1890 / 153 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 26 Jun 1890 18:00:01 GMT) scan diff

39 Extrazüge sind bereits für Sonnabend, den 5., und Sonntag, ‘den 6. Juli, hier angemeldet. Sie werden den Haupttheil der Schüßen bringen, welhe das 10. deutsche Bundesschießen besuhen. Auf dem Anhalter Bahnhof treffen allein in der Zeit von 11 bis 1 Uhr Mittags am Sonnabend vier große Sonderzüge ein, unter anderen der aus München, für dessen Empfang auch Seitens des Vereins der Bayern besondere Vorbereitungen getroffen werden. Der Verein wird in corpore auf dem Bahnhof erscheinen und in festlihem Zug, der von der Kapelle des Bayerischen Leib-Regiments eröffnet wird, nah dem Rathhaus geleitet werden. Die Münchener S{ütßen werden alle in gleiher Tracht, den Hut mit einer Stein- . adlerfeder geziert, ersheinen. Seitens des Empfangs-Comités für das 10. deutshe Bundesshießen werden auf den 5 Hauptbahnhöfen, Friedrichstraße, Anhalter Bahnhof, Potsdamer Bahnhof, Lehrter und Stettiner Babnhof ständige Kommissionen mit Musikcocps zum Empfang der Schützen anwesend sein

Das Comité für die Ferien-Colonien is, wie der „B. B. C.“ mittheilt, jet in voller Arbeit. Es gilt, 1100 Mädchen und 1200 Knaben in die verschiedenen Kolonien zu vertheilen, nah Kammin, Harzburg, Eldena, Gar, Prerow, Zingst, Elsterwerda, Moys, Harzburg u. . w. Das Gros geht am 7. Juli vom S(lejsischen und Stettiner Bahnhof ab. Jede Kolonie erhält eine vollständige Ausrüstung: Betttücher, Strohsäcke, Kissen, Hand- und Wischtücher, Badehemden, Seiflappen, Scwämme, Kopfbürsten, Kämme, Waschschüsseln, Medikamente, Fahnen, Spiele u. dergl. Damen vom Comité sind täglich in dem Depot in dem früheren städtishen Siechenhause in der Gitschinerstraße thätig, um diese Aus- rüftungen zusammenzustellen.

Die „Lübbener Jäger“, das Brandenburgishe Jäger- Bataillon Nr. 3, begehen, wie die „N. A. Ztg.“ \chreibt, am kom- menden Sonntag ihr 75jähriges Jubiläum. Mit dem Bataillon feiern auch die „alten Jäger“ das Fest, urd um ihre Theilnahme auch äußerlich zu bekunden, widmen sie dem Bataillon zu setnem Ghrentage cine Kolosfalbüste Kaiser Wilhelms T Auf der Vorderseite des Postaments steht die Inschrift : „Kaiser Wilhelm 1.“ ; auf der Nückseite die Worte: „Zum 75jährigen Jubiläum gewidmet von alten Kameraden, 1815—1890* und weiter unten: „Die Treue ist der Ehre Mark*. Seinen Ort wird das Denkmal in Lübben auf dem Plate vor der Kaserne finden, wo au am Sonntag in Gegen- wart des Bataillons und zahlrei ersheinender alter Jäger die feier- liche Uebergabe stattfinden wird.

Fürstenwalde a. d. Spree, 25. Juni. (W. T. B.) Die in Fürstenwalde tagende Jahresversammlung des Branden- burgischen Hauptvereins der Gustav-Adolf-Stiftung hat beschlossen, folgendes Telegramm an Se. Majestät den Kaiser zu ser.den:

„Ew. Majestät, seinem erhabenen Protektor und hervor- ragendsten Mitgliede, wagt der Hauptverein der Guftav-Adolf- Stiftung in der Provinz Brandenburg bei feiner Jahres- versammlung aus dem alten Bischofssiß Fürstenwalde feine allerunterthänigsten Grüße ebrfurchts8voll zu Füßen zu legen, mit dem Ausdruck des Dankes für die dem Gustav-Adolf-Werke in unsrer Provinz wie in dem gesammten deutschen Vaterlande gewährte Kaiserliche Huld, mit dem Gebete zu Gott um Segen und Schußt auf der Reise in die Lande Gustav Adolf's, die Ew. Majestät anzutreten im Begriffe stehen und mit der Bitte um feruere aller- gnädigste Förderung des seinen Namen tragenden Werkes. Noël, Konsistorial-Rath, D. Rogge, Hofprediger, Melger, Ober-Pfarrer.“

{t Posen, 25, Juni. Die Bauluft in den Vororten Posens Jersit, St. Lazarus und Wilda ift fortgeseßt in Zunahme begriffen und hat sich in diesem Frühjahr auch zum ersten Male des zur Bebauung freigegebenen Terrains im ersten Festungsrayon be- mätigt, woselbst Fachwerksbauten nach den neuesten technischen Grundsätzen errichtet werden.

Aachen, 26. Juni. (W T. B.) Das hiesige Zweig-Comité überwies dem „Central-Comité zur Errichtung eines National- denkmals für den Fürsten von Bismark in der Reichshaupt- ftadt“ als erste Rate 6500 Mark.

Nürnberg, 2. Juni. Der Verwaltungsauss{uß des Ger- manischen National-Museums hat in seiner diesjährigen Versammlung eine Adresse an den Fürsten Bismarck gerichtet, der sowohl in seinen amtli@en Stellungen wie persönlih dem Ger- manishen Museum vielfahe Beweise seines Wohlwollens gegeben und

Wetterbericht vom 26. Juni, orgens 8 Uhr.

S

| | | Wind.

Stationen. Wetter.

Bar. auf 9 Gr. red. in Millim.! Temperatur |i in ° Celfius |:

u. d. Meeresfp.)

Vaterländisches

Sonnabend:

@

Mullachmore | 759 Aberdeen 760 Christiansund | 748 Kopenhagen . | 761 Stodckholm . | 755 Haparanda . | 753 St. Petersb. | 758 Moskau... | 756

Cork, Queen8- n 1 761 Cherbourg . | 762 E ¿0% 2 Regen 61 Negen Hamburg . . | 762 b Swinemünde | 762 Neufahrwafser| 762 Memel ... | 761

E eel 080 tünster. . | 762 Karlsruhe . . | 764 1|Dunst Wiesbaden . 764 still heiter 18 j

wolfig wolkig Regen 2\wolfig wolkig 2bedeckt bedeckt still|wolkenlos

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paguon. onnabend:

Q AQEA S5 8

wolkig bedeckt bedeckt

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Sonnabend: wurzer.)

