1890 / 156 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 30 Jun 1890 18:00:01 GMT) scan diff

kommen. Jn idealer Beziehung ist die Armee kein nothwen- diges Uebel, wir müßten fie schaffen, wenn wir sie niht- hätten. Nur ein Jahrzehnt ohne Armee würde auf die körperlihe und geistige Aufrechterhaltung des Volks einen wesentlih vershlewternden Einfluß haben. Hätten die Herren aus Süddeutschland, anstatt Resolutionen zu machen, lieber dem germanishen Grundsaße des allgemeinen Wehr- rechts möchte ih sagen —, au in Süddeuts{hland Boden verschafft, denn das ist der Grundsaß, der Süddeutschland 1870 vor der feindlihen Invasion gerettet hat! Der Typus der Petitionen gegen die Heeresvermehrung i|t die Mann- heimer Petition des dortigen fozialdewmokratishen Wahlveins, und Mannheim ift die Stadt der klassischen fbr cit? Vg 29 prozesse, bei denen nur Juden betheiligt waren. Der Abg. Bebel sagte, im Mittelalter hätte man es als Ehre an- gesehen, die Waffen zu tragen. Das ist uns {hon aus unserer g?auen Vorzeit überkommen, und wir sollten dieses Volksbewußtsein wieder stärken. Jch würde nichts Böses darin sehen, den gedienten Mann als Träger der politischen Rechte anzusehen. Jch will zwar nicht denen, die nicht gedient haben, die politishen Rechte absprechen ; aber ih meine, daß die, welche nicht mit Schweiß und Blut steuern, sehr wohl zu einer Ersaßwehrsteuer herangezogen werden können, für die ih eine gute Verwendung wüßte. Weil nämlich unsere gedienten Leute durch die Verpflegung an Statur zuge- nommen haben, und ihre Anzüge von früher thnen niht mehr passen, wäre es eine gute Aufgabe dieser Wehr- steuer, die entlassenen Reservisten mit neuen Anzügen zu versehen. Die militärishe Gewöhnung soll die Ent- wöhnung vom bürgerlichen Leben sein; allerdings, aber man unterschäßt dabei die guten männlichen Eigenschaften, die dem Soldaten anerzogen werden, und die höher stehen als die Handfertigkeit, die der Einzelne vergißt. Auch die Einzelheiten, die der Abg. Richter in seinem grünen Buch gegen die zwei- jährige Dienstzeit anführt, beweisen nicht, was beabfichtigt wird. Wenn auch einige Fabrikanten sich darüber beklagen, daß die Leute nah dem Militärdienst niht in demselben Um- fang verdienen können, wie vorher, so frage i,. ist das Interesse der Fabrikanten oder das des Staats die Haupt- fjahe? Als Gegenbeweis kann man in den Zeitungen tägliG Hunderte von Gesuchen lesen, in denen ge- rade gediente Leute für alle möglihen Zweke ge- suht werden. Die Ausbildung des einzelnen Mannes, das Bewußtsein der Kraft, das ihm anerzogen wird, die Entschlossenheit, Ordnungsliebe, Pünktlichkeit, Reinlichkeit, Gehorsam find niht hoch genug anzushlagen. Auch die Zusammengehörigkeit der Deutschen wird dadurch gestärkt. Es ist geradezu ein Vorzug des Garde-Corps, daß aus allen Pro- vinzen Leute in dasselbe eingestellt werden. Sie bleiben in steter Berührung mit dem obersten Kriegsherrn und können dabei das Gefühl der Zusammengehörigkeit in die Provinzen tragen. Mit seinen Zukunftsplänen hat der Kriegs-Minister nur ein Jdeal aufgestellt. Fdeale sollte man doch haben. Der Abg. Richter hat natürlih in seiner wahrhaft indishen Vor- liebe für Zahlenshwärmerei sofort ausgerehnet, was das Jdeal fosten würde, und damit hat er sih ein aroßes Ver- dienst erworben; denn er hat bewiesen, daß mit unserer bis- herigen Finanzwirthschaft es ganz unmöglich ist, dieses Jdeal zu erreichen. Der Hauptgrund gegen die zweijährige Dienst- E für mich ift der, daß man durch geseßlihe Einführung erselben einen geseßlihen Unterschied zwischen den Soldaten der Kavallerie und der Fnfanterie macht. Praktischer ift es, alle geseßlih gleihzustellen und, wo es möglich ist, Erleihterungen eintreten zu lassen ; das macht viel weniger böses Blut. Das ist do eine demokratishe Auffassung, die Sie auf der linken Seite theilen könnten. Dem Abg. Bebel gebe ich darin Recht, daß das Institut der Einjährig-Freiwilligen thatsähl:ch eine Bevorzugung der gebildeten und wohlhabenden Klassen be- deutet. Diese Jnstitution könnte man ohne Schaden aufheben, und die Ausbildung unserer Reserveoffiziere würde besser ge- stellt, wenn man die dienstlih und gesellshaftlih dazu quali- fizirten Leute aussuhte und im zweiten Jahre alle die Stufen durhmachen ließe, die fie jegt bei den Uebungen durchmachen. Der Abg. Richter stellt die Parteidisziplin ungeheuer hoh und hat auch jüngst bewiesen, daß er sie aufreht zu erhalten weiß. Das müßte doch sein Verständniß für die Disziplin in der Armee wesentlih gestärkt haben. Wenn die Abgg. Bebel und Richter uns spezielle Vorschläge über die Möglichkeit von Zeitersparnifsen bei der Ausbildung der Soldaten machen, so geht das doch zu weit. Jm Friedenserxerzitium müssen wir überhaupt übertreiben, damit im Ernstfalle der Einzelne völlig an seinem Plage ist. Die Behauptung, daß wir 1870 nur einen geringen Prozentsaß Dreijähriger im Heere hatten, if niht bewiesen worden ; jeder Soldat kann bestätigen, daß der- selbe sehr stark war. Es kommt niht nur auf die guten Volkseigenschaften an, die im deutshen Nationalcharakter liegen; diese waren auch 1848 bei den Jnsurgenten in Baden und in der Pfalz vorhanden, und troßdem liefen diese Heere immer davon, wenn scharf geschossen wurde. Der Abg. Richter hat das sehr shöne Wort von dem Beispiel des Muthes und der Unerschrocktenheit im leßten Kriege gebrauht. Da wird der Abg. Richter dem Versuch freisinniger Versammlungen, den Offizier- stand herabzusetzen, ebenso gegenüberstehen, wie ih. Jch stehe auh auf dem Standpunkt, daß ih keinem Menschen den Patrio- tismus absprechen will. Die Aufgabe, unser Volk bis zum leßten Mann wehrhaft zu machen, muß mit einer Umgestal- tung unserer finanziellen Verhältnisse verknüpft sein Reichstag und Regierungen sind seit Begründung des Reichs zu sreigebig geworden gegenüber den Fnteressen der Zehrstände, _des Großkapitals, aber zu knickerig gegenüber den Znteressen der arbeitenden Klassen, der Nähr- und Produktivstände. Die Aera der siebziger Jahre, die den Stempel Lasker an der Stirn hatte, hat uns auf die abschüssige Bahn gebracht und unseren Mittelstand vollständig pulverifirt. Den Mittelstand müssen wir kräftigen durch ein Steuersystem, welches uns von dieser s{hi:fen Ebene herunterhilft. Unser Volk hat noch so große Hülfsquellen, die uns wohl wieder in ganz gesunde Finanzverhältnisse hineinbringen können. Dazu gehört aber eine durchgreifende Reform. Es wäre z: Bi eine weitere Ausbildung der Staatsmonopóle möglih und insbesondere eines, welhes das Volk niht belastet, aber aroße Summen einbringen würde. Jh habe das Jnseraten- monopol im Auge. Das würde eine günstige Reform unseres Zeitungswesens sein, die durhaus nöthig is. Die aus- gleihende Gerechtigke't erfordert, daß man die Finanzlast von den ärmeren Klassen überträgt auf die Zahl Derjenigen, die weniger unter der Wehrpflicht leiden und es bezahlen können. Darum sollten wir der Börse zu Leibe gehen. Der neue Say it Finanz-Minister wird seinerseits an dieser Sühne ür die Frrthümer der vergangenen Zeit mitzuarbeiten haben.

