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des Garde-Corps sowie der Commandeur des Garde-Schüßen- Bataillons zugegen sein, die direkten Vorgeseßten zu Pferde, die übrigen Befohlenen zu Fuß. Anzug: Parade-Anzug, hohe Stiefel. Á
Dur Erlaß vom 21. Mai 1885 war den Königlichen Regierungen aufgegeben, Baubeihülfen aus dem Fonds Kapitel 121 Titel 28a (jeßt 38) des Staatshaushalts-Etats erst dann nachzusuchen, wenn mit Sicherheit anzunehmen ist, daß der Schulhausbau in dem Etatsjahr auch wirtlich zur Ausführung gelangen wird, Wenn aber wider Erwarten demnächst unvorheraesehene Hindernisse ein- treten, sodaß die Bauausführung in dem Etatsjahr nicht wenigstens begonnen werden fann, so soll dem Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten davon sofort Anzeige erstattet werden, damit event. der verfügbare Betrag anderweit ver- wendet werden fann.
Diese beiden Vorschriften, durch welche, ohne die den ein- zelnen Bezirks-Regierungen überwiesenen oder zugesicherten Summen denselben zu entziehen, die Verwendung der alljährlich durch den Staatshaushalts - Etat zu Staatsbeihülfen für Schulbauten zur Verfügung gestellten Summen im Laufe des Rechnungsjahres erreicht werden soll, find durch einen Erlaß des Ministers der geistlichen 2c. Angelegenheiten vom 9. Juni d. F. in Erinnerung gebraht worden. Der Erlaß giebt den König- lihen Regierungen auf, in gewisser Frist bestimmte Nach- weisungen über die noch nicht erledigten Baufälle einzureichen, zu denen Gnadenbeihülfen bis zum Beginn des laufenden Rechnungsjahres gewährt sind.
Der Juspecteur der Feld-Artillerie, General-Lieutenant Jacobi ist von Dienstreisen zurücckgekehrt, desgleichen der Inspecteur der 1. Kavallerie-Jnspektion, General-Lieutenant von Kleist.
Der deutshe Reichskommissar für Oft - Afrika, Major Wissmann ist, dem „W. T. B.“ zufolge, gesiern in Brindisi eingetroffen und beabfichtigte, heute früh die Reise nah Berlin fortzuseßen.
Der Regierungs-Assessor von Scheliha zu Merseburg ist an die Königliche Regierung zu Breslau verseßt worden. Die Regierungs-Assessoren Theodor Lucke, Sauerland und Dr. Livonius sind den Königlihen Regierungen zu Merseburg, bezw. Posen und Schleswig überwiesen worden.
S. M. Kanonenboot „Flt is“, Kommandant: Korvetten- Kapitän Ascher, ist am 18. Juni in Yokohama eingetroffen.
Sigmaringen, 20. Juni. (W. T. B.) Der hier ein- getroffene Staats-Minister Dr. von Goßler folgte heute mit dem Regierungs-Präsidenten von Frank einer Einladung Sr. Majestät des Königs von Württemberg zur Tafel nach Bebenhausen.
Sachsen. _ Dresden, 19, Juni. Jhre Majestäten der König und die Königin haben sich heute Nachmittag in das Hoflager nah Pillnitz begeben.
Württemberg.
Stuttgart, 19. Juni. Se. Majeflät der Köntg ist, wie der „St.-A. f. W.“ meldet, heute Vormittag mit Sonder- zug nah Tübingen abgereist, um sih von dort nah Beben- hausen zu begeben. Der König beabsichtigt, den Rest des Monats dort zuzubringen und sich von da am 30. d. M. übzr Ulm, wo Se. Majestät mit Fhrer Majestät der Königin zusammentreffen und am Münsterfest theilnehmen wird, mit der Königin zum Sommeraufenthalt nah Friedrihshafen zu begeben.
Se. Königlihe Hoheit der Prinz Wilhelm prä- sidirte gestern im Wilhelmspalast hierselbst einer längeren Sitzung des Ausschusses für die im nächsten Frühjahr unter dem Protektorat des Königs stattfindende Kunstaus- stellung. Prinz Wilhelm ist bekanntlich von Sr. Majestät zum Ehren-Präsidenten der genannten Ausstellung berufen worden.
Sachsen - Meiningen.
Meiningen 19 Jun. (W. D 2) Se Soheit ber Herzog überwies dem „Central:-Comité zur Errichtung eines National-Denkmals für den Fürsten von Bismarck in der Reichs: Hauptstadt“ einen Beitrag von 500 M
Oesterreich-Ungarn.
Wien, 20. Juni. Die österreichische Delegation hat, wie von „W. T. B.“ aus Pest gemeldet wird, gestern das Ordinarium und das Extraordinarium des Heeres - budgets angenommen. Jm Verlauf der Debatte erklärten Redner aller Parteien, das Budget im Jnteresse der Machtstellung des Reichs zu bewilligen. Der Delegirte von Bilinski gab die besondere Erklärung ab: es sei entschieden unrichtig, daß die Polen zum Kriege mit Rußland drängten ; dieselben hätten die Pflicht, die Monarghie, welche ihnen allein in Europa Schuß biete, kräftig zu erhalten. Der Kriegs-Minister von Bauer wieder- holte seine früheren Erklärungen über die bereits wegen Schonung der Finanzlage erfolgte Restriktion der Budget- ziffern, jowie, daß er sih über die Erhöhung der Friedenspräsenz erst nah eingehenden Studien aussprechen werde; die nur beispielsweise von ihm gemachte Anführung von 100 Millionen wäre irrthümlih mit Erhöhung der Friedenspräsenz verquickt worden.
