1890 / 152 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 25 Jun 1890 18:00:01 GMT) scan diff

auf die zweijährige Dienstzeit einrihten müssen, das deutshe Volk wird von dem Verlangen na ihrer Einführung nit ablassen. Je schneller Sie damit vorgehen, desto besser wird es für die Heeresverwaltung sein. Man fragt, warum wir gerade jeßt mit dieser Forderung kommen. ir haben 1880 und 1887 {on um Kompensation gebeten, freilih ver- eblih. Soll die Militärverwaltung das Recht haben, ihre Boriagen, so wie sie dieselben einbringt, bewilligt zu erhalten? Wir haben die wirthschaftlichen Jnteressen des Volkes au zu vertreten, und in dieser Beziehung glauben wir au einiges Sachverständniß zu besißen. Der Abg. Windthorst hat ih auf Resolutionen zurülgezogen, die Regierung werde selbst thun, was möglih sei. Wir werden selbstverständlih für diese Resolutionen eintreten, weil wir es für werthvoll halten, daß das Parlament wenigstens seine Meinung zum Ausdruck bringt. Aber wir haben dabei die Vorausseßung, daß nun auch in Zukunft Ernst gemacht wird. Die Einseitigkeit der ilitärverwaltung bei der Beur- theilung der FJnteressen kann für uns nicht maß- gebend sein. Der eine Militärverireter meinte in der Kom- mission, die Dienstzeit sei eine wirthschaftlihe Wohlthat für das Volk, habe die Wirkung einer Ferienkolonie, die Leute seien, so lange sie unter der Fahne stehen, wohlgenährt, be- kämen viel Fleisch zu essen, nah einem Jahre seien es abge- magerte Gestalten. Diese Aeußerung beweist, daß die Herren auf einem wirthschaftlich von dem unsrigen himmelweii ver- schiedenen Standpunkt stehen. Darum müssen sie den Männern aus der Volksvertretung ein gewisses Gegengewicht beilegen. Was nennt die Militärverwaltung dringlih? Auch die Offiziersgehälter hat sie als dringlich bezeihnet. Das muß uns in dem Glauben erschüttern, daß die Herren nicht unbe- dingt mehr fordern, als in dem Augenblick nothwendig ist. Der Scaßsekretär von Maltzahn meinte in der Kom- mission, daß Deutschland die Kosten der Vorlage wohl aushalten könnte, und hat die anderen Länder zum Ver- gleih herangezogen. Jn Frankreih find die Ausgaben für die Armee in den leßten zwölf Jahren bis zum Fahre 1885 in die Höhe gegangen. Von da ab gehen sie um vierzig Millionen Mark hinunter. Wir aber haben seit 1879/80 unser Ordinarium um 43 Millionen Mark erhöht. Der Abg. von Kardorff führte uns in der ersten Lesung vor, daß an direÉten und indirekten Steuern Frankreih 55, England 35, Deutschland dagegen nur 19 6 pro Kopf aufzubringan habe, und meinte, dem gegenüber solle man niht davon reden, daß die Nation überlastet sei, Deutschland sei eine reiche Nation. Die Vergleiche zwishen den Finanzen einzelner Länder sind sehr schwer durchzuführen, weil die Budgets nicht so ohne Weiteres vergleichbar sind. Der Abg. Buhl hat uns für England 40 A pro Kopf angegeben, nach dem neuesten Budget sind es 381/, ( Jett wird es weniger sein; denn England if so glücklich, ‘Finanz-Minister zu haben, die niht bloß mit Steuererhöhungen, sondern auch einmal mit Steuererleihterungen kommen, und solhe hat Goschen jüngst vorgeshlagen. Nun haben wir in Preußen 6,1 M direkte Steuern, 1 #6 an Stempel- und Erbschafts- steuer, das Reich hat 13 # an indirekten Steuern und Zöllen. Es kommen also im Ganzen auf den Kopf 20,1 46 Steuern in Deutschland gegen 38 #6 in England. Daneben muß man aber die Lasten, welche durch die Geseßgebung den einzelnen Ländern auferlegt werden, in Betracht ziehen. Die Lasten, welche die Schußzölle auferlegen, sind auch Steuern. Allein die Getreidezölle betragen im leßten Jahre gegen 12 M pro Kopf. Dazu kommt die Belastung, welhe durch die Be- steuerung der Textilfabrikate u. st. w. erwächst. Man kann darnach getrost die Behauptung wagen, daß die deutsche Nation absolut mehr belastet ist. Kann aber Deutschland überhaupt mit England in Bezug auf seinen Reihthum konkurriren ? Die ein- eshäßten Einkommen in England betragen, obgleich alle Ein- ommen unter 3000 6 frei sind, im Jahre 1876 111/5 Milliarden, 1887 121/74 Milliarden, in Preußen alle Einkommen über 3000 M 1876 21/; und 1887 22/3 Milliarden. Diese Zahlen geben zu denken. Wenn man auch bérücfsihtigt, daß die Eisenbahnen in England fehlen, während sie bei uns ein- gerechnet sind, so kann man doch jedenfalls behaupten, die Engländer sind 2 bis 3 Mal so wohlhabend wie wir, und troßdem zahlen wir an Steuern und Schußzöllen mehr als England. Hat der Herr Schaßsekretär sich auch diese Zahlen vergegenwärtigt und is er im Stande, sie zu bemängeln? Er müßte daraus die Konsequenzen ziehen, daß er verpflichtet wäre, mit aller Macht der Erhöhung der Ausgaben entgegen- zutreten. Jn Frankreih haben sih, wenigstens nah dem Gothaischen Hofkalender, die direkten und indirekten Steuern seit 1879 nur um 1 pro Kopf erhöht. Also selbst das reihe Frankreih hat sih gehütet, in den leßten Jahren die Steuerkraft der Bewohner mehr anzuspannen. Vergleichen Sie damit den Galopp, den wir laufen. Lor 10 Jahren hatten wir 23 A an Zöllen und 1889/90 7,3 M pro Kopf der Bevölkerung. Jsstt das nicht eine ershreckende Thatsache? Und sind das nicht gerade Lasten, die von den allerärmsten Schichten getragen werden? Hat der Herr Schaß- sekretär etwa gesagt: Diese Politik ist unhaltbar, die Liebes- gaben an die Brenner sollen auf die Hälfte reduzirt werden? Hat er ein Wort von der Beseitigung der Zucker- prämien gesag!? Wir haben nur gehöri: Die Getreidezölle dürfen niht angerührt werden, hon im Jnteresse meiner Den nicht. Die Reiths-Einkommensteuer, die wir in Vor-