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Jhm wird es leihter als anderen gelingen, die Maßregeln zu treffen, die verhindern, daß die hohe Schule der Gesetesübertretungen, wie der Abg. Lasker sie nannte, ihren Verpflihtungen aus dem Wege geht. Das Börfensteuergeses is ganz gut, es müßte nur der Paragraph über dén Prozentsaß so geändert werden, daß die Steuershraube stärker angezogen wird. Aber nicht mit der Börsensteuer ist es gethan, nöthiger ist eine internationale Börsengeseßgebung, die durch Strafgesez verbietet (Präsident von Levetzow bittet den Redner, seinem Vorsa getreu, fich kurz zu fassen und bei der Sache zu bleiben.) F bin beim Thema, denn ih sehe allerdings in der internatio- nalen Börsenorganisation eine beständige Kriegsgefahr; die unersättlihe Habgier, die Profitwuth der Börsenmächte schafft die Beunruhigung im Lande durch die Ausplünderung des Mittel standes und begünstigt durch Erregung von Unzufriedenheit die rothe Revolution. Die internationalen Friedensbestrebungen find mir fympathish. Der Abg. Payer wies bereits darauf hin, wie die Arbeitershußkonferenz wesentlih zur Befestigung des Friedens beigetragen habe, weil fie den Völkern eine ge- meinsame Aufgabe zuwies. Eine internationale Kameradschaft gegen den gemeinsamen Feind würde den Krieg verhindern, und dieser gemeinsame Feind ist die goldene JFnternationale. Der Antisemitismus hat sich als Frieden erhaltende und Völker versöhnende Kraft erwiesen. Jch habe gegen alle Resolutionen gestimmt, aber die eine ist mir doch \sympathis{h, bezüglich der einjährigen Feststellung der Friedenspräsenz- stärke. Die Regierung würde dann immer durch Auflösung eine gewaltige Majorität ins Haus bringen können. Jh habe aber dennoch dagegen gestimmt, denn wenn wir alle Jahre hier eine Militärdebatte über die ganze Armee und deren Bedürfnisse haben, wie sollen wir dann mit unseren Arbeiten fertig werden? Es liegen noch eine Menge Petitionen unerledigt; die Petenten wollen doch etwas darüber erfahren. Wenn man den Reichstag nicht kasernirt und die achtstündige Arbeiteschiht für ihn einführt, ist es ganz unmöglich, die einjährige Bewilligung einzuführen.

