + 41,0, ‘beim Kleeheu + 12,9 und beim Wiesenheu

1889

+57 636| 8517

+ 274! + t

is 968) 1959 355)

| 99 018! 38 959)

1 705 649! 2 410 421! + 108 341 210 726!

+ 5,9 6,2

+ 944,8 + 95,8

78,4 5,1

19,8

Nach der endgültigen i Ermittelung wurden area S alis PNNIA: P 1889 gegen 1888 a. den Getreide- 1888 | oder weniger (—) u. Hülsenfrühten: 100 kg | in 100 kg | in Proz. dem S 943 380! 7,2 Sommer- | weizen. 974 249) 1031885 und -Emer 136 766! c Sommerspelz | 1040 Wintereinkorn 6 163 6 521 Sommer- | 1 234 Winterroggen Sommer- | } 498 897| 399 879 der Wintergerste 299 548! 260 593 der Sommer- | dem Hafer. . , 27405 358| 24 994937 - Buchweizen . 996 537} 1104878 Aderbohnen. 1161917| 1233968) F#+72051| 753 153] 730 444! 22 709

bei mehr (+) Lese E E L Winterspelz ; und -Emer 29| 303 einkorn 38 323 728! 36 364 373

roggen |

gerfte . 10 665 919] 8 9860 270 den Erbsen 2393 457} ‘2182 731

900362) 755058) 145 304

Widcken e Lupinen . b. den Hadck- früchten : den Kartoffeln davon frank . Futterrüben .

. 140 048 de 169 364 398| + 29 315 953! 6 882 541] 9509 802| + 2 627 261 24 957 717} 30249 125| +5 291 408 Möhren . . 2820969| 3326314 #505 345) Weißrüben . 4832084| 6563165| +1731081| Kohlrüben . 7178415) 8786 423| + 1608 008)

. den Handels- | | gewächsen: | dem Winterraps | u. st w. . 844 741)

Sommerraps | 16 658|

Wi 15 758

-

-

D O A D G5 O D N J m C0 D

-

Ma 00 O 5 b O

638 385

16 423 15 833

206 356) 4 935) dem Hopfen + 75) d. den Futter- | | pflanzen : | dem Klee als |

24 127 319

Futter 67 770

Klee als Samen . + 17, 2366178) 2464816 + 98 638 4 868 630) 907 573 + 38 943 4 0 2

der Luzerne .

Esparsette . den anderenFutter- |

5507348) 5526 524 + 19 176}

61 179 429} 68 744 608| +47 565 179

bl hl hl |

pflanzen . e* dem „Wiesenheu f. dem Wein . 266 843 281 313 +14 470 + 5,4 Der vorjährige Minder-Ertrag an Körnerfrüchten hat seinen haupt\sähli{ften Grund in der ungewöhnlichen Trockenheit während der Monate Mai und Juni 1889, worüber hauptsählich im Often der Monarchie geklagt wurde. Von den 55 064 Erbebungsbezirken des Staats wurden allein 10527, d. h. 19,1% durch Dürre geovigl: Von nicht weniger als 1928 Gemeinden der Provinz stpreußen, 1777 Gemeinden der Provinz Posen und 2185 Ge- meinden der Provinz S(lesien, d. f. 23,5 bezw. 31,7 und 23,3 % aller Erhebungébezirke der genannten Provinzen, wurde als wesent- lihste Beeinträhtigung des Ernte-Ertrages die Dürre angegeben, während in den übrigen Theilen des Staats noch 4637 Erhebungs- bezirke den Ernteausfall auf die gleihe Ursabe zurückühren. Die vorjährige Kartoffelernte kann insofern als eine gute bezeihnet wer- den, als sie den hôöchsten Ertrag innerhalb des leßten Jahrfünftes lieferte, nämlich 16 936440 t (zu 1000 kg) gegenüber dem zweit- böten 16 785 754 t betragenden des Jahres 1885. Dagegen war die Anzahl der erkrankten Kartoffeln {on bei der Ernte eine bedeutend größere, als in den Vorjahren; sie betrug 9,6 gegen 3,0% im Jahre 1885, 1,0 im Jahre 1886, 1,1 im Jahre 1887 und 4,9% im Jahre 1888. Die Strohernte war nur eine Dae und ftand recht erheblih gegen diejenigen der leßten Jahre zurück, wogegen allein die Heuernte von den Wiesen mit 68 744 600 Doppelcentnern gegen 61 179 400 im Vorjahre als eine gute bezeihnet werden kann. Stellen wir nunmehr die endgültigen, bei sons gleihen Auf- bereitunz8grundsäßen gewonnenen Ergebnisse der leßten fünf Jahre für die wichtigsten Getreide-, Hack-, Handels- und Futterpflanzen hier- unter zusammen, so ergiebt si, daß geerntet wurden: a. an Frucht: 1885 1886 1887 1888 1889 bei Tonnen zu 1000 kg dem Winter- | | | weizen . . 1333 0 1373 064] 1485 428! 1 314 418 1 220 078