Der Vierer-Ausshuß der ungarishen Dele- gation nahm den Offupationskredit an. Der Minister von Kallay gab ein Exposé über die Fortschritte, welche in Bosnien gemaht worden seien, und erklärte: er sehe kein Hinderniß darin, wenn ein oder zwei bosnische Bataillone für kurze Zeit an den Manövern in Oesterreich theilnähmen und durch ungarisches Gebiet reisten. Graf Apponyi erklärte: er sei durch diese Erklärung nicht befriedigt. Der Minister-Präsident Graf Szapar y erwiderte: er stehe auf dem Standpunkte, daß im Allgemeinen eine dies- bezüglihe gefeßgeberische Verfügung nothwendig sei. Darüber, wie das Gesez im vorliegenden Falle auszulegen
übernehme die Verantwortung für die Verfügungen der Regierung. / i
Der Statthalter von Tirol Ritter von Widmann ist auf sein Ansuhen aus Gesundheitsrücsihten in den Ruhe- stand verseßt worden und erhielt das Komthurkreuz des Franz- Foseph:-Ordens. .
Die Seebehörde in Triest hat angeordnet, daß die Provenienzen aus sämmtlihen spanischen Häfen vom 16, d. M. ab ärztlicher Untersuchung unterliegen.
Großbritannien und Frland.
London, 20. Juni. Die dem Parlament vorgelegte, von dem Premier Marquis von Salisbury an den britischen Botschafter in Berlin Sir E. Malet gerihtete Depesche vom 14. Juni d. F., welche das zwishen England und Deutshland über ihren Besigstand in Afrika ge- troffene Abkommen betrifft, lautet in der Uebersezung der Londoner „Allg. Corr.“ wie folgt:
„Der S(hriftwechfel zwisben der Regierung Ihrer Majestät und der Deutschlands ift jezt an einem Punkt angelangt, welcher mich rechtfertigt, Sir Percy Anderson zu ersuchen, nach Berlin zurückzu- kebren, um die nöthigen Einzelbeiten mit Dr. Krauel zu erörtern. Die Verhandlungen, welce er während feines früheren Aufenthalts in Berlin geführt hat, wie die Unterredungen, welche wir mit dem deutschen Botschafter feit seiner Rückkehr gepflogen, haben die beiden Regierungen in den Stand gefeßt, mit hinreihender Vollständigkeit die Umrifse eines Abkommens zur Ordnung der streitigen Angelegen- beiten aufzusetzen.
Die Ansprüche der deutshen Regierung ftüßten fich hauptsähli auf die Behauptung, daß, wo eine Macht die Küste besetzt, eine andere Macht nit obne deren Zustimmung das Hinterland besetzen dürfe. Es würde zu weit gehen, wenn man sagen wollte, daß es dieser Be- bauptung ganz an Begründung Seitens des internationalen Gewohn- beit8rechts fehle. Ihre Wirkiamkeit kann jedoch nit unbegrenzt fein, während die Grenzen, innerhalb welcher diese Behauptung rechts- fräftig ift, \Gwer zu ziehen sind. Die ucsprürglide Behauptung der deutschen Regierung ist, wenn ih sie recht verstanden habe, daß das ganze Gebiet zwis{hen ihrer Einflußiphäre und dem Congo-Staat Deutschland von Natur als „Hinterland“ feiner eigenen Befißungen zufiele. Dics würde die deutsche Grenze längs dem 1. Grad füdlicher Breite im Norden und dem 11. Grad südlicher Breite im Süden bis zur Grenze des Congo-Staats gebracht baben.
Was den südlichen Theil dieses Anspruch8 betrifft, so hatte die Regierung Ihrer Majestät eine genügende Antwort. Das Land war \{on von Engländern beseßt. Es gab engliïsche Missionen und Sta- tionen der Afrikani'chen Seen-Gesellshaît am Nyafa- und Tanga- nyika-See und längs der die beiden verbindenten Stevenson Straße, und die durch diese Niederlassungen erworbenen Rechte konnten nit dur den vageren Arspruh bei Seite geseßt werden, welcher durch die Thatsache erwuchs, daß diese Gegenden in demselben Breitengrad liegen, wie das mehr östlib gelegene deutsche Gebiet. Was aber das Gebiet nördlich des Tanganyika be- trifft, so batte die Regierung Ihrer Majestät keine Antwort. Es gab keine englisGen Niederlassungen, weder kommerzielle noch religiöse, zwischen dem 1. Grad südlicher Breite und dem Tanganvika-See. Die Verträge Mr. Stanley's dehnten si nach der von Sir William Madinnon gelieferten Landkarte nur bis zum 1. Grad südlicher Breite oder 20 oder 30 Meilen darüber aus. Die Regierung Ihrer Majestät hatte deshalb feinen Rechtstitel, welher den Anspru der deutschen Regierung umwerfen konnte. der sh auf die Thatsache stüßte, daß diefe Gegend unmittelbar hintec der deutschen liegt. - Die Prätension der Deutschen erhielt weitere Unterstüßung durch den Umstand, daß sie praftisch die Wirkung haben würde, das Ufer des Victoria Nyanza- Sees in zwet ungefähr galeihe Theile zwischen den beiden Regierungen zu vertbeilen.
Auf Grund diesér Erwägungen bat die Regierung Ihrer Majestät einem Abkommen zugestimmt, wonach die Linie der Stevenson-Straße die Grenze zwischen der englis&en und deutshen Sinflußsphäre gegen Süden sein soll. England wird deshalb die Stevenson-Straße beéalten, ferner seinen Anspruch auf die ganze Gegend zwischen der Straße. dem Nyassa-Sece und dem Congo-Staat, welde si nördli des 11. Grades südliher Breite befindet. Südlich dieses Breiten- grades treten die auftaußenden Fragen nicht mit Deutschland auf.
