1890 / 141 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 13 Jun 1890 18:00:01 GMT) scan diff

Auf den Antrag des Herrn von Kleist-Rehow wurde der Gegenstand der vorgerückten Stunde wegen von der Tages- ordnung age. y Í

Darauf gab der Präfident die ie Geschäftsübersicht.

Herr vön Kleist-Reßow sprah dem Präsidenten den Dank des Hauses für die Gefchäftsleitung aus, und die Mitglieder erhoben sih zum Zeichen dessen von ihren Sißzen.

Unter dreimaligem Hochruf auf Se. Majestät den

Kaiser und König wurde die Sißzung um 13% Uhr ge- schlossen.

_— Scchlußsißung der vercinigten beiden Häuser des Landtages. Freitag, 13. Juni, 3 Uhr. Am Minister- tische die Staats-Minister Dr. von Boetticher, von Maybah, Dr. von Scholz, Dr. von Schelling, Dr. von Goßler, Herr- furth, Freiherr von Berlepsch.

Präsident des Herrenhauses Herzog von Ratibor: Auf Grund der Vereinbarung beider Präsidenten des Landtages übernehme ich den Vorsiß und ernenne zu Schriftführern die Herren von Neumann und von Reinersdorf und die Abgg. Kohlish und von e Der Vize-Präsident des Staats- Ministeriums hat das Wort.

Vize - Präsident des Staats - Ministeriums Dr. von Boetticher: J habe der hohen Versammlung eine Aller- Ane Botschaft mitzutheilen (die Anwesenden erheben ih). Sie lautet:

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen 2c., haben auf Grund des Artikels 77 der Verfafsungsurkunde vom 31. Januar 1850 den Vize-Präsidenten Unseres Staats-Ministeriums von Boetticher beauftragt, die gegenwärtige Sißung der beiden Häuser des. Landtages Unserer Monarhie am 13. Juni d. I. in Unserem Namen zu \{ließen.

Gegeben Berlin, den 11. Juni 1890.

WilhelmRKR.,

von Caprivi. von Boetticher. von Maybac.

Freiherr Lucius vonBallhausen. vonGoßler. vonScholz. Herrfurth. von Schelling. von Verdy. Freiherr von Berlepsch{.

Jm Allerhöchsten Auftrage Sr. Majestät des Kaisers und Königs erkläre ih den Landtag der Monarchie für geschlossen. u U aditu

STONDEN ETLZOU ine 0 C 2 E 1 U Kaiser, unser Allergnädigster König und Herr, Er lebe hoh! (Die Anwesenden stimmen dreimal begeistert in den Ruf ein.)

Schluß 3 Uhr 8 Minuten.

Die Militär-Kommission des Reichstages hat gestern mit 20 gegen 8 Stimmen der Deutsch-Freisinnigen, Sozialdemokraten und Volkspartei den §. 2 der zur Berathung stehenden Vorlage angenommen. Er lautet:

Vom 1. Oktober 1890 ab werden die Infanterie in 538 Bataillone, die Kavallerie in 465 Escadrons, die Feld: Artillerie in 434 Batterien, die Fuß- Artillerie in 31 Bataillone, die Pioniere in 20 Bataillone, der Train in 21 Bataillone formirt.

Die Abstimmung über F. 1 (die Höhe der Friedens- präsenzstärke) ist bis zum Montag verschoben worden. Von dem Abg. Dr. Windthor st sind zugleich folgende Reso lu- tionen eingebracht worden :

Die Kommission wolle beschließen :

1) die Erwartung auszusprechen, daß die verbündeten Regierungen Abstand nehmen werden von der Verfolgung von Plänen, durch welche die Heranziehung aller wehrfähigen Mannschaften zum aktiven Dienst durgeführt werden \oll, indem dadurch dem Deutschen Reich geradezu unershwinglihe Kosten erwahsen müßten, '

2) die Erwartung auszusprechen, daß die verbündeten Regierungen in eine etwaige weitere Vorlage behufs Abänderung des Geseßes über die Friedenspräsenzstärke des Heeres unter Aufhebung der Fristbestim- mung des Septennates das Etatsjahr als Bewilligungsfrist aufnehmen werden, während der Reichstag es ih vorbebält, auch bei fonstiger si ergebender geeigneter Gelegenheit die Durhführung dieser Aende- rung der Frist zur Geltung zu bringen,

i 9) die e etiäWli@ee Dresen zu ry n; cine E S minderung thatsäclich ei aktiven js dur Verlängerung A Cr sei es dur Vermehrung der Dispositionsbeurlaubungen eintreten zu lassen, i A

iter wretjährigen Regi erungen zu erjuchen, die Einführung der Erwüigüng zu ziehen.

Die Arbeiterschuß-Kommission des Reichstages hat gestern §. 120 der Gewerbe-Novelle, welcher von den Fortbildungs)ulen handelt, mit dem Zusaß, daß der Fort- bildungsunterriht in die Arbeitszeit der jungen Männer fallen soll, angenommen.

Theater und Musik.

Lessing-Theater.

Die für morgen angesetzte Wiederholung von Dêcar Blumen- thal's Lustspiel „Der Zaungast“ is die vorlegte Vorstellung der Saison, während übermorgen mit der siebenundneunzigsten Auf- führung von Hermann: Sudermann's Schauspiel „Die Ehre“ die Thâtigkeit des Lessing- Theaters sür die Dauer von zwei Monaten ihren Abschluß findet.

Kroll’s Theater.