Abg. t von Münch: Die Stimmung, die der Abg. von Liebermann in das Haus gebracht hat, ist eigentlih für meine Ausführungen wenig geeignet, aver ih halte es doh für meine Pflicht, nicht auf das Wort zu verzichten. Redner versucht den ziffernmäßigen Nahweis, daß die französische Armee gegenwärtig keinen Mann mehr ins Feld shicken könnte als die deutsche, und daß au nah 25 Jahren, selbst wenn die gegen- wärtige französische Präsenz alljährlih bewilligt würde was keineswegs gewiß fei —, ein erhebliher Vorsprung dem deutschen Heere bliebe. Weder die Gegenwart noch der Aus- blick in die Zukunft nöthigt uns zu einer Erhöhung unserer Präsenz. Die Aufbringung der Mittel dafür würde wohl weniger Schwierigkeit machen. Wenn wir auch nicht so reih find, wie es nach dem Steigen der Montanpapiere über 300 Proz. sheinen könnte, so sind wir doch au nicht so arm, wie es danah scheinen könnte, daß die leßte Reichsanleihe niht voll gezeihnet worden ist. Das Ziel des Kriegs- Ministers ist die Ausbildung aller Waffenfähigen und ih bedauere nur, daß der Reichskanzler niht erklärt hat, dieser Gedanke sei auch der der Reichsregierung. So sicher aber unsere ae Politik niht auf den Krieg gerichtet ist, fo siher wird, sobald der Kriegs-Minister sein Ziel erreicht hat, der Krieg uns aufgedrängt werden. Wenn wenigstens ein Fünftel der Nation der Produktion entzogen ist, wäre der Niedergang unseres Wohlstandes ein so rapider, daß wir von selbt nah dem natürlihen Gang der Dinge gezwungen wären, in den Krieg einzutreten. Nicht im Namen meiner Partei, sondern für meine Person erkläre ih mich gegen die Herab- minderung der Dienstzeit. Die Gleichheit ist ein Hauptpunkt des volksparteilihen Programms; dieselbe würde aber durh- brochen, wenn für die Fnfanterie die zweijährige Dienst- zeit eingeführt würde, während dies für die anderen Waffengattungen niht möglich if. Nicht die Stärke- zahl der Truppen, die in das Feld geführt werden können, entscheidet den Sieg, sondern ihre Ausbildung und Disziplin. Nicht vergessen werden darf au dies, daß die Ausfallsthore von Frankreih nah Deutschland jegt in unserem Befiß und zum Schußwall Deutshlands gegen Frankreih geworden find. Die Popularität der Armee wird in dén breiten Schichten des Volks erst wieder feste Wurzel fassen wie 1870, wenn das Prinzip der Gleichberehtigung in ihr eingeführt, die Lasten des Militärdienstes auf breitere Kreise vertheilt sind. Für den Kriegsfall kommt es nicht auf die Friedenspräsenz, sondern allein auf die Kriegsstärke an. Die Militärverwaltung follte das Prinzip annehmen, die genügend Ausgebildeten und Be- fähigten zu entlassen, einerlei ob fie ein, zwei oder drei Jahre gedient haben. Jch maße mir niht an, hier irgend eine Partei anzugreifen, aber ih glaube fest und bestimmt, daß Hr. Windthorst zur Annahme der Vorlage nicht allein bereit ist, weil er in der Ablehnung eine Gefahr für das Vaterland sähe, sondern auch, weil er konstitutionelle Verwicelungen fürhtet. Die Regierung sollte bedenken, was es heißt, wenn der Reichstag aus Furcht vor \{chwerer Prüfung des Volks für die Vorlage stimme. Wenn Sie mit dieser Belastung des Volks weiter gehen, \o greifen Sie seine Existenz an. Hier vor der Existenz des arbeitenden Mannes bitte ih Sie aber, Halt zu machen. Wenn der Krieg uns aufgedrängt wird, bin ih überzeugt, wird das deutshe Volk auch seinen leßten Tropfen Bluts herzugeben bereit sein.

(Die Rede, insbesondere der leßte Theil, war von großer Unruhe und Lachen des Hauses begleitet und auf der Tribüne kaum verständlich.)

Die Diskussion wird geshlo}en.

__ Abg. von Bennigsen (persönlih): Es is ein Mißver- ständniß des Abg. Rickert, wenn er meinte, meine Ausführung über die Militärpläne sei ein zugespißter Angriff gegen den Kriegs-Minister. Das war sie nicht; sie beabsichtigte und ent- hielt nur einen Angriff gegen verschiedene Aeußerungen der freisinnigen Presse, welhe das Unbestimmte der Worte des Kriegs-Ministers und die in Folge der Pfingstferien vorhandene Unmöglichkeit, fie näher zu erläutern, benußte, um das An- wachsen der Präsenz auf über 1 Million und der Steuern auf über das Dreifache der gegenwärtigen Höhe auszumalen me dadurch gesteigerte Besorgnisse in der Bevölkerung zu er- wedcken.

Abg. Liebermann von Sonnenberg: Hr. Freiherr von Münch hat die Stimmung, die meine Worte in das Haus gebracht, als für seine Rede niht geeignet bezeichnet; er hat mit der seinigen jedenfalls nur die Heiterkeit des Hauses erweckt, ih hatte wenigstens die Laher auf meiner Seite. Im Uebrigen wünsche ih ihm, daß das antisemitshe Wasser

ihm gut bekommen sein möge. Er hat nämlich mein Glas Wasser ausgetrunken.

Abg. von Kardorff verbittet sich jede Zensur seiner Kampfesweise Seitens des Abg. Rickert. Er wünsche dem Reichskanzler nur ein Zehntel der staaismännishen Weisheit, wie sie Rickert zu besißen sich einbilde.

Abg. von der Decken erklart zur Geschäftsordnung, daß seine politishen Freunde niht anwesend seien, weil sie zur Beerdiaung des verstorben Grafen Bernstorff abgereist seien. Er theile dies mit, damit Viißverständnisse vermieden würden.

Abg. Böckel hält es nit für rihtig, daß die antisemitische Partei durch den Schluß der Debatte verhindert worden sei, zum Worte zu kommen.

Präsident von Leveßow bittet den Redner, sein Urtheil über die Beschlüsse des Hauses für sih zu behalten.

Jn der Spezialdebatte über 8. 1 bemerkt

Abg. Dr. W indthorst: s sind verschiedene Aeuße- rungen gefallen über die Haltung der Centrumspartei und wie es ihr in Zukunft gehen würde. Man sollte solche Kombi- nationen lassen; das Centrum wird seinen alten Weg gehen.

8. 1 wird darauf angenommen, ebenso ohne Debatte die übrigen Paragraphen und schließliÞ das ganze Geseg. Die Petitionen sind durch die gefaßten Beschlüsse erledigt.

Darauf wird in der Gesammtabstimmung das Gesetz, be- treffend die Gewerbegerihte genehmigt.

Es folgt die erste Berathung des dritten Nachtrags- Etats und des dazu gehörigen Anleihegeseßes.