Nördlich des Targanvika-Sees behält Deutshland die Gegend bis zum Congo- Staat nach Norden bis zum ersten Parallelgrad süd- lier Breite. Um jedo die Grenze so weit als möglich mit der dur die Verträge Mr. Stanley's gesiherten Gegend zusammenfallen zu laffen, wird die Linie ih nach Süden wenden, damit der Berg Msumbiro in die britishe Sphäre einge\s{lofsen wird. Im Hinkblick darauf jedo, daß das zwischen den beiden Mächten getroffene Ab- kommen dem Handel von Often naß Westen oder von Nerden nach Süden in Zukunft niht schaden möchte, wird abgemacht, daß deutshe Unterthanen und deutswe Waaren zwishen dem Nyassa und dem Congo-Staat völlig freien Durzug haben und keine Transit- gebühren zablen follen. Dieselde Freiheit und Immunität follen englishe Reisende und Waaren genießen zwishen dem Nordende des Tanganyika-Sees und der britishen Einflußsphäre. Ferner wird das Uebereinkommen getroffen zwischen den beiden Mächten, daß in allen ibrem Einfluß unterworfenen ostafrikanishen Gebieten die Unterthanen beider Mächte gleihe Rechte der Niederlassung und des Handels baben sollen. Die Grenze zwis{en dem Ngamiland und dem Damaraland ift noch nickt endgültig gezogen worden, und die Einzel- beiten müssen den Verhandlungen zwischen Sir Percy Anderson und Dr. Krauel überlassen werden. Es wird jedo abgemacht, daß in der Breite des Ngami- Sees und bis zum 18. Grad südlicher Breite die deutswe Grenze mit dem 21. Grad östlicher Länge von Greenwich zusammenfallen foll. Die Natur dieses Landes ist sehr unvollständig bekannt, und selbst die Lage des Ngami-Sees ift ziemlih unsiher. Es besteht jedoch geringer Zweifel, daß der 21. Längengrad ihn decken und Moremils Land in das britische Pro- tektorat stellen wird.
Im Togoland, wo einige Diskussion bestand über die genaue Natur der durch das kürzlich von den beiden Mächten getroffene Ab- kommen festgeseßten Grenze, wird das Arrangement getroffen, daß eine Linie gezogen wird, wonach die Mündung des Volta-Flufses England zufällt, Deutschland jedo Zugang zu dem Flusse an einem böberen Punkte des Stromlaufes erbält.
Auf der Ostküste hat die deutshe Regierung zugestimmt, alles Gebiet, welches sie tet nördlih der britishen Einflußsphäre besißt oder beansprucht, aufzugeben. Dies wird das Sultanat Witu nebst den Inseln Manda und Patta und das Gebiet bis zum Juba, worüber die deutshe Regierung erst kürzli das Protektorat übernommen hat, eine Küstenlinie von etwa 200 Vêeilen, unter britishe Kontrole stellen. Die Wirkung dieses Arrangements wird sein, daß mit Ausnahme des Congo-Staats kein europäischer Korkurrent für den britisen Einfluß zwischen dem 1. Grad südliher Breite und der Grenze Egyptens da ist längs dem ganzen Lande, welches südlih und westlich des italienischen Protektorats in Abessinien und Gallaland liegt
England wird ferner mit der Genehmigung des Sultans von Sansibar (welch{e {on vorliegt) das aus\{ließlihe Protektorat über das Sultanat, eins{ließlich der Inseln Sansibar und Pemba, über-
nehmen. Dies geschieht mit der vollen Einwilligung Deutschlands. Die direkte Kontrole und der ausgedehnte Einfluß, welchen diese An- ordnung Großbritannien giebt, werden mächtig die Bemühungen zur Unterdrückung des Sflavenhandels und zur Auêrottung der Sklaverei selbft unterstüßen. England wird Deutschland unterstüßen, vom Sultan von Sansibar die Anerkennung der Okkupation der gegen- wärtigen deutschen Küstenlinie zu erhalten gegen die Zablung einer
billigen Entschädigung für die von ihm aufgegebenen Zölle.
_ Andererseits ift die Regierung Ihrer Majestät bereit, dem Parlament eine Bill über die Abtretung Helgolands an Deutschland zu unterbreiten.“ (Die weiteren Säße wurden {on in der Nr, 147
jei, wolle er in öffentliher Sizung Aufs{hluß geben. Er
des „Reihs- und Staats-Anzeigers“ wörtlih mitgetheilt.)
Die Depescbe {ließt sodann mit den Worten:
„Mehrere Detailangelegenheiten müssen in Gemäßheit der obigen Umrifse noch geordnet werden und- werden den Gegenstand der Shluß- konferenzen zwishen Sir Percy Anderson und Dr Krauel bilden.
Ich verbleibe 2c. Salisbury. “
Ueber die Aufnahme des deutsh-englishen Ab- fommens schreibt man der „Köln. Z1g.“: Die englische Presse hat ihren Anspruch, der Ausdruck der öffentlichen Mei- nung zu sein, wiederholt gegen ausländishe Angriffe ver- theidigt. Schaut man das heute veröffentlihte Abkommen im Lichte dieses Anspruchs an, so erfreut sich dieses Abkommen der Billigung des bei weitem größten Theils der englischen Nation. Wenn Blätter von der Bedeutung und Tragweite der „Times“, des „Daily Telegraph“, des „Standard“, der „Morning Post“, der, Daily News“, des, Globe“, des, Echo“ und der,Ev?-ning News and Post“ den englishen Premier-Minister zu seiner Abmachung beglückwünschen, so kann es fast gleichgültig sein, ob das wetterwendishe „Daily Chronicle“, die bittere „Pall Mall Gazette“ und der stet3 donnernde „Star“ fich in Ver- wünschungen ergehen, deren Uebershwänglichkeit ihre Nichtig- keit bezeugt. Mehr ins Gewicht würde das wegwerfende Urtheil dez: tonservativen „St. Fames Gazette“ fallen, wenn dieselbe nit, seitdem fie neuerdings ihren Eigenthümer gewechselt, von englishen Organen selbst als niht mehr maßgebend hin- gestellt worden wäre. Fhre Gegnerschaft bezieht sich auch mehr auf die Abtretung von Helgoland als auf die gesammte Abmachung, die sie immerhin für leidlih ausgiebt. Helgoland aber gehört zu denjenigen englishen Besißungen, die bis jeßt stets eine gewisse Art des Spottes hervorgerufen haben. Vor faum drei Wochen wurde die Abtretung der Jnsel an Deutsh- land im Unterhause von radikalen Mitgliedern befürwortet. Aus der heutigen Presse geht so ziemlih unbeanstandet hervor, daß England mit dem abgeschlossenen Geschäft zufrieden ist und vollauf Grund zur Zufriedenheit besigt.