chlag gebra@t, weil wir darin ein Mittel sehen, an die wohl- habenden Leute im Reiche einmal heranzukommen, hat der Schaßsekretär in der Kommission zwar für diskutabel erklärt, in dem Kommissionsbericht steht allerdings nihts davon —, aber hinzugefügt, die Verfassung verbiete es. Jn der Ver- fassung is im Gegentheil auf die Reichs-Einkommensteuer - geradezu hingewiesen. Schon diese Thatsachen reichen hin, um es uns als geradezu unverantwortlih erscheinen zu lassen, wenn wir ohne weiteres diese Vorlage bewilligen wollten, das können wir nicht, das duldet unser konstitutionelles Ge- wissen nicht. Wir wollen wissen, welhes werden die neuen Steuern fein? Soll das eine Fortsezung dec unglücklichen Schutzoll- und Finanzpolitik sein? Das, was der Finanz- Minister zu uns geäußert hat, rechtfertigt die {hlimmsten Befürchtungen. Gambetta sagte einst: die Deutschen haben uns mit den Waffen in der Hand bekriegt, jeßt werden wir einen Finanzkrieg führen, und in diesem Kriege werden wir siegen. Jch habe damals darüber gespottet; jezt aber scheint das Wort ernst werden zu wollen. Wir sind {on gegen- wärtig über das Maß des Zulässigen hinausgegangen. Unsere ‘Altvordern haben es verstanden, mit kleinen winzigen Summen Europa gener sih zu halten; das soll uns zum Vorbild dienen. ir haben deshalb mit Recht die For- derung gestellt, daß alles nicht _ unbedingt Erforder-

lihe bis zur nähsten Session vertagt wird. Bei Be- willigung der Zölle wurde uns seiner Zeit die Ueberweisung der Grund- und Gebäudesteuer, die Erleichterung der Gewerbe- und Klassensteuer u. \. w. in Aussicht gestellt. Von alle Dem ist niht mehr die Rede. Der Schaßsekretär hat die Kosten der Jnvaliditätsversiherung für das nächste Jahr mit 10 bis 12 Millionen in Anrechnung gebracht, in absehbarer Zeit werden es 50—100 Millionen sein. Daneben kommen die Kosten der Marine und der Kolonialpolitik in Betraht. Wie können wir gleihmüthig und ruhig in die Zukunft schen? Jh bin Optimist vom Kopf bis zur Zehe. er Angesichts des Studiums unserer Btnggoerhain}se und der Lage nament- lih der kleineren Leute im Lande muß ih sagen, es ist nöthig, daß wir endli einen festen, klaren Pragcan bekommen und eine wirkliche Steuerreform, denn die bisherigen waren nichts als eine Vermehrung der Steuern. Daß die Dinge nicht so weiter gehen können, ist die Meinung weiter Volkskceise, das Gefühl geht auch über die Grenzen Deutshlands weit hinaus. Von dem Throne, Parlamente, aus der Presse, der ganzen Kulturwelt ertönt in den leßten Tagen der Ruf: So geht es nicht weiter. Der Vertrag mit England giebt uns eine neue Friedensbürg- schaft dur die befestigte Freundschaft zweier großer Kultur- völker, die einander so nahe stehen. Wir haben den Dreibund, und troß alledem erhalten wir einen Tag nah dem anderen nur Berichte über fortgesezte Rüstungen. Wir haben aller- dings auch aus den anderen Parlamenten, ih verweise be- sonders auf Jtalien und Spanien, das Verlangen nach Ab- rüflung, nach einem internationalen Schiedsgericht gehört. Auch der Papst führt bittere Klagen über das Anwachsen der Heere in Europa. Jn Oesterreih hat der Kriegs-Minister von Bauer von offizieller Stelle auf den krankhaften Zustand des allseitigen Erhöhens der Militärmächte hingewiesen und gezeigt, daß wir nur entweder durch eine Katastrophe oder durch Gesundung zu einem Ende kommen können; ih wünshe nicht die Katastrophe. Jch bin dem Fürsten Bismarck dafür besonders dankbar, daß er die Meinung vertreten hat, er müsse den Frieden, so lange er ihn erhalten könne, aufrecht erhalten. Jh bin auch nicht der Meinung, daß wir in Deutschland mit der Abrüstung jeßt an- fangen sollen, aber die Regierung sowohl wie die Regierten haben die Verpflihtung, die Worte des österreichishen Kriegs- Ministers zu beherzigen und die nöthigen Schritte zu ihrer Erfüllung zu thun. Diese Friedensalliance wird sich \s{chließlich über Europa ausbreiten, und ih sehe nur eine Gefahr darin, daß dann eine internationale Verbrüderung der Massen ent- stehen und \sich ausbreiten wird. Die Völker werden Dem- jenigen unsterblihen Dank wissen, der die Jnitiative zu jenem großen Friedenswerke ergreift. ch habe gecn für die Militärvorlage stimmen wollen. Nah meiner ganzen Ver- gangenheit werden Sie es natürli finden; nach meinen Aus- einandersezungen werden Sie es ebenso natürlich finden, daß ih es als eine Gewissenspfliht erahten muß, meine Zustimmung nicht zu geben. Es müssen endlich einmal Erleichterungen im wirthschaftlichen Gebiete gegenübergestellt werden. Wenn dec Militärverwaltung daran liegt, die große Majorität des Reichstages für {ich zu gewinnen, dann ziehen Sie die Konsequenzen unserer Wünsche. Fortseßung der mili- tärishen Forderungen ohne Kompensation is ein Ding der Unmöglichkeit. Fh werde gegen die Vorlage stimmen.