Abg. Richter: Die Mehrentlafsung von 6000 Dispo- fitionsurlaubern hätte eigentlih eine Entlastung des Etats um 1—2 Millionen im Gefolge haben müssen. Jch habe aber im Nachtrags-Etat keine solhe Erleihterung gefunden und man sagt sogar, daß die vermehrte Entlassung der Dispositionsurlauber eine vermehrte Refkruten- einstellung zur Folge haben werde. Der Major Gaede hat zwar meine Auslassungen berichtigt, wo ih die Erklärungen des Reichskanzlers zu ungünstig aufgefaßt hatte, den Punkt aber, wo ih sie zu günstig aufgefaßt, unberührt gelassen. Die Konsequenzen des eben beschlossenen Gesezes werden wir ziehen müssen, allein Angesichts der Ferienstimmung, die sih immer mehr merflih macht, wird es niht zweckmäßig sein, darüber hinaus irgendwelche Beschlüsse zu fassen, besonders bezüglich des hohen Extraordinariums von mehr als 60 Millionen für strategisce Eisenbahnen und für neue Kasernen. Bei dem große! Betrag von Anleihen, welche zu realisiren sind, und bei der Abneigung des Geldmarktes gegen 31/5 prozentige Konsols jollie man das Extraordinarium überhaupt auf das Nöôthigste beschränken.

s wird die Vorlage der Budgetkommission über- wiesen.

Es folgt die zweite Berathung des zweiten Nach- trags-Etats (Verbesserung der Beamtenbesol- dungen). U

__ Die Kommission beantragt, die Diensteinkommens-Ver-

besserungen für Offiziere und Aerzte des Reichsheeres mit 3 986 340 A, für Offiziere und Aerzte der Marine mit 189 140 A6 und für etatsmäßige Beamte der Tarifklasse IIL (Durchschnittsgehälter von 6600, 6150, 6000, 5700, 5400, 5100, 4800, 4600, 4300, 4200, 3900, 3500, 3300, 3000 und 2700 A) mit 926 454 M abzulehnen. ___ Die Erhöhungen für etatsmäßige Beamte der Tarifklafse V, soweit die Durchschnittsgehälter 4500, 4000, 3700, 3600, 39500, 3200 M betragen, ebenfalls abzulehnen, die sonstigen Erhöhungen in dieser Tarifklasse jedo zu bewilligen in Höhe von 4355 906 M statt der geforderten 5 891 086 M

Die übrigen Forderungen : 5 103 723 F für etatsmäßige untere Beamte, 2 996 657 M für diätarish beschäftigte Beamte und Unterbeamte, 540 000 4 zu Stellungszulagen (leßtere dürfen aber nur für 1890/91 bewilligt werden) beantragt die Kommission zu genehmigen.

__ Den Abstrichen ent)prehend werden auch die Matrikular- beiträge gekürzt.

Die Sozialdemokraten (Auer und Genossen) beantragen, für die diätarifch beschäftigten Beamten und Unterbeamten 3 804 985 6 (statt 2536 657 A6) zu bewilligen.

Berichterstatter ist Abg. von Strombeck.

__ Abg. von Benda: Die Beschlüsse der Kommission ent- sprehezn den Wünschen, welhe von den meisten Parteien in der ersten Lesung kundgegeben worden sind. Die Beamte, welche jeßt niht bedacht sind, mögen si beruhigen; die ver- bündeten Regierungen haben selbst erklärt, daß der Beschluß der Kommission nur ein Trost is, welcher der Vervollstän- digung dringend bedarf. Diese Ergänzung müßte {hon im nächsten Jahre erfolgen. Was im Reiche in dieser Beziehung geschieht, muß in Preußen Nachfolge haben, dazu stehen die beiden Dinge zu eng im Zusammenhang. Wer mit den weiteren Schritten zuerst vorgeht, ob das Reich oder Preußen, ist dabei gleichgültig.

_ Abg. Hahn: Wir sind mit unserer Meinung, daß die Offiziersgehälter au erhöht werden müßten, namentlich die Gehälter der Premier-Lieutenants und der Hauptleute IT. Klasse, in der Kommission allein stehen geblieben und verzichten des- halb darauf, die betreffenden Anträge jeßt zu erneuern. Wir werden aber deshalb auch allen Anträgen, welhe über die Anträge der Kommission hinausgehen, unsere Zustimmung verweigern.

Staatssekretär Freiherr von Maltzahn:

__ Meine Herren! Ihre Kommission hat bedauerlihèr Weise die sämmtlichen Gehaltserböhungen für Offiziere und einen großen Theil der geforderten Gebaltserhöbungen für Beami1e abgelehnt die Ab- stride betragen im Ganzen etwa 7 Millionen und nach den Er- klärungen, die wir bier gehört baben, muß ich befürchten, daß auch das Plenum des Reichstages im Wesentlichen gleichartige Beschlüsse fassen wird. Das wird dann also bedeuten, daß es für das laufende Iahr für eine ganze Reihe von Beamten und für sämmtliche Offiziere ausges{chlossen sein wird, ibnen diejenigen Gehaltsverbesse- rungen zuzuweisen, welche nach Meizung der verbündeten Re- gierungen billig wären. Denn das möchte ich ausdrücklich erklären, die Ueberzeugung von der Angemessenheit der von den verbündeten Re- gierungen geforderten Säße auch für die Klassen, welhe Sie noch nit berüdsihtigen wollen, und die Ueberzeugung, daß auch diese Summen finanziell sehr wohl von uns getragen werden könrten, ift bei mir wenigstens und ich glaube, auch bei allen Vertretern der ver- bündeten Regierungen, durch den Gang der Kommissionsverhandlungen nit crs{üttert worden. Ih bedauere die Beschlüsse Jhrer Kom- mission auch um deswillen, weil sie meines Erachtens zurückbleiben eines Theils hinter dem, was der vorige Reichstag kurz vor seinem Schlusse gefordert hat, und anderen Theils hinter dem, was in Preußen gesehen ist. Der vorige Reichstag hat in seiner Resolution gefor- dert cine Gehalis8aufbesserung der unteren und mittleren Beamten. Was mittlere Beamte sind, is ja richt mit absoluter Bestimmt- beit zu sagen. Die Grenze zwis{en mittleren und höheren Beamten

* ift eine flicß?nde; aber Beamte, wie die Rendanten bei der Militär-

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sionskasse, Werkftattvorsteher im Gebiet des Reibsamts des

nern, die Rendanten bei den Ober-Postkaffcn, die Buchhalter und ähnlihe Kategorien sind zweifellos do, wenn man zwischen mittleren und böheren Beamten unterscheiden will, nidt zu den böberen, sondern zu den mittleren Beamten zu rechnen. Alle diefe Beamten stehen in der Tarifflasse IIT, welder Sie für das laufende Etatéejabr eine jede Verbesserung versagt haben. Und wenn man in Preußen beispiel€- weise unter den Begriff der mittleren Beamten gerehnet und dem- gemäß aufgebessert hat die Bauinspektoren, so liegt ein Zurückbleiben binter diesem preußishen Vorgehen darin, wenn die auf S. 16 der Anlage IX verzeibneten Bauinspektoren in der Reichsverwaltung eine Gehaltserböhung für das [aufende Jahr nit erbalten sollen.