«Im Oberhause erklärte Lord Salisbury gestern : die Regierung habe, bevor sie die Abtretung Helgolands beshlossen, die Ansicht maßgebender militärischer Rath- geber, nicht aber die Ansicht der Bevölkerung Helgolands eingeholt; ein Plebiscit gehöre nicht zu den Traditionen Englands. Er habe guten Grund zu glauben, daß, wenn die Bewohner Helgolands früher gegen eine Vereinigung mit Deutshland gewesen seien, der Grund davon hauptsählich in der Furht vor der Con- scription bestanden habe. Die Regierung habe stipulirt, daß von den zur Zeit der Abtretung der Jnsel lebenden Be- wohnern Helgolands Keiner der obligatorishen Heeres- oder Flottendienstpfliht unterworfen sein folle. Die Unterhand- lungen mit Deutschland seien meist mündlih geführt worden ; der auf das Abkommen bezüglihe Schriftwehsel sei nicht umfangreih. — Der Deputirte Buchanan richtete an den Ersten Lord des Schaßes Smith die Anfrage: ob, Falls die die Abtretung Helgolands betreffende Bill vom Parlament abgelehnt werde, au die übrigen Bestimmungen des deutsh-englishen Abkommens hinfällig würden. Smith erwiderte: seiner Ansiht nach könne, wenn ein wichtiger Theil des Abkommens nicht ratifizirt werde, au der Rest des Abkommens nicht aufrecht erhalten werden. Er gebe diese Erklärung indeß ohne Ermächtigung Seitens der übrigen Kabinetsmitglieder ab; Fragen dieser Art sollten doch billiger Weise niht ohne vorherige Ankündigung gestellt werden.
Im Unterhause erflärte der Unter-Staatssekretär Fergusson in Beantwortung mehrerer Anfragen: in das englische Protektorat über Sansibar sei das gesammte Gebiet des Sultans von Sansibar mit alleiniger Ausnahme des der Deutsh-Ostafrikanishen Gesellschaft verpachteten Küsten- streifens einbegriffen. Jn dem deutschen Protektorat über Damara land, das England schon vor einiger Zeit anerkannt habe, sei durch das jeßige mit Deutschland getroffene Abkommen keinerlei Veränderung eingetreten. Das deut} ch- englische Abkommen bezwede hauptsählih die Feststellung der respektiven Einflußsphären überall da, wo eine foliche bisher niht stattgefunden habe. —* Der Ersie Lord des Schaßes Smith erklärte: wegen der Abtretung der Jnsel Helgoland werde, sobald das Abkommen mit Deutschland zum definitiven Abschluß gelangt sei, eine Vorlage beim Parlament eingebracht werden. Eine Befestigung Helgolands sei von einer militärishen Autorität oder von einer Königlihen Kommisfion niemals befürwortet worden. Ein Gutachten der Flotten- behörden über den strategishen Werth von Helgoland dem Haufe vorzulegen, werde von der Regierung nicht beabsichtigt. — Der erste Artikel der Lokalsteuer-Bill wurde mit 228 gegen 224 Stimmen angenommen. Die geringe Mehrheit, mit welcher die Annahme erfolgte, erklärte fih aus dem Fehlen zahlreicher Konsfervativer, welhe die Abstimmung erst später erwartet hatten.
Frankreich.
Paris, 19. Juni. Man schreibt der „Köln. Ztg.“: Die Nachricht von dem deutsh-englishen Abkommen hat hier allgemein überrascht, aber keineswegs angenehm berührt. Man hatte niht erwartet, daß England und Deutschland ih so schnell einigen würden, sondern geglaubt, daß es zu einer Art von Konflikt zwischen den beiden Mächten kommen werde. Der „Temps“ und die „Liberté“ machen bereits dem Unmuth e Leg dem sie die friedliche Beilegung der Streitfrage er- füllt hat,
Nach der „Magd. Ztg.“ wird die Veröffentlihung eines Berichts des Ministers des Aeußeren an den Präjidenten der Republik im „Journal officiel“ erwartet, der auf die Schaffung eines berathenden Comités für die Konsulate Bezug hat. Dieses Comité soll nach der Absicht des Ministers in allen Fragen zu Rathe gezogen werden, welche sih auf die Organisirung und den Wirkungskreis der Konsulate, die Wahl der Städte, in denen Konsulate errichtet werden sollen, und sich auf die geschäftlihen Auskünfte beziehen, die an das Auswärtige Amt zu senden wären. An den Bericht soll sich ein Dekret anschließen, welhes die Mit- glieder des Comité consultatif des consulats ernennt. Dieses wird aus mehreren Senatoren und Abgeordneten, ehe- maligen Mitgliedern des diplomatishen und des Konsular- corps, dem Direktor der kommerziellen Abtheilung im Aus- vere Amt und mehreren hohen Beamten bestehen.
Wie das „Echo de Paris“ versichert, hat der Kriegs- Minister beschlossen, die Lanze bei den Dragonern wieder abzuschaffen.
Der internationale Telegraphen-Kongreß hat heute seine leßte berathende Sizung abgehalten und wird vor- ausfsihtlich am Sonnabend nah Unterzeihnung des Vertrags
n werden. Zwischen Deutshland und Rußland, Sie raegóe: Frankrei, Spanien, Portugal, Griechen- land sowie Bulgarien wurden Vereinb arungen über eine erheblihe Ermäßigung des Tarifs getroffen.