Abg. Dr. Windthorst: Es kann nicht zweifelhaft sein, daß die Vorlage bereits während der vorigen Session des Reichstages im Gange war, sie ist uns nur nicht vorgelegt worden, weil man fürchtete, sie würde auf die kommenden Wahlen erheblih einwirken. s bedauerlih, und ich gäbe viel darum, wenn man ie ablehnen könnte, denn diese Mehrforderung an Menschen und Geld ruht shwer auf der Bevölkeruna, und die tiefgehende Bewegung, die sich in ganz Deutschland über diese Vorlage kundgiebt, beweist, wie schwer schon jeßt, ehe das Geseß praktisch geworden ist, der Druck empfunden wird. Man hat mih wegen meiner Stellung zur Vorlage in jeder Weise angegriffen. Das hat nichts zu bedeuten, denn nach so langer parlamentarisher Thätigkeit bin ih es {hon gewohnt, bald von der Regierung, bald von den Mittelparteien und bald von links angegriffen zu werden. Die Herren links {einen es jeßt den Mittelparteien nahmachen zu wollen, das hilft aber Alles nihts. Jh werde ruhig meinen Weg weiter gehen, meine Pflicht thun und es Gott überlassen, die Dinge zu leiten. Es ist mir besonders zu Gemüth geführt worden, wie ih und meine Freunde ins Regierungslager übergehen konnten. Es heißt doch nicht, ins Regierungslager übergehen, wenn man einen einzelnen Vorschlag der Regierung für richtig hält. Wenn man zu allen Vorlagen unter allen Umständen Nein sagen wollte, brauhte man nicht hier zu sein und könnte sein Votum schriftlich einshicken. Wir haben es uns stets zur festen Aufgabe gemacht, die Regierung zu unterstüßen, wo sie Recht hat, und sie mit Energie zu bekämpfen, wo sie Unrecht hat. Man hat mir ferner zu Gemüth geführt, wie ih hier der Regierung entgegenkommen könnte, obwohl fie unseren vitalsten Lebens- interessen in Beziehung auf Kirche und Schule so wenig ent- gegenktommt, und nahdem wir soeben im Abgeordnetenhause die heftigste Diskussion über die Sperrgeldervorlage gehabt haben. Allerdings kostet es ein großes Maß von Ueberwindung, nach solcher Behandlung das zu thun, was Recht ist, aber wenn wir auch hier in Deutschland als Stiefkinder behandelt werden, sind wir doch verpflichtet, als treue Unterthanen nah dem Maße unserer Kenntniß zu thun was Recht ist, au für Diejenigen, die uns s{lagen. Man hat sich hier zu fragen, was die Unabhängigkeit und Sicherheit des Vaterlandes er- fordere. Wenn die in Frage kommen, müssen alle anderen Erwägungen zurücktreten. Wenn wir gemeinjam unser Vater- haus geschüßt haben, wollen wir nachher innerhalb des- ah uns gegenseitig gründlich auseinanderseztn. Sie ollen mich immer dazu bereit finden. Was hier ver- langt wird, ist nothwendig zum Schuße des Vaterhauses. Die französische Artillerie hat 126 Batterien mehr als die unserige, und felbst nach Annahme und Ausführung dieser Vorlage noch 40 Batterien mehr. Jch kann nicht verantworten, daß meine Brüder die Pflicht haben, Leib und Leben und Ge- sundheit im Kampfe einzuseßen, und nur deshalb nicht siegen, weil sie ungenügend ausgerüstet sind. Jch kann auch die friedigung dieser ieben, wo uns die Finanzpläne vorgelegt werden sollen, denn damit würde viel kostbare S Für die nöthigen Be- schaffungen verloren gehen. Wer sichert uns bei der unge- euren Spannung überall, wenn auch der Friede gesichert zu ein scheint, daß nicht unerwartete L uns plögßlih zum Kampf fordern, wie 1870, als der Reichskanzler hier von der Tribüne die Kriegserklärung Frankreihs verlas? Allerdings muß man fragen, wie die Kosten gedeck werden

Allerdings ist diese Forderung :

orderung nicht bis zum Herbst hinaus- .