Nun baben ja aber, sowobl in der Kommiision als hier, die Ver- treter der Mebrheit diefes Hauses ausdrücklic erklärt, daß das, was für das laufende Jakr abgestrihen werde, damit noch nit für alle Zu- kunft abgelehnt fein soll, und diejenigen Beamtenkategorien, welche in Folge der Besblüsfse des Reichstages in diesem Jahre nob nicht werden bedacht werden fönnen, werden sich gedulden müssen und werden sid gedulder können, wenn sie erwägen, daß die Verbesserung auch hcer Diensteinkünfte von den verbündeten Regierurgen als begründet und finanziell auëführbar anerkannt worden und von den Vertretern des Reichstages nur für die Gegenwart abgelehrt, für die Zukunft aber nit als absolut au8ges{lossen bezeihnet worden ift.

Ich darf noh ein Wort hinzusezen. Wenn das Plenum des Reichstages im Anschluß an die Beschlüsse der Kommission die Gehaltserhöbungen für die Offiziere ganz, und für die Militärbeamten theilweise streichen solite, so würde selbstverständlih die Konfequenz gezogen werden müssen, daß in den neuerdings eingebrahten dritten Nacbtrags-Etat alsdann die früheren Säße für diese Kategorien ein- gestellt werden müßten, während zur Zeit für diese Offiziere und Beamten die Sätze eingestellt sind, welhe |ch ergeben würden, wenn die ganze Vorlage des Nachtrags 2 angenommen würde. E

Es ift übrigens von einer gewissen Bedeutung, dic Geringfügigkeit dieser Differenz bier einmal hervorzuheben. Diese Differenz würde in dem Nachtragsetat 3 im Ganzen etwa 49 000 betragen.

Staats-Minister von Verdy: t

Meine Herren! Wir haben in der Kommission nach Kräften versuht, Ihnen die Nothwendigkeit der Aufbesserung der Offizier- gehälter darzulegen. Wir haben in dieser Beziehung die Ueberzeugung, daß es nicht bloß eine Nothwendigkeit ist, fondecn für ver]chiedene Gehaltsklafsen au eine dringende Notbwendigkeit.

ch kann dem Hecrn Referenten nur dankbar sein, daß er die Güte gehabt hat, den widtigsten Theil unserer Ausführungen hier in so ausgedehnter Weise wiederzugeben, Ich könnte rur die einzelnen Punkte Ihnen ebenso wieder begründen und fo warm begründen, wie wir es in der Kommission gethan haben. Indessen wird das augen- blicklich nicts ândern.

Die wesentlichsten Gesicispunkte, worauf es ankommt, sind be- reits anzaeführt. Nur auf eins möchte i noch bitten, die Aufmerk- famkeit der Herren hinlenken z§1 dürfen. Wie diese Vorlage aus der Kommission berau®getreten ist, so sind die Beamten der Klasse XIII mit durchs@{nittlich 2600 A von Ihnen darin aufgenommen worden, und die Aufbesserung dieser Klafse ist von Ihnen empfoklen worden. Da frage ich, warum man da nun die Offiziere, speziell die Premier- Lieutenants und Hauptleute 17. Klasse, aus diefer ganzen Vorlage aus- \{chließt, welhe ebenfalls nur in derselben Weise besoldet sind, wie diese Beamten. Ferner, meine Herren, wenn Sie sagen, die Finanzen erlauben das nicht, wenn Sie das sagen gegen die Ansicht der verbündeten Regierungen, warum wollen Sie gerade den Offizier Hier ausnehmen, warum das nur der Beamtenklasse zukommen lassen? Ich glaube, das Plus, was hierzu nothwendig ist, könnte fich doch noh jedenfalls finden. Meine Herren, ich möchte in der leßten Stunde Ihnen dies doch noch ans Herz legen. Wie gesagt, die Nothwendigkeit ift eine dringende. Um arf einen einzelnen Fall, den der Herr Referent so gütig war, anzu- führen, zurückzukommen, bemerke ih: ein Premier - Lieutenant, der zwischen dem dreißigsten und se&sunddreißigsten Lebensjahre steht, zehn bis fünfzehn Dienstjahre Dienstjahre, die die Kräfte der Offiziere heutigen Tages aufs Aeußerste angreifen hinter si hat, ein folher Offizier, der soll nun noch abhängig sein von seinen Ver- wandten, die den Zusbuß für jüngere Geschwister, für sh felbst vielleiht nothwendig brauhen? Ihn durdringt gewiß das Gefühl, für das, was er zu thun und zu leisten hat für den Staat, do endli einmal selbständig dastehen zu wollen, und mit diesem Gehalt können ärmere Offiziere dieser Kategorien absolut nicht auskommen. Denn wenn ausgerehnet worden ist, daß \chließlib nur achtzehn Pfennige übrig bleiben, so ist das Allernothwendigste nur berechnet, ohne das er nit existiren kann; diese abtzehn Pfennige aber gehören no@ zur Bestreitung des Nothwendigen. Meine Herren, ih verstehe es niht, und weite Kreise werden es niht verstehen, warum, wenn Sie bei den Beamten so weit hinaufgehen, Sie diese verhältnißmäßig geringe Summe für die beiden Klassen nicht au noch finden, umsomehr, da sie in keincm Vergleich zu den preußisden Verhältnissen stehen, am Alerwenigsten die Denn für die überdies die betreffende Tarif- lasse in Preußen gar nicht existirt. Sollen alle diese Dffiziere, die f in Noth befinden, soweit sie nicht selbst bemittelt sind, um des- willen ausgeshlofsen werden, weil fie keine Parität in Preußen baben? Sollen sie darauf warten, bis vielleicht der besser Besoldete, der vor ihnen steht, auh noch mit in die Auf- besserung hineingezogen werden kann? Nein, meine erren, ih glaube, wenn Sie gerecht sein wollen, wenn Sie unseren Auseinanderseßungen irgend welhen Werth beilegen, so müfsen Sie darauf wieder zurückommen : es ist absolut nothwendig, daß wir hier niht einen Wesel auf die Zukunft den Offizieren geben, die wirkli in \{werer Arbeit bis an eine Grenze, die man nicht steigern kann, ihr Leben jeßt dahinbrin,en. Jch empfehle Ihnen nohmals, auf diese Verhältnisse in der lezten Stunde einen Blick zu werfen, und ic bitte Sie um günstigere Stimmung und unsere Offiziere nicht deshalb unberücksictigt zu lassen, weil unglückliherweise diese Forde- rung zusammenfällt mit anderen und {weren Vorlagen der Militär- verwaltung. i