Den heutigen Abendblättern zufolge werden die Ver- andlungen zur Abgrenzung der französischen esizungen bei Obock und der italienishen Be-
sizungen bei Mewonge demnächst hier ihren Anfang men.
g: Der Minister des Innern Constans theilte in dem
heutigen Ministerrath die anläßlich des Ausbruths der
Cholera in Spanien getroffenen Maßregeln mit. Die
“ Aerzte Dr. Charrin und Dr. Netter find bereits Dienstags
abgereist, um an der Grenze den Sanitätsdienst zu organisiren. Der Präsident Carnot unterzeichnete ein Dekret, wodurh bis auf Weiteres die Einfuhr von Früchten und Gemüsen aus Spanien unter- sagt wird, ferner ein zweites Detret, in welchem gegenüber den aus Spanien kommenden Reisenden und Waaren Sicherheitsmaßregeln_ angeordnet werden. Die bei früheren Epidemien getroffenen BVorsichtsmaßregeln sind aufs Neue in Kraft geseßt und sollen unverzüglih in Frankrei, Algier und Tunis in Wirksamkeit treten.
FHRußlland und Polen.
t. Petersburg, 17. Juni. Das Programm, welches dem internationalen Gefängnißkongreß vor- ist, lautet nach der „Köln. Ztg.“: gelegt 1, E S : N s ( Der Kongreß arbeitet in drei Abtheilungen; in der erften werden folgende Fragen bebandelt: 1) die einbeitlide Benennung der ftraf- baren Ha: dlungen în den Auëlieferungêéverträgen. 2) Die Bestrafung der Trunkjucht. 3) Die Organifation des Unterrichts in der Gefängniß- wissenschaft. 4) Einführung der Verweise und Ermahnungen in das Strafensystem urd Einführung der bedingten Verur- theilung. 5) Einschreiten gegen verbrecberische Kinder. 6) Einschreiten gezen gewobnheitêmäßige Hebler. 7) Beseitigung verderblider Ein- flússe der vâterliben oder vormundschaftliden Gewalt auf minder- jährige Kinder. Die zweite Abtbeilung beschäftigt fh mit nach- stehenden Fragen : 1) Vorzug der Beschäftigung der Sträflinge in eigener Regie vor der Beschäftigung dur Unternehmer. 2) Die Beeinträchtigung der freien Arbeit dur die Vefängnißarbeit und Vermeidung jener. 3) Gewährung von Belohnungen und Er- mutbigungen an Sträflinge. 4) Die Errihtung von Straf- folonien für auf Lebenszeit oder lanae Jahre verurtheilte Per- foren. 5) Die Ergänzung des Perfonals der Strafanstalts- beamten. 6) Einschreiten geaen unverbesserlibe Verbrecher. 7) Die Unterscheidung in der Behandlung eines Gefangenen vor und nach der Verurtheilung. 8) Die Anpafsung der Bes{äftigung der Sträflinge an die besonderen Fähigkeiten derselben. 9) Ein- fübrung des progressiven Strafvoll:ugs. 10) Herstellung ctner inter- ationalen Gefängnißstatiflik. In der dritten Abtbeilung gelangen zur Erörterung: 1) Herstellung einer gegenseitigen Verbindung wissen den Vereinen zum Schuß entlassener Siräflinge in verschiedenen Ländern. 2) Der Austausch von Mittbeilurcen zwischen den Ger fängnißbehörden und anderen BeEörden wie den Armen- und Medi- zinalbezôrden. 3) Die Unterbringung verwahrloster Kinder in Kamilien an Stelle der Unrt1erbrirgunz in Anstalten. 4) Die Aus- debnurg der Thätigkeit der Scutvereine auf die Familien der Sträflinge vor deren Entlaffung. 5) Die Verbindung der Thâätig- ket dieser Vereine mit derjenigen der öffentlichen Behörden Behufs Bewahrung der Sträflinge vor dem Rückfall. 6) Die Aufklärung des weiteren Publikums über die Probleme der Gefängnißwissenschaft urd deren Reform.
— 20. Juni. (W. T. B.) Das Gesetz über die bereits am 29, Mai angekündigte Erhöhung des Einfuhrzolls auf Baumwo llengarn für die englischen Nummern von 1 bis 50 ist heute veröffentlicht und tritt sofort in Kraft. Ein weiteres Geseß seßt den Accise-Nachlaß für Spiritus, welcher nah dem 1./13. Juli cr. exportirt wird, auf 41/2 Proz. herab; indessen genießt der vor dieser Frist fabrizirte, wenn auch später ausgeführte Spiritus einen Accise-Nahlaß von 5 Proz.
Ftalien.
Rom, 19. Juni. (W. T. B.) Die „Riforma“ weist die Besorgniß, daß dur das englisch-deutsche Abkommen die Interessen und Rechte der Jtaliener in Ost-Afrifka verleßt werden könnten, als vollständig unbegründet zurüd, Jtalien habe niemals Ansprüche auf das Sultanat Witu erhoben, noch auch auf die daran grenzende Küste bis Kismayo hin; Ftalien übe an anderen Punkten der Küste die Schußzherrschaften und Ein- flüsse aus, die es angekündigt habe und die von den Mächten anerkannt seien, und werde dort seine Fnteressen schüßen, wenn es dazu Grund haben sollte. Uebrigens habe England der italienishen Regierung bei der Anzeige von der beabsichtigten Uebernahme des Protektorats über Sansibar die positive Zusicherung ertheilt, daß alle und jede Rechte Jtaliens oder seiner Staatsangehörigen in der gewissen- haftesten Weise respektirt werden würden. ;
Die Deputirtenkammer hat die Budgetvorlage für das Heer mit 139 gegen 36 Stimmen angenommen.
Spanien.