In der morgen stattfindenden Aufführung der „Entführung aus dem Serail“, in welcher Marcella Sembrih zum ersten Male die Constanze singt, ift der Partner Conftanze’'s als Belmonte Hr. Cron- berger, während Frl. Shacko als Blondchen auftritt. Den Osmin singt einer dér ges{äßtesten Vertreter dieser berühmten Baßpartie, Hr. Riechmann, den Pedrillo Hr. Bufsard.

Mannigfaltiges.

Se. Königliche Hoheit der Kronprinz von Jtalien stattete heute Vormittag der Ersten Allgemeinen Deutschen Pferde- ausftellung einen Besuch ab.

Das Seehospiz auf dem Kolberger Deep, eine Filial- Anstalt des unter dem Protektorat Ihrer Mai estät der Kaiserin stehenden Elisabeth - Kinderhofpitals, wird, wie das „Dtsch. Tagebl.“ mittbeilt, am 7. Juli eingeweiht und der Benußung übergeben werden. Der 7. Juli ist zugleich der Geburtstag des Prinzen Eitel-Friedrih und für die Einweihung deshalb gewählt, weil die erlauhte Protektorin in die von ihr dem Seehbospiz geshenkte Bibel dieses Datum und zwar mit dem Spruch: „Was ihr gethan

CiTL G aut alta autau ain Metan SaA Gat thr miv nothan

spricht der Herr !* eingetragen hat.

Tausend Kinder gehen, wie die „Nat.-Ztg.“ mittheilt, am Montag, 5. Juli, in Ferienkolonien. Das Comité hat am Mittwoch den Reiseplan endgültig festgestellt. Von den wirklich Kranken gehen {on vorber, am 20. Juni, 8 Knaben und 20 Mädchen nah der Kinder-Kuranstalt Frankenhausen am Khyffbäuser und am 1. Juli cbenso viele nah der Kinder-Kuranstalt Harz- burg. In Soolbäder werden gesandt 185 Knaben und 160 Mädchen, in Seebäder 190 Knaben und 200 Mädchen, in Stahl- bäder 30 Mädchen, in Voll-Kolonien 160 Knaben und 200 Mädchen, in Berliner Soolbäder 86 Knaben und 100 Mädchen, in Berliner Ganztag-Kolonien 35 Mädhen und in Halb-Kolonien 339 Knaben und 561 Mädchen. Von gegen 4000 Kindern, welche die Vertrauens- ärzte empfohlen hatten, hat das Comité 2300 Kinder zu berück- sihhtigen beschlossen. Dasselbe hofft noch auf die werkthätige Unter- stüßung seiner Mitbürger. Beiträge nimmt Hr. Banquier Simon, Neustädtishe Kirchstraße 11, entgegen.

Für stotternde Schulkinder hält Hr. W. Prefting, In- haber des Berliner Sprachheil-Instituts, Königgräterstr. 112, in den Sommerferien einen Kursus ab, bei welchem Unbemittelten das Honorar den Verhältnissen nach ermäßigt wird resp. frei steht. Kinder von außerhalb erhalten vollständige Pension, Ausführlihe Prospekte über Heilverfahren sind kostenfrei zu haben. /

Der Brauerei-Maschinenmarkt und die Ausstellung für Trinkgefäße, welhe der Verein „Versuchsck und Lehr- anstalt für Brauerei“ in der großen Maschinenhalle des Landes- ausftellungsparks veranstaltet hat, wird morgen früh um 9 Uhr er- öffnet werden. Die Ausstellung ift die größte bisherige Spezial-

Wetterbericht vom 13, Juni,

8 8 Rbr. M Ss E hx Regen.

A i,

Gewitter mit Niederschlägen. In Hamburg fielen 43 mm Regen und Hagel.

Lesina meldet 21 mm der Borstellung 74 Uhr. Sonntag und folg. Tage:

Deutsche Seewarte Biedermann.

Stationen. Wind. Wetter.

Bar. auf0 Gr.| Temperatur in ? Celsius

u, d. Meeres\p. red. in Millim.

=I D

bededckt bedeckt halb bed. halb bed. wolkig

Mullaghmore Aberdeen .. | 768 Ghristiansund | 765 Kopenhagen . | 757 Stockholm . | 758 Haparanda . | 756 beiter St. Petersbrg.| 757 bededckt Mosfau . …. | 757 bedeckt

Gork,Queens3- town ... | 767 halb bed. Cherbourg . | 762 i wolkig Helder... . | 759 Regen Sylt 758 halb bed.) ura n GUTSL bedeckt2) roinemünde | 756 3 bedeckt Neufahrwafser| 754 3 Nebel Memel ... | 755 3 wolkig ars... 1 760 2\bedeckt ünster. .. | 758 2 halb bed. Karlsruhe . . | 759 3\wolkig Wiesbaden . | 758 itilliheiter München . . | 760 5\bedeckt Ghemniz .. | 754 |WSW 2wolkig Berlin... . | 755 |NW 3|Regen Wien .…... | 759 |W 3\halb bed. Breslau. . . | 754 |W 4\Regen

Jle d’Aix 765 |NW 5/bedeckt 6 Gc 757 INND 3heiter «l 7598 |SW 1liwolfenlos

© [50(. = 4:9

NNO N haus. von G. Verdi.

Lamionad o

bek pu prr O H

zügen von Schi

pk pk jmd V0 Hck ck

\{lofsen.

—_— cen

der Wilduiß.

Montag :

Sonntag : Hierauf :

pemk pr | rk per jeth pr per pm ded pem per | ermd Pr pur Prreck 00ck S E E E Ec

dD D

1) Von 1 bis 3 NaGmittags Gewitter. 2) Gestern Nachmittags starkes Gewitter mit starkem Regen und Hagelfall

Uebersicht der Witterung.