Abg. Dr. Windthorst: Die finanzielle Lage des Reichs, die bei Weitem nicht so günstig ist, als sie uns in der Kom- mission von der Regierung dargestellt wird, legt uns eine Beschränkung auf sowohl in Bezug auf die Civilbeamten, wie in Bezug auf die Offiziere, auf deren Lage der Kriegs-Minister eben fo warm hingewiesen hat. Jch bin einigermaßen über- rasht, daß der Staatssekretär heute gemeint hat, es könne die Reichskasse das, was hier gefordert ist, noch tragen. Früher ist auf die Nothwendigkeit neuer Steuern hingewiesen worden. Die Steuerzahler, namentlich die unteren Schichten der arbeitenden Bevölkerung, können weitere Lasten nicht tragen. Die Militärverwaltung muß darauf hinarbeiten, ihre Aus- gaben auf das äußerste Maß zu beschränken. Das zur Ver- theidigung des Landes absolut Nothwendige konnten wir nicht ablehnen, aber hier is eine solhe Nothwendigkeit nicht vor- handen. Die Militärverwaltung mag durch Ersparnisse in anderen Dingen die nöthigen Mittel finden, um eine bessere Besoldung der Offiziere zu ermöglichen. : L

Abg. Baumbach: Diese Vorlage mit der Frage der Verbesserung der Offiziersgehälter zu verquicken, halte ih um so weniger für angezeigt, als der Reichstag in seiner Resolution von Offizieren gar nit gesprochen hat. Es ist begreiflih, daß die gemahten Abstrihe, namentlih hinsichtlih der Post- beamten, eine Beunruhigung hervorgerufen haben. Bei der nächsten Etatsberathung werden wir mit Ausgleihungen vor- gehen müssen, und ih bin überzeugt, daß die Regierung nicht die Jnitiative des Reichstages abwarten wird, um die nöthige Abhülfe zu shaffen. Namentlih müssen die Gehaltsverhält-

nisse der Vorsteher von Postämtern und der Postmeister noch- mals geprüft werden. Das ftann aber bei der regelmäßigen Etatsberathung geschehen. Jch cmpfehle jegzt die Annahme der Kommissionsbeschlüsse.

Darauf werden gegen die Stimmen der Konservativen die Gehalteaufbvesserungen für die Stabsoffiziere, Ober-Stabs- ärzte, Hauptleute T. und IT. Klasse, Premier-Lieutenants, Assistenzärzte, Offiziere und Aerzte der Marine, sowie für die Beamten der Tarifklasse IIT. abgelehnt.

Bei den beantragten Besoidungsverbesserungen für die ;

Postbeamten bemerkt

_ Abg. Werner (Antisemit): Es freut mich um so mehr, daß ich zu dieser Vorlage das Wort ergreifen kann, da schon 1887 mein Freund Bödel für die Postveamten eingetreten ist. Die Postsubalternbeamten hatten besonderen Grund zur Klage, und mancher vou ihnen hat aus Unzufriedenheit über die mangelhafte Besoldung bei den Wahlen für den Sozial- demokraten gestimmt. Wir freuen uns der Ersparnisse, die Hr. von Stephan macht; unsere Freude wird aber verringert dadurch, daß fie auf Kosten der Unter- beamten gemaht werden. Bei der Aufbesserung hätte man aber niht oben anfangen, sondern von unten nah oben gehen sollen. Man hätte das Minimalgehalt und nit das Marimal- gehalt erhöhen sollen. Statt der Hülfskräfte sollten ferner feste Beamte angestellt werden. Eine Ungerechtigkeit ist es dann, daß die Postassistenten niht Postsekretäre werden können. Viel könnte endlich erspart werden, wenn weniger kostspielige Postbauten errihtet würden. Dann bliebe mehr für die Beamten übrig. Mit der Annahme der Vorlage wird das Reih den Wunsh Kaiser Wilhelm's IT. erfüllen, eine Auf- besserung der sozialen Verhältnisse seiner Bevölkerung herbei- zuführen.

Direktor im Reichs-Postamt Fischer: Der Vorredner hat den Moment für passend erachtet, eine Kritik der Post- verwaltung einzuflehten. Jh werde ihm auf diesem Wege nit folgen, da mir dieser Etat niht der geeignete dafür scheint. Nur dem Vorwurf möchte ih entgegentreten, daß wir mit der Aufbesserung bei den oberen Klassen anfangen und nah unten weiter gehen. Jeder Blick in die Vorlage g?nügt, um die Unbzgründetheit desselben nachzuweisen. Gerade unten beginnt die Aufbesserung und steigt nah oben.

Abg. Werner: Wenn ich etwas gesagt, was niht in den Rahmen der Debatte gehört, so wäre es Aufgabe des Prä- sidenten gewesen, mich zu refktifiziren.

Präsident: Jh glaube nichts versäumt zu haben.

Abg. Werner: Jh wollte Jhnen, Herr Präsident, keinen Vorwurf machen, sondern lediglich Herrn Direktor Fischer das Recht absprechen, mich zu rektifiziren. Jh habe auch nicht von unten und oben, sondern von Maximal- und Minimalgehalt gesprochen. :

Die Aufbesserung für die Vorsteher der Postämter zweiter Klasse wird bewilligt, ebenso für die Rechnungsbeamten zweiter Klasse des Reichspostamts. Die Aufbesserungen für die Klassen VIIT bis XII (3200—2700 A dur{shnittlih) werden abgelehnt. Dagegen werden die übrigen Forderungen, Klasse XITI—XXIIT (2600—1300 A durdshnittlih) bewilligt; ebenso die Aufbesserung für die R:ihs-Eisenbahnbeamten.