können, und in der Hinsiht sind uns bisher noh unvollflommene Daten gegeben. Unsere Finanzverwal- tung muß auch die kommenden Ereignisse überschauen, danach die Finanzgebahrun Ai und nicht warten, bis uns das Feuer auf den Nägeln brennt. Wir müssen einen vollständigen Finanzplan für das Reih und die Einzelstaaten hinstellen. Der Finanz-Minister des Reiches muß mit den Finanz-Ministern der Einzelstaaten einen solhen Plan unter Berücksichtigung dez Es der Einzelstaaten feststellen. Wir können aber auf diefen Plan niht warten, um nicht mit unseren Rüstungen zu spät zu kommen. Jch glaube au, daß diese Forderung hier mit den vorhandenen Einnahm-quellen noch gedeckt werden kann. Deshalb bewillige ih die Vorlage, wo sie eili ist, hon jeßt, erwarte aber bestimmt von der Regierung, daß sie im Herbst einen Finanzplan vorlegen wird. Gewiß dürfen wir niht mehr bewilligen, als absolut noth- wendig ist, und ih nehme keinen Anstand auszusprechen, daß wir seit Errichtung des Deutschen Reichs mit zu großer Freigebigkeit gewirthschaftet und an die Zukunft zu wenig gedacht haben, sonst würden manche Ausgaben sicher: nit be- willigt sein. Wir waren nit sparsam, lassen Sie es uns also jeßt sein. Natürlich muß alles Nothwendige bewilligt werden, wir müssen eben wo anders sparen, um diese Mittel zur Vertheidigung zu G Wir müssen den leßten Rock hergeben, damit wir unser Haus schüßen und der Feind nicht ins Land kommt. Was hier verlangt wird, ist nah den an- gegebenen Zahlen absolut nothwendig, so drückend es auch ist. Wir wollen dafür auf anderen Gebieten eine größere Sparsam- keit eintreten lassen; vor Allem darf keinerlei Luxusausgabe mehr in das Budget eingestellt werden. Die Noth- wendigkeit der Vorlage haben auch Alle anerkannt. (Widerspruch des Abg. Richter.) Den Kollegen Richter nehme ih nicht aus, und wenn er sich ausnimmt, so stelle ih ihm seinen Kollegen gegenüber, der eben die Noth- wendigkeit nicht bestritten hat, sondern die Bewilligung nur an einige Bedingungen knüpfte. Es ist ja traurig, daß wir zu solchen militärischen Rüstungen gezwungen sind, daß der Mensch nur dazu da ist, um immer von neuem Soldaten zu bilden und Waffen zu finden, die am Leichtesten und Massenhaftesten die Menschen umbringen. Jn allen europäischen Staaten werden diese Rüstungen vorbereitet, die gar nichts Gutes bedeuten. Bei dieser Forderung können wir allerdings wohl überlegen, inwiefern Anträge auf Abrüstung am Plaße find. Wenn die Regierung die Sachlage ruhig betrachtet, so wird sich - auch ihr die Nothwendigkeit solher Ab- rüstung aufdrängen, und ih erwarte von ihrem Pflicht- gefühl, daß sie dazu mitwirkt. Das mächtige Deutschland kann in dieser Hinsiht in Europa ein kräftiges Wort mitsprehen. Der Antrag Bonghi in Ftalien wegen eines internationalen Schiedsgerichts kann von uns mit großer Sympathie begrüßt werden. Wenn uns nicht die Geschäfte des Hauses drängten, würde ih auch meinerseits solche An- träge stellen, und ih zweifle niht, eine Majorität dafür zu erlangen, obwohl die Ausführung solcher Änträge nicht so leiht ist. Daraus, daß etwas nicht so leicht ist, kann ih nie- mals einen Grund dagegen entnehmen; wir haben größere Schwierigkeiten überwunden. Haben Sie geglaubt, daß es möglih gewesen wäre, so rasch die Jdee der Arbeitershuß- geseßgebung in einem internationalen Kongreß zu erörtern ? Und haben Sie geglaubt, daß ein solcher Kongreß solche Er- folge haben würde? Hat man nicht gesagt, es wäre ein Schlag ins Wasser? Wenn der Kaiser einen Kongreß hierher berufen würde, um über ein solches internationales Bee zu verhandeln, ich glaube, auch damit würde er Erfolg haben. Aber wenn wir es bloß bei den Jdeen lassen, ist nihts erreicht. Jch bin noch jung genug, um zu sagen, es ist hohe Zeit, daß diese Frage international erörtert wird. Bongh1 hat den ersten Schritt gemacht, er wird es nicht ver- ebli gethan haben. Wir wollen ihm nachfolgen. Jch habe onst keine Veranlassung, mi für die Herren da in Jtalien zu begeistern. Uebrigens is Bonghi sehr viel besser als Crispi. Wir sind aber zur Zeit noch niht an die Ausführun der Abrüstungsideen gekommen und dürfen daher als prak- tishe Männer nicht etwas versäumen, was zur Sicherheit des Vaterlandes nöthig ist. Wir wollen keinen Krieg, aber wenn er uns gebraht wird, müssen wir ihn mit fiherem Erfolg führen und deshalb diese Mittel bewilligen. Jn Rußland sehen wir eine unermeßlihe Masse von Menschen und nit zu untershäßendes Kapital und energishe fortschreitende Rüstungen. Vereinigt sich gar Rußland mit Frankreich, so werden wir dem Feinde nur mit Oesterreih zusammen gewachsen sein und mit Ftalien, sofern es die Kräfte hat. Aber ih glaube, daß wir mit Oesterreih allein einem solhen Kampfe zuversichtlich Qr geg epert könnten, zumal die öôsterreihishe Regierung ebenfalls sh jeßt bemüht, ihre Wehrkraft zu stärken. Jh muß das Nothwendige be- willigen und ih kann die Bewilligung niht an Bedingungen knüpfen, welhe die Bewilligung aufheben. Die einjährige Bewilligung des Militär:Etats und die zweijährige Dienstzeit halte auch ich für berechtigt. Jch zweifle auch niht, daß wir die erste Forderung erreihen werden, wenn wir sie kon- sequent weiter verfolgen. Die zweijährige Dienstzeit wird von der überwiegenden Mehrheit des Volks verlangt, und die verbündeten Regierungen müssen sich ernfstlich fragen, ob sie einem solchen mit elementarer Gewalt auftretenden Verlangen Widerstand zu leisten entschlossen find: Die Herren von der Militärverwaltung mögen nicht vergessen, was hier verlangt wird, verlangt das ganze deutshe Voik mit sehr wenigen Ausnahmen. Fragen Sie Jhre Wähler, Sie werden dieselbe Antwort erhalten. Jn der Kommission ist auch eine Resolution beschlossen worden, daß sofort thatsählih, sei es in den Rekrutenvakanzen, sei es durch größere Gewährung von Königsurlauben, eine Erleichterung eingeführt werde. Jn Bezug auf diese rein administrative So ernna könnte die Regierung sehr wohl eine beruhigende Srflärung abgeben und ih stelle an die Regierung das An- sinnen, daß sie, wenn irgend mögli, eine solhe Erklärung klar und knapp in soldatisher Form abgiebt. Es wäre dies ein Schritt auf dem e zur zweijährigen Dienstzeit. Jh bin überzeugt, daß diese Vorlage lange niht auf den Wider- stand gestoßen wäre, wenn die Regierung nicht noch weitere Pläne in Aussicht gestellt hätte. Die Darlegungen in dieser Hinsicht in der Kommission haben mich, ih kann es nicht leugnen, fast niedergedrückt. Würden 2E Pläne durch- geführt, so würde das Land unerträglich belastet werden, es würden die Mittel fehlen zur Ernährung des Volks und der Armee selbst. Diese Pläne müssen ein für alle Mal definitiv aufgegeben werden. n den weiteren. Ver- handlungen der Kommission find jene Erklärungen sehr ein- geshränkt worden, es sind einstweilen nur Erwägungen, die

hier im Kriegs-Ministerium gemacht sind. Die übrigen gierungen find noch nit darüber gehört, ein irgen fester Entschluß liegt überhaupt niht vor. Bei aller Hochachtun und Verehrung der einzelstaatlichen Regierungen habe ich do nicht die Ueberzeugung, daß sie Kraft genug haben würden solhen Plänen zu widerstehen. Deshalb habe ih mit meinen reunden diesen Plänen gegenüber wenigstens einen formellen, laren Protest erheben zu müssen geglaubt und diesen Protest in einer Resolution niedergelegt. Wir kommen dur solche Resolution viel besser jus, Biele als durch Jhre Anträge. Sie wissen recht gut, daß die Annahme Jhrer Anträge das Scheitern der Vorlage zur Folge haben würde, und wir können dafür eine Verantwortung niht übernehmen. J weiß ja, es giebt Blätter, die meine Partei mit Gewalt in einen Konflikt mit unseren Wählern bringen möchten. Sie sagen, der Windthorst ist alt geworden und ihm ist bange. Alt bin ih wohl, aber bange noh nicht und wenn ein Konflikt entstände, so würde es ja ein lustiger Kampf sein, und der Kampf stählt die Glieder. Indessen, ih