Ein barometrishes Maximum von etwa 770 mm liegt „westlih von den Britischen Inseln, eine um- fangrêïihe Depression zwischen der Oftsee und dem Schwarzen Meere. Vei wacher Luftbewegung ist das Wetter in Deutschland kühl und trübe, Im nordwestdeutschen Küstengebiet gestern Nachmittag

Sudermann.

Wien. Zum

C I I E Theater - Anzeigen.

Königliche Schauspiele. Sonnabend: Opern- 144. Vorstellung. Text von Antonio Ghislanzoni, für die deutshe Bühne bearbeitet von Julius Schanz. Ballet von Paul Taglioni. Kahl. Anfang 7 Uhr. Schauspielhaus. 149, Vorstellung. Don Carlos, Jnufant von Spanien. ler. In Scene gelebt vom Direktor Dr. Otto Devrient. Anfang 7 Uhr Sonntag bleiben die

Deutsches Theater. Sonnabend: Der Sohn

Sonntag: Der Richter von Zalamea. Das Käthchen vou Heilbronn.

Berliner Theater. Sonnabend: (Friedrich Mlerourter Gräfin Lea. (Ludwig Barnay.) Montag: Zum Doctor Wespe. wurzer.) Anfang Uhr.

Lessing =- Theater. Sonnabend: Vorleßte Auf- führung in dieser Saison. spiel in 4 Akten von Oscar Blumentha

Sonntag: Leßte Aufführung in dieser Saison Die Ehre. Schauspiel in 4 Akten von Hermann

Wallner-Theater. Sonnabend: Gastspiel von Therese Biedermann vom Theater an der Wien in

Vaudeville in 3 Akten und 4 Bildern v . Meil und A. Millaud. O R

Aida. Oper in 4 Akten Anfang 74 Uhr Sonntag t

Dirigent: Kapellmeister

Trauerspiel in 5 Auf- | Concert-Park.

Sonnabend :

Direktion:

Königlichen Theater ge- | Lid Julius Bauer.

Künstler.

Im Park um Uhr:

Hamlet. | Montag: Dieselbe Borsig.

Kroll's Theater.

Mein neuer Hnt. (Friedrich Mitter-

1. Male:

cella Sembrich, als Gast.) Täglih: Bei der Vorstellung,

leuGtung des Sommergartens:

Der Zaungaft. Luft- 105. Male: Der Nautilus.

Militär-Doppel-Concert. Spezialitäten.

Male: Mamsell Nitouche. | der Vorstellung 74 Uhr.

Musik von M. Hervé.

für die Fußtruppèn in ernstliche

Bor der Vorstellung, bei günstiger Witterung : Großes Garten-Goncert. Anfang des Concerts 6#,

Gastspiel von Therese Mamísell Nitouche.

Victoria-Theater. Sonnabend: Lum 298, M.: Stanley in Afrika. Zeitgemälde in 10 Bildern von Alex. Moszkowski und Richard Nathanson. Musik von C. A. Raida. Ballet von G. Severini,

Dieselbe Vorstellung.

Friedrih-Wilhelmstädtishes Theater und

Julius Frißsche. Zum 148. Male: JFonathan. Operette in 3 Akten von Hugo Wittmann Musik von Carl Millöcker. In Scene geseßt von Julius Frißsce. Hr. Kapellmeister Knoll. Anfang 7 Uhr.

Im prachtvollen Park um 6 Uhr: Fest (verbunden mit einer großen Freilotterie mit 30 Gewinnen), unter Mitwirkung von 3 Musik-Corps. Auftreten sämmtlicher Instrumental- und Gesangs-

Sonntag: Im Theater: Der arme Jonathan. Großes Doppel-Concert.

Sonnabend: Die Ent- führung aus dem Serail. (Constanze: Fr. Mar-

ünstigem Wetter vor und nach bends bei brillanter elektr. Be- Großes Concert. Anfang d, der Vorstellung 7 Uhr.

Belle-Alliance-Theater. Sonnabend: Zum

Jm prachtvollen glänzenden Sommergarten : Großes Auftreten sämmtlicher Brillante Illumination des ganzen Garten-Etablifsements. Anfang des Concerts 6 Uhr,

Sonntagt Dieselbe Vorstellung.

veranstaltung für das Brauereigewerbe; insgesammt haben sich 115 Aussteller an ihr betheiligt.

Spandau, 13. Juni. (W. T. B.) Heute Nahmittag 123 Ubr Fand in «einem Trockengebäude in der neuen Pulverfabrik, in welchém 2% Faß N ulver lagerten, ‘cine Explosion tatt. Das Trockengebäude wurde vollständig verwüstet, eine arößere Anzahl anderer Gebäude wurde stark beschädigt. In vielen Häusern wurden die Fenster zertrümmert. Von den Arbeitèrn haben mehrere durch herumfliegende Trümmer und Splitter leihte Verlezungen erlitten.