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München . . | 766 2\wolkenlos 18 Chemniy .. | 764 |_ still heiter 18 Berlin. ..…. | 763 \SSW 3wolkig 18 766 |NW 1 wolkenlos 15

Wien .... 765 \till|woltenlos 15

Breslau . .

Ile d’Aix | Nizza .…... | 765 still wolkenlos | Triest... . | 766 till wolkenlos | 2

Uebersicht der Witterung.

Das Minimum, welches gestern bei den Shet- | der lands lag, ist nordostwärts nach der mittleren nor- wegishen Küste, das barometrishe Maximum etwas | Biedermann. ostwärts fortgeschritten. Das Wetter ist in Central- Europa ftill, wärmer und vielfach heiter; nur an der deutshen Nordsee fällt Regen. In Deutschland

764 |DND 21 | Wien.

Deutsche Seewarte.

Theater - Änzeigen.

Königliche Schauspiele. haus. 156. Vorstellung. Lohengrin. Romantische Oper in 3 Akten von Richard Kapellmeister Sucher. Anfang 7 Ukr. Schauspielhaus. 161. Vorstellung. Die Quitzow's. Drama in 4 Aufzügen von Ernst von Wildenbrub Anfang 7 Ubr.

Vorher: Walleusteins Lager. 1 Akt von Schiller. Anfang 7 Uhr.

veiter 16 | Deutsches Theater.

ch Zum 50. Male: Faust’s Tod. Nebel Sonntag: Der Unterstaatssekretär. Montag: Leßte Vorstellung in dieser Saison. | leuGtung des Sommergartens:

Der Richter von Zalamea. Anfang dt, der Vorstellung 7 Uhr.

Berliner Theater. Freitag: 40. und leßte

Abonnements-Vorstellung. Gräfiu Lea. Die Räuber.

Sonntag: Kean. Anfang 7# Uhr.

| | Therese Biedermann vom Theater an der Wien in 2 wolkenlos 21 Zum 21. Male:

Vaudeville in 3 Akten und 4 Bildern von H. Meilhac und A. Millaud. : G t: Vor der Vorstellung, bei günstiger Witterung : | Seöffnet von 12—11 Uhr. WLoDen Garten- Concert, orstellung 74 Uhr. zettel. Sonnabend u. folg. Tage: Gastspiel von Therese

Mamsell Nitouche.

Victoria-Theater. liegt die Temperatur noch etwas unter der normalen. | Stauley in Afrika. Zeitgemälde in 10 Bildern von Alex. Moszkoroski und Richard Nathanson. Musik von C. A. Raida. Ballet von C. Severint. Anfang 7# Uhr.

Sonnabend: Dieselbe Vorstellung.

hon als preußischer Gesandter beim Deutshen Bundestage zum Ehren- milien des Germanishen Museums gewählt wurde. Erwiderung der Adresse ist dem I. Direktor des Germanischen Museums, Dr. A. von Efsenwein nahfolgendes Schreiben zugegangen: „Friedr ihsruh, den 3. Juni 1890. Für die wohlwollende Zuschrift vom 29, v. M. bitte ih Ew. Hochwohlgeboren, meinen verbindlihsten Dank entgegennehmen und den Herren Unterzeichnern übermitteln zu wollen. Ich werde au in Zukunft Ihrer vortrefflich geleiteten Anstalt und den dur dieselbe erstrebten Zielen rege Theilnahme widmen und wünsche ihr von Herzen ferneres Gedeihen. von Bismarck.*“

Nonn, 24. Juni. (Dts. Tgbl.) Hr. Friedri Vorderauer aus Salzburg beabsichtigt, eine aërostatishe Bahn auf die Spite des ungefähr 1800 m hohen Dolomitberges „Hohenstaufen von der am Fuße desselben gelegenen Ortschaft Nonn zu erbauen, und nahdem Seitens der bayerischen Regierung die Bewilligung zur Vor- nahme tehnischer Vorarbeiten zur Ausführung dieses Projekts für die Dauer von vier Monaten bereits ertheilt wurde, dürfte mit der Tracirung und den Grundproben {hon in den nähsten Tagen be- gonnen werden. Das Bewegungssystem der aërostatischen Bahn LE eine praktishe Ausnüßung der aufsteigenden Kraft des Lust- allons.

Stuttgart, 25. Juni. (St. - A. f. W.) Der unter dem Proteftorat Sr. Majestät des Königs stehende Württem- bergishe Landesverein der Kaiser Wilhelmstiftung für deutsche Invaliden hielt vorgestern unter dem Vorsig seines Präsidenten, des Prinzen Herrmann zu Sachsen- Weimar, Hoheit, seine Jahresversammlung. Der in derselben er- stattete Berit gedenkt an erster Stelle der Gaben des Königlihen Haufes, vor Allem des huldvollen Geschenks, das Ihre Majestät die Königin wie alliährlih zum Ge- dächtniß des 30. November und 2. Dezember 1870 hat überreichen lassen. An der Spitze der Beiträge gewährenden Amtskorpo- rationen stebt Ulm mit 1715 46, dann folgen Balingen, Biberach, Laupheim, Ludwigsburg mit je 300 #(, Eßlingen, Heidenheim u. f. w. mit je 200 Æ bis herab zu 25 A Die allgemeine Kirchenkollekte ergab 11149 A (durchschnittlich 9000 bis 11000 Æ). Diese Quelle is gefährdet, weil nach den neuen gescßlihen Bestim- mungen das Kirchenopfer lediglich für Zwecke der Kirhenzemeinde bestimmt ist. Jn Stuttgart besteht eine besoudere gemeinderäthlihe Kommission für Zwedke der Kaiser Wilhelmstiftung; die Hauptstadt hat für diese Zwecke 338 405 6 aufgebraht und für ihre Invaliden 105 183 M erhalten. Ulm hat 43256 M gegeben und 22876 A empfangen. Heilbronn gab 34084 # und empfing 12845 M Reutlingen gab 26029 Æ und erhielt 51547 «6 Nagold gab 6797 M und empfing 32477 M u. #. w. Die s\eit 18 Jahren von der Stiftung celeisteten Unterstüßungen betragen 931 776 4 an baarem Geld und 162658 46 an Anlehen an Invaliden. Die leßteren find zurückbezahlt bis auf einen Rest von 29569 46 Der gesammte Betrag des Vermögens beläuft fch trotz einer allmählichen Einbuße von 128 554 6 noch auf 509 135 / 1889 ergab si an Unterstüßungs8- bedürftigen ein neuer Zuwachs von 15 Personen, der erforderliche Beitrag ist aber um 173 A zurückgegangen. Die Zahl der Invaliden sowie der Hinterbliebenen hat sh um 17, bezw. 14, zu- sammen um 31 Pfleglinge mit einem Aufwand von 1934 # ver- mehrt. Dagegen haben die außerordentlihen Beihülfen um 16 Per- fonen und 1205 M abgenommen. Es werden solche Beihülfen auch an Invalidenkinder nah dem Austritt aus der Schule für die Berufs- bildung gewährt. 0