habe mein Vaterland zu lieb, um i i ha bereiten. Wer sol ihm einen solhen Kampf

e Konflikte durhgemacht hat, und i abe sie durhgemaht, weiß, welhen Schaden sie n eshalb ziehe ih, wenn auch ungern, den Weg der Resolution

vor. Es soll ein Protest erhoben werden gegen Pläne, die

schon der verstorbene Kaiser Wilhelm für undurchführbar erklärt hat. Nun sagt man, um mi und meine Freunde zu kränken : Zhr seid inkonsequent, früher habt Jhr den Milita- rismus. bekämpft, heute unterstüßt Jhr ihn. Wir haben uns jederzeit bemüht, die Forderungen für die Armee möglichst herabzuseßen; wo aber uns klar gemacht wurde, daß sie noth- wendig waren, haben wir sie bewilligt, auch 1887 jeden Mann und jeden Groschen, wenn auch nicht auf 7 Jahre. Was aber das Ver- sprehen an die Wähler betrifft, so kann ih niht wissen, was dieser oder jener meiner Freunde gesagt hat. Was aber die Fraktion gesagt hat, E dem Programm vom Januar, und in diesem Programm heißt es, daß wir auf allen Gebieten die größte Sparsamkeit innehalten wollten, selbstverständlich aber immer eintreten würden für die Ehre, Würde und Wehr- hastigkeit des Landes. Sind denn diese Worte in irgend einem Widerstreit mit dem, was ih und meine Freunde wollen ? Jh fordere Jedermann heraus, mir nachzuweisen, wo immer die Centrumsfraktion als solche etwas gesagt oder gethan hat, was mit dem in Widerspruch steht, was wir heute zu thun im Begriff sind. Wir haben in früheren Programmen erklärt, daß wir eintreten wollten für die einjährige Militär- bewilligung und für die zweijährige Dienstzeit. Wir thun es jeßt.

Wir fordern es mit Bestimmtheit, können es aber nit bezwingen,

in der Art wie Sie es wollen, weil wir dadurch das Vater-

land wehrlos machen. Wir stimmen für die Vorlage mit den

Resolutionen und gegen die Anträge. Was den Antrag

Riert betrifst, so weiß ih noch gar nicht, ob derselbe in der

gestellten Form zulässig ist. Er würde höchst wahrscheinli

eine Verfassungsänderung erfordern. Wir find uns sehr wohl bewußt, daß uns aus unserem Votum ein sehr s{hwerer Vor- wurf gemacht wird. Man rüstet {hon jegzt in den verschie- denen Lagern, um daraus für die künftigen Wahlen gegen uns Kapital zu schlagen. (Sehr richtig! bei den Sozial- demokraten.) Hr. Bebel sagt „sehr richtig“ und ih weiß ja, daß seine Freunde in rüstiger Thätigkeit sind und daß au die Partei der „Frankfurter Zeitung“ sie unterstüßt. Fch bin aber überzeugt, daß, wenn unsere Wähler klar sehen, wie die

Dinge liegen und was hier in Frage steht, sie unser Verhalten

billigen werden. t

Reichskanzler von Caprivi:

Gegen den materiellen Inhalt der Vorlage, gegen die Noth- wendigkeit der beantragten Verstärkung des Heeres, der Aenderung seiner Organisation sind Einwendungen, soweit ih gehört habe, nit vorgebraht worden. Ih stimme darin dem Hrn. Abg. Dr. Windt- horst bei, daß au der Hr. Abg. Rickert folhe Einwendungen nicht zu machen hatte. Mag der Hr. Abg. Ri®Ster durch einen Zwischen- ruf dokum?:ntirt haben, daß er anderer Ansicht war, von dem Hrn. Abg. Rickert habe ih dergleichen nicht gehört. Ih Tonstatire das mit um so mehr Freude und Befriedigung, als ich im Namen der verbündeten Regierungen zu erklären habe, daß fie von der BVor- lage abzugehen nicht gesonnen und die dazu gestellten Anträge anzu- nehmen ebenso wenig gesonnen sind.

Nath der Widerlegung, die der Hr. Abg. Windthorst dem Hrn. Abg. Rickert hat zu Theil werden lassen, na der präzisen Dar- legung des Zwecks der Vorlage dur den Hrn. Abg. Windthorst kann ih mich derjenigen Kürze befleißigen, die er mir zur Pflicht gemacht hat .

Der Hr. Abg. Rickert hatte im Wesentliden zwei Bedenken. Einmal mote er die Vorlage nicht annehmen, weil nicht einige konstitutionelle Forderungen, die zu stellen seine Partei seit längerer Zeit gewohnt ist, erfüllt werden ; dann aber meint er: warum gerade jeßt ? Während der Hr. Abg. Windthorst diese F-age an die Ver- gangenheit fnüpfte, blickdte der Hr. Abg. Rickert auf die Zukunft; er meinte: wartet do noch! Ja, mir bleibt da nur übrig, an ein Gleihniß zu erinnecn, das ih s{chon mal hier gebraucht babe. Wenn Iemand sich einen Vligableiter für sein Haus be- ichaffcn ‘will, steht er auch vor der Frage: soll ih das jeßt thun, oder fann ich nicht noc ein Jahr warten? Wäre Jemand da, der ihm die Garantie geben könnte, taß der wolkenlose Himmel, unter dem er heute steht, cin Jahr länger anhalten werde, so würde er ganz gewiß die Ausgabe für den Bligableiter erst über ein Jahr machen. Troß der günstigen politischen Lage, in der wir jegt leben, bin ih niht im Stande, vorherzusagen, wie lange dieselbe dauern werde. Fch bin also der Meinung: Der Bligtableiter muß sofort beschafft werden.

Die Ausführungen des Hrn. Abg. Windthor# in Bezug auf die Nothwendigkeit, die Finanzlage des Reichs und der Einzelstaaten in Uebereinstimmung zu bringen, kann ih mir nur vollständig zu eigen machen; es ist einer meiner sehnlihsten Wünsche, daß dieser Zustand so bald wie mögli herbeigeführt werde, : :

Zu meinem Bedauern aber hat der Hr. Abg. Windthorst eine Aeußerung gethan, die ih nit acceptiren kann, die mi betrübt hat, die i vem Standpunkt unserer autwärtigen Politik für bedauerlih balte; er hat über den leitenden Minister eines uns eng befreundeten Staats eine abfällige Aeußerung gemacht. Meine Herren, in dem Augenblick, wo Sie vor der Nothwendigkeit stehen, über eine. Heeres- verstärkung zu befinden, halte ich es niht für angebraht, an den Bündnissen, die wir seit Jahren geschlossen haben, die wir treu zu halten gewillt sind, zu rütteln.