Stuttgart, 12. Juni. (St.-A. f. Ba Der Ehrenbürger- brief der Stadt Stuttgart für den Fürsten Bismarck hat folgenden Wortlaut: L S „Wir Ober-Bürgermeister und Gemeinderäthe der Königlich württembergishen Haupt- und Residenzstadt Stuttgart urkunden und bekennen hiemit, daß wir mit Zustimmung des ürger-Aus\{uses beschlofsen haben: Sr. Durchlaut dem Fürsten Bismarck, Herzog von Lauenburg, in dankbarer Anerkennung seiner unvergänglihhen Verdienste um des geliebten deutshen Vaterlandes lang ersehnte Einigung und Festigung und in aufrihtiger Bewunderung feiner während -des denkwürdigsten Drang ies der deutfchen Geschichte als Kanzler des Deutschen Reichs bewiesenen hohen Staatskunit, un- ershütterlihen Thatkraft und ehten deutschen Treue das Ehrenbürger- recht der Stadt Stuttgart zu verleihen. In Vollziehung dieses Beschlufses is die gegenwärtige Urkunde ausgefertigt, von uns unter- zeihnet und mit dem großen Stadtsigill versehen worden. So ge- \hehen ¿zu Stuttgart am 1. April Eintaufend aht hundert neunzig. Ober-Bürgermeister und Gemeinderäthe.“ (Folgen die Unterschriften.) Darauf ist folgender \hriftliher Dank eingetroffen: „Fried richs- “ruh, den 9. Juni 1890. In der in Ihrem Auftrage von Hrn. Adolf Schiedmayer mir übersandten geschmadckvoll ausgeführten Adresse freue ih mi meine eigene Ueberzeugung bestätigt zu sehen, daß unsere wiedergewonnene nationale Einheit auf unershütterlihen Grundlagen beruht. Ich freue mich, meinen Mitbürgern meinen verbindlichiten Dank für diese kunstvolle und ehrende Adresse hier demnächft mündlih aussprechen zu können. (gez.) v. Bismar ck.“

Nach Schluß der Redaktion eingegangene Depeschen.

München, 13. Juni. (W. T. B.) Nach dem zuleßt ausgegebenen Bulletin über das Befinden des Freiherrn von Lug hatte derselbe eine weniger ruhige Nacht, do stellte sich Schlaf ohne vorherige Anwendung von Morphium ein. Die Anshwellungen sind vershwunden, die Herzkraft zu-

Erste Beilage

zum Deulschen Reichs-Anzeiger und Königlih Preußischen Staats-Anzeiger.

Me 141.

Parlamentarische Nachrichten.

Schluß des Berichts der gestrigen (15.) Sitzung des Reichstages. Fortseßung der zweiten Berathung des Geseß- entwurfs, betreffend die Feststellung eines Nachtrags zum Reihshaushalts-Etat für 1890/91 (Oft- Afrika).

Abg. Dr. Windthorst: Eine eingehende Würdigung der Vorlage ist schon deshalb nicht mögli, weil es an Mit- theilungen darüber fehlt, was man nach dieser Forderung in Zukunft noch zu erwarten hat, und ob die in Frage stehenden

esellshaften überhaupt lebensfähig sind ‘und Ausficht vor- handen ist, ob sie das übernehmen fönnen, was wir jevt tragen. Mein Standpunkt in Bezug auf die Kolonialpolitik ist und bleibt der, den der Fürst Bismarck seiner Zeit dar- gelegt ‘hat, daß wir durch Uebernahme der Hoheit einen Schus für die Unternehmungen und für die Unternehmer über- nehmen, aber keineswegs die Kosten. Man hat uns hingewiesen auf ähnliche Verhältnisse der englishen Kolonien, aber davon sehe ih hier nihts, sondern ih sehe hier die Entwidelung einer vom Staat verwalteten Kolonie, die Schaffung einer Provinz von einstweilen sehr primitivem Zustande. Deshalb würde ih von diesem Standpunkte eine Zurückweisung der Vorlage an die Kommission beantragen, wenn nicht der Staats- sekretär des Auswärtigen Amts erklärt hätte, in der nächsten Session, die schon in einigen Monaten beginnen wird, sollte ein Ege, Plan vorgelegt werden und es würde dann geit sein, auf Grund dieses vollständigen Plans die weiteren

eshlüsse zu fassen. Jndem ih diese Erklärungen juristis{ scharf acceptire, möchte ih darauf hinweisen, daß es sich nit jowohl um neue Bewilligungen handelt, als um die Zahlung einer bereits kontrahirten Shuld. Jch kann es meinerseits nit ablehnen, daß wir unsere kontrahirten Schulden bezahlen, und daß wir außerdem iedenfalls die Verhältnisse auf-

Berlin, Freitag, den 13, Juni

wesentlich auf unsere Marine zurückühren und in derselben außerordentlich große Erfordernisse verursaht haben. Es sind in den legten Fahren ganz ents große, viel zu große Bewilligungen für die Marine erfolgt. Jn diesem

ugenblick beschäftigen wir uns mit einer Militärvorlage, welhe dem Lande s{hwere neue Lasten auferlegt. Werden die betreffenden Forderungen bewilligt, so find fie für die Landarmee nothpenvig gewesen. Auch hier zeigt fih wieder, was ih immer behauptet habe, daß Deutschlands Kraft nicht in der Marine, sondern im Landheere liegt. Wollen wir unsere Autorität bewahren, wie wir sie jegt besißen, so müssen wir eine starke Armee haben. Erfordern die Kon- stellationen der Gegenwart solche ungeheure Rüstungen, wie sie gemacht werden, dann müssen wir auf allen anderen Gebieten uns auf das Aeußerste beshränken und auf den ursprünglichen Gedanken zurüdckfkommen, daß die Flotte nur zu Defensiv-, nicht zu Eroberungszwecken da sein soll. Wir find vollklommen in der Lage, allen Mächten gegenüber durch unsere Armee unsere Autorität aufreht zu erhalten, aber wir haben nicht Menschen und nicht Geld genug, um eine Flotte zu unterhalten, wie sie etwa England oder Frankreich besißen ; eine Defensivflotte zur Ver- theidigung unserer Küsten muß uns genügen. Darum erkläre ih schon jeßt, bei den großen neuen Anforderungen für die Landarmee können wir neue Forderungen für die Marine nicht in Aus- sfiht nehmen und die in Aussiht genommenen müssen wir joweit als irgend möglih beshränken. Das hängt mit den Kolonialfragen eng zusammen. Wir müssen na allen Seiten prüfen, ob uns die Vergangenheit auf diesem Gebiet nicht schon zu stark hat vorgehen lassen. Diese Aeußerungen mögen manchen von Jhnen nicht angenehm sein, es hilft aber nichts. Die immerwährenden Neuforderungen berühren mich auch niht angenehm. Die hier geforderte Bewilligung auszusprechen, wird mir nicht s{hwer, weil sie für mih die Folge früherer