dem Winter- 4-369 i 3832 373| 3 636 437

roggen . . 3968433/| 4143919

der Sommer- | gersle . . 1035389] 1108 322| 1 074 106] 1066 592| 896 027 dem Hafer . 2550 894| 2888 111} 2664 377} 2740 536| 2 499 494 in Vas 16 785 754/16 245 143/16 164 892/14 004 845/16 936 440

en utter- | | rüben . 2751 750} 2731 187] 2 566 546) 2495 772| 3 024 913 84 474 63 839

26 060 534 . 79 915

+1 933215 +12 145

|

dem Winter- | aps Li 97 615 93 562 98 993! b. an Stroh: bei

dem Winter- weizen . . 2164755] 2 059 525] 2 297 117| 1 945 339| 1 754 972 dem Winter-

roggen . . 7836 187|/-7145 868! 8 320 124| 6 545 621| 5 998 897

der Sommer-

gerste . 1258 084/ 1304 434} 1 283 523! 1 215 992| 1 007 499 dem Hafer . 3 362593] 3 705 042| 3 424 164| 3525 156] 3 143 545 c. M Heu:

ei

dem Kleeheu . 2654 823] 2 444 835] 2 364 827| 2412 732] 2 606 053 demWiesenbeu 6 811 183] 6 647 163| 6 233 569] 6 117 943| 6 874 461 Das Gesammtergebniß der 1889er Ernte macht hiernach mit Ausnahme der Kartoffeln und Futterrüben sowie des Klee- und Wiesenheues sowohl im Körner- wie im Strohertrage im Verglei mit den Vorjahren bei sämmtlihen von uns in Betracht gezogenen Früchten mehr oder weniger erheblihe Ausfälle ersihtlich und läßt bie Klagen, die vielfah aus den Kreisen der Landwirthe laut geworden sind, wohl als berechtigt erscheinen.

Statistik und Volkswirthschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

Die Feilenhauer-Vereinigung in Remscheid beschloß am 8. Juni in einer zahlreih besuhten Versammlung, vom 10. d. M. ab zu ftriken, da der Fabrikantenverein die geforderte Erhöhung des Lohntarifs abgelehnt hat. Nur bei denjenigen Fabrikanten, wel Ee

rbe fortgeseßt werden.

verlangten Preise bezahlen, soll, wie die „Glbf. Ztg.“ hört, die Auf der Schiefergrube Hasenloch bei Mayen hat, wie der

wogroenen Projektes ein angemessener Betrag eingestellt

den L 4,0, bei den Ackerbohnen 4,8, den Wien + 0,3, beim Buchweizen + 22,3, bei den Lupinen 13,4, bei den

«M. Volksztg.* gemeldet wird, am 9. Juni, Morgens, ein Theil der

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