Das Bündniß mit Italien wird nach meiner Ueberzeugung auch weiter leben, wenn, was Gott verhüten wolle, der irpige leitende Minister von seiner Stelle zurütritt; aber in der Person dieses Ministers finden wir eine Friedensbürgshaft, wie sie uns {chwerlich

ein anderer Italiener geben kann, und ich beklage es deshalb, wenn .

diese erlan hier von der Tribüne angegriffen worden ift. er Hr. Abg. Windthorst meint : wir können allein in der Ver- bindung mit Oesterreich fertig werden. Das kann sein, er mag darin Recht haben; aber es ift ein alter militärischer Saß: wir können zur Entscheidung nie zu stark kommen, und ih möSte nicht, daß von den Alliancen, die wir haben, auch nur der kleinste Theil abbröckelte, daß fie au nur innerlich ge]/chwächt würden. Ich kann mich den Resolutionen, die der Hr. Abg. Windthorst vorgeshlagen hat, zuwenden, Die erste geht dahin, daß von den

„Plänen* Abstand genommen werde, indem dadur tem Deutsen Reich geradezu Uner dtigRie Kosten erwachsen A Ih es niht beurtheilen, ob die Koften unershwinglih sind; denn wie ich {on einmal erklärt habe: ich kenne die Pläne nit. Ich halte es auch für wahrscheinli, daß, wenn in dem nächsten Jahre die verbündeten Regierungen mit militärishen Forderungen vor dies hohe Haus treten sollten, diese mehr dahin gehen würden, daß das, was geschaffen ist, innerlich konsolidirt werde. Wir baben inner- halb der Armee eine ganze Anzahl ron Fragen in der Richtung der Verbesserun unserer inneren Zustände zu erledigen im Sinne der Worte des Fürsten Bismarck, daß wir mehr auf gute Truppen, als auf viele Truppen werden Gewicht legen müssen.

Wenn die Koften hier als „unerschwinglih“ bezeihnet worden find, so will ich mir doh die Bemerkung gestatten, daß ih den Aus- dru für sehr hoh gegriffen halte. I könnte darauf exemplifiziren, was Preußen, das kleine Preußen in früheren Jahren gethan hat. Ih will mi aber hier darauf beschränken, daß ih die Frage an „Sie rihte: wie glauben Sie, daß das Wort „unerschwing- lib* auf das Ausland wirkt? Glauben Sie nit, daß Leute da find, die das mit tiefem Behagen hören und die eine gewisse Befriedigung empfinden, wenn sie wirtlich denken könnten: jeßt ift Deutfland am Ende seiner finanziellen Leistungen angekommen ? Ih weiß sehr wohl, daß das nicht Ihre Meinung ist, daß das ein Auódruck ist, wie er im Parteikampf mit unterläuft. Aber ih habe zu fonftatiren, daß nach der Ueberzeugung der verbündeten Regierungen Sie noch nit, noch lange niht am Ende Ihrer finanziellen Leistungen angekommen sind, wenn von diesen Leistungen die Sicherheit und die Existenz Deutschlands abhängt.

Die zweite Refolution befaßt sich mit der Friedenspräsenzstärke dem Septennat. Es ift mir bis zur Stunde urerfindli®, warum dies Thema hier fo accentuirt worden ist. Wir verlangen ja gar nit sieben Jahre; es sind ja nur noch dreicinhalb Jahre. Wir wollen nur das Septennat, welches früher angefangen hat, jeßt nit unterbrechen; wir wollen die einmal bewilligten Mittel fortbrauhen und die neu zu bewilligenden au ebenso lange.

Ich hatte mir eingebildet, daß gerade die Fortschrittspartei diesem Wunsch der Regierung mit einer gewissen Sympathie entgegentreten, si freuen würde, daß wir nicht mit einem neuen Septennat von jetzt bis zum Iahre 1897 kommen, sondern daß wir uns dem Antrage Stauffenberg von 1887, der von drei Jahren ausging, anfügten. Weiter wird in der Vorlage nichts verlangt, als eine Bewilligung auf etwas über drei Jahre. Wenn ich mich also auf den Boden eines Abgeordneten der Fortschrittspartei stelle, so muß ih doc sagen: die Sache war acceptabel. Wird sie von der Fortschrittspartei nit acceptirt, so muß ich eben zu meinem Bedauern bei der Ansicht stehen bleiben, daß es si hier um konstitutionelle ih stelle anheim, ob Sie den Ausdruck Doktorfragen oder Kraftproben vorziehen handelt.

Die vierte Resolution geht auf die zweijährige Dienstzeit aus. Aus den Erörterungen, die darüber stattgefunden haben, wird, glaube ih, auch der begeistertste Shwärmer für die zweijährige Dienstzeit doh die Ueberzeugung gewonnen baben, daß die Sache ihre zwei Seiten hat. Schon die eine Seite, daß sie nicht wohl für alle Waffen duzchführbar ist denn das erkennen Sie auch selbst an, daß wir einige Waffen kurz, andere länger dienen [laffen müßten —, ift eine im höchsten Grade bedenklihe. Selbst wenn man der zweijährigen Dienstzeit zuneigt, muß man zugeben, daß da Konsequenzen auf diesem Boden entstehen können, die si noch gar nit absehen laffen. Es giebt zweifellos Soldaten, die die volle zweijährige Dienstzeit, also 24 Monate aktiv bei der Fahne, auch für die Fußtruppen dem jeßigen Zustande vor- zieben möchten. Wir haben jeßt eine ungleihe und zum Theil kürzere Dienstzeit, behaftet mit all den Mängeln, die dem Dispositionsurlauberthum anhaften, behaftet mit der Ersahtreserve. Ich glaube, wenn eine zweijährige Dienstzeit voll geboten würde, wenn diese Dinge davon getrennt werden könnten, wenn dann die Kompensationen gegeben würden, von denen \{chon gesprochen ift, daß dann mancher Soldat dem zustimmen würde. Aber das, meine Herren, machen Sie sich do auch klar, daß das nit weniger lästig für die Bevölkerung und un- gleih tbeurer werden würde als der jeßige Zustand. Die verbündeten Regierungen sind alfo zur Zeit nit in der Lage, auf eine Verkürzung der Präsenzzeit einzugehen.