1890.

eben der grundsäßlihe Unterschied in unseren AnsGazungen, Wir können nit verlangen, daß schon jeßt bei den Geschäften in Afrika etwas verdient wird. Es stehen so große Jnteressen auf dem Spiele, daß dieser Standpunkt des Abg. Dohrn nicht e Ert: ist. Ganz entschieden protestiren muß ih gegen eine Aeußerung, zu welher sich niemals ein Mitglied des englishen Parlaments hätte hinreißen lassen, daß die Regie- rung aufgefordert werden solle, aufzuhören mit der fort- dauernden Vergrößerung des Gebiets. Ein Blick auf die Landkarte zeigt, wie bescheiden unser Antheil an dem «ha kanischen Gebiet ist. Mit seiner Ansicht wird der Abg. Dohrn keine dauernde Zustimmung im deutschen Lande finden. Der Aufenthalt des Majors Liebèrt soll zu kurz gewesen sein um ein Urtheil zu gewinnen. Jch weiß ncht, 0 der Abg. Dohrn schon. in der Lage gewesen ist, ih von der Schnelligkeit und Schneidigkeit der deutschen Offiziere zu überzeugen, mit welcher dieselben fremde Gegen- den, z. B. Manöverterrains, Flußläufe u. dgl. zu beurtheilen in der Lage sind. Es hat mich das Resultat eines fünf- wöchigen Aufenthalts eines deutshen Offiziers daselbs dur- aus nicht befcemdet. Ein anderer Offizier hätte sih ebenso ein authentishes Bild über die augenblicklihe Lage machen können. Es ist für den Reichstag sehr wichtig gewesen, und wir sind der Regierung dafür dankbar, daß sie einen gänzlih Unbetheiligten, wie den Major Liebert, sich an Ort und Stelle hat orientiren lassen, damit er uns seine Erfahrungen mittheile. Was das Klima betrifft, so stelle ih der Autorität des Reisen- den Fischer die des Geh. Rath von Bergmann entgegen, der noch vor wenigen Tagen sich dahin aussprach, daß in Ost-Afrika das gelbe Fieber nicht wvorkomme. Am Missisippi herrshte früher auh ein ungesundes Klima und jeßt existiren dort große Städte mit Hunderttausenden von Einwohnern. Ost - Afrika ist

5 TTW- München, 13, Juni. (W. T. B.) Der Prinz- Regent hat das zeitweilige Entlassungsgesuch des Geheimen Raths Dr. von Nußbaum unter gleichzeitiger Verleihung des St. Michael-Verdienst-Ordens zweiter Klasse gee Wien, 13. Juni. (W. T. B.) Wie die „Neue Freie Presse“ meldet, wurde der serbishe Gesandte Simic gelern in Pest von dem Kaiser zur Ueberreichung seiner eglaubigungsschreiben außerordentlih huldvoll empfangen.

__ Bern, 13. Juni. (W. T. B.) Der Ständerath hat einstimmig und der Nationalrath mit 112 gegen 2 St. den Antrag des Bundesraths auf Aufnahme eines neuen Artikels in die U d GSRELL F RKg angenommen, wonach der Bund auf dem Wege der Gesebge s die Kranken- und Unfallversiherung unter Berücsihtigung der bestehenden Krankenkassen einrichtet und den Beitritt zu der Versicherung allgemein oder für einzelne Bevölkerungsklassen obligatorisch erklären kann. Ueber diesen Antrag hat nunmehr noch die Volksabstimmung stattzufinden.

Konstantinopel, 13. Juni. (W. T. B.) Laut einer Meldung der „Agence de Constantinople“’ hat die „Jnternatio- nale Sanitätskommission“ die Gerüchte über den Ausbruch der Cholera in Djeziret (Klein-Asien) für un- begründet erklärt. Es handele sich um Vergiftungs- ersheinungen in Folge des Genufses von Pflanzen.

(Fortsezung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)

Urania, Anstalt für volksthümliche Naturkunde.

Am Landes-Ausftellungs - Park (Lehrter Bahnhof). Geöffnet von 12—11 Uhr. Täglih Vorstellung im G U Theater. Näheres die Anschlag- zettel.

Familien-Nachrichten.

Verlobt: Frl. Helene Dölle mit Hrn. Albert Schur S Frl. Minna Bremeyer mit Hrn. Wilhelm Gremmel (Lahen—Gronau a. d. Leine). Frl. Melitta Greif mit Hrn. Richard Göring (Krakau—Magdeburg). ne Auguste Ließmann mit Hrn. Louis Bush (Osterode a. H. Harburg). Frl. Bertha Krause mit Hrn. Max Theuerkauf (Leipzig—Velkmarsdorf).

Verehelicht: Hr. Notar Emil Weiß mit Fel. Traudhen Schmiß (Kevelaer—Eckendorf). Hr. Robert Hidde mit Frl. Therese Wenzel (Ham- burg). Hr. Dr. med. G. Werner mit Frl. Meta Korn (Berlin). Hr. Richard Shwehten mit Frl. Margarethe Engelhardt (Hannovex) Hr. Robert Berkling mit Frl. Bertha Fischer (Leipzig). Hr. Georg Shmuck mit Frl. Natalie Ermekeil (Berlin).