London, 22. Iuni. (Frankf. Ztg.) Auf der Höhe von Folkestone fand gestern während eines Nebels ein Zusammen - stoß zwishen den englishen Schraubendampfern „Lotus* und „Thornhill“ statt. Letzterer sank sofort und die 22 Köpfe starke Mannschaft wurde mit Schwierigkeit gerettet.

London, 23. Juni. (A. C) Die ‘Sonntags-Gesell- \chaft, deren Streben die Abschaffung der puritanischen Sabbath- Heiligung ist, hielt am 21. Juni ihre Jahresversammlung unter dem Vorsitz des Professors Romanes ab. Der Leßtere gab an, daß zur Zeit in London 23 öffentliche Institute dem Publikum an Sonntagen eôffnet wären. Die Vorstände des Britishen Museums und der

ational-Galerie brähten den Zielen der Sonntags - Gesellschaft Sympathie entgegen und hätten an den Schagamts-Kanzler eine Denk\chrift gerihtet, um die geringe Summe bewilligt zu erhalten, damit auch diese beiden Institute an Sonntagen dem Besuche ofen stehen könnten. «

Opern- | Concert-Park. Direktion:

Freitag : i Freitag: Zum 161.

und JIultvs Bauer.

Im Park:

e Kroll's Theater.

Freitag: Der Com-

r. Luger.)

Belle-Alliance-Theater. 118. Male: Der Nautilus. (Friedr. Mitter-

Musikcorps.

Friedrih=Wilhelmstädtishes Theater und Julius Frigsche. Jonathau. Operette | Alien vor Hugo Witt

Dirigent: | Jonathan. Operette in 3 Akten von Hugo Wittmann E und Julius 2 Musik von Carl Millôder. dr. Seorliacifièe i Aut P Dr Dirigent: Heyer mit Hrn. Robert Rohne (Gunsleben— Im prachtvollen Park um 6 Uhr: Opernhaus. 157. Vorstellung. Der | Concert. Auftreten sämmtlicher Instrumental- und

Freischütz. Oper in 3 Akten von C. M. von Weber. | Gesangs-Künstler.

ZUL zum Theil G ; en G „Der

Eo aut e N Picco- verloosung einer lebensgroßen Puppe. Nebelbilder.

Swauspiel in 5 Akten von Stiller. Chinesische Farbenspiele. 3 Musik-Corps. Militär- Shauspiel in | Kapelle. Glänzende Illumination.

Sonnabend: Im Theater; Der arme Jonathanu. Großes Kinder - Parkfest.

Freitag: r. Angelina Luger. Die Favoritin. (Leonore: Sonnabend: Der Waffenschmied. D Täglich: Bei günstigem Wetter vor und nah | Geboren: Ein Sohn:

der Vorstellung, Abends bei brillanter elektr. Be- Großes Concert,

Freitig! Zum

aris, 25. Juni. (W. T. B.) In S1. Jean nahe bei Breest bra d gestern die von einem Schiffe nah dem Lan- dungsplaye führende Brüdcke unter dem Gewicht der von dem Schiffe kommenden Reisenden zusammen. Gegen 50 Personen fielen in das Meer. Die Zahl der Ertrunkenen ist noch nit festgestellt. Bis beute Vormittag sind 7 Leichen aufgefunden worden. Die Taucher seßen ihre Be-

mühungen fort.

Rom, 26. Juni. (W. T. B.) Wie aus Favara (Provinz Girgenti) gemeldet wird, kam es dort ain Iohannistage zwischen etwa 3000 Arbeitern der dortigen Schwefelgrube, welche wegen der Lohnfrage und der Arbeitszeit die Arbeit eingesteUt hatten, und der Polizei zu einem Handgemenge, bei welwem drei Gendarmen und ein UnterLieutenant verwundet wurden. Die strikenden Arbeiter steckten das Gebäude des Bürgerclubs in Brand; etwa 50 Mäzner und Frauen wurden verhaftet.

Sofia, 25. Juni. (W. T. B.) Als Prinz Ferdinand gestern auf dem Regierungëdampfer „Kroum“ von Rustshuk aus eine Fahrt auf der Donau unternahm, \{chlug während eines Gewitters der Blitz in den Mast des Schiffes. Der Prinz, welcher sih gerade einige S(hritte von dem Mastbaum befand, blieb unbeschädigt.

Washington. Im Kongreß soll eine Bill zur Erhaltung der leßten Büffel eingereiht werden. Wie der „Milw. Herold“ mittheilt, befindet sh nech eine kleine Heerde von Büffeln, ungefähr hundert Stück, in „No Mans Land“, wo sie von Hrn. C. J. Jones in Garden City, Kans, gesammelt und bisher vor Vernichtung be- wahit wurde. Außerdem giebt es noch einige Büffel in der Nähe von Salt Lake City, welchen Hr. Jones gleihfalls seine Sorge zu- gewendet hat, um sie in einer Heerde beisammen zu halten. Das ift der ganze Rest dieser Thiere, die noch vor weniger als einém Menschen- alter nach Millionen zählend die Jagdgründe der Rothhäute bevöl- ferten Die Bill bezweckt, den wenigen Büffeln (oder Bifons, wie die wilden nordamerikanishen, dem Aueroch8s verwandten Rinder eigentli heißen), die noch da sind, eine sichere Heimath zu geben, auf daß sie der Ausrotiung entgehen und si fortpflanzen können.