_Ich komme zu der Resolution Nr. 3, die an die Regierungen das Ersuchen stellt, entweder die thatsählihe Präsenzzeit herabzumindern oder Dispositionsbeurlaubungen einzuführen. Der Weg der Herbst- vakanzen ift für die verbündeten Regierungen nicht gangbar; da- gegen bin ich ermähtigt, und zwar für den Umfang ganz Deutschlands, zu erklären, daß \chon in diesem Herbst bei den Fußtruppen Beurlaubungen zur Disposition in er- hôöhtem Umfange stattfinden werden, ia dem Umfange, den die ver- bündeten Regierungen noch mit der Fortseßung eines guten Dienfst- betriebs bei den Fußtruppen für vereinbar halten, Zahlen, die, wenn sie durch die ganze deutsche Armee -addirt werden, etwa 6000 Mann betragen werden. Ich glaube, daß dawit die verbündeten Regierungen ihr Entgegenkommen in der Weise gezeigt haben, die die einzig A ist, Weiter zu gehen is den verbündeten Regierungen nit möglich.

Wenn nun die verbündeten Regierungen so weit gegangen find, im Uebrigen aber ihre Forderungen nicht aufgeben können, so bitte ih das hobe Haus, die Vorlage der Regierungen unverändert, fo ein- stimmig wie möglich, anzunehmen. Nachdem ih mich in der Kommission geäußert hatte, hat man in den Zeitungen, die der Partei drüben angehören, das Wort gefunden, daß ih eine Schonzeit für mich beanspruhe, während ih das nicht gewollt habe. Schießen Sie nur auf mich! Mir foll cs ret sein! Ih habe die Schonz;eit für Deutshland beansprncht, und bin ich auch noch der Meinung, daß, wenn wir uns, wie ja zweifellos, am Ende des jeßigen Septennats, fei es zur Verständigung oder zum Kampf wiederfinden werden, dieser Kampf, wenn er noth- wendig werden sollte, mit urgleich weniger bedenklihen Folgen für Deutschland geführt werden kann ‘als heute. Man möge sh doch flar machen, wohin eine Differenz auf diesem Boden zwiscen den Regierungen und dem Reichstage führen kann! Daß es den Regierungen kein Vergnügen is, Steuern zu fordern und Menschen einzustellen, das liegt auf der Hand. S(hreitet die E enang zu so ernsten, folgeschweren Forde- rungen, so wird sie do ebenso gut für sih in Anspru nehmen, wie jeder Andere das für sich in Anspruch nehmen kann, daß sie aus Pflihtgefühl handelt. Erkennt die Regierung, daß das Dasein Deutschlands diese Forderung nöthig macht, so würde sie fals benpeln, ui sie niht alle Mittel ershöpfte, ehe sie diese Forderung allen läßt.

Wohin aber können solche Differenzen führen? Jch mag das Bild gar nicht ausmalen, will aber bier wieder vom Standpunkt der auswärtigen Politik aus \prechen und Ihnen einmal vor Augen führen: ist es denn logish, in dem Augenblick, wo man entweder offen zuge- steht, oder innerlich wenigstens anerkennt, daß eine Verstärkung unseres Heereswesens, an die die Regierungen mit s{chwerem Herzen heran- gegangen sind, nothwendig ist, in einem solchen Augenblicke, i will nit sagen, Konflikte, aber auch nur Differenzen innerhalb der Nation zu erregen ? 40

Darüber werden wir doch Alle einig sein, wenn es einmal zum Kriege kommen sollte, so kann derselbe nur geführt werden unter dem einmüthigen Zusammenhalten der ganzen Nation.

Wie bereitet man nun aber einen Krieg vor, wenn man es in der Zeit, wo man Forderungen, die auf den Krieg ielen, er mag noch so fern liegen, zu bewilligen hat, zu inneren Differenzen, an denen das Ausland ih weiden kann, kommen läßt ?

Ich kann also nur noch einmal meine Bitte wiederholen, die Vorlage um Deutschlands und des Friedens willen so einmüthig wie möglich anzunehmen, i

Abg. Fürst Haßfeldt: Hr. Rickert hat im Grunde gegen die Vorlage nihts weiter geltend gemacht, als daß er gar niht so abgeneigt wäre, die Forderung zu bewilligen, wenn es eben nicht jeßt wäre. So stand zu Anfang die Sache auch in der Kommission. Mit einem Male aber {lug die