M4&0x1d, 20. Zuni, (W, L. B) In Puebla de Rugat find, wie aus Valencia telegraphirt wird, gestern nur zwei Todesfälle vorgekommen, ferner zwei verdächtige Er- franfungen in dem Fledcken Beningnanim. Eine Kom- mission des Gesundheitsraths von hier, welche in leßterem Orte angekommen ist, hat erklärt, daß es sich um Cholera handle; dieselbe fei aber lofkalisirt.
Griechenland.
Athen, 19. Juni. (W. T. B.) Der König hat heute Abend die Reise nach Aix-les-Bains angetreten und sih zu- nächst nah Venedig begeben. Die Abwesenheit des Königs wird, soweit bestimmt, einen Monat dauern.
Rumänien.
Bukarest, 19. Juni. (W. T. B.) Im Senat erklärte beute der Minister des Auswärtigen hinsihtlih der von Frankreich beshlossenen Erhöhung des Maiszolles: die Regierung könne die allen Staaten bewilligte Meist- begünstigungsklausel Frankreih nicht versagen; der Nachtheil sei nicht so erheblich, da die Einfuhr von Mais nur 13 Millionen von dem 86 Millionen betragenden Werthe der Gesammteinfuhr nah Frankreih ausmache.
Serbien.
Belgrad, 20. Juni. (W. T. B.) Das amtliche Blatt veröffentliht einen Ukas, durch welhen die Wahlen zur Skups chtina auf den 14, September anberaumt werden, Und die Skupschtina zum 1. November einberufen wird.
Schweden und Norwegen.
(F) Christiania, 17. Juni. Das Storthing verhandelte heute über den Vorschlag der Regierung wegen Verwendung eines Theils der Uebershüsse in der Staatskasse zu Vertheidigungszwecken. Nah unerheblichen Debatten wurden bewilligt: §00 000 Kronen zu Geschüßen s{chwersten Kalibers für die Seeveste Oscarsborg, 30000 Kronen für schnellfeuernde Geshüße und 20000 Kronen für Munition für genannte Seeveste, 250000 Kronen für Bekleidungs- und Ausrüstungsgegenstände, 95090 Kronen für Gewehrmunition, 400 000 Kronen zum Bau eines Kom- mando- und Rettungsschiffes (die Regierung hatte die Summe zum Bau eines Kanonenbootes verlangt), 50 000 Kronen für das Torpedowesen und 25 000 Kronen für Marine-Artillerie- material.
Das Zollcomité des Storthings hat jeßt seine Anträge bezüglih des vom 1. Juli 1890 an geltenden Zolltarifs ge- stellt. Von den beantragten Aenderungen sind folgende her- vorzuheben : Die Schiffeabgaben für ausgehende Schiffe werden von 20 Dere auf 60 Dere herabgeseßt, die Tara für Talg, Margarine und jon nit genannte Fette in Fässern wird auf 18 Proz. erhöht, Kakaobohnen und -Schalen 5 Oere (jeßt 12 Dere) per 1 kg, Kaffee, roher, 20 Oere per 1 ke (die Regierung hatte die Herabsezung von jeßt 40 auf 30 Oere per 1 kg beantragt), Mais, geschrotet oder gequetscht, 50 Oere per 100 kg, Wurzeln: Cichorien, Löwenzahn und Runfkel- rüben, ungebrannt, 5 Dere (jeßt 7 Oere) per 1 kg. Schließlich wird beantragt, den Ausfuhrzoll auf Holz von 33 auf 20 Oere per 1 cbm berabzuseßzen. Eine große Zahl von Vorschlägen aus Gewerbekreisen wegen höherer Zölle auf Fabrikate mußte mit Rücksicht auf den Handelsvertrag mit Frank- reih zurüdgelegt werden. Durch die vorgeshlagenen Zarisveränderungen werden sih die Zolleinnahmen um 1 746 000 Kronen verringern, da aber aus der Brannt- wein- und Malzsteuer sowie aus der erhöhten Kaffee- einfuhr wesentlih höhece Einnahmen zu erwarten sind, so bereh- net die Kommission für das nächste Finanzjahr die Zolleinnahmen um ca. 229 000 Kronen höher als die von der Regierung ver- anschlagten 21 800 000 Kronen. Die Kommisfion beantragt ferner noch, den vorgelegten Geseßentwurf, betreffend die direkten Steuern, zurüdzustellen und die Regierung un die Vorlegung eines Geseßentwurfs, betreffend die Revision der Staatssteuern auf Einkommen und Vermögen, in der nächsten Sesfion zu ersuchen.
Dänemark.
(E) Kopenhagen, 18. Juni. Der Königliche Hof wird am 26. d. nah Schloß Fredensborg \ich begeben. Die Vorbereitungen zum Empfange Sr. Majestät des Deutschen Kaisers und' Sr. Königlichen Hoheit des Prinzen Heinrich in diesem Schlosse sind nahezu vollendet. i
Parlamentarische Nachrichten.
In der heutigen (22.) Sizung des Reichstages, welches am Tisch des Bundesraths der Staats-Minister Dr. von Boetticher, die Staatssekretäre Dr. von Stephan, Freiherr von Maltzahn, von Oehlschlaeger sowie andere Bevollmächtigte zum Bundesrath nebst Kommissarien beiwohnten, wurde die Diskussion über den dritten Absaz des §. 12 des Geseg- entwurfs, betreffend die Gewerbegerihte, in Ver- bindung mit §. 72 in zweiter Lesung fortgeseßt. Der dritte Absatz des §. 12 lautet:
Mitglieder einer Innung, für welde ein Schted8gericht in Gemäßheit der S8. 97a, 100d der Gewerbeordnung errichtet ift, sowie deren Arbeiter sind weder wäblbar noch wahlberechtigt.