New-York, 24. Juni. (A. C) Die Bevölkerung der großen nord-amerikanishen Städte wird auf Grundlage des jüngsten Census wie folgt ges{äßt: New-York 1 700 000, Phila- delyhia 1 040 000, Chicago 1 000 000, Brooklyn 931 090, Boston 417 720. Rechnet man zur Bevölkerung New: Yorks die Ginwohner- zahl der Nacbarstädte Brooklyn, Jersey City, Hoboken 2c. mit, so zählt New-York 2 800 000 Einwohner. Chicago behauptet, daß es jeßt nah New-York die größte Stadt der Vereinigten Staaten ist.

Nach Schluß der Redaktion eingegangene Depeschen.

Wiesbaden, 26. Juni. (W. T. B.) Se. Hoheit der Erbprinz von Sachsen-Meiningen ist heute Vormittag zum Gebrauch der Massagekur bei dem Dr. Meßger hier ein-

E i

ashington, 26. Juni. (W. T. B.) Der Text der vom Finanz-Aus\{chuß empfohlenen Zolltarifvorlage, die im Senat eingebraht wurde, enthält außer den {hon gemeldeten no folgende Aenderungen: Der Zoll auf Phantasieartikel wird auf 5 Proz. der angekündigten Erhöhung reduzirt. Der Zoll auf Spiegelglas und Linsen sei nöthig zur Förderung der heimishen Jndustrie. Der Zoll auf Bausteine wird um 20 Proz. erhöht, um der Einfuhr des auswärtigen Granits zu steuern. Aluminium wird mit einem Zoll von 20 Proz. belegt. Der Kupferzoll wird wegen des großen Kupferexports reduzirt. Zucker bis Nummer 13 holländisch wird auf die Freiliste geseßt und eine Exportprämie behufs Förderung der einheimishen Produktion vorgesehen. Jn Folge des Ver- langens der Wollindustriellen nach einem bedeutend erhöhten Zoll empfiehlt der Auss{huß eine neue Klassifizirung des Wollzolles.

(Fortsegung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)

Familien-Nachrichten.

Verlobt: Frl. Luise Haberer mit Hrn. Ingenieur Maximilian Stünkel (Magdeburg—Neustadt). Frl. Hedwig Wittekop mit Hrn. L 2 E Ele Madckensen von Astfeld (Hannover). Frl. Elise

Der arme

Kalbe a. S.). Frl. Gertrud Menzel mit Hrn. Zimmermeister Karl Schröter (Berlin). Fr. Agnes Schlincke mit Hrn. Franz Kraus (Berlin— Rummelsburg). Frl. Ella Schroeter mit Hrn. Iohannnes Hepp (Landsberg a. W.—Prenzlau).

Verehelicht: Hr. Georg Hoffmann mit Frl. Julie Wefsselhoeft (Hannover). Hr. Robe pre mit Frl. Martha Kasper amin a. M. Münsterberg). Hr. Wilhelm von Reichen mit Frl. Rudolphine Aßling (Diepholz). k E Genen, E Wle Serrune GaGgert

erlin). Or. Hein neidemü i ; Julie Ruhm (Berlin). ER A DE Hrn. Pastor C. Pfaff

(Vilz bei Tessin), Hrn. Direktor Hoernecke Bremen-Freibezirk), Hrn. Ludwig Marckwald Berlin). Hrn. Willy Push (Berlin). Eine Tochter: Hrn. Hauptmann Karl von Werner (Schöneberg b. Berlin), Hrn. Gymna- fiallehrer Roeder (Hannover).

Großes Doppel-

Gratis-

Gastspiel von

Im prachtvollen glänzenden Sommeraarten: Großes | Gestorben: Hr. Theodor Frhr. v. Langermann Elite- und Monstre-Concert, ausgeführt von drei Auftreten sämmtlicher Spezialitäten. Brillante Illumination des ganzen Garten-Etablisse- ments. Anfang des Concerts 6 Uhr, der Vorstellung

¿ itag: 2L ; 7F Ubr. Wallner-Theater. Freitag: 21. Gastspiel von Sorzabend: Dieselbe Vorstellung.

und Erlencamp Cs, Hr. Senator O Rischbieth (Neustadt a. Rbge.). Frau

ohanna Ko, geb. Schroeder (Tapiau). Hr. Domänenpächter Ludwig v. Schuchen (Lauenau). Hr. Rentier Albert Schucke (Tempelhof). Hr. Friedrich Schneider t Krei Hr. Fabrik- besißer Friedrich Wilhelm Keßler (Berlin).

Mamsell Nitouche.

Musik von M. Hervé. Anfang bes Concerts 64, | wissenschaftlihen Theater.

[13804]

Freitag: Zum 8311, M.:

Neu eröffnet.

Urania, Anstalt für volksthümliche Naturkunde Am Lndes-Ausstellungs - Park (Lehrter Bahnhof). Täglih Vorstellung im Näheres die Anschlag-

Natiounal-Panorama. SHerwarthstr. 4, Königsplat.

Das alte Rom

mit d. Triumphzuge Kaiser Constantins i. J. 312 n. Chr. v. d. Kgl. Prof. J. Bühlmann u. Alex Wagner in München. Täglich geöffnet v. Mor- gens 9 Uhr bis zur Dunkelheit. Eintritt 1 4

K s8tud, jur. Heinrich Conrad (Stendal). r Paul Richard Nöselt (Leipzig-Reudnißtz).

Redacteur: Dr. H. Klee. Berlin:

Verlag der Expedition (I. V.: Heidrich).

Druck der Norddeutshen Buchdruckerei und Verlags- Anstalt, Berlin 8W., Wilbelmstrafe Nr. 32.

Sechs Beilagen (eins{ließli@ Börsen-Beilage).

Erste Beilage

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

„2 153.

Parlamentarische Nachrichten.

Schlußbericht der- gestrigen (26.) Sizung des Reichs- tages. Fortsezung der zweiten Berathung des Gel eß: entwurfs, betreffend die Friedens-Präsenzstärke des deutschen Heeres. ,

Nach dem Abg. Freiherrn von Huene, dessen Rede wir bereits gestern kurz wiedergegeben haben, nimmt das Wort der

Reichskanzler von Caprivi:

_Ich kann dem Hrn. Abg. Freiherrn von Huene nur dankbar dafür fein, daß er mir die Gelegenheit giebt, eine Aeußerung, die ih gestern gethan, richtig zu stellen. Jch habe gesagt, ih kann mi über - die unershwinglichen Kosten eines Projekts nit äußern, das ih nit kenne. Ich hätte besser gethan, zu sagen: das ih als Reichs- kanzler niht kenne, oder das die verbündeten Regierungen nit kennen. Als Mensch kenne ih eine Menge Projekte. Jch produzire ab und zu selbst dergleichen ; aber ich babe hier nur die Pflicht, mich über die- jenigen Projekte zu äußern, die die verbündeten Regierungen sich ¿u eigen gemacht haben.

Der Auffassung des Hrn. Abg. Freiherrn von Huene in Betreff meiner gestrigen Erklärung über die Dispositionsurlauber, insbesondere darüber,- daß es die Absiht der verbündeten Regierungen nit ist, diese Maßregel nur für einmal eintreten zu lassen, kann ich nur vollkommen beipflichten.

Staatssekretär Freiherr von Maltahn:

Die finanziellen Erwägungen, die allein zu vertreten ih hier be- rufen bin, müssen einer Vorlage wie der gegenwärtigen gegenüber zurücktreten; denn die verbündeten Regierungen fordern die in der Vorlage vorgesehene Verstärkung unferer Wehrkraft von Ihnen, weil sie sie für unumgänglih nothwendig halten, nicht um die Macht und das Ansehen Deutschlands auszudehnen, sondern um uns auf dem Stand- punkt der Wehrhaftigkeit zu erhalten, die uns in den Stand seßt, das, was wir errungen haben und dele , au zu erhalten. Wer mit den verbündeten Regierungen dieser Meinung ist, wird die Vor- lage bewilligen müssen und die Bewilligung wird, wie ich wohl jeßt nah dem Gang der Diskussion erwarten darf, mit erhebliher Ma- jorität auch hier im Reichstage erfolgen. Nur dann würden finanzielle Erwägungen das Recht geben, einer derartigen Vorlage die Zustim- mung zu versagen, wenn der Nachweis erbracht wäre, daß Deutsh- land nicht im Stande wäre, die hier im Interesse seiner Erhal- tung ißm zugemuthete finanzielle Mehrlast zu tragen, daß Deutsch{land zu arm wäre, um sh auch für die Zukunft voll wehr- haft zu erhalten. Diesen Nachweis zu erbringen, hat der Hr. Abg Rickert gestern versucht. Der Versu ist mißlungen.

Der Herr Abgeordnete hat drei Erwägungen angeführt, welche vom finanziellen Standpunkt aus seinen Widerstand gegen die Vor- lage rechtfertigen sollten: er hat uns gesagt, Deutschland trage zur Zeit bereits auf den Kopf der Bevölkerung eine höhere Belastung als Frankreih und England ; er hat uns ferner gesagt, England sei erheblich reicher als wir; und drittens, es habe seit den leßten 10 Jahren in Deutschland eine erheblihe Steigerung der Zölle und indirekten Steuern, stärker als in den Nachbarländern, stattgefunden. Alle diese drei Behauptungen, selbst wenn sie wahr und unanfehtbar wären, würden das thema proponendum niht beweisen, daß Deutschland nicht im Stande if, auch diese 18 Millionen oder etwas mehr jährli* im Interesse seiner Wehrhaftigkeit zu tragen. Aber, meine Herren, die Behauptungen selbst sind keineswegs unanfechtbar. Der Herr Abgeordnete hat zunäGst ausgeführt, daß wir pro Kopf höher belastet wären als Franfkreich und England. Er ist bei dieser Diskussion zurückgegangen auf Zahlen, welche der Hr. Abg. von Kardorff früher vorgebracht hat. Hr. von Kardorff hatte jeinerseits ausgeführt, daß die Belaftung pro Kopf in Frankrei 55, in England 35, in Deutschland 19 A betrage. Um dieses Exempel umzugestalten, hat der Hr. Abg. Rickert eine ziemlich künstlithe Nechnung anstellen müssen, indem er angebliche in- direkte Belastungen der Steuerzahler in Deutschland durch Preis- steigerungen in Folge von Schußzzöllen hinzugerechnet hat, um das bir f zu finden, daß thatsählich die Belastung in Deutschland eine größere sci.

Der Herr Abgeordnete hat ferner ausgeführt, England sei reiher und wohlhabender als wir. Zugegeben! Vollständig; aber der Grund, den er angeführt hat, ist allein nit aus\{chlaggebend. Er hat nur auêgeführt, daß die Summe der Einkommen über 3000 46 in England sehr erheblich höher sei als in Deutschland. Ja, ich glaube, dabei ist doch au zu erwägen, daß die Summe der großen Einkommen in England relativ einen sehr viel größeren Prozentsaß des gesammten Einkommens ausmacht, als in Deutschland, daß in Deutschland das mittlere und geringere Einkommen einen sehr erheblich größeren Theil des Nationalwohlstandes glückliherweise noch ausmacht.

Dann, meine Herren, hat der Herr Abgeordnete uns vorgeführt, seit den leßten 10 Jahren es sind ja immer die 10 Jahre, die er als Gegner der jeßigen Finanz- und Zollpolitik zu kritisiren pflegt sei die indirekte Besteuerung durch Zölle, wie erx angegeben hat, von 2, 3 auf 7,3 M pro Kopf gestiegen. Der Herr Abgeordnete hat aber dabei übersehen, daß cin ziemli erheblicher Posten in Gegenrehnung zu stellen ist, das find die Erleichterungen, welche auf Grund eben dieser Finanz- und Zollpolitik den Einzelstaaten zu Gute kommen, die zu Gunsten der Steuerzahler und gerade der minderbegüterten Klafsen eingeführt worden find. i N

Meine Herren! In Preußen ich exemplifizire auf das Jahr 1889/90 fommt in dieser Beziehung in Betracht: der Erlaß der untersten beiden Stufen der Klassensteuer mit 16 030700 #; die Ermäßigung der übrigen Stufen der Klassenstruer mit 8 011 000 ; die Ermäßigung der drei untersten Stufen der Einkommensteuer mit 1 284 000 4, zusammen 26 325 700 A Es kommen aber noch hinzu diejenigen Ausgaben des preußischen Staatshaushalts, welche früher den Kommunalverbänden oblagen und auf die Staatskasse übernommen wurden, welche sogar den kleinsten Kommunalverbänden, den Landgemeinden, für Schulen bis dahin oblagen. In dieser Be- ziehung kommt also zunächst in Betracht die lex Huene, die habe ich nur mit 23 Millionen angeseßt nah dem Exempel, welches seiner Zeit Hr. von Scholz aufgemacht bat, thatsächlich ist, soviel ih weiß, die Summe jeßt erheblich höher. E kommt in Betracht das Geseh vom 6. Juli 1885 über die Lehrerpensionen mit 3600900 # das Geseg vom 14, August 1888 wegen Erleichterung der Volksshullasten die Uebernahme der Lehrerbesoldungen auf die Staatskasse mit 20 Millionen Mark, und die Novelle zu diesem Geseß vom 31. März 1889 mit 6 Millionen: sind zusammen 52 600 000, alles in allem rund 78 000 000 46 Meine Herren, wenn Sie uns vorrechnen, in welchem Grade in den leßten 10 Fahren die Steuerzahler der unteren Klassen in Deutschland höher belastet wurden, so müssen Sie diese Gegenrechnung machen, oder Ihre Rechnung ist nicht richtig i

Der Herr Abgeordnete hat mi nun gefragt, und zwar in sehr eindringliher Weise gefragt, weshalb ich den cen niht angeben wollte, auf welhem Wege die bevorstehenden Mehrausgaben gedeckt werden sollten, und ih habe diesem Appell bereits ein „Nein“ ent-

egengeseßt. Dieses Nein habe ih zu begründen. Ich werde Ihnen bte nit sagen, ob und welche neuen Steuern oder Erhöbungen bestehender Steuern demnächst von dem Reichstage etwa gefordert werden könnten, und zwar aus folgenden Gründen. Es steht zunächst die Höhe des Bedürfnisses noch gar nicht fest. Die Abstriche, welche

Berlin, Donnerstag, den 26. Juni

Jhre Kommission an dem Etat über die Besoldungen vorgenommen hat, betragen nah der Fuknote auf der dritten Seite des Kommissions- berichts etwas über 7 Millionen Mark; wir werden also zunächst abzuwarten haben, wie der Reichstag sid zu diesem Beschlusse stellt. Dann aber, meine Herren, habe ich Ihnen wiederholt das Exempel aufgemacht, daß in einigen Jahren bereits die ordentlihen Ausgaben

unseres JIahres-Etats rund 60 Millioxen höher sein werden, als sie

im vorigen Jahre gewesen sind; aber, meine Herren, der Hauptposten dazwischen is ein recht unsicherer, das ist die Ausgabe für die . Alters- und Invalidenversicherung, und ih möchte ganz scharf hervorheben, daß die Belastung, weihe in Zukunft der deutschen Reichskasse mehr erwachsen wird, und die ih Ihnen ganz klar vorzurechnen als Vertreter der Finanzen des Reichs in dec Kommission mich für verpflihtet gehalten habe, daß diese Ausgabe hauptsächlich und am Meisten steigend auf diesem Gebiet der Arbeiterversorgung liegt und keineswegs auf dem Gebiet der Militärverwaitung. Also, meine Herren, wenn diese Ausgabe uns in ihren näheren Umcissen zur Zeit noh recht wenig bekannt ift, so empfiehlt es sih, überhaupt die Entscheidung der Frage, ob wir zur Deckung der Ausgaben neue Einnahmequellen eröffnen müssen, auf die Zukunft zu vertagen, es sei denn, daß wir die Ausgaben, die? jeßt vorliegen, nicht mebr decken könnten. Das aber, meine Herren, meine ih, habe ih wiederholt und dur{chschlagend nachgewiesen, daß wir zur Zeit völlig im Stande sind, ohne Mehrbelastung der Einzelstaaten die Ausgaben für die nächsten Jabre noh zu decken. Ich habe Ihnen gesagt, daß wir aus dem Jahre 1889/30 73 Millionen mehr an die Einzelstaaten überwiesen, ih habe Ihnen im Anschluß daran eine Wahrscheinlihkeitsrechnung für die nächsten Jahre aufgemacht, es sind gleihe Ausführungen auh in Bezug auf die etatsmäßige Gestaltung in der Kommission vom Hrn. Direktor Aschenborn gemacht. Jch hbalte es nicht für meine Aufgabe, diese Exempel heute noch einmal zu wiederholen. Also, meine Herren, die Frage, ob wir mehr brauchen, ist zur Zeit noh zweifelhaft, obwohl ih kein Hehl daraus mache, daß ich persönlich niht glaube, daß man diese steigenden Ausgaben, die namentlih aus der Alters- und Invalidenversorgung der Arbeiter folgen, auf die Dauer werde bestreiten können, ohne daß man entweder die jeßigen Einnahmen des Reichs reichlicher fließen macht, oder daß man neue Einnahmequellen eröffnet. Es ist aber keineswegs sicher, wann dieser Zeitpunkt eintritt. Und nun kommt hinzu, daß Sie in der That doch kein Interesse daran baben, in diesem Augenblick dargelegt zu sehen, wie der Staatssekretär für das Reihs-Schayamt sih eventuell diese weitere Gestaltung der Reichsfinanzen denkt. Jch bin hier berufen, die Beschlüsse der verbündeten Regierungen zu vertreten, und die ver- bündeten Regierungen werden zunächst Erwägungen zu pflegen und Beschlüsse zu fassen haben. Dann erst wird Ihre Kritik verfassungs- mäßig im richtigen Moment eintreten.

Das ist dasselbe, meine Herren, was ich in der Kommission gesagt habe. Wir werden seiner Zeit, ih habe gesagt „in den näcsten Sessionen“, im Gegensaß zu der gegenwärtigen, nicht in der gegenwärtigen Session, sondecn in den nähsten Sessionen, wenn es nôtbig ist, mit einer Vorlage der verbündeten Regierungen zu SIhnen kommen auf Grund vorhergegangener Erwägungen zwischen den verbündeten Regierungen. Ob diese Erwägungen zweckmäßiger Weile in der von dem Hrn. Abg. Dr. Windthorst gestern \kizzirten Weise von Konferenzen zwischen den Finanz-Ministern stattfinden werden, das vermag ih heute nicht zu sagen. Jch habe meine Bedenken gegen die Zweckmäßigkeit eines solhen Verfahrens. Verständigungen aber zwischen den verbündeten Regierungen müssen vorbergehen, ehe wir neue Einnahmen von Jhnen fordern, und Sie werden dann ausreichende Gelegenheit haben, sich mit diefen Dingen zu befassen, wenn wir solche Vorlagen Ihnen machen werden. Aus diesen Gründen bin ich in der That zur Zeit nicht im Stande, ein- gehender, als ich es gethan habe, Ihnen zu zeigen, wo eventuell das vermehrte Ginnahmebedürfniß zu decken sein wird. Völlig habe ich ja nicht geschwiegen; ih habe vor Allem hervorgehoben und das wiederhole ih auch heute wenn wir wissen, daß unsere, von den verbündeten Regierungen und dem Reichstage als nothwendig erkannten Ausgaben in den nähsten Jahren in steigender Richtung si bewegen werden, so dürfen wir finanziell erheblihe Einnahmen, die wir zur Zeit haben, niht aufgeben... Von diesem Gesichtspunkt aus habe ih gegen die Anträge gesprohen, welche auf die Aufhebung der Kornzölle gerichtet sind. Ich habe ferner mich gewendet gegen einen Vorschlag, welcher von Seiten von Herren Abgeordneten der deutsGfreisinnigen Partei gemaht worden ist, daß eventuell die nöthi- gen Mehreinnahmen durch eine Reichs-Cinkommensteuer geschafft werden sollten. Ic habe dem gegenüber ausgeführt und ich wieder- hole das auch heute, daß nah Artikel 70 unserer Verfassung eine Reichs -Einkommensteuer zwar nicht ausgeschlossen ist, daß aber doch zunächst dem Reiche ganz bestimmte Einnahmegebiete überwiesen, andere Gebiete den Einzelstaaten reservirt sind, und daß man zunächst ab- zuwarten hat, ob nit aus diefen Einnahmen ohne ein Hinübergehen über den im Artikel 70 zunächst \kizzirten Zustand ein eventuelles Mehrbedürfniß an Einnahmen gedeckt werden kann. Nun, meine Herren, es is immer von der Zuckersteuer die Rede gewesen. Jh will Ihnen ganz ehrlich sagen, daß, wenn ih von Einnahmen gesprochen habe, welche dem Reiche in den nächsten Sessionen geschaft werden könnten, ih dabei zunächst an die Zuckersteuer gedacht habe. Aber, meine Herren, Sie wissen ja Alle, wie die Sache hier liegt. Die Reichsregierung hat dadurch, daß sie an den Verhandlungen, die der Londoner Konvention voran- gegangen und nahgefolgt sind, theilgenommen hat, dadurch, daß sie der Konvention selber vorläufig beigetreten ist, klar ausgesprochen, daß sie die Abschaffung der Zuckerprämie für ein an und für si wünschenswerthes Ziel hält. Die Frist für die Ratifikation dieser Konvention ift zur Zeit noch nicht abgelaufen, ih glaube, es würde sowohl den übrigen Theilnehmern an der Konvention, als der von diesen Maßregeln eventuell betroffenen Judustrie gegenüber unfair gehandelt sein, wenn wir vor Ablauf dieses Termins irgend etwas auf diesem Gebiet änderten.

Je nah der Entscheidung, die der 1. August uns bringt, wird, selbs wenn man aus dem Zucker mehr Einnahmen schaffen wollte,

wahrscheinli die Gestaltung des Geseßes eine wesentlih verschie- !

dene sein.

Nun, meine Herrer, der Hr. Abg. Rickert hat, wie bereits früher, so auch gestern wieder, die von dem Reiche, in Verbindung mit dem preußischen Staat, in den leßten Jahren verfolgte Finanzpolitik als eine niht nur fehlerhafte, sondern au in ihren Resultaten erfolglose zu schildern versucht. Dem gegenüber gestatte ich mir doch, Ihnen ganz kurz einige Zahlen in2 Gedächtniß zurückzurufen. Jch nehme das Jahr 1878/79, das leßte vor dem Eintritt der Wirkung unsecer neuen Finanzpolitik. In jenem Jahre zahlten die Einzelstaaten an Matrikularbeiträgen dem Reiche netto 70 Millionen. Dem gegenüber haben im Jahre 1889/90 die Einzelstaaten vom Reihe 355 Millionen Mark bekommen. Sie haben das geht davon ab an wirklichen Matrikularbeiträgen 217 Millionen gezahlt. Es bleiben also immer noch 137 bis 138 Millionen übrig, welche nah voller Deckung der inzwischen erheblich erhöhten Ausgaben des ordentlihen Etats den Einzelstaaten vom Reiche zuflofsen, während sie im Jahre 1878/79 siebzig Mil- lionen an das Reih bezahlen mußten. Und gleichzeitig hat die Sache in Preußen sich so gestaltet, daß die Verstaat- lihung der preußishen Eisenbahnen es bewirkt hat, daß aus dem

Erträgniß dieser verstaatlihten Bahnen niht nur die gesammte -

preußishe Staatsshuld verzinst und planmäfig amortisirt wird,

- Wahlerfolge und die Unterstüßun

1890.

fondern daß außerdem eine fehr erveblide Zahl von Millionen dem preußischen Staatsbaushalt aus diesem Erträgniß der Eisenbahnen zur Verfügung steht. Meine Herren, derartige Resultate einer 10 jährigen Fixanzpolitif als ,Fiasfo“ zu bezeichnen wir hahen den Ausdruck wiederholt gehört —, kann seine Rechtfertigung nur etwa in dem Willen dessen finden, der einen foihen Ausdruck brauht. Die Logik der Thatsachen rechtfertigt ihn nicht,

Abg. Bebel: Es war mir interessant, daß der Schaßz- sekretär, nahdem er in der Militärkommission die Getreide- zólle gewissermaßen als einen eisernen Einnahmeposten be- zeichnet hat, nicht daran denkt, die Zuckerprämien, die einer kleinen Minorität reicher Leute alljährlich Millionen in die Tasche schieben, zu beseitigen, ebenso wenig wie die Steuerdifferenzprämien aus der Branntweinsteuer an die Großbrenner, daß er aber wohl an neue Steuern denkt, die in der Hauptsache immer wieder auf die niéderen Klassen fallen. Diese Zugeständnisse möchte ih festnageln. Den militärishen Ausführungen des Abg. von Huene will ih als Laie nicht folgen. Seine Rede hat aber doch auf mich den Eindruck gemacht, als ob weit mehr seine Stellung als Freiherr und Major, wie als Ab- geordneter zum Ausdruck gekommen ist, Er hat mehr gegen als für die Resolutionen seiner Partei gesprochen. Er sagte, daß die Einführung der zweijährigen Dienstzeit eine ganz besondere Ungleichheit in den verschiedenen militärishen Kate- gorien herbeiführen würde. Herr von Huene muß als Militär wissen, daß diese Ungleichheit troß der dreijährigen Dienstzeit schon jeßt in hohem Maße vorhanden ist. ch erinnere nur an das FJnstitut der Ersazreserve und der Einjährig - Freiwilligen. n Folge des Systems der Dispositionsurlauber besteht shon jeßt die zwei- jährige Dienstzeit bei einem sehr erheblichen Theile der Fuß- truppen. Es brauchte im Wesentlichen nur geseßlich festgelegt zu werden, was jeßt shon besteht. Fnteressanter waren mir die Ausführungen des Abg. Windthorst, der in seiner Partei- stellung kaum wieder zu erkennen war. Er hat gesprochen wie ein Mann, der zur Kartellpartei gehört, der mit allen Mitteln der Angstmacherei dem Volke vor Augen stellen will, daß, wenn wir diese Forderung nicht bewilligen, das deutsche Vaterland der Gefahr ausgeseßt sei, dem ersten feindlihen Ansturm zu erliegen. Es lag in seinen Worten, daß, wer dieser Vorlage niht zustimme, sich einer Art des Vaterlandsverraths schuldig mache. Das war der- felbe Ton wie 1887. Das kommt davon, wenn man, wie er und seine Partei, auf dem besten Wege ist, Regierungspartei sans phrase zu werden. Jm Wahlkampf ist das Centrum enau wie die Linke für eine Verminderung der militärischen asten eingetreten. Diesem Auftreten hat es wesentlich seine zu danken, die es bei den Stichwahlen von der Linken erhalten hat. Heute, wo es die aus\shlaggebende Partei in diesen Hause ist, hat es sein Vec- sprechen vollständig vergessen, milder kann ih mih nit aus- drücken. Sie werden mir doch zugeben, daß, selbst wenn diese Vorlage in allen ihren Theilen abgelehnt wird, doch gar nicht daran zu denken ist, daß Deutschland wehrlos, der Bestand des deutschen Vaterlandes in Frage gestellt sei. Angesichts der ungeheuren Bewilligungen der leßten Jahre wäre das eine starke Behaup- tung. Abg. Windthorst hat sich denn auc in dem Gefühl, daß seine Begründung einen erheblichen Theil der Wähler des Centrums nicht befriedigen werde, um einige Beruhigung über die Zustimmung zu schaffen, für eine allgemeine mili- tärishe Abrüstung ausgesprohen. So sehr ich nun mich selbst mit diesem Gegenstande befaßt habe, fo bin ich do bis heute noch nicht dahin gekommen, anzuerkennen, daß dieser Gedanke ausführbar ist. Ein solcher Antrag hat einmal nah Maßgabe der Stimmung der maßgebenden Kreise keine Aus- sfiht auf Annahme, und vor Allem hat ein etwaiger Beschluß feine Garantie der Ausführung. Jm Ernstfalle wird man eben an die Stelle der offenen die geheimen Rüstungen seßen. Die gegenwärtige Situation ist eine Wirkung der Ereignisse von 1870/71. Mit der Annexion von Elsaß-Lothringen mußte es jedem politisch Gebildeten zweifellos sein, daß Frankreichs und Rußlands Jnteressen solidarisch seien und dazu führen müßten, si gegen Deutschland zu stellen, Als 1870 Liebknecht und ih und 1871 ih allein etwas Aehnliches aussprachen, wurden wir ausgelacht. Heute kann ih mit Genugthuung konstatiren, daß diese Voraussage sich verwirkliht hat. Kein einziger Mensch in Deutschland mit gesunden Sinnen wird die Richtig- keit dieser Auffassung bestreiten. Jch gebe dem Referenten zu, daß Deutschland keine Eroberungen machen will, daß in den höchsten Kreisen oder sonst die Absicht nicht besteht, Deutsch- land in einen Krieg irgend welcher Art zu stürzen. Das hängt aber niht von unserem Willen ab. Fn weiten Kreisen Frankreihs besteht nah wie vor der Gedanke, man mag das ja verurtheilen oder auch bedauern, die Thatsache steht aber fest, Elsaß-Lothringen wieder zu erobern. Dieser Umstand aber war es in ersier Linie, der Rußland bewogen hat, sich Frankreich zu nähern. Rußland hat von je her darnah gestrebt, sich in die Verhältnisse Deutschlands zu mischen und eine Zersplitterung aufrecht zu erhalten. Diese Art, im Trüben zu fischen und Deutschland zu s{wächen, wurde durch daz Jahr 1870 zerstört. Es hat nach wie vor die Absicht bestanden, die Mi nicht nur über das Schwarze und Mittelländishe Meer, sondern auch über die ganze Ostsee zu bekommen. Der Verfasser der Broschüre „Videant consules“ der unzweifelhaft den höchsten militärischen Kreisen angehört und die politishen Beziehungen Deutschlands genau kennt, hat direkt erklärt: Rußland ist ein Feind, gegen den wir unsere ganze Macht zu richten haben. Mit Recht hat demgegenüber der Reichskanzler darauf fige daß wir nicht daran denken können, die russishen Ostseeprovinzen zurückzuerobern. Mit Rußland und Frankreich können wir allein unmöglih fertig werden, wenn wir auch den leßten Mann und leßten Groschen aufböten. Der Dreibund Deutsch- land, Oesterreih und Jtalien ist zu Stande gekommen in der Erkenntniß der Solidarität der Jnteressen. Kommen wir aber mit unseren Bundesgenossen gegen Frankreih und Rußland in Krieg, fo würden die Türkei und Rumänien nicht müßig bleiben. Rußland müßte sih auf einen Defenfivkrieg beshränken, Uran reih müßte seine Grenzen nah Savoyen und Belgien decken,

und Englands Neutralität würde ficherlich nicht Frankreich

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