Geboren: Ein Sohn: Hrn. Franz Hesemann (Berlin). Hru. Frit Klähr (Berlin). Hrn. Stabsarzt Dr, Oftmann (Königsberg). Hrn. Kapitän-Lieutenant v. Klein (Berlin). Hrn. Dr. med. Döring (Kohren). Hrn. Paul Göldner (Leipzig). Eine Tochter: i Nes Fabrikbesitzer Oskar Keil (Agnetendorf i. Ricsengeb.). Hrn. Georg Peters (Dom. Langenberg). Hrn. Prem.- Lieutenant Lutteroth (Brandenburg a. H.). :

Gestorben: Hr. Kaufmann Theodor Lange (Dall- dorf). Hr. Rechtsanwalt Theodor Schroeder (Berlin). Hr. Rentier Wilhelm Meyer (Rosto). Hr. Rittergutsbesißer Alexander Friedr. Kon- ftantin v. Mitschke-Collande (auf Groß- Butschkau). Hr. Baumeister Ebeling (Braunschweig). Frl. Hedwig van Baren (Berlin).

Der arme

Dirigent : Großes Park-

Rédacteur: Dr. H. Klee.

Berlin: Verlag der Expedition (S ch olz).

Druck der Norddeutshen Buchdruckerei und Verlags- - Anstalt, Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32.

Sechs Beilagen (eins{chließlick Börsen-Beilage).

recht erhalten und fortführen, bis wir nach Vorlegung des in Au?tsihht gestellten Planes überlegen können, was weiter geschehen joll. Jn der ersten Berathung hat mein Freund aus der freisinnigen Partei, der am Konsequentesten die Kolonialpolitik angegriffen hat, gesagt, es müsse jedenfalls auch von ihm und seinen Freunden Das bewilligt werden, was nothwendig sei, um die Liquidation auszuführen. Jeßt hat der verehrte Herr diese ganze Sache doch etwas radikaler genommen und gesagt, er würde kein Bedenken tragen, alle Munition u. \. w. in Afrika zu lassen, die Sache ganz auf- ugeben und die Kolonie ihrem Schicksal zu überlaffen. Auf iefem Wege kann ih ihm doch unter keinen Umständen folgen. Der Abg. Haußmann hat nach meiner Meinung nicht recht fonsequent gehandelt; das kann jedenfalls bei einer Jungfernrede vorkommen. Er will auch mit dabei sein, um die Kultur in Ost-Afrika zu verbreiten, er will aber dafür kein Geld bewilligen. Jh kann mir ein gänz- liches Aufgeben der Kolonie nur denken, wenn die absoluteste Noth uns dazu zwingt. Die Sache jegzt aufgeben, heißt den deutschen Namen nit allein in Afrika, sondern auch in Europa wesentlich herabsezen. Allerdings wäre es vielleicht besser gewesen, wir hätten dort gar nichts angefangen. Aber nicht allein was auf dem materiellen Gebiet in Frage steht, ist zu berücksichtigen, es sind auch die kulturellen Ziele und Zwecke recht fest ins Auge zu fassen, und nah meiner Meinung is auch hier bereits Erhebliches erreiht. Die Be- fämpfung des Sflavenhandels ist ein shönes Ziel; gerade der deutschen Nation steht es besonders gut an, auch hier mit- yubeljen, um der Sklaverei dort endlih ein Ende zu machen. uf diesem Wege hat bereits Einiges erreiht werden können; niht minder auf dem Wege der Verbreitung der Kultur, die ja au der Kollege Haußmann verbreitet sehen will, ohne freiiih seinerseits Mittel aufzuwenden. Noch mehr wird in dieser Richtung erreiht werden, wenn unsere Missionare erst wieder festen Boden gefaßt haben und ihre Thätigkeit wieder werden aufnehmen können. Ueber diese wichtige Frage hat Hr. Haußmann ganz geshwiegen, und doch sind die Missionare die einzigen, welche dort Kulturzwecke ver- folgen können und verfolgt haben. Die Engländer haben diesen Theil der kolonisatorishen Bestrebungen stets besonders gepflegt. Leider wird hier, was- Noth thut, auch von den verbündeten Regierungen niht genug beachtet. Fn Ost-Afrika g die Congo-Akte; danach müßten die Missionare aller

ationen, aller Kulte gien werden. Nun wird man ja auch nach den offiziellen lärungen den deutshen Missionen Hindernisse niht entgegensegen; aber von da bis zum Be- fördern ist noch ein weiter Schritt. Jh meine, die Förderun könnte aktiv fester und kräftiger geshehen. Jh wünsche, da man es nicht hindere, in Deutshland die Pflanzstätten zu gründen und auszubilden, in denen Missionare vorgebildet werden können. Seit vielen Jahren haben die Väter vom Heiligen Geiste in diesem Kampf auf unserer Seite gestanden, sie haben uns dort wirkungsvoll unterstüßt. Diese Gesellschaft wünscht, um eine genügende Zahl von deutschen Missionaren dorthin zu bekommen, in Deutschland ein Fnstitut zu gründen. Es 1st in Münster Alles bereit, das pen aufzunehmen, aber die Väter vom Heiligen Geiste bekommen dazu die Er- laubniß niht. Wenn unsere Landsleute in Ost-Afrika das hören und si vergegenwärtigen, was sie von früher her und jeßt diesen Vätern verdanken, werden fie sich wundern, daß es möglih ist, daß ihnen in Deutschland derartige Shwierig- keiten gemaht werden. Jh bitte den Herrn Staatssekretär des Auswärtigen, daß er sich dazu hat er ja ein Reht einmal in Preußen ein wenig umsieht und auf diesem Gebiet Wandel scha}t, die Engherzigkeit entfernt, die hier bisher geherrscht hat. Haben wir so große Pläne, wollen wir wirkih fo FrPRarnge Jdeen zur Ausführung bringen, dann müssen diese leinen und s Auffassungen fallen, dann muß der Dunst aus den Streitigkeiten des Kulturkampfs beseitigt werden. Major Wissmann ist unterwegs, wir werden ihn vielleicht noh begrüßen können und er wird meine Worte bestätigen. Natürlih müssen den Evangelischen ganz dieselben Rechte ge- e werden, nach jeder Richtung werden wir sie unter- tüßen; sie müssen uns nur sagen, wo und wie wir es können. Mit diesem Vorbehalt sprehe ih meine Zustimmung zu dieser allerdings unerwartet liber Ausgabe aus. Für die Zukunft muß man um so ängsilicher sein, als alle diese Verhältnisse

Handlungen ist, und ih damit die Schulden zahle, die ih selbst kontrahirt habe. Jh habe die Frage nüchterner be- handelt, während viele meiner Freunde hier im Hause und auswärts für die Sache begeistert sind. Jh bitte diese um Entschuldigung, daß ih so nüchtern war, es handelt sih eben um Geldsachen.

Abg. Dr. von Frege: Die Ueberweisung der Vorlage an die Kommission ist keineswegs vergeblih gewesen, denn es find uns in der Kommission genaue und auch sekrete Mit- theilungen über verschiedene Fragen gemacht worden. Wir haben daraus erfahren, daß die Regierung jede einzelne Position vertreten kann, und haben auch gehört, daß uns in der nächsten Session ein Programm über die zukünftige Ge- staltung in Ost-Afrika gemacht werden wird. Bei der ganzen Verhandlung am Montag ist von der Bibel kein Wort R worden, und daher freut es mich, daß heute der

bg. Windthorst neben der materiellen Aufgabe Deutschlands in Ost-Afri?a auch die- ebenso wichtige Frage des Christenthums und der Unterdrückung - des Sklavenhandels berührt und für das gleihmäßige Wirken der Missionare beider Konfessionen eingetreten ist. Jch stehe auf demselben Standpunkt und erwarte, daß auch die evangelischen Missionare sich jeder Rivalität gegenüber ihren fkatholishen Amtsgenossen enthalten werden. Ueberrascht hat mich, daß der Abg. Goldschmidt, der sonst in Kolonialfragen mit uns gegangen is, mit einem Male eine Frontveränderung gemaht hat. Sollte diese etwa dem Wunsche nach Einigkeit in seiner Fraktion entsprungen sein, um die große Einigkeit in der deutschfreisinnigen Fraktion zu doku- mentiren? Hat er deswegen seine bessere Ansicht dem Fraktions- interesse untergeordnet? Jch hoffe aber, daß er aus einem abtrünnigen Saulus wieder ein fkolonialpolitisher Paulus werden wird. Der Abg. Goldshmidt stand in vollklommenem Widerspruch mit dem Abg. Barth; der Erstere will die Vor- lage ablehnen, weil nah den Ausführungen des Reichskanzlers von Caprivi der frühere Rahmen der Kolonialpolitik über- schritten sei; und der E Barth meinte in der Kommission, weil Hr. von Caprivi fein Kolonialshwärmer sei, sei keine Veranlassung, diese M fortzusezen. Nach den klaren Worten des Reichskanzlers und des Staatssekretärs ist die Auf-

abe der Regierung in Ost-Afrika zunächst die gewesen, den Auf- find überall mit Energie zu unterdrücken; und das ist in überraschend kurzer Zeit zur Bewunderung des gesammten

Auslandes gelungen. Major Wissmann hat niht nur den Norden pazifizirt, sondern auch im Süden große Erfolge ge- habt. Daß man sich nach solchen Erfolgen zurückziehen soll, wird Niemand, der einmal einen Feldzug mitgemacht hat, ver- stehen. Jh weise auf die große materielle Unterstüßung der Kolonialpolitik und die jeßige patriotishe Erhebung für die- selbe in England hin. Als aber vor zwei, drei Jahren der zu früh verstorbene Reisende Flegel nah Deutschland fam und an sehr vielen Thüren anklopfte, um Jnteresse für die Benueküste zu erwirken und, nahdem er einen ganz minimalen Erfolg endli erzielt hatte, wieder dorthin zurückehrte, waren die Engländer bereits an der Küste vorgegangen. Soll es auch in Ost - Afrika wieder heißen, daß die Deutschen zu spät gekommen sind? Es giebt s{lechterdings keine andere Stelle, welche der deutshen Nation offen steht, und Ost - Afrika ijt die [ land, an der Erschließun des ganzen Welttheils Theil zu nehmen. Mit den Worten des Abg. Goldschmidt, daß die Jnitiative muthigen Kaufleuten überlassen bleiben solle, bin ih ganz einverstanden, aber seinen Shlußfolgerungen daraus kann ih nit zustimmen. Wenn der große Einigungs- prozeß in der deuts(freisinnigen Partei weiter gediehen ist, wird ug wohl der Abg. Goldschmidt wieder auf seinen früheren Standpunkt in Kolonialfragen zurückommen. Die Bedenken des Abg. Dohrn über die Leistungsfähigkeit der Ostafrikanischen Gesellschaft sind bereits durch die Widerlegung des Grafen Mirbach erledigt worden. Jh wünsche, daß der altbewährte Sinn, der früher die deutshen Kaufleute zu großen überseeishen Unternehmungen veranlaßt hat, fort- estehen möge, daß man fih aber niht hinter anonyme Gesell- schaften stellt, sondern daß einzelne potente Kaufleute Jnteresse für Ost-Afrika gewinnen. Sehr beklagen muß ih die Aeußerung des Abg. Dohrn, daß es bei der Betrachtung der Aus- und Ein- U in Ost-Afrika nicht auf das Quantum der Waaren an- omme, sondern darauf, was dabei verdient werde. Das ist

legte Handhabe für Deutsch: j

nit ungünstiger als andere Lropenländer, und Our Passenoe Einrichtungen läßt sich das Klima sumpfiger Gegenden ver- bessern. Von einer so ers{hreckenden Finanzlage des Reichs, wie fie am Montag auf der linken Seite geschildert ist, habe ih nihts bemerken können. Vergessen Sie denn die großen Ueberweisungen aus dem Reichsbudget an die Einzelstaaten? Umsomehr bin ih überrascht, daß die Freisinnigen die Auf- hebung der Zölle beantragen, deren Erträge wir doch nicht entbehren können. Warum haben Sie nicht in Preußen {on längst vas mobile Kapital mehr zur Steuer herangezogen, wie wir es in Sachsen durch unsere mustergültige Einkommen- steuer gethan haben, durch welhe das Großkapital wie jedes andere fundirte Einkommen richtig herangezogen wird? Die Aus- führungen des Abg. Haußmann haben mich lebhaft an die Ver- handlungen des Parlaments in Stuttgart von 1849 erinnert. Hr. Haußmann verlangte ein klares und deutliches Programm von der Regierung, deren Politik jet nebelhaft und ver- s{chwommen fsei. Das Stuttgarter Parlament entwarf große Programme, die aber so nebelhaft und vershwommen waren, daß das deutsche Volk nihts damit machen konnte. Fett ist es anders; wir werden erst handeln und dann reden. Gerade aus Süddeutschland sind die Ansichten des Abg. Haußmann verwunderlih, denn gerade die Süddeutschen haben ein warmes Bewußtsein für die nationalen Aufgaben des geeinten Deutschen Reichs und erkennen besonders dankbar die Wahl des jeßigen Staatssekretärs des Auswärtigen Amts an. Fh bin über- zeugt, daß in der Heimath der altberühmten Kaufmanns- geshlehter der Fugger und Welser man diesen Standpunkt nicht verstehen wird. Der Abg. Bamberger sagt, durch die Kommissionsberathungen wäre man niht klüger geworden. Jch glaube allerdings, daß er in diesen Fragen so vor- eingenommen in seinen Anschauungen ist, daß keine Kommis- sionsberathung ihn davon abbringen könnte. Wenn der Abg. Bamberger die ganze Arbeit des deutschen Handelsstandes auf den Profit zurückführt, so haben wir eine viel höhere Mei- nung von dem deutschen Handelsstande. Jch bin mit deutschen Handelsreisenden auch sehr bekannt, allerdings nur mit rist- lichen, und die sind vielleiht heute niht mehr maßgebend. Wir haben eine Pflicht gegenüber der Zukunst zu erfüllen. Der Abg. Bamberger ist als Junggeselle in dieser Beziehung vielleicht Jrrthümern unterworfen. Ein großer Kaufmann sagte einmal, wo in einer Familie fünf Söhne sind, müßte mindestens einer in überseeischen Geschäften sein. Wieviel bedeutungsvoller steht die deutshe Nation im Auslande da, wenn die deutsche L ree im Auslande Verwerthung findet! Wesentlihe Faktoren der hohen wirthschaftlichen Entwickelung Nord - Amerikas find auf deutshen Ur- sprung zurückzuführen. Jn Ost - Afrika kann man natür- lih nicht {hon für die nähsten Jahre ein großes Kon- sumptionsgebiet hafen, aber wir müssen über unsere fünf- jährige Mandatsdauer hinausshauen, was der Abg. Bam- berger allerdings nicht thun zu können scheint. Wir denken darüber anders und wollen auch für eine fernere Zukunft den Grund legen. Das Risiko, welches angeblich das deutsche Kapital in Ojst-Afrika zu übernehmen fürchtet, ift lange nit so groß, als das Risiko bei der großen ostindishen Compagnie. Qu Ende des vorigen Jahrhunderts war die Anlage des apitals in Nord-Amerika geradezu leihtsinnig, heute hat L der Spieß geradezu umgekehrt. Es ist nicht zu leugnen, da sih Ost-Afrika später zu einem Absazgebiet für die deutsche Sala entwickeln kann. Was der Abg. Haußmann über talien gesagt hat, kann ih nicht gelten lassen. Jn Ftalien denkt man sogar daran, in Abessynien landwirthschaftliche Kolo- nien anzulegen. An derartige Unternehmungen denkt in Deutschland Niemand, wohl aber daran, daß man der Fndustrie, dem Handel und Verkehr aas verschafft. Der Abg. Bam- berger B fo R er sonst in seinen Kauserien ift, doh die große Unvorsichtigkeit begangen, von einer reaktionären Scugzzoll- und Kolonialpolitik des früheren Reichskanzlers zu sprechen. Zu den unsterblichen Verdiensten des großen Staats- mannes gehört auch der Umshwung der Zoll- und S tese \chaftspolitik am Ende der 70er Jahre; denn nur durch diese Le sind wir in den Stand geseßt, die sozialpolitischen ufgaben zu lösen. Der Zeitpunkt, wo man in Amerika zu einem extremen Schugzoll überzugehen geneigt ist und wo in Frankreich und der Schweiz wieder einzelne Zölle erhöht werden, wäre am Wenigsten geeignet, an dem guten, festen.

-