8. 72 lautet :
Die Zuständigkeit der Innungen zur Entscheidung von Streitig-
iten zwischen Arbeitgebern und ihren Lehrlingen (Gewerbeordnung ). 97 Nr. 4, §. 100e Nr. 1), sowie die Zuständigkeit der nnungs-Schied8gerichte (Gewerbeordnung S. 97a Nr. 6, 8. 100 i Absatz 2) erleiden durch dieses Gesetz keine Einschränkung.
Durch die Zuständigkeit einer Innung oder eines Innungs- Schiedsgerihis wird die Zuständigkeit eines für den Bezirk der Zaun bestehenden oder päter errihteten Gewerbegerihts aus- ge!Mionen 5 Gegen die Entscheidungen der Innungen und der Innungs- Schiedsgerichte steht binnen zehn Tagen die Berufung auf den Rechtsweg durch Erhebung dér Klage bei dem ordentlihen Ge- riht ofen.
Abg. Auer beantragt, den 3. Absatz des §8. 12 zu streichen und außerdem §8. 72 zu fassen wie folgt:
„Durch die Zuständigkeit eines für den Bezirk einer Innung bestehenden oder später errihteten Gewerbegerichts wird die Zu- ständigkeit einer Innung oder eines Innungs-Swhied®gerihts aus- geschlosen.“
Abg. Ebert y beantragt, den §. 72 zu streichen, event. in §. 72 die Worte: „sowie die Zuständigkeit der Jnnungs- Schiedsgerichte (GewerbeordnungS. 97a Nr. 6, §. 100i Absatz 2)“ zu streichen, also die Zuständigkeit der Gewerbegerichte auf die Entscheidung von Streitigkeiten zwishen Arbeitgebern und ihren Lehrlingen zu beshränken. Ein zweiter Antrag des Abg. Eberty geht dahin, als Berufungsinstanz gegendie Entscheidungen der JFnnungen und der Fnnungs-Schiedsgerichte die Schieds- gerichte zu bestimmen, und nur, wo solche niht bestehen, die Klage bei den ordentlihen Gerichten zuzulassen.
Abg. Biehl trat den gestrigen Ausführungen der Abgg. Tuzauer und Eberty gegen die Fnnungen entgegen und bat, die Sympathie für die Fnnungen dadurch zu befunden, daß man ihnen auch die Schiedsgerihtsbarkeit übertrage, die nicht sowohl ein neues Recht, als eine Pflicht der Fnnungen fei.
Abg. Eberty wies darauf hin, daß die Jnnungs- angehörigen nur eine verschwindende Minderheit der Gewerbe- treibenden in Deutschland darstellen und daß die Fnnungen nur
eringe Erfolge in den leßten 10 Fahren aufzuweisen hättten.
Würde . 72 Geseß, so wäre ein umfassender Legitimations- nachweis der zur Wahl für die Gewerbegerihte Berechtigten nothwendig; die Arbeit, Verantwortung und Kosten würden die Gemeinden treffen. Den Vorsiß in den Fnnungs-Schieds- gerihten führe ein FJnteressirter und von ihnen gebe es eine Berufung, während in den L RHGR ein weder dem Arbeiter- noch dem Arbeitgeberstande Angehörender den Vorsig führe und in Streitigkeiten bis zu 100 F eine Be- rufung ausgeschlossen sei. Zwei Arten von Schiedsgerichten mit so verschiedenen Kompetenzen nebeneinander einzurichten, müsse zu einem Rattenkönig von Hader und Streit führen. Gründe der Gerechtigkeit und Zweckmäßigkeit sprächen gegen S. 72, jedenfalls sollte der Eventualantrag Annahme finden.
Bei Schluß des Blattes sprach Abg. von Cuny.
— Die Arbeiterschuß-Kommission des Reichstages hat gestern den Antrag der Sozialdemokraten auf Einführung eines zunächst zehnftündigen Maximalarbeitstages mit allen gegen 4, den Antrag des Centrums auf Einführung eines 11stündigen Marimalarbeitstages mit allen gegen 8 Stimmen abgelehnt.
— Die Budgetkommission des Reichstages verhandelte gestern über den Nachtrags-Etat betreffs der Gehalts- erhöhungen und lehnte die Forderungen für die Tarif- klasse IIT (Stabsoffiziere 2c.), die Forderurgen für Tarif- flajse IV (Premier-Lieutenants) sowie die Gehaltsaufbesse- rungen für die Tarifkflafse IIT der Civilbeamten ab.
Kunst und Wiffenschaft.
ckx Hinsihtlih der bei der leßten Sonnenfinsterniß gefundenen Unterschiede zwishen den beobachteten und den vorausberechneten Zeitpunkten wird von Seiten der hiesigen Königlichen Sternwarte in Berücksichtigung eingegangener Anfragen noch Folgendes mitgetheilt :
Der größere Theil der bei solhen Gelegenheiten noch wahrzunehmenden Abwéïchungen des Verlaufes der Erscheinung von unseren jeßigen Vorausberechnungen rührt von den Un- regelmäßigkeiten des Mondrandes her.
Viel genauer und zutreffender, als die jeßigen Voraus- berechnungen dieser Finsternisse bereits sind, werden dieselben daher für einen einzelnen Ort überhaupt niht mehr werden können; denn wenn die Berührungsfstelle des Sonnenrandes und des Mondrandes, von einem bestimmten Beobachtungsort auf der Erde gesehen, gerade auf einen sehr tiefen Thaleinshnitt oder auf einen fehr hohen Gebirgs- ani am Bcondrande trifsit, tann die ersie oder lezste Berührung der Ränder, also Anfang oder Ende der Finsterniß, bis zu starken Bruchtheilen einer Minute verspätet oder verfrüht werden.