Stimmung um, als der Kriegs-Minister erklärt hatte, daß diese Forderung noch nit die leßte sei, daß man nach feiner persönlichen Meinung die Einstellung aller Wehrpflichtigen in das Heer ins Auge fassen müsse. Jch verstehe die Opposition ge solche Pläne, ih verstehe aber niht, wie man zu der ¡lußfolgerung gelangen kann, daß, weil eine solche entfernte Möglichkeit vorliegt, so entfernt, daß sogar nach der Erklärun des Reichskanzlers die verbündeten Regierungen an sie no gar nit herangetreten find, a die heutige Vorlage ab- gelehnt werden müßte, und wenn sie noch so nothwendig und egründet ersheint. Gerade diese Vorlage ist besser als jede frühere begründet, fie ist nichts als die Konsequenz der 1889 nah dem Septennat in Frankreih be- gonnenen Armeevermehrung und der thatsählihen Un- zulänglihkeit unscrer Artillerie. Zur Ablehnung würden wir nur berechtigt sein, wenn volkswirthschaftlich und finanziell eine solhe Schädigung des Staatswesens dadur einträte, daß das Reich zusammenbrechen müßte. Beides bestreite ih. Der Saß „mehr Soldaten bedeutet weniger produktive Arbeit“ ist niht ganz rihtig. Es kommt auch auf die Qualität an. Die militärishe Erziehung is die beste Schule, die wir besißen. Der ausgediente Soldat kommt nicht nur fkörperlich geschickter und kräftiger, sondern auh gewandter und anstelliger in das Civilleben zurü. Er liefert in kürzerer . Zeit mehr und bessere Arbeit, als der ungeschicktere. Der volkswirthschaftlihe Vortheil der Ablehnung der Vorlage ist also gleich Null. Nach der finanziellen Seite hat uns Hr. Rickert ein s{chreckliches Bild entworfen und den sicheren Ruin in Ausficht gestellt. Jh finde, daß auch nah Annahme dieser Vorlage eine Erhöhung der Matrikularbeiträge voraussihtlich niht nothwendig sein wird. Jh halte mih da- bei an das Bild der Finanzlage, welches uns in der Kommission Direktor Aschenborn gegeben hat. Fn früheren Zeiten hat sich das Verhältniß des Armeebudgets in Preußen zu den Gesammtausgaben nit anders gestellt, wie jeßt. Die Volks- belastung durch die Getreidezölle, wie Hr. Rickert sie aus- gerechnet hat, ist entschieden zu hoch gegriffen. Bekanntlich ist streitig, ob das Ausland nicht den Zoll trägt. Aber selbst die Freunde des Hrn. Rickert behaupten do, daß durh die Festsebung oder Erhöhung eines Zolles Seitens des Auslandes die inländische betheiligte Jndustrie gesGädigt wird. Jn dieser Beziehung steht es doch ei uns nicht anders wie etwa in Amerika. Der Abg. Rickert will die jährlihe Bewilligung der Friedenspräsenz nicht als Kompensationsobjekt gelten lassen, troßdem hat er großen Werth darauf gelegt. Wie will man die Bewilligung einer Ausgabe, die unbedingt nothwendig zur O Der Sicherheit des Reichs ift, abhängig machen von der Erweiterung der parlamentarishen Rechte? Billiger wird die Sache durch jährlihe Bewilligungen auch nicht werden, und der Reichstag wird auch alljähr- lich geben müssen, was nothwendig is. Für die Re- solution, betreffend die Vermehrung der Dispositionsurlauber, werden au wir besonders nah den Erklärungen des Reichs- kanzlers stimmen. Die überwiegende Mehrheit meiner Freunde wird dagegen gegen die Resolution über die militärishen Zu- kfunftspläne, ebenso gegen die Anträge Bamberger stimmen, da eine jo wichtige Verfassungsfrage nicht so nebenbei erledigt werden kann. Soweit ein Theil unserer Presse in Betracht kommt, ist die Stimmung im Lande allerdings gegen die Vorlage, aber was hat denn diese Stimmung gemaht? Sie haben vor der Wahl ‘die Parole ausgegeben: Fort mit den Septernätlern! Wenn diese Mehrheit weg ist, werden von selbst die finanziellen und militärishen Lasten geringer werden. Jeßt können Sie die Geister, die Sie damals riefen, kaum noch bannen. Wie steht aber diese Wahlparole im Einklang mit der Erklärung von 1887: Wir bewilligen jeden Mann und jeden Groschen! Gegen- über dieser Stimmung im Lande wird es Manchem gewisser- maßen s{chwer, Ja zu sagen zu der Vorlage. Aber wenn es sich um so wichtige Dinge handelt, kann man sih durch die Stimmung des Volkes nicht bestimmen lassen. Wir geben durch die Verhandlungen kein s{hönes Bild dem Auslande und leisten dem Vaterlande keinen Dienst damit, aber einen noch s{chle{chteren Dienst würden wir ihm leisten, wenn wir den

8. 1 ablehnten. :

Abg. Richter: Wir haben allerdings im Jahre 1887 jeden Mann und jeden Groschen bewilligen wollen. Das bezog ih aber nur auf 468 000 Mann. Es sollte das niht be- deuten, daß, wenn weitere Forderungen gestellt werden, wir auch zu deren Bewilligung bereit sind. Gerade weil damals für 7 Jahre die Präsenz festgeseßt worden ist, sind wir jetzt nah 3 Jahren umsomehr berechtigt zu fragen, ob es schon angezeigt war, über die damalige Grenze hinauszugehen. Der Reichskanzler stellte in Aussicht, daß für diesen Herbst die Zahl der Dispositionsurlauber im ganzen deutschen Heere um 6000 Mann vermehrt werden würde. Diese Vorlage bedeutet eine Erhöhung des Jahres - Rekrutenkontingents um 6000 Mann. Bei der Infanterie wurden schon bisher 35 Proz. des jährlihen Kontingents nah 2 Jahren zur Dis- position beurlaubt, also würde {hon bei Vermehrung des Kontingents um 6000 Mann jährlich das bis- herige Verhältniß eine Vermehrung der Dispositions- urlauber um 35 Proz. von 6000, also um rund 2000 Mann bedingen, sodaß, wenn überhaupt die absolute Zahl der Dis- positionsurlauber sich gegen bisher nur um 6000 Mann er- höht, darin nur eine Konzession von 4000 Urlaubern über das bisherige Verhältniß liegt. Doch ih nehme an, daß der Reichskanzler das nicht gemeint hat, sondern über das pro- Pee zune Verhältniß von bisher hinaus eine Vermehrung er Urlauber niht um 4000, sondern um 6000 Mann beab- sichtigt. Jh erkenne an, daß hierin eine Konzession gemacht ist, die in der Kommission von den Mittelparteien Eer in Anregung gebracht, dort aber von dem Reichskanzler nicht bewilligt worden ist. Es zeigt dies, daß, wenn ein Wille erst vorhanden ist, sich auch ein Weg für die Militärverwaltung sindet, Erleichterungen zu schaffen. Z| bedauere aber nur, daß dieser Weg, der jeßt betreten ist, ein überaus s{hmaler und die Konzession so wenig erheblich ift, daß fie nach meiner persönlihen Auffassung unmöglich eine Brücke bilden kann, um für die Gesammthaltung gegen- über der Vorlage eine Aenderung E obieblgr Ven d Die Vermehrung der Urlauber um 6000 Mann bedeutet nur eine Minderung der in der Bartage geforderten dauernden organischen persönlichen Mehrbelastung um ein Drittel und der finanziellen Mehrbelastung um ein Neuntel oder vielleicht ein Zehntel. Aber aus eine Verminderung der persönlihen Mehrbelastung um ein Drittel ist es niht. Die

18 000 Mann werden mit ihrer ganzen Persönlichkeit an der-- militärishen Dienst gef-7¡elt; die 6000 ann aber wer4tän-