Darauf wird die Berathung abgebrochen. Eingegangen ift eine neue Vorlage, betreffend die Konsulargerichhtsbarkeit auf Samoa.

Sthluß nach 5 Uhr.

exakt ausgeführt.

Festlichkeiten zu Ehren des Reihskommissars Majors Wissmann.

Der auf Urlaub von Ost-Afrika hierher zurückgekehrte Reichskommissar Major Wissmann wurde am Sonnabend durhch zwei ihm zu Ehren veranstaltete Festlichkeiten gefeiert. Nach- dem die Deutsche Kolonialgesellshaft, Abtheilung Berlin, in Verkennung der Bedeutung des deutsch-englishen Abkommens die ursprünglih von ihr beabsihtigte Feierlichkeit mit Rücksicht darauf, daß jenes Abkommen „zu Freudenfesten keine Veran- lassung mehr biete“, abgejagt hatte, traten Verehrer und Freunde des Reichskommissars, die sich übrigens zumeist auch aus den kolonialpolitishen Kreisen rekrutirten, zusammen, um dem Heimgekehrten im Römischen Hof ein glänzendes Festmahl zu bieten. Es waren über hundert Personen in dem mit Fahnen geschmüdckten Festsaal verjammelt, welche dem Reichzkommissar ihren Dank und ihre Genugthuung für seine in Ost - Afrika erworbenen Verdienste zum Ausdruck bringen wollten. Der Major wurde bei seinem Eintritt mit Musik empfangen und von dem Geheimen Justiz-Rath, Professor von Cuny, dem Major Lieb:rt und dem Konsul Vohsen auf den Ehrenplaß in der Mitte der Tafel geleitet. An dem Mahle nahmen auch etwa aht gegenwärtig auf Urlaub befindliwe Offiziere der Wissmann-Truppe sowie die Afrika-Reisenden Reichardt und Dr. Hans Meyer Theil. Den ersten Trinkspruch auf Se. Majestät den Kaiser brachte Major Liebert aus, welcher das lebhafte Fnteresse Sr. Majestät für maritime und foloniale Angelegenheiten betonte. Der Regierungs-Baumeister Wiskow folgte mit einer Rede, welche die großen Verdienste Wissmann's als Forscher, Organisator und Wiederhersteller der Ordnung in Ojt-Afrika feierte. Der Direktor Strauß würdigte die Verdienste der Kampfgenossen des Gefeicrten, worauf dieser der Versammlung seinen Dank in einer Ansprache ausdrückte, in welcher er seine Freunde bat, der folonialen Sache nicht durch übertriebene Miß- stimmung über die angeblihen, aus dem Abkommen er- wachsenden Nachtheile zu schaden, das Kind niht mit dem Bade auszushütten und vor Allem im Auge zu behalten, daß das Jnteresse des Vaterlandes demjenigen der Kolonien vorgehe. Ein von dem Freiherrn von Aufseß

ausgebrahtes Hoh auf den Fürsten Bismarck fand freudigen |

Beifall und wurde diesem in einem Telegramm übermittelt. Gesangevorträge und Musikstüce unterhielten die Gäste, von denen alsdann ein Theil fich mit Major Wissmann zu dem Commers begab, welchen die leitenden Führer der fkolonial- freundlichen Parteien des Reichstages dem Heimgekehrten zu Ehren in dem Lichthofe des Kaiserhofes veranstaltet hatten. Hier waren in dem unteren Raum lange Tafeln auf- gestellt, auf der ringsherum laufenden Estrade kleine Tische, in der Mitte der Estrade nah dem Saale zu stand eine Kolofsalbüste Sr. Majestät des Kaisers, vor welcher sih ein längerer Tish für den Reichskommissar und die eingeladenen Ehrengäste befand. Rechts vom Major Wissmann nahmen Play der Aba. Dr. Windthorst, der Unter-Staatssekretär des Jnnern, Vize-Präsident des Staats-Ministeriums Dr. von Boetticher, der Staats-Minister Dr. Frhr. Lucius von Ball-

hausen und der Ober-Präsident von Bennigsen; links saßen *

der Präsident des Reichstages von Leveßow, der bayerishe Ge- sandte und Bundesbevollmächtigte Graf Lerchenfeld und der Oberst von Petersdorf, Commandeur des 2. Garde- Regiments z. F., à la suite dessen Major Wissmann steht. Es waren im Ganzen etwa 200 Personen versammelt; die Parteien des Reichstages waren alle mit Ausnahme der sozialdemokratishen vertreten ; als Gäste waren anwesend die gegenwärtig hier weilenden Offiziere der Wissmann- Truppe, mehrere Mitglieder des Bundesraths, einige höhere Beamte der Reichsbehörde:, das Präsidium der Deutschen Kolonialgesellschaft, eine arößere Anzahl von Mitgliedern der Deutsch:Ostafrikanishen Gesellschaft, mehrere Afrikareisende sowie der Begleiter des Majors Wissmann, Soliman Ben Nofsr in seiner arabishen Tracht. Staatssekretä: Dr. von Boetticher ergriff alêëbald das Wort, um in markigen Zügen auf das rege Fnteresse Sr. Majestät an der Kolonialpoiitik und insbesondere an den Thaten des Majors Wissmann hinzuweisen und dem Dank Ausdruck zu geben, welchen das Vaterland Sr. Majestät für dessen treue Sorge um die Erhaltung des Friedens s{huldet. Jn das von ihm auf Se. Majestät ausgebrahte Hech stimmte die Ver- sammlung lebhaft ein, die darauf den ersten Vers von „Heil Dir im Siegerkranz“ stehend sang, Präsident von Leveßow brachte alsdann unter geshickter Verwendung einiger Horazi- her Verse den Dank des Reichstages für die großen Dienste zum Ausdruck,-welche-Major Wissmann der Kolonialpolitik wie dem Vaterlande geleistet: „wo er kam, da siegte er“, „er hat für die idealen und realen Güter des Reichs gestritten; möge er noch lange seiner Erfolge si erfreuen.“ Der von Hern. von Levezow auf Hern. Major Wissmann kommandirte Salamander wurde Der Gefeierte hob in seiner Erwiderung die Verdienste seiner Offiziere hervor und knüpfte daran in Erinnerung der Bedeutung der Gastgeber im Jnteresse von Ost-Afrika die Bitte „um weitere Unterstüßzung“, indem er sih auf den bekannten Ausfpruch Montecuculi's, daß zum Krieg- führen Geld, Geld und abermals Geld gehöre, berief. Jn diesem Sinne brachte er ein Hoh auf den Reichstag aus.

Es war 11 Uhr geworden, als nunmehr das erste offizielle Lied „Stimmt an mit hellem, hohen Klang“ gesungen wurde. Alsdann nahm Hr. Dr. Windthorst das Wort zu einer mit gutem Humor gewürzten Rede, in der er an Hrn. Wissmann's „Bitte um weitere Unterstüßung“ anknüpfte. Er erklärte, daß Wissmann seine ganze Sympathie habe, kein Herz könne An- gesihts seiner Thaten unbewegt bleiben. Er sei stolz darauf, daß es ihm in seinem Alter vergönnt sei, neben einem solhen schneidigen Offizier zu sißen. Gleich- wobl könne er (Redner) sih nicht so ohne Weiteres für die Zukunft engagiren, da er immer für eine „Politik der freien Hand“ sei. Aber aufgeben könne man nicht, was Wissmann erreicht habe; er huldige auc hier dem Sprüchwort: nunquam retrorsum, Wenn Hr. Wissmann nicht gar zu viel vom Reichstage verlange, so werde er mit seinen ¿Forderungen einverstanden sein, denn man habe in Ost-Afrika nicht nur einen Besiß festzuhalten, sondern das Prestige Deutschlands hochzuhalten, welches Wissmann dort zur Geltung gebraht habe. Man möge doch bedenken, welchen Eindruck es in der Welt gemacht haben würde, wenn Wissmann „mit einer langen Nase“ aus Afrika wieder hätte abziehen müssen. Man habe die Pflicht, recht sparsam zu sein, um das herbeischaffen zu können, was für Ost-Afrika nothwendig sei. „Jh kann den Wissmann nicht verlassen, und wir alle auÿ nicht.“ Die launige Rede klang in ein Hoch aus, welches Hr. Windthorst auf die Mutter des Reichskommissars ausbrachte.

Als zweites Lied wurde „O alte Burschenherrlichkeit“ ge- sungen, dessen Wahl Hr. Windthorst veranlaßt hatte. Zum Schluß sang die Versammlung „Ein lustiger Musikante“ 2c. Gegen 2 Uhr hatte das Fest, welches einen gemüthlihen und zwangiosen Verlauf nahm, sein Ende erreiht. Der Direktor beim Reichstage Knack hatte bestens für die äußeren Arrange-

ments ge}orgt.

Die 62. Ausstellung der Königlichen Akademie

der Künste.

Wo im vergangenen Jahre die Maschinen rafselten, Räder schwirrten und die Dampfpfeife ihren scharfen Ton erschallen lies, da herrsht jegt wieder jene weihevolle Ruhe, wie sie einem Tempel der Kunst so wohlansteht und nöthig ist. Die Werkzeuge und Betriebsmittel der lärmenden Fndustrie sind den Erzeugnissen der shönen Künste gewichen, die weiten Säle wieder zu dem geworden, wozu sie bestimmt sind, Heimstätten für die Werke unserer Maler und Bildhauer, die froh sind, daß sie in diesen weiten Hallen so reihlich finden, was zur Würdigung und rechten Betrachtung threr Schöpfungen so nothwendig ist, Raum und Licht. An ersterem ist gewiß kein Mangel, es macht sich im Gegentheil zuweilen eine Ueberfülle bemerkbar, in so manchem der Säle sieht man Wandflächen, die allzu spärlich behängt sind. Aber im Allgemeinen ijt der Eindruck, den die 62, Ausstellung der Königlichen Akademie der Künste zu Berlin macht, ein günstiger und beweist, daß in unserer Künstler- schaft, sowohl in der älteren wie in der jüngeren und jüngsten Generation, ein reges Leben und Streben herrs{cht, wie aus der stattlihen Reihe von Bildern und Skulpturen es sind deren insgesammt 1549 nachgewiesen werden kann.

Der prächtige Kuppelsaal, der als bleibende Erinnerung an die große akademishe Fubelausstellung die würdige Empfangshalle des Landes-Ausstellungsgebäudes bildet, gestattet diesmal wieder den freien Durchblick in die Seitenräume und in den sogenannten Ehrensaal, welcher zwar nur eine kleine Sammlung von Gemälden enthält, von denen aber einige die Aufmerksamkeit des Besuchers gleich in hohem Maße fesseln. Zur rechten Hand erblickt man Professor W. Schuch's großes Reiter-Porträt Sr. Majestät des Kaisers und Königs Wilhelm 11. Wenn in einer Kunstnotiz im „R. u. St. A.“ vor wenigen Tagen gesagt wurde, daß dieses Bild eine hervorragende Zierde der diesjährigen Aus- stellung sein würde, so ist diese Voraussicht in glänzender Weise bestätigt worden. An dieser Stelle eine eingehende Be- \sprehung des verdienstvollen Werkes zu liefern, ist niht an- gängig, da hier nur ein flüchtiger Ueberblick über die Aus- stellung gegeben werden soll; aber gleih bemerkt sei, daß Werner Schuh den Beschauer zwingt, vor seinem Bilde längere Zeit Halt zu machen und sih in die Einzelheiten des- selben zu vertiefen ; doch schon ein flüchtiger Blick genügt, um erkennen zu lassen, daß man es hier wohl mit einem der wirkungsvollsten Bildnisse Sr. Majestät zu thun hat, gleich gediegen in Komposition, Zeichnung und Farbe.

Diesem Werk gegenüber hängt eine große Leinwand Th.