Es wurde deshalb in unserer ersten Mittheilung au nur gesagt, daß das hiesige Beobachtungsergebniß einen Beitrag zu weiterer Verbesserung der Grundlagen der Voraus- berehnungen liefere. Schon für Beobachtungsörter, die nur einige Kilometer von einander abstehen, fommemr andere Stellen des Mondrandes bei der Wahrnehmung des Anfangs und des Endes der Finsterniß zur Geltung. Erst in dem Gesammt- ergebniß der Beobahtungen an zahlreihen Punkten der Erd- oberfläche ist daher die Wahrnehmung der Finsterniß- Er- scheinungen von jenen Unregelmäßigkeiten und auch von gewissen noch niht erjchöpfend befannten kleineren Unregel- mäßigkeiten der Erdgestaltung hinreichend gereinigt, um einen strengeren Schluß auf die Nothwendigkeit einer weiteren Ver- besserung der Grundlagen der theoretishen Vorausbestimmung der Finsternisse zu ermöglichen.
ckx Die Gruft des heiligen Bonifacius unter dem Dom in Fulda bildet seit längerer Zeit den Gegenstand von Verhandlungen, welche der Staats-Viinister Dr. von Goßler dur kfünstlerishen Beirath fördern läßt. Noch vom damaligen Bischof Kopp war der Wunsh ausgesprochen worden, diefen für die fatholische Christenheit außerordentlih wichtigen heiligen Ort in einen würdigeren Stand zu seßen, als es bisher der Fall war. Der gegenwärtige Bischof Weyland hat sich den Gedanken zu eigen gemacht, und es sind bereits Entwürfe für eine würdigere Auss{hmückung der Gruft von dem Architekten Professor Luthmer in Frankfurt a. M. ausgearbeitet worden. Da jedoch über die stilistishe Behand- lung der Aufgabe die Meinungen noch auseinandergehen, foll demnächst eine Verständigung an Ort und Stelle über den definitiv anzunehmenden Plan stattfinden.
x In der Klo sterkirhe zu Lehnin wird wahrschein- lich noch in diesem Fahre mit der dem Professor Schaper in Hannover übertragenen Auss{hmückung wenigstens der Chorjeite begonnen werden.
— (F) Bei dem Abbruch der alten Kirche in Oeftermarie auf Bornholm find mehrere in numismatisher Beziehung sehr interessante Funde gemacht worden, wel®e der zur Zeit dort weilende Professor Kornerup für die Königliche Münzen- und Medaillensammlung in Kopenhagen erworben hat. Zwei der gefundenen Münzen waren unter dem Altar niedergelegt, sodaß sich bierdurch das Alter der Kire bestimmen läßt. Beide sind unter König Erik Plougpenning (1241—-1250) in Lund geprägt, wo Uffo z¡u der Zeit Erzbishof war. Die eine der Münzen ist bisher unbckannt und fomit von besonderem Intercsse. Auf dem Avers zeigt se einen Halbmond und einen Stern, umgeben von acht Rosen, und auf dem Revers ein Kreuz, in dessen Winkel die Buchstaben Y F 0 zu lesen sind, gleihfalls von aht Rosen umgeben. Die andere sehr selten vorkommende Münze hat keine Inschrift, sondern nur ein Gebäude auf der einen Seite und eine Lilie auf der anderen, beide von Kreuzen und Punkten umgeben. Ferner wurden Münzen von Christopber II., geprägt in Roskilde, von Erich von Pommern. zwei gothländishe mit einer Lilie und einem Lamm, sowie eine Anzahl jeltener deutsher Brakteaten gefunden, geprägt in Mecklenburg, Brandenburg, Pommern, Lübeck, Stralsund, Rostock u. f. w.
Handel und Gewerbe.
(ck.) Berliner Wollmarkt, 20. Juni, Morgens. Die gerir gen gestern Mittag noch unverkauft gebliebenen Posten, die kaum 1500 Ctr. betrugen, fanden bis zum Abend \{chlanken Absatz, wobei allerdings zu bemerfen ist, daß geringere und in der Wäsche nicht gut ausgefallene Stämme einen erhetliheren Preisdruck erfuhren als am Vormittag, doch ging dieser nur in ganz vereinzelten Fällen über 12 M hinaus. In Folze oftentativ niedciger Gebote Seitens einzelner kleineren Fabrikanten und Händler verflaute die Stimmung vorübergehend. Was an guten Wollen vorhanden war, ift vollständig verkauft, die geringen Reste von meist \{lecht behandelten oder ver- zücbteten Wollen wurden entweder vom Markte zurückgezogen oder auf Stadtlager gebracht. Käufer waren fast ausschließlich Fabrikanten, während Kämmer, die allerdings auch nur vereinzelt er!chienen waren, keine Neigung zu umfangreicherer Thätigkeit zeigten. Die heute ftatt- findende Auktion von Kapwollen hielt dieselben wohl von thätigerem Eingreifen zurück. Die in dem leßten Bericht angegebenen Preise find unverändert als maßgebend zu bezeihnen. Die Wäsche war durchweg gut, theilweise sogar vorzüglih, was wohl mit maßgebend für die verhältnißmäßig hohe Notirung der Preise gewesen ist. Auf den Stadtlägern ist es fortdauernd ruhig zugegangen, doch dütften immerhin 20 000 Ctr. zu Vormittagspreisen verkauft sm.
— 20. Juni, 1 Uhr Mittags. (Schlußbericht.) Das dem öffentlichen Berliner Wollmarkt zugeführte Wollquantum betrug ca. 12 600 Ctr., das ist so viel, wie in früheren Jahren ein einziges Berliner Lager umfaßte. Was die Käufer anbetrifft, so ershienen von den sämmtlichen großen deutshen Spinnern nur noch einige wenige \äcsishe, mehr nur aus alter Gewohnheit, als um kaufen zu wollen. Das fieine Quantum deutsher Wollen wurde im vergangenen Jahre bis zum November fast vollständig geräumt, sodaß leit diesem Monat kaum no(h Lager in deutsher Wolle auf hiesigem Plate existirten. Die
(Der Schlußbericht über die gestrige Sißung des Reichs- Tate Lefindet fih in der Ersten Beilage.)
„Folge davon war, daß inländishe Stofffabrikanten, welche